Jareth und René von mikifou (Los Angelos Summerdrive) ================================================================================ Kapitel 7: Westpark ------------------- Ich war, nachdem wir bei C.G. zuhause angekommen waren, mit einem knappen „Bis morgen“ gleich weiter gegangen. Josi hatte ich eine SMS geschrieben, dass ich später kommen würde. Seit dem war bereits eine Stunde vergangen, in welcher ich sinnlos auf der Schaukel in Westpark saß. Mein Handy zeigte mir an, dass es schon fast vier Uhr war. Noch eineinhalb Stunden dann ging die Sonne auf, dachte ich. Ich war noch zu keinem Ergebnis gekommen. Dazu kam, dass mein Handy keine eineinhalb Stunden mehr durchhalten würde. Ich musste ja unbedingt spielen, wodurch mein Akku schon auf 15% gesunken war. Auch der Alkohol ließ langsam nach und ich bekam urst den Brand. Dazu wurde mir kalt. Wieder seufzte ich. Was machte ich hier eigentlich? Das dumme am Alkohol war, dass man sich meist erst so richtig beschissen fühlte, wenn er wieder nachließ. Genau das war gerade bei mir der Fall. Ich fröstelte, da ich nur im Shirt hier saß – man glaubte gar nicht wie kalt Sommernächte sein konnten, vor allem kurz vor dem Sonnenaufgang. Zudem befand ich mich in einem Zustand zwischen wachsein und einschlafen. Einerseits hielt das Frösteln und die frische Luft mich wach, machte meinen Kopf klarer, sodass ich hätte denken können. Andererseits war ich echt k.o. und erledigt, weil ich schon so lange auf war und wirklich zu viel erfahren hatte. Ein wunder, dass in meinem Kopf noch kein ERROR erschienen war. Ich hatte, gestern mittlerweile schon, wirklich zu viel erfahren... René und ich kannten uns schon – angeblich. Wir waren alte Kindergartenfreunde – angeblich. Ich war vom Baum gefallen und hatte somit einen Teil meiner Erinnerungen verloren, weshalb ich René auch nicht mehr erkannte, weil dieser, bevor ich mich wieder erinnern konnte, weggezogen war – angeblich. Mir schwirrte richtig der Kopf von all den Dingen. Noch erschwerend hinzu kam, dass weder René noch ich uns reinen Wein einschenkten. Er wusste was mit mir war, kannte mich womöglich noch von früher und doch war er bei unserer ersten Begegnung so ein Arsch gewesen. C.G. und Josi steckten da auch mit drin. Den Moment, in dem ich René hätte zur Rede stellen können, verbockte ich. Spielte meine Karten nicht gut aus. Er hatte mich wieder auf die Palme gebracht und ich konnte mich nicht beherrschen. Somit wusste er, dass ich wusste, dass wir uns gekannt hatten. Vielleicht ahnte er sogar, dank C.G.'s Aussage von vorhin, dass ich mehr als nur das wusste? Gott, war das alles verwirrend! In Anbetracht meiner aufkeimenden Müdigkeit, fühlte sich mein Kopf um so hohler und leer-gedachter an. Es war doch zum heulen. Gerade war mir echt zum heulen zumute. Da half es wenig, dass ich alleine in diesen verdammten Park auf dem dummen Spielplatz saß, dessen quietschende Schaukel endlich ruhig war. Aber auch nur, weil meine Beine zu schwer wurden, um mich noch weiter abzustoßen. Da saß ich nun, mit hängenden Kopf und wusste weder ein noch aus. Vielleicht wäre weinen jetzt die einfachste Variante? Ich fühlte mich nicht nur verwirrt, sondern richtig verloren... Vielleicht war weinen gerade doch die beste Option...? Wie ich so meinen Gedanken nachhing, die doch irgendwie zu funktionieren schienen, fühlte ich mich nicht mehr allein. Es war nicht aufbauend, sondern gruselig. Ich war hier nicht allein. Klar ich saß allein auf der Schaukel und bis eben hatte mich das Quietschen noch gut von meiner Umgebung abgelenkt, doch nun? Ich wurde hellhöriger, spitzte die Ohren und sah mit großen Augen in die dunklen Büsche. Außer Schwarz sah ich nichts. Klar, war ja nur ein Mensch mit beschränkter Sehkraft. Da halfen nicht mal Möhren. *Knack* da war es wieder! Ich sprang von der Schaukel auf. Irgendwas war hier. Ein Tier? Etwa ein Bär oder Luchs oder noch was schlimmeres? Vampire und Werwölfe schloss ich mal aus. Aber vielleicht waren es auch ein paar Jugendliche, die noch mehr Alkohol als ich intus hatten. Die Glücklichen! Doch wenn dem so wäre und ich nun das Opfer darstellte... ich schluckte. Unwillkürlich schoss mir Ryo ein, die Schwulenszene und was hetero Typen gerne mal mit schwach-aussehenden Kerlen wie mir machten, die Trübsal blasend auf einer quietschenden Kinderschaukel saßen. Mir wurde gleich noch kälter und ich bekam eine Gänsehaut den Rücken herunter. Immer wieder drehte ich mich hecktisch um, aber ich sah nichts. „Kommt raus! Los trau euch! Ich nehm's auch mit euch allen auf!“ Angriff war jetzt hoffentlich die bessere Verteidigung. Wieder hörte ich nur ein Knacken, doch war es anders geworden. Es kam öfter nacheinander und es raschelte kurz darauf. Ich drehte mich um, immer meinen Rücken im Blick habend, damit mich auch ja keiner Überraschen konnte. Da! Da hinten war einer. Eine Schattengestalt zwischen den Bäumen. „Hey du! Komm raus da und kämpfe richtig!“, forderte ich und sah mich dennoch flüchtig um. Wer weiß, ob der wirklich nur alleine war? Mir jetzt einzugestehen, dass ich Angst hatte, traute ich mich nicht, denn dann, so wusste ich, wäre ich verloren gewesen. Angst lähmte ungemein und das konnte ich nicht gebrauchen. Ich suchte nach einer Waffe und fand... einen Stock. Gut, er war recht dick, aber ob der wirklich was taugte? Zum ersten Schrecken einjagen würde er reichen. Die Gestalt bewegte sich stumm auf mich zu und gerade jetzt musste der Mond hinter einer Wolke verschwinden, dass es noch dunkler um uns wurde. So eine verdammte Scheiße aber auch! „Traust du dich etwa raus, weil die Wolken kommen? Soll ich dich nicht sehen, hä?“ Ich war nervös über den Spielplatz gegangen und nun standen wir uns eine Wippenlänge voneinander entfernt gegenüber. Vielleicht sollten wir uns einfach setzten und wippen, schoss es mir kurz ziemlich dämlich ein. Der Typ machte eine Bewegung, die ich nicht richtig einordnen konnte, mich aber instinktiv bedroht fühlte. „So nicht!“, sagte ich noch und stürmte los. Dann ging alles sehr schnell. Ich rannte los und der Typ schrie mir etwas entgegen. Ich übersah das ausgelagerte Bein der Wippe und nahm es volle Kanüle mit. Der Typ fuchtelte mit den Armen herum, kam mir näher, aber ich hatte mich noch irgendwie mit einem Bein abfangen können. Wild schlug ich mit dem Stock um mich und wenig später war alles tief schwarz. Was genau passiert war, konnte ich nicht sagen. Ich konnte selbst dann nicht erklären, als ich mich daran erinnern wollte, denn ich schlug mir den Kopf an der Wippstange auf. Es war nichts schlimmes, musste nicht mal genäht werden und doch reichte es für einen Blackout von einigen Stunden. Was in der Zwischenzeit mit mir passierte, erfuhr ich aus den Erzählungen meines Retters und natürlich von C.G. und Josi. Doch das kam später. Denn vorher war viel wichtiger: Wo wacht ich eigentlich auf? Das Zimmer in welchen ich mich befand, war in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung, die ich nicht kannte. Die Decke war hoch und in einem schlichten Weiß. Als ich mich umdrehte, konnte ich zwei schmale Fenster erkennen, die hinter hellbraunen Vorhängen verborgen waren und nur spärlich Licht hinein ließen. Erst da bemerkte ich, dass ich auf einen echt bequemen Doppelbett lag. Das Bettlaken war dunkelbraun und die Bettwäsche war in einem passenden braunen Muster, dass aus Streifen und abstrakten Blumen bestand. Irgendwie echt stylisch, nur wo genau war ich? Als ich aufstand, spürte ich einen dieser mega weichen Fusselteppiche unter meinen Füßen. Wo waren denn meine Schuhe und Socken hin? Der Teppich war in einem hellem Cremeton einer anderen Braunnuance. Jetzt mal ehrlich. Ich kannte wirklich niemanden, der seine Wohnung so genial und farblich aufeinander abgestimmt hatte, wie es dieses Zimmer hier gerade war. Erstaunlich, doch mehr interessierte mich die Frage, wo ich hier eigentlich war. Meine Shorts und mein Shirt hatte ich noch an. Meine Hose und Stümpfe lagen gleich neben dem Bett auf einem Stuhl. Irgendwer hatte mich zumindest halb ausgezogen. Als ich kurz aus dem Fenster schielte und von der Sonne geblendet wurde, fiel mir der gestrige Abend wieder ein. Die Nacht im Park und wie gruselig es gewesen war. Oh mein Gott, war ich in der Wohnung des Entführers? War ich denn entführt worden? Was war nur noch mal passiert? Ich hasste es mich nicht zu erinnern! Womit ich wieder beim alten Lied wäre... Weiter im Text. Leicht panisch, was wohl alles mit mir passiert war, bewegte ich mich, um zu überprüfen, ob noch alles an mir dran und heil war. Oder ob ich nicht zufällig doch ein Opfer geworden war. Zu meiner Erleichterung stellte ich nichts ungewöhnliches fest. Na Gott sei Dank. Aber wo...? Ich zog mich leise an und ging schleichend durch die Wohnung. Nur weil mir bisher nichts passiert war, musste das nicht heißen, dass das auch so blieb. Gott, wo hatte ich nur diese verqueren Gedanken her? Zu viele Filme oder hatte ich zu viel gezockt? Oder lag es gar an meiner eigenen Gang? Aber die Treffen schleiften zur Zeit erheblich, was auch damit zu tun hatte, dass sie jetzt alle zur Uni wechselten. Von der alten Clique waren es gerade mal vier die zur T-Uni ging. C.G. und ich waren darunter. Wir splitteten uns wirklich auf. So genau hatte ich darüber gar nicht nachgedacht und eigentlich war das hier auch der total falsche Zeitpunkt, und dennoch machte es mich gerade etwas traurig. Erstaunlicherweise machte dieser kleine Anflug von Melancholie sofort die Biege, als ich das nächste Zimmer betrat. Es war um die Hälfte größer als das vorherige und doch war ich sofort fasziniert. Aus dem Schlafzimmer in den Flur getreten, der vielleicht nur 4 Meter maß, war ich gleich durch den dunklen Holzrahmen getreten, der oben leicht gebogen war. Zu meiner Rechten fand ich eine in demselben Holz gekleidete, rustikale kleine Küche, die auf gerade mal 3 m² kam und doch alles hatte, was man brauchte. An der Decke hingen wie in einer alten Bar die Lampen von dicken Balken herab. Gleich dahinter schmiegten sich an der dunkelbraun gestrichenen Wand schmale Möbel, mit je einer weißen Tür und einer Glastür. Der Boden war aus dunklem Laminat, was sich teilweise auch an den Möbeln wiederfand. Das Sofa und der Sessel dazu, waren in einer schönen hellem Cremefarbe und der kleine Couchtisch bestand aus einer alten Wurzel, die eine achteckige, gläserne Tischplatte trugen. Auf dieser stand ein Potpourri. Die andere Wandseite des Zimmers war schlicht weiß gelassen. Über dem Eingang mit dem kleinen Rundbogen hing eine runde, aber alt-wirkende Uhr. Wow, hier war es echt toll. Um so mehr drängte sich mir die Frage auf, wo zum Geier ich hier war und wem diese Wohnung gehörte? Als ich die Wasserleitung durch die Wand laufen hörte, zuckte ich zwar leicht zusammen, doch sehen konnte ich keinen. Nochmal ging ich in den Flur hinaus und schaute diesmal auf die letzte Tür. Wohl das Bad und jemand war da drin. Wer? Es machte mich schon etwas hibbelig, aber was sollte ich machen? Ich beschloss das zu tun, was ein richtiger Mann in einer fremden Küche immer tat. Er durchstöberte den Kühlschrank. Abermals fasziniert von meinen Fundsachen, bemerkte ich nicht wie die Tür ging und sich hinter mir jemand postierte. „Gibst du mir auch ein Bier raus?“ „Wah!“ Ich erschrak fürchterlich! Dabei drehte ich mich um und torkelte gegen die Küchenzeile. Den Kühlschrank ließ ich offen und wurde von dem schwachen Licht angestrahlt. Alles unwichtige Details, aber dennoch sah ich sie und dazu auch noch René, der lässig mit einer langen Jogger und einem Handtuch um den Nacken, welches seinen nackten Oberkörper nur unzulänglich bedeckte, vor mir stand. „Du Arsch! Musst du mich so erschrecken?“, knurrte ich ihn an, nachdem sich mein Herz wieder beruhigt hatte. „Das könnte ich glatt zurückgeben. Gibst du nun ein Bier raus?“ „Hä?“ „Das Bier? Das steht immer noch im Kühlschrank. Oder soll ich mich erst dazwischen quetschen und es mir selbst holen?“ Langsam nur sickerte der Themenwechsel in meinen Kopf. Als ich verstand, griff ich in den noch immer offenen Kühlschrank und holte zwei Bier raus. Eines hielt ich fest, das andere warf ich René zu, während ich die Tür mit dem Fuß zu kickte. René fing die Flasche locker auf und trottete gleich zur bequem aussehenden Couch, um sich darauf zu werfen. Etwas schüchtern folgte ich und trat in das stylische Wohnzimmerbereich. „Ist das deine Wohnung hier?“, fragte ich. „Ja. Klein, aber sie reicht aus.“ „Ich find sie cool. Hast du sie selbst eingerichtet?“ „Nein, C.G. hat mir geholfen. Aber die Ideen kamen von mir, ja.“ Ich gebe zu, ich fühlte mich unwohl. Warum genau wusste ich noch nicht, doch war ich mir sicher, dass sich das in den nächsten Minuten noch klären würde. Noch einen Schluck vom Bier und ich stand neben der Couch. René hatte sein Bier auf den Tisch abgestellt und sich eine Zeitung von irgendwo her gegriffen. „Willst du dich nicht setzten?“, fragte er ohne aufzusehen. So langsam wusste ich, was mich hier störte. Seit er mich erschreckt hatte, behandelt er mich anders... als wäre ich irgendwer, als wäre ich so uninteressant wie ein altes Brot und die politischen Hackfressen, die in dieser Klatschpresse abgebildet waren, wären wesentlich interessanter als ich. In Kurz: Er ignorierte mich! Nicht komplett, und doch... Blöder Hammel! Schon aus reinen Trotz nahm ich das Angebot an und setzte mich auf den Sessel, weg von René. Als erstes genoss ich den echt weichen Sessel! Das hatte man von außen gar nicht erkannt. Ebenso wenig, dass die wabenförmigen Tischplatte mehr als nur ein Potpourri bereithielt. Zwischen Tischplatte und der alten Wurzel war ausreichender Zwischenraum, wo neben den Fernbedienungen wohl auch die jetzt erschienene Zeitung gelegen hatte. Ich nahm noch einen Schluck vom Bier und beobachtete René. Ich wartete. Wartete, dass er mich beachtete, dass er aufsah und ich vielleicht irgendeine Reaktion in seinem gerade so unlesbarem Gesicht lesen konnte. Es regte mich schon auf, so von ihm behandelt zu werden. Verdammt ich hatte doch Fragen! Warum war ich hier? Was war passiert? Wer war das im Park? Was war dort passiert? Während ich mir alle Fragen panisch in meinen Kopf zusammenrufte und an meiner Unterlippe kaute, entglitt mir der flüchtige Blick, den René mir geschenkt hatte. Ganz direkt und beobachtend hatte er mich angesehen. Das war das Zeichen gewesen, auf das ich gewartet hatte und ich verpasste es. Dumm, aber nicht hinderlich. Ruckartig setzte ich mich besser hin, sah René direkt an und sprach etwas zu laut, aber doch bestimmt. Auch wenn mir innerlich gerade anders zumute war. „Warum bin ich hier? Also... wie bin ich hierher gekommen? Ich war eben noch im Park. Das ist das letzte, was ich noch weiß. Also wie komme ich hierher und warum hast gerade 'du' mich entführt?“ Mit meinem wirren Gerede hatte ich es wirklich geschafft mir Renés Aufmerksamkeit zu sicher. Er sah mich über den Rand der Zeitung hinweg an und hob eine Augenbraue, eh er das Papier zusammenfaltete und beiseite legte. Endlich! Aber so direkt ohne abschirmende Zeitung wurde mir nun noch unwohler... Mulmig schlug mein Herz schneller. „Wie kommst du darauf, dass du entführt wurdest? Und dann auch noch von mir?“, er klang amüsiert. Das Grinsen zupfte schon an seinen Mundwinkel und dadurch, dass er sich mit den Unterarmen auf seinen Oberschenkeln abstützte, kam ich mir so richtig ins Visier genommen vor. „Von all den Fragen ist 'das' bei dir hängengeblieben?“, fragte ich ungläubig. „Es war das letzte, was du gesagt hattest“, kommentierte er spöttisch. „Und?“ „Und, was? Antworte mir gefälligst auf meine Fragen! Eben war ich noch im Park und dann kam da so ein Typ und als ich wieder aufwache, lieg ich bei dir in der Wohnung. Halb ausgezogen und du findest das scheinbar urst komisch, wie?“ Ich war richtig angefressen und etwas lauter geworden. Doch dieser Typ brachte mich einfach auf die Palme! Jedes mal auf's Neue, verdammt. Ich wollte doch auch nicht dauernd so biestig sein, aber er machte es einem auch nicht leicht. René aber sah mich an, hörte mir zu und lachte dann los. Kurz nur, aber mich brachte es vollkommen aus der Fassung. Was zum...?! „Was? Was ist so lustig daran? René, du Arsch, antworte!“, wetterte ich. „Ich lache über dich und dein Gedächtnis“, kam es mit mal sehr ernst von ihm. Wieder so ein Umschwung, der mir den Wind aus den Segeln nahm, sodass ich nichts weiter als ein elegantes „Hä?“ hervorbrachte. „Jareth, du bist wie eines dieses Aufziehdinger. Aufgezogen bist du rabiat und rennst gnadenlos alles nieder, doch wenn dir die puste ausgeht, bist du nur ein langweiliges Spielzeug, dass nach Aufmerksamkeit ringt.“ Diese Worte mit diesem Blick trafen mich unvorbereitet. Ich dachte, wir wären mal Freunde gewesen? Warum war er nun so gehässig zu mir? „Interessant und du bist einfach nur ein Arsch. Den braucht man nicht aufziehen, der läuft von alleine“, konterte ich ruhig, aber verletzt. René seufzte nur und ließ sich zurückfallen. „Könntest du mal mit diesen Beleidigungen aufhören?“, fragte René. „Hast du nicht angefangen?“ „Nein, du.“ Mist er hatte Recht. Ich schwieg, ließ ihm den Sieg, ehe mich doch zu einer weiteren Frage durchrang. „Weißt du denn nun, was passiert ist? Wenn ich in deiner Wohnung bin und scheinbar nicht entführt wurde, wie und warum komme ich dann hier her?“ „Wie kommst du eigentlich darauf, entführt worden zu sein?“ Herr Gott, konnte er nicht einmal meine Fragen direkt beantworten ohne dagegen zu fragen?! Aber das hier war sein Reich. Er hatte vollen Heimvorteil, als fügte ich mich, auch wenn ich innerlich am kochen war. „Als ich letzte Nacht im Park war, war da so ein gruseliger Typ, der sich mit mir anlegen wollte. Ich weiß nicht mehr was passierte oder ob da noch mehr waren. Jedenfalls kann ich mich nicht mehr erinnern. Hab mir wohl den Kopf irgendwo gestoßen. Kopfschmerzen hab ich jedenfalls.“ „Willst 'ne Tablette?“ Ich sah ihn an. Wieder lenkte er ab und doch nickte ich. Kurz verschwand René in die Küche und ich konnte jeden seiner Schritte sehen. Dankend nahm ich das Glas Wasser und die kleine weiße Tablette an. Ich schluckte sie und trank das Glas leer. So würde wenigstens das Pochen in meinem Kopf endlich verschwinden. „Und warum dachtest du nun entführt worden zu sein? Wenn es mehrere Typen gewesen wären, hätten sie dich auch einfach verprügeln können.“ Stimmt auch wieder, aber ich hatte keine Blessuren. „Ich bin aber noch heile wie du sehen kannst. Ist es nicht egal, wie ich darauf komme? Kannst du mir nicht endlich mal meine Fragen beantworten?“ Oder konnte er es nicht? Doch, zumindest die Frage, warum ich hier bei ihm war, muss er beantworten können! Doch René sah mich lange an, schwieg und trank von seinem Bier. Ey, der Typ machte mich irre! Würde die Tablette nicht wirken und mich gerade irgendwie voll schlapp fühlen lassen, wäre ich sicher wieder ausgetickt. „Was war das für'ne Tablette?“, fragte ich nach. „Eine Schmerztablette. Ist sie zu stark?“ Er klang überrascht. Was hatte er bitte für starkes Zeug bei sich zu Hause? „Etwas... warum hast du so ein starkes Zeug?“ „Ich brauch die. Hatte mir mein Arzt mal verschrieben, damit ich wieder runterkomme, wenn ich mich aufrege. In letzter Zeit brauch ich sie auch wieder öfter.“ „Warum das?“ Ich hatte mich zurückgelehnt und sah ihn einfach nur an. Also wirken taten sie. Meine Arme und Beine wurden Schlapp und ich fühlte mich leicht benebelt. So war ich auf jeden Fall nicht mehr in der Lage mich irgendwie aufzuregen. „Was bringt dich denn immer so auf die Palme?“ Wieder sah René mich unverwandt an und ich nahm den Blick auf, wandte mich nicht ab. „Du. Du bringst mich auf die Palme. Und das schon ziemlich lange.“ Er klang irgendwo traurig und dank der Sedierung fühlte ich sofort mit ihm. „Sorry, das wollte ich nicht. Aber du bist auch nicht einfacher zu verstehen. Mich regst du auch oft genug auf.“ Er lächelte nur und schüttelte den Kopf. Was? Was war nun schon wieder? Warum konnte er nicht mal das sagen, was er dachte?! „René-“ Er schnitt mich ab und redete einfach los. „Nachdem du gestern Abend einfach gegangen warst, ohne C.G. oder mir eine richtig Antwort zu geben, bin ich noch Stunden durch meine Wohnung getigert. Ich habe mir den Kopf zerbrochen und wieder zerbrochen. Irgendwann rief Josi an und fragte, ob du bei mir seist, da du immer noch nicht zu hause warst. Sie machte sich Sorgen um dich.“ Kurz sah er zu mir auf und ich fühlte mich sofort schuldig. Dumme Tablette! „Ich hatte Josi doch geschrieben, dass sie nicht zu warten hat.“ „Schon, aber sie und C.G. hatten nochmal miteinander telefoniert und dann konnte sie nicht mehr anders.“ „Und dann?“, ich war noch etwas mehr in den Sessel gesunken und trank ab und an etwas vom Bier. Es war schon fast leer und mit der Tablette zusammen fühlte ich mich irgendwie voll in Watte gehüllt. Oder lag das am Sessel? „Dann bin ich los. Ich bin die Stadt abgegangen. Suchte in ein paar bekannten Straßen, dann in den Park und hab' die Büsche abgesucht. Hätte ja sein können, dass du noch mehr getrunken hattest und irgendwo lagst.“ „Nein, sorry, aber ich hätte gerne.“ Dann wäre alles andere wohl auch erträglicher gewesen. „Bist du dir da sicher? Du hattest nichts eingenommen oder so?“, skeptisch sah er mich an und ich nur fragend zurück. Wie kommt der da drauf? „Als ich dich da auf dem Spielplatz gefunden habe, bist du schon umher gegangen, hast mit irgendwem geredet und dich echt high aufgeführt.“ „Ich war nicht high! Da war wer im Park und ist in den Büschen umhergeschlichen! Ich bin rumgegangen, damit ich mich wehren konnte“, gab ich protestierend zurück und hatte mich kurz aufgerichtet. Allerdings klang ich nicht sehr energisch. „Aha okay. Ich habe niemanden gesehen. Als ich dich dann angesprochen habe und dich wieder nach hause bringen wollte, bist du auf mich los gegangen-“ „Warte, dann warst DU das?!“ Ich hatte nicht wirklich verstanden, was der Angreifer gesagt hatte und vor Müdigkeit hatte ich wohl auch nicht mehr klar sehen können. Dazu war es so dunkel... Gott, war das peinlich, wenn sich das wirklich so abgespielt hatte. Auch René zählte nun eins und eins zusammen und grinste. „So war das also. Und du hast sicher nichts genommen?“ „Nichts außer deiner hammer Tablette, sonst würde ich dich jetzt erwürgen“, fauchte ich schwach. Er grinste nur. „Na hab ich ein Glück. Im übrigen, bist du, als du losgerannt warst über das Bein der Wippe gestolpert und warst weg. Dich hier hoch zu tragen, den weiten Weg vom Park aus, war echt anstrengend. Hätte nicht gedacht, dass du so viel wiegst.“ Blöder Arsch, der! Ich sank vor Scham mehr in den Sessel und redete mir ein, nicht rot zu werden. Oller Fatzke. „Ach so... okay.“ So war ich also hierher gekommen. Nun waren meine Fragen ja geklärt und ich könnte einfach gehen. Doch zum einen, war ich gerade echt durch, dank diesem blödem Medikament und zum anderen, war der Sessel einfach so fesselnd, da wollte ich nicht aufstehen. René schien ebenfalls alles gesagt zu haben und so trat Schweigen zwischen uns. Als es mir bewusst wurde, wurde es mir unangenehm. Das machte es nicht besser und mir fiel echt nichts mehr ein, was ich hätte erzählen können. Doch, ein Thema wusste ich noch, aber das anzusprechen, traute ich mich nicht. Das hieße ja, dass ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen und René irgendwo akzeptieren musste. Es klang zwar dumm, aber das wollte ich nicht. Mich mit ihm zu streiten machte auch Spaß. Dazu kam, dass ich im Moment alles fühlte, nur keine Wut. Wenn ich an dieses Thema dachte, spürte ich Unsicherheit, Scheu, Angst... Normaler Weise erinnerte man sich doch irgendwann wieder. Warum also ich nicht? Welcher Trigger fehlte mir? Oder anders gefragt, gab es etwas, woran ich mich nicht erinnern wollte? Ich schwieg weiter. „Jay, sag mal... warum willst du dich nicht mit mir anfreunden?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)