To Accept One's Fate von imoshen ================================================================================ Kapitel 1: You say Hello and I say Good Bye ------------------------------------------- Kapitel 1: You say Hello and I say Good Bye „Stopp!“ Als sie das Wort sagte, blieb die gesamte Gruppe in ihren Bewegungen stehen und drehten sich zu der jungen Frau um, die ihren überfüllten, gelben Rucksack auf den Schultern trug und ihr Rosafarbendes Fahrrad neben sich her schob und jetzt eben so stehen geblieben war und auf einen unsichtbaren Punkt vor sich auf dem Pfad starrte. Eine rote Gestallt ließ sich von einem angrenzenden Baum fallen, so dass sie mit den Füßen zuerst neben der Frau auf kam und das Kinn hervor reckte. Der Halbdämon mit den Hundeohren richtete seine Nase in die Luft. Besorgt schaute er sich um, ehe er seinen Blick wieder auf die Frau neben ihn richtete. „Was ist es, Kagome?“, fragte er sie und ließ seine Hand über den Griff seines Schwertes gleiten, dass an seiner Hüfte hing. Eine leichte  Brise wehte aus den Wald vor ihnen herüber und ließ die langen Ärmel seines roten Haori im Wind wehen. Silberne Haare umrahmte sein Gesicht und einzelne Strähnen wurden durch die leichte Böe zurück über seine Schultern geworfen. Als sie ihm nicht antwortete, legte er seine Hand auf ihren rechten Unterarm. „Kagome?“, fragte er sie erneut und endlich löste sich ihr starrer Blick und braune Augen blickten in goldene. „Es ist… nichts. Für einen Moment war es so, als würde ich etwas spüren, aber… es war zu schnell vorbei, um sicher sagen zu können, was es war.“, antwortete sie ihm und ihre Stimme klang dünn und brüchig, so als würde sie sich selbst nicht glauben. „Naraku?“ Es war die zweite Frau in ihrer Gruppe die sich nun zu Wort meldete und den riesigen Bumerang auf ihren Rücken etwas fester surrte und besorgt über ihre Schulter in die Tiefen des Waldes schaute. „War es seine Aura, die du gespürt hast?“ Die Stimme der Dämonenjägerin klang nun fordernder und Kagome wusste, dass ihre Freundin immer noch die Hoffnung in sich trug ihren Bruder Kohaku zu retten, der an Narakus Leben mit der Hilfe eines Splitters des Shikon No Tama gebunden war. „Ich weiß es nicht, Sagno.“, antwortete sie ihr ehrlich und konnte die Enttäuschung im Gesicht der anderen erkennen. „Ich weiß es nicht… es war zu schnell. Aber dieser Ort hier“, sie blickte sich um und spürte wie sich eine Gänsehaut über ihre Arme ausbreitete, „er ist mir nicht geheuer.“ Drei Monate waren sie bereits unterwegs und suchten nach einer Spur, die sie zu dem Halbdämon Naraku führen würde. Es waren drei lange, frustrierende Monate und es hatte den Anschein, als würde sie nur ein Gespenst jagen. Sie hatten an jedem Dorf still gehalten, Bauern, Wanderer und Mönche befragt, sie waren den kleinsten Spuren und dem kleinsten Hoffnungsschimmer gefolgt, doch es nützte alles nichts. Es hatte fast den Anschein, als wäre Naraku niemals auf dieser Erde gewandert, als hätte er nicht existiert und nie seine unheilvolle Hand nach dem Juwel der vier Seelen ausgestreckt. Sie alle wussten jedoch, dass der Schein trog. Naraku plante etwas und da war sich Kagome vollkommen sicher. Das hier war nur die Ruhe vor dem Sturm. Schließlich hatten sie sich dazu entschlossen weiter in das Landesinnere zu wandern und Kagome hatte sich und ihre Familie darauf vorbereitet, länger als sonst üblich im mittelalterlichen Japan zu verweilen. Jetzt, nach drei Monaten, hatte ihre Suche sie schließlich an den Fuß eines Gebirges geführt, das sich nun in leichter Ferne vor ihnen erhob. Führte der Weg sie vorher durch saftige und grüne Wiesen, durch Reisfelder und an kleinen Bächen entlang, so wurde die Region hier nun steiler und steiniger. Ein schmaler Pfad leitete sie direkt in den dunklen und alten Wald vor ihnen. Sie waren noch niedrig genug, um zu erkennen, dass der Wald das Gebirge wie einen Gürtel umgab. Auf den Gipfeln konnte man bereits den ersten Schnee erkennen, obwohl es im Tal noch lange nicht kalt genug dafür war. Aber die Tage wurden kürzer, die Nächte länger und kälter und der Winter war kurz davor Einzug zu erhalten. Die Vögel waren bereits in den Süden verschwunden und es hatte den Anschein, als würde das Leben selbst still stehen und sich zur Ruhe legen, bevor es im Frühling wieder erwachen konnte. Kagome biss sich auf ihre untere Lippe und dachte nach. Vielleicht war es gar nichts, das sie gespürt hatte, vielleicht war es die Atmosphäre die dafür sorgte, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. Dieser Ort, der alte, vermoderte Wald vor ihr und die steilen Zacken des Gebirges, die aussahen wie die Reißzähne einer Bestie – das alles sorgte in ihr für ein beunruhigendes Gefühl. Doch noch war es nichts weiter als ein Schatten, etwas das sie noch nicht greifen konnte. Sie würde wachsam bleiben müssen. „Wir sollten weiter gehen.“, sagte der Mönch, Miroku, an Sangos Seite. Kagome konnte auf seinem Gesicht die gleiche Sorge erkennen, die sich in ihrem inneren widerspiegelte. „Die Nächte sind kalt. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen, bevor die Dunkelheit einbricht.“ Die Gruppe nickte einstimmig und begann den Weg weiter zu erklimmen. Shippou, der kleine Fuchsdämon und noch ein Kind, sprang in einen Satz an Kagome hinauf und setzte sich in ihren Korb der sich vorne an ihrem Lenker befand. Die Priesterin musste darüber lächeln und strich dem Dämon über den Kopf, der sich daraufhin kurz zu ihr umdrehte, ihr ein großes Grinsen schenkte und seinen Blick dann wieder nach vorne richtete. Sie seufzte schwer und bemerkte, wie ihre Augen einen roten Haori suchten, dessen Träger bereits wieder in die Gipfel der Bäume verschwunden war und von Ast zu Ast sprang. Inuyasha… Ihre Gedanken trugen sie an den Tag zurück, an dem ihr Abenteuer begann. Es war ihr fünfzehnter Geburtstag gewesen. Sie wurde in den alten Brunnen auf dem Grundstück ihrer Familie gezogen und kam auf der anderen Seite fünfhundert Jahre früher wieder zum Vorschein. Ein Dämon hatte ihr das Juwel der vier Seelen aus dem Körper gerissen, Inuyasha, Sohn eines Hundedämons und einer menschlichen Frau, erwachte aus seinem Fluch und rettete ihr das Leben. Das Juwel wurde gestohlen und sie zerstörte es auf den Weg es wieder in ihren Besitz zu bringen. Die Splitter verteilten sich über ganz Japan und es lag an ihr jeden einzelnen Splitter zu finden und das Juwel wieder vollständig zusammen zu setzen. Während ihrer Suche hatte sie neue Freunde gefunden: Da war der perverse, aber gutmütige Mönch Miroku, der unter einem fürchterlichen Fluch litt, der von dem Halbdämon Naraku seinem Vater auferlegt wurde und dessen schwere Last er geerbt hatte. Die junge Dämonenjägerin Sango, die durch einen Hinterhalt Narakus ihre gesamte Familie verloren hatte und mit ansehen musste, wie ihr eigener Bruder von dem bösen Lord manipuliert und wie eine Puppe gespielt wurde und dessen Leben nun von genau diesem abhängig war. Der junge Fuchsdämon Shippou, der als Waise zu ihrer Gruppe stoß und Inuyasha, der fünfzig Jahre zuvor von einer Priesterin namens Kikyou und zugleich seiner ersten Liebe  mit einen Fluch an einen Baum gebunden wurde, weil Naraku beide gegeneinander ausgespielt hatte. Kikyou verlor ihr Leben und wurde in Kagome widergeboren und Inuyasha zerfraßen Wut und der Selbsthass. Es war kurz nach ihrer Ankunft im Mittelalter gewesen, als eine Hexe Kikyou wieder zum Leben erwachen ließ und diese, von Rache und Wut getrieben, fortan die Erde bewanderte. Ja, sie alle haben unter Naraku gelitten und sie alle hatten genügend Gründe den Halbdämon endlich zur Strecke zu bringen. Aber je mehr sie gegen ihn kämpften, umso stärker wurde er. An manchen Tagen glaubte Kagome, dass sie ihn niemals besiegen würden. Es erschien ihr schon so lange her, dass sie in den  Brunnen gefallen war und tatsächlich waren fast schon vier Jahre verganen. Vier Jahre in denen sie zwischen zwei Epochen hin und her reiste und gegen Dämonen kämpfte und für Matheklausuren lernte, dem Tod mehr als einmal ins Gesicht geblickt hatte und zwischenzeitlich ihren Freundinnen beim plaudern über fiese Lehrer, süße Jungs und neuen Musikidolen zuhörte. Bei dem Gedanken verzog sie das Gesicht. Irgendwie war es grotesk und surreal. Das Leben das sie führte unterschied sich wie Tag und Nacht von dem, was ihre Freundinnen hatten. Und irgendwie… ließ es sie einsam werden. Sie wusste, dass sie sich auf ihre Freunde hier, im Mittelalter, verlassen konnte. Sie liebte all ihre Freunde vom ganzen Herzen, aber sie hatten nicht die geringste Ahnung von dem Leben, dass sie in der Zukunft führte. Sie wussten nicht was Autos sind und bevor sie es ihnen nicht erklärte hatte, wussten sie auch nicht was Klausuren oder Tests sind. Sie kannten nicht den Druck, der auf ihr lastete und mit jeden Tag, mit jeder Woche, die sie länger im mittelalterlichen Japan verbrachte, größer wurde. Während all die anderen ihren Abschluss schon vor einem Jahr erreicht hatten und bald ihr erstes Semester an verschiedenen Universitäten beginnen würden, saß Kagome immer noch in der Schule, um das letzte Jahr zu wiederholen. Zu viel hatte sie verpasst – zu viel um es aufholen zu können und es schien nicht besser zu werden. Es war paradox, etwas das sie selbst nicht einmal greifen konnte. An vielen Tagen erschien es ihr so unreal, als ob es nicht wirklich da wäre. Die Wahrheit jedoch war, dass sie hier sterben könnte. Dass sie ihre Freunde verlieren könnte. Es könnte alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen, wenn sie versagen würden. Manchmal war es zu viel. Sie wusste dass sie hier war um ihr Schicksal zu erfüllen. Ihr Schicksal war das Juwel der vier Seelen. Als sie es zerbrochen hatte, verteilten sich die Splitter über ganz Japan und fielen in die Hände von Menschen und Dämonen. Wie zum Beispiel Koga, der Wolfdämon, der die Splitter in seinen Beinen trug. Aber Koga war ihr Freund, ihr Verbündeter, jemand der genau so mutig war wie Inuyasha. Aber nicht jeder war so gut wie Koga und so fielen die Splitter in die Hände von Naraku – einem bösen Halbdämon. Doch nach all dem was sie schon erlebt hatten… es fühlte sich nicht richtig an. Was würde passieren, wenn das Juwel wieder komplett ist? Was würde sie dann tun? Würde sie zurück gehen? Würde ihre Reise zu Ende sein? Könnten sie ihre Leben so leben, als sei niemals etwas passiert? Wie sollte sie nur all das jemals vergessen und einfach so hinter sich lassen und zurück zu ihrem alten Leben gehen? Was war davon noch übrig? Während die Bäume, die den Weg einrahmten, größer und dichter wurden, stieß sie mit ihrem Schuh einen kleinen Stein vor sich her und hörte nur halbherzig den Gesprächen ihrer Freunde zu. Als sie aufblickte, konnte sie in den kahlen Ästen deutlich Inuyasha erkennen, der ihnen einige Meter voraus war. Sie wollte ihm nicht nach blicken, aber sie konnte sich selbst auch nicht stoppen. Es tat immer noch weh an ihn zu denken, mit dem Wissen, dass er nichts weiter als ein Freund sein würde – und das sich das auch niemals ändern wird. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie ihm das erste Mal gesehen hatte. Zuerst hatte sie gedacht, dass er tot wäre und sie sich in irgendeiner Art von Märchen befindet, aber als sie ihn berührt hatte, sie die Wärme unter seiner Haut spürte und das weiche Fell das seine Hundeohren bedeckte. Da wusste sie, dass es sich nicht um ein Märchen handelte, sondern ganz real war. Damals konnte sie noch nicht sagen, warum sie hier war und was für eine Aufgabe sie hatte. Sie wusste nicht, wohin sie dieser Weg führen würde. Aber jetzt, nach vier Jahren in denen sie und ihre Freunde für Frieden, Liebe und Freundschaft gekämpft hatten, nach all den Verlusten und all den Schmerzen… da wusste sie, dass es nicht wegen ihm war. Sie wusste es schon immer. Sie dachte, solange er an ihrer Seite sein würde, dass nichts passieren könnte. Nichts würde sich ändern und nichts könnte sich je zwischen ihnen stellen. Sie hatte gedacht, dass es wegen ihm war das sie nun hier war, dass es wegen ihm war, weswegen sie an seiner Seite stand, bereit zu kämpfen. Für sich und für ihre Freiheit. Sie erinnerte sich an den Schmerz, als ihr Herz für eine kurze Sekunde aufgehört hatte zu schlagen und es sich anfühlte, als wäre die Welt verkehrt herum – der Schmerz war so groß, dass sie nicht atmen konnte. Sie hatte gesehen, wie er sie geküsst hatte. Jene Frau, die ihn damals fünfzig Jahre zuvor mit einem Fluch an einen Baum gebunden hatte und zum ewigen Schlaf verdammte. Jene Frau, von der er dachte dass sie ihn betrogen hätte. Kikyou… Kagome Higurashi seufzte. Es war vier Jahre her, als sie sie gesehen hatte. In diesem Moment wusste sie, dass sie mit Inuyasha niemals eine Chance haben würde. Aber warum schmerzte ihr Herz dann immer noch? Warum konnte sie nicht einfach weitermachen? Sie blickte auf die Straße vor sich. Sie wusste die Antwort. Sie hatte niemals die Chance gehabt das Leben eines normalen Mädchens zu leben. Während ihre Freunde mit Jungs ausgingen, sich über ihren ersten Kuss unterhielten, über gemeine Lehrer und Tonnen von Hausaufgaben weinten, war sie im mittelalterlichen Japan unterwegs und kämpfte an der Seite ihrer Freunde gegen Dämonen. Shippo, der kleine Fuchsdämon, Sango, die Dämonenjägerin und Miroku, der Mönch. Und dann war da noch Inuyasha. Der Halbdämon, der Sohn des Inu No Taisho, Toga, Halbbruder von Sesshomaru, die Perfektion des Tötens, das Kind von Izayoi, seiner menschlichen Mutter. Er war ein Außenseiter, jemand der niemals dazu gehören würde, egal wie sehr er es auch versuchte. Sie konnte immer noch die Tränen schmecken, die sie wegen ihm vergossen hatte. Er hatte sie zu sehr verletzt, aber sie wusste auch, dass es ihm nicht bewusst war, es nicht in seiner Absicht geschah. Jedes Mal wenn er sie anschaute, dann sah er Kikyou… und als Inuyasha keine Entscheidung treffen konnte, tat sie es. „Ich muss dich gehen lassen Inuyasha…“ Vier Jahre waren vergangen. Sie war inzwischen neunzehn und fühlte sich trotzdem kein Stück erwachsener. Es war töricht von ihr immer noch einer Liebe hinterher zu trauern, die niemals sein sollte. Trotzdem schmerzte es. Trotzdem wurde es nicht besser. Kagome wusste, dass einzige was ihr helfen würde wäre die eigene Akzeptanz, dass es einfach niemals hätte sein sollen. Immerhin war sie es, die vor etwas mehr als einem Jahr diesen Schritt gemacht hatte und auf Inuyasha zugegangen war. Es war ein Tag im Sommer gewesen und sie war erst wenige Minuten zuvor aus ihrer Zeit in das mittelalterliche Japan zurück gekehrt. Als sie den Rand des Brunnen erreicht hatte, hatte eine starke Hand nach ihrem Arm gegriffen und sie zu sich hoch gezogen. Als die ersten Sonnenstrahlen ihre Haut berührt hatten, blickte sie in das Gesicht Inuyashas. Die Sonne stand hinter ihm und färbte den Himmel in ein tiefes rot und orange. Sie war zu spät, das wusste sie. Es war schon Abend gewesen und die Bäume warfen lange Schatten. Es lag ein Friede über der Lichtung mit dem alten Brunnen, der nur an Sommertagen existierten konnte. Die Vögel hatten ihren abendlichen Gesang gezwitschert, so als würden sie der Welt eine gute Nacht wünschen. „Inuyasha…“ Seine Augen hatten in die ihren geblickt. Es war nur ein kurzer Moment, doch er dauerte zu lange. Sie hatte ihre Beine nachgezogen und löste sich aus seinen Griff, bevor sie ihre Augen gesenkt  und sich eine Strähne losen Haares hinter ihr Ohr gekämmt hatte. Ihre Hände hatten den kühlen und feuchten Stein des Brunnen gesucht, bevor sie sich auf den Rand niedergelassen hatte und ihre Finger sich locker ineinander gehakt hatten. Sie waren alleine gewesen und es war der perfekte Moment. Während sie den Tag zu Hause bei ihrer Familie verbracht hatte, hatte sie so oft über genau diesen Moment nachgedacht. Sie hatte sich all die Worte zurecht gelegt, sie über ihre Zunge rollen lassen, sie verändert und geformt bis sie in ihren Ohren perfekt geklungen hatten, doch ihre Stimme hatte in diesen Moment versagt. Die Worte waren weg gewesen und sie hatte das Blut in ihren Ohren rauschen gehört. Da waren plötzlich keine Vögel mehr die gesungen haben und da war auch keine Sonne mehr, die ihren Körper gewärmt hatte. Nur noch sie und Inuyasha haben existiert. „Ow!“ Das Fahrrad das sie noch zuvor fest in ihren Händen hielt, fiel mit einem lauten Klirren zur Seite und alles was noch zu hören war, war wie sich das hintere Rad weiter um seine Achse drehte. „Sango!“, rief Kagome und eilte zu ihrer Freundin, in die sie samt Fahrrad hinein gerannt war. „Es tut mir so leid.“, murmelte sie, während sie noch der Dämonenjägerin auf half. „Ich war so in Gedanken, ich, also, es war keine Absicht.“, stammelte sie und spürte, wie ihre Wangen begannen heiß zu werden und sich die erste Röte über ihr Gesicht ausbreitete. „Ist schon in Ordnung.“, lächelte Sango und warf einen Blick über ihre Schulter. „Kümmer dich lieber um Shippou.“ Sie zeigte in die Richtung hinter sich. „Oh nein!“, entwich es Kagome, als sie um Sango herum und auf Shippou zu ging, der bei dem Sturz aus ihrem Korb gefallen war und so aussah, als würde er weder wissen wo oben, noch wo unten ist. „Shippou, alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie den Jungen besorgt, dessen Gesichtsfarbe nun irgendwie… grünlich wirkte. Der Fuchsdämon schüttelte einmal kräftig seinen Kopf und klopfte sich mit einer Hand gegen sein Ohr. „Alles klar!“, strahlte er Kagome an. „Bisschen schwindelig.“, fügte er hinzu, als er aufgestanden war und bemerkte, dass er das Gleichgewicht noch nicht perfekt halten konnte. Statt ihn gehen zu lassen, zog Kagome ihn in ihre Arme und drückte ihn fest an sich. „Ich hoffe du kannst mir für meine Unachtsamkeit verzeihen. Shippou.“, flüsterte sie ihm zu und fühlte sich zutiefst schuldig für ihr Missgeschick. „Nein, mach dir keine Sorgen!“, erwiderte er und benutze seine Arme, um sich von ihren Schultern abzustützen. „Aber wenn du mich nicht bald los lässt, ersticke ich.“, lachte er und erschrocken löste Kagome ihre Umarmung. Sicher, dass es Shippiou und Sango gut ging, widmete sich Kagome nun dem Geschehen vor ihr. „Wir sollten hier Rast machen.“, meinte Miroku und inspizierte die Lichtung vor ihnen, die von hohen Bäumen umrahmt wurde und wo ein Baum vor Jahren mal von einem Sturm aus der Erde gerissen wurde und dessen frei gelegte Wurzel etwas Schutz gegen Wind bieten würde. Sie konnte erkennen, wie Inuyasha die Nase erhob und es so aussah, als würde er etwas riechen. Doch sein Gesichtsausdruck blieb entspannt, sofern dies noch möglich war. Mit jedem Tag, der ereignislos verlief, wurde auch die Stimmung des Halbdämons schlechter. „Also gut, Jungs!“ Kagome legte ihr Fahrrad vorsichtig auf die Erde, bevor sie zuversichtlich in die Hände klatschte. „Dann lasst uns ein Feuer starten!“ xxx Es war eine kalte und wolkenlose Nacht und die Sterne samt Mond waren bereits aufgegangen. Sie warf einen weiteren dicken Ast in das Feuer, um es daran zu hindern auszugehen. Der Winter war schon zu nah, als dass sie es riskieren könnte. In der Luft lag der Geruch von Schnee und sie war sich sicher, dass es bald beginnen würde zu schneien. Sie hatte dem Wetter bereits vorgesorgt und zog eine dicke dunkelblaue Dauenjacke aus ihrem Rucksack, die sie sich zusammen mit einer großen schwarzen Wollmütze anzog. Sie hauchte in ihre Hände und rieb sie sich aneinander, damit sie wieder warm wurden. Sie warf einen Blick in die Runde ihres Lagers. Sie hatte für Sango und Miroku Mützen und Schals mitgebracht, ebenso wie für Shippou. Ansonsten hatten ihre Freunde die traditionelle Bekleidung bevorzug und trugen einen Poncho aus Stroh über ihrer Kleidung, so dass sie von der Kälte geschützt waren. Miroku und Sango, so wie Shippou schliefen bereits in einen der zwei Zelte, dass sie in Zeiten des Winters immer bei sich trug. Kirara stand in einiger Meter Entfernung und blickte in die Nacht hinaus, um mögliche Angreifer schnell auszumachen und Inuyasha… Inuyasha saß auf dem Ast eines Baumes hinter hier und schnarchte lauthals. Obwohl Kagome müde war und wusste, wie sehr ihr Körper sich nach Schlaf sehnte, konnte sie einfach keine Ruhe finden. Die Enge des Zeltes hatte sie schließlich fast wahnsinnig gemacht und so saß sie nun draußen in der Nacht am Lagerfeuer und schaute den Funken beim tanzen zu. Immer wieder zogen ihre Gedanken sie zurück an dem Tag von vor mehr als einem Jahr. „Inuyasha…“ Es war nun mehr als über ein Jahr her, dass sie Auf Wiedersehen zu ihrer ersten Liebe gesagt hatte und es tat immer noch weh. Sie hatte es ihm niemals erzählt, aber sie verstand ihn so gut. Zu gut. Sie fühlte sich selbst so oft wie ein Außenseiter, wie jemand der nirgendswo dazu gehörte. Sie gehörte nicht ins Mittelalter, aber wenn sie zu Hause in ihrer Zeit war, dann hatte sie dasselbe Gefühl. Ihre Freunde redeten über Männer, Partys, Sex und Alkohol, aber sie hörte immer nur zu und wenn sie lachte, dann fühlte es sich nicht echt an, dann fühlte es sich nur hohl und leer an. Es war nicht richtig. Es war genau so wenig ihre Zeit. „Inuyasha…“ Sie hatte sich nicht getraut in seine Augen zu blicken, als sein Name ihre Lippen wie ein Flüstern verlassen hatte. Stattdessen hatte sie auf ihre Hände gestarrt, die locker in ihrem Schoß lagen. Eine Gänsehaut hatte sich über ihren Körper ausgebreitet, obwohl die abendliche Sonne noch genügend Wärme geboten hatte. Dennoch war ihr kalt gewesen. In ihrem Magen hatte sich ein Knoten gebildet und je länger sie nach den Worten suchte um zu beginnen, desto fester wurde er. Es war seine Hand gewesen, die ihre ergriffen hatte und sie so dazu zwang ihn anzublicken. Seine Augen waren voller Wärme und Freundschaft gewesen, als er ihre suchte. Sie wartete darauf, dass er etwas sagen würde, doch er blieb weiter still. Alles was er tat, war es ihre Hand zu halten und Kagome hatte begriffen, dass er ihr Mut machen wollte, für all das was sie ihm zu sagen hatte. Sie war sich an jenen Tag nicht sicher gewesen, ob er bereits wusste, was das war, doch je mehr sie sich daran zurück erinnerte, desto mehr glaubte sie, dass er das tat. Sie beide hatten gewusst, dass es geschehen musste. Einer von ihnen musste jene Worte sprechen, vor denen sie beide so sehr Angst hatten, da sie zu sehr weh taten. Aber sie konnte nicht länger so leben und er verdiente es. Er hatte es verdienst, dass sie ihm ehrlich gegenüber war und sie wusste, dass er sie gehen lassen musste, so wie er Kikyou gehen lassen musste. Solange sie ihre Verhältnisse nicht klären würden, so lange würde niemand von ihnen in der Lage sein Liebe und Glück in ihrer beider Leben zu finden. „Inuyasha“, hatte sie seinen Namen wiederholt, „warum tun wir das hier?“ Noch bevor er hätte antworten können, fuhr sie fort: „Warum tun wir uns selbst so sehr weh? Es ist offensichtlich, dass wir beide uns nach etwas sehnen, das niemals sein wird. Nicht nach alldem… was passiert ist.“ Obwohl sie ihn nicht angesehen hatte, so konnte sie damals doch fühlen, wie er sich versteift hatte. Die Sonne erreichte sie mit ihrer Wärme nicht mehr. Die Bäume flüsterten zu ihr und die Vögel sangen weiter ihr Lied, doch in ihrem inneren hatte alles still gestanden. Als er immer noch nicht geantwortet hatte, drehte sie ihren Kopf, um zu sehen, wie er auf den Boden des Waldes vor sich starrte. Jener Wald, den die Dorfbewohne nach ihm benannt hatten. „Ich muss dich gehen lassen, Inuyasha… wir beide müssen los lassen.“ Er drehte seinen Kopf und sie sah ihm direkt in seine goldenen Augen. Plötzlich hatte sie Angst gehabt sich selbst in diesen Augen zu verlieren, aber vielleicht war sie das bereits gewesen. Es lag etwas in seinem Blick und manchmal war sie sich nicht sicher, ob sie wissen wollte, was es war. „Ich weiß. Es ist nur… ich glaube, ich habe einfach nur Angst.”, hatte er ihr geantwortet und seine Stimme war rau. Jetzt war sie an der Reihe gewesen auf den Boden vor sich zu starren. Die Sonne brach durch die Wipfel der einzelnen Bäume und es hatte fast den Anschein, als wäre das Licht flüssiges Gold gewesen das sich über den Waldboden verteilt hatte. Niemals hätte sie gedacht, dass sie eine solche Unterhaltung mit Inuyasha hätte führen können. Niemals hätte sie gedacht, dass der Halbdämon so ehrlich mit ihr und vor allem mit sich selbst sein hätte können. Aber die Wahrheit war, dass sie sich beide verändert hatten. Sie war nicht mehr dasselbe Mädchen, das in den Brunnen gefallen war und in einem verrückten Märchen wieder auftauchte. Sie war nicht mehr das naive Mädchen gewesen, das daran glaubte, dass sich alles zum Guten wenden würde. Sie hatte gesehen, wie Menschen starben, wie Kinder von Dämonen abgeschlachtet wurden. Frauen hatten über toten Männer und Söhne geweint… dies war kein Märchen. Es war real. Die Grausamkeit machte es für sie und jeden anderen zu einer bitteren Realität. „Ich auch…“, hatte sie nach einer Weile gesagt, „aber die Wahrheit ist… ich habe schon viel zu lange Angst, Inuyasha.“ Sie sah ihn nicht an, aber sie wusste, dass er sie mit Interesse und Neugier betrachtet hatte. Sie hatte versucht sich selbst zu erklären: „Weißt du, als ich dich das erste Mal traf, war ich voller Panik. Ich dachte ich würde sterben. Aber… du hattest mich gerettet. Obwohl du das zu dem Zeitpunkt gar nicht wirklich vor hattest.“, sie hatte versucht zu lächeln, aber sie konnte nicht, als sie die Tränen bereits in sich aufsteigen spürte, „Und dann begann unsere Reise. Mit jeden Tag den ich an deiner Seite verbrachte… fühlte ich mich ein Stück mehr zu dir hingezogen und bevor ich es begreifen konnte, war ich Hals über Kopf in dich verliebt.“ „Kagome…“ „Nein, lass mich bitte ausreden.“ Sie hatte leise geschnauft, als die Tränen drohten ihr die Stimme zu nehmen. „Der Tag an dem ich dich Kikyou küssen sah, da wusste ich dass ich dich liebte. Plötzlich begann ich mich ängstlich zu fühlen. Ich dachte, ich würde dich verlieren. Ich wusste, dass ich niemals eine Chance mit dir haben würde, aber selbst dieser Gedanke hinderte mich nicht daran dich zu lieben. Mit jeden Tag der vorüber ging, wuchsen diese Gefühle und ich spürte, dass ich innerlich etwas gestorben bin.“ Als sie ihm direkt in die Augen geblickt hatte, erkannte sie, wie viel Traurigkeit in seinem Blick lag. „Ich wollte niemals…“, hörte sie ihn beginnen, doch sie hatte ihn erneut unterbrochen. „Nein, bitte. Ich weiß Inuyasha. Es ist okay. Weißt du, die letzten paar Wochen habe ich viel über uns nachgedacht. Ich kam zu dem Ergebnis, dass wir immer Freunde sein werden. Egal was passiert. … Das ist okay für mich. Das ist es wirklich. Ich habe dich lieber als Freund, als das…” Sie konnte nicht weiter reden, denn die Tränen hatten begonnen einen Weg über ihre Wangen zu finden. Sie lachte traurig. „Ist das nicht albern? Ich bin glücklich und mir meiner Entscheidung sicher, aber ich muss trotzdem weinen.” Sie hatte gefühlt, wie er seinen Arm um sie legte und sie hatte sich an ihn gelehnt. „Es tut mir leid.“, hatte sie geflüstert. „Das braucht es nicht, Kagome. Aber ich muss mich bei dir bedanken.“ Sie hatte sich aus seiner Umarmung gelöst und ihm ins Gesicht geblickt „Was?“ „Das mit mir zu teilen. Ich weiß, dass es hart für dich war, aber… irgendwie bin ich froh. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft dafür gehabt hätte. Also… danke.“ Kiaras Knurren riss sie plötzlich aus ihrer Erinnerung und im gleichen Moment schoss sie hoch und griff nach ihren Bogen, der neben ihr an den Baum gelehnt war. Sie blickte in die Richtung, in die die Raubkatze ihre Nase richtete und die Zähne fletschte. Bevor sie etwas sagen konnte, landete Inuyasha auf sicheren Füßen neben ihr. Aus ihren Augenwinkeln sah sie ihm seine Anspannung ins Gesicht geschrieben. „Oni.“, flüsterte ihm Kagome zu, als sie die Aura des  Biestes spüren konnte und holte mit zittriger Hand einen Pfeil aus ihren Köcher. Noch bevor ihr die letzte Silbe über ihre Lippen gekommen war, konnten Inuyasha und Kagome beobachten, wie Bäume neben der Lichtung vor ihnen mit einem gewaltigen Grollen zur Seite gerissen wurden. Erde und Dreck spritze in die Luft, als die jahrzehntealten Baumstämme zur Seite kippten und alles, dass nicht fest genug war, mit sich rissen. Der gewaltige Lärm weckte auch den Rest ihrer Gruppe und von ihrer schnellen Auffassung beeindruckt, erkannte Kagome wie Sango sich aus dem Zelt heraus rollte und gleichzeitig nach ihrem Bumerang griff und sich samt Miroku neben sie und Inuyasha stellte, während Shippou sich ängstlich hinter ihren Beinen versteckte. Sie spannte den Pfiel in den Bogen und zog die Sehne straff zurück. „Inuyasha!“, rief sie ihrem Freund zu, der an ihrer Seite bereits Tetsusaiga gezogen hatte. In einer schwungvollen Bewegung hob er das Schwert empor und benutzt es als Schild, während die Klinge sich zu transformieren begann. Bevor sie ein weiteres Wort verlieren konnte, stieß sich der Halbdämon vom Boden ab und sprang auf den gigantischen Oni vor ihnen zu. Seine Haut war im fahlen Licht des Mondes ein dunkles Lila und seine gelben Augen leuchteten hell in der Nacht. Die grauen, langen Haare waren zerzaust, verfilzt und von getrocknetem Unrat bedeckt. Sein Lendenschurz wies auch schon bessere Tage auf, stellte sie trocken fest. „Windnarben!“, hörte sie Inuyasha brüllen, bevor eine gewaltige Attacke seines Schwerts auf die Bestie nieder prasselte. Im gleichen Moment hörte sie Sangos Schrei: „Hiraikotsu!“ Kagome spürte den scharfen Windzug an ihrem Ohr, als ihre Haare aufgewirbelt wurden, als Sangos Bumerang an ihr durch die Luft schnitt und den linken Arm des Oni traf. Sauber durchtrennte die Waffe den Arm am Ellenbogen, doch statt dass das abgetrennte Glied zu Boden fiel, geschah nichts. Der Arm blieb an Ort und Stelle und der Oni setzte unbeirrt seinen Weg fort, nur dass er jetzt noch wütender zu sein schien. „Was ist das?“, rief Sango über den Lärm hinweg, sprintete zur Seite und riss Kagome mit sich, damit sie von einem herabfallenden Baumstamm, der von den Händen des Onis aus der Erde gerissen wurde, nicht erschlagen wurden. Dreck füllte die Wege ihrer Atmung und Kagome hustete und keuchte schwer, bevor sie ihren Atem wieder sammeln konnte. Sie lag mit dem Bauch auf der Erde, Sangos Arm immer noch um ihre Schulter geschlungen. Keuchend stützte sie sich mit den Ellenbogen auf. „Shippou!“, schrie sie, als ihr Herz von Angst umklammert wurde. In dem Chaos hatte sie den kleinen Dämon aus den Augen verloren. „Kagome-sama!“, hörte sie die helle Stimme des Jungen über ihren Kopf und ihre Augen richteten sich gen Himmel und sie spürte, wie die kalte Faust der Angst ihr Herz los ließ. Erleichtert atmete sie auf, als sie Shippou in seiner Form als Ballon über ihren Köpfen schweben sah, bevor ihr in einer Wolke aus weißem Rauch seine richtige Gestalt wieder annahm und auf einem Ast über ihr Sitzen blieb. Als sich der Staub des aufgewirbelten Drecks legte, erkannte sie den roten Haori Inuyashas durch die Luft gleiten.. Blitzschnell hatte der Halbdämon reagiert, als er erkannt hatte, dass weder seine Attacke seines Schwerts, noch Sanogs Waffe etwas gegen den Oni auszurichten schienen. Sie erkannte, wie er seine Krallen wetzte, bevor er sich mit einem Schrei auf die Kreatur stürzte und versuchte von der Schulter bis zur Mitte des Körpers mit seinen Krallen durch das Fleisch zu gleiten. Mit offenem Mund konnte sie beobachten, wie Inuyashas Hand durch den Körper des Oni glitt, doch nichts geschah. Nicht einmal ein Kratzer blieb auf der Haut zurück. Bevor sie weitere Zeit verschwenden konnte, rappelte sie sich auf und hob ihren Bogen auf, der durch die Wucht des niederfallenden Baumstammes aus ihrer Hand gefallen war. „Inuyasha!“, rief sie ihm zu, um ihr zu warnen. Noch im gleichen Moment hob sie einen Pfeil auf, spannte ihn in die Sehne des Bogens und ließ das Geschoss von ihren Fingern gleiten. Inuyasha sprang zur Seite und der Pfeil schoss so nah an seinem Ohr vorbei, dass sein silbernes Haar aufgewirbelt wurde. Kagome beobachte, wie ihr Pfeil einen pinken Schweif hinter sich her zog, bevor er in die Brust des Oni einschlug und durch seinen Körper hindurch schoss. Ein Loch bildete sich in seiner Brust, doch es schloss sich genau so schnell, wie es auch entstanden war. „Was zur Hölle ist das?“, rief sie ihren Freunden zu und starrte ungläubig auf den Oni vor ihr, der mit seinen riesigen Pranken nach ihnen zu schlagen begann. Mit einem beherzten Sprung hechtete sie zurück und verlor dabei ihr Gleichgewicht. Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter, als sie mit ihrem Gesäß den Waldboden traf und sich stöhnend das Steißbein rieb. „Lass nur, Kagome-sama. Ich werde mich um den Oni kümmern.“ Mirokus Stimme war so ruhig, wie eh und je und statt Furcht oder Adrenalin, glaubte sie kuriose Neugier in seiner Stimme mitschwingen zu hören. „Windtunnel!“, hörte sie ihn rufen, als er seinen Rosenkranz zur Seite zog und die gewaltige Macht des Fluchs, den Naraku zuerst seinem Vater auferlegt und den er geerbt hatte, los ließ. Doch als Blätter, Äste und ganze Baumstämme von der Macht des Windes aufgewirbelt wurden, erkannte sie zwischen den Beinen des Oni eine zusammen gekauerte Gestalt auf dem Waldboden liegen. Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte ihren Kopf. Der Oni vor ihr schrie und seine Beine stützten sich schwerer gegen den Boden, in der Hoffnung so etwas Halt zu gewinnen. „Miroku, nein, Stopp!“, schrie sie über den Lärm hinweg und rappelte sich wieder auf, stürzte zu dem Mönch an ihrer Seite und riss seinen Arm herunter. „Was zur Hölle tust du da?!“, rief Inuyasha ihr zu und landete neben Kagome, um sich selbst vor Mirokus Windtunnel in Sicherheit zu bringen. Auch Sango stand nun außer Atem neben ihnen und starrte Kagome ungläubig an. „Da liegt jemand, du ziehstt ihn sonst mit ein!“, rief sie völlig außer Atem, während der Oni einen weiteren, gewaltigen Schrei von seinen Lungen entfesselte. „Was?!“; rief Inuyasha ungläubig. „Wo?“ „Da!“, rief Kagome aus und zeigte mit ihren Fingern zwischen die Beine des Oni auf den Waldboden dahinter. „Kagome hat recht!“, erkannte jetzt auch Sango und starrte auf die zusammen gekauerte Gestalt, die hinter dem Oni auf der Erde lag. Kagome kniff die Augen zusammen, um genaueres zu erkennen können. „Das ist eine Frau!“, rief sie aufgeregt aus und riss sich von ihren Freunden los, um auf die Gestalt zu zulaufen. „Kagome, nein!“, rief ihr Inuyasha hinterher, doch sie hörte ihn nicht mehr. Sie musste der Frau helfen. Sie duckte sich unter einer herab schlagenden Pranke weg und lief im Zick-Zack durch die Beine des Oni hindurch, bis sie zu der Frau vor ihr ankam. Das Gesicht lag ihr abgewendet auf dem schneebedeckten Boden, die Haare waren unter einem alten Kopftuch verborgen und ihre Gestalt wirkte zierlich und gebrechlich, wie die einer alten Frau. Ihre Hände umfassten ihre Schultern und sie drehte sie zu sich um, so dass sie das Gesicht erkennen konnte. Doch bevor dies geschehen konnte, versanken ihre Finger in den knochigen Schultern der Frau, die innerhalb von wenigen Sekunden unter ihrem Griff zu Staub zerfiel. „Was?“, flüsterte sie erschrocken und mit einen mal war das Gebrüll des Oni so weit weg und das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren war so laut, dass alle anderen Geräusche verschluckt wurden. Sie schaute auf den Haufen Asche, der vor ihr lag und erst jetzt spürte sie, wie der Schnee unter ihren Beinen zu schmelzen begann und das Wasser den Stoff ihrer Hose durchfraß und ihre Haut abkühlen ließ. Schnee??? Sie blickte sich vorsichtig um und erkannte, dass die Bäume und der Boden des Waldes mit einer dicken Schicht von Schnee bedeckt wurden. Ungläubig drehte sie sich um und starrte zurück zu jener Richtung, aus der sie gekommen war. Sie sah die Rückansicht des Oni, sie sah ihre Freunde, Inuyasha, Sango, sie alle, wie sie mit Horror in den Augen auf Kagome zurück starrten. Den Kopf und die Schultern des Oni konnte sie schon nicht mehr erkennen. Ein Loch tat sich vor ihr in der Luft auf, die Ränder glühten in einem schwachen Blau. So als hätte ihr jemand ein Bild vor Augen gehalten starrte sie durch ein Loch auf ihre Freunde, die auf der andere Seite standen in einem Wald, der nicht von Schnee bedeckt wurde und dessen Bäume weitaus höher in den Himmel ragten. Sie sprintete zurück, wollte durch das Loch wie durch eine Tür hindurch steigen, doch eine unsichtbare Barriere hielt sie davon ab. Sie legte ihre Hand ungläubig auf die unsichtbare Wand, bevor sie erkennen konnte, wie Inuyasha mit einem gewaltigen Sprung zu ihr gelangte. „Kagome!“, rief er aus und wollte zu ihr, doch auch ihn hielt die unsichtbare Wand davon ab. „Tritt zurück, Kagome!“, rief er ihr zu und nahm Tetsusaiga zur Hand, dessen rote Klinge zu glühen begann. Er wollte durch die Barriere hindurch schneiden. Kagome wich einen Schritt zurück, die Augen weit aufgerissen als sie erkannte, wie die Ränder des Lochs kleiner wurden und sich die Größe immer mehr verringerte. „Inuyasha, was geschieht hier?“, fragte sie ihn und sie konnte hören, wie die Panik in ihrer Stimme aufstieg. „Inuyasha!“, rief sie erneut und trat einen Schritt vor und berührte mit ihrer flachen Hand die Wand. „Lass mich nicht allein!“ Inuyasha ließ das Schwert sinken als auch er erkannte, wie das Loch rasend schnell immer kleiner und kleiner wurde. „Kagome!“ Er legte seine Handfläche auf die ihre und doch konnte er sie nicht spüren; die unsichtbare Wand, die Barriere, hielt sie davon ab. „Nein.“, flüsterte er, als er erkannte, wie sich das Loch vor seinen Augen schloss. Kagome starrte auf schneebedeckten Waldboden vor ihr, da wo noch wenige Sekunden zuvor Inuyasha gestanden hatte. Stile umhüllte sie. „Inuyasha!“, schrie sie erneut, doch die Worte hallten unbeantwortet im Wald wider. „Nein.“, flüsterte sie, als Erschöpfung sie überrannte und zu Boden sinken ließ. „Nein.“, wiedeholte sie das Wort erneut, als Tränen der Verzweiflung an ihre Oberfläche traten und heiß über ihre Wange rannen. Es war Nacht und am Himmel stand kein Mond. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die plötzliche Finsternis. Wie konnte nur so schnell plötzlich alles außer Kontrolle geraten? Ihre Tränen fanden ihren Weg zur Erde und tropften vor ihr in den kalten Schnee, während sie vorne über gesunken auf der Erde saß. Ihr Atem bildete sich in einer feinen, weißen Wolke vor ihr und die Kälte, die sich durch ihre Kleidung und Knochen fraß, spürte sie schon nicht mehr. Sie war vollkommen alleine und hatte nicht die geringste Ahnung, was eben geschehen war. Ihre Hand verwandelte sich in eine Faust. Der Angst wich Entschlossenheit. Sie musste heraus finden was geschehen war. Kagome schniefte, bevor sie ihren Blick wieder hob und auf die Stelle starrte, an der eben noch Inuyasha stand. So etwas kannte sie doch nur aus Filmen, in denen die Schauspieler durch eine Art von Wurmloch in ein paralleles Universum gezogen wurden. Kagome schüttelte den Kopf, so dass ihre Haare hin und hergeworfen wurden. Ein Lachen kroch in ihr empor und bahnte sich seinen Weg über ihre Lippen. Es war ein trockenes, lebloses Lachen. Das war doch alles absurd! Erst ein mysteriöser, alter Brunnen, der sie fünfhundert Jahre in die Vergangenheit katapultiert hatte, ein Juwel das in ihren Körper wiedergeboren wurde und jetzt auch noch ein Wurmloch? Kagome fragte sich, wie es nur möglich war, dass einer einzigen Person so viel widerfahren konnte. „Tja.“, murmelte sie „Der Teufel scheißt eben immer nur auf einen Haufen.“ Ihre Hände fanden den Schnee unter ihr und mit ihren Fingern ließ sie das weiße Pulver über ihre Haut gleiten. Irgendwie sorgte die Kälte dafür, dass sie wieder zurück in die Realität fand und sich ihr Atem langsam beruhigen konnte. Ihre Augen hatten sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt. Für einen Moment wünschte sie sich, dass der Mond scheinen würde und der Schnee sein Licht reflektieren würde. Es würde so vieles einfacher machen. „Okay Kagome. Du kannst das schaffen!“ Sie klatschte in die Hände und nickte entschlossen mit dem Kopf, bevor sie sich aufrappelte und auf wackeligen Knien zum stehen kam. Ihre Fingerspitzen fanden ihre Wangen und sie wischte sich die letzten Tränen fort. Wie ein Hund, und so wie sie es Inuyasha auch schon so oft tun sah, reckte sie ihr Kinn in die Höhe und versuchte ein Geräusch ausfindig zu machen. Sie spitzte die Ohren und lauschte. Doch außer den Rufen einer Eule in weiter Ferne und den feinen Stimmen von Mäusen konnte sie nichts ausmachen. Doch je mehr sich die Kälte und der schmelzende Schnee sich durch ihre Schuhe fraß und je kälter ihre Zehen, ihre Hände und ihr restlicher Körper wurde, desto mehr wurde ihr bewusst, dass sie für diese Nacht einen Unterschlupf brauchte. Schnell. Kagome beschloss sich auf die Suche des nächsten Dorfs zu begeben. Sie blickte sich noch einmal in der Lichtung um. Sie sah tatsächlich genau so aus, wie jene auf der sie und ihre Freunde die Nacht verbringen wollten und wo sie vom Angriff des Oni überrascht wurden. Aber hier lag Schnee, die Bäume waren etwas kleiner und die riesige Wurzel, die ihnen Schutz vor dem kalten Wind geboten hatte, war noch nicht da. Stattdessen stand an dieser Stelle eine gewaltige, riesige Eiche, die mit Sicherheit schon einige hundert Jahre alt war. „Ich bin also an keinen anderen Ort...“, murmelte sie zu sich selbst und wühlte in ihren Erinnerungen. Wenn diese richtig waren, dann würde sie etwas westlich ein Dorf finden, dass sie und der Rest ihrer Gruppe noch am Vortag passiert hatten. Es lag zwei Fußstunden von hier entfernt, was in dieser Kälte und im Schnee sehr lang, verdammt lang, sein konnte. Doch Kagome wusste, dass es töricht wäre im dichten, dunklen Wald umher zu irren und ein Dorf, dass näher liegt, zu suchen. Sie könnte sich verirren, im Dickicht umknicken, von wilden Tieren angegriffen werden... es war zu riskant. Sie schluckte hart. Sie musste wohl oder übel den gleichen Weg zurück legen, von dem sie am Vortag bereits gekommen war. „Hätte ich doch nur meinen Bogen hier...“ Sie rieb sich die Hände, damit ihre Fingerspitzen wieder wärmer werden konnten, bevor sie begann einen Fuß vor den anderen zu setzen und dem Pfad zu folgen, der sie weg vom Gebirge und vom Wald führen und ihr den Weg Richtung Zivilisation zeigen würde. „Kagome...“ Sie drehte sich erschrocken um und starrte in die Wipfel der Bäume über ihr. Ihre Blicke suchten die schneebedeckten Äste ab. „Kagome...“ Da war es wieder! Und diesmal war es ganz deutlich. Kagome spürte, wie ihr Herz in ihrer Brust so schnell schlug, dass sie glaubte, es würde jede Sekunde aus hier heraus springen. Jemand flüsterte ihren Namen. Es war eine helle, klare Stimme. Sie hörte Schritte hinter sich im frischgefallenen Schnee. Kagome wirbelte herum, doch ihre Augen fanden nichts. „Kagome.“ Die Stimme war direkt hinter ihr. Kagome stockte der Atem. Feine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Langsam drehte sie sich um, Augen zuerst. Doch da war nichts als tiefe Dunkelheit. „Kagome!“, rief die Stimme und diesmal glaubte die Priesterin, sie über sich gehört zu haben. Ihre Augen folgten der Stimme, doch sie konnte nichts erkennen. „Kagome, Kagome, der Vogel im Käfig.“, hörte sie die Stimme in einen Singsang überall von allen Seiten kommen. Kagome drehte sich im Kreis und suchte nach der Quelle, ihre Augen verfolgten wild imaginäre Punkte. „Wann wirst du heraus kommen? In der Abenddämmerung sind Kranich und Schildkröte schon gestolpert...“ Sie hatte das Gefühl, dass die Stimme immer näher kam. „Wer steht hinter dir?“, flüsterte sie Kagome in ihr Ohr und diesmal konnte sie den Atem der Gestalt über ihren Nacken streifen spüren. Mit einem leisen Aufschrei fuhr Kagome erschrocken herum und als sie in die ausdruckslosen und abgründigen Augen der Gestalt vor ihr blickte, drehte sich die Welt. Oben war Unten und Gestern war Heute und nichts mehr, gar nichts mehr schien auch nur irgendeinen Sinn zu machen. Sie spürte nicht mehr, wie ihr Körper leblos auf die Erde fiel als die Ohnmacht Besitz über ihren Geist ergriff.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)