Details in the fabric von usaki-chan ================================================================================ Kapitel 1: 1. Life design ------------------------- 1. Life design In den frühen Morgenstunden war nicht viel auf dem Platz neben dem Millennium Centre von Wales los. Nur wenige Menschen liefen in der Morgendämmerung über den Roald Dahl Plass. Vermutlich waren sie auf dem Weg zur Arbeit und mit sich selbst zu beschäftigt, um das merkwürdige Geräusch zu hören, welches so gar nicht in die friedliche Atmosphäre der Bucht von Cardiff passen wollte. Mitten auf dem Platz materialisierte sich eine alte blaue Polizeibox, welche in den 50er Jahren an jeder Straßenecke Englands zu finden gewesen war. Inzwischen wurden diese Boxen aber aufgrund der sich weiterentwickelnden Telekommunikationstechnik nicht mehr benötigt. Allein durch ihr unvermitteltes Auftauchen hätten die vorbeieilenden Menschen auf sie aufmerksam werden müssen, doch niemand schien sich im geringsten dafür zu interessieren. Wie immer, wenn sich die Tardis auf einem öffentlichen Platz ankam, war er unendlich dankbar für den Wahrnehmungsfilter, der dafür sorgte, dass Unwissende seine blaue Zeitmaschine gar nicht wirklich bemerkten. „Zoe!“, rief der Doktor, während er sich seinen Mantel über die Schultern warf. Als er keine Reaktion erhielt, rief er die junge Frau noch einmal. „Zoe!“ „Doktor?“, antwortete Zoe in derselben Lautstärke wie der Timelord, als den Kontrollraum betrat. „Oh.... Oh, da bist du ja.“ Der Doktor blinzelte verwirrt. „Wo ist-“ „Er hat sich etwas hingelegt. Meinte, er bräuchte Ruhe. Nach allem, was passiert ist.“ „Natürlich.“ Der Doktor wandte sich zur Tür um und zog sich dabei seinen Mantel ordentlich an. „Da draußen ist zwar nur Cardiff, aber ich denke, wir alle haben uns nach dem Theater in London eine kleine Pause verdient.“ Außerdem musste er die Tardis auftanken und nirgendwo ging das besser, als über einem Raum-Zeit-Riss. „Oh ja.“ Zoe seufzte. Hoffentlich würden sie niemals wieder auch nur einem Cyberman über den Weg laufen. Sie hatte ganz offiziell genug von diesen Blechsoldaten. „Aber zieh dich warm an. Es ist Dezember.“ Mit einem breiten Lächeln im Gesicht öffnete der Doktor die Tür und trat nach draußen. Warme Luft empfing ihn, obwohl die Sonne gerade eben erst aufgegangen war. „Hm...“ Mit einer Gelassenheit, die man nur haben konnte, wenn einen die Tardis schon oft an Orte und Zeitpunkte gebracht hatte, die man nicht erwartete, zog er seinen Mantel wieder aus und warf ihn zurück in die Tardis. „Vergiss es. Es sieht so aus, als wäre Sommer.“ „Hat sie wieder einmal ihren eigenen Kopf durchgesetzt?“, fragte Zoe mit einem leicht spöttischen Unterton in der Stimme und folgte dem Doktor nach draußen. Tief sog sie die frische Luft ein und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. „Nun ja...“ Mit einem prüfenden Blick betrachtete der Doktor ihre Umgebung und schüttelte schließlich den Kopf. „Wir sind anscheinend auch im falschen Jahr gelandet. Sie haben umdekoriert... nicht schön. Früher sah es hier besser aus.“ „Also mir gefällt es.“ Irritiert von der unbekannten Stimme sah sich der Doktor noch einmal um und entdeckte nicht weit von ihnen eine junge Frau, die sie fröhlich anlächelte. Nun, sie befanden sich nicht mehr innerhalb der Tardis, natürlich konnte sie jeder sehen. Trotzdem war an der jungen Frau irgendetwas merkwürdig. Er hatte das Gefühl, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben, konnte sie allerdings beim besten Willen nicht einordnen. Außerdem war das unmöglich. Die Baustruktur der sie umgebenden Häuser sagte ihm, in welcher Zeit er sich ungefähr aufhielt und das hier war sein erster Besuch in dieser Epoche in Cardiff. Sollte sie ihm nicht an einem anderen Ort begegnet sein, konnte er sie gar nicht kennen. Er nahm die junge Frau etwas genauer in Augenschein, um sie möglicherweise doch noch einordnen zu können. Allerdings war nichts an ihr, was sonderlich auffällig gewesen wäre. Unzählige Menschen auf diesem kleinen Planeten hatten braune Locken und auch ihre Gesichtszüge ließen sie nicht unbedingt aus der Menge hervorstechen. Das Lächeln der jungen Frau wurde noch breiter, während sie beobachtete, wie der Doktor nachdachte. „Hey Doc.“, sagte sie schließlich lachend. Der Timelord wusste nicht, was ihn mehr irritierte. Die Tatsache, dass sie ihn kannte, oder aber, dass er nicht wusste, wer sie war. „Pass auf dich auf.“ Für einen kurzen Augenblick wurde ihr Blick wehmütig, allerdings hatte sie sich im nächsten Moment wieder unter Kontrolle, so dass der Doktor sich nicht sicher war, ob er den traurigen Ausdruck in ihren Augen tatsächlich gesehen, oder sich nur eingebildet hatte. Sie wandte sich von den Zeitreisenden ab und ging mit schnellen Schritten in Richtung des Millennium Centre davon. „Wer war das?“ Zoe fand zuerst ihre Stimme wieder. „Ist sie vielleicht auch mit Ihnen gereist?“ Langsam schüttelte der Doktor den Kopf. „Nein. Ich habe keine Ahnung, wer das war.“ *** Genervt folgte Jamie seiner Cousine in Richtung des Bahnhofes King’s Cross. Er verstand nicht, wieso sie ihn um diese Uhrzeit aus dem Bett geworfen hatte, noch weniger, warum er sie unbedingt begleiten musste. Eigentlich hatte er heute einen Termin mit seiner Lieblingsdokumentationsreihe im Internet gehabt – nun würden ihm wohl all die interessanten Informationen über die faszinierende Welt der Tiefseefische entgehen, denn das war leider eine der Livestreamserien, deren Episoden man online nicht finden konnte. Zumindest noch nicht. „Du musst auch mal das Haus verlassen.“ Mit einem kurzen Blick auf ihren Cousin hatte Samantha festgestellt, dass dieser alles andere als glücklich war. „Du kannst nicht immer nur den ganzen Tag vorm Computer verbringen.“ Gequält verzog Jamie das Gesicht. „Das mache ich doch gar nicht.“ Immerhin spielte er auch Gitarre oder las in Büchern. Er hatte alle Bücher im Appartement seiner Cousine gelesen und die Regale waren voll davon. Und überhaupt, was war schlecht daran, die Wohnung nicht zu verlassen? Das Risiko für Hautkrebs war drinnen wesentlich geringer. Außerdem fühlte er sich dort sehr viel wohler als hier draußen. „Aber du hockst den ganzen Tag nur in meiner Wohnung.“ Seufzend schüttelte Samantha den Kopf. „Und richtest ein unbeschreibliches Chaos an. Das kann so nicht mehr weitergehen. Du weißt, was du brauchst.“ „Ein Zimmermädchen?“ Jamie blieb neben seiner Cousine an der Ampel stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn um diese Zeit zumindest weniger Leute die Straßen unsicher machen würden, wäre der dieser schreckliche Ausflug möglicherweise erträglich, aber hier hätte man die Menschen meterhoch am Straßenrand stapeln können und es wäre immer noch zu voll gewesen. Zu allem Überfluss wollten die meisten von ihnen ebenfalls die Straße überqueren. Samantha hob eine Augenbraue und bedachte den Jungen neben sich mit einem vielsagenden Blick. „Nein, kein Zimmermädchen. Einen Job, mein Lieber.“ Die Ampel schaltete auf grün und im nächsten Moment schoben sich die Leute über die Straße und die Beiden mit ihnen. „Du hast keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. Es gibt nicht viele Dinge, die du tun kannst, aber wenn du nicht unbedingt wählerisch bist, dann kannst du zumindest etwas tun, um dir dein eigenes Geld zu verdienen.“ Nun wählerisch war er nicht. Er wollte nur ganz einfach keinen Job. „Du kannst nicht ewig bei mir wohnen.“ Samantha hielt ihrem Cousin die Tür auf und ließ ihn in das Bahnhofsgebäude eintreten. „Irgendwann musst du ausziehen und dann brauchst du dein eigenes Geld.“ Soweit wollte Jamie noch gar nicht denken. Im Moment hatte er schon genug Probleme damit, jeden Tag einzeln zu leben. Für die Zukunft vorauszuplanen war einfach nicht drin. „Also... Ich habe gestern mit Jennifer gesprochen, sie ist die Leiterin der McDonalds Filiale und-“ „Das ist doch hoffentlich nicht dein Ernst!“, fiel Jamie ihr ins Wort und blieb mitten im Weg stehen, so dass ihm die anderen Passanten ausweichen mussten, wofür sie ihn mit genervten Blicken bedachten. Er störte sich nicht daran. „Ich soll bei McDonalds arbeiten?“ Samantha blieb ebenfalls stehen. „Du kannst es dir nicht leisten, wählerisch zu sein.“, erinnerte sie ihn mit Nachdruck. „Aber Sam...“ Der Junge schob die Unterlippe vor und hob die Augenbrauen, so dass sie seine Stirn in Falten legte. „McDonalds?“ Einen Augenblick lang schaffte sie es noch ihren Cousin ernst anzusehen. Bei seinem flehenden Gesichtsausdruck musste sie aber schließlich doch lachen. „Okay, nicht McDonalds. Dann darfst du aber zu meinem zweiten Vorschlag nicht nein sagen.“ Diese Idee würde ihm ganz sicher noch weniger gefallen, als die erste. Samantha war kein Mensch für Überraschungen, sie überließ nichts dem Zufall, plante immer zehn Jahre im Voraus. Vermutlich hatte sie bereits genau gewusst, wie seine Reaktion auf ihren ersten Vorschlag aussehen würde. Samantha hob beschwichtigend die Hände, ein weiteres Zeichen dafür, dass auch die zweite Option alles andere als großartig sein würde. „Bob Hetkins, mein Boss falls du dich erinnerst, könnte dich beim Reinigungspersonal unterbringen.“ Er hatte es geahnt. Unglücklich verzog Jamie das Gesicht. „Züge putzen?“ „Ich weiß, ich weiß. Aufräumen liegt dir nicht. Aber der Job wird anständig bezahlt; du hast gute Arbeitszeiten und wirst nicht mit den Zügen herumfahren.“ Na super! Doch andererseits, was hatte er für eine Wahl? Sie hatte sich für ihn bei ihrem Chef eingesetzt, wenn er den Job nicht annehmen und seine Arbeit passabel machen würde, bekam Samantha möglicherweise Schwierigkeiten. Natürlich wäre es freundlicher gewesen, sie hätte ihn erst gefragt, ob er diesen Job überhaupt machen wollte, aber nun war es zu spät. „Von mir aus.“, sagte er schließlich seufzend. Sollte er für den Rest seines Lebens hinter ihren Fahrgästen herräumen müssen und diese ihm das Leben unnötig schwer machen, würde er möglicherweise irgendwann das Handtuch werfen und den Mülleimer gleich hinterher. Aber solange er nicht gezwungen war, allzu viel Kontakt mit anderen Menschen zu haben, würde es schon irgendwie gehen. Zumindest für den Moment. „Ich verspreche nichts, aber ich werde es versuchen.“ „Großartig.“ Samantha klatschte in die Hände. „Okay, dann bring ich dich schnell noch zu Bob. Mein Zug fährt in einer halben Stunde, so viel Zeit habe ich wohl noch.“ Sie hatte es tatsächlich alles vorhergeplant. Was wäre wohl gewesen, wenn er zu ihrem ersten Vorschlag ‚ja’ gesagt hätte? Würde sie ihn dann jetzt zu McDonalds bringen? Er wollte lieber gar nicht darüber nachdenken. „Entschuldigung, lasst mich kurz mal durch ja?“ Irritiert sahen Jamie und seine Cousine auf, da es ausreichend Platz gab, an ihnen vorbeizugehen, um nach draußen zu gelangen. Mit dem geübten Blick einer Zugbegleiterin, die auf den ersten Blick einzuschätzen wusste, ob ihr nächtlicher Fahrgast betrunken war oder nicht, betrachtete Samantha den Fremden. Sie war sich ziemlich sicher, dass er ihr überhaupt nicht aufgefallen wäre, hätte er sie nicht angesprochen. Vermutlich würde sie ihn auch schnell wieder vergessen. Er trug eine unauffällige schwarze Lederjacke und hatte leichte Segelohren. Diese und das strahlende Lächeln, mit dem er sie und ihren Cousin betrachtete, waren allerdings das einzig Merkenswerte an ihm. „Sicher.“, sagte sie schließlich und trat zur Seite. Der Mann ging an ihnen vorbei zu den großen Ausgangstüren. „Komm Jamie.“ Sam schüttelte den Kopf, um das merkwürdige irritierte Gefühl zu verdrängen, welches der Mann in ihr ausgelöst hatte. „Lass uns gehen.“ Ihr Cousin sah nicht wirklich begeistert aus, als er ihr folgte, aber da sie entschieden hatte, dass der Junge etwas mit seinem Leben anfangen musste – was für sie hieß, dass er arbeiten gehen würde – ignorierte sie gekonnt, dass er sich nach Hause wünschte. Und da sie mehr mit dem Gedanken beschäftigt war, wie sie Jamie davon überzeugen konnte, dass arbeiten besser für ihn wäre, als zu Hause herumzusitzen, bemerkte Samantha nicht, dass sich der Mann noch einmal umwandte und ihr und ihrem Cousin mit demselben strahlenden Lächeln hinterher sah, mit dem er sie gerade angesehen hatte, bevor er durch die Türen nach draußen trat. „Fantastisch.“ Ende Kapitel 1 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)