Nadeya - die Rächerin der Schattenwächter von Veluna ================================================================================ Kapitel 2: Die Marionette ------------------------- 1 Mit Vollgas fuhr John über die Talorstraße nach Hause. Er wollte sich beeilen, denn zu dem Ärger, der ihn erwarten würde, musste nicht noch mehr hinzu kommen. John war gerade 42 geworden und hatte vor zwei Jahren seine Frau Elli geheiratet. Im Gegensatz zu Elli war er nicht gerade eine Schönheit, was er auch selbst wusste. Seine Haare fielen ihm aus und er hatte am Hinterkopf schon eine kahle Stelle. Seit ein paar Jahren, trug er einen kleinen Bierbauch mit sich herum, welcher ihn unattraktiv wirken ließ. Deshalb verstand er seine Frau gleich dreimal nicht, denn Elli war eine hübsche Frau. Sie hatte langes rotes Haar und eine hübsche Figur. Sie war nicht gerade dünn. John beschrieb sie immer als Rippe mit Speck, was für ihn so viel bedeutete, dass sie das perfekte Maß hatte. Im Grunde war sie die perfekte Frau für ihn. Während er auf der Arbeit war und das Geld verdiente, kümmerte sie sich um den Haushalt und die Einkäufe. Sie hatten keine Kinder und wollten auch keine. Am Wochenende ging John öfter mal aus, in seine Stammkneipe. Zusammen wohnten sie im Armenviertel. Da er Fernfahrer war, verdiente er nicht gerade viel Geld und konnte sich ein Leben auf der Sonnenseite der Stadt nicht leisten. Hätte man Johns Leben von John von außen betrachtet, hätte man wirklich gedacht, es sei perfekt. Wäre nur das kleine Problem seiner Frau nicht gewesen. Nun war es 11 Uhr abends und John saß in seinem kleinen Auto angespannt hinter dem Lenkrad. Als er in eine Nebengasse einbog, die zu seiner Wohnung führte, fragte er sich, was wohl gleich passieren würde. Um halb Acht war er los gefahren und hatte Elli einen Kuss gegeben. Unglücklich hatte sie ihn angesehen und versucht, ihn zum Dableiben zu überreden. Es war jedes Wochenende das Gleiche. John ließ sich davon jedoch nicht beirren und fuhr durch die Stadt zu seiner Kneipe. Dort warteten seine Kumpel auf ihn und sie tranken viel Bier. Wenn er auch sonst kaum noch Freiheiten hatte, diese wollte er sich nicht nehmen lassen. Um halb 11 entschied er, dass er genug hatte und es Zeit war, nach Hause zu fahren. Er wollte versuchen pünktlich zu sein, da er auf das Theater, welches sonst folgen würde, keinen großen Wert legte. Seine Kumpel machten sich deswegen lustig über ihn, aber das war ihm egal. Er parkte seinen Wagen am Ende der Gasse. Als er zu dem Haus hinübersah, indem sich seine Wohnung befand, verspürte er einen Moment lang den Wunsch abzuhauen und gar nicht erst hinein zu gehen. Jetzt war es 10 Minuten nach 11. Wer weiß, was ihn nun erwartete. Unsicher stieg John aus seinem Auto und knallte die Tür zu. Das Haus in dem er wohnte, sah heruntergekommen aus und überall lag Müll in der Gegend herum. Ein seltsamer Geruch zog durch die Luft. Schwer atmend ging John zu der Haustür und schloss sie auf. 2 Im Thronsaal der Schattenwächter ging Gaterion seiner Aufgabe nach und regierte die Unterwelt nach seinen Vorstellungen. Seit Tagen beschäftigte ihn nur ein Thema. Er fragte sich, wie er Nadeya aufhalten könnte. Wie er vermeiden könnte, dass sie ihm alles kaputt machte. Sie wollte Gutes tun, aber würde sie entdeckt werden, würde nichts Gutes darin liegen. Nadeya ließ sich nichts sagen und er konnte mit Engels- oder auch Teufelszungen auf sie einreden. Da all seine Maßnahmen nicht geholfen hatten, fragte er sich nun, wie er weiter vorgehen sollte. Baldeon, sein Berater, hatte ihn einmal gefragt, warum er nicht zu härteren Mitteln greifen würde. Gaterion sagte nur, dass sie seine Tochter wäre und ihm dahingehend die Hände gebunden wären. Er wusste, dass er mächtig war, aber er wusste auch, dass man ihn stürzen konnte, wenn man es wollte. Das machte ihm tagtäglich Angst. An diesem Abend jedoch kam Gaterion eine Idee. Er war sich im Grunde zu nichts zu schade. Er wollte sich seinen Thron sichern und dazu wäre ihm jedes Mittel recht. Nachdem er sich seinen Plan lange überlegt hatte, schickte er Baldeon aus, um Alron zu ihm zu bringen. Eine Weile später trat Alron zu ihm herein. Seine kurzen schwarzen Haare, hatte er zur Seite gekämmt. Er trug eine lange blaue Robe und weiße Lederschuhe. Sein Gesichtsausdruck war fröhlich und als er vor dem Thron seines Vaters stand, verbeugte er sich. »Vater, du hast nach mir gerufen?«, fragte er mit stolzer Stimme. »Ja, ich hab etwas mit dir zu bereden.«, erwiderte Gaterion geheimnisvoll. Alron sah seinen Vater neugierig an und war bereit ihm aufmerksam zuzuhören. »Alron,«, setzte Gaterion an und machte eine kleine Atempause. »du möchtest doch irgendwann einmal der König sein, nicht wahr?« Nun wurde Alrons Grinsen breit. »Ja, das möchte ich.« Daraufhin entspannte sich Gaterions Gesichtsausdruck, weil er wusste, dass er Alron nun in der Hand hatte. »Ich hätte eine Aufgabe für dich und wenn du sie zu meiner Zufriedenheit erledigst, steigen deine Chancen auf den Thron erheblich.«, sagte er anmutig und schaute Alron dabei genau an. »Um welche Aufgabe handelt es sich?«, fragte Alron. Doch im Grunde wusste er schon, dass er jede Aufgabe ausführen würde, denn er wollte den Thron. Egal um welchen Preis. »Es geht um Nadeya.« »Was soll ich tun?« Alron schien nicht überrascht zu sein. Auch er wusste, dass seine Schwester den König oft auf die Palme brachte. Er konnte ihren Drang Gutes zu tun, nie verstehen und fragte sich, was sie nur so toll daran fand, dort oben zu sein. »Du sollst ihr guter Freund werden. Ihre Vertrauensperson. Und dann, wenn du weißt, wann sie abhauen will und zu wem sie gehen will, schnappen wir sie uns und halten sie auf. Wir finden den Weg, den sie nach oben benutzt und schließen ihn. Solltest du es nicht schaffen, ihr Vertrauen zu gewinnen,…« Gaterion machte eine kurze Pause und sprach dann nachdenklich weiter. »dann kannst du härtere Maßnahmen anwenden. Schließ sie von mir aus in den Kerker.« »Wieso schließen wir sie dort nicht sofort ein?«, fragte Alron verwundert. »Weil es zu auffällig wäre. Wir müssen es dann so aussehen lassen, als wäre sie dort, weil es nicht anders ging. Ich muss am Ende noch immer als der Gute dastehen, dass weißt du hoffentlich.«, antwortete Gaterion. Alron nickte nur wissend. »Ich werde es machen, Vater. Ich werde dich nicht enttäuschen.« Gaterion begann innerlich über die Dummheit seines Sohnes zu lachen. Er war so leicht zu manipulieren und zu durchschauen. Er wusste, dass Alron niemals König werden würde, denn er war im Gesamten zu schwach. Alron war nur eine Marionette, mehr auch nicht. 3 Alron ging mit schnellen Schritten aus dem Thronsaal heraus und geradewegs auf seine Gemächer zu. In seinem Kopf arbeitete es. Alrons Begierde nach dem Thron war größer als alles andere, was er sich vorstellen konnte. In seinen Träumen, sah er sich dort oben stehen, vor dem Thron seines Vater und dessen Krone auf seinem Kopf sitzen. Alle unterstanden ihm und er konnte tun und machen was er wollte. Das Gefühl der Macht berauschte ihn schon immer. In dieser Hinsicht kam er wohl nach seinem Vater. Nun fragte Alron sich, wie er am Besten vorgehen sollte. Er musste das Vertrauen seiner Schwester gewinnen, welche er nicht ausstehen konnte. Alron legte sich auf sein Bett und dachte nach. 4 John ging den dunklen und schäbigen Treppenaufgang hinauf zu seiner Wohnung. Unentschlossen stand er ein Weile vor der Eingangstür und spielte mit seinen Schlüsseln. Er fragte sich, ob er es wagen konnte, sich einfach umzudrehen und fortzugehen. Elli würde ihn finden, sie würde alles daran setzen, ihn zu finden und ihn zu sich zurück zu holen. Schließlich steckte er den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Tür auf. Dann trat er ein und wunderte sich, dass es in der ganzen Wohnung dunkel war. Die Wohnung war nicht sehr groß. Es gab ein kleines Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit Küchenzeile und ein Badezimmer. Besonders viel Platz, wurde einem dort nicht geboten. John ging durch den Flur und zog seine Jacke aus. Als er das Wohnzimmer betrat, in dem ebenfalls kein Licht brannte, hatte er die Hoffnung, dass Elli bereits schlafen gegangen war. Er atmete einmal tief ein und aus. Gerade als er kehrt machen wollte, um ins Schlafzimmer zu gehen, leuchtete ein Licht auf. Erschrocken drehte John sich um und sah entsetzt zu dem Sessel am Ende des Raumes. Er blickte in die dunklen Augen seiner Frau, die im Morgenmantel dort saß und ihn überraschte. Diese Situation kannte er aus Filmen, insbesondere wenn Jugendliche bei zu spätem heimkehren erwischt wurden. John fragte sich, was auf ihn zu kommen würde. Angespannt saß Elli in ihrem Sessel und betrachtete ihn. »Du bist 10 Minuten zu spät, John.«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Ich weiß. Ich habe versucht mich zu beeilen.«, erwiderte John und die Anspannung in ihm stieg. Elli spielte mit dem Band ihres Morgenmantels und setzte ein gespieltes Lächeln auf. »Du weißt doch, das wir Punkt 11 Uhr ausgemacht hatten. John, ich vertraue dir, wieso willst du mich enttäuschen?«, fragte sie. »Ich will dich nicht enttäuschen. Das weißt du.«, sagte er mit leicht zitternder Stimme. »John, ich habe dich geheiratet. Wir sind ein Ehepaar, du musst mich glücklich machen. Das weißt du doch, oder?«, fragte sie ihn ein wenig weinerlich. John fasst sich mit den Fingern an die Stirn und versuchte klar zu denken. Er versuchte eine Lösung zu finden, damit sie sich wieder beruhigte. »John, ich habe dir mein Versprechen gegeben und du mir deins. Möchtest du etwa, dass ich unglücklich bin? Habe ich das verdient?«, setzte sie nach. »Nein, das möchte ich nicht. Elli, es waren nur 10 Minuten. Jetzt bin ich doch hier, also ist doch alles gut. Beruhige dich, Liebling.«, antwortete John in der Hoffnung seine Frau zu beschwichtigen. Hätte John doch nur gewusst, dass es dafür schon zu spät war. War der Schalter in Ellis Gehirn erst einmal umgelegt, war es schwer, sie wieder in die Normalität zu holen. 5 Nadeya lag auf ihrem Bett und schlief. Unruhig wälzte sie sich hin und her. Sie träumte schlecht und oft träumte sie von ihrer Mutter. »Nadeya.«, hörte sie Melinda sagen, während diese sie behutsam wach rüttelte. Als Nadeya die Augen öffnete und in Melindas Gesicht sah, fragte sie sich, warum sie geweckt worden war. Fragend schaute sie Melinda an. »Seht, Nadeya.«, sagte sie nur und zeigte auf die Schale mit der roten Flüssigkeit, die auf Nadeyas Tisch stand. Über der Schale war eine kleine rote Wolke aufgestiegen. Nadeya stand sofort auf und ging hinüber. Ihr Blick konzentrierte sich auf die Wolke und sie versuchte zu erkennen, was die Wolke ihr zeigen wollte. Gerade als sie ein paar Umrisse sehen konnte, von einer Frau die auf einem Sessel zu sitzen schien, platzte plötzlich jemand zur Tür hinein und Nadeya fuhr erschrocken herum. Entsetzt sah sie zu Alron herüber, der gerade in ihr Zimmer gekommen war. »Was willst du hier, Alron?«, fragte sie ihn scharf. »Ich wollte nach dir sehen. Ist das verboten, Schwester?«, fragte er beleidigt. »Alron, ich hab jetzt keine Zeit für dich.« Nadeya versuchte ihren nervenden Bruder loszuwerden. Ihr entging nicht, wie Alron die Wolke hinter ihr anstarrte und ein neugieriger Ausdruck sich auf sein Gesicht legte. Rasch ging sie einen Schritt nach links, um ihm die Sicht zu versperren. Seine blauen Augen funkelten sie an. Ungeduldig sah sie Alron an und wartete darauf, dass dieser endlich wieder verschwand. Alron jedoch, dachte gar nicht daran, denn er wollte die Aufgabe seines Vaters zu dessen vollster Zufriedenheit erledigen. »Weißt du Nadeya, ich finde wir sollten unseren Kontakt wieder verbessern. Wir sind doch immerhin Geschwister und müssten doch zusammen halten.«, sagte Alron und versuchte überzeugt zu lächeln. Prüfend sah Nadeya zu ihm herüber und runzelte die Stirn. »Für so etwas habe ich jetzt keine Zeit.«, erwiderte sie scharf. »Wieso ? Hast du etwas vor?«, fragte Alron neugierig. Nadeya konnte sich nicht erklären, was ihr Bruder von ihr wollte, aber was es auch war, es konnte nichts gutes sein. »Ja. Und jetzt geh bitte.«, erklärte sie barsch. »Kann ich mit dir kommen?« Alron sah sie beinahe flehend an. »Nein. Das ist meine Sache.« Nadeya traute ihren Ohren nicht. Das könnte Alron so passen. Er würde ihr am Ende noch alles zerstören. Ein letztes Mal warf sie einen Blick auf die rote Wolke hinter sich und wusste wohin sie musste. Dann ging sie mit schnellen Schritten an Alron vorbei, warf sich ihren Umhang um und schritt zur Tür. Aber ehe sie die Tür erreichte, versperrte Alron ihr den Weg. Da Alron dazu neigte schnell aufzugeben, versuchte er es direkt auf die harte Tour. »Alron geh mir sofort aus dem Weg.«, schrie Nadeya ihn beinahe an. »Ich denke gar nicht daran.«, erwiderte Alron und begann zu grinsen. Wütend sah Nadeya ihn an und wollte am liebsten losbrüllen. Durch jede Sekunde Verzögerung, konnte es zu spät sein. »Geh mir aus dem Weg, Alron.«, sagte sie noch einmal. »Nein. Ich werde nicht zulassen, dass du wieder an die Oberfläche gehst.« Alron wirkte selbstsicher und mutig, was Nadeya noch wütender machte. Sie suchte nach einer Möglichkeit an ihm vorbei zu kommen, ehe es zu spät war. 6 Elli stand langsam auf und ging auf John zu. Er begann sich zu fragen, wie dieser Abend wohl enden könnte. »Ich weiß doch was du getrieben hast heute Abend. Ich bin doch nicht blöd.«, hörte er Elli sagen. Innerlich begann John zu verzweifeln. Jedes Mal das selbe. Seine Frau war krank im Kopf, dass wusste er. Die Tatsache, dass sie wohl die einzige Frau war, die je einen Mann wie ihn wollte, war ihm auch nicht entgangen. »Ich habe nichts getan, Elli. Ich war in der Kneipe mit meinen Freunden.«, erklärte er. Elli schnaubte. »Das sagst du jedes Mal, aber ich weiß, du warst wieder bei einer Frau, John. Verkauf mich nicht für blöd.« Dies war stets der Augenblick, der John auf die Palme brachte. Elli unterstellte ihm ständig, dass er etwas mit anderen Frauen hatte. Sie war krankhaft eifersüchtig. Dazu kam noch ihr Kontrollzwang, den sie auf ihn ausübte. John fragte sich jedes Mal, wieso er bei Elli blieb. Er hätte sich das nicht antun müssen. Seine Freiheit wartete auf ihn und in diesen Momenten sehnte er sich unglaublich nach ihr. »Ich habe keine Andere, Elli. So glaub mir doch.« Angestrengt versuchte er ruhig zu bleiben. Plötzlich brach Elli in Tränen aus und zog eine hässliche Grimasse. »Ich bin es so leid, deine Lügen zu hören. Ich sehe es doch, wenn wir einkaufen sind. Du machst anderen Frauen schöne Augen und starrst ihnen hinterher. Wieso lügst du mich an. Ich halte es nicht mehr aus.«, jammerte sie mit zitternder Stimme. »Wie oft noch? Ich habe keine Andere und starre auch keiner hinterher. Hast du mich mal angesehen? Mich will doch sowie so keine.« Nun war Johns Stimme etwas lauter geworden. Elli hob ihren Kopf an und mit einem Mal verschwanden die Tränen und sie starrte ins Leere. Ihr Gesicht wirkte ausdruckslos. »Ich bin es leid.«, sagte sie. Dann holte sie etwas aus der Tasche ihres Morgenmantels und als John sah, was seine Frau dort in der Hand hatte, bekam er nicht nur fürchterliche Angst sondern wurde panisch. 7 Nachdem Alron ihr noch immer den Weg blockierte, entschied sich Nadeya etwas zu tun, was sie innerhalb der Familie stets zu vermeiden versuchte. »Dies bist du nun selbst Schuld.«, sagte sie leise. Und während die Worte ihren Mund verließen, leuchteten ihre Augen rot auf und von einer auf die andere Sekunde war Alron wie versteinert und rührte sich nicht mehr vom Fleck. Nadeya wusste, dass die Starre die sie in ihm auslöste, nicht ewig halten würde. Die Zeit würde aber wohl reichen, um zu verschwinden. Rasch warf sie Alron beiseite und verschwand durch die Tür. Mit schnellen Schritten ging sie durch die Gassen der Unterwelt zu ihrem Geheimgang. Die Steintreppe, die nach oben führte, war sehr dunkel und sie musste stets aufpassen, nicht hinunterzufallen. Als sie das Tor zur Oberfläche erreichte hielt sie kurz inne. »Al tharon etal.«, flüsterte sie. Dies war der Zauberspruch mit dem sie die Tür belegt hatte. Es war die Sprache der Unterwelt, die nur noch wenige beherrschten. Nadeya selbst hatte sie noch von ihrer Mutter beigebracht bekommen. In der Sprache der Menschen bedeutete dieser Spruch: Das Gute wird siegen. Das große Steintor öffnete sich und Nadeya trat hinaus an die Oberfläche. Sie war noch ein wenig abseits von Thaldor. Eine leise Vorahnung beschlich sie und sagte ihr, dass sie möglicherweise zu spät kommen könnte. Schließlich setzte Nadeya wieder ihre Gabe der Schnelligkeit ein und sauste so schnell wie der Wind nach Thaldor. Dort angekommen hielt sie einen Moment inne, um sich zu fragen, wo sie lang gehen musste. Nachdem sie es herausgefunden hatte, rannte sie los. 8 John blickte Elli ängstlich an und hoffte, dass sie keine Dummheiten machen würde. »Elli, bitte leg das Messer weg, das hat doch keinen Sinn.«, sagte er mit zitternder Stimme. Elli begann hysterisch zu lachen. »Du Dummkopf, glaubst du wirklich, ich lasse dich mit deinen Lügen davon kommen? Du wirst büßen. Die ganze Zeit hast du mich betrogen und dafür wirst du nun bezahlen.« Mit dem Messer in der Hand ging sie auf John zu. Die Angst in seinen Augen entging ihr nicht. »Bitte nicht.«, flehte er noch. Elli holte aus, um mit dem Messer zuzustechen. 9 Nach kurzer Zeit war Nadeya bei dem schäbigen Haus angekommen, in dem dieser Mann lebte, den sie in der Wolke gesehen hatte. Prüfend sah sie sich um. Als sie wusste, dass sie niemand gesehen hatte, betrat sie das Haus und raste die Treppe hinauf. Nachdem Nadeya feststellte, dass die Wohnungstür abgeschlossen war, nahm sie Anlauf und trat sie ein. Mit anmutigen Schritten ging sie auf das Wohnzimmer zu. Sie hatte nun ihre Kapuze aufgesetzt, die an ihrem Umhang befestigt war, damit man sie nicht ganz so gut sehen konnte. Die Frau, die sie in der Wolke erblickt hatte, stand dort und in ihrer Hand hielt sie ein Messer, welches sie kurz zuvor in das Herz des Mannes gerammt hatte. Dieser sackte in diesem Moment zu Boden und rührte sich nicht mehr. Nadeya konnte kaum glauben, dass sie zu spät gekommen war. Wütend ging sie auf die Frau zu. Diese schien sie erst jetzt bemerkt zu haben und sah sie erschrocken an. Dann packte Nadeya sie am Arm und hielt sie ganz fest, sodass es der Frau weh tat. Nadeyas rote Augen funkelten die Frau an und während Nadeya begann, in dem Kopf der Frau nach einem Motiv zu suchen, sah diese sie ängstlich an. »Eifersucht also.«, stellte Nadeya fest. »Was wollen sie von mir?«, fragte die Frau. Nun grinste Nadeya sie an. »Du hast deinen Mann umgebracht, weil du dachtest er hätte eine Andere.« »Hatte er auch.«, warf die Frau sofort ein. Nadeyas Griff wurde nun stärker. »Nein, da muss ich dich enttäuschen, er war dir stets treu. Du hast einen Menschen getötet, der nichts getan hat.« Mit einem Mal staute sich viel Wut in Nadeya an. Sie hätte dem Mann das Leben retten können, wäre sie nur ein paar Sekunden früher gekommen. »Du hast jemanden getötet, weil du krank bist. Jemanden, der dich liebte und deine Eifersucht hingenommen hat. Soll ich dir sagen was du bist? Du bist gar nichts. Ich weiß, dass du immer große Stücke auf dich hälst. Aber du bist nur Abschaum. Eine kleine Made, die glaubt jemand zu sein.« Nadeyas Stimme klang voller Ekel. »Er hat es verdient.«, sagte die Frau. Nun fixierte Nadeya sie mit ihrem Blick. »Er hat es also verdient?«, sagte sie hellhörig. »Du glaubst also, du hast das Recht über Tod und Leben zu entscheiden. Du gehst leichtfertig mit dem Leben anderer um. Nun werde ich dir einmal zeigen, was du verdient hast.«, sagte Nadeya voller Wut. Die Frau begann zu zittern. Nadeya konzentrierte sich nun voll auf die Frau und sah tief in ihre Augen. Immer stärker begannen Nadeyas Augen zu funkeln. Dann stieß die Frau plötzlich einen Schmerzensschrei aus. »Ich sage dir jetzt, was du tun wirst. Du gehst zur Polizei und wirst dich stellen. Du wirst ins Gefängnis gehen. Sie werden dich in das dunkelste Loch stecken, das du je gesehen hast und du wirst einverstanden sein. Du wirst Hilfe angeboten bekommen und wirst sie ablehnen. Dies ist die Strafe die dir auferlegt wird. Solltest du dich weigern, meinen Anweisungen zu folgen, wirst du die schlimmsten Schmerzen in deinem Kopf verspüren, die du dir vorstellen kannst. Du wirst denken, dein Kopf brennt. Die Schmerzen werden Tage bleiben. Sie können dich nicht töten, nur fürchterlich leiden lassen.« Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, ließ Nadeya die Frau los. Als sie sich umdrehte und weg ging, hielt sie über der Leiche des Mannes noch eine Weile inne. »Mel antheona.«, sagte sie leise. Verzeiht mir, war die Übersetzung der Worte. Dann drehte Nadeya sich noch einmal zu der Frau um. »Sollte ich erfahren, dass du meine Anwesenheit irgendjemandem erzählt hast, werde ich wieder kommen. Darüber solltest du dir im klaren sein.« Die Frau sah sie nur entsetzt an. Dann verließ Nadeya die Wohnung, stieg die Treppe hinab und verschwand wieder in der Dunkelheit. 10 Nachdem sie sich wieder in der Unterwelt befand, suchte sie direkt Alrons Gemächer auf. Wütend trat sie herein und sah ihn an. Erschrocken fuhr er herum und stand von seinem Stuhl auf. Alrons Gemächer ähnelten eher einer Bücherrei, als einem Schlafgemach. Er beschäftigte sich schon ewig mit der schwarzen Kunde der Magie und dem Brauen von Tränken. »Schwester.«, sagte er nur gelangweilt. »Was führt dich her?« Nun wurde Nadeya noch wütender. Sie ging zu ihm und packte ihn am Kragen. »Wegen dir, ist jemand gestorben. Du hättest dich mir nicht in den Weg stellen sollen, Alron. Du solltest mich nicht verärgern.« »Was solltest du mir schon antun?«, fragte er ruhig. Nadeya bewegte ihren Kopf zu seinem Ohr und begann zu flüstern. »Wenn du noch einmal versucht, mich aufzuhalten, wird dir schlimmeres passieren als eine kurzzeitige Starre. Ich werde dir weh tun, Alron. Du wirst mich nicht daran hindern Gutes zu tun. Eine kleine Marionette wie du, kann sich mir nicht in den Weg stellen.« Als sie wieder in Alron Gesicht sah, glaubte sie ein wenig Angst darin zu erkennen. Dann drehte sie sich um und ging davon. 11 Alron wusste nicht ganz wie ihm geschah, nachdem Nadeya seine Gemächer verlassen hatte. Ihm war schon immer klar, dass seine Schwester eine starke Person war, die sich von nichts so leicht abbringen ließ. Dafür hatte er sie oft beneidet. Er wurde immer als Schwächling gesehen. Dies sollte jetzt jedoch vorbei sein. Alron warf sich seine Robe um und machte sich auf den Weg zum Thronsaal. Dort angekommen, schien sein Vater schon auf ihn zu warten. Erwartungsvoll erhob er sich von seinem Thron und ging auf Alron zu. »Was gibt es neues, mein Sohn?«, fragte er neugierig. Alron zögerte einen Moment. »Ich konnte ihr Vertrauen nicht gewinnen. In dieser Nacht war sie erneut an der Oberfläche, Vater.« Der Gesichtsausdruck des Königs änderte sich in diesem Moment. Er sah wütend und enttäuscht zu Alron. »Ich konnte sie nicht aufhalten, sie hat mich in eine Starre versetzt.«, erklärte er. Dann kniete Alron nieder und bat um Vergebung. Gaterion zog ihn hoch und als sie wieder auf der selben Augenhöhe waren, verpasste er seinem Sohn eine Ohrfeige. »Du dämlicher Dummkopf. Wofür hast du die Gabe des Eises, wenn du sie nicht benutzt, du Narr? Womit habe ich einen solchen Sohn verdient. Du hast mich sehr enttäuscht. Du bist zu schwach für diese Aufgabe. Ich hätte es wissen müssen. Alron, du wirst nie die Stärke besitzen, ein guter König zu werden. Niemals.« Die Worte seines Vaters trafen Alron schwer und er stand kurz davor zu weinen, hätte er nicht einen Trumpf im Ärmel gehabt. Alron sah seinem Vater ins Gesicht und versuchte sich wieder zu fangen. »Du solltest nicht vorschnell urteilen, Vater.«, sagte er nach einer Weile. Erstaunt über die Worte Alrons, sah Gaterion ihn an. »Nun bin ich aber gespannt.«, sagte er nach einer Weile, während er Alron neugierig ansah. Alron begann zu grinsen. »Es gibt etwas, dass Nadeya besitzt. Sie benutzt es, um zu erfahren, wenn Unrecht geschieht.« Gaterion sah ihn nun überrascht und zufrieden zugleich an. »Ohne dieses etwas wäre sie also vollkommen hilflos?«, fragte er seinen Sohn. »Ich habe nachgeforscht und die Antwort auf deine Frage lautet ja. Ohne dieses Ding würde sie nicht mehr wissen, wo etwas geschieht.«, erwiderte Alron. Gaterion setzte sich wieder auf seinen Thron und faltete seine Hände ineinander. Dann begann er laut zu lachen. »So soll es also sein. Du wirst dich darum kümmern, Alron.« Zufrieden sah Alron ihn an, dann drehte er sich um und verließ den Thronsaal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)