Kälte von Verona-mira ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Shiho Miyano alias Sherry arbeitete hoch konzentriert. Sie machte schon wieder Überstunden. Sie wusste, dass sie eigentlich schon lange zu Hause sein konnte, sie wusste, dass sie den Schlaf brauchen konnte, aber…es gab eine Sache, die sie daran hinderte zu gehen. Gin war nicht da. Er kam normalerweise immer um sie abzuholen. Wieso wusste sie nicht, aber heute war er noch nicht gekommen. Und aus irgendwelchen Gründen, war Vermouth in Japan. Sie wusste, dass diese Frau sie hasste, aber sie hatte keine Ahnung, warum die Blonde es tat. Sie hatte aber eine gewisse Ahnung, was diese Frau tun würde, wenn sie ihr auf dem Heimweg begegnen würde. Zumindest wenn Gin sie nicht begleitete. Ein Schauer kroch über ihre Wirbelsäule. Wieso hatte sie eigentlich vor Gin, der einer der gefürchtetsten Männer der Organisation war, weniger Angst, als vor Vermouth? Weil sie Anokatas Liebling war und ihr fast alle Männer, unteranderem auch ein Scharfschütze, hinter her liefen? Weil dieser Scharfschützte sie erschießen könnte, um bei dieser Frau Eindruck zu schinden? Weil Gin bisher noch keine Anstalten gemacht hatte, ihr zu schaden? Weil sie sich bei Gin merkwürdig sicher fühlte? Sie tippte die neuste Berechnung in den Laptop ein und speicherte die Datei ab, ehe sie das Gerät abschaltete. „Arbeitest du wieder bis zum Umfallen, Sherry?“, flüsterte eine raue Stimme nahe an ihrem Ohr, während zwei behandschuhte Hände wie aus dem nichts hinter ihr hervor schossen und sich auf die Tischplatte legten. Shiho schrie vor Schreck auf und fuhr herum. Wollte sie zumindest, aber die Arme schränkten ihre Bewegungsfreiheit ein und der Körper, der hinter ihr stand, tat sein übriges, um sie an ihrem Platz zu halten. „Oh, warst du so versunken in deine Arbeit, dass du mich nicht bemerkt hast?“, wurde gehaucht, „Dabei solltest du doch wissen, dass ich dich abhole.“ Shiho zwang sich, ihren Atem zu kontrollieren und versuchte sich zu beruhigen. Ihr Herz schlug gerade so schnell, dass es fast schmerzte, aber nun, wo sie sich darauf konzentrierte, konnte sie den kalten Rauch der Zigaretten wahr nehmen, der immer an dem Killer zu haften schien, zusammen mit einem weiteren Geruch, den sie nicht definieren konnte, der wohl eine Mischung aus seinem Rasierwasser, seinem Haarwaschmittel und seinem Duschgel war oder was immer er benutzte. „Sherry, Sherry…immer so versunken in deine Arbeit.“, wisperte es und der Körper entfernte sich etwas, wodurch sich die Wissenschaftlerin umdrehen konnte. Gin stand nun knapp einen halben Meter von ihr entfernt. Er trug seine üblichen Sachen. Den langen Mantel und diesen Hut. Sie schaffte es, sich endgültig zu beruhigen. „Warum kommst du jetzt erst?“, wollte sie wissen, „Du kommst doch sonst immer gegen neun?“ Der Angesprochene schwieg kurz, ehe er antwortete. „Vermouth hat genervt. Genervt und nicht gemerkt, dass sie das FBI im Nacken hatte. Ich musste dieses Problem…auflösen und dann diese Nervensäge noch abschütteln. Wenn sie nicht der Liebling vom Boss wäre, hätte ich sie von dieser verdammten Brücke geschmissen, damit sich ihr Geist mal klärt. Kaltes Wasser soll da ja angeblich Wunder wirken.“, zum Ende hin, knurrte er eigentlich mehr, als das er sprach. „Aha…“, Shiho schwieg kurz. „Ich hole noch kurz meine Jacke, dann können wir gehen.“, meinte sie schließlich und räumte schnell den Rest weg. „Ich warte im Gang.“, kam es von dem Langhaarigen. Sie hörte, wie die Tür sich schloss. Sie wartete wenige Sekunden, dann beeilte sie sich umso schneller, fertig zu werden. Man sollte diesen Mann nicht warten lassen. Dafür konnte er zu gefährlich werden, wen er wollte. Allerdings kam sie nicht drum herum, sich wieder an diesen markanten Geruch zu erinnern, der außer dem kalten Rauch, der von seiner Sucht zeugte, noch vorhanden gewesen war. Wovon er wohl stammte? Sie schüttelte den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen und griff nach der Jacke. Gin stand im Gang. Allerdings direkt vor dem Ausgang. Und er starrte in die Finsternis. „Gin?“, fragte sie vorsichtig, „Ich hätte alles.“ Der Kopf schoss zu ihr herum und diese grünen Augen fixierten sie. Diese Kälte in ihnen sprang auf ihren Körper über. Ihr wurde kalt. Sehr kalt. Dann verschwand die Kälte in den Augen und ein neutraler Ausdruck blieb zurück. „Komm mit. Mein Wagen steht auf dem Parkplatz.“, meinte er. Seine Stimm klang genauso neutral, wie sein Blick es war. Neutral und distanziert. Obwohl sie nicht mehr von seinem Blick festgenagelt wurde, musste sie sich zwingen, ihm zu folgen. Als der erste Schritt getan war, erwachte ihr Körper aus der Starre. Sie hatte nun eine vage Ahnung, wie sich die Menschen fühlten, die von diesem Blick fixiert wurden und wussten, dass sie sterben würden. Sie hoffte wirklich, dass sich dieser Blick nie im Ernst auf sie richten würde. Als sie Gin zu seinem Porsche folgte, hing sie wieder ihren Gedanken nach. Einige glaubten ja, dass die Augen die Spiegel der Seele waren. Dieser kalte Blick von ihm…war das nur eine Maske oder war seine Seele ebenfalls so kalt? War er deswegen so gefürchtet? Weil seine Seele erfroren war und er nichts mehr fühlen konnte was mit Wärme und Liebe zu tun hatte? Ihre Eingeweide schienen plötzlich zu Eis zu werden. Wäre sie auch so geworden, wenn sie es nicht geschafft hätte, den Kontakt zu Akemi zu halten? Sie betrachtete Gins Haare, die sich leicht im kühlen Nachtwind bewegten. Dieser Mann war furchteinflößend, das stand fest. Nur er konnte als Mann diese Frisur tragen und dennoch keine Spuren hinterlassen. Die Fahrt war schweigend verlaufen und auch einen Abschied gab es nicht. In ihrer Wohnung streckte sich Shiho ausgiebig. Sie würde sich die Zähne putzten und dann gleich schlafen gehen. Das Telefon klingelte. Überrascht ging sie ran. Wer rief sie denn bitte um elf Uhr abends noch an? „Ja, Shiho Miyano?“, fragte sie. „Shiho? Gott, endlich bist du zu Hause! Ich dachte schon, ich erreiche dich nicht mehr!“, ertönte die Stimme ihrer Schwester aus dem Hörer. Vergessen war das Bedürfnis nach Schlaf. Bis weit nach Mitternacht unterhielt sie sich mit Akemi, ehe sie schlafen ging. Kurz bevor sie einschlief, kam ihr noch einmal der kalte Blick ins Gedächtnis, mit dem Gin sie fixiert hatte. Gott, sie wollte wirklich nicht vor ihm stehen, mit diesem Blick auf sich und wissen, dass sie sterben würde. Und sie bete dafür, dass Akemi es auch nie erleben würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)