Kodomo no Hi von Ninjagirl (Fünf HnG-Übersetzungen) ================================================================================ Kapitel 1: Schachmatt --------------------- Es ist Teil von Shindos Plan, dass sie neue Dinge probieren, etwas anderes als Go - was eigentlich bedeutet, dass es sein Plan ist, Akira so schlecht wie möglich dastehen zu lassen. Bisher beinhaltete dieser Plan Bowling (Akira brach sich fast das Handgelenk und musste es drei Tage lang in einer Schlinge ruhigstellen), Karaoke (sogar Shindo hatte im Nachhinein zugeben müssen, dass Akira ums Verrecken nicht singen konnte), Basketball (er kam nur einmal in die Nähe des Korbes und das bloß, nachdem er aus Versehen den Ball gegen Shindos Kopf gespielt hatte), einige kampfbasierte Videospiele (sein Charakter brauchte genau drei Sekunden, bis er tot war) und Rollschuhlaufen (das Ergebnis war zu schrecklich um es zu beschreiben). "Okay, also du versagst in jeglichen Sportarten", sagt Shindo. "Und Videospielen. Und Musik. Und Bowling, was eigentlich unmöglich sein sollte." Er schüttelt seinen Kopf und meint: "Schon okay. Ich denke mir was anderes aus." "Mir wäre es lieber, das würdest du nicht tun", erklärt Akira ihm, mit dem innigen Wunsch, er könnte einfach nach Hause gehen. "Nein, ernsthaft, ich... ooh, warte, ich habe die beste Idee überhaupt, warte eine Sekunde." Bevor Akira ihn aufhalten kann, donnert er aus seinem Zimmer und die Treppen hinunter, während er nach seiner Mutter ruft. Er kehrt fünfzehn Minuten später mit einer staubigen Box zurück. Akira betrachtet sie vorsichtig. "Was ist das?" will er wissen und fragt sich, welcher neuen Demütigung Shindo ihn nun unterziehen möchte. "Bloß die beste Idee aller Zeiten", sagt Shindo stolz, stellt die Box ab, wobei er etwas Staub aufwirbelt, und öffnet sie dann. Akira blinzelt. "Schach?" Shindo strahlt. "Ich wusste, dass mein Vater es noch irgendwo rumliegen hat. Dafür brauchst du keine große Koordination. Oder eine gute Singstimme. Oder sonstwas. Du brauchst nur Dinge über ein Brett bewegen. Darin bist du gut." "Ich werde so tun, als hättest du mich nicht gerade beleidigt", sagt Akira mit einem Seufzen. "Weißt du überhaupt, wie man Schach spielt?" "Brett. Figuren. Wie schwer kann es schon sein?" sagt Shindo munter. Akira denkt an all die jämmerlichen, tristen Momente die er in den letzten Wochen erleiden musste und den endlosen Strom an Unterhaltung, den Shindo dadurch hatte, der manchmal so sehr gelacht hatte, dass er nicht mehr stehen konnte. Er bevorzugt immer noch Go, aber... Akira lächelt. "Ich werde dich vernichten." Kapitel 2: Ready, steady, Go ---------------------------- Shindo war unter den Insei nahezu berüchtigt für seine Wortwitz-Shirts mit der Zahl Fünf, die Go bedeutete. Irgendwie kam der Junge zu den Insei Stunden immer mit etwas an die Fünf erinnerndes auf seinem Shirt – ob es die Nummer selbst fett aufgedruckt hatte oder einer Reihe von fünf Herzschlägen auf einer EKG Kurve. Die Fünf war auf allem was er hatte und in der Konsequenz war Go überall, wo Shindo hinging. Demnach war es keine Überraschung dass die anderen Insei zu seinem Geburtstag einen logischen Schritt weitergingen und Shindo war schon völlig vorbereitet sich über ihr Können im Finden mit Sachen mit Fünfen darauf zu freuen, besonders nach den Geschenken vom letzten Jahr. Er hatte noch immer die Nummer Fünf Sonnenbrille und die Zählbausteine irgendwo in seinem Zimmer. Sie gingen in einen ihrer Lieblingsläden – eine Karaokebar nahe dem Bahnhof Ichigaya und er hatte darüber gescherzt, wie seine Ausbeute auf Isumi wirken musste. Nase hatte ihm vorher geschrieben, dass sie Iijima mitschleifen würde und Waya war dabei, eine Playliste zu programmieren. Er hatte bereits Snacks und Getränke bestellt und darauf geachtet, dass es die Lieblingsspeisen seiner Freunde waren. „Also, wen hast du noch eingeladen?“ „Äh, ich hab Touya gefragt ob er kommen würde, aber –“ Shindo zuckte mit den Schultern bei der Erinnerung an die unverbindliche Antwort vom Vortag. Waya schnaubte. „Touya gibt wahrscheinlich gerade eine Lehrstunde.“ „Jap“, sagte Shindo. „Ich glaube, ich habe ihn verschreckt als ich meinte dieses Jahr würden wir Karaoke singen.“ „Hey, das Speed Go Turnier vom letzten Jahr war toll, bis ihr angefangen habt, euch mit den Deckeln der Goke zu bewerfen und die Hölle ausgebrochen ist. „Erinner‘ mich nicht daran. Besonders als Ichikawa-san noch Ogata-san anrufen musste, damit er uns verschreckt.“ „Trotzdem, es war eine nette Feier, naja, bis zum Goke Frisbee“, mischte sich Isumi ein. In dem Moment sahen sie Nase, die ihnen durch die Glasscheibe der Tür zuwinkte. Sie öffnete die Tür und sagte: „Also das ist die ‚Wir wurden im letzten Jahr aus dem Go-Salon des Meijin geworfen und feiern dieses Jahr stattdessen beim Karaoke‘-Party?“ „Klar, klar, nenn es so wenn du willst.“ „Honda und die anderen sind auch draußen. Und hier ist jemand, der fast nicht gekommen wäre, bis ich ihn gezwungen habe.“ Iijima war etwas rot um die Ohren als er die Leute im Raum begrüßte. Waya warf Isumi einen bedeutungsvollen Blick zu und dieser reckte einen Daumen in die Höhe, den Nase lachend wegschlug. Die anderen traten ein bevor sie das Mädchen weiter aufziehen konnten und Waya reichte Honda das Mikro genau als ein Lied von dessen Lieblingspopgruppe an die Reihe kam. Eineinhalb Stunden später spürte Shindo sein Handy vibrieren und klappte es auf. Du sagtest es ist die Karaokebar einen Block vom Ichigaya Bahnhof entfernt? Er schrieb zurück: Jep. Kommst du? Touyas Antwort folgte sofort. Kannst du rauskommen? Er entschuldigte sich und verließ den Raum. Seine Suche dauerte etwas, aber schließlich entdeckte er Touya, auf einer der verschlissenen Couches im Wartebereich sitzend. „Touya!“ begrüßte er ihn, seine Stimme etwas lauter als gewollt. Der andere Junge hob eine Hand zum Gruß, verlagerte unbehaglich sein Gewicht auf der Sitzfläche. „Warum schließt du dich uns nicht an? Du weißt in welchem Raum wir sind.” „Karaoke ist nicht wirklich mein Ding.“ „Ochi wirkt nicht so, aber er singt tolle Sentai. Wusstest du, dass er Fan von Kamen Rider ist? Komm schon.“ „Nein, ehrlich. Ich würde keines der Lieder kennen.“ „Man, Touya, warum kommst du in eine Karaokebar, wenn du nicht mit uns singen willst?” Der andere Junge deutete bloß auf die Einkaufstüte zu seinen Füßen. „Ich bin nur vorbeigekommen um, äh… Hallo zu sagen und dir das hier zu geben.“ „Woah. Danke, Touya. Macht es dir was aus, wenn ich es jetzt öffne?” Touya schüttelte den Kopf, also schritt Shindo zur Tat. Er machte kurzen Prozess mit dem blau gestreiften Geschenkpapier und merkte an: „Hat Ashiwara-san dir beim Einpacken geholfen?“ Keine Antwort und als Shindo aufsah, bemerkte er, dass Touya überall hin schaute außer zu ihm. „Touya?“ „Ich bin nicht wirklich gut im Geschenke kaufen, also…“ „Das hier ist kein magnetisches Goban um das zu ersetzen, das du vor ein paar Tagen auf mich geworfen hast, oder?“ fragte er argwöhnisch. „Das habe ich wirklich fast gekauft“, gab Touya zu. Shindo lachte. Die kleine Schachtel sah jedenfalls nicht aus als passe ein Goban hinein. Was auch immer darin war, es war weich. Das Shirt war weiß und es waren drei Worte in den Grundfarben darauf. „Ready, steady, go?“ las Shindo den Text vor. „Es hat irgendwie, äh, Go-Bezug? Ready, steady, Go?“ Shindo lachte. „Verstehe, verstehe. Danke, Touya. Und jetzt komm, die Party wartet.” „Nein, wirklich.“ „Doch, wirklich.“ Dieses Mal nahm Shindo eine von Touyas Händen. „Es wird okay sein. Ich bin froh, dass du gekommen bist und das ist alles, woran du denken brauchst.“ Er war etwas rot als Shindo ihn in den für sie reservierten Raum zog. Waya reckte ihm grinsend einen Daumen entgegen. Shindo ging zu Waya und verpasste ihm eine Kopfnuss, wobei er Touyas Finger mit einem letzten bleibenden Druck streifte. Touya lächelte höflich als Shindo augenblicklich das Mikro nahm und anfing, ein J-Rock Lied mit mehr Enthusiasmus als Können zu singen. Er hielt seine Hand geschlossen in dem Versuch, die Wärme von Shindos letzter Berührung festzuhalten. Kapitel 3: Die Mode Gottes -------------------------- Akira war es gewöhnt, dass er und Shindo sich wegen ihrer gemeinsamen Spiele gegenseitig auseinandernahmen, aber er hatte ehrlich nie erwartet, dass Shindo von seinen Klamotten anfangen würde. „Also echt, Touya, dieser blaue Anzug lässt dich wie einen Büroangestellten aussehen. „Selbst wenn er das täte, was geht es dich an? Shindo stützte die Hände auf die Hüften. „Du bist ein Pro; du solltest auch aussehen wie einer. Ogata-san hat Geschmack. Sogar dein Vater hat Geschmack. Ich kann es nicht haben, wenn mein Rivale aussieht, als wüsste er nicht, wie man sich anzieht.“ Akiras Verwirrung wurde langsam von seiner Entrüstung übertroffen. „Du solltest den Ball mal flach halten, immerhin kommst du zu deinen Spielen im T-Shirt!“ „Hey, die zeigen eine Menge Geschmack!“ Akira lehnte sich mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck zurück. „Selbst wenn sie das täten, warum denkst du, du würdest auch beim Aussuchen formeller Kleidung Geschmack beweisen?“ Shindo funkelte ihn an. „Ich wette, das könnte ich.“ „Du hast das noch nie gemacht.“ „Ich könnte!“ „Beweis es!“ Ihre Nasen berührten sich fast als sie sich über den Tisch lehnten. „Wie du willst.“ Als Shindo aus dem Go-Salon stampfte und Akira ihm hinterher stolzierte hörte er Ichikawa-san seufzen: „Ich dachte, dafür seien sie langsam zu alt.“ Er konnte sich nicht vorstellen, warum sie so etwas denken würde; nicht solange Shindo immer noch Shindo war. ~ Akira wedelte mit einer Hand in Richtung einer Kleiderstange voll schlichter Anzüge. „Also. Versuch dein Glück. Finde etwas Geschmackvolles.” Er sprach die letzten Worte aus als seien sie mit einer Sauce überzogen, die er nicht mochte. Shindo schnaubte. „Nichts leichter als das.“ Er steuerte auf die erste Kleiderstange in seiner Nähe zu und begann, schnell durch die Jacketts zu blättern. Akira war nicht überrascht, als sich ihnen ein Angestellter näherte; er selbst hätte auch versucht, Shindo von den Waren fernzuhalten. „Kann ich den Herren helfen?“ „Ah, wir sind bloß…“ setzte Akira an, nur um von einem Jackett, das auf dem Angestellten landete, unterbrochen zu werden. „Jap, nimm das mit. Oh, und dieses hier und diese Hose.“ Zwei weitere Kleidungsstücke wurden über den Arm des Verkäufers geworfen. „Die Klamotten müssen zur Umkleide, wären Sie so nett? Danke.“ Akira und der Angestellte starrten ihm beide überrascht nach als Shindo zur nächsten Kleiderstange trottete. Er hielt an und sah zurück. „Und? Worauf wartest du, Touya? Probier sie an.” „Wenn Sie mir folgen würden, bitte”, murmelte Akira, etwas benommen, zu dem Verkäufer, mit einem Blick auf Shindo, welcher sich effizient durch ein Regal mit Hemden wühlte. ~ Akira stand vor dem Spiegel, zog an den Manschetten des Oberteils. „Schwarzer Anzug, weißes Hemd… Shindo, ich seh aus als ob ich zu einer Beerdigung gehe.“ „Ah, das war erst der Anfang. Hier, versuch diese Krawatte.“ Akira beäugte die besagte Krawatte resigniert und band sie geübt um. Shindo kniff die Augen zusammen, betrachtete das Ergebnis und machte nachdenkliche Geräusche. „Nee, falsches Jackett, daran liegt es. Versuch das andere. Und das graue Hemd.” ~ „Ganz in schwarz?“ „Warum nicht? Ogata-sensei trägt komplett weiß.“ „Es ist Ogata-sensei! Er ist… er ist größer.“ „Was? Ich wette du würdest auch gut aussehen ganz in weiß. Warte kurz!“ Akira rieb sich über die Stirn als Shindo wieder auf die Kleiderständer zu hielt. ~ „Oh ja, das ist genau das Richtige!” Akira runzelte die Stirn. „Shindo, das wird langsam zu leger.“ „Nein, wird es nicht. Ich hab dir gesagt, das ist geschmackvoll. Du brauchst auf jeden Fall ein Shirt mit Stehkragen. Es ist perfekt.“ „Jetzt gehe ich also auf eine legere Beerdigung“, sagte Akira trocken und begutachtete die schwarze Hose und das schwarze Jackett. „Sicher nicht mit einem blauen Hemd. Vertrau mir.“ Akira warf dem Freund einen düsteren Blick zu. „Wenn du mich bei meinen offiziellen Spielen zur Lachnummer machst bringe ich dich zur Strecke.“ Shindo seufzte ausgiebig, lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme. „Touya, du wirst gut aussehen. Du brauchst jedes bisschen Schneid, das du gegen Leute wie Ogata-sensei haben kannst, richtig? Das hier kannst du nutzen. Nutze es!“ Er brummte in sich hinein: „Ogata-sensei tut das jedenfalls.” Seltsamerweise fühlte Akira sich dadurch besser. „Okay, gut. Ich nehme das hier und ein paar Hemden. Zufrieden?“ „Klar!“ Shindo richtete sich grinsend auf. „Jetzt müssen wir nur noch in die Freizeitabteilung für ein paar T-Shirts. Und vielleicht Rollkragenpullover. Und Jeans, Touya, du brauchst wirklich ein paar Jeans. Du siehst aus wie ein Banker, auch wenn du nicht in einem Anzug steckst.“ Als Akira zur nächsten Abteilung gezerrt wurde dachte er wehmütig an die alten Zeiten, als Shindo und er sich bei jedem Zusammentreffen gestritten hatten. Es war alles viel einfacher gewesen. „Dunkelgraue Jeans, perfekt! Versuch diese hier an, Touya.” So viel einfacher. Kapitel 4: Von Erdbeeren, Schuhen und dem allmählichen Verlust des Verstandes ----------------------------------------------------------------------------- Es ist tatsächlich etwas krank, wie viele Male am Tag er an Shindo denkt. Er hat sich mehr oder weniger mit der Tatsache abgefunden, dass er komplett seinen Verstand verloren hat – er hat nie wirklich an irgendetwas anderes als Go und manchmal Hausaufgaben gedacht – aber langsam ist er an einem Punkt angelangt, an dem es lächerlich ist. An Beziehungen hat er wenn überhaupt jemals dann nur sehr vage gedacht und er hat immer damit gerechnet, ein ruhiges Mädchen zu heiraten, das guten Tee macht und weiß, wie man sich unaufdringlich verhält. Stattdessen ist er an den unkultivierten, ungebildeten Shindo geraten, der sich wie ein Clown aufführt und dessen Shirts mindestens so laut und auffällig wie seine Stimme sind. Und auf einmal denkt er die ganze Zeit an Shindo und seine dämlichen Shirts (und manchmal vielleicht auch an das, was darunter liegt, aber das verleugnet er noch zum Großteil). Er ist so damit beschäftigt, an Shindo zu denken, dass er sogar ein Spiel gegen ihn verliert – obwohl das wenigstens teilweise der Tatsache geschuldet ist, dass Shindo schmutzig spielt indem er beim Ankommen wie ein Erdbeerkuchen riecht, oder irgendwas ähnlich lächerliches (als er eine Frage darüber herausstottert, lacht Shindo nur verlegen und erzählt ihm, sein Duschgel sei alle und er habe das seiner Mutter geliehen. Danach ist Touya in unpassendsten Momenten mit mentalen Bildern von Shindo unter der Dusche geschlagen, was nichtmal im Ansatz interessant sein sollte, ihn allerdings in Rotschattierungen aufflammen lässt, die er vorher noch nichtmal gesehen hatte. Shindo fragt ihn ob er Fieber hätte und daraufhin wirft er ein Goke auf ihn in dem verzweifelten Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen). Das Schlimmste ist, dass er absolut niemanden kennt, dem er sich anvertrauen könnte. Er hat gehört, dass Probleme einfacher erscheinen, wenn man sie mit jemandem teilen kann, aber ihm fällt einfach niemand ein, den er mit Shindo und seinen Shirts und seinem verdammten Erdbeer Duschgel belasten will. Er kann sich nur (mit äußerstem Grauen) vorstellen, wie ein Gespräch verlaufen würde, wenn er mit einem seiner Elternteile sprechen würde oder schlimmer, mit Ogata-san. Fast erzählt er es Ashiwara-san in einem Augenblick der Schwäche; sie sitzen auf einer Bank in einer Hotellobby in einer Pause bei einer Go-Convention. "Ich habe nachgedacht", sagt Akira langsam. "Über was, Akira-kun?" fragt Ashiwara-san munter. "Ashiwara-san", sagt er. "Warst du jemals..." Ihm fehlen nie die Worte, aber er hat keine Ahnung, wie er weiterreden soll ohne sich für alle Ewigkeiten in Ashiwara-sans Augen zu erniedrigen. Ihm wird klar, dass es absolut keinen Weg gibt, dass das möglich wäre und so sucht er verzweifelt nach einem Übergang zu einem anderen Thema. "Weißt du", sagt er, starrt auf seine Füße und wünscht sich, dass er nie davon angefangen hätte, "meine Schuhe sollen wieder glänzen. Oder ich brauche neue. Sie sehen etwas abgenutzt aus, oder?" Seine Schuhe sind eigentlich brandneu, aber da ist ein Kratzer über einem der beiden – von dem Tag, als er neben Shindo lief, sehr stark versuchte, so auszusehen, als sehe er ihn nicht an und deshalb fast vom Bürgersteig fiel. Ashiwara-san ist für einige Momente stumm und überrascht, dann sagt er: "Oh, Akira-kun, willst du mit mir Schuhe kaufen gehen? Ich schätze, das macht sonst deine Mutter, oder? Sie ist eine Weile nicht mehr in Japan gewesen. Ich würde mich freuen, dir helfen zu können!" Akira wünscht sich, verschwinden zu können. "Das klingt super", murmelt er. "Danke, Ashiwara-san. Wirklich. Ich muss jetzt gehen." Er flüchtet ins Bad um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen und denkt ernsthaft darüber nach, ob es möglich ist, sich in einem Waschbecken zu ertränken. Am nächsten Tag riecht Shindo nicht mehr nach Erdbeeren und während das durchaus hilfreich für Akiras Konzentration ist, merkt er, dass er es auch irgendwie vermisst. Davon mal abgesehen schafft er es wenigstens, Shindo im Go vernichtend zu schlagen, was seine Hoffnung hebt, er könnte dieses kleine Problem irgendwann überwinden. Mit aller Würde, die er aufbringen kann, zeigt er Shindo genau auf, wo er Fehler gemacht hat und warum ihn das zu einem absoluten Schwachkopf macht. Anstatt zu schreien grinst Shindo und lehnt sich in seinem Stuhl zurück, Hände hinterm Kopf verschränkt, während ein Streifen Haut seines Bauches sichtbar wird. Touya spürt, wie er wieder rot wird. "Man, du hast Recht; das war ziemlich blöd", sagt Shindo ohne Umschweife. Er sieht ziemlich zufrieden mit sich selbst aus, was lächerlich ist, weil er gerade verloren hat. "Ich schätze, ich habe geglaubt, du würdest wieder nicht aufpassen heute." "Ich passe immer auf", schnauft Akira entrüstet. "Letzte Woche aber nicht", sagt Shindo zu ihm. "Tja, ich glaube, ich werde Mamas Duschgel wieder klauen oder so." Er grinst als er das sagt, als ob das ganz normal wäre. Akira gafft ihn an, dann explodiert er. "WOHER WEIßT DU DAVON?! SHINDO!" Shindo versucht – und scheitert daran – sein Lachen zu unterdrücken. "Was denn, hast du gedacht du warst diskret oder so?" "ICH KANN NICHT GLAUBEN, DASS DU SO ETWAS ÜBERHAUPT ANDEUTEST!" schreit er verzweifelt und springt aus seinem Platz auf in dem Versuch, seiner Entrüstung mehr Ausdruck zu verleihen. Shindo lacht noch immer leise als er von seinem Platz aufsteht. "Du bist so ein riesiger Idiot. Ich kann nicht glauben, dass ich je dachte, du hättest sie alle beisammen. Also als ich angefangen habe dich anzustarren, habe ich wenigstens sichergestellt, dass du es nicht bemerken würdest." Akira glotzt ihn an, sprachlos. "Hey, wie auch immer, jetzt ist dein Zug", meint Shindo weiter. "Aber lass mich wissen, wenn du das Starren satt hast und wir machen an der Stelle weiter." Kapitel 5: Eintausend Neonlichter --------------------------------- Touya denkt gerne, dass er seinen Rivalen ziemlich gut kennt. Nicht als wären sie beste Freunde oder etwas Vergleichbares, aber als seien sie Rivalen, was sie ja tatsächlich sind. Er weiß, dass Shindo Ramen gegenüber jedem anderen Essen den Vorzug gibt und keine zwei Tage ohne auskommt. Touya weiß, dass Shindos beste Freundin Akari ist, beunruhigenderweise – wobei der Name ihm schon einen Hinweis geben konnte – ein Mädchen. Er weiß, dass die meisten von Shindos Klamotten eine Nummer Fünf aufgedruckt haben, obwohl er nicht wirklich weiß warum. Touya weiß auch – oder besser kennt auswendig – die Form von Shindos Nase mit der kleinen Erhebung; eine Ermahnung an Shindos einzigen Sturz vom Klettergerüst. Es gibt nicht viele Dinge, die Touya Akira nicht über Shindo Hikaru weiß und er plant, das beizubehalten. ~ Touya ist nicht von Shindo besessen. Was der Grund ist, warum er, als Ogata ihn fragt warum er so besessen von Shindo ist, vorschlägt, dass Ogata einen Spaziergang macht. Nur nicht mit so vielen Worten und nicht so höflich. Später, als Touya von seiner Mutter einen Vortrag über die Feinheiten der Höflichkeit und den Gebrauch von Obszönitäten gehalten bekommt, sieht er Ogata ein süffisantes Grinsen hinter seiner Hand verstecken, als der sich gerade eine Zigarette anzündet, und er hasst ihn ein bisschen. Dann wird Ogata ernst und überzeugt die Mutter, dass Touya Meijin von so einem unwichtigen Zwischenfall nichts erfahren muss und Touya hasst ihn noch ein bisschen mehr – weil er nicht besessen ist – und schwört sich, seinen nicht-so-netten Onkelersatz eines Tages zu besiegen. ~ Touya weiß nicht viel über normale Teenager aber er ist zumindest sicher, dass normale Teenager ihre Freunde nicht so viel anfassen wie Waya es mit Shindo tut. Jedes Mal, das Touya sie zusammen sieht, berührt Waya Shindo auf irgendeine Art – einen Arm um Shindos Schulter drapiert, ein Klaps auf den Rücken, eine Faust im Gesicht – okay, die letzte Art ist nicht unbedingt netter Körperkontakt, aber es ist trotzdem eine Berührung. In diesem Moment presst Waya sich beharrlich gegen Shindos Seite bei dem Versuch, ihm das letzte Stück Sushi zu klauen. Touya ist fast sicher, dass Waya dies absichtlich macht. Und nach dem halb verletzten, halb entnervten Ausdruck auf Isumis Gesicht zu urteilen würde dieser wohl zustimmen. Touya versteht nicht einmal warum in aller Welt er mit diesen Menschen Zeit verbringt. Dann pausiert Shindo kurz den Ringkampf, dreht sich zu Touya und lächelt. Oh, liefert Touyas Hirn ab. Genau darum. ~ Ich habe eine Verabredung. Das ist Shindos Antwort als Touya ihn anruft um eine Erklärung zu verlangen, warum sie Freitagabend nicht Go spielen können. Touya denkt, Mit wem? Wie heißt sie und wo wohnt sie, dann kann ich Ogata zu ihrem Haus schicken um sich als dein gruseliger pädophiler Vater auszugeben und sie zu vergraulen, damit sie sich weit, weit entfernt von dir hält? Was er laut sagt ist: „Mit wem?“ „Irgendeinem Mädchen, mit dem Akari mich verkuppeln will.“ Wie viel widerwilligen Respekt Touya auch immer für Shindos beste Freundin hatte, er verlässt ihn so schnell wie es dauert auszuatmen. „Ich wünschte, ich müsste nicht hin, aber ich schulde Akari einen Gefallen, weil sie unser Naturwissenschaftsprojekt ganz alleine durchführen musste.“ Touya sagt nichts während stummer, ohnmächtiger Zorn in ihm brodelt. „Und Touya? Nur dass du es weißt, hätte ich die Wahl zwischen einem Date mit irgendeinem Mädchen und einer Partie Go mit dir, dann würde ich auf jeden Fall dich wählen.“ Touya legt auf und versucht nicht an die Tatsache zu denken, dass Shindo gesagt hat Ich würde auf jeden Fall dich wählen und nicht Ich würde auf jeden Fall eine Partie Go mit dir wählen. ~ Es ist Freitagabend, sechs Uhr und Shindo ist auf einer Verabredung. Mit einem Mädchen. Welches vermutlich süß ist, pink trägt, schöne Beine hat und Schmetterlinge und Hello Kitty mag. Touya trägt auch manchmal pink. Aber wenn er es tut, dann zeigt Shindo diesen entnervten Gesichtsausdruck und erklärt Touya, er sei seltsam. Allerdings mag Touya Akira weder Schmetterlinge noch Hello Kitty. Aber er könnte es, wenn er wollte. Er wurde schon ab und zu süß genannt, von Frauen im mittleren Alter und von Ichikawa-san. Was seine Beine angeht ist er nicht sicher. Er ist sich erst recht nicht sicher, warum er sich mit dem Mädchen vergleicht, mit dem Shindo heute ausgeht. Touya platziert seinen Go-Stein kräftiger als nötig und sein Gegner – sein Schüler – schrumpft in seinem Sitz zusammen. ~ Genau fünf Minuten nach sieben tritt Shindo Hikaru durch die Tür des Go-Salons. Er sieht aus als sei er den ganzen Weg von seinem Lieblingsramenstand durch die halbe Stadt gerannt und Touya fällt fast aus seinem Stuhl. Zu genau derselben Zeit ruft Yamaguchi Kyoko ihre Freundin Fujisaki Akari an um ihr zu erzählen, dass Shindo während ihres Treffens aus dem Laden gerannt ist und sie in den letzten fünfundvierzig Minuten versucht hatte, jeden einzelnen ihrer Freunde zu erreichen. Und das nur, weil sie die ersten fünfzehn Minuten nach Shindos Flucht damit verbrachte, in ihre Ramenschüssel zu weinen. Zurück im Go-Salon stolpert Touya halb und rennt halb auf Shindo zu und schlägt diesem ins Gesicht. „Du Idiot. Was machst du hier?” Als Shindo sich aufrichtet und sich die Wange hält spürt Touya einen Anflug von Bedauern. Dann schlägt Shindo Touya. Das Bedauern ist so schnell verflogen wie es gekommen war. Touya funkelt ihn vom Boden aus an und Shindo grinst frech zurück. „Hey Touya, ich schätze wir sind jetzt quitt, richtig?“ Touya stimmt widerwillig zu, nachdem ihm bewusst wird, dass Shindo nicht wirklich auf seinem Date gewesen war. Shindos Grinsen wird breiter. „Also, lass uns spielen!“ Touya schiebt Shindo aus dem Go-Salon und küsst ihn gegen eine Wand unter eintausend Neonlichtern. ~ Als Ogata ihn das nächste Mal fragt, warum er so besessen von Shindo ist, lächelt Touya. Glücklich erwidert er: „Wie geht es Ashiwara-san?“ Ogata lässt sein Feuerzeug fallen und Touya dreht auf dem Absatz um und geht. ~ Touya denkt gerne, dass er seinen Rivalen ziemlich gut kennt. Er weiß, wie Shindo auf seinem Bett aussieht; nackt, errötet und mit flachem Atem. Er kennt Shindos Körper so gut wie seinen eigenen; die Erhöhungen und Täler von Shindos Wirbelsäule, die hohle, dunkle Mulde hinter Shindos Knie und seinen Hals, die halbmondförmige Narbe in Shindos Nacken – eine weitere Erinnerung an den Klettergerüst-Zwischenfall. Touya kennt all diese Details. Er hat sie erst mit seinen, für Go-Spieler typisch verhärteten, Fingern nachgezeichnet und später mit seiner Zunge. Touya ist ziemlich sicher, dass er der Einzige ist, der weiß, bei welchen Berührungen sich Shindos Zehen zusammenrollen und er ist ziemlich sicher, der Einzige zu sein, der Shindo je Touya stöhnen hörte, jede Silbe genussvoll dehnend. Touya weiß, niemand anderes hat das Ah Geräusch gehört, das Shindo beim Höhepunkt macht, Augen halb geöffnet und Lippen geteilt. Touya glaubt, er ist der Einzige, der diese Dinge über Shindo weiß und er wird verdammt nochmal sichergehen, dass es so bleibt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)