Nachtgeschrei von Schreiberchen (Wenn die Maske dich verfolgt) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- ~Prolog~ Die Schreie umhüllten sie und das Lachen in ihrem Rücken schien immer näher zu kommen. Sie lief – nein sie rannte um ihr Leben. Wer war ihr Verfolger? Alles um sie herum war düster. Nichts war weder echt noch unecht. Es war nicht wirklich, aber auch nicht unwirklich. Die Straßen waren leer und schienen immer breiter zu werden, bis sie sich auf dem kalten und nassen Asphalt verlor. Ein maskiertes Gesicht hing auf dem Mond in voller Blüte. Das breite Grinsen lachte sie aus. Sie wusste, dass sie nicht flüchten konnte, denn sie wusste nicht wie. Kälte durchfuhr ihren Körper. Sie hatte schon längst die Orientierung verloren. Auf beiden Seiten waren Häuser mit leeren Fenstern. Das Lachen wurde immer lauter. Es war ohrenbetäubend. Ihre eigenen Schreie gellten durch die dunklen Wege. Die Straße wurde ausschließlich von dem kühlen Licht des Mondes erhellt. Ihr Hals schnürte sich zu, bis sie die Schreie nur noch hörte. Kamen sie überhaupt von ihr? Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Sie lief, aber sie schien sich nicht von der Stelle zu bewegen. Immer die gleiche Straße, dieselben Häuser und dieselben leeren Fenster – und der Mond mit seiner widerlichen Fratze. Sie sah ein weißes Licht am Ende der Straße. Sie lief und lief, aber kam nicht weiter. Das Licht kam aus einem Tunnel. Dort sah es warm aus, viel besser als hier. Sie wollte dorthin, doch es half nichts. Ein dunkler Mantel legte sich über den Mond und verdeckte die Maske. Es wurde dunkler, noch dunkler als zuvor. Sie blieb stehen. Ihre Füße fühlten sich an wie Blei. Sie machte keinen Schritt mehr. Es ging nicht. Sie wollte, aber es war, als wäre sie am Boden festgewachsen. Ein neues und noch helleres Lachen traf sie. Sie drehte sich um. Dort stand er. Ihr Verfolger. Die Person unter der Maske. Wer war es? Eine einzige Laterne flackerte auf und hüllte die dunkle Gestalt in kaltes grelles Licht. Sie spürte wie schwer sie atmete. Ihr Gegenüber grinste breit durch die Maske. Seine Augen waren nicht zu erkennen und er trug einen schweren schwarzen Mantel mit weiten Ärmeln. Er lachte noch einmal krank, sodass es ihr im Kopf wehtat. Ihr Blick heftete an seiner Maske. Sie war kreideweiß und hatte dunkle Ränder um die Löcher für die Augen. Er hatte eine Clowns Nase und der Mund war ein grinsendes schwarzes Loch. Er stand vollkommen still und beobachtete, wie sie zitterte. Erst als er seinen Kopf leicht zur Seite neigte, viel ihr Blick auf seine Hand, die in einen dunklen Handschuh gepackt war und in der er eine dünne silberne Klinge hielt. Kein einfaches Messer. Ein Skalpell. „Nun bleib doch endlich stehen.“ Lachte er schief. Wieder hörte sie einen markerschütternden Schrei in ihrem Kopf. Sie wollte weiterlaufen, doch es klappte nicht. Sie schaffte nur, ihre Hände in die gewünschte Richtung zu bewegen. Der Mann kicherte ein sehr verrückt wirkendes Kichern. „Du kannst mir ja eh nicht entkommen, mein Püppchen. Ich hab dich doch schon längst gefangen!“ er schrie diese kranken Worte schon fast und noch während er sie aussprach, flogen vier eiserne Ketten auf sie zu und griffen sie an den Gelenken ihrer Hände und Füße. Die eisernen Fesseln rissen sie vom Asphalt und ließen sie in der Luft hängen. Lachend trat er auf sie zu. Ihr Mund stand offen, wie als würde sie schreien, doch es kam kein Schrei mehr aus ihr heraus. Alles um sie herum erstarb und wurde schwarz, bis nichts mehr zu sehen war, nur die Maske blieb an ein un derselben Stelle und grinste sie böse an. Kapitel 1: #1# -------------- Kapitel 1 Lauf, wenn du kannst Stille lag in dem Zimmer, in dem Serafina auf ihrem Bett lag und an die Decke starrte, als wäre sie besonders spannend. Aber das war sie nicht, denn sie war einfach nur weiß. Nichts Besonderes. Einfach eine ganz normale langweilige weiße Zimmerdecke. Sie war schräg, weil Serafina unter dem Dach wohnte, aber das war es auch schon. Sie lag schon seit mindestens einer Stunde so da und ließ ihre blauen Augen die Zimmerdecke bewundern, wobei sie mit einer Hand an einer ihrer blonden Strähnen zwirbelte. Seit die Nachricht gekommen war, dass sich endlich jemand nettes um sie kümmern wollte, obwohl sie – laut Angaben der Erzieherinnen – nicht normal war, war sie nicht ansprechbar. Klar, sie hatte sich gefreut, aber der Auszug aus dem Waisenhaus würde bedeuten, ihr Zuhause zu verlassen, dass sie von ihrer frühsten Kindheit an bewohnt hatte. Serafina war direkt nach ihrer Geburt hergebracht worden, weil ihre Eltern sich nicht um sie kümmern konnten oder wollten, vielleicht waren sie auch einfach gestorben, so genau wusste das keiner. In dem Brief, der in dem Körbchen bei Serafina gelegen hatte, hatte nur dringestanden: „Gebt Serafina ein Zuhause und behandelt sie gut.“ So war es auch geschehen, obwohl manche von den Erzieherinnen sie für gruselig hielten, weil sie manchmal abnormale Dinge tat, aber was das für Dinge waren, wusste sie nicht. Mit den anderen Kindern verstand sie sich auch nicht. Die Jungen zogen ihr an den Haaren und die Mädchen zwickten sie in die Arme, warum, das war dem kleinen Mädchen auch unklar. Wohlmöglich taten die anderen Kinder das, weil sie keinen Schaden davontrug, zumindest keinen Körperlichen. Sie bekam keine blauen Flecken und selbst wenn sie sich selbst wehtat, sie sich also ritzte, dann verheilten die Wunden innerhalb von Minuten. Sie hatte keinen Grund, sich selbst Schmerzen zuzufügen, aber sie fand es interessant, dass die Narben nicht zu sehen waren. Um nachzusehen, ob das auch bei anderen Kindern so war, hatte sie sich einmal ein Messer aus der Küche geholt und ein kleines Mädchen, das sie am meisten geärgert hatte, am Handgelenk verletzt. Die Wunde war nicht wie gewünscht verheilt und das Mädchen musste mit dem Krankenwagen weggebracht werden. Sie kam nicht zurück. Aber gestorben war das Mädchen nicht, das hatte eine der Erzieherinnen versichert, wobei sie Serafina mit nervösem Blick angeguckt hatte. Eigentlich hatte Serafina ihre Sachen packen sollen, aber da gab es nicht wirklich viel zu packen. Sie hatte ja nur ein paar wenige Klamotten, die ihr fast schon zu klein waren. Und das abgetragene paar Schuhe, das ihr wiederum ein bisschen zu groß war, weil die Schuhe von einem älteren Kind stammten. Serafina gab sich aber auch damit zufrieden. Ansonsten besaß sie nur einen kleinen schwarzen Koffer und ein Buch, in dem sie eigentlich Tagebuch führen sollte – warum auch immer – aber das tat Serafina nicht. Weniger, weil sie nicht schreiben konnte, was sie natürlich schon konnte, sondern mehr, weil sie bemerkt hatte, dass die Erzieherinnen sich die Einträge durchlasen, wenn die Kinder gerade nicht im Zimmer waren. Alle besaßen so ein Buch und die meisten schrieben auch etwas hinein, nur Serafina fand, dass es niemanden etwas anging, was man fühlte oder dachte. „Serafina, bist du endlich fertig? Der nette Herr wartet auf dich.“ Miss Sunshine stand plötzlich vor ihr. Ihre Arme waren in die Hüften gestemmt. „Ich will nicht weg.“ Sagte Serafina leise, ohne die junge Frau anzusehen. „Die meisten Kinder freuen sich, wenn sie adoptiert werden.“ Meinte Miss Sunshine tadelnd und zog Serafina's Koffer unter dem Bett hervor, um für sie zu packen. Sie dachte höchst wahrscheinlich: „Je schneller das Kind weg ist, desto eher haben wir hier wieder ruhige Nerven.“ Jedenfalls sah es so aus, denn sie beeilte sich mit dem Einpacken. „So, jetzt steh aber auf und kämm dir die Haare.“ Forderte Miss Sunshine und hielt ihr die Haarbürste hin. Zaghaft stand die Achtjährige auf und nahm die Bürste, wobei Miss Sunshine ihre Hand schnell wegzog, als sie Serafina's kühle Haut berührte. So war es immer - als wäre sie krank. Serafina schritt vor den Spiegel, der an der Tür hing. Sie musterte sich. Am Morgen hatte man sie gezwungen, ihr schwarz-weißes Sonntagskleidchen anzuziehen, das über und über mit Spitzen und Rüschen versehen war. Wortlos und ziemlich langsam kämmte sie sich die langen blonden Haare, solange, bis Miss Sunshine ihr die Bürste wieder wegnahm und ihr stattdessen den kleinen Koffer in die Hand drückte. In der Eingangshalle hatten sich die Kinder und die Erzieherinnen versammelt. Die Kinder sahen den Mann, der in der Nähe der Haustür stand, einfach nur an und tuschelten leise, bi Miss Sunshine zusammen mit Serafina die Treppe runterkam. Der Mann trug einen teuren schwarzen Manktel und einen Hut. Sah also recht elegtant aus. Ein bisschen neidisch wirkten sie, dass ausgerechnet Serafina, das gruselige Mädchen, einen reichen Papa bekam. Vom Fenster aus, konnte man die englische schwarze Limousine sehen, die auf der Straße geparkt war. Als Serafina den Kopf hob und den Mann ansah, huschte diesem ein kurzes Grinsen übers Gesicht, das aber schnell wieder verflog, als Miss Sunshine und Serafina näher kamen. Der Mann war groß und schlank. Seine Haare waren schwarz und er trug eine Brille vor seinen dunklen - fast schwarzen - Augen. Er war noch jung. „Na, meine Kleine?“ er beugte sich runter und nahm Serafina den Koffer ab. Serafina wich einen kleinen Schritt zurück, weil ihr der Mann doch wirklich Angst machte. „Keine Angst, meine Kleine.“ Lachte er und richtete sich wieder auf. „Ich tu dir schon nichts. Ich bin Luca. Dann lass uns mal losfahren. Es ist eine ganz schöne Strecke bis nachhause.“ Er lächelte und nahm Serafina's Hand. Seine war genauso kühl wie ihre Haut, vielleicht sogar kälter. Serafina stieg hinten in der Limousine ein, als Luca ihr die Tür aufhielt. Die Sitze waren mit edlem grauem Leder bezogen, und die Armaturen bestanden aus glänzendem Holz. Wohl fühlte Serafina sich nicht unbedingt, als sie sich auf einen der Sitze setzte und die Tür zufallen sah. Luca stieg auf der Fahrerseite ein und blickte in den Rückspiegel, bevor er den Motor startete. Er lächelte. „Falls du dich fragst, wohin wir fahren – wir fahren nach Alucard Manor du kannst es aber auch Black Castle nennen oder einfach Zuhause. Übrigens, du heißt ab sofort Alucard mit Nachnamen.“ Damit startete er den Motor und sie fuhren los. Serafina sah etwas besorgt aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser und Wälder. Sie wusste nicht genau, ob sie jemanden oder etwas aus dem Waisenhaus vermissen würde, oder ob sie überhaupt jemanden von ihnen jemals wiedersehen würde. Wie hoch war da schon die Wahrscheinlichkeit? Luca warf immer mal wieder einen Blick in den Rückspiegel und grinste jedes Mal. Serafina beachtete ihn nicht. Ihr Gesichtsausdruck wirkte unergründlich. Sie hatte nur einen Gedanken: „Was passiert mit mir?“ Luca schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er sah noch einmal in den Rückspiegel und sagte dann: „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, oder nervös zu sein. Die anderen sind alle sehr nett. Du wirst sie sicher mögen.“ Serafina blickte zu ihm. Sie brauchte nichts zu sagen, denn an ihrem Blick konnte er erkennen, dass sie sich fragte, wer die anderen wohl waren. „Mit den anderen meine ich deine neuen Schwestern. Du wirst sie später kennenlernen.“ „Haben – haben Sie uns alle adoptiert?“ fragte Serafina leise und unsicher. „Nein, ich nicht. Der Professor hat euch alle adoptiert. Ich bin nur da, um dich abzuholen und in dein neues Zuhause zu bringen. Übrigens, du kannst mich duzen.“ „Wenn der Professor keine Zeit für Kinder hat, warum adoptiert er uns dann?“ das war eine berechtigte Frage, fand sie. Luca lächelte. „Er hat einfach ein Herz für Kinder. Leider hat er viel zu tun und kommt nur ganz selten mal aus seinem Labor. Aber dafür bin ich ja da. Ich bin immer da. Tag und Nacht und ich hab immer Zeit.“ Erklärte er und bog um eine Ecke. Serafina wusste nicht genau, was sie dazu jetzt sagen sollte, also ließ sie es einfach bleiben und sah wieder ausdruckslos aus dem Fenster. Nach ein paar Minuten des Schweigens räusperte Luca sich, sodass Serafina ihn wieder ansah. „Du bekommst ein eigenes Zimmer, weißt du? Und du kannst überall hingehen – im Haus, meine ich und in den Garten. Wir haben einen großen Garten. Magst du die Natur?“ Serafina zuckte die Schultern und wandte sich wieder ab. Sie wollte sich den Weg einprägen, damit sie zurück ins Waisenhaus fand – falls es nötig war, abzuhauen. „Du musst auch nicht das Grundstück verlassen, weil wir einen Lehrer bei uns haben, der sich darum kümmert, dass ihr Kinder eure Bildung erhaltet.“ Er sah wieder in den Rückspiegel. Serafina beachtete ihn nicht.„Die Fahrt dauert noch mindestens zwei Stunden und du musst dich nicht den ganzen Weg merken.“ Er lachte leicht, als er das sagte, aber Serafina fand es gruselig. Es war fast so, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Der Wagen hielt und Serafina wurde wach. Sie war eingeschlafen, als sie fast die Hälfte der Strecke hinter sich hatten. Etwas teilnahmslos rieb sie sich die Augen und sah sich, ohne irgendwas Bestimmtes zu denken, das alte Schloss an. Luca war schon ausgestiegen und öffnete ihr jetzt die Tür. Er hielt ihr die Hand hin und half ihr beim Aussteigen, da sie noch ein wenig benommen taumelte. Den Koffer hatte er in der anderen Hand. Er drückte die Autotür zu und führte Serafina zum Eingang des Schlosses. Die große schwere Holztür öffnete sich wie von selbst, jedenfalls dachte Serafina, dass sie von alleine aufgegangen war, bis sich ihnen ein ziemlich kleiner Mann in schwarzer Kleidung und mit einer unglaublich langen Nase in den Weg stellte. Er hatte fast keine Haare mehr auf dem Kopf und ging etwas gebeugt. Seine Augen sahen aus, als wären sie aufgerissen. Er grinste breit, als er das kleine verschlafene Mädchen an der Hand von Luca sah. „Nur herein mit euch.“ Sagte er langezogen und krächzend. Er trat einen Schritt beiseite und ließ beide in die Eingangshalle, in der ein langer roter Teppich ausgelegt war. Sie blieben stehen. Hinter ihnen viel die Tür wieder ins Schloss und mit leisem unverhohlenem Lachen verschwand der kleine Mann. Serafina blickte zu Luca hoch, der dem Mann kopfschüttelnd hinterher sah. Dann sah er zu Serafina runter. „Das war nur Igor, der Butler. Geh ihm einfach aus dem Weg.“ Meinte er und zog sie nach links, wo es eine hölzerne Flügeltür gab. Igor war in die entgegengesetzte Richtung gegangen und darüber war Serafina auch irgendwie froh. Sie hatte ihn sich zwar nicht so ganz genau angesehen, aber sein krächzendes Lachen verfolgte sie noch, auch wenn Igor schon lange in einem anderen Raum verschwunden war. Luca öffnete die Flügeltür. Dahinter lag ein gemütliches, in rot und schwarz gehaltenes Wohnzimmer mit Kamin und einem großen Flachbildfernseher. Auf einem Sofa saß ein rothaariges Mädchen und hielt einen Controller für ein Videospiel in den Händen. Serafina kannte das Spiel nicht. Sie hatten keine Videospiele im Waisenhaus gehabt. Das Mädchen war nicht viel älter als sie. Höchstens ein Jahr. Sie sah sich nicht zu Luca und Serafina um, sondern erledigte in dem Spiel ein Monster. Erst als Luca „Rya!“ sagte, drückte sie auf einen anderen Knopf als die Pfeiltasten und drehte sich zu ihnen. „Rya, das ist Serafina, sie wohnt ab jetzt auch hier. Serafina, das ist Rya.“ Stellte er die beiden gegenseitig vor. Rya winkte kurz und wand sich wieder ihrem Spiel zu. „Rya, wo sind Charlette und Rocca?“ Rya antwortete, ohne sich umzudrehen, dass Charlette in ihrem Zimmer saß und Rocca wahrscheinlich an der Bar war. „Danke.“ Meinte Luca dann und führte Serafina weiter in den nächsten Raum, wo eine rothaarige junge Frau mit einem Weinglas in der Hand auf einem Barhocker saß. „Rocca, das ist Serafina.“ Stellte er Serafina vor, als sie näher an Rocca herangetreten waren, die die Achtjährige jetzt musterte. Sie lächelte leicht. „Süß.“ Meinte sie dann nur und nahm einen Schluck aus dem Glas. Bei näherer Betrachtung konnte diese Frau eigentlich nicht älter als sechzehn sein, also war sie eigentlich noch ein Teenager.Serafina kam das alles sehr komisch vor. „Schon den Professor kennengelernt?“ fragte sie Serafina, die den Kopf schüttelte. Rocca zuckte die Schultern. „Ich auch nicht und ich wohne hier seit fast sieben Jahren.“ Sie klang vorwurfsvoll. Serafina überlegte sich, ob sie vielleicht einmal den Professor, bei dem sie wohnten und der sie ja schließlich alle adoptiert hatte, kennenlernen würde. „Naja, viel Spaß noch. Wir sehen uns sicher beim Abendessen.“ Meinte Rocca und widmete sich einer Wodka Flasche. „Komm, wir gucken mal, wo Charlette ist.“ Luca zog Serafina nach rechts zu einer Tür, die wieder in die Eingangshalle führte. Sie stiegen die breite Treppe empor, die mit dem langen roten Teppich ausgelegt war, dann bogen sie wieder rechts ab.„Das hier ist der Flügel, in dem die Schlafzimmer für euch Mädchen sind – und natürlich die Badezimmer. Es gibt zwei Badezimmer. Eines ist gleich hier vorne.“ Er zeigte auf die erste Tür im Gang, dann gingen sie weiter. „Und das andere Bad ist ganz hinten, gleich neben deinem Schlafzimmer.“ Er zeigte auf die letzte Tür, direkt neben einem großen Fenster, von wo aus man in den Garten gucken konnte, der bei der untergehenden Sonne immer dunkler wurde. Sie blieben vor der Tür neben Serafina's Zimmer stehen. Luca klopfte. Das war dann wohl Charlettes Zimmer. Luca wartete, bis er ein „Ja“ hörte, dann öffnete er die Tür. Dahinter lag ein Schlafzimmer, das komplett schwarz und grau eingerichtet war. Es wirkte ziemlich gothicmäßig auf Serafina. Sie fragte sich, ob ihr Zimmer auch so eingerichtet war. Sie wusste zwar nicht, as sie dann davon halten sollte, fand aber, dass ein schön eingerichtetes Zimmer gemütlicher ist, als ein Raum mit weißen Wänden, einer Glühbirne an der Decke und einem klinisch weißem Bett. Charlette saß auf der gepolsterten Fensterbank und hatte ein Buch auf dem Schoß. Als sie sich zu ihnen umdrehte, blieb Serafina die Luft weg. Charlette war kreideweiß und hatte rote Augen. Außerdem trug sie eine schwarze Kapuze über ihre silbrigen Haare. Als Charlette sah, dass Serafina der Mund offen stand, musste sie grinsen und zeigte so ihre strahlendweißen und vor allen Dingen spitzen Eckzähne. Das ließ Serafina zurückweichen. Das Mädchen konnte doch kein Mensch sein! „Keine Angst.“ Sagte Luca leise zu Serafina und zog sie weiter in das Zimmer. „Charlie, das ist Serafina. Serafina, das ist Charlette, aber wir nennen sie meistens Charlie. Sie ist seit einem Jahr hier.“ „Willkommen im Gefängnis.“ Grinste Charlette weiter und zwinkerte dann. Serafina sah schnell zu Luca, der ebenfalls nur grinste. „Sie meint, dass es hier fast ist, als wäre man im Gefängnis, weil man nur selten das Grundstück verlässt.“ Dann ließ er Serafina's Hand los, die sich daraufhin an seinem Arm festkrallte und ängstlich Charlette anstarrte. „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.“ Lachte Luca und tätschelte Serafina den Kopf. „Aber – aber sie…“ „Charlie, pack die Zähne ein.“ Meinte Luca. „Huch, hab ich gar nicht gemerkt. Sorry, eben erst gegessen.“ Sagte Charlette und hielt sich die Hände vor den Mund. Im nächsten Moment waren die spitzen Eckzähne auch schon verschwunden. Luca sah zu Serafina runter, die Charlette wieder mit offenem Mund anstarrte. Das Entzsetzen war ihr deutlich anzusehen. „Mm…es ist wohl besser, wenn ich dir jetzt erst mal dein Zimmer zeige.“ Serafina's Zimmer war ebenfalls im gothic Stiel eingerichtet, nur weniger grau und schwarz, als rot und schwarz. Die Möbel waren dieselben, die in Charlettes Zimmer standen. Ein großes Himmelbett mit schweren Vorhängen und auf beiden Seiten Beistelltische, ein großer Kleiderschrank, eine Kommode und eine Truhe, ein Sessel und ein Fußhocker. Über der Kommode hing ein Spiegel. Dekoriert war das Zimmer mit roten und schwarzen Kerzen, ein paar kleinen Feuerschalen, einem Metallkreuz, das auf der Kommode lag und vielen Kissen in rot und schwarz. Auf dem Boden lag ein großer schwarzer Pelz und an der Decke hing ein schwarzer Kronleuchter ohne Kerzen. Stattdessen hingen an dem Kronleuchter kleine spitze Klingen, wie an einem Mobile. „Wenn dir die Einrichtung nicht gefällt, dann sag es einfach.“ Meinte Luca und ging auf den Kleiderschrank zu. Mittlerweile hatte Serafina ihn losgelassen und trat zaghaft ins Zimmer. Luca öffnete den Kleiderschrank. Drinnen hingen mindestens zehn Kleider, die Serafina ganz stark an ihr Sonntagskleid erinnerten. „Wir haben im Waisenhaus nach deiner Größe gefragt.“ Meinte er, als Serafina sich gerade fragte, woher sie ihre Kleidergröße hatten. Als nächstes öffnete er die obere Schublade der Kommode. Dort befanden sich: Haarbürste, Kamm, eine Auswahl an Haarschmuck und – zu Serafina's Überraschung – ein Kästchen mit Schminkzeug. In der Schublade darunter befand sich Unterwäsche, die – wie Serafina fand – etwas gewagt aussah. In der letzten Schublade gab es fünf Paar Schuhe. „Wenn dir irgendwas nicht passt oder gefällt, dann sag es einfach.“ Er sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Es ist Zeit fürs Abendessen, lass uns runtergehen. Die anderen warten sicher schon.“ Im Esszimmer stand ein langer Tisch mit acht Stühlen, die alle hohe Lehnen hatten. Auf drei von den Stühlen saßen Rocca, Rya und Charlette nebeneinander. Luca und Serafina setzten sich ihnen gegenüber, als die drei gerade aufhörten über etwas zu tuscheln. „Worüber redet ihr?“ wollte Luca wissen, aber eigentlich wusste er es schon, das knnte Serafina an seiner Miene und seinem Augenrollen erkennen. „Nichts.“ Sagte Rocca und wandte sich einer Weinflasche zu, die auf dem Tisch stand. Die Tür, die wohl zur Küche führte, schwang auf und herein kam Igor mit einem Servierwagen, der mit fünf überdeckten Tellern vollgestellt war. Er servierte, wobei Serafina den gruseligen Typen nicht aus den Augen ließ. Igor grinste hämisch, als er Serafina den Teller hinstellte und die Haube abnahm. Das Essen sah ganz gut aus, musste sie zugeben, aber von dem Teller kam ein merkwürdiger Geruch, der Serafina sofort in die Nase kroch und sie sich Mund und Nase zuhielt. „Was hast du?“ fragte Luca und war schon beim essen. „Stimmt irgendwas nicht, Kleine?“ Igor hatte sich plötzlich so nahe zu ihr runter gebeugt, dass Serafina erschrak, auf Lucas Schoß sprang und sich an dessen Hals festklammerte. Igor lachte nur triumphierend und verschwand in der Küche. Serafina zitterte. Luca strich ihr beruhigend über den Rücken. „War was mit dem Essen?“ fragte Rocca und schlürfte aus der Weinflasche. „Es riecht komisch.“ Murmelte Serafina, die ihr mit dem Rücken zugewandt auf dem Schoß von Luca kniete. „Ja, du gewöhnst dich dran.“ Meinte Charlette, wobei sie sich eine Pommes mit viel Ketchup in den Mund stopfte. Ihre Augen waren zu Serafinas Verwunderung nicht mehr rot, sondern grün. Sie sagte aber nichts dazu. „Bis auf den miesen Geruch von dem Essen kann Igor ganz gut kochen.“ Meinte Rocca und tunkte eine Pommes in den Wein, den sie jetzt in ein Glas umgegossen hatte. „Er ist gruselig.“ Sagte Serafina, als sie sich wieder auf ihren Platz setzte. Rya nickte nur und spießte ein Stück Steak mit ihrem Messer auf, was ein bisschen brutal aussah – für eine Neunjährige. „Du solltest auch was essen.“ Meinte Luca und zerschnitt sein Steak. Zaghaft nahm Serafina sich eine Pommes und biss ein Stück ab. Es schmeckte tatsächlich. Dann wagte sie sich an das Steak. Sie zerschnitt es und wollte gerade ein Stück nehmen, als ihr auffiel, dass es komplett blutig war. „Kann man das überhaupt essen?“ sie war sich nicht sicher, ob sie jetzt frech oder so ähnlich klang, aber es war ihr auch so ziemlich egal. Das konnte ja wohl nicht deren Ernst sein! „Sicher kann man das essen.“ Antwortete Charlette und steckte sich demonstrativ ein blutiges Stück Steak in den Mund. „Anders schmeckt es auch gar nicht.“ Meinte sie, als sie runtergeschluckt hatte. „Aber wenn du lieber eine Schuhsole zum Abendessen haben willst, dann sag es Igor.“ Da alle anderen auch nichts an dem Steak auszusetzen hatten, aß sie weiter. Es schmeckte, aber irgendwas war doch mit denen nicht in Ordnung, dachte sie. Als sie den Teller ganz leer hatte, wurde Serafina plötzlich hundemüde. Rya und Charlette schien es ähnlich zu gehen, denn sie gähnten. Nur Rocca schlürfte noch munter an ihrem Wein weiter. Luca war ebenfalls hellwach. Die Tür ging wieder auf und Igor kam zum Abräumen des Tisches, wobei er Rocca ein Gläschen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit hinstellte. Es roch nach dem Essen, aber Rocca kippte es sich einfach die Kehle runter. Danach war sie nicht mehr so angetan von dem Wein, der vor ihr stand, sondern musste ebenfalls gähnen. „Hm…ich geh pennen.“ Meinte sie und stand auf. Die anderen beiden taten es ihr gleich. Nur Serafina blieb sitzen. Luca stand auf und schob den Stuhl ran. „Willst du nicht auch schlafen gehen?“ fragte er und strich ihr über den Kopf. Igor grinste nur breit und schob den Servierwagen in die Küche. „Ich hab Angst, alleine in einem großen Zimmer.“ Murmelte Serafina und rieb sich die Augen. Luca zog Serafina's Stuhl weiter zurück, trat vor sie und griff sie unter den Armen. „Du brauchst aber gar keine Angst zu haben. Dir kann nichts passieren.“ Er hob sie hoch und trug sie aus dem Esszimmer, links von der Eingangshalle. Er trug Serafina auch die Treppe hoch, von wo die anderen drei schon verschwunden waren. In ihrem Zimmer stellte er sie ab und hielt die Hand auf der Türklinke. „Wenn etwas ist, ich bin dahinten. Die erste Tür.“ Er zeigte auf den Gang, der links von der Treppe war. Serafina nickte. „Ok, dann gute Nacht.“ Er schloss die Tür hinter sich und ließ Serafina alleine in dem Zimmer zurück. Es war kurz vor Mitternacht, als Serafina aus einem wirren Traum hochschrak. Alles um sie herum war stockfinster. Die Vorhänge an ihrem Bett hatte sie zugezogen, weil das Licht des Mondes sie beim Einschlafen hinderte. Ihr Traum war komisch gewesen. Ein langnasiger Mann hatte sie mit einem Teller, auf dem ein blutiges Stak lag, verfolgt und die ganze Zeit krächzend gelacht. Er klang fast wie ein Vogel, der gerade dabei war kläglich zu serben. Dann war Mitternacht. Das hörte Serafina an der lauten Uhr, die irgendwo im Schloss zwölfmal schlug. Zuvor hatte sie die Uhr noch nicht gehört. Genau als der zwölfte Schlag ertönte, fielen Serafina die Augen zu und sie war wie betäubt. Serafina spürte Metall unter sich. Sie lag auf etwas, aber das war nicht ihr Bett. Es war kalt und glatt. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie war festgekettet. Alles war dunkel, das lag aber auch nur daran, dass sie die Augen fest geschlossen hatte. Sie wollte sie öffnen, aber es ging nicht. Regungslos lag sie da und konnte nur schwer fühlen, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, als sie atmete. Ihr Herz schlug nicht, jedenfalls konnte sie es nicht hören. Alles was sie hörte war das Gekicher eines Mannes, der weit entfernt war, sehr weit entfernt. Nicht in diesem Raum und auch nicht in diesem Haus, aber da war doch jemand. Sie spürte jemanden, der ganz dicht bei ihr stand. Sie hatte furchtbare Angst. Was würde jetzt mit ihr geschehen? Wo war sie überhaupt und warum? Oder war das alles nur ein Traum? Sie versuchte mit aller Kraft sich zu bewegen, doch nichts half. Ihr war kalt, als träge sie keine Kleidung, aber sie hatte sich umgezogen, bevor sie schlafen gegangen war. Da war sie sich zu hundert Prozent sicher. Jemand legte ihr eine eiskalte Hand auf den Arm. Jetzt hörte sie einen Herzschlag. War es ihr eigenes Herz, das so will raste? Im nächsten Moment wurde ihr Handgelenk von einem scharfen Gegenstand durchbohrt. Der Schmerz war so echt, dass sie dachte, sie müsste sterben. Dann war sie weg. Sie war woanders und hörte nur noch eine Stimme, die lachend und rau schrie: „Lauf, wenn du kannst!“ ~ schreibt mir bitte kommentare! ;3 ~ Kapitel 2: #2# -------------- Kapitel 2 Blut geleckt Sie schrak hoch und atmete hastig ein, als hätte sie zuvor die Luft angehalten. Es war dunkel. Aber war es auch immer noch Nacht? Sie wusste es nicht und eigentlich war es ihr auch egal. Serafina hörte Schreie in ihrem Kopf hallen. Waren es nun ihre Eigenen oder nicht? Sie dachte über den Traum nach, den sie gehabt hatte, dann viel ihr der Traum ein, den sie zuvor geträumt hatte. Warum hatte sie in dieser kurzen Zeit zwei Träume hintereinander gehabt? Ging sowas überhaupt? Nun hörte sie ganz deutlich ihr Herz schlagen. Es pochte stark an ihren Brustkorb, als wolle es sich aus ihrem Körper befreien. Sie hielt es in ihrem Bett nicht mehr aus. Sie hatte Höllenangst. Dieses Lachen und diese Stimme, die gesagt hatte: "Lauf, wenn du kannst!" Das war doch nicht mehr normal, dachte sie sich. Naja, aber was war für sie denn überhaupt noch normal? Sie war ein einfaches kleines achtjähriges Mädchen, das keine richtigen Eltern hat und jetzt endlich adoptiert wurde. Aber statt sich darüber zu freuen, hatte sie Todesangst, noch länger in diesem gruseligen Schloss bei all diesen Verrückten zu sein. Aber da war ja auch noch Luca. Luca, ja den mochte sie. Er war nett zu ihr gewesen und behandelte sie gut. Es hatte sich gut angefühlt, als er ihren Kopf gestreichelt hatte. Es war beruhigend gewesen. Sie war noch ein Kind, sie brauchte sowas, fand sie. Serafina schob den Vorhang ihres Bettes zur Seite und stand auf. Der Boden war kalt unter ihren Füßen und es war immer noch dunkel. Sie konnte nicht viel erkennen, nur die Tür, die durch das Fenster vom Mond beschienen wurde. Auf dem Gang war der Boden genauso kalt und sie sah fast nichts. Luca hatte auf den Flur auf der anderen Seite gezeigt, als er ihr beschrieben hatte, wo sein Zimmer lag. Sie sah hinüber. An einer Wand brannte eine Kerze. War etwa noch jemand wach? Oder schon? Vielleicht war es ja auch Morgen und Igor streifte irgendwo durch die Gänge. Dieser Gedanke behagte Serafina so gar nicht. Was würde Igor ihr bloß antun, wenn er sie nachts im Gang erwischen würde? Die Erzieherinnen im Waisenhaus hatten ihr dafür immer Stubenarrest gegeben und man musste die Teller in der Küche spülen. Miss Sunshine hatte Serafina immer besonders gerne bestraft, wofür Serafina ihr immer noch böse war. Miss Sunshine tat zwar immer auf lieb, nett und freundlich, aber wenn man sie kannte, dann wusste man ganz genau, dass sie eine böse Hexe war. Jedenfalls war Serafina dieser Ansicht. Ängstlich, dass Igor sie erwischen könnte, lief sie schnell zu der Tür, die zu Lucas Zimmer führen musste – wenn seine Wegbeschreibung denn korrekt war. Sie hoffte inständig, dass Luca wach war, oder zumindest nicht sauer, wenn sie ihn weckte. Aber seine eigenen Worte waren ja gewesen, dass er immer Zeit hatte. Tag und Nacht. Zaghaft bewegte sie ihre Hand zur Tür. Sie wollte gerade klopfen, als die Tür aufging und sie stattdessen auf etwas Weiches traf. Es war Lucas Bauch. Er war komplett angezogen, als wolle er gerade zur Arbeit gehen. Zumindest wirkte er so. Verwundert sah er zu Serafina runter, die ihn verwirrt ansah. „Was machst du denn hier?“ fragte er und sah aus, als würde gerade etwas gewaltig schief gehen. „Du solltest schlafen.“ „Ich hab was Schlechtes geträumt.“ Sagte sie mit großen blauen Kulleraugen und strich sich mechanisch über ihr Handgelenk. Es war das Handgelenk, was in ihrem Traum durch jemanden Unbekanntes verletzt worden war. Luca setzte ein Lächeln auf und bat sie in sein Zimmer. Es war größer als das von Serafina. Die Möbel waren auch nicht so gothicmäßig, sondern hatten mehr was vom 18. Jahrhundert. Er hatte auch einen Schreibtisch mit Computer und einen Fernseher, der vor einem Sessel mit Fußhocker stand. Er schloss die Tür hinter Serafina, die sich noch umsah. Überall brannten Kerzen. „Setz dich.“ Sagte er und deutete auf den Sessel. Dann ging er an seine Kommode und zog die oberste Schublade auf. Serafina setzte sich in der Zwischenzeit. „Was hast du denn geträumt?“ wollte er wissen, während er in der Schublade wühlte, in der es klirrte. Wohlmöglich waren Gläser oder Flaschen darin, dachte Serafina. „Zuerst hab ich geträumt, dass Igor mich mit einem Steak verfolgt und lacht. Dann hab ich was Schlimmeres geträumt.“ Sie erzählte kurz, was sie geträumt hatte, dann kam Luca mit einem Glas, in dem sich eine durchsichtige Flüssigkeit befand zu ihr und kniete sich neben den Sessel. „Ich bin mir sicher, dass das nur an der Aufregung lag.“ Meinte er und hielt ihr das Glas hin. „Das ist zur Beruhigung. Trink einfach.“ Sie schnupperte an dem Getränk. Es roch ein bisschen so wie das, was Rocca getrunken hatte. Serafina sah Luca fragend an. „Ist das Alkohol?“ im Waisenhaus hatten sie immer gesagt bekommen, dass Alkohol eine ganz üble Sache war. Selbst tranken die Erzieherinnen aber trotzdem manchmal den Alkohol, der in der Küche versteckt war. Das wussten die meisten Kinder des Waisenhauses, aber sie hatten natürlich nie was gesagt, weil sie befürchteten, sonst Ärger zu bekommen, da sie den Erzieherinnen hinterher spioniert hatten. „Nein, das ist nur sowas wie ein kleines Beruhigungsmittel. Keine Angst. Dann kannst du besser schlafen. Es ist ja schließlich erst drei Uhr.“ Er drückte ihr das Glas in die Hand und wartete, bis sie getrunken hatte. Ihre Augenlieder wurden sofort schwer und sie sank zurück. Luca griff nach ihrem Handgelenk und sah sich die Verletzung an, die gerade dabei war zu heilen. Er biss die Zähne fest zusammen und überlegte, während er die Verletzung genau musterte. Sie verschwand. Das letzte was Serafina spürte, war dass sie hochgehoben wurde. Rya klopfte an Serafina's Zimmertür und öffnete, ohne dass Serafina etwas davon mitbekam, denn sie schlief noch seelenruhig in ihrem Bett. Die Vorhänge waren nicht wieder zugezogen worden, aber jemand hatte sie sorgfältig zugedeckt. Rya trat näher und sah ausdruckslos auf sie herab. Die Sonne war dabei aufzugehen und die ersten Sonnenstrahlen schienen durch Serafina's Zimmerfenster. „Hey.“ Sagte Rya. Serafina bewegte sich nicht. „Du.“ Fügte Rya noch hinzu. Diesmal lauter und Serafina drehte sich zur Seite. „Se-ra-fi-na.“ „Mmm.“ War das einzige was Serafina dazu sagte. „Fiiiinaaaa.“ Rya stupste sie am Arm an. Serafina drehte sich wieder auf den Rücken. „Steh auf.“ Sie klang tonlos und es reichte auch nicht, um Serafina zu wecken, deswegen schnipste Rya ihr an die Nase. Wie erwartet riss Serafina die Augen auf und starrte ihr Gegenüber entsetzt an. „Du musst aufstehen. Es gibt Frühstück.“ Müde schlurfte Rya aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Serafina kam als letzte ins Esszimmer. Sie hatte sich eines der neuen Kleider angezogen. Sie gähnte und setzte sich auf ihren Platz. Charlette hatte ihren Kopf auf beiden Händen abgestützt und hing über einer Müslischüssel. Rocca rührte träge in einem Kaffee herum und Rya spielte mit einem Nintendo DS. Was sie spielte, konnte Serafina wieder nicht sehen, aber es war ihr auch egal. Sie war zu müde, um über irgendwas nachzudenken und nahm sich ein Toast von einem Teller. Sie merkte nicht, dass das Essen diesmal ganz normal und lecker roch. Luca saß neben ihr und war der einzige, der ausgeschlafen wirkte. Er bestrich sein Toast gerade mit etwas Rotem, das er aus einem Glas genommen hatte. Es war wohl Erdbeermarmelade, vermutete Serafina. Es roch aber anders als Erdbeermarmelade und als sie nach dem Glas greifen wollte, schob Luca es weg und meinte: „Da ist Alkohol drin, also nimm das lieber nicht.“ Schulterzuckend nahm Serafina das Nutella Glas. Die Tür flog auf, aber es war nicht die Tür zur Küche. Serafina hatte schon gedacht, dass es Igor war, aber herein kam ein vollkommen fremder Mann. Er war kreideweis, wie Charlette und hatte gelbliche Augen, jedenfalls sah es so aus, denn er trug eine getönte Brille mit runden Gläsern. Seine Haare waren etwas länger und rabenschwarz. Er trug einen langen schwarzen Mantel, darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Ob das wohl der Professor war? Eher nicht, denn es schien niemanden zu interessieren, dass dieser Mann gerade das Zimmer betreten hatte. Niemanden, außer Serafina, die ihn anstarrte, als hätte sie noch nie einen Mann gesehen. Sein Blick blieb auf Serafina haften. Seine Mundwinkel huschten kurz nach oben, dann setzte er sich an den Kopf des Tisches, wobei er „Guten Morgen.“ In einem Akzent sagte, den Serafina nicht kannte. Russisch oder irgendwie asiatisch war es jedenfalls nicht. Aber es klang nach Europa. „Morgen.“ Murmelten die drei Mädchen. „Du bist dann wohl Serafina, richtig?“ fragte er diese und sie nickte nur, weil sie Angst hatte, mit diesem gruseligen Mann zu reden. „Wie schön…“ grinste er fies und klaute Rocca den Kaffee, die nichts dazu sagte, sondern einfach in der Luft weiterrührte, bis der Mann ihr auch den Löffel wegzog und ihr stattdessen ein Toaste in die Hand drückte. „Serafina, das ist Dr. von Dunkeltal, du kannst ihn aber auch einfach Tiberius nennen. Das ist ihm so ziemlich egal.“ Meinte Luca und griff nach der Zeitung, die neben ihm auf dem Tisch lag. „Ja, du kannst mich Tiberius nennen. Das ist mir so ziemlich egal.“ Sagte eben dieser grinsend mit den Ellbogen auf dem Tisch und schlürfte den Kaffee. Rocca kaute in der Zwischenzeit auf dem Toast herum. „Ich bin euer Privatlehrer.“ Er klang auch mit diesem abgehackten Akzent schleppend und irgendwie, als hätte er ein Mittel genommen, damit seine Stimme leicht quietschte, was ihn gruselig wirken ließ. „Der Unterricht in dieser Woche muss aber leider ausfallen, weil ich einige wichtige Termine habe. Also habt ihr solange Zeit euch besser kennenzulernen.“ Die drei Mädchen horchten auf. Dass sie eine Woche frei hatten, schien sie zu interessieren. Serafina stellte unterdessen fest, dass Tiberius‘ Stimme gar nicht zu ihm passte. Rya grinste breit und spielte weiter. Sie dachte wohl, dass sie dann mehr Zeit zum Spielen hatte. Charlette war jedoch entsetzt. „Aber was soll ich denn in der Zeit machen?“ „Ist mir egal, aber halt dich vom Klassenraum fern.“ Mahnte er sie. Rocca war zu sehr mit ihrem Toast beschäftigt, um sich mit ihrem Lehrer zu unterhalten. Es wirkte, als hätte sie Kopfschmerzen. „Rya, kannst du dich nach dem Frühstück bitte mit Serafina beschäftigen?“ fragte Luca und blätterte eine Zeitungsseite um. Dort war ein Bild von einem Mann zu sehen, dessen Herz rausgerissen war. Luca klappte die Zeitung zu und legte sie weg. Er wartete noch auf eine Antwort von Rya. „Hast du mich gehört?“ „Ja. Sie kann mit WOW spielen.“ Meinte Rya müde und stand auf. Sie hatte nichts gegessen und wartete, dass Serafina das letzte Stück Toast runterschluckte. Sie gingen ins Wohnzimmer, als Serafina fertig war. Rya holte einen weiteren Controller aus einem Schrank. Ihrer lag auf dem Sofa, wo sie ihn liegenlassen hatte. Beim Spielen redete Rya ein wenig mit Serafina, die das Spiel nicht unbedingt mochte, aber nichts sagen wollte, weil sie nicht beabsichtigte, dass Rya das falsch verstand. Rya erzählte in kurzen und knappen Sätzen, dass sie schon im Schloss gewohnt hatte, als sie noch ein Baby war. Sie sagte auch, dass sie Igor nicht leiden konnte und der Unterricht bei Tiberius einigermaßen interessant war. Sie war aber auch erst seit einem Jahr in seinem Unterricht. Sie erzählte auch ein paar Dinge über Charlette und Rocca. Zum Beispiel, dass Charlette von Luca auf der Straße gefunden worden war. Sie war übel zugerichtete gewesen. Rocca trank seit zwei Jahren literweise Alkohol und war sowas wie die Assistentin von Tiberius, da sie schon seit Jahren in seinen Unterricht ging und anscheinend schon den ganzen Stoff beherrschte. Serafina nahm das einfach so hin. Sie hatte ja keine Ahnung, dass man mit sechzehn noch nicht den ganzen Stoff beherrschen konnte. Sie selbst war ja auch erst acht. Nach dem Mittagessen, das auch gut schmeckte und nicht irgendwie übel roch, wollte Rya an ihrem Highscore in WOW arbeiten, wobei sie Serafina nicht gebrauchen konnte. Serafina setzte sich also einfach daneben und sah zu, bis die Tür zur Bar aufging und Rocca hereinkam. „Hey, hat jemand Lust auf Poker?“ Rya winkte ab und deutete auf den Fernseher. Roccas Blick viel auf Serafina. „Kannst du Pokern?“ Serafina schüttelte den Kopf. „Blöde Frage…naja, komm, ich bring ‘s dir bei.“ Sie nickte in Richtung Bar. Serafina stand auf und folgte ihr. Sie setzten sich an den runden Pokertisch und Rocca begann die Karten und die Chips auszuteilen, wobei sie Serafina alles erklärte. Als Serafina es begriffen hatte, spielten sie. Serafina war aber nicht besonders gut. Rocca gewann – sogar ziemlich schnell, das lag aber daran, dass Serafina gerade das erste Mal gespielt hatte. „Noch eine Runde?“ fragte sie und mischte die Karten neu. Serafina nickte. „Willst du was trinken?“ „Aber keinen Alkohol.“ Sagte Serafina vorsichtshalber, als Rocca aufstand und zur Bar ging. Sie lachte. „Keine Angst, du bekommst von mir schon keinen harten Stoff.“ Sie beugte sich über die Theke und zog eine Flasche hervor. „Wir haben auch Kirschlimo.“ Sie nahm ein Glas und schüttete Serafina etwas von der rötlichen Kirschlimo ein. Sie stellte der Achtjährigen das Glas auf den Tisch und setzte sich wieder. Auch sie erzählte Serafina ein paar Sachen, fragte aber auch einiges, während sie spielten und Rocca wieder gewann. Die Woche verging schneller, als Serafina gedacht hatte. Sie hatten sich alle besser kennengelernt. Sogar mit Charlette hatte sie sich ein paarmal unterhalten. Jetzt fand sie sie auch nicht mehr so gruselig wie anfangs. Die Mädchen waren alle ganz nett und Igor hatte sie zwischendurch immer nur beim Abendessen gesehen. Das reichte ihr auch wirklich. Das Abendessen roch aber immer noch komisch und ihre schlechten Träume hörten auch nicht auf. Inzwischen wachte sie aber nicht mehr einfach so in der Nacht auf. Sie schlief immer schon, bevor die Uhr zwölf schlug. Besagte Uhr hatte sie auch gefunden. Charlette hatte sie ihr gezeigt, als sie versuchen wollte, unerlaubt ins Klassenzimmer zu gelangen. Die Uhr stand der Tür des Klassenzimmers gegenüber. Das Klassenzimmer befand sich in einem anderen Flur um ersten Stock. Man musste durch den Gang, wo auch Lucas Zimmer war gehen, und dann links abbiegen, schon sah man die Uhr an der Wand stehen. Charlette hatte es nicht geschafft, ins Klassenzimmer einzubrechen. Sie hatte es sogar mit einem Dietrich versucht. Die Tür musste von innen verriegelt sein. Serafina hatte sie gefragt, was es in dem Klassenzimmer so interessantes gab. Die Antwort darauf bekam sie prompt: „Da drin gibt’s was Leckeres.“ Serafina hatte nicht weiter gefragt. Vielleicht meinte Charlette damit Süßigkeiten, die Tiberius verteilte. Möglich war es ja. Die Grundschullehrerin von Serafina hatte ihren Schülern immer Gummibärchen gegeben, wenn sie irgendwas gut gemacht hatten. Charlette weckte Serafina am Montagmorgen. Sie war super gelaunt und fast gar nicht müde. Sie freute sich wohl riesig darauf, endlich wieder ins Klassenzimmer zu dürfen. Nach dem Frühstück dauerte es aber noch eine Stunde, bis der Unterricht anfing. Während sie im Wohnzimmer fernsahen und darauf warteten, dass sie die Uhr neun schlagen hörten, erzählte Charlette, dass Morgens nur der theoretische Unterricht war und Abends, wenn es dunkel war, der Praktische. Damit konnte Serafina zwar nicht wirklich etwas anfangen, aber sie hatte auch mit dem Gedanken zu kämpfen, dass sie abends noch Unterricht hatten. Rocca erzählte dazu, dass es schade war, dass sie nur einmal in der Woche praktischen Unterricht hatten. Serafina nahm sich vor, Tiberius zu fragen, was der Unterschied zwischen praktisch und theoretisch war. Tiberius holte die Mädchen aus dem Wohnzimmer ab. Sie folgten ihm ins Klassenzimmer. Charlette war ganz begeistert und setzte sich auf ihren Platz, der gleich neben einem großen Kühlschrank stand. Der Kühlschrank war zugesperrt und Ketten lagen drum herum. Serafina fragte sich, was wohl drin war. Rya und Rocca setzten sich auf ihre Plätze, ohne sich groß für den Raum zu begeistern. Nur Serafina blieb im Türrahmen stehen und durchforstete den Raum mit ihrem Blick. Er war nicht so, wie sie sich den Klassenraum vorgestellt hatte – bei weitem nicht. Neben dem Kühlschrank gab es noch einige andere Merkwürdigkeiten. Über dem Lehrtisch hingen vier Ketten mit Eisenschellen für Gelenke, oder was auch immer man damit festkettete. Sie hingen in Abständen an der Decke. Auf der Tafel waren ein paar Worte wie Stichpunkte geschrieben: kaltblütig, grausam, leidenschaftlich und wild. Serafina hatte nicht den Hauch einer Ahnung was das heißen wollte. Sie sah sich weiter um. An der Rückwand des Klassenzimmers standen Metallschränke und eine Ablage mit eingelassenem Waschbecken. Der graue geflieste Fußboden hatte einen großen dunklen Flecken, genau vor dem Lehrerpult. Daneben waren ebenfalls dunkle Sprenkel. Die Wände waren mit Metall bedeckt. Metall war gut abwaschbar, das wusste Serafina. Sie ging ein paar Schritte und setzte sich dann auf den freien Platz zwischen Rya und Charlette. Sie sah zur Tür, die Tiberius gerade schloss. Rechts neben der Tür stand ein Metallregal mit mindestens zehn Einmachgläsern, in denen jeweils etwas anderes schwamm. Bei dem Anblick wurde Serafina fast schlecht. Sie glaubte, einen Finger erkannt zu haben. In einer Kiste im selben Regal, lagen verschiedene Laborinstrumente. Tiberius trat hinter das Pult und bückte sich, als er wieder auftauchte, hielt er ein, mit einem schwarzen Tuch verdecktes, Quadrat in den Händen. Er stellte das Quadrat auf den Tisch und sah in die Klasse, die nur aus den vier Mädchen bestand. „Rya, Charlette, ihr habt Glück. Da wir einen Neuzugang bei uns haben, werden wir den praktischen Teil auf jetzt verlegen.“ Sagte Tiberius grinsend und tätschelte das schwarze Quadrat. „Haben wir dann diese Woche keine abendliche Praxis?“ fragte Rocca entrüstet. „Oh doch, meine Kleine, schon heute Abend.“ Er kicherte schief. Roccas Miene erhellte sich schlagartig, genau wie die von Charlette. Rya ließ das einfach nur kalt und Serafina verstand es nicht. Sie hob die Hand. „Ja, meine Kleine?“ „Was ist der Unterschied zwischen praktisch und theoretisch?“ sie hatte sich ja vorgenommen, das zu fragen. Tiberius lehnte sich ein Stück vor. „Hat dir das etwas noch niemand erklärt, meine Kleine?“ er grinste breit und zeigte seine strahlendweißen Zähne. Alle hatten strahlendweiße Zähne, das war Serafina schon aufgefallen. Sie schüttelte den Kopf und sah Tiberius mit großen Augen an, der mit den langen Zeigefingern aufeinander tippte und seine Lippen zu einem schmalen Spalt zusammenpresste, bevor er sagte: „Praktisch ist der Unterricht, wenn man etwas tut, wie zum Beispiel einen Frosch sezieren oder eine Maus oder etwas Ähnliches. Theoretisch ist der Unterricht, wenn du nur dasitzt und mir zuhörst oder mitschreibst. Beides ist auch möglich. Verstehst du das, meine Kleine?“ Serafina nickte. „Warum haben wir abends praktischen Unterricht?“ wollte sie dann wissen. Tiberius dachte kurz darüber nach, wie er es am besten formulieren sollte. „Abends, wenn es dunkel ist, sind die meisten Leute zuhause, aber wer sich noch auf der Straße rumtreibt, ist selbst schuld, wenn wir ihn für unseren Unterricht gebrauchen. Verstehst du das, meine Kleine?“ Serafina nickte, obwohl sie eigentlich nichts davon verstand. „Nun gut. Ich habe hier etwas vorbereitet.“ Er zog das Tuch von dem Quadrat. Es war ein Käfig und in dem Käfig schlief eine Fledermaus, die am oberen Gitter hing. Serafina machte noch größere Augen. Sie hatte Fledermäuse bisher nur auf Bildern gesehen. „Wir werden das arme Ding doch nicht etwas sezieren, oder?“ fragte Rocca. „Nein, meine Kleine, sie dient nur zur Demonstration – Charlette, wärst du so freundlich, den Kühlschrank zu öffnen?“ sofort sprang Charlette auf, holte den Dietrich aus ihrer Rocktasche und begann an dem Schloss rumzufummeln. „Charlette, der Schlüssel hängt an der Wand.“ Sagte Tiberius kopfschüttelnd und deutete auf den Schlüssel neben dem Kühlschrank. Als der Kühlschrank geöffnet war, kamen einige beschriftete Schubladen zum Vorschein. „Welche Sorte?“ fragte Charlette und sah so aus, als hätte sie seit Tagen Heißhunger auf Schokoladenkuchen, nur nie einen bekommen. „0-negativ.“ Sagte Tiberius monoton. Serafina sah gespannt zu. 0-negativ hatte sie schon mal gehört. Sie dachte kurz nach, denn es dauerte ein bisschen bis, Charlette das Richtige aus der dritten Schublade geholt hatte. Ja, es war eine Blutgruppe. Die Blutgruppe, die dieses Mädchen gehabt hatte, das ins Krankenhaus gebracht werden musste, nachdem Serafina ihr die Pulsader am Handgelenk aufgeschlitzt hatte. Rya starrte das an, was Charlette jetzt in der Hand hielt. Es war ein Plastikbeutel mit rotem Inhalt. Blut. Rya sah anders aus als sonst. Durstiger. Rocca warf einen Blick auf den Blutbeutel und wandte sich unbekümmert wieder der Fledermaus zu. Charlette gab den Beutel Tiberius. Auch sie sah ein bisschen anders aus. Ihre Augen waren schwarz und nicht mehr grün oder rot. Serafina versuchte sich so vorzubeugen, dass sie Ryas Augen sehen konnte, aber es ging nicht. Tiberius öffnete den Käfig und holte die Fledermaus heraus. Den Blutbeutel hielt er mit zwei Fingern fest. „Serafina, schau jetzt besser gut zu. Es ist wichtig.“ Gespannt starrte Serafina auf die Szenerie, die sich ihr bot. Die Fledermaus erwachte und schnupperte an dem Beutel, dann öffnete sie das kleine Schnäutzchen und ließ vier messerscharfe Zähne wachsen, die sie in den Beutel schlug und dann zügig an dem Beutel nuckelte. Charlette stand immer noch da. Sie bleckte sich ihre spitzen Zähne und sah hungrig zu, wie die Fledermaus das Blut trank. Rya krallte mit silbernen Fingernägeln auf den Tisch. Es kratzte, aber niemand beschwerte sich. Rocca war gelangweilt und starrte Löcher in die Luft. Hatte sie das etwas schon mal gesehen? Serafina war sich nicht ganz sicher, ob das wirklich Unterricht war, aber wie sie so der Fledermaus zusah und ein paar Tropfen von dem Blut auf den Tisch tropften, bekam sie plötzlich Durst. Instinktiv leckte sie sich über die Lippen und bemerkte dabei, dass ihre Eckzähne merkwürdig spitz waren. Tiberius sah sie ganz genau an. Ihm schien aufgefallen zu sein, was Serafina tat. Er grinste wieder breit. „Und, Serafina, willst du auch einen Schluck?“ jetzt sahen sie alle an. Auch Rya, ihre Augen waren ebenfalls schwarz, wie die von Charlette. Es lag an dem Blut, da war sie sich sicher. Sie schüttelte langsam den Kopf. Der Beutel war nun lehr und Tiberius legte ihn auf dem Tisch ab. Die Fledermaus steckte er zurück in den Käfig. Stattdessen nahm er etwas anderes unter dem Tisch hervor. Einen Handspiegel. Er ging auf Serafina zu und hielt ihr den Rücken des Spiegels vor. „Bitte sei nicht zu geschockt.“ Grinste er und drehte den Spiegel um. Serafina sah nun sich selbst, jedenfalls glaubte sie es. Das musste schließlich sie sein, auch wenn sie rabenschwarze Augen hatte und zwei Spitze zähne an beiden Mundwinkeln herausguckten. Sie öffnete den Mund. Es waren vier. Vier spitze Zähne. Zwei oben und zwei unten. Sie war sprachlos. Wortlos trat Rocca neben sie. Sie hielt einen weiteren Blutbeutel in der Hand. 0-negativ stand drauf. Tiberius nahm ihn entgegen und hielt ihn dann Serafina vor die Nase. Sie roch das Blut, auch wenn es in dem verschweißten Plastikbeutel war. Es roch lecker. Sie wollte es trinken. „Willst du einen Schluck, meine Kleine?“ Tiberius schwenkte den Beutel leicht hin und her. Serafina verfolgte das Blut mit den Augen. Sie sträubte sich. Ihr Gefühl sagte Ja, aber ihr Verstand sagte ganz deutlich Nein. Ihr Verstand setzte nur für einen Moment aus, dann war es zu spät. Das Blut floss über ihr Kinn und tropfte auf den Tisch. Charlette und Rya starrten mit gierigen Blicken darauf. Serafina sah sich immer noch im Spiegel. Ihre Augen waren rot, wie die von Charlette, als sie sie das erste Mal gesehen hatte. Serafina konnte gerade nicht daran denken, dass es eigentlich total ekelhaft und gruselig war, was sie da tat, das Blut schmeckte einfach zu gut. Viel zu gut. Als der Beutel lehr war, nahm Tiberius, zufrieden mit seiner neuen Schülerin, das Plastik und den Spiegel weg. Serafina leckte sich das Blut, das danebengegangen war, von den Lippen und dem Kinn, jedenfalls soweit sie kam. Sie spürte, dass sie mehr wollte. Kapitel 3: #3# -------------- Kapitel 3 Der Beigeschmack des Todes Also war sie ein Vampir. Sie hatte schon mal von solchen Wesen gehört, die man Vampire nannte, aber sie hatte immer gedacht, dass das nur Geschichten gewesen wären. Oder zumindest, dass die Erzieherinnen gelogen hatten, damit sie alle Angst bekamen. Wirklich daran geglaubt, dass es sowas wie Fabelwesen gibt, hatte sie nicht, aber eigentlich hatte sie es sich gewünscht. Warum sollte es nicht solche Wesen geben? Sie waren interessanter als immer nur dieselben langweiligen Menschen ohne spitze Eckzähne und ohne den gefährlichen Durst nach Blut. Tiberius erklärte Serafina den Unterschied zwischen gebissenen Vampiren, geborenen Vampiren, Dampiren und Hybriden. Auch etwas von Wehrwölfen, weil die ja schließlich ein Teil von Hybriden waren. Gespannt hatte sie zugehört. Sie selbst war ein geborener Vampir. Ihre Eltern kannte sie nur nicht. Sie mussten aber beide Vampire gewesen sein. Charlette war gebissen worden und blieb jetzt für immer ein vierzehnjähriges Mädchen. Sie redete nicht gerne darüber, dass sie unfreiwillig zu einem Vampir geworden war. Tiberius war dreißig, als er gebissen wurde. Aber er hatte es so gewollt. Jetzt war er über dreihundert. Es war erstaunlich. Rocca erzählte, dass ihre Eltern von Vampirjägern ermordet worden waren, als sie noch viel kleiner waren. Rya war noch ein Baby gewesen. Am Abend nach dem Abendessen bereiteten sie sich auf den praktischen Unterricht vor. Sie zogen sich Trainingsklamotten aus robustem Material an. Sie würden jagen gehen, hatte Tiberius nur gesagt. „Wieder dieses Anfängerzeug…“ Rocca rollte die Augen, als sie vor Tiberius neben dem Pool ankamen. „Du musst ja nicht mitmachen, meine Kleine, wenn du nicht willst oder es dir einfach zu langweilig ist.“ Meinte Tiberius und knetete sich grinsend die Finger. „Schon gut, ich mach ja mit.“ Rocca schnürte sich das dunkle Korsett, das sie über eine schwarze Bluse gezogen hatte noch einmal neu. Serafina sah Charlette dabei zu, wie sie sich aufwärmte, indem sie testete, wie schnell sie ihre Zähne und Krallen ausfahren konnte und wie gut sie damit arbeiten konnte. Das sah sie daran, wie tief die Krallenspuren in einem Baum waren. Rya spielte derweilen noch mit ihrem Nintendo. Als alle nach ein paar Minuten bereit waren, ging es los. Die Aufgabe war nicht schwer zu verstehen. Sie sollten durch den Wald streifen und kleine Tiere jagen. Das sollte eine Stunde dauern. Dann mussten sie mit ihrer Beute zurück zum Pool, wo Tiberius wartete. Er zog eine schwarze Pistole aus seinem Umhang und hielt sie hoch. „Wenn ihr den Schuss hört, geht’s los, meine Kleinen.“ Sagte Tiberius. Serafina war sich nicht sicher. Sollten sie einfach im Wald rumlaufen und nach kleinen Tieren Ausschau halten, um sie dann einzufangen oder zu fressen, oder sollten sie sich irgendwie schnell durch den Wald bewegen. Sie machten sich bereit loszulaufen. Sie warteten nur noch auf den Schuss. Als der aber auch nach einer Minute nicht ertönte, stellten sich die Mädchen wieder normal hin und sahen Tiberius an, der überlegte. „Worauf wartest du?“ fragte Rocca genervt und stemmte die Hände in die Hüften. „Entschuldigt mich bitte ganz kurz, meine Kleine.“ Lächelte er und verschwand auf der Stelle. Zehn Sekunden später war er auch schon wieder da und hielt etwas in der freien Hand. Es war ein blutiges Stück Schweinefleisch. Rocca rümpfte die Nase. „Was soll das, Tiberius, willst du uns einen Snack mit auf den Weg geben?“ sie gluckste bei dem Gedanken, wie sie mit Lunchtüten durch den Wald jagten und nach Tieren suchten. Die anderen Drei hatten jedoch das Fleisch fixiert, das da von Tiberius‘ Hand baumelte. Serafina bleckte sich die Zähne. „Nein, meine Kleine. Da es dir ja so gut wie nichts ausmacht, wenn du Blut riechst, kannst du Serafina etwas helfen. Sie braucht noch ein bisschen Übung. Machst du das, meine Kleine?“ Tiberius hielt Rocca den Fleischklumpten hin, die ihn nahm und ein Stück abbiss. „Mm…von mir aus.“ Nickte sie schmatzend und trat einen Schritt auf Serafina zu, die schwarze Augen hatte und gierig das Fleisch anstarrte. Sie hatte zwar eben erst gegessen, aber trotzdem machte sie das Blut wuschig. „Also dann, meine Kleinen.“ Er hob die Pistole wieder nach oben und die vier Mädchen stellten sich wieder auf. Der Schuss ertönte und sie schossen los. Serafina hatte zwar keine Ahnung, wie sie das machte, aber sie lief schneller als es eigentlich möglich war Rocca hinterher, die zwischendurch auf Bäume hüpfte. Charlette und Rya waren in eine andere Richtung gelaufen. Serafina war fast so schnell wie Rocca und konnte deshalb sehr mit ihr Mithalten. Es war nicht besonders anstrengend. Sie hatte ja auch nur einen Gedanken. Blut und Fleisch. Kühle Luft streifte an ihr vorbei. Es aufregend eine solche Geschwindigkeit zu haben. Serafina sprang immer auf die Äste, auf die Rocca zuvor gesprungen war. Es war Spaß pur. Es machte auch nichts, wenn sie mal auf ganz dünnen Ästchen landete, denn sie war so schnell, dass der Ast gar nicht so aussah, dass gerade jemand dort gelandet und wieder abgesprungen war. Rocca drehte sich beim Laufen zu Serafina um. „Na, wie ist das?“ rief sie. Sie musste laut reden, denn bei der Geschwindigkeit, die sie drauf hatten, war es schwer irgendwas zu hören. Serafina grinste nur, sodass ihre blitzenden Eckzähne gut zu sehen waren. Sie sprangen jetzt auch über weitere Distanzen. Es war fast so, als würden sie fliegen. Irgendwann fanden sie Charlette und Rya, die von oben bis unten mit Tierblut und beschmiert waren. Sie saßen auf einem Ast und schleckten sich die Finger ab. Serafina und Rocca setzten sich dazu. Rocca warf Serafina den Fleischklumpen zu, den sie dann sofort genüsslich verschlang, wobei das Blut an ihren Händen und am Kinn hinunterlief. Rocca schnappte sich einen vorbeifliegenden Raben, schlitzte ihm grinsend die Kehle auf und begann ihm die Federn einzeln auszurupfen. Es machte ihr wohl Spaß. „Na, wie war‘s?“ fragte Charlette grinsend und schleckte sich über die Hand, wo noch ein bisschen Blut klebte. „Hat Spaß gemacht.“ Schmatzte Serafina und schluckte das letzte Stück runter, wonach sie sich die Finger nacheinander in den Mund steckte und sie ableckte. Rocca sezierte in der Zwischenzeit den Raben und zog ihm jedes Organ einzeln heraus, bevor sie es zu Boden fallen ließ. Serafina wusste nicht genau, was sie davon halten sollte und hielt einfach den Mund. Wenn es ihr ja Spaß macht, dann kann sie’s ja machen, dachte sie und wischte sich die Hände an ihrer Kleidung ab. „Was habt ihr gefangen?“ fragte sie Rya und Charlette. Charlette nahm ihren Schal ab und hielt ihn Serafina hin. „Nimm mal ’n Näschen und sag wonach es riecht.“ Sie grinste und wetzte sich dann die Fingernägel an der Baumrinde. Rya schlürfte an ihrer Jacke, weil sie sich mit Blut vollgesaugt hatte. Serafina roch kurz an dem Schal. Sie überlegte. 0-negativ war es jedenfalls nicht, da war sie sich sicher. Es roch einfach anders. Dass es ganz sicher von einem Tier stammte, wusste sie. Denn das Blut eines Menschen roch nochmal ganz anders. „Mm…Fuchs?“ Das war ganz sicher falsch, dachte sie. „Schlecht geraten. Wildschwein.“ Zum Beweis hielt sie einen Wildschweinzahn hoch. „Wir haben gleich drei Stück erwischt. Tiberius wird stolz sein.“ Grinste Charlette triumphierend und wollte nach dem ausgeweideten Raben schnappen, aber Rocca war schneller und schlug der Fünfzehnjährigen die Hand weg. „Meins.“ Fauchte sie und futterte den Raben. Sie blieben noch eine Weile sitzen. Es war langsam dunkel. „So, dann wollen wir mal wieder zurück und Tiberius sagen, was wir alles gefangen haben.“ Meinte Rocca, balancierte ohne Probleme mit ihren hohen Absätzen auf einem dünnen Ast, schlug ein kunstvolles Rad und hüpfte auf einen Ast, der drei Meter entfernt war. „Na los!“ forderte sie die anderen auf, die träge aufstanden und ihr hinterher sprangen. Tiberius war erfreut zu hören, wie erfolgreich sie gewesen waren und strich ihnen einmal über den Kopf, als wären sie Hunde und er ihr Herrchen. Ausnahmsweise mal ausgeschlafen saßen alle beim Frühstück. Serafina saß bei Luca auf dem Schoß und ließ sich die Zeitung vorlesen. Wieder gab es einen Bericht, dass ein Mann mit rausgerissenem Herzen im Wald vor Everdeen gefunden wurde. Rocca hatte nur verräterisch gegrinst, als Luca das vorgelesen hatte. Serafina war aber auch so klar gewesen, dass es Rocca gewesen war. Wer denn sonst? Charlette war nur am Blut interessiert und bei Rya war sie sich nicht ganz sicher, denn sie spielte schließlich nur Ego-Shouter und sowas. Sie redete einfach nicht viel, war aber trotzdem sehr nett. Aber sie traute es Rya auch nicht unbedingt zu, ihren Opfern das Herz rauszureißen. Das passte viel Eher zu Rocca, die ja schon beim Frühstück Alkohol trank. Nur betrunken hatte Serafina sie noch nie erlebt. „…Die Polizei geht von einem wilden Tier in der Gegend aus. Weiteres ist noch nicht bekannt.“ Endete Luca und klappte die Zeitung zu. „Meine Güte, Rocca, muss das immer sein?“ er schüttelte den Kopf. Rocca zuckte die Schultern und sah dann Tiberius an, der seine Hand auf ihre legte und sie kurz tätschelte. „Du kannst mit deinen Opfern tun und lassen, was immer die gefällt.“ Lächelte er fies. Er freute sich wohl insgeheim, dass eine seiner Schülerinnen so barbarisch sein konnte. Luca seufzte. „Na, wie auch immer.“ Er sah zu Serafina hinunter. „Es wäre mir sehr recht, wenn du deinen Opfern nicht das Herz rausreißt und dann mitnimmst, ok?“ Serafina, die ihn mit großen Augen ansah, nickte nur. „Und wie sieht‘s mit dem Hirn aus?“ fragte Charlette und grinste. „Müsste ganz gut schmecken, wenn’s gegrillt ist.“ „Von den Gehirnen lässt du auch die Griffel, klar?“ fragte Luca und sah Serafina prüfend an, die wieder nickte und sich dann lächelnd an ihn lehnte. Auch wenn sie sich erst gut eine Woche kannten, mochte sie ihn sehr. Er war sowas wie ein Vaterersatz für sie. Vielleicht auch ein großer fürsorglicher Bruder. Sie fühlte sich schon richtig zuhause in dem großen Schloss. Da waren nur diese Träume, die einfach nicht aufhörten. Es war komisch, aber letzte Nacht hatte sie ausgezeichnet geschlafen. Lag es daran, dass sie am Abend zuvor „Sport“ gemacht hatten? Sie wusste es nicht. Sie hoffte nur, dass diese Träume jetzt ein für alle Mal aufhörten. Der letzte Traum, den sie gehabt hatte, war mitunter der Schlimmste gewesen. Sie lag wieder auf diesem Metalltisch, es war kalt um sie herum und dunkel. Sie konnte sich wieder nicht bewegen. Die Person, die bei ihr war, hatte die ganze Zeit gelacht und irgendwas von einer Armee gefaselt, die er aufbauen würde, wenn er genug Gift hätte. Mehr hatte sie nicht verstanden. Er hatte immer nur Bruchstücke gebrabbelt und zwischendrin immer wieder schief gekichert und schon fast gekreischt vor Lachen. Dann war hatte sie wieder kalte Hände auf ihrem Körper gefühlt. Er hatte über ihre Schultern und den Hals gestrichen. Dann war er mit etwas, das sich angefühlt hat wie ein Permanentmarker über ihre Haut gefahren. Sie hatte sogar den alkoholischen Geruch des Markers gerochen. Er hatte von ihrer Kehle bis runter zum Bauchnabel gemalt, dann war für einen Moment Stille gewesen, bis sie hörte, wie sich ein metallischer Gegenstand bewegte. Er hatte wohl etwas aufgehoben. Ein Messer, denn im nächsten Moment stach er in ihre Kehle. Sie fühlte sich, als würde sie ersticken. Es war schrecklich. Sie hielt den Schmerz nicht aus und war weg. „Was ist los?“ fragte Luca und stupste ihre Nase an. Sie sah zu ihm hoch. Er hatte wohl bemerkt, dass sie nachdachte. Sie lächelte ihn an. „Nichts.“ Sagte sie und sprang von seinem Schoß. Luca stand auf. „Na dann. Ich bin oben, wenn ihr mich braucht.“ Er verließ das Esszimmer. Tiberius erhob sich ebenfalls und ging, nachdem er sagte: „Heute beginnen wir mit Vampirmagie.“ Die Mädchen blieben alleine im Esszimmer zurück. Charlette reckte die Nase und schnüffelte in die Luft. „Sagt mal, riecht ihr das auch?“ fragte sie die anderen. Rya wandte sich von ihrem Nintendo ab und schnupperte auch mal. „Ja.“ Sagte sie und legte den DS weg. Rocca zog auch mal die Luft ein und ihr Gesichtsausdruck erhellte sich von einer Sekunde auf die Andere. Serafina roch es auch. Es war ein Mensch, da war sie sich ganz sicher. Sie sah die anderen an. Charlette war schon aufgestanden. Ihre Augen waren schwarz und sie fletschte die Zähne. In der nächsten Sekunde war sie auch schon in der Eingangshalle und zog die Tür auf. Die anderen drei Mädchen sofort hinterher. Instinktiv hielten Rya und Serafina die wilde Charlette an den Armen fest, aber sie schafften es nicht, sie in der Eingangshalle zu halten. Charlette zog sie mit auf den Hof. Zehn Meter weiter betrat der Postbote gerade das Gelände. Rocca war ebenfalls draußen, um die Lage zu überblicken. Verwirrt sah der junge Mann die vier Mädchen an. Sein Blick blieb an Charlette heften, die versuchte sich von den anderen beiden loszureißen. Er erstarrte auf der Stelle, als er ihre Augen, die Zähne und die Krallen sah. „Rocca, wir können sie nicht halten!“ rief Serafina und zerrte Charlette zurück, die sich mit Händen und Füßen sträubte. Sie fauchte und knurrte wie ein Tier. „Zu spät.“ Sagte Rocca ernst und erreichte Blitzschnell das Tor, um es zu schließen, bevor der Postbote sich dazu entscheiden konnte, abzuhauen. „Lasst sie los.“ Sofort ließen Rya und Serafina die Arme von Charlette los, die sich in einem Satz auf den Postboten stürmte. Er musste wohl neu in seinem Job sein, denn Luca hatte erzählt, dass die Postboten sich für gewöhnlich nicht auf das Grundstück trauten. Sie brauchten auch keine Post. Ihnen schickte ja eh niemand etwas. Und auf unnötige Werbung konnten sie auch verzichten. Serafina sah kurz zu, bis Charlette ihre Zähne in den Hals des Mannes rammte und dann kräftig die Pulsader durchbiss, dass das Blut nur so floss. Der Mann hatte aufgerissene Augen und keuchte. Er stand starr, aber dennoch sagte sein Blick alles aus. Er wusste schon, dass er starb. Rocca roch das Blut. Es war wohl das frische Blut, das sie mochte und nicht das, was Tiberius abgefüllt im Kühlschrank hatte. Auch Rya wirkte so, als würde sie sich jeden Moment auf den Postboten stürzen. Doch bevor sie den Mann erreichte, war Serafina schon da und biss ihm in den Arm, um dann ein ganzes Stück davon rauszureißen. Rya krallte sich ein Bein und zog kräftig daran, dass der Mann umkippte. Rocca, die gerne mit ihren Opfern spielte, zerkratzte dem Mann das Gesicht. Er war ja eh schon tot. Sie stach ihm mit Mittel- und Zeigefinger in die Augen, dass das Blut herausquoll. Charlette nuckelte noch an seinem Hals und zerfetzte währenddessen sein Hemd. Rocca stieß sie bei Seite und fuhr ihm mit den Krallen über die Bauchdecke. Das Blut schoss heraus und sie begann wiedermal ihr Opfer zu sezieren. Rya bearbeitete noch das linke Bein des Mannes und zog einen Knochen heraus. Serafina hielt sich an den Arm, den sie zerfleischte und ein paar Stückchen verspeiste. Hunger hatte sie keinen. Es machte einfach nur Spaß. Charlette schien nie satt zu werden. Sie schlürfte das Blut, als hätte sie seit Tagen nichts mehr getrunken. Rocca drückte auf der Leber herum und wühlte nach dem Herz, das sie schnell fand und sich in die Jackentasche steckte. Plötzlich griff jemand von hinten nach Serafina und zog sie von ihrem Opfer weg. „Schluss jetzt!“ das war Luca. Rya hörte sofort auf, steckte sich irgendwas in die Tasche und klammerte sich dann an Lucas Bein. Rocca hörte sofort auf und lief die Leber in den Bauch zurückfallen. Tiberius hatte Charlette vom Postboten weggerissen und hielt sie jetzt einen halben Meter über dem Boden an sich gedrückt. Auf seiner Schulter saß sein schwarzer Rabe, Abraksas und krächzte wütend. Serafina sah alle an. Die Mädchen waren von oben bis unten mit Blut beschmiert. Sie war wie in Trance gewesen. „Seid ihr jetzt vollkommen durchgedreht?!“ fragte Luca laut und hielt Serafina mit einer Hand um den Bauch. Sie hing praktisch in der Luft. „Ihr könnt doch nicht einfach den Postboten meucheln!“ „Es ging nicht anders. Er hatte schon Charlette gesehen, wie sie verwandelt war.“ Fauchte Rocca und ging zu Tiberius, um sich an seinen Arm zu klammern. „Sie hat recht, wenn ein Mensch einen Vampir sieht, wenn er verwandelt ist, dann muss man ihn umbringen.“ Sagte Tiberius und grinste breit. „Aber es war natürlich falsch, ihn einfach so hier draußen zu töten.“ Jetzt sah er ernst aus. „Er hätte schreien können. Möglicherweise hätte er auch ein Vampirjäger sein können, der euch einen Pflock ins Herz stechen wollte.“ Mahnte er. Rocca schüttelte den Kopf. „Nur der neue Postbote. Er ist selbst schuld, wenn er sich auch auf das Grundstück traut. Er hat es verdient. Er wollte uns Werbung in den Briefkasten stecken.“ meinte sie und sah Tiberius mit einem Blick an, der sagte: „Sei mir bitte nicht böse.“ Tiberius grinste dann nur. „Wunderbar, dann dürfen wir jetzt euer Leergut wegräumen.“ „Also, so wie jedes Mal?“ fragte Rya und sah mit entschuldigenden Kinderaugen zu Luca hoch. „Ja, genauso wie jedes Mal.“ Nickte Luca streng. „Nicht böse sein, bitte.“ Sagte Rya und strich ihm übers Schienbein. Luca seufzte. „Ja…ich bin nicht böse. Aber da jetzt der Unterricht ausfallen muss, habt ihr für zwei Wochen Praxisverbot.“ „Was?“ Rocca sah zu Tiberius. „Das kann er doch nicht ernst meinen. Sag, dass das nicht wahr ist.“ Bettelnd sah sie ihn an. „Doch, so leid es mir tut, meine Kleinen, aber so ist das. Strafe muss sein.“ Er sah Charlette an, die immer noch in Trance versuchte, an die Leiche zu gelangen, und versuchte nach ihm zu greifen. „Und du hast für heute genug.“ Er schüttelte sie kurz, damit sie wieder zu sich kam. Verwirrt sah sie ihn an. „Was ist los?“ „Hast du noch Durst, meine Kleine?“ „Nein, ich glaub nicht.“ Sagte sie und wollte sich gerade nochmal zu der Leiche umdrehen, aber Tiberius wand sich schon zum Schloss. „Nein, nein, du hast wirklich genug.“ Er brachte Charlette und Rocca rein. Luca hob mit der freien Hand Rya vom Boden. Sie und Serafina trug er dann ebenfalls ins Schloss. In der Eingangshalle setzen sie die Vier ab. „Wir müssen jetzt den Postboten in den Wald bringen. Geht euch saubermachen und umziehen. Stellt bloß nichts an, während wir weg sind.“ Sagte Luca, bevor er und Tiberius sich wieder zum gehen umdrehten. „Ja, versprochen.“ Sagten die Kleinen. Rocca war schon mit dem Herz beschäftigt und auf dem Weg nach oben. Charlette leckte sich die Finger ab. Als sie sich umgezogen hatten und frische Klamotten trugen, gingen sie ins Wohnzimmer. Rocca hatte das Herz in ihr Zimmer gebracht. Genaueres wusste Serafina auch nicht. Charlette las ein Buch und Rya spielte ausnahmsweise mal nicht WOW, sondern kaute an einem Knochen. Serafina überlegte. Sie hatte noch den Geschmack des Bluts im Mund. „Rocca, was für einen Blutgruppe hatte der Postbote?“ fragte sie. „AB-negativ.“ Sagte Charlette sofort, ohne von dem Buch aufzublicken. „Jap, genau.“ Stimmte Rocca zu und verschwand ganz kurz in der Bar, um sich eine Flasche Wodka zu hohlen. „Das hat komisch geschmeckt.“ Meinte Serafina. Charlette zuckte die Schultern und blätterte um. Rya knabberte weiter an dem Knochen. „Ja, das ist der Beigeschmack des Todes.“ Sagt Rocca und lacht. Kapitel 4: #4# -------------- Kapitel 4 Schrei! Die Uhr schlug zwölf und Serafina war vollkommen regungslos. So verlief das immer. Es verging so gut wie keine Nacht, in der Serafina nicht um Punkt zwölf in einen derart tiefen Schlaf versank, dass nicht einmal ein Bombeneinschlag sie hätte wecken können. Sie hörte, sah, spürte, fühlte, roch und schmeckte nichts. Ihre Sinne waren ausgeschaltet. Nicht einmal denken konnte sie noch. Sie war wie in Trance. Alles um sie herum war so unwirklich. Einzig in ihrem Traum konnte sie noch ihre Sinne einsetzen. Jedenfalls glaubte sie das, denn da sie schlief, konnte sie sich da ja auch nicht ganz sicher sein. Dunkelheit und Kälte umhüllten sie. Alles war schwarz. Sie hörte und sah nichts. Ihr war bitterkalt, doch sie fand keinen Ausweg. Sie fühlte sich wie im Nichts. Einzig und alleine die Leere war bei ihr. Schwebte sie über dem Boden, oder lag sie irgendwo und war dabei zu sterben? Sie fühlte sich nicht lebendig, aber auch nicht tot. Es war irgendetwas, das dazwischen lag. Aber ging das überhaupt? Halbtot sein, oder halb lebendig? Wahrscheinlich nicht, aber was sollte Serafina tun? Sie war gefangen in diesem Nichts. Aber da war etwas, sie spürte es ganz deutlich. Nein, sie hörte etwas. Jemand kicherte. Da war jemand, aber wer? Sie sah nichts. Das Kichern wurde lauter, vielleicht kam es aber auch einfach nur näher. Serafina hatte Angst. Große Angst. Was passierte hier? Wieso passierte es? Und wer war dafür verantwortlich? Sie wollte schreien, doch es funktionierte nicht. Sie hörte die Schreie, doch aus ihrem Mund kam kein Ton. Dafür wurde das Kichern immer stärker. Bald wurde das Kichern zu einem verzerrten Lachen. Zu einem sehr lauten, fiesen und krächzend verzerrtem Lachen. Sie bekam Gänsehaut, jedenfalls glaubte sie das. Kalte Finger streiften über ihren Arm, also war da jemand. Da musste jemand sein, denn sie konnte sich das doch nicht einfach einbilden. Serafina versuchte sich zu bewegen, aber es ging nicht. Sie war starr wie ein Brett und so fühlte sie sich im Moment auch. Es war schlimm. Nicht nur, dass sie Todesangst ausstand, nein, sie zerbrach sich auch den Kopf darüber, wer diese Person war. Er kicherte immer noch, ja, es musste ein Mann sein, denn er hatte eine männliche Stimme, auch wenn er etwas verzerrt klang. „Na, na, mein Püppchen, was sträubst du dich denn so?“ fragte er krächzend. Wieder versuchte Serafina aus aller Kraft zu schreien. Vergeblich. Sie hörte nur das weit entfernte Geschrei. Sie wusste nicht genau, ob es ihr Geschrei war, aber sie glaubte es. „Du süßes kleines Püppchen, du brauchst dich doch nicht zu während.“ Kicherte der Mann. Wieder spürte sie kalte Finger auf ihrer Haut. Diesmal auf ihrem Bauch. Sie musste sich konzentrieren. Sie musste ihren eigenen Willen über ihren Körper zurück bekommen. Wenigstens über ein kleines Stück von sich selbst. Wenn sie doch nur sehen konnte. Mit aller Kraft zwang sie sich ihre Augen zu öffnen. „Na, was machst du denn da? Willst du etwas was sehen?“ kicherte der Mann schief. Es hörte sich wirklich krank an. Sie kreischte und versuchte dabei ein Ja herauszubekommen, was irgendwie missglückte. „Dann wollen wir doch mal gucken, ob du was sehen kannst.“ Gluckte er. Darauf folgte ein unpassendes, krankes, schiefes und einfach blödes Lachen. Der Mann tippte Serafina auf die geschlossenen Augenlieder und als er die Hände wegnahm, schlug Serafina hastig die Augen auf. Es hatte tatsächlich funktioniert. Sie blinzelte ein paar Mal, da das Licht einer gellen Lampe über ihr sie fürchterlich blendete. „Hallöchen, Püppchen.“ Kicherte der Mann. Serafina blinzelte durch das grelle Licht und erkannte eine Maske. Eine Clowns-Maske. Er sah schräg aus, wie sie fand. Mehr als die Maske konnte sie nicht sehen, beziehungsweise, konnte sie schon, nämlich massenhaft gruselig aussehende OP-Werkzeuge. Jetzt war ihr schlecht. Sie befand sich offenbar in einem Operationssaal. Sie wollte weg und bewegte instinktiv ein Bein. Es klappte tatsächlich. Sie konnte sich bewegen. Sie sah ihren Körper an und bemerkte mit Schrecken, dass sie komplett nackt war. Sie fühlte auch keine Kleidung an sich. Sie trug nichts! Diesmal versuchte sie erst gar nicht zu schreien. Es funktionierte ja eh nicht, wie sie dachte. Sie wollte weg. Einfach nur weg. Sie richtete sich auf, denn sie hatte gelegen, was sie auch erst in diesem Moment bemerkte. „Na, na, wo willst du denn hin?“ lachte die Maske fies und schubste Serafina unsanft zurück. Sie merkte, dass sie auf einem Metalltisch lag, als sie den Kopf wandte. Ein harter, kalter und ungemütlicher Metalltisch. Die Maske griff nach ihren Handgelenken. Es schmerzte, denn er packte ziemlich fest zu. Kurzerhand schnallte die Maske Serafina an den Tisch. „Haha! Jetzt wollen wir doch mal gucken. Sieh genau hin.“ Kicherte die Maske und zeigte Serafina eine, für ein kleines Mädchen, riesige lehre Spritze. Sie riss die Augen weit auf und versuchte sich zu bewegen, doch die silbernen Handschellen hinderten sie daran. Die Maske lachte unverhohlen und setzte die Spritze an ihrem Bauch an. Der Einstich erfolgte schnell. Sie spürte die Nadel, die sich in ihren Bauch bohrte. Ihr wurde übel, als die Maske die Spritze voll mit Serafina's Blut sog. Der Schmerz übermannte sie und sie konnte nicht anders, als einfach zu schreien. Es klappte. Sie konnte ihren Mund öffnen und schreien. Ihre Schreie waren in ihrer Nähe, sie kamen tatsächlich aus ihrem Mund und sie waren laut. Es war beinahe unmöglich, dass niemand sie hörte. Oder? „Ja, schrei, mein Püppchen.“ Lachte er. „Schrei!“ Kapitel 5: #5# -------------- Kapitel 5 Glaub dran! Die Tür schwang auf und herein kam Tiberius, auf seiner Schulter saß sein schwarzer Rabe Abraksas. „Guten Morgen, meine Süßen.“ Begrüßte er die Mädchen, die bereits seit zehn Minuten gelangweilt auf ihren Plätzen saßen. „Morgen.“ Murmelten die vier und starrten weiter gelangweilt die Tafel an, die für sie wohl der spannendste Gegenstand im Klassenzimmer darstellte. Mit wehendem Mantel schritt Tiberius hinter sein Pult und stellte dort seine Tasche ab. „Verzeiht mit bitte die Verspätung, meine Engelchen, aber es ging nicht früher.“ Abraksas flog von Tiberius‘ Schulter und über den Kopf von Rocca hinweg, die nach ihm schnappen wollte, der Rabe aber noch schnell genug auswich, bevor die messerscharfen Krallen von Rocca ihn trafen. „Ich musste mich noch um ein paar Details wegen eurer gestrigen Postbotenaktion kümmern.“ Seine Stimme klang messerscharf. Die Mädchen blickten auf und warfen sich gegenseitig Blicke zu, die heißen mussten: „Hoffentlich bekommen wir nicht noch eine größere Strafe.“ Rya stopfte irgendetwas tiefer in ihre Tasche, die auf ihrem Schoß lag und setzte einen unschuldigen Blick auf. Tiberius blickte durch die Reihe und Abraksas flog über ihre Köpfe, was Rocca ungemein störte. „Es gab da ein Problemchen mit der Leiche. Der Knochenbau war nicht vollständig. Um genau zu sein fehlt der Schienbeinknochen.“ Jetzt blieb sein Blick auf Rya hängen, die etwas mehr unter den Tisch rutschte. „Rya.“ Mahnte er. Sie tauchte unter dem Tisch hervor und rollte die Augen, während sie in ihre Tasche griff und besagten Knochen herauszog, um ihn Tiberius entgegenzuwerfen, der ihn gekonnt mit einer Hand auffing. „Danke.“ Zischte er kühl und legte den Knochen auf den Tisch neben die Tasche. „Dann lasst uns jetzt mal mit dem Unterricht anfangen. Wir beginnen heute mit Mythologie und machen später weiter mit eurem Lieblingsfach: Mathematik.“ Grinste er fies. Ein allgemeines und sehr mies gelauntes Raunen ging durch den Raum, was Abraksas dazu brachte, laut zu Krähen. Das wiederum regte Rocca derart auf, dass sie nach ihm schlug und ihn beinahe am Flügel traf, weshalb Abraksas dann nach ihr schnappte und krähte. „Rocca!“ herrschte Tiberius sie an und warf ein Stück Kreide nach ihr, die nur knapp ihren Kopf verfehlte. „Würdest du bitte dein Buch auf Seite fünfhundertsieben aufschlagen und mir den ersten Absatz vorlesen?“ „Klar.“ Murrte sie und zog ihr Buch aus der Tasche, um es sogleich auf den Tisch zu knallen und auf genannter Seite aufzuschlagen. Sie räusperte sich dann kurz und begann zu lesen. „Mythologie und Geschichte der Vampire. Tief verwurzelt in Sagen und Volksmärchen sind sie allgegenwärtig. Man findet sie in der Geschichte vieler Länder. Angefangen von China, Indien, Deutschland bis nach Mexiko. Der Vampir als gelungene Projektion unserer Urängste; ein Wesen mit gewaltigem theologischem, philosophischen und psychologischem Tiefgang.“ „Danke, Rocca.“ Sagte Tiberius und stützte sich an der Tischkannte ab. „Das, meine Kleinen, ist ein, von einem Sterblichen verfassten, Textabschnitt. Was sagt uns dieser Textabschnitt, in dem wir ja sehr deutlich als Mythos und Projektion menschlicher Ängste beschrieben werden?“ fragte er die vier, die immer noch gelangweilt geradeaus starrten. Niemand schien die Antwort zu wissen, denn Charlette streichelte sehnsüchtig den Kühlschrank neben ihrem Tisch und schien gar nicht zuzuhören, Rya stierte an die lehre Tafel, Rocca ärgerte sich im Stillen über Abraksas und Serafina sah aus dem Fenster, wo sie ein Eichhörnchen beobachtete, das auf den vertrockneten Bäumen im Vorgarten rumhüpfte. So richtig schien also niemand zuzuhören und das gefiel Tiberius so gar nicht. „Serafina, was sagt und dieser Textabschnitt?“ knurrte er. Serafina drehte müde den Kopf zu ihm. Sie musste die ganze Zeit an den verwirrenden Traum denken, den sie gehabt hatte. Ein Mann mit Maske hatte sie gefangengenommen und auf einen Metalltisch gekettet. Er hatte ihr Blut abgenommen und sein widerliches Kichern ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Einen solch schrecklichen Traum hatte sie noch nie gehabt. Am merkwürdigsten fand sie, dass sie sich plötzlich bewegen, sehen und schreien konnte. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein feuchter Wattebausch und ihre Augenlieder fielen ihr andauernd zu. „Serafina, hast du zugehört?“ forschte Tiberius gereizt nach. Automatisch schüttelte sie den Kopf. „Na schön…“ knurrte er. „Zur Strafe für euer unglaubliches Verhalten, werdet ihr eine weitere Woche ohne praktischen Unterricht auskommen müssen.“ Setzte er fest und plötzlich waren alle hellwach. „WAS?“ stieß Charlette spitz aus und sprang von ihrem Platz auf.„Das kannst du doch nicht ernst meinen.“ Schmollte sie mit großen Augen, was Tiberius dazu brachte, unmerklich zu grinsen. „Drei Wochen ist viel zu viel.“ „Ja, Tiberius, das kannst du uns doch nicht antun.“ Schmollte jetzt auch Rocca und verschränkte die Arme vor der Brust. „Doch, doch, meine Kleine. Strafe muss sein.“ Grinste er und wand sich der Tafel zu, um mit Mathematik zu beginnen. „Und wenn wir jetzt ganz lieb mitmachen?“ fragte Serafina mit großen Augen. Tiberius drehte sich zu ihr um und musterte die Kleine kurz. Er überlegte. Serafina versuchte ihren Blick noch niedlicher zu gestalten, damit es Tiberius schwerer fiel Nein zu sagen. „Mm…“ überlegte er. „Bitte.“ Flehten Serafina und Charlette. Rya hielt sich raus und sah nur zu. „Ähm…“ ließ Tiberius sie weiter zappeln. „Ach, Tiberius, bitte.“ Bettelte Rocca mit Schmollmund. „Lass mich kurz nachdenken – nein.“ Gab er dann die Antwort. Trotzig ließ Charlette sich wieder auf ihren Platz fallen. Die Stimmung war gespannt. Alle saßen beim Frühstück im Esszimmer. Serafina rührte in ihrem Müsli herum. Seit zwei Wochen hatte sie kein Blut mehr zu sich genommen und sie fühlte sich leer und trocken, als hätte sie jemand wie ein nasses Handtuch ausgewrungen. Sie hatte an diesem Morgen nicht einmal Igor beachtet, der sie damit ärgerte, dass er ihr über den Kopf strich, was ihr für gewöhnlich so sehr Angst machte, dass sie auf Lucas Schoß sprang und sich an ihm festkrallte. Niemand sagte etwas, es war einfach nur still. Tiberius saß am Kopf des Tisches und blätterte in der Zeitung. Luca schlürfte seinen Kaffee und Rya spielte an mit ihrem Nintendo. Rocca funkelte Tiberius böse an, der sie nicht beachtete und Charlette schlitzte die Tischdecke mit ihren Fingernägeln auf, da sie unglaublichen Blutdurst hatte und ihre Augen schwarz wie die Federn von Abraksas waren. Tiberius räusperte sich und klappte die Zeitung zu. „Nun denn, ich gehe jetzt ins Klassenzimmer.“ Er stand auf und verließ das Esszimmer, wobei Rocca ihn mit bösen Blicken durchbohrte. Die Tür schloss sich hinter ihm und Rocca griff nach einer Wodkaflasche, um sie dann auch gleich auf ex zu trinken. Luca stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch und sah dann Serafina an, die ihren Kopf auf die Hand stützte und mit der freien Hand ihre Müslischale auslöffelte. „Fehlt dir etwas, meine Kleine?“ fragte er. „Mm…Durst.“ Murmelte Serafina, ohne ihn anzusehen. „Dann trink doch was.“ Meinte Luca grinsend. „Blutdurst.“ Knurrte Serafina leise und steckte ihre Zunge dann in die Milch in ihrer Müslischüssel, um sie auszuschlürfen, was aber nur kläglich funktionierte. „So schlimm?“ gluckste Luca. „Ja…“ murrte Serafina und befasste sich wieder mit der Milch. Luca lachte leise. Rya stand ohne ein Wort auf und verließ das Esszimmer, wahrscheinlich um im Wohnzimmer WOW zu spielen. Rocca verzog sich daraufhin ebenfalls. Wo sie hinging war ja irgendwie klar. Sie hielt sie schließlich täglich in der Bar auf. Charlette hatte sich unterdessen auf ihrem Stuhl umgedreht und kaute an der Rückenlehne, um sich abzuregen. Serafina leckte den letzten Tropen Milch aus der Schale und biss dann in den Rand der Schale. Sie hob sie mit dem Mund hoch und pfefferte sie zur Seite. „Finachen, muss das sein?“ fragte Luca belustigt und sah zu, wie Serafina auf den Tisch kletterte und begann alles runterzuschmeißen.„Mach Igor doch nicht noch mehr Arbeit.“ Lachte er und stand dann auf, um Serafina eine Tasse aus der Hand zu nehmen und sie dann vom Tisch zu heben. Die Tasse stellte er zurück auf den Tisch und verließ mit Serafina unter dem Arm das Esszimmer. Auf der vierten Stufe der Treppe setzte er sie ab und tätschelte ihr den Kopf. „Sei so gut und mach nichts kaputt. Ich gehe kurz zu Tiberius und bespreche etwas mit ihm, ok?“ Serafina sah ihn gespielt böse an und nickte dann. Sie folgte Luca mit ihren Augen, bis er um die Ecke verschwunden war und ließ sich dann nach vorne auf den Boden plumpsen, wo sie sich dann herumrollte. Plötzlich stieg ihr ein merkwürdig bekannter Geruch in die Nase. Sie wartete ein paar Sekunden und überlegte, was es sein könnte. Dann wurde der Geruch stärker und es war ihr schlagartig klar. Das war sie roch war eindeutig Menschenblut. Sie schien aber nicht die einzige gewesen zu sein, die ein Opfer witterte, denn einen Augenblick später stand Charlette an der Tür. Auch Rocca und Rya kamen blitzschnell dazu. Serafina sprang ebenfalls schnell zur Tür. Charlette rüttelte an der Türklinke, aber die Tür war abgeschlossen. Tiberius hatte extra Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit so ein Vorfall, wie mit dem Postboten nicht noch einmal passieren konnte. „Mann, ich hab Durst!“ kreischte Rocca und trat mit dem Absatz ihres Schuhs gegen die Tür. „Geh auf, du scheiß Tür!“ Charlette zerrte weiter an der Türklinke. Rya biss in den Türrahmen. Bei Serafina schalteten sich nun die Gedankengänge ab und sie begann wild an der Tür zu kratzen. Rocca fluchte laut vor sich hin und versuchte die Tür einzutreten, denn der Geruch des Blutes kam immer näher. Es war ein grauenhaftes Gefühl für Serafina in einem Haus eingesperrt zu sein, wenn das Opfer doch da draußen war. Sie trennte doch nur eine Holztür! Serafina kratzte weiter an der Tür. Rya versuchte Stücke aus dem Türrahmen zu beißen, aber es funktionierte nicht. Rocca kam mit ihren Tritten auch nicht weiter, genauso wenig wie Charlette, die sich mit ihren Füßen an der Tür ab stemmte und an der Klinke zerrte. „Hört sofort auf damit!“ brüllte Tiberius von der Treppe aus und war sofort zur Stelle, um Charlette von der Tür wegzuziehen, die versuchte sich seinem festen Griff zu entwinden. Erfolglos. Mit der freien Hand riss er auch Rocca am Arm von der Tür weg. Luca kam schnell dazu und zog Serafina und Rya an sich. „Schluss jetzt!“ bellte Tiberius. Sie verfrachteten die Mädchen ins Esszimmer, wo sie sie auf dem Sofa absetzten. Mit verschränkten Armen stellen sie sich vor die vier und sehen sie streng an. „Seid jetzt ruhig.“ Herrschte Tiberius sie an. „Wir werden jetzt nachsehen, wer diese Person ist und ihr werdet schön hier sitzen bleiben und warten, bis wir zurück sind, verstanden?“ fragte Luca. Alle nickten mürrisch. Es klingelte. „Ich gehe schon!“ krächzte Igor aus dem Flur, aber Luca und Tiberius waren schneller und erreichten die Tür früher. Die Mädchen hörten genau hin, was sie sagten. „Guten Tag, Mr. Alucard.“ Sagte eine Frauenstimme, die Serafina viel zu bekannt vorkam. „Miss Sunshine…“ flüsterte sie mehr ungewollt, aber trotzdem hörten die anderen es und sahen sie an. „Wer ist Miss Sunshine?“ fragte Rocca und bleckte sich die Zähne. Sie grinste böse. „Miss Sunshine war meine Erzieherin im Kinderheim.“ Flüsterte Serafina und achtete weiter auf jedes Wort, was draußen gesagt wurde. „Mm…das riecht nach A-negativ.“ Charlette fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Rya baute ihren Frust ab, indem sie in WOW einen Haufen Monster killte. „Lecker…Mann, hab ich einen Durst, ich würde sogar eine Ratte ausnuckeln, wenn ich doch nur eine finden würde.“ Charlette ließ die Zunge aus dem Mund hängen und hechelte wie ein Hund. „Darf ich Serafina dann kurz sehen und fragen, wie es ihr geht?“ hörten sie Miss Sunshine aus dem Flur fragen. „Aber natürlich.“ Antwortete Luca. „Warten Sie doch bitte einen Moment, ich werde sie holen.“ Ein paar Sekunden später öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer und herein kam Luca. Alle sahen ihn gespannt an. „Serafina, draußen wartet Miss Sunshine auf dich. Du weißt ja sicherlich noch wer das ist, oder?“ „Ja, klar.“ Kam die Antwort sofort von Serafina. „Dürfen wir sie essen?“ fragte Charlette hechelnd. Diese Frage interessierte auch Rya, die ihr Spiel stoppte und Luca ansah, als wäre er die Antwort auf all ihre Fragen. Dieser schüttelte dann aber den Kopf. „War ja klar. Nie dürfen wir bekannte Leute essen.“ Meckerte Rocca. „Sie soll ja auch nicht gegessen werden, sie war schließlich meine Erzieherin.“ Fauchte Serafina. „Jaja.“ Rocca rollte die Augen. „Serafina, sie will dich sehen und fragen, wie es dir geht.“ Sagte Luca. Serafina nickte, stand vom Sofa auf und folgte ihm nach draußen in die Eingangshalle, wo Miss Sunshine in der Nähe von Tiberius stand und etwas ängstlich dreinblickte. Sie fühlte sich wohl nicht so ganz wohl in diesem Schlösschen. „So, da haben wir die Kleine.“ Lächelte Tiberius die junge Frau an. „Serafina, wie nett dich mal wiederzusehen, wie geht es dir denn hier? Fühlst du dich wohl hier? Hast du dich schon mit den anderen Kindern angefreundet? Sind auch alle nett zu dir?“ Miss Sunshine bombardierte Serafina sofort mit Fragen. Sie wollte dieses Gespräch wohl möglichst schnell über die Bühne bringen und sich dann schleunigst vom Acker machen, vermutete Serafina. Sie klammerte sich an Lucas Bein und sah Miss Sunshine an, als hätte sie lieber, wenn sie schnell die Fliege machte. So war es auch, denn sie wollte weder von ihr ausgefragt werden, noch, dass die anderen Vampire sich plötzlich auf sie stürzten. „Mir geht’s gut.“ Murmelte Serafina. „Ja? Na, das ist ja fabelhaft, Kind.“ Sagte Miss Sunshine übertrieben freundlich. „Gefällt es dir denn auch hier in diesem…gemütlichen Schloss?“ Serafina nickte. „Wunderbar, Kind. Kümmern sich denn alle gut um dich?“ „Ja.“ Sagte Serafina leise. „Schön, Kind. Magst du mir nicht mal alle vorstellen?“ fragte Miss Sunshine, weil es ihre Pflicht war, alle Familienmitglieder zu kennen. Serafina sah zu Luca nach oben. „Es ist vielleicht gerade ein ungünstiger Zeitpunkt.“ Meinte er ausweichend. „Ach, wirklich? Sind die Kinder denn nicht da? Es ist doch Samstag.“ Meinte Miss Sunshine verwirrt. „Doch, doch, wir sind hier.“ Flötete Rocca und kam zusammen mit Charlette und Rya aus dem Wohnzimmer. „Und du bist?“ fragte Miss Sunshine zuckersüß. Sie musste so nett sein, das wusste Serafina ganz genau. Rocca lächelte überfreundlich. „Mein Name ist Rocca, Madam.“ Antwortete sie höflich und hielt ihre Schwester unmerklich an der Schulter fest. Charlette schaffte es, sich selbst zurückzuhalten und ging zu Tiberius rüber, um sich an seinem Mantel festzuklammern. „Das hier ist meine kleine Schwester Rya.“ Sie strich Rya über den Kopf. „Hallo.“ Sagte Rya leise und winkte leicht. „Und ich bin Charlette.“ Grinste eben diese und hielt sich an Tiberius fest, der seine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. „Sehr erfreut.“ Lächelte Miss Sunshine künstlich. Sie lächelte immer so, wenn sie jemanden oder etwas nicht mochte, das aber nicht zeigen oder einfach überspielen wollte. Serafina kannte Miss Sunshine gut und sie wusste auch, dass sie immer ihr Handy griffbereit hatte, wenn sie nervös war. „Nun.“ Sagte Miss Sunshine und wusste nicht genau, was sie jetzt sagen sollte. „Ähm…“ „Vielleicht wollen Sie sich noch etwas hier umsehen?“ fragte Tiberius freundlich. „Oh, ähm, ja. Das sollte ich schon tuen. Ich muss mich ja schließlich ein wenig mit Serafinas neuem Umfeld bekannt machen.“ Stammelte die Frau. Serafina sah zu Charlette herüber und bemerkte sofort, dass ihre Augen sich wieder schwarz färbten. Schnell sah sie zu Miss Sunshine herüber, die das anscheinend oder besser gesagt, zum Glück noch nicht bemerkt hatte. Sie drehte sich zu Rya und Rocca um und bemerkte mit aufsteigender Nervosität, dass auch ihre Augen langsam wieder schwarz wurden. Vielleicht hatte ja sogar sie selbst schon schwarze Augen. Sie zupfte an seinem Hemd, sodass er zu ihr runter guckte. Sie zuckte mit dem Kopf in Richtung Charlette, sodass er sie ansah. An seinem Gesichtsausdruck konnte sie sehen, dass er sich etwas überlegte. Sie hätte nur zu gerne gewusst, was er dachte. Er schien mit Tiberius die Gedanken auszutauschen, denn dieser sah kurz zu Charlette runter und bemerkte ebenfalls, dass sie schwarze Augen hatte. Er nickte Luca zu, als Zeichen, dass er verstanden hatte. Miss Sunshine sah sich unterdessen schon mal in der Halle um. Als sie damit fertig war, viel ihr Blick auf Rya und Rocca, die grinsten und – wahrscheinlich ungewollt – ihre spitzen Zähne zeigten. Miss Sunshine erstarrte bei diesem Anblick. Die schwarzen Augen musste sie wohl auch bemerkt haben. Das blieb zum Glück Tiberius und Luca nicht unbemerkt und so versuchten sie schnell von den Mädchen abzulenken. „Miss Sunshine, wollen sie sich nicht vielleicht erst mal ins Wohnzimmer setzen und eine Tasse Tee trinken?“ fragte Tiberius und stupste Charlette in Richtung Esszimmer. „Ja, oder wollen Sie nicht einfach noch zum Essen bleiben?“ fragte Charlette grinsend und ging dann zum Esszimmer. Auch sie zeigte ihre Zähne, allerdings war das ihre Absicht, vermutete Serafina. Miss Sunshine war bleich vor Entsetzen. „Äh…“ stammelte sie und deutete mit einem Finger auf Charlette, die im Esszimmer verschwand. „Ist etwas, Madam?“ fragte Tiberius und nahm die Frau am Arm, um sie ins Wohnzimmer zu führen. „Kommen, Sie. Hier entlang. Der Tee wird bald fertig sein.“ Tiberius schloss hinter sich die Tür. „Ja, hier wird auch gleich noch was anderes richtig fertig sein.“ Lachte Rocca leise. „Kommt mit.“ Sagte Luca und zog Serafina ins Esszimmer. Die anderen beiden folgten. Schnell kam Tiberius dazu und schloss eilig die Tür. „Justen, wir haben ein Problem.“ Grinste Charlette und klammerte sich wieder an Tiberius. „Hat sie bemerkt, dass wir Vampire sind?“ fragte Serafina und hielt Lucas Handgelenk mit beiden Händen fest. Rocca rollt die Augen. „Natürlich hat sie das bemerkt, es wäre ein Wunder, wenn nicht.“ Meinte sie und nahm sich eine volle Flasche Rotwein aus dem Weinregal an einer der Wände des Esszimmers. „Und was machen wir jetzt?“ fragte Serafina und sah Luca nervös an, der sie beruhigend anlächelte. „Happa, happa.“ Meinte Rya ausdruckslos und hielt demonstrativ Messer und Gabel hoch. Mit aufgerissenen Augen starrte Serafina Luca an. „Das geht doch nicht! Sie war meine Erzieherin.“ Protestiert sie. Luca tätschelt ihr den Kopf, wie den eines Hundes. „Also, meine Kleinen, was haltet ihr von einer kleinen Jagt?“ fragte Tiberius lachend. „Aber…“ setzte Serafina an. Die anderen waren hellauf begeistert und bleckten die Zähne. „Jetzt mal ehrlich, Fina, mochtest du diese Miss S oder nicht?“ fragte Rocca ungeduldig. Serafina überlegte. Eigentlich hatte sie Miss Sunshine noch nie wirklich gemocht, aber gehasst auch nicht. Sie konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Oder doch? „Naja, nein.“ Gab sie letztendlich ihre Antwort. „Aber fällt das nicht auf?“ fügte sie schnell noch dran. „Mann, hast du jetzt Durst oder nicht?“ fauchte Charlette und wetzte ihre Fingernägel an einem Vorhang. „Schon, aber…“ „Es wird nicht auffallen, wenn wir sie am Waldrand ablegen, als wäre sie von einem Tier angegriffen worden.“ Meinte Luca. „Ja, denn die Tiere in den Wäldern von Blacksburg sind zurzeit wirklich nicht zu zügeln.“ Lachte Charlette und bereitete sich mit ein paar kleinen Dehnübungen auf die bevorstehende Jagt vor. „So wie immer also.“ Stellte Serafina fest. „Es ist eben ein Spiel.“ Lachte Charlette noch ein bisschen fieser und warf sich die Haare zurück. Die vier lauschten an der Wohnzimmertür, hinter der Miss Sunshine auf dem Sofa saß. Sie hörten leises Gemurmel. „Wieso funktioniert das denn nicht?“ fragte Miss Sunshine sich selbst. „Gibt es hier denn nirgendwo empfang?“ „Was macht sie?“ fragte Rya leise. „Polizei ordern.“ Flüsterte Rocca. „Geht doch nicht, sie hat keinen Empfang.“ Zischte Charlette. „Ich werde noch wahnsinnig.“ Murmelte Miss Sunshine. „Oh ja…“ murrte Rocca. „Ich auch, wenn ich nicht bald was zwischen die Beißer bekomme.“ „Ich glaube, sie hat jetzt lange genug gewartet.“ Meinte Charlette böse grinsend. Alle anderen nickten, auch wenn Serafina leicht zögerte. Tiberius und Luca traten hinter sie. Die vier drehten sich zu den beiden Männern um, die beide böse grinsten. „Lasst die Jagt beginnen.“ Meinte Tiberius und begann zu lachen. Kapitel 6: #6# -------------- Kapitel 6 Glaub dran! Charlette trat die Tür zum Wohnzimmer auf. Die vier traten nebeneinander hinein. Ihre Augen waren rabenschwarz und sie zeigten böse grinsend ihre strahlendweißen und vor allen Dingen messerscharfen Zähne. Miss Sunshine erstarrte. Sie saß auf der Sofakannte und hatte bis vor ein paar Sekunden noch versucht ihr Handy in Gang zu bringen, was natürlich nicht funktionierte. Sie war in ihrer Bewegung eingefroren, als Charlette die Tür aufgetreten hatte. „Und, was sagen Sie? Wollen Sie vielleicht noch zum Essen bleiben?“ fragte Rocca. „Ähm…nein, das wäre doch wirklich…zu viel des Guten.“ Meinte Miss Sunshine. Serafina roch ganz deutlich ihre Angst. „Wie schade, wir haben nämlich langsam richtig Hunger.“ Charlette fletschte die Zähne. „Aber…“ stammelte Miss Sunshine. „I-ich sollte jetzt wirklich gehen. Ich sehe ja, dass es Serafina hier sehr gut geht.“ Miss Sunshine stand schnell vom Sofa auf. „Sind Sie sich ganz sicher, dass sie nicht doch vielleicht noch etwas länger bleiben wollen?“ fragte jetzt Luca, der plötzlich hinter dem Sofa stand. Tiberius versperrte die Tür zur Bar. Somit waren alle Türen unpassierbar für Miss Sunshine. Miss Sunshine wand sich erschrocken zu Luca. Auch er und Tiberius zeigten ihre Vampirzähne. Auf Tiberius‘ Schulter saß Abraksas und krähte, als würde er lachen. „Machen Sie den Kleinen doch die Freude und bleiben noch ein wenig.“ Sagte Tiberius. „Ähm…aber.“ Hauchte Miss Sunshine und sah von den Männern zu den vier Mädchen. „Das kann doch gar nicht sein…so was gibt es doch gar nicht…“ „Wovon reden Sie, Madam?“ fragte Charlette und tat so, als wüsste sie von nichts. „Diese Zähne und schwarze Augen…“ Miss Sunshine schüttelte schnell den Kopf. Serafina konzentrierte sich auf ihren Herzschlag. Das Herz von Miss Sunshine raste, als würde sie gleich einen Herzinfarkt bekommen. Langsam machte es Serafina Spaß. Sie hatte Miss Sunshine wirklich noch nie leiden können, doch erst jetzt kam sie auf den Gedanken, diese Frau einfach aus der Welt zu schaffen. Der Gedanken gefiel ihr ungemein gut. Miss Sunshine atmete schwer, als würde sie hyperventilieren. „Na los, sagen Sie es.“ Forderte Rocca die Zähne fletschend. „Vampire existieren nicht!“ kreischte Miss Sunshine hysterisch. „Doch.“ Mit einem Satz hockte Rocca auf dem Fensterbrett gegenüber der Tür und hielt sich an den Vorhängen fest. „Das kann nicht sein!“ kreischte Miss Sunshine. Alle anderen lachten und verteilten sich im Wohnzimmer. Charlette ließ sich kopfüber vom Kronleuchter baumeln und schlug mit den Krallen nach Miss Sunshine aus, die schnell auswich. Rya sprang auf das nächste Regal und legte sich wie eine Katze auf die Lauer. Serafina sprang auf den Sofatisch und tigerte dort auf Händen und Füßen hin und her. Tiberius und Luca machten den Weg zur Bar frei. „Na, worauf warten Sie noch, Miss Sunshine?“ fragte Charlette. „Laufen Sie!“ rief Rocca und ließ durch pure Willenskraft die Fenster im Wohnzimmer aufschlagen. Ein heftiger Windstoß kam herein, gefolgt von etlichen schwarzen Raben, die alle wild durcheinander krähten. Miss Sunshine schien endlich begriffen zu haben und rannte los. Sie nahm die Tür zur Eingangshalle und durchquerte diese bis zur Haustür. Abraksas hob von Tiberius Schulter ab und flog den anderen Raben voran Miss Sunshine hinterher. Die Mädchen sahen Tiberius und Luca an, die beide leicht lächelten. „Seid so gut und gebt ihr einen kleinen Vorsprung.“ Meinte Luca. „Fünf Minuten sind sicherlich angebracht.“ Fügte Tiberius hinzu. Die vier nickten und hockten sich an die Wohnzimmertür, um Miss Sunshine zu beobachten, die an der verschlossenen Haustür rüttelte. Die Raben umkreisten sie und ein paar Hackten sogar auf sie ein. Bald gab sie es auf und suchte einen anderen Ausweg. Die Mädchen blieben im Wohnzimmer und warteten die fünf Minuten ab, die ihnen wie Stunden vorkamen. Serafina versuchte sich vorzustellen, wie Miss Sunshine gehetzt und voller Todesangst durch das Schloss rannte und nach einem Ausgang suchte. Wie erbärmlich, dachte sie sich und lachte leise bei dem Gedanken daran, wie Miss Sunshine sich irgendwo versteckte. Jetzt lief sie vermutlich durch den Flur des oberen Stockwerkes. Sie rannte an der Standuhr vorbei und blieb nicht ein einziges Mal stehen. Sie stellte sich vor, dass Miss Sunshine versehentlich im Klassenzimmer nach einem Ausgang suchte. „Zehn…neun…acht…“ riss Luca sie aus ihren Gedanken. Die Mädchen stellten sich in Startposition. „Sieben…sechs…“ Serafina versuchte den Geruch von Miss Sunshine’s Blut genau zu orten. „Fünf…vier…drei…“ nur noch ein paar Sekunden trennten sie von Rache und der Stillung ihres fürchterlichen Blutdurstes. „Zwei…und….eins!“ nun war der Startschuss gefallen und die vier schossen los. Jede nahm eine andere Richtung. Rocca nahm die Treppe und ging dann rechts. Rya steuerte die Küche an, um dort die Treppe nach oben zu nehmen. Charlette schien allerdings auf dieselbe Idee wie Serafina gekommen zu sein. Beide nahmen die Treppe und liefen dann links. Sie kamen an der Standuhr vorbei und stürzten dann ins Klassenzimmer. Charlette schnüffelte kurz in die Luft und schüttelte dann schnell den Kopf. „Nicht hier.“ Sagte sie und huschte schnell weiter. Serafina folgte ihr nicht. Sie nahm einen anderen Weg und traf dabei auf Rya, die die Küchentreppe hinaufgekommen war. Plötzlich erhaschte Serafina den Geruch von Angst in ihrer Nase und sie warf sich und Rya an die nächste Wand. Miss Sunshine lief um eine Ecke, bemerkte die beiden Vampire aber nicht, die dort nur ein paar Meter neben ihr auf der Lauer lagen. Serafina warf einen Blick nach oben und bemerkte Charlette, die an einem Kronleuchter hing und versuchte Miss Sunshine zu fassen. Ihre Arme waren allerdings zu kurz und schon war Miss Sunshine auf der Terrasse angekommen und überlegte, ob sie springen sollte oder lieber nicht. Direkt unter ihr war der Teich, aber wie tief war der Teich und waren dort vielleicht gefährliche Fische oder Pflanzen? Charlette bemerkte Serafina und Rya jetzt auch und bedeutete ihnen leise zu sein. Mucksmäuschenstill kletterte sie vom Kronleuchter wieder runter, was aussah wie eine akrobatische Meisterleistung. Die drei schlichen sich von hinten an Miss Sunshine an, die immer noch mit sich selbst kämpfte, ob sie nun springen sollte und lieber ertrinken, oder nicht springen und von diesen blutrünstigen Monstern zerfetzt zu werden. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden, welcher Tod für sie der schönere war. Den Vampiren war es jedenfalls egal, denn sie wollten nur das Blut. Rocca kam etwas zu laut um die Ecke gebogen und scheuchte so Miss Sunshine auf, die sich umdrehte und mit der Hüfte gegen das Geländer stieß. Die – nun vier – Mädchen gingen jetzt bedrohlich wirkend auf die Frau zu und zeigten spöttisch ihre Zähne. Miss Sunshine versuchte noch weiter nach hinten auszuweichen, aber es ging nicht. Sie konnte nicht weiter. Naja, sie konnte springen. „Bitte, tut mir nichts.“ Flehte Miss Sunshine, aber die Mädchen zeigten kein Erbarmen. „Wieso denn?“ fragte Rocca höhnisch. „Ich dachte wir existieren gar nicht.“ Meinte Charlette mit unschuldigem Blick. „Aber…“ hauchte Miss Sunshine. „Ich hab Hunger.“ Meldete Rya sich jetzt zu Wort. „Nein, bitte!“ kreischte Miss Sunshine und versuchte noch einen Schritt weiter nach hinten zu machen. Leider war das einer zu viel, denn sie verlor sofort das Gleichgewicht und kippte übers Geländer. Der platschende Kontakt mit dem Wasser ließ auch nicht lange auf sich warten. Die Mädchen stellten sich ans Geländer und sahen nach unten. „Meint ihr sie schafft das?“ fragte Serafina skeptisch und wartete ab, ob Miss Sunshine wieder auftauchte. „Mm…es ist tief genug, dass sie nicht auf dem Boden aufgeprallt ist, aber es ist auch nicht zu tief, also, wenn sie schwimmen kann, dann überlebt sie‘s.“ Meinte Charlette fachkundig. „Hunger.“ Jammerte Rya. „Gedulde dich noch ein paar Minuten, Schwesterherz.“ Meinte Rocca und wartete darauf, dass Miss Sunshine auftauchte. Und wirklich. Miss Sunshine tauchte wenig später wieder auf und schleppte sich ans Ufer. Sie japste nach Luft und keuchte. Die Mädchen sahen belustigt zu, wie diese Sterbliche ein paar Schlucke Wasser aushustete und versuchte sich aufzurappeln. Verängstigt und sehr erschöpft sah Miss Sunshine zu der Terrasse hoch, auf der die Mädchen standen. Rya winkte und wirkte müde dabei. Charlette fixierte ihr Opfer und tat so, als wolle sie im nächsten Moment auf Miss Sunshine stürzen und sie schnell und schmerzlos töten. Aber schnell und schmerzlos kam Charlette gar nicht in den Sinn. Rocca stütze sich am Geländer ab und beobachtete Miss Sunshine, die klatschnass im Garten stand und abgehetzt in allen Richtungen nach einem Ausgang suchte. Aber es war zwecklos. Serafina stand einfach nur da und sah Miss Sunshine genüsslich an. Sie stellte sich vor, wie sie ihre Zähne in ihren Hals rammte und Schluck für Schluck ihr Blut aussaugte. Irgendwie ein schöner Gedanke. Zwei Wochen hatten sie jetzt kein Blut mehr getrunken. Zwei ganze Wochen. Das war wirklich übel. „Wenn Sie den Ausgang aus diesem Irrenhaus suchen, dann nehmen Sie doch einfach die Haustür.“ Lachte Charlette. „Aber…“ Miss Sunshine drehte sich in Richtung Wald. Sie glaubte wohl, dass es dort sicherer war. Was für ein dummer Gedanke das war, dachte Serafina und hopste auf das Geländer. Rya tat es ihr gleich. Rocca blieb stehen. Charlette kletterte über das Geländer und hangelte sich hinunter. Miss Sunshine lief los. Sie rannte auf den dichten Wald zu, aber die Mädchen waren schneller und bauten sich vor ihr auf, um sie zurückzudrängen. Wie ein verängstigtes Tier wurde Miss Sunshine zurück gescheucht. Die Tür in den Salon stand offen und Miss Sunshine versuchte es. Sie vermutete zwar, dass sie eh keine Chance hatte, wollte aber trotzdem zur Haustür gelangen. Die vier blieben draußen erst mal stehen. Charlette strich sich die Haare aus dem Gesicht und seufzte. „Langsam ist es nicht mehr lustig.“ Meinte sie. „Hunger.“ Jammerte Rya weiter und kaute auf einem Ast herum, den sie auf dem Boden gefunden hatte. „Schmeckt‘s?“ fragte Serafina tonlos und atmete tief durch. „Mm…“ murmelte Rya nickend und kaute weiter. Rocca atmete geräuschvoll aus. „Ich hab keinen Bock mehr. Ich brauch Alkohol! Außerdem will ich jetzt endlich Blut!“ jammerte sie lautstark. „Ok, dann sollten wir unser Essen mal aufgabeln, ne?“ fragte Charlette und lief los. Die anderen folgten. Im Salon erschnüffelten sie erst mal die richtige Richtung. Miss Sunshine musste in Richtung Küche gelaufen sein. Die vier setzten ihre Jagt fort und huschten in Höchstgeschwindigkeit durch alle Räume, in deren Nähe sie kamen. Nach nicht einmal einer halben Minute rochen sie die Angst deutlich aus der Abstellkammer unter der Treppe. Böse grinsend sammelten sich die vier vor der Tür und warteten. Sie hörten nichts, aber Miss Sunshine war in diesem Raum, das spürten sie. „Miss Sunshine, wollen Sie nicht rauskommen? Wir haben Hunger.“ Sagte Charlette. Das war gemein, aber so was sie eben. Und es stimmte ja. Sie hatten Hunger. Schlimmen Hunger. „Geht weg, ihr existiert nicht!“ kreischte Miss Sunshine. „Doooch.“ Sagte Rya mit extra viel Nachdruck. „NEIN! Ich glaube nicht an Vampire!“ schrie die Frau. Augenrollend öffnete Rocca die Tür. Miss Sunshine stand dort an die Wand gepresst. Direkt neben dem Putzeimer und dem Wischmopp. Sie zitterte und Serafina huschte ein kurzes Grinsen übers Gesicht. „Ihr seid doch alle nur Kinder. Ihr seid verrückt. Vampire gibt es nicht. Ich glaube nicht an so was!“ „Doch, glaub dran!“ zischte Charlette, kurz bevor sie sich auf die Sterbliche stürzte und in ihren Hals biss. Die anderen gleich hinterher. Kapitel 7: #7# -------------- Kapitel 7 Happy Birthday Die Uhr schlug elf Uhr und die Familie Alucard stieß auf Charlettes einundzwanzigsten Geburtstag an. Sie saßen seit etwa zehn Uhr in der Bar und unterhielten sich bei laufender Musik über dies und jenes. Tiberius hatte eine kleine Ansprache gehalten und Charlette dann ihr Geburtstagsgeschenk überreicht: einen Kühlkoffer mit zehn Blutbeuteln ihrer Lieblingsblutgruppe. Serafina hatte vor einem Monat ihren vierzehnten Geburtstag gefeiert. Sie saß auf Lucas Schoß und hatte die Beine auf der Couch übereinandergeschlagen. Rya saß auf der Bar Theke und schlürfte einen Cocktail, den ihre Schwester ihr gemixt hatte. Rocca stand hinter der Bar und kümmerte sich um die Getränke, was ihr einen heidenspaß bereitete. Charlette saß mit einem Glas Rotwein neben Tiberius, der ihr irgendwas über das Phantom der Oper erzählte. Alles war idyllisch und niemand fühlte sich unwohl, obwohl draußen ein heftiges Gewitter tobte. Igor schlich ab und zu mal durch den Raum, um ein paar Tabletts mit Süßigkeiten und anderen Leckereien abzustellen, aber das kümmerte niemanden. Luca erzählte Serafina einen Witz: „Ein Ehepaar beschließt dem Winter in Deutschland zu entfliehen und bucht eine Woche Südsee. Leider kann die Frau aus beruflichen Gründen erst einen Tag später als ihr Mann fliegen. Der Ehemann fährt wie geplant. Dort angekommen bezieht er sein Hotelzimmer und schickt seiner Frau per Laptop sogleich eine Mail. Blöderweise hat er sich beim Eingeben der E-Mail-Adresse vertippt und einen Buchstaben vertauscht. So landet die E-Mail bei einer Witwe, die gerade von der Beerdigung ihres Mannes kommt und die Beileidsbekundungen per E-Mail abruft. Als ihr Sohn das Zimmer betritt, sieht er seine Mutter bewusstlos zusammensinken. Sein Blick fällt auf den Bildschirm, auf dem zu lesen steht: AN: meine zurückgebliebene Frau VON: Deinem vorgereisten Gatten BETREFF: Bin gut angekommen. Liebste, bin soeben angekommen. Habe mich hier bereits eingelebt und sehe, dass für Deine Ankunft alles schon vorbereitet ist. Wünsche Dir eine gute Reise und erwarte Dich morgen. In Liebe, Dein Mann. PS: Verdammt heiß hier unten!“ natürlich hatten alle anderen auch zugehört und mussten kichern. Luca erzählte öfters solche Witze mit schwarzem Humor. Das war auch eigentlich der einzige Humor, den man im Schloss finden konnte. Witzig fanden es trotzdem alle und Luca schaffte es immer, einen neuen Witz zu finden, denn andauernd ein und denselben Witz von sich zu geben, war auf die Dauer langweilig, so wie der ewig wehrende Witz: „Wie kommt ein Leprakranker über den Zaun – Stück für Stück.“ Den schon lange keiner mehr lustig fand. Der Wind schlug gegen die Fensterscheiben, aber die Musik war teilweise so laut, dass niemand etwas davon mitbekam. Abraksas hockte auf dem Kerzenleuchter und rückte immer von einer brennenden Kerze zur anderen, wenn es ihm zu warm wurde. „Hab ich den eigentlich schon erzählt?“ fragte Luca gut gelaunt. Serafina steckte sich ein Bonbon in den Mund und sah ihn fragend an. „Ein Mann und ein kleines Mädchen gehen durch einen Dunklen Wald. Sagt das Mädchen "Du Onkel ich hab Angst" Meint der Mann "Was soll ich denn sagen, ich muss nachher allein zurück".“ Serafina rollte die Augen. „Ja, den hast du schon mal erzählt.“ Luca sah sie beleidigt an. Sie grinste. „Ist aber trotzdem nicht schlecht.“ Meinte sie und schluckte das Bonbon runter. „Hey, was waren noch gleich die letzten Worte von Miss S, kurz bevor sie dran glauben musste?“ fragte Charlette spöttisch grinsend in die Runde. Rocca und Rya wussten es nicht mehr, denn sie sahen Charlette nur fragend an, aber Serafina richtete sich grinsend auf. „Ich glaube nicht an so was!“ kreischte Serafina, in demselben Ton, den Miss Sunshine drauf gehabt hatte. Alle mussten lachen. Plötzlich vernahmen sie ein Klopfen aus der Eingangshalle. „Sag mal, hast du das auch gehört?“ fragte Charlette Tiberius. Er nickte. „Hey, macht mal die Musik leise.“ Sagte sie zu Rocca, die neben der Stereoanlange stand. Sofort drehte sie die Lautstärke runter. Schon wieder klopfte es. „Da ist doch einer an der Tür, oder?“ fragte Serafina und stand von Lucas Schoß auf. „Lasst uns mal nachsehen.“ Meinte dieser und stand ebenfalls auf. Rya schnupperte in die Luft. „Ich riech aber gar nix.“ Meinte sie und hopste von der Theke. Sie verließen die Bar und trafen in der Eingangshalle auf Igor, der gerade die Tür öffnen wollte. „Erwarten Sie jemanden?“ fragte Igor über seine Schulter und legte die Hand auf die Türklinke. „Nein.“ Antwortete Tiberius langezogen. Gespannt sahen sie auf die Tür. Rya und Serafina hatten sich an Lucas Arme geklammert. Dass sie kein Menschenblut rochen, machte sie irgendwie nervös. Tiberius öffnete die Tür, gerade, als es blitzte. Es regnete immer noch und der Donner hallte in ihren Ohren. Ein in schwarz gekleideter Mann trat durch die Tür und die Standuhr schlug zwölf. Neben dem Mann kam ein weißer Wolf herein. Er knurrte. Seine Augen waren rot. „Ihr habt etwas, das mit gehört.“ Sagte der Mann und zeigte mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf Charlette, die zurückwich und sich an Tiberius festhielt. Sie musste mehrmals genau hinsehen, um zu erkennen, wer dieser Mann war. Dennoch wusste sie es ganz genau. Auch den Wolf erkannte sie. Serafina sah von Charlette zu dem Mann und wieder zurück. Luca räusperte sich und trat einen Schritt vor, wobei er Rya und Serafina stehenließ. Die beiden huschten schnell zu Charlette und Rocca. „Wenn ich mich vorstellend darf: mein Name ist Luca van Alucard, das van können Sie meinetwegen weglassen.“ Stellte Luca sich vor. Der Unbekannte beachtete Luca aber gar nicht, sondern beobachtete Charlette, die ein Stückchen hinter Serafina und Rya stand, die sich in Verteidigungsposition vor sie gestellt hatten. Rocca stand daneben und sah den Mann argwöhnisch an. Serafina musterte ihn. Er war groß. Etwas größer als Luca, aber kleiner als Tiberius. Seine Haare waren ausgeblichen. Weiß. Seine Augen verbarg er unter einer dunklen Sonnenbrille. Ansonsten trug er einen langen schwarzen Mantel mit hohem Kragen. Er wirkte etwas altmodisch auf Serafina, aber woran genau das lag, wusste sie nicht. Es war ihr aber auch so ziemlich egal, denn sie wollte nur wissen, wer er war und was er von Charlette wollte. „Charlette!“ begrüßte der Unbekannte sie wie eine alte Bekannte, die er lange nicht gesehen hatte. „Weißt du noch wer ich bin?“ grinste er breit und zeigte seine weißen Vampirzähne. Dass er also ein Vampir war, war klar. Alle wandten sich nun an Charlette, die den Unbekannten aus tief bösen Augen ansah. „Sie elender Drecksköter!“ schrie sie, sodass die Fledermäuse an der Decke der Eingangshalle wach wurden und kreischend davonflogen. „Warum denn so böse? Ich bin doch derjenige, der dir Unsterblichkeit verliehen hat.“ Sagte der Mann mit leichtem Hohn in seiner Stimme. „Sie haben gelogen! Ich wollte zur Bibliothek, als sie mich entführt haben. Sie haben mich vergewaltigt und jetzt bin ich auf ewig ein KIND!“ kreischte sie mit viel Bitterkeit in ihrem Ton. Sie machte Anstalten jeden Moment auf diesen Mann zu stürzen und ihn zu erwürgen. Der Mann zuckte die Schultern. „Ich mag Kinder.“ Jetzt wollte Charlette tatsächlich angreifen und Rocca musste sie schnell festhalten. „Sie dreckiger, pädophiler Köter!!!“ Charlette krallte ihre Fingernägel in Tiberius Jackenärmel. Der Mann lachte gehässig. „Du hast dich doch gar nicht gewährt.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Wolf setzte sich nun neben ihn und sah böse von einer Person zur anderen. „Sie haben mich hypnotisiert.“ Knurrte Charlette. „Na und?“ gluckste der Mann, als wäre das das Normalste auf der Welt. Nun mischte Tiberius sich ein und drückte Charlette an sich. „Wieso sollten wir Ihnen eines unserer Familienmitglieder geben? Charlette ist eine Alucard und keine – wer sind Sie eigentlich?“ er strich Charlette übers Haar, während er den Mann neugierig musterte. „Mein Name ist Alastor Blackdawn.“ Stellte er sich vor. „Und Charlette ist ebenfalls eine Blackdawn.“ Fügte er hinzu und deutete wieder auf Charlette. „Sie können mich mal!“ kreischte sie und krallte sich noch mehr an Tiberius fest. „Und Sie stehen wohl auch auf Kinder?“ fragte Blackdawn Tiberius grinsend. „Charlie ist kein Kind. Sie kann selbst entscheiden, zu welcher Familie sie gehört.“ Knurrte Tiberius. „Sie ist nicht volljährig. Sie ist erst einundzwanzig. Darum bin ich hier. Sie gehört mir und ich werde sie mitnehmen.“ Erklärte Blackdawn jetzt mit ernsterer Miene. „Nein, das werden Sie ganz sicher nicht!“ fauchte Charlette. „Ich bleibe hier!“ Tiberius räusperte sich. „Vielleicht sollten wir das bei einer Tasse Tee besprechen.“ Meinte er und bedeutete Igor, der neben der Tür stand, in der Küche vorzubereiten. Igor verkrümelte sich auf der Stelle. „Wenn Sie uns bitte in den Salon folgen würden.“ Sagte Tiberius und deutete in die Richtung, in der es zum Salon ging. „Aber gerne doch.“ Meinte Blackdawn und folgte ihm. Luca ging ebenfalls. Die Mädchen ließen sie in der Halle stehen. Der Wolf bliebe ebenfalls sitzen, jedenfalls solange, bis Blackdawn sich umdrehtet und bellte: „Grin, bei Fuß!“ sofort setzte sich der Wolf in Bewegung und folgte seinem Herren. Luca drehte sich ebenfalls noch einmal um und sagte: „Ihr vier geht ins Wohnzimmer und wagt es ja nicht, an der Tür zu lauschen.“ Die vier nickten. Charlette wirkte nun niedergeschlagen. Rocca klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer. Rya und Serafina setzten sich rechts und links neben Charlette aufs Sofa. Rocca verschwand mal eben in der Bar und kam mit einer Flasche Wodka zurück. Vier Gläser hatte sie ebenfalls dabei. Sie reichte jedem eines und schenkte ein. Sich selbst natürlich auch. Serafina zögerte, ehe sie das kleine Glas in einem Zug lehrte. Rya trank langsam und Rocca füllte sich sofort nach, als ihr Glas lehr war. Nur Charlette hielt das Glas in beiden Händen und starrte auf den Inhalt. Serafina hätte gerne gewusst, was sie dachte. „Was meint ihr, was die besprechen?“ fragte Charlette leise. „Ach, Charlie, du weißt doch ganz genau, dass Tiberius und Luca dich beschützen. Sie werden nicht zulassen, dass du mit diesem Blackdingens mitgehen musst.“ Erklärte Rocca und trank jetzt lieber aus der Flasche, weil ihr das Glas zu klein war. „Genau, Charlie, das würden sie nie zulassen.“ Stimmte Serafina zu. „Dafür hat Tiberius dich viel zu gerne.“ Fügte sie etwas leiser und grinsend hinzu. „Oh ja.“ Nickte Rya wissend. „Sicher?“ fragte Charlette zweifelnd und nippte an dem Wodkaglas. „Ganz sicher. Sie werden dich ganz bestimmt nicht mit diesem widerlichen Bastard mitgehen lassen. Er hat dich schließlich in einen Vampir verwandelt und sich dann nicht einmal um dich gekümmert. Eigentlich müsste er vom Vampirzirkel dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist verboten, jemanden, der nicht will, in einen Vampir zu verwandeln und diesen dann nicht auszubilden.“ Erklärte Rocca und setzte sich auf den Sofatisch. „Ich will nicht hier weg.“ Jammerte Charlette und lehnte sich an Serafinas Schulter. „Ist ja gut, wir passen schon auf, dass dieser Typ dich nicht mitnimmt.“ Sagte Rya und tätschelte ihr die Schulter. Sie warteten fast eine halbe Stunde, ehe sie etwas aus der Eingangshalle hörten. Im nächsten Moment wurden sie von Luca gerufen. Schnell huschten Rocca und Serafina in die Eingangshalle. Rya blieb bei Charlette, die sich nicht nach draußen traute. Serafina hatte sie wirklich noch nie so schüchtern und zurückhaltend erlegt. „Charlette will nicht mit diesem Typen mitgehen.“ Stellte Serafina klar und nahm Lucas Arm. „Ja, das wissen wir.“ Lachte Luca. „Charlie braucht keine Angst zu haben. Ihr wird nichts passieren.“ Sagte er. Gleich darauf standen Rya und Charlette in der Halle. Charlette ging schnell zu Tiberius rüber, wo auch Rocca stand. Rya gesellte sich zu Luca und Serafina. „Charlie, du brauchst gar keine Angst zu haben.“ Sagte Tiberius beruhigend. „Mr. Blackdawn verzichtet auf dich.“ Als ob das jetzt besonders erleichternd gewesen wäre, wand er sich an Blackdawn. „Sie gehen dann jetzt am besten.“ Tiberius klang sehr bestimmt. Serafina konnte ihm deutlich ansehen, dass er diesen Mann nicht im Geringsten leiden konnte. Das konnte sie aber sehr gut verstehen. Ihr ging es schließlich genauso. „Ja, das wird das Beste sein – vorerst.“ Meinte Blackdawn und bewegte sich zur Tür. Draußen stürmte es immer noch. Immer wieder zuckten Blitze über den Himmel und erhellten die dunkle Nacht. Igor öffnete die Tür und ein heftiger Windzug stob in die Eingangshalle. Blackdawn und Grin entfernten sich rückwärts aus der Tür. „Wir haben uns nicht zum letzten Mal gesehen! Ich komme wieder!“ verkündete er laut. „Happy Birthday, meine Süße!“ damit verschwanden er und der Wolf plötzlich im Nichts. Kapitel 8: #8# -------------- Kapitel 8 Dracula XXX Die Stimmung beim Abendessen war an diesem Tag besonders gedrückt. Sie hatten mal wieder eine ganze Woche Praxisverbot bekommen, weil Rocca bei der Tour letzten Montag gleich zwei Passanten unbedingt die Herzen rausreißen musste und es dann nicht mal geschafft hatte ihr „Leergut“ wegzuräumen. Charlette saß Serafina gegenüber und stocherte in ihrem Essen herum. Eigentlich hatte keiner so richtig Appetit, aber sie mussten ja etwas essen. Jedes Mal, wenn eine von ihnen das Essen verweigerte, wurde extra etwas anderes gekocht oder solange gedrängt etwas zu essen, bis sie nachgaben. Manchmal bekamen sie aber auch einfach ein Glas mit dieser durchsichtigen Flüssigkeit, die immer genauso wie das Abendessen roch und angeblich ein Nahrungsergänzungsmittel sein sollte. Die Sechzehnjährige glaubte das allerdings nicht so ganz, behielt es aber lieber für sich. Rocca, die nun vierundzwanzig war, also fast volljährig, hatte immer noch eine Schwäche für jede Form von trinkbarem Alkohol und trank auch an diesem Abend eine ganze Flasche Rotwein, ohne auch nur ansatzweise betrunken zu werden. Rya spielte an einer neuen Version WOW, die sie zu ihrem siebzehnten Geburtstag vor ein paar Wochen bekommen hatte. Serafina aß ihr Essen und blieb einfach still, so wie alle anderen. Tiberius und Luca redeten auch nicht. Sie hatten mit ihnen allen geschimpft und möglicherweise waren sie immer noch sauer auf die vier. „Tiberius?“ fragte die dreiundzwanzigjährige Charlette mit Hundeaugen. Das war das erste Wort seit zwanzig Minuten. „Mm?“ kam es von Tiberius, als er sein Weinglas abstellte. Er sah Charlette an. Er lächelte nicht. Sein Gesichtsausdruck war eher mürrisch. „Bist du noch böse?“ „Mm.“ Damit wand Tiberius sich wieder seinem Weinglas zu. „Tiberius…“ jammerte Charlette. „Du kannst doch auch einfach nur auf Rocca böse sein. Sie war es schließlich, die den Leuten die Herzen rausgerissen hat.“ Meinte sie. Sofort warf Rocca ihr einen bösen Blick zu. „Du hast diese Sterblichen doch auch angegriffen, oder?“ fragte Tiberius bissig. „Ja, aber…“ „Mitgehangen, mitgefangen.“ Meinte Rocca und streckte Charlette die Zunge raus. „Das ist unfair.“ Jammerte Serafina. „Rya und ich haben doch nichts gemacht, wieso müssen wir denn alle bestraft werden?“ fragte sie Luca, der wie immer neben ihr saß. „Ich bin euch doch auch gar nicht böse. Wegen mir könntet ihr morgen wieder praktischen Unterricht machen.“ Meinte er, ohne sie anzusehen, sondern einfach weiteressend. „Tja, jetzt mögen wir Luca mehr als dich.“ Meinte Charlette trotzig zu Tiberius und streckte ihm die Zunge raus. „Geh auf dein Zimmer, Charlette.“ Befahl Tiberius prompt. „Nö.“ Sie verschränkte die Amre und drehte sich mit erhobener Nase von ihm weg. „Du tust was ich dir sage, also geh in dein Zimmer!“ bellte Tiberius. „Nein.“ „Geh in dein Zimmer!“ „Neeein.“ „Charlette, muss ich mich jetzt noch einmal wiederholen?“ Tiberius stand auf und stemmte sich an der Tischkante ab. Charlette sprang ebenfalls von ihrem Platz auf und schon war ein lauter Streit ausgebrochen, indem es darum ging, dass Charlette gar nicht an dem Vorfall des letzten Montages Schuld war und eigentlich alles Roccas Idee gewesen war. Rocca mischte sich also auch ein. Rya blieb unbeteiligt auf ihrem Platz sitzen und spielte weiter. Serafina hörte auch nicht zu, sie aß schnell auf und entfernte sich dann aus dem Esszimmer, ohne etwas zu sagen. Das störte aber niemanden. Luca hatte sich ebenfalls an dem Streit beteiligt und diskutierte mit Tiberius. Serafina schloss die Tür hinter sich und seufzte. Sie war den ganzen Tag schon schlecht gelaunt. Das hatte in der ersten Unterrichtsstunde begonnen. Serafina hatte einen Aufsatz nicht geschrieben und konnte diesen deshalb auch nicht vorweisen. Das versuchte sie aber mit einer gekonnten Lüge zu vertuschen, wäre da nicht Abraksas dazwischengekommen, der ihre fette Lüge schnell bemerkt hatte und deshalb laut krähte, während er über ihren Kopf hinwegflog. Deshalb hatte sie eine Strafarbeit bekommen. Aber Abraksas ging ja nicht nur ihr tierisch auf die Nerven. Rocca, Charlette und auch Rya konnten diese schwarze Krähe auf den Tod nicht ausstehen. Immer kam er ihnen in die Quere, wenn sie versuchten, etwas zu vertuschen, oder logen oder irgendetwas Hinterlistiges geplant hatten, was Tiberius verärgern könnte. Selbst dann, wenn es nur ein blöder kleiner Streich war. Genervt durchquerte Serafina die Eingangshalle und stieg die Treppe empor, dann ging sie links in den Flur, in dem ihr Zimmer lag. Das Fenster am Ende des Flures war geöffnet und sofort erkannte Serafina das Tier, das da auf dem Fensterbrett saß. Ein fieses Grinsen huschte ihr übers Gesicht und blitzschnell stand sie am Fenster und griff sich den schwarzen Raben, der sofort begann zu krähen. „Kräh so laut du willst, die hören dich eh nicht.“ Lachte Serafina und stöckelte auf ihren hohen Absätzen in ihr Zimmer. Der Rabe krähte immer noch. „Oh, hast du Angst?“ fragte sie. „Vor mir brauchst du doch keine Angst zu haben. Ich bin doch nur die liebe kleine Serafina. Du kennst mich doch, ich würde dir nie etwas tun.“ Mit diesem Satz trat sie die Tür hinter sich zu und schmiss sich rittlings auf ihr Bett. „Jaja, blablabla, die hören dich nicht!“ lachte Serafina. „Wie kommt es nur, dass du mal nicht bei dem lieben guten Tiberius rumflatterst?“ sie strich dem Raben kurz über den Kopf und drückte ihn dann ein paarmal. Es machte irgendwie Spaß Abraksas zu quälen. Was Tiberius später dazu sagen würde, war ihr im Moment vollkommen egal. „Na, was soll ich jetzt mit dir machen?“ fragte sie. „Oh, ich weiß, ich rupfe dir jede Feder einzeln aus.“ Kicherte sie. Sie nahm jeden Flügel in eine Hand und zog sie ein bisschen auseinander. Der Rabe strampelte und versuchte sich zu befreien, was aber nicht so funktionierte, wie er es gerne wollte. Als Serafina sich das Tierchen mal genauer ansah, bemerkte sie, dass er dunkelrote, fast schwarze Augen hatte. „Hm, ist mir noch nie aufgefallen, dass du Mistviech rote Augen hast. Ich dachte immer, die wären nur schwarz.“ Sie zuckte die Schultern. „Ist aber auch egal.“ Sie zog die Flügel noch ein bisschen weiter auseinander. Der Rabe krähte weiter. Serafina lachte fies. Doch dann, ganz plötzlich war der Rabe verschwunden und an seiner Stelle war da nun ein Junge. Serafina erschrak und rutschte ein Stück weiter zum Kopfende ihres Bettes. Der Junge hatte schwarze Haare mit roten Strähnen. Seine Augen waren Rot. Wahrscheinlich hatte er vor kurzem Blut getrunken. Er konnte auch nicht älter als siebzehn sein. Was aber viel schlimmer war, war, dass er über Serafina gebeugt war und sie böse anguckte. „Hast du sie noch alle?“ fragte der Junge. „Abraksas?“ fragte Serafina unsicher. „Was? Nein!“ „Aber…“ „Was sollte das? Wolltest du mich umbringen oder was?! Es ist ganz schön unfair, einen Vampir in verwandelter Form umbringen zu wollen, das solltest du aber wissen, oder bist du ein…“ er schnupperte kurz an ihr. „Nein, du bist keine Sterbliche. Schade eigentlich, sonst hätte ich was zu futtern.“ Er funkelte sie böse an. „Äh…“ „Wer bist du eigentlich, dass du dich wagst, mich anzugreifen?“ „Hey, jetzt mal halblang.“ Serafina hatte schlagartig ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden. „Woher sollte ich denn bitte wissen, dass du ein schnöseliger Arsch bist und nicht diese verdammte Krähe Abraksas?“ „Nenn mich nicht Schnösel.“ Bellte er. „Aber Arsch darf ich sagen?“ grinste sie spöttisch. „Halt die Klappe.“ „Nö, wieso denn?“ „Du nervst.“ „Ach was?“ „Wo bin ich hier eigentlich gelandet?“ „Wo wolltest du denn hin?“ „Das geht dich gar nichts an.“ „Dann kann ich dir auch nicht weiterhelfen.“ Sie zuckte die Schultern. „Außerdem könntest du mal von mir runtergehen.“ Fügte sie knurrend hinzu. Erst jetzt schien er bemerkt zu haben, dass er in einer sehr fraglichen Position hockte, aber es schien ihn nur wenig zu interessieren, denn er schnaubte nur abschätzig. „Und wenn ich nicht will?“ knurrte er. „Dann werd‘ ich dich angreifen müssen.“ „Du hältst dich wohl für ganz toll, was?“ grinste er höhnisch. Das passte Serafina natürlich gar nicht und trat ihn mit beiden Absätzen so heftig in den Bauch, dass er an die gegenüberliegende Wand flog. „Du kleines Miststück.“ Er rappelte sich schnell wieder auf und ließ seine Krallen und die spitzen weißen Zähne erscheinen, als würde er gleich zurückschlagen wollen. „Hast du noch nicht genug?“ fragte Serafina und stand auf. Auch sie ließ Krallen und Zähne erscheinen. Sie hatte zwar noch nie gegen einen anderen Vampir gekämpft, aber so schwer konnte das ja eigentlich nicht sein, dachte sie. „Kann es sein, dass du ganz schön vorlaut bist für eine…“ er zögerte. Er wusste wohl nicht, was er sagen sollte. „Eine Sechzehnjährige?“ versuchte sie ihm auf die Sprünge zu helfen. „Nein. Für eine…wie heißt du mit Nachnamen?“ „Alucard. Serafina Alucard, sehr unerfreut.“ Sie hielt ihm die Hand hin. Blitzschnell stand er jetzt dicht vor ihr, nahm ihre Hand und legte die andere Hand auf ihr Steißbein. „Na, da bin ich ja doch richtig hier.“ Er grinste fies. „Dann lass uns mal gucken, wo die anderen sind.“ Sagte er leise, klang irgendwie bedrohlich und Serafina wurde leicht unbehaglich. Ehe sie aber irgendwas sagen konnte, waren beide schon in der Eingangshalle. „Wo ist Luca?“ fragte der Junge und packte Serafina am Handgelenk. Serafina brauchte aber gar nicht erst zu antworten, denn der Junge hörte, wie Luca aus dem Esszimmer rief: „Jetzt reicht’s aber!“ daraufhin hörten sie, wie etwas an der Tür zerschellte. „Aha.“ Machte der Junge. „Welches Zimmer ist das?“ wollte er wissen. „Das Esszimmer.“ Antwortete Serafina argwöhnisch und versuchte sich loszureißen, was aber nicht richtig funktionierte. „Mm…sind die alle da drin?“ fragte er und es wirkte so, als würde er zögern dort hinein zu gehen. „Ja, glaub schon.“ Fauchte Serafina und kratze dem Jungen auf der Hand herum, was aber auch nichts klappte. „Wen meinst du, wenn du alle sagst?“ fragte sie und gab es auf, sich seinem Griff zu entwinden. „Luca, Tiberius, Igor und den Professor. Wen sollte ich sonst meinen?“ antwortete er patzig. „Der Professor?“ das interessierte Serafina jetzt natürlich schon. „Du kennst ihn?“ fragte sie neugierig. „Nein. Du vielleicht?“ gab er genervt zurück. Dann seufzte er und rieb sich die Schläfen. „Ok, wer ist da drin?“ „Luca, Tiberius, Rocca, Rya und Charlette. Und sie streiten, wie du möglicherweise mitbekommen hast.“ Antwortete Serafina. „Ja…“ knurrte er. „Lass mich los.“ Fauchte sie und schaffte es sich loszureißen, als er seinen Griff lockerte. Sie huschte schnell zur Tür und öffnete sie. Sie konnte gerade noch ausweichen, als Charlette einen Teller in ihre Richtung schleuderte. Der Teller war aber eigentlich für Tiberius bestimmt, der blitzschnell zur Seite ausgewichen war und Charlette jetzt ausschimpfte, die das aber gar nicht interessierte. Rya saß nach wie vor teilnahmslos auf ihrem Platz und spielte WOW. Luca redete auf Tiberius ein und Rocca zog ihr eigenes Ding durch, indem sie Charlette anschwärzte und so jedes Geheimnis von ihr erzählte, allerdings hörte da niemand richtig zu. „Oh Mann…“ Serafina verdrehte die Augen und trat ein. Sie tippte Luca an die Schulter und erlangte so seine Aufmerksamkeit. „Wir haben Besuch.“ Sagte sie in ganz normalem Ton, aber trotzdem verstummte sofort alles. „Nein, nicht schon wieder Blackdawn!“ kreischte Charlette und sprang Tiberius und die Arme, der sie verdutzt ansah. Rya sah ebenfalls auf und Rocca, die gerade eine leere Weinflasche werfen wollte, hielt in ihrer Bewegung inne. Alle Augen waren auf Serafina gerichtet. „Hallo.“ Sagte der Junge und trat ein. „Ah, doch nicht Blackdawn.“ Erleichtert löste Charlette sich wieder von Tiberius und sah dann neugierig den Jungen an. „Vlad!“ sagte Luca laut. „Hast den Weg ja doch noch gefunden. Ich dachte schon, Tiberius und ich müssten dich suchen." Meinte er und drückte den Jungen, von dem er behauptete, dass er Vlad hieß, kurz. „Nein, ging schon, Onkel Luca.“ Sagte Vlad. „Ich hatte jemanden, der mir den Weg gezeigt hat.“ Meinte er und nickte in Richtung Serafina. „Ach, ihr kennt euch schon?“ fragte Luca verblüfft und hoch erfreut seinen – wahrscheinlich war er es – Neffen zu sehen. „Flüchtig.“ Meinte Serafina und lächelte ironisch. „Schön.“ Sagte Luca. „Also, meine Lieben, das ist mein Neffe Vlad Dracula.“ Stellte er ihn vor. „Oha.“ Machte Serafina und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vlad Dracula der dreißigste, wenn ich bitten darf.“ Berichtete Vlad seinen Onkel. „Ist so was vielleicht wichtig?“ fragte Serafina. „Ja.“ „Hm.“ Sie zuckt die Schultern. „Lasst uns doch ins Wohnzimmer gehen und ein Tässchen Tee trinken.“ Meinte Luca. „Dann kannst du uns auch gleich von deiner Reise erzählen.“ Er drehte Vlad an den Schultern um und schob ihn durch den Flur. „Ja…ich bestell dann mal Tee bei Iggi.“ Meinte Rocca und verschwand in der Küche. Tiberius legte eine Hand auf Charlettes Kopf und seufzte. „Ok, wir haben jetzt genug gestritten. Lasst uns ins Wohnzimmer gehen.“ Sagte er und schob Charlette vor. Rya stand von ihrem Platz auf und legte ihre brandneue PSP weg. Sie musterte Serafina, die noch immer mit verschränkten Armen dastand und keine Anstalten machte, ins Wohnzimmer zu gehen. „Du magst ihn nicht, ne?“ fragte sie. „Mm…“ brummte Serafina. „Wo hast du ihn eigentlich aufgegriffen?“ wollte sie wissen und näherte sich der Tür. „Fensterbrett.“ Antwortete Serafina und folgte Rya dann doch ins Wohnzimmer. Im Wohnzimmer angekommen setzten sie sich nebeneinander auf eines der Sofas. Vlad saß neben Luca auf dem Sofa gegenüber und Charlette saß auf Tiberius Schoß und versuchte so alles wieder gut zu machen. Offenbar klappte es, denn er sah wieder freundlicher aus. Rya lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Wenig später kam Rocca dazu und setzte sich auf einen Sessel. „Dann stell ich dich am besten erst mal allen vor.“ Meinte Luca. „Tiberius kennst du ja. Das ist Charlette.“ Er deutete auf eben diese. „Stehst wohl wirklich auf kleine Kinder.“ Meinte Vlad ausdruckslos. „Ich bin dreiundzwanzig.“ Fauchte Charlette und schlang ihre Arme um Tiberius‘ Hals. „Aha.“ Kam es von Vlad. „Das ist Rya.“ Stellte er Rya vor, die nur kurz nickte. „Das ist ihre etwas ältere Schwester Rocca.“ Jetzt zeigte er auf Rocca, die ebenfalls nickte und Vlad eingehend musterte. „Und das ist Serafina.“ Stellte er auch noch Serafina vor, die hochnäsig ihren Kopf wegdrehte. Ihre Arme hatte sie immer noch vor ihrer Brust verschränkt. „Ja, wir kennen und schon.“ Meinte Vlad. „Schön.“ Sagte Luca und einen Moment später öffnete Igor die Tür und kam mit einem großen Teetablett herein, dass er wortlos auf den Tisch stellte und schnell wieder verschwand. „Dann erzähl doch mal, wie war der Flug?“ fragte Luca und reichte Vlad eine Tasse Tee. Diesem stieg sofort der merkwürdige Geruch des Tees in die Nase und er nahm erst mal keinen Schluck, sondern stellte die Tasse auf das Tablett zurück. Serafina beobachtete dies aus dem Augenwinkel und beschloss ebenfalls keinen Tee zu trinken. „Nun, zwischendurch hat es zwar mehrmals geregnet, sodass ich mich unterstellen musste, aber sonst war der Flug ganz angenehm.“ Berichtete Vlad. „Wie ist das Wetter zurzeit in Transsilvanien?“ wollte Tiberius wissen. „Miserabel. Wenn man auf einer Lichtung steht, wird man von der Sonne verkohlt, also muss man ziemlich aufpassen. Da helfen nicht einmal mehr Sonnenbrillen und Spezialsonnenmilch. Es ist schon so schlimm, dass man nur noch nachts das Schloss verlassen kann, um zu jagen.“ Erzählte Vlad weiter. Serafina nahm nun eine neutralere Haltung ein und hörte aufmerksam ein. Ein so übler Typ konnte er ja gar nicht sein, wenn er Lucas Neffe war. Allerdings hatte er nie einen Ton über ihn verloren. Er hatte nicht mal davon erzählt, dass er noch anderweitig Familie hatte. Er musste ja eine Schwester haben, die den Vater von Vlad geheiratet hatte, dachte Serafina und sah ihn sich genau an. So schlecht sah er ja nicht mal aus, ganz im Gegenteil. Er sah richtig gut aus. Fast hätte Serafina gelächelt, aber sie konnte noch schnell genug ihre Besinnung wiederfinden. „Tja, hier in England regnet es dafür andauernd.“ Lachte Luca. „Warum bist du hier?“ fragte Serafina jetzt so plötzlich, dass Luca erschrocken war, sie überhaupt zu hören. „Ähm…“ begann Luca, aber Vlad unterbrach ihn. „Familiäres.“ Sagte er kurz und bündig. Serafina nickte kurz, als Zeichen, dass sie verstanden hatte. „Hast du noch ältere Brüder?“ fragte Rocca grinsend. „Nein, ich bin Einzelkind.“ Antwortete Vlad tonlos. „Schade, schade, schade…“ meinte Rocca und trank geräuschlos ihren Tee aus. Als sie die Tasse zurückstellte, musste sie gähnen. „Verzeihung.“ Entschuldigte sie sich dafür. „Ich geh ins Bett.“ Damit stand sie auf und verließ das Wohnzimmer. Rya trank auch ihre Tasse aus und verließ wenig später ohne ein Wort ebenfalls den Raum. Tiberius reichte Charlette eine Teetasse und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das Serafina nicht hören konnte. Sie sah nur zu, wie Charlette daraufhin eilig die Tasse austrank und sich dann schläfrig an ihn lehnte. „Ich bringe sie ins Bett und gehe dann selbst schlafen. Gute Nacht.“ Damit stand Tiberius Charlette tragend auf, um den Raum zu verlassen. „Na denn.“ Begann Luca. „Fina, Liebes, würdest du Vlad ins Gästezimmer bringen?“ fragte er. „Mm.“ Brummte sie und nickte. „Wird dein Gepäck nachgeliefert?“ fragte Luca dann seinen Neffen. „Ja. Die Koffer müssten morgen ankommen.“ Antwortete Vlad und erhob sich. „Hast du vor länger zu bleiben?“ fragte Serafina leicht arrogant und stand ebenfalls auf. „Für eine Weile.“ Meinte Vlad. „Wie ich sehe, versteht ihr euch ja blendend, also, Serafina, zeige ihm doch bitte sein Zimmer.“ Sagte Luca und ging. „Ok, dann komm mit.“ Sagte Serafina genervt und ging voran in die Eingangshalle. Vlad folgte ihr mit kleinem Abstand und ohne ein einziges Wort zu sagen. Serafina spürte, wie er sie ansah. „Hör auf mich anzuglotzen.“ Sie klang müde und ging einfach weiter durch die Halle bis zur Treppe, die sie hinaufstieg. Vlad folgte ihr weiterhin und hörte auch nicht auf sie anzugucken, was sie ganz schön störte, sie es aber dennoch versuchte zu ignorieren. Oben angekommen, bogen sie links ab und gingen den Flur entlang, ohne ein Wort zu reden. Sie gingen nicht an der Standuhr vorbei, sondern bogen vorher rechts ab. In diesem Gang lagen die Gästezimmer. Serafina blieb stehen und öffnete die erste Tür. „Da, bitteschön.“ Sie präsentierte lustlos das schön eingerichtete Zimmer. „Danke, Fina, Liebes.“ Ahmte er grinsend Luca nach und sah sich das Zimmer genauer an. Serafina wollte sich gerade zum Gehen umdrehen, als er weitersprach. „Bist du so was wie Lucas Schoßhündchen?“ „Wie kommst du darauf?“ knurrte sie. „Naja, es wirkt so. Bei Tiberius und diesem kleinen Mädchen auch.“ „Charlie ist dreiundzwanzig und kein kleines Mädchen.“ „Hat Tiberius sie gebissen?“ „Nein.“ „Wer dann?“ „Ein Vampir namens Alastor Blackdawn, mehr wissen wir über ihn aber auch nicht. Er kam vor zwei Jahren mal kurz vorbei und wollte Charlie mitnehmen.“ „Hat er sie dann einfach so dagelassen?“ „Luca und Tiberius haben mit ihm geredet.“ „Es ist schon ungewöhnlich für einen Vampir seinen Schützling bei jemand anderem zu lassen.“ „Kann sein.“ Sagte Serafina. „Charlie wollte kein Vampir sein. Er hat sie entführt, vergewaltigt und gebissen. Danach hat er sie an Ort und Stelle liegenlassen, bis Luca sie gefunden hat. Jetzt muss sie für immer ein vierzehnjähriges Kind bleiben. Toll, oder?“ das meinte Serafina natürlich ironisch, aber sie war so müde, dass sie die Ironie auch so ganz gut rüberbrachte. „Der Tee, was war damit?“ „Was soll damit gewesen sein?“ „Do hast doch auch nichts davon getrunken.“ „Weil da was drin ist, das uns müde werden lässt. Wenn Luca fragt, ich hab nichts gesagt. Er glaubt nämlich, dass wir denken, dass das Zeug nur Nahrungsergänzungsmittel für kleine Vampire ist.“ Winkte sie ab. „Wofür…wofür braucht ihr das Zeug?“ Da Serafina darauf aber keine Antwort kannte, zuckte sie die Schulter. „Ich geh dann jetzt ins Bett.“ Sie drehte sich um und setzte zum Gehen an, aber Vlad packte sie plötzlich am Handgelenk und zog sie ruckartig zurück, sodass sie gegen seine Brust stieß. Sie stockte. Was sollte das denn bitte? Fragte sie sich. „Gute Nacht, Fina, Liebes.“ Flüsterte er und ließ sie dann einfach stehen. Er war verschwunden. Verdutzt blieb Serafina noch kurz stehen, um das Geschehene zu verarbeiten und schlurfte dann müde in ihr eigenes Zimmer. Kapitel 9: #9# -------------- Kapitel 9 Die Armee wird wachsen! Die Uhr schlug zwölf und Serafina versank in den immer wiederkehrenden Tiefschlaf. Das erste was sie spürte, nachdem sie in diesen Traum gefallen war, war das kalte Metall unter ihr. Es war dunkel und still. Wie immer war es kalt, nicht nur unter ihr sondern überall um sie herum. Sie konnte nichts erkennen, aber sie spürte, dass ihre Augen geöffnet waren, zumindest ein bisschen. Es war, als hätte sie einen Schleier vor den Augen. Diese Kälte, nein, diese Stille machte ihr Angst. Es war nicht die Dunkelheit, denn vor ihr hatte sie keine Angst. Noch nie. Aber nichts zu hören, war immer wieder so schrecklich. Ihre Sinne schärften, sie sodass sie sogar Gedanken hören konnte, aber da war niemand, dessen Gedanken sie hätte hören können. Niemand war bei ihr. Niemand war da, der sie beschützte, sich um sie kümmerte. Alle hatten sie alleine gelassen. Die ganze Welt. Ihre Eltern. Die Kälte, die sie immer spürte, machte ihr schon lange nichts mehr aus. Es war normal geworden. Ganz normal. Wie, wenn man im Winter draußen ist. Kalt eben. Nach kurzer Zeit wurden ihre Sinne wieder klarer. Jetzt hörte sie etwas. Das hieß, eigentlich war Er es. Es war ja immer nur Er. Dieser Mann mit der Clowns-Maske. Jedes Mal, fast jede Nacht war er da. Sie hasste ihn, obwohl er nicht real war. Er konnte nicht existieren, es war doch ein Traum. Plötzlich ging das grelle Licht über ihr an. Wie immer. Und dann stand der Maskenmann vor ihr. Seine widerliche Clowns-Fratze grinste sie höhnisch an. „Na, mein Püppchen?“ kicherte er und starrte Serafina an, als wäre sie ein besonders schönes Exemplar ihrer Sorte. Vielleicht war es ja so, sie wusste es nicht. Sie wusste im Moment nur, dass er sie gleich wieder verletzen würde. Wieder und wieder, sie immer. Doch morgens, wenn sie endlich aufwachte, war alles ganz normal und friedlich. Sie sah niemals ihre Wunden. Sie spürte sie auch nicht. Sie waren nicht da, also waren sie niemals real. Aber wenn sie mal richtig nachdachte und überlegte, dann war das immer so. Sie schnitt sich in den Finger – die Wunde heilte, noch bevor sie richtig wehtat. Sie ließ sich ein Piercing stechen – das Piercing stieß sich von der Haut ab. Sie ließ sich ein Tattoo machen – das Tattoo verschwand schneller, als es gekommen war. Merkwürdig, wie sie fand. Sie hatte Luca und Tiberius schon mal danach gefragt, aber die sagten, dass nur pures Silber und geweihte Materialien unserer Haut permanent schaden konnten. Irgendwie war das praktisch, irgendwie aber auch beängstigend. So war es eben, ein Vampir zu sein. Und so würde es auf ewig bleiben. Sie fragte sich, ob es allen Vampiren so erging, oder ob nur sie immer wieder diese Träume hatte. Sie traute sich nicht zu fragen. Sie würden sie eh alle für verrückt erklären. Vielleicht würden sie sie rausschmeißen. Sie hatte Angst. Das war doch zu verstehen, oder? Nicht jeder hatte Träume, die sich immer wiederholten, wo immer dieser eine Mann mit der Maske auftauchte, sie auf einem Metalltisch festgekettet war und ihr Schmerzen zugefügt wurden. Normal war das nicht. Jetzt lachte der Maskenmann. Sein Lachen war nach wie vor krächzend, laut, rau und immer wieder verhöhnend. Sie hasste es genauso wie die Person, von der diese grässliche Lache stammte. Schrecklich. „Na, Püppchen? Willst du heute gar nicht schreien?“ fragte er während er ihre Hand- und Fußgelenke am Tisch festkettete. Serafina rührte sich nicht. Sie wusste, dass sie konnte, aber sie wollte nicht. Es machte diesem Mann einfach zu viel Freude, wenn sie sich wehrte. „Ich finde, es fehlt irgendwas, wenn du nicht schreist, Püppchen. Du wärst dich ja nicht mal mehr. Das ist sehr schade.“ Lachte er krank. Ja, es war kran. Es konnte nicht gesund sein, so zu lachen. Jedenfalls hörte es sich nicht danach an. Es war irgendwie gestört. Sehr gestört. Krank, gestört und total durchgeknallt. Einfach verrückt. „Na, Püppchen? Heute keine Unterhaltung?“ fragte er kichernd. „Wir haben uns das letzte Mal doch so nett unterhalten.“ „Sie sind ein böser Mensch.“ Fauchte Serafina. „Ja, das mag sein…“ Meinte er böse und beugte sich ein wenig zu ihr runter, sodass sie glaubte, seine Augen sehen zu können. Sie waren schwarz. Einfach nur schwarz. „Aber man soll ja nicht immer nur vom Bösen im Menschen ausgehen. Ne? Man soll ja immer an das Gute im Menschen glauben. Tief in einem. Nicht wahr, Püppchen?“ kicherte er schief. „Sie sind kein Mensch.“ Serafina funkelte den Mann böse an. „Woher willst du das wissen?“ fragte er. „Naja, aber du hast voll kommen recht. Ich bin weder ein Mensch, noch bin ich gut in irgendeiner Hinsicht, aber das ist vollkommen egal, weil ihr alle mir gehört. Ihr gehört alle mir und die Welt wird auch bald alleine mir gehören. Bald schon, ganz bald…“ faselte er und entfernte sich ein bisschen von dem Tisch. Serafina folgte ihm mit ihrem Blick. Sie musste ihren Kopf ganz schön verrenken, um ihn im Auge zu behalten. Allerdings war es dort, wo er sich hinbewegte so dunkel, dass sie nichts erkennen konnte. „Die Menschen werden sterben!“ lachte er laut und kam dann zurück. In seinen Händen hielt er eine neue Spritze. Serafina graute es jedes Mal vor dieser Spritze. Beim letzten Mal, waren es sogar zwei gewesen. Vielleicht aber auch mehr, denn mehr als zwei hatte sie nicht ausgehalten. Der Schmerz war zu groß gewesen. Doch diesmal. Diesmal würde sie alles aushalten. Sie ertrug den Schmerz. Sie trainierte es. Auch wenn sie sich nicht erklären konnte, dass man in einem Traum etwas fühlen konnte. Vielleicht ging das ja auch gar nicht und sie bildete sich das einfach nur ein. Möglich war es doch, oder? Sie war sich da nicht so sicher. Da konnte man sich wohl auch nicht sicher sein, dachte sie. „Na? Magst du jetzt nicht doch ein bisschen schreien?“ er setzte die spitze Nadel an ihre Hüfte. Es war eine Silbernadel, vermutete sie. Es musste eine sein, sonst würde sie nicht in ihre Haut gelangen. Aber was dachte sie da? Sie träumte doch und da war es schließlich vollkommen egal. Sie schüttelte energisch den Kopf. Der Maskenmann zuckte daraufhin die Schulter und stieß die Nadel in Serafinas Haut. Es zog und brannte, aber sie ertrug es. Sie schaffte es. Sie musste es schaffen. „Du kannst einem echt den Spaß verderben. Jetzt schreist du schon nicht und ohnmächtig und dadurch total hilflos, wirst du auch nicht. Obwohl – hilflos bist du ja trotzdem!!!“ lachte er schallend. Der Schmerz verschwand schnell. Serafina wartete nun auf die nächste Spritze, die ihr Blut abnehmen würde. Das passierte jedes Mal. Das war das Schlimmste daran. Mitunter. Das Lachen war auch schlimm. Vielleicht sogar schlimmer. Der Maskenmann ging los, um die nächste Spritze zu holen, wobei er die Erste wegbrachte. Als er zurückkam hielt er kurz inne und betrachtete grinsend Serafina. Er gluckste und legte dann die Spritze weg. Serafina war verwirrt. Was würde er jetzt wohl stattdessen tun? Sie wusste ja auch nicht, was passierte, wenn sie wieder bewusstlos war. Irgendwie bereitete ihr das ein unwohles Gefühl. Aber warum eigentlich? Sie schlief doch schließlich. Sie wusste langsam selber nicht, was noch real war und was nicht. Es war irgendwie alles gleich. Jedenfalls bisher. Jetzt war da ja Vlad. Dieser Typ nervte sie ganz schön. Aber er konnte doch nicht wirklich so ein schlechter Typ sein, wenn er Lucas Neffe war. Moment, warum dachte sie jetzt über diesen Jungen nach, den sie doch eigentlich gar nicht mochte. Er war es doch gar nicht wert, über ihn nachzudenken. Oder? Nein, er war es definitiv nicht, dachte sie. Jetzt wurde sie durch ein lautes Quietschen aus ihren Gedanken gerissen. Sie blickte sich schnell zu dem Maskenmann um. Er stand direkt hinter ihr. Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt und sie einfach nur die ganze Zeit angestarrt. Welchen Gesichtsausdruck er draufhatte, das konnte sie natürlich nicht sehen. Sie konnte nur mutmaßen. Es war ihr aber eigentlich egal. „So, Püppchen, ich erzähle dir jetzt mal was.“ Begann er. „Du musst davon erfahren, denn du bist schließlich eine wichtige Komponente.“ Lachte er. „Es geht um meinen bösen Plan. Du verstehst sicherlich, dass ich dir das erzählen muss. Das machen Bösewichte nun mal.“ Kicherte er, als wäre er nicht ganz auf der richtigen Spur, aber das war er ganz bestimmt auch nicht. Er wirkte jedenfalls nicht so. Serafina war gespannt, was jetzt wohl kam. Natürlich wollte sie wissen, was für einen Plan dieser Wahnsinnige hatte. Sie hatte nur dieses eine Mal in Erinnerung, als er etwas von einer Armee gefaselt hatte. Irgendwann hatte er das einmal gesagt. Sie wusste nur nicht mehr, in welchem Zusammenhang es stand. „Einen Moment, Püppchen.“ Er zog eine Fernbedienung aus seiner weißen Kitteltasche und drückte auf einen der Knöpfe. Serafina sah nicht genau auf welchen. Im nächsten Moment bewegte sich der Tisch auf dem Sie lag und wurde gedreht. Als sie in der – wie sie vermutete – richtigen Richtung lag, wurde der Tisch gekippt, sodass sie jetzt vertikal stand. Oder hing, denn sie war an den Tisch gekettet und stand nicht auf den Füßen. Sie sah geradeaus. Es war dunkel, dort wo sie hinsah. Erkennen konnte sie nichts. „So, ich präsentiere dir den ‚Gifttransformator 1000‘. Den hab ich selbst entworfen und gebaut. Jahre hat das gedauert.“ Erzählte er, wobei er auf eine andere Taste drückte und das Licht in dieser Ecke anging. Sie blickte nun direkt auf eine riesige Maschine, die die gesamte Wand ausfüllte. Sie war aus Metall und Glas. Überall hingen Drähte und Schläuche. Oben waren Pumpen und zylinderförmige Glasgefäße mit verschiedenfarbigen blubbernden Flüssigkeiten darin. Es wirkte irgendwie gruselig. Serafina wurde übel. Das lag vielleicht aber auch nur daran, dass sie die ganze Zeit in der Horizontalen gelegen hatte und jetzt in der Vertikalen hing. Das war sehr unbequem. „Na, wie findest du die Maschine?“ fragte der Maskenmann begeistert. „Ich persönlich bin hin und weg.“ Kicherte er, ohne eine Antwort abzuwarten. Wahrscheinlich wollte er auch gar keine. Serafina war von der Maschine entsetzt. Was sollte das bitteschön? Das konnte doch nicht wahr sein! Das war es in gewisser Hinsicht ja auch nicht, da sie ja in ihrem Bett lag und tief und fest schlief, aber wie um Himmelswillen konnte sie so was träumen? Sie bekam noch mehr Angst, während sie so nachdachte und wünschte sich jemanden, der sie beschützte. Jemanden, der immer auf sie aufpasste. Jemanden wie Luca, aber nicht Luca. Jemand anderes, der so ähnlich war wie Luca und nicht genauso. Oder doch jemanden, der ganz anders war? „Also, Püppchen, dann werde ich dir mal erklären, wie mein Plan läuft.“ Fing er an und Serafina konzentrierte sich, jedes einzelne Wort zu hören. „Wenn ich genug Vampirgift habe, das sich in dem süßen lecken Blut von so jungen süßen Vampirchen wie dir befinden, dann werde ich das ganze Zeug in meinen tollen Gifttransformator 1000 geben und dann werde ich das Gift transformieren. Ja, wer hätte das gedacht.“ Kicherte er und Serafina sog jedes Wort auf, wie ein trockener Schwamm. „Nachdem ich das ganze Gift transformiert habe, kann ich es in sehr keinen Dosen in diese Gefäße dort geben. Einen Moment bitte.“ Sagte er und drückte dann auf einen anderen Knopf, wodurch der Tisch sich um neunzig Grad nach rechts bewegte, wo daraufhin das Licht anging und eine Reihe von wandhohen Glassäulen mit leicht grünlichen Flüssigkeiten zu sehen waren. Es waren zehn Säulen, die ungefähr den Durchmesser von achtzig Zentimetern hatten. „Wenn das transformiert Gift mit der Essenz in diesen Gefäßen in Berührung kommt, dann entsteht eine Submagiechematische Reaktion. Nicht nur, dass es eine ganz tolle andere Farbe ergibt. Nein! Es entsteht auch ein Endprodukt! Tja, das hättest du jetzt nicht gedacht, ne, Püppchen?“ er lachte laut. Serafina starrte perplex auf die Säulen. Hatte er das jetzt ernst gemeint? Fragte sie sich. Es schien so. Was für ein Endprodukt und was war überhaupt eine Submagiechematische Reaktion? Dieses Wort hatte sie noch nie im Leben gehört. Nicht einmal in Tiberius Unterricht und eigentlich hörte sie da immer zu. Meistens. „Was für ein Endproduckt?“ fragte sie dann. Der Maskenmann sah sie erstaunt an. Er hatte wohl nicht mit einer Frage gerechnet. „Nun…“ er überlegte. Wahrscheinlich, ob er Serafina das wirklich sagen sollte. „Das, mein Püppchen, ist ein Geheimnis.“ Lachte er dann finster, worauf ein dramatisches „Muhahaaa!“ folgte. „Aber so viel soll gesagt sein, mein Püppchen…“ er machte eine Pause. „Nicht mehr lange, und die Armee wird wachsen!“ sein Lachen ging in einem schmerzverzerrten Kreischen unter, das aus Serafinas Mund kam. Sie hatte nicht bemerkt, dass er plötzlich die zweite Spritze an ihre Schulter gesetzt hatte und sie dann plötzlich in ihren Haut einstach, bis sie an ihrem Knochen vorbeischrammte. Der schmerz war nicht zu ertragen und sie wurde ohnmächtig. Kapitel 10: #10# ---------------- Kapitel 10 Die geheimnisvolle Schachtel Nach Luft schnappend schrak sie hoch. Sie war schweißgebadet. Ihr Nachthemd klebte ekelig an ihrer Haut, aber daran konnte sie gerade gar nicht denken. Sie war zu geschockt. Ihr Kopf fühlte sich an wie Watte. Die Sechzehnjährige war gerädert. Alles drehte sich für einen Moment, obwohl sie nicht besonders viel sehen konnte, da die Vorhänge ihres Bettes zugezogen waren und sie mit ihren überdurchschnittlich guten Augen nur ihre Bettpfosten sehen konnte und etwas, das vor ihr auf der Decke lag. Das hatte aber bevor sie ins Bett gegangen war, noch nicht da gelegen, da war sie sich zu hundert Prozent sicher, nur war es ihr im Moment vollkommen egal. Alles was sie gerade noch konnte, war geradeaus gucken und versuchen zu atmen, was ihr mit diesen Kopfschmerzen schon sehr schwer viel. Es war einfach nur schlimm. Schlimmer ging es nicht. Sie fühlte sich, als hätte sie drei Flaschen von Roccas Lieblingsalkohol getrunken. Zu ihren Kopfschmerzen kamen auch noch diverse weitere Schmerzen in und an ihrem Bauch. Sie hatte tierischen Hunger aber das war jetzt Nebensache. Taumelnd schob Serafina sich an ihre Bettkannte und versuchte kraftlos den schweren schwarzen Vorhang beiseite zu schieben. Nach ein paar wenigen Anläufen gelang es ihr dann auch endlich. Sie setzte ihre Füße auf dem flauschigen Teppich ab und versuchte aufzustehen. Es funktionierte zunächst nicht so, wie sie es sich vorstellte, aber nach und nach verschwand ihr Schwindelgefühl und sie konnte endlich richtig stehen. Die Kälte unter ihren Füßen war für sie nicht mehr spürbar. Aber auch wenn ihre Füße gefroren hätten, was sehr Wahrscheinlich war, weil Igor Heizkosten versuchte zu sparen, wäre es ihr egal gewesen. Sie torkelte zur Tür, öffnete diese zaghaft und taumelte nah an der Wand zum Badezimmer, das zum Glück nicht sehr weit entfernt war. Sie öffnete auch diese Tür und schloss sie mit Schwung, für den sie zwei Versuche brauchte, weil sie beim Ersten nicht die Türklinke losgelassen hatte, gleich wieder, als sie drin war. Nicht mal der Boden des Badezimmers war beheizt. Aber das war ja unwichtig. Sie wankte auf die Dusche zu, schob den Vorhang beiseite und stellte sich hinein. Mit ausdrucksloser Miene betätigte sie den Wasserhahn und bemerkte leider erst im Nachhinein, dass sie noch ihr Nachthemd trug. Naja, dachte sie - was ihr sehr schwer viel, muss es halt nicht mehr in die Waschmaschine. Ihr war es ja so schon immer unangenehm gewesen, wenn Igor ihre Schmutzwäsche aus ihrem Zimmer holte, wenn sie gerade nicht da war (sie hatte sich natürlich irgendwann damit abgefunden), aber wenn es jetzt auch noch vor Schweiß triefende Nachtwäsche war…unvorstellbar. Nach einer Minute, die sie dazu brauchte, um einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen, entschied sie sich, ihre Kleidung doch auszuziehen und ließ dann die klatschnassen Sachen auf die schwarzen Fliesen vor ihr Fallen. Dann zog sie auch den Duschvorhang vor, den sie ebenfalls vergessen hatte. Sie duschte solange, bis das kalte Wasser allmählich zu ihr durchdrang und sie wieder etwas spürte. Es war aber nicht die Kälte, sondern das Prasseln des Wassers auf ihrer Haut, das sie mit der Zeit störte. Für gewöhnlich duschte sie gerne und auch mal länger als eigentlich nötig (besonders gerne besonders heiß), aber heute war das mal anders. Sie wollte etwas essen und sich dann irgendwo hinlegen, wo sie einfach nur etwas dösen konnte. Möglichst alleine. Sie drehte den Wasserhahn zu und tastete dann den Handtuchständer außerhalb der Dusche ab, wo sie auch gleich eines der tollen, weichen weißen Handtücher fand, es von der Handtuchstange zog und sich dann darin einwickelte. Nun etwas wacher, schob sie den Duschvorhang beiseite und stieg hinaus. Etwas rutschig unter den Füßen tapste sie zum Waschbecken, über dem ein großer Spiegel prangte, wobei jeder Schritt ein leises Schmatzen hervorbrachte. Emotionslos blickte sie ihr Spiegelbild an. Sie sah genauso aus, wie sie sich fühlte. Elend. Sie hatte tiefe Augenringe, ihre Haut war Fahl, viel blasser als sonst und ihre Augen waren rot geschwollen, als hätte sie die ganze Nacht geweint. Ohne ihren Blick vom Spiegel abzuwenden tastete sie nach einem weiteren Handtuch, einem für ihre Haare. Als sie endlich eins gefunden hatte, legte sie es sich auf den Kopf und hoffte, dass es dort irgendwas brachte. Sie wartete eine Minute, aber natürlich brachte das Handtuch auf dem Kopf nichts. Wie auch? Sie seufzte kurz und klang dabei kläglich, dann legte sie sich beide Hände auf den Kopf und rieb schwach das Handtuch auf ihrem Kopf herum. Das sollte ihre Haare etwas antrocknen. Nach einer Weile entschied sich, dass es genug war und nahm das Handtuch ab. Jetzt waren die blonden Haare auf ihrem Kopf wirr zusammengewuselt und der restliche Teil hing nach wie vor nass ihre Schultern und den Rücken hinab. Schleppend griff sie nach dem Föhn und stöpselte ihn dann ein. Anschließend hielt sie sich den Föhn fünf Minuten auf die rechte Seite ihres Kopfes und dann fünf Minuten auf die linke Seite, was dazu führte, dass ihre Haare trocken wurden, aber total zerzaust waren. Sie tastete nach, ob auch wirklich alle Haare trocken waren und legte den Föhn wieder weg. Seufzend stützte sie ihre Hände auf dem Waschbecken ab und sah weiterhin in den Spiegel. Plötzlich wurde die Türklinke heruntergedrückt und die Tür ging auf. Hereingeschlurft kam Charlette, deren Haare einigermaßen normal aussahen. Sie gähnte, während sie die Tür hinter sich schloss und sah dann Serafina an, die sich nicht zu ihr umgedreht hatte, sie keines Blickes würdigte. „Du siehst grauenhaft aus.“ Brachte Charlette nur raus, als sie näher an Serafina und den Spiegel trat. „Geht’s dir nicht gut?“ wollte sie dann wissen und zog währenddessen ihr schwarzes Nachthemd mit der Aufschrift ‚Guilty Pleasure‘ aus, was der Name ihrer Lieblingsmarke war. „Mmm…“ brummte Serafina und schlurfte dann aus dem Badezimmer zurück in ihr Eigenes. Serafina warf noch einen letzten stumpfen Blick in den Spiegel in ihrem Zimmer. Sie hatte es zumindest geschafft sich anzuziehen, sich die Haare ordentlich zurechtgemacht und es sogar hinbekommen, sich ordentlich zu schminken. Leider konnte auch der sonst so verführerisch wirkende rote Lippenstift nichts tun, was sie etwas wacher erscheinen ließ. Ihre Augenringe wurden allerdings von einer Schicht Puder verdeckt. Mit pochendem Schädel verließ sie ihr Zimmer und trat auf den Flur, wo sie gleich wieder kehrt mache, weil sie ihre Schuhe vergessen hatte. Zurück in ihrem Zimmer entschied sie sich für rote Pumps und stöckelte in den unkomfortablen Tretern sehr unbeholfen nach unten zum Esszimmer. Sie ließ die Tür auffliegen und betrat den Raum. Luca, Tiberius, Rocca und Rya saßen bereits auf ihren angestammten Plätzen. Nur Charlie befand sich wohl noch im Bad. Serafina blieb im Türrahmen stehen und ließ ihren ausdruckslosen Blick nacheinander über jeden Einzelnen schweifen, bis ihr Blick auf das obere Ende ihrer Stuhllehne fiel. Sie fuhr mit den Augen etwas weiter nachunten und traf dort auf den schwarzen Haarschopf, den sie ja schon vom Vortag kannte. Noch etwas tiefer waren seine Augen. Leicht angesäuert verzog sie das Gesicht. Als Vlad sie bemerkte, sah sie ihn böse an, woraufhin er nur fies grinste. „Na, gut geschlafen, Fina, Liebes?“ der hämische Unterton dieser Frage war deutlich zu hören. „Das ist mein Platz.“ Fauchte sie, ohne auf die Frage einzugehen. „Tja, ich war zuerst hier.“ Grinste er. Sonst beteiligte sich aber niemand an dieser kleinen Auseinandersetzung, denn alle waren irgendwie anders beschäftigt. Rya spielte wie immer mit ihrer neuen PSP, Rocca trank Wein, während sie Tiberius zuhörte, der ihr etwas über Zaubertränke erzählte und Luca war in die Zeitung vertieft. Charlette war noch im Badezimmer. Also stritten sich nur Vlad und Serafina. Das reichte aber auch. Sie stellte sich langsam hinter ihren Platz und wartete ein paar Sekunden, ehe sie leicht quengelnd sagte: „Geh weg.“ „Wieso denn?“ „Mein Platz.“ Antwortete sie schmollend. „Du kannst dich ja auf meinen Schoß setzen, Fina, Liebes.“ Ohne ein weiteres Wort setzte Serafina sich schnell auf den Platz am Ende des Tisches. Vlad zuckte unbekümmert die Schultern und nahm einen Schluck Kaffee. Im nächsten Moment betrat Charlette das Esszimmer, wischte Tiberius kurz mit der Hand über die Haare und setzte sich dann auf ihren Platz. Sie sah kurz Serafina an, die den Orangensaft in ihre Müslischüssel kippte, statt ins Glas und sah dann zu Vlad rüber, der diese Szene sehr amüsant fand und Serafina daher weiter beobachtete, was sie aber nicht beachtete, oder zumindest versuchte es zu ignorieren. Charlette wandte sich wieder zu Serafina und schüttelte einfach nur den Kopf, bevor sie begann ihr Müsli essen. „Was ist denn mit dir los?“ fragte Rocca, als sie sich in der Runde umsah und dann Serafina erblickte, die auf ihrem Platz zusammengesunken war. Tiberius schenkte sich in der Zwischenzeit Kaffee nach. „Mm…“ gab Serafina aber nur zur Antwort und bemühte sich, dass ihre Augen nicht zufielen und sie einfach so einschlief. „Du wirkst so, als hättest du drei Wochen kein Blut getrunken.“ Stellte Vlad fest. „Schlecht geschlafen.“ Presste Serafina zwischen ihren Lippen hindurch und rutschte immer tiefer, bis sie fast unter dem Tisch hing. „Oh, hat Fina, Liebes etwas was böses geträumt?“ Vlad freute sich wohl darüber, denn er grinste immer breiter. Luca räusperte sich kurz und ließ die Zeitung etwas sinken. „Fina, Liebes, kannst du mir mal den O-Saft geben?“ fragte er unbekümmert und hatte wohl das Gespräch nicht ganz mitverfolgt, was Serafina und Vlad geführt hatten. Da Serafina aber keine Anstalten machte, Luca den Orangensaft zu geben, tat Charlette dies für sie. „Danke, Finachen.“ Bedankte er sich dann, ohne die Person anzusehen, die ihm den Orangensaft überreicht hatte. Er war einfach zu tief in seine Zeitung versunken. „In der Nähe legen sie jetzt einen neuen Friedhof an, weil die Todesfälle in den letzten Jahren furchtbar zugenommen haben.“ Murmelte er und schenkte sich dabei ein Glas Orangensaft ein – natürlich ohne sich auch nur einen Moment von der Zeitung abzuwenden. Charlette ließ ein leises Glucksen vernehmen. „Woran das wohl liegt…“ meinte sie grinsend. „Das ist nicht witzig, meine Süße.“ Entgegnete Tiberius ebenfalls grinsend. „Das wäre doch der ideale Ort für meinen Fünfundzwanzigsten!“ stieß Rocca plötzlich hervor und alle Augen waren auf sie gerichtet. Serafina verfolgte das ganze Geschehen emotionslos, als jedoch alle anfingen wild zu plappern, hörte sie einfach nicht mehr zu und widmete sich einem Toast. Kurz darauf kam Igor aus der Küche und stellte einen neuen Korb Toast auf den Tisch. Dann drehte er sich zu Serafina und beugte sich ganz nah zu ihr, was sie sonst immer total verärgerte und nervig fand, aber heute ignorierte sie es einfach – zu Igors Missvergnügen. Verärgert verschwand er wieder in der Küche. Im Laufe der Diskussion zwischen Rocca, Charlette, Tiberius und Luca, stand Serafina einfach von ihrem neuen Platz auf und verließ schlurfend das Esszimmer. Im Wohnzimmer legte sie sich auf das nächstbeste Sofa und schloss die Augen, obwohl sie nicht wirklich glaubte, dass diese Ruhe, die bis dahin noch in dem Raum gelegen hatte, lange anhielt. So war es auch nicht, denn ein paar Minuten später, kamen die anderen Mädchen herein. Rya setzte sich sofort vor den Fernseher und startete WOW und Rocca und Charlette unterhielten sich weiter über die Ansteheden Geburtstagsfeier zur Volljährigkeit Roccas, wobei sie Serafina vollkommen Außeracht lassen. Mit strapazierten Nerven und vollkommen am Ende rollte Serafina sich vom Sofa, kam etwas unsanft auf dem Fußboden auf und krabbelte dann in die noch lehre Bar. Dort angekommen war es aber nicht nur unbequem. Nein. Ein weiterer Störfaktor waren Tiberius und Luca, die sich über den neuen Friedhof unterhielten und Serafina wahrscheinlich gar nicht bemerkten, die in einer Ecke auf einer Couch lag und versuchte ein wenig Ruhe zu finden. Der nächste Ort, den sie aufsuchte, war der Salon neben der Küche. Dort blieb sie aber keine zwei Sekunden, da Igor dort staubsaugte. Dann war die Bibliothek dran. Diese befand sich vor dem Salon und rechts neben dem Esszimmer. Serafina legte sich, in der Hoffnung, dass sie jetzt endlich Ruhe hatte, auf ein Recamier und schloss die Augen. Diesmal klappte es. Nach nicht einmal zwei Minuten war sie schon eingeschlafen und träumte von rein gar nichts. Doch da war doch was. Sie spürte jemanden, direkt neben ihr. Jemand beobachtete sie, da war sie sich sicher. War sie etwas schonwieder in einem ihrer Horrorträume gelandet? Erschrocken riss sie die Augen weit auf und blickte in die grinsende Visage von niemand anderem als Vlad Dracula dem dreißigsten. „Was willst du?“ knurrte sie und blickte ihn sehr feindselig und sehr schlecht gelaunt an. „Nix.“ „Dann hau ab.“ „Wieso?“ „Ich will schlafen.“ „Mach doch, stört mich nicht.“ „Du störst mich aber.“ „Das kann natürlich sein.“ Er nickte verständnisvoll. „Dann verschwinde.“ „Nö.“ „Läuft denn nichts im Fernseher?“ jammerte Serafina entnervt. „Doch, den ganzen Tag, sieben Tage die Woche, jeden Tag im Jahr, aber leider haben wir keinen Sender, der ‚Ich seh‘ dir gern beim Schlafen zu‘ heißt, was sehr schade ist, weil es wirklich ein schöner Anblick ist, wenn du so still daliegst und mal nichts sagst.“ Erklärte er. Wohlmöglich sollte das ein Kompliment sein, aber sie ignorierte es. „Du nervst.“ „Ja, das sagtest du schon und weißt du was? Es ist mir egal!“ lacht ein bisschen dreckig. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben. Er stand direkt vor dem Recamier, auf dem Serafina lag und versuchte zu Schlafen. „Hast du nichts Besseres zu tun?“ fragte sie fuchsig und richtete sich auf. „Nein, eigentlich nicht.“ Entgegnete er unbekümmert. „Dann tut es mir leid, dass du keine Hobbys hast, aber ich will jetzt pennen.“ „Ja, dann schlaf doch einfach weiter.“ „Dann verschwinde!“ kreischte sie nun hysterisch. „Ich will dir aber zugucken.“ Grinste er und fand es sehr witzig, dass Serafina jetzt so richtig sauer war. „Du perverser Spanner!“ schrie sie. „Lass mich in Ruhe und such die jemand anderen, den du anglotzen kannst.“ Sie stand auf und war drauf und dran ihn anzugreifen. Ihre Vampirzähne waren jedenfalls schon zu sehen. „Nein.“ Sagte er glucksend. „AH! Jetzt mach doch vom Acker, sonst wünschst du dir, niemals geboren worden zu sein!“ „Oha, was willst du mir denn schon antun? Du bist schließlich nur ein kleines Mädchen.“ „Ich bin verdammt nochmal nur ein Jahr jünger als du, also sei mal ganz still!“ „Du hast mich nichts zu sagen, Finachen, ich kann machen was immer ich will.“ Grinste er böse. „Das glaubst aber auch nur du. Am liebsten würde ich dich auf der Stelle-.“ Sie stockte, da Vlad plötzlich ganz dicht vor ihr stand. „Ja?“ fragte er fordernd und legte grinsend die Hände auf ihre Hüften. „Griffel weg, du Hund!“ mit diesem Satz stieß sie ihn von sich weg, sodass er ein Stück zurückflog und dann gegen ein Bücherregal prallte, was das schwere Regal zum Wanken brachte und einige Bücher auf den Siebzehnjährigen herabprasselten. Serafina beobachtete das kurz mit Genugtuung und verschwand dann von einer Sekunde auf die Andere aus der Bibliothek. „Dieses kleine Biest.“ Lachte Vlad und rappelte sich auf. Die oberen Reihen des Regal waren vollkommen lehr. Der Staub lag nun auf Vlad, der ihn von seiner Kleidung klopfte und aus seinen Haaren wuschelte. Er verließ die Bibliothek ebenfalls und blickte sich dann in der Eingangshalle nach der Richtung um, in die Serafina gegangen war. Natürlich wollte er sie weiterärgern. Denn das machte ihm ungemein viel Spaß. Er suchte im Salon, dann im Wohnzimmer und in der Baar, im Esszimmer und sogar in Küche und Abstellkammer. Als er sie im Untergeschoss aber nicht finden konnte, huschte er die Treppe hinauf und warf einen Blick in jedes einzelne Zimmer. Auch in die Badezimmer. Als er sie weder in ihrem eigenen Zimmer, noch in den Zimmern von den Mädchen, Luca und Tiberius fand, versuchte er es auch noch im Klassenzimmer. Aber dort war sie natürlich nicht. Wie hätte sie da denn schlafen wollen? Vielleicht auf dem Lehrerpult? Der Gedanke amüsierte den Siebzehnjährigen ein wenig und er musste schmunzeln. „Fiiiinachen, wo hast du dich verste-heckt?“ sagte er in einem leichten Singsang, während er durch die Flure des oberen Stockwerks schlich und auch das Kaminzimmer und die unbewohnten Gästezimmer absuchte. Erfolglos. „Sie wird ja wohl nicht nach draußen gegangen sein…bei dem Wetter?“ er warf einen Blick aus dem Fenster. Es schüttete aus Eimern. Fina lag unterdessen seelenruhig schlafend in einem gemütlichen Bett und wälzte sich auf die Seite, während Vlad nach ihr suchte. Sie lächelte und sank tiefer in einen Hauch von Nichts. Um sicher zu gehen, dass Serafina nicht in ihrem eigenen Zimmer war, sah er noch mal nach und erblickte dann etwas, das auf ihrem Bett lag. Vorher war es ihm wahrscheinlich nicht aufgefallen. Er ging näher an das Bett heran und sah sich das Etwas an. Es war ein kleiner Karton. Eine einfache Schachtel. Was da wohl drin ist, dachte er und führte die Hand zu der Schachtel. Kurz bevor er sie erreicht hatte, hielt er inne. Sollte er wirklich in eine Schachtel gucken, die jemand anderem gehörte, der gerade schlief, obwohl Vlad sich nicht wirklich sicher war, ob oder wo Serafina gerade schlief. Vermutlich sollte er Serafina zuerst fragen. Vermutlich, aber er tat es nicht. Dreist wie er war, griff er sich die kleine Schachtel und nahm den Deckel ab. Was er dann dort vorfand faszinierte ihn kein Stück, denn drinnen war nichts. Die Schachtel fühlte sich merkwürdigerweise aber schon danach an, als wäre etwas darin, doch er konnte nichts erkennen. Das Innere der Schachtel war einfach nur leer. Komisch, dachte er und schüttelte die Schachtel. Nichts. Kein Geräusch, keine Bewegung. Da war wirklich nichts drin, aber die Schachtel war nur aus Pappe. Oder? Ja, es fühlte sich nach Pappe an und es ließ sich so wie Pappe leicht zusammendrücken. Er passte aber auf, dass er die Schachtel dabei nicht kaputt machte. Er steckte einen Finger in die Schachtel und tastete das Innere ab, aber es war nur eine leere kleine Pappschachtel. Sie war schwarz. Nichts Besonderes. Nur Pappe in Forme einer Schachtel. Er drehte sie um und sah sich den Boden an. Tatsächlich stieß er nun auf etwas. Mit weißer Schrift war dort geschrieben worden: Den Inhalt dieser Schachtel kann nur der sehen, für den diese Schachtel bestimmt ist. Dahinter war ein grinsender Smiley gemalt. Kapitel 11: #11# ---------------- Kapitel 11 Der unsichtbare Beweis Jetzt war Vlad erst recht neugierig auf den Inhalt der Schachtel. Natürlich konnte er die Schachtel nicht einfach mitnehmen und Serafina bei der nächsten Begegnung danach fragen, weil sonst rauskam, dass er unerlaubterweise in einem fremden Zimmer gewesen war. Das ging natürlich nicht. Möglicherweise hat das Mädel ja auch den Inhalt schon rausgenommen, dachte er und setzte der Schachtel den Deckel wieder auf, um sie zurückzustellen. Er verließ das Zimmer von Serafina schnell wieder und suchte weiter nach ihr. Nach einer Weile kam er sich sehr blöd vor, dass er seine Zeit damit verbrachte ein Mädchen zu suchen, das eigentlich seine Ruhe haben wollte. Also gab er die Suche auf und steuerte sein Zimmer an. Seufzend und endtäuscht, dass er Serafina nicht gefunden hatte, öffnete er seine Zimmertür und betrat den Raum, dessen Vorhänge zugezogen waren und es deshalb dunkel war. Sofort stand er bei den Vorhängen und zog diese Schwungvoll beiseite. Einen Moment später war auch schon ein murrendes Geräusch aus der Richtung, wo sein Bett stand zu hören. Erschrocken sah er auf sein Bett, wo tatsächlich jemand lag und schlief. Es war Serafina und blitzschnell huschte ihm ein breites Grinsen übers Gesicht. Mit einem spitzbübischen Blick zog er so leise wie möglich die Vorhänge wieder zu und schlich zu seinem Bett rüber. Dank seinen perfekten Augen, konnte er noch recht gut in der Dunkelheit sehen, ohne sich dazu überhaupt anzustrengen und beobachtete so noch eine kleine Weile die schlafende Schönheit, bevor er beide Enden der Decke in die Hände nahm mit einem kräftigen Ruck daran zog, sodass Serafina hochgerissen wurde, deshalb aufwachte und sich so plötzlich wie unerwartet auf ihren Angreifer stürzte und ihn mit ihrem gesamten Körpergewicht auf den Boden drückte. „Hey, jetzt mal langsam.“ Sagte Vlad lachend und drückte Serafina von sich weg, die drauf und dran war, ihn zu erwürgen. Erschrocken wich sie zurück. „Warum hast du das gemacht?“ fragte sie bissig und trat mit dem Fuß nach Vlad, der am Boden lag und immer noch vor sich hin kicherte. Er zuckte die Schultern. „Einfach so.“ er gluckste. „Was machst du eigentlich hier?“ wollte er dann belustigt wissen und machte keine Anstalten aufzustehen. „Ich hab ganz friedlich gepennt, bis du reingekommen bist und mich aus dem Bett geschmissen hast.“ Fauchte sie. „Naja, aber das ist mein Zimmer und auch mein Bett.“ Entgegnete er grinsend und klang irgendwie besserwisserisch dabei. „Oh, aber das weiß ich doch.“ Sagte sie mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen und änderte ihren Blick dann schlagartig wieder zu ihrer – ihm gegenüber – gewohnten Feindseligkeit. „Ich wusste nur, dass du niemals auf die Idee kommen würdest, mich in deinem eigenen Zimmer zu suchen.“ „Tja, aber jetzt hab ich dich gefunden. Dann such dir mal ein neues Versteck. Früher oder später find ich dich ja doch.“ Meinte er grinsend und stand nun endlich wieder vom Boden auf. „Nein, jetz‘ hab ich kein‘ Bock mehr.“ Murmelte sie trotzig und ließ sich auf die Bettkante plumpsen. „Du kannst ruhig in meinem Bett weiterpennen, wenn du willst, mir ist das egal. Nur musst du dich dann damit abfinden, dass ich neben dir liege und jede deiner Bewegungen mitverfolge.“ Meinte er und beugte sich mit den Händen in den Hosentaschen etwas zu ihr runter. Womit er nicht gerechnet hatte, war dass sie schnell ausholte und ihm eine saftige Ohrfeige verpasste, woraufhin sie leise murrend sagte: „Blöder Hund.“, dann aufstand und den Raum verließ, um sich ein neues Plätzchen zu suchen, wo sie ungestört schlafen konnte. Sie entschied sich gleich für ihr eigenes Zimmer, zog dort die Vorhänge vor die Fenster und schmiss sich auf ihr Bett, wobei ihr schnell auffiel, dass dort etwas lag. Ein kleines schwarzes Schächtelchen lag dort am Fußende. Wo kam das denn her? Fragte sie sich selbst. Neugierig aber auch etwas skeptisch nahm sie die Schachtel in beide Hände und sie sie sich genau an. Hatte Vlad die etwa hinterlassen? Hatte er wohlmöglich einen gemeinen Streich damit vor? Sie wollte es nicht riskieren, dass es so weit kam, dass sie wohlmöglich Farbe im Gesicht hatte, die sie zwei Monate nicht mehr abwaschen konnte oder schlimme, eine Stinkbombe in ihrem Zimmer platzte. Behutsam und darauf bedacht, dass sich der Inhalt nicht bewegte, lugte sie unter die Schachtel und las das, was auf dem Boden geschrieben stand. „Den Inhalt dieser Schachtel kann nur der sehen, für den diese Schachtel bestimmt ist…und ein Smiley…“ murmelte sie und überlegte, was damit gemeint sein könnte. Das war sicherlich nur so ein blöder Streich von Vlad, glaubte sie und stellte die Schachtel dann auf ihren Nachttisch, um dann in Ruhe weiterzuschlafen. Sie strengte sich wirklich an, aber ihre Neugierde war doch größer. Sie öffnete ihre Augen, setzte sich auf und starrte die Schachtel an, als versuche sie durch die Pappe hindurchzusehen, was natürlich nicht funktionierte. Sie murrte trotzig und wusste, dass sie es sicherlich bereuen würde, das jetzt zu tun, nahm sich aber trotzdem die Schachtel und flitzte zu Vlads Zimmer zurück. Sie klopfte und hörte gleich darauf ein „Ja?“. Sie öffnete die Tür und lehnte sich mit der Schachtel in der Hand an den Türrahmen. „Na? Haste ‘s dir doch noch anders überlegt?“ fragte Vlad, der mit einem Buch in der Hand auf seinem Bett lag und dann grinsend auf die andere Seite des Bettes klopfte. Serafina verdrehte die Augen. „Nein, du Penner, natürlich nicht!“ fauchte sie dann und hob das Schächtelchen an. „Soll das irgendwie ein schlechter Scherz sein?“ fragte sie. „Nö, wieso?“ fragte er dann sichtlich ratlos. „Hm…ich dachte, dass es ein Streich von dir sein soll oder so was.“ „Heißt das, du kannst den Inhalt auch nicht sehen?“ „Inhalt? Moment, heißt das, dass du in meinen Sachen rumgestöbert hast?!“ jetzt war sie wieder richtig sauer, warf die Tür hinter sich zu und stürzte sich auf Vlad, der mit Händen und Füßen versuchte sie von sich fernzuhalten, das sie ihre Zähne und Krallen ausgefahren hatte und doch tatsächlich probierte ihm wehzutun. „Kann es sein, dass du ein bisschen gewalttätig bist?“ fragte er Serafina, die in der Luft über ihm hing, da er sie mit allen Vieren von sich hielt. „Was ich bin ist immer noch meine Sache, aber du hast nicht einfach so in meinen Sachen rumzustöbern, wie es dir gefällt, also was ist jetzt da drin?!“ fragte sie bissig. „Weiß ich doch nicht. Ich kann’s nicht sehen!“ rief er ihr ins Gedächtnis. „Echt?“ sie sah die Schachtel verwundert an. „Ja, echt.“ Er ließ sie runter auf die andere Bettseite plumpsen, wo sie sich hinkniete und die Schachtel weiterhin ratlos betrachtete. „Na los, mach auf!“ forderte er, als sie sich auch nach zehn Sekunden noch nicht dazu entschieden hatte, den Deckel abzunehmen. „Nein! Bist du wahnsinnig geworden? Was ist, wenn da was Gefährliches drin ist – oder du mich anlügst??“ sie war ihm gegenüber wirklich misstrauisch, aber zu Recht, wie sie fand. Da tauchte einfach so ein Vlad-Dracula-Typ auf und meinte mal eben, Lucas Neffe zu sein und ist dann total fies und dann ist da auch noch so ein mysteriöses schwarzes Schächtelchen, da konnte doch was nicht stimmen. „Hach…“ seufzte er genervt und zog ihr die Schachtel aus den Händen, um sie dann ohne weiteres zu öffnen und das zu offenbaren, was drin war – nämlich gar nichts, jedenfalls konnte er nichts sehen. War das bei Serafina auch so? Nein, denn sie fasste in die Schachtel und holte einen kleinen zusammengefalteten Zettel heraus. „Na, was ist es?“ wollte er wissen. Serafina huschte en Grinsen übers Gesicht. „Kannst du das echt nicht sehen?“ hakte sie nach. „Nein, kann ich nicht, also, was ist es?“ drängte er. „Sag ich nicht.“ Sie faltete den Zettel auseinander und las ihn sich durch: Na, mein Püppchen, gut geschlafen? Natürlich nicht, wie komme ich denn nur auf so was? Wie hat dir mein Plan gefallen? Ein wunderbarer Plan, oder? Natürlich ist er das, schließlich ist es mein Plan. Bald ist das Werk vollbracht! Bald, ganz bald wird die Welt mein sein!! Und bis dahin: wunderbare Träume! Gezeichnet Dein Maskenmann Sie konnte das kranke Lachen schon beinahe hören, so still war es um sie herum. Sie hörte nicht mal das leise Atmen von Vlad, der sie neugierig ansah. Auch nicht ihren eigenen Herzschlag, obwohl sie sich ganz sicher war, dass ihr Herz raste. Natürlich vor Angst. Sie konnte jetzt nur noch Angst haben. Das war zu grauenhaft, als dass sie keine Angst haben konnte. Es waren keine Träume. Nein, das waren sie ganz bestimmt nicht. Es musste real sein, anders konnte sie es sonst nicht vorstellen. „Zwick mich mal.“ Hauchte sie mit Starrem Blick auf den Zettel. Sogleich folgte das gewünschte Zwicken in ihrem Arm, das sie aber kaum spürte, sodass sie immer noch vermutete, dass sie schlief. „Und? Was ist das?“ „Ich glaub ich träume…“ sagte sie leise, fast unhörbar und ohne auf Vlads Fragen einzugehen. Schneller als sie reagieren konnte, spürte sie ganz deutlich, wie sich ein Paar kühle weiche Lippen auf ihre blassen Wangen legten. Hatte er sie gerade ernsthaft geküsst? Dafür versetzte sie ihm eine erneute Ohrfeige, sodass er sich die rechte Seite seines Gesichtes zuhalten musste, da sie vor Schmerz brannte. „Hast du sie noch alle?!“ „Ja, danke der Nachfrage. Und? Träumst du immer noch?“ „Nein, aber es wäre mir durchaus lieber.“ „Na, sag schon, was ist das?“ Sie seufzte ergeben und schloss einmal kurz die Augen. „Ok, ich denke mal, dass du mir das jetzt eh nicht glaubst, aber das hier ist ein Zettel, auf dem geschrieben steht, dass…“ sie stockte. Das konnte sie ihm doch jetzt nicht einfach erzählen. Das war doch alles nicht wahr. Es konnte nicht wahr sein, weil… So genau wusste sie das nicht. „Ja, was steht denn da?“ hakte er nach und sie las es ihm vor. Der Text machte ihn stutzig und er fragte sich, wer ihn verfasst haben konnte. Wer war der Maskenmann? Das fragte sich auch Serafina, aber sie fragte es sich schon ein ganzes Stück länger als Vlad, den sie erst seit einem Tag kannte. Sie las den Text noch einmal für sich selbst und faltete den Zettel dann zweimal in der Mitte. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte Vlad erstaunt und irritiert zugleich. „Es sind die Träume – nein, eigentlich sind es ja gar keine Träume. Es ist real!“ sie schlug sich bei dieser Erkenntnis die Hand vor den Mund und bemühte sich, nicht hysterisch zu werden. Das gelang ihr aber nur schwer. „Kommt dieser Maskenmann in deinen Träumen vor?“ „Ja, jede Nacht. Seit Jahren – seit ich hier eingezogen bin, eigentlich. Das war vor acht Jahren. Ich hab immer gedacht, dass es nur böse Träume sind, die ich habe, weil ich ein Vampir bin, aber das kann doch nicht sein! Oder hast du so verrückte Horrorträume?“ „Äh…nein.“ Musste er zugeben. „Was war denn in deinem letzten Traum – also ich mein, was hat der Maskenmann zuletzt zu dir gesagt?“ Serafina überlegte. Sie verdrängte das meiste, was er sagte, damit sie es so schnell wie möglich vergaß. „Ähm…ach ja: Nicht mehr lange und die Armee wird wachsen!“ sie versuchte auch die Wahnsinnige Lache zu imitieren, die der Maskenmann immer draufhatte. „Hm…das ist mal was anderes…“ meinte er nachdenklich. „Weiß Luca von diesen Träumen? Ich meine, weil er so was wie dein Herrchen ist.“ Daraufhin sah Serafina ihn mit einem bitterbösen Blick an. „Er ist nicht mein…“ sie gab es auf. „Egal. Ich hab es nach einem Monat aufgegeben ihn mit diesen Horrorgeschichten zu nerven. Ich war ja damals noch ein kleines Kind und er denkt wahrscheinlich ich hätte mir das ganze Zeug nur ausgedacht…“ sie erzählte ihm den ganzen Nachmittag über von ihren Träumen und fand in ihm einen sehr guten Zuhörer. So schlimm fand sie ihn ja dann doch nicht. Sie beide erschienen nicht zum Mittagessen, weil sie noch das alles zu verdauen hatten. Solange, bis es langsam dämmerte, redete Serafina ununterbrochen über den Maskenmann, wie er war, was er ihr antat und was für Fragen sie hatte. Er hörte ihr aufmerksam zu und als sie schlussendlich in Tränen ausbrach, weil das alles zu viel für sie war, nahm er sie in die Arme und versuchte sie liebevoll zu beruhigen. Sie ließ es zu. Er bekam keine Ohrfeige zur Strafe und sie beschimpfte ihn auch nicht. Sie brauchte jetzt jemanden, der ihr beistand. Kapitel 12: #12# ---------------- Kapitel 12 Wenn Träume wahr werden „Ganz ruhig.“ Sagte er leise und behutsam, während sie immer noch leise schluchzte. Er war so nett zu ihr. So lieb. Es fühlte sich so schön an getröstet zu werden. Vlad strich Serafina sanft über den Rücken. Sie schlang ihre Arme um seinen Oberkörper und drückte ihn noch etwas fester an sich. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich pass auf dich auf.“ Sagte er leise und strich ihr über den langen blonden Haarschopf. Wieso war er nur so nett zu ihr? Wieso wollte er sie jetzt beschützen? Eigentlich war es ihr ja doch egal. Sie brauchte ihn, das spürte sie. Sie wollte ihn nicht mehr loslassen. Nie wieder. Fühlte er auch so? Diese Nähe zu diesem Mädchen, das war etwas ganz Neues für Vlad. Nicht, dass er sich sonst ganz von Mädchen fernhielt, nein, eigentlich war ihm nur niemals so ein Mädchen wie Serafina begegnet. Bei ihr schien einfach alles zu stimmen. Jedenfalls war sie bis jetzt einfach nur perfekt. Aber er wollte nicht mit ihr spielen und sie dann fallenlassen, wenn er genug von ihr hatte, nein, so war er nicht. „Ich halt das alles nicht mehr aus.“ Schniefte sie und lehnte ihren Kopf an Vlads Brust. Vlad überlegte. Da musste es doch etwas geben, das sie denken ließ, dass alles nur geträumt war! Und plötzlich viel es ihm ein. Sie hatte ihm doch erzählt, dass sie zum Abendessen immer so ein mysteriöses Getränk zu sich nehmen müssen. Das war es sicherlich, dachte er. „Glaubst du, dass dieses Betäubungsmittel was damit zu tun hat?“ fragte er vorsichtig und fuhr ihr noch einmal über die Haare, was ein wohliges Kribbeln in ihr auslöste. „Was für…? Ach das. Jetzt wo du’s sagst.“ Sie blickte ihn an. Er sah ernst aus. „Meinst du, Luca…“ sie wollte diesen Satz eigentlich nicht zu Ende aussprechen, weil sie davon einen dicken Kloß im Hals bekam. „Mm…“ brummte Vlad und zuckte die Schultern, um zu sagen: Ich weiß auch nicht. Er sah in ihr immer trauriger werdendes Gesicht und sagte dann: „Aber weißt du, ich glaube nicht, dass Luca dir so was antun würde. Er ist ein guter Vampir.“ „Ja, du hast sicherlich Recht.“ Murmelte sie und schmiegte sich noch etwas mehr an ihn. Plötzlich ging die Tür auf und hereingeplatzt kam Rya, die die beiden nur desinteressiert ansah und dann sagte: „Yo, Abendessen.“ Um dann gleich wieder zu verschwinden. Verdutzt sahen sich Vlad und Serafina an, ehe Vlad ihr die letzten Tränen wegwischte, sie leicht und wunderbar zärtlich auf die Stirn küsste und sie beide dann aufstanden, um ins Esszimmer zu gehen. Im Esszimmer angekommen war alles so wie immer. Mit dem kleinen Unterschied, dass Vlad und Serafina ein Herz und eine Seele waren. Dass Serafina geweint hatte, war glücklicherweise nicht mehr zu sehen. Vlad setzte sich diesmal auf den Platz, auf dem Serafina am Morgen gesessen hatte und ließ sie auf ihrem angestammten Platz sitzen, so wie es sich gehörte. „Na, was habt ihr so den ganzen Tag gemacht?“ wollte Luca gutgelaunt wissen und strahlte von Serafina zu Vlad und wieder zurück. „Nichts, wir haben nur ein bisschen geredet.“ Antwortete Vlad lächelnd. „Schön.“ Meinte Luca und wand sich seinem Essen zu. Serafina beobachtete, wie Vlad an seinem Essen schnupperte und dann den Duft von Serafinas Essen einzog. Komischerweise sah es so aus, als hätte er daran nichts auszusetzen. Er zuckte die Schultern und begann zu essen, also tat Serafina es ihm gleich. „Also wisst ihr, heute finde ich, schmeckt das Essen besonders gut.“ Meinte Charlette. „Verwändet Iggi ’n neues Gewürz oder so was?“ sie blickte begeistert von ihrem Abendessen in die Runde. „Ich weiß ja nicht, Liebes, für mich schmeckt das wie immer.“ Sagte Tiberius und aß ungerührt weiter. „Wirklich?“ Charlette sah ihn verwundert an. „Mm…also ich finde, dass es heute auch anders schmeckt.“ Sagte Rocca und kaute auf einem Stück Fleisch. „Vielleicht hat er Paprika genommen.“ „Das kann sein.“ Meinte Tiberius nickend. „Und Rya, wie schmeckt es dir?“ fragte Serafina, die ebenfalls festgestellt hatte, dass das Essen an diesem Abend richtig gut schmeckte. Rya, die statt zu essen mit der PSP gespielt hatte, hob den Kopf und stach dann ihre Gabel in ein Broccoli Röschen, um es auch gleich zu verspeisen. Sie kaute skeptisch, schluckte runter und sagte dann: „Tja, also wenn du mich fragst, ist da definitiv Paprika drin.“ „Ja…schmeckt es denn?“ hakte Serafina nach. Rya sah sie an, als wäre diese Frage total unsinnig. „Klar.“ Meinte sie nickend und aß weiter. „Und Luca, wie findest du das Essen?“ „Ähm…“ er sah sie an, als wäre sie nicht mehr ganz dicht. „Es schmeckt so wie immer. Naja, vielleicht hat Igor ein wenig zu viel Paprika genommen, aber sonst…“ er zuckte die Schultern. „Also, gestern hat es irgendwie anders geschmeckt.“ Meinte Vlad, um auch etwas zu dem Thema beizutragen, obwohl das eigentlich gelogen war, was er da sagte. Ihm hatte niemand was ins Essen getan und es schmeckte genauso wie am Vortag. Jetzt sahen Tiberius und Luca ihn sehr irritiert an. Luca schaufelte sich schnell noch eine Gabelladung in den Mund, kaute hastig und schluckte runter. „Ja, irgendwie…also ich weiß nicht…“ er überlegte, obwohl Vlad sofort erkannte, dass Luca das nur vorspielte. Oha, dachte er, das wird noch was… Fast unmerklich den Kopf schüttelnd aß Vlad weiter. Serafina saß auf der gepolsterten Fensterbank ihres Zimmers und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Es wurde bereits langsam dunkel. Sie beobachtete sonst immer sehr gerne den Sonnenuntergang, aber heute konnte sie an nichts denken, als an den Maskenmann. Sie hatten zum Abendessen kein präpariertes Essen bekommen und auch kein Betäubungsmittel als Getränk für hinterher. Nein, dieses Abendessen war wirklich gut gewesen. Serafina war sich sicher: irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Da war doch etwas faul. An Vlad lag es nicht, denn er war einfach nur da und das war gut so. Es klopfte an ihrer Zimmertür, doch sie beachtete es nicht. Das Klopfen wurde lauter und dann öffnete Rya einfach die Tür und trat ein. „Hey.“ Sagte sie, was Serafina endlich aus ihren Gedanken riss. Sie drehte sich zu der Siebzehnjährigen. „Hey, Ry, was gibt's?“ fragte sie und versuchte dabei so unbekümmert wie möglich zu klingen, was ihr aber leider misslang. Rya trat näher an die Fensterbank und setzte sich auf den gepolsterten Fußhocker der davor stand. Sie holte tief Luft, sagte aber nichts. Sie suchte offenbar nach den richtigen Worten. Serafina hoffte inständig, dass sie sie nicht nach Vlad fragen würde. Diese kleine Szene, wo sie schon fast auf Vlads Schoß gesessen hatte, hatte sie nämlich bisher noch nicht vergessen. Und das würde auch so bleiben, denn eigentlich wollte sie das gar nicht vergessen. Er war in diesen paar Minuten so liebevoll gewesen, dass es alles was er zuvor angestellt hatte, entschuldigte. Rya schien bemerkt zu haben, dass Serafina nicht ganz bei der Sache war, denn sie räusperte sich nun kurz, was Serafina erneut aus ihren Gedanken zog. „Ich…“ begann Rya zögerlich und dieses „Ich“ kam ihr durchaus bekannt vor, denn wenn sie so begann, dann würde sie keine Frage stellen, sondern ihr etwas Wichtiges erzählen. „Ich muss dir was erzählen.“ Redete sie weiter und sah dabei nervös auf den Boden. Diese Nervosität passte irgendwie nicht zu ihrem üblichen selbst, das war neu, wie Serafina unweigerlich feststellte. Sie beschlich die ungute Ahnung, dass Rya vielleicht gar nicht so glücklich damit war, dass sie sie und Vlad zusammen in einer doch irgendwie fragwürdigen Position erwischt hatte. Aber mochte sie Vlad jetzt etwa und wollte nur schnell mal klarstellen, dass es ihr recht wäre, wenn Serafina die Finger von ihm ließ? Das war merkwürdigerweise sehr unwahrscheinlich. Sie hatte ihre beste Freundin jedenfalls noch nie dabei ertappt, wie sie sich an einen jungen, nicht zu vollen Clubber rangeschmissen hatte, so wie ihre große Schwester es immer tat, obwohl ihr der Zustand ihre Opfers eigentlich total egal war. Tat Rya so was überhaupt? Serafina wusste es nicht, denn sie war ja selbst immer beschäftigt genug sich ein eigenes Opfer auszusuchen, welches sie dann genüsslich austrank – oder manchmal, wenn sie nicht so grausam sein wollte, auch noch einen kleinen Rest übrig ließ, damit der arme typ weiterleben konnte. „Du hast ja mal von diesen Träumen erzählt, die dir so Angst machen.“ Sagte Rya und jetzt war Serafina voll da. Sie hatte ja wirklich mit allem gerechnet, dass sie sich in Vlad verliebt hatte oder neuerdings was mit Luca hatte, aber nicht damit. Serafina nickte perplex und wartete darauf, dass Rya endlich weiter redete. „Früher, als ich noch ganz klein war, also noch bevor du zu uns kamst, hatte ich so ähnliche Träume.“ Vlad bewegte seine Faust zur Tür, um zu klopfen, als er Stimmen aus dem Inneren des Zimmers hörte. Er lauschte für einen Moment und erkannte die Stimme von Serafina, die eine Frage stellte und sofort die leise Antwort von Rya bekam. Er hörte angesträngt hin und versuchte so das Gespräch zwischen Serafina und Rya zu verfolgen. Sie redeten über ihre Träume, das hatte er bis jetzt schon raushören können. „Ja, genau.“ Hörte er Ryas Stimme. „Aber ich dachte, dass das nur schlechte Träume seien. Ich war ja auch nur ein kleines Kind. Ich hab es Rocca erzählt, aber sie wollte mir nicht glauben und sagte, ich solle aufhören immer diese Ego-Shooter zu spielen, aber diese Träume waren eigentlich der Grund, warum ich damit angefangen hab. Verstehst du?“ Vlad hätte nur zu gerne Serafinas Reaktion gesehen. Er wollte zu ihr, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er noch warten müsse, bis der richtige Moment kam. „Als du dann kamst und von diesen Träumen erzählt hast, hab ich bezweifelt, dass ich die einzige bin, die diese Träume hat. Ich wollte, dass du mir noch ein paar Sachen aus deinen Träumen erzählst, aber Rocca hat mir verboten dich zu fragen, weil es unsinnig sei und du mich wahrscheinlich für geistesgestört halten würdest.“ „Ich halte dich nicht für geistesgestört. Ich…“ Er wartete zwei Sekunden, bis sie weiterredete, aber das tat sie nicht. Warum stockte Serafina plötzlich? Warum erzählte sie Rya nicht, dass sie diese Träume immer noch hatte und von diesem Brief? Er war vor Anspannung fast nicht mehr in der Lage zu atmen. „Glaubst du, dass diese Träume…dass sie…real sind?“ Serafina war froh, diese Frage endlich ausgesprochen zu haben und sah in das geschockte Gesicht von Rya, die mit einem Mal zu ihr aufblickte. „Ich weiß, das klingt…naja.“ Die Blonde seufzte und sah zu Boden. „Ich weiß was du meinst.“ Sagte Rya leise, fast unhörbar. Serafina sah sie wieder an. „Das zu denken ist nicht verrückt.“ Rya machte eine Pause und bereitete sich darauf vor das auszusprechen, was sie dachte. Gespannt sah Serafina ihre beste Freundin an. „Ich weiß schon lange, dass sie wahr sind.“ Hauchte Rya mit gesenktem Kopf und Serafina sah, wie eine Träne auf Ryas Schoß tropfte. Kapitel 13: #13# ---------------- Kapitel 13 Das Versprechen Sie war geschockt und verblüfft zugleich. Noch nie hatte sie die Rothaarige so viel am Stück reden hören, noch weniger, sie jemals weinen gesehen. Das musste sie wirklich stark belastet haben, aber genauso fühlte Serafina sich jetzt. Sie hatte ebenfalls Tränen in den Augen. Sie sank auf den Boden und nahm Rya in die Arme, die zitternd begann zu schluchzen. Als wäre das noch nicht genug, flog die Tür plötzlich auf und hereingestolpert kam Vlad, der die Tür hinter sich zuschlug und irgendwie den Eindruck machte, dass er vor jemandem weglief. Erschrocken sahen die beiden Mädchen ihr neues Gegenüber an. „Äh…entschuldigt. Ich wollte euch nicht erschrecken.“ Sagte er hastig nach Luft schnappend und setzte sich dann auf Serafinas Bettkante. „Bist du gerannt oder so?“ fragte Serafina, obwohl es unwahrscheinlich ist, dass ein Vampir, nachdem er gerannt war, so heftig Luftholen musste. „Äh…ja.“ Antwortete Vlad schnell. „Ist was passiert?“ versuchte er auf das Thema zurückzukommen. Rya legte ihren Kopf auf Serafinas Schulter und schluchzte weiter. Serafina hingegen sah Vlad mit einem Blick an, der sagte: Hast du sie noch alle? Und er zuckte die Schultern, als wolle er sagen: Ging grad nicht anders. Serafina rollte die Augen und tätschelte Rya sanft den Rücken. „Ry, ich hab Vlad von meinen Träumen erzählt…“ begann sie und Rya sah sie erwartungsvoll an, wobei sie für einen Moment vergaß zu schluchzen, weil diese neue Information sie wohl ziemlich schockierte. „Er ist der Ansicht, dass das Zeug, was mir manchmal Trinken müssen und das auch in unserem Essen drin ist – oder war -, etwas mit den Träumen zu tun hat.“ „Ja, nämlich, dass es ein starkes Betäubungsmittel ist, dass euch dazu bringt, diese Träume zu haben, obwohl es ja gar keine Träume sind.“ Sagte Vlad. „Woher weiß er, dass es keine Träume sind?“ fragte Rya verwirrt Serafina ansehend. „Ach ja…“ sie hatte natürlich nicht daran gedacht, ihr von dem Notizzettel zu erzählen, was sie wahrscheinlich besser hätte tun sollen. „Der Mann mit der Maske hat mir eine kleine Schachtel hinterlassen, indem ein Brief war, den nur ich lesen kann und davon hab ich Vlad auch erzählt.“ Erklärte Serafina schnell und so schmerzlos wie möglich. „Warum hast du ihm alles erzählt?!“ Rya wich sofort von Serafina zurück. „Das geht ihn doch gar nichts an!“ keifte sie, was Serafina ja alleine schon sehr verwunderte. Das tat sie ja sonst nie, sich mit jemandem streiten oder überhaupt laut werden. „Aber…aber Rya, irgendjemandem musste ich mich doch anvertrauen und…ich meine…also, Vlad…“ stammelte sie ratlos. „Du denkst, nur weil auf einmal dieser dämliche Idiot auftaucht, kannst du ihm alles erzählen?!“ Wow, dachte Serafina, jetzt wusste sie wenigstens, was ihre beste Freundin von Vlad hielt. „Er ist der Neffe von Luca, verdammt, da kannst du ihm doch nicht einfach so vertrauen!“ „Jetzt aber mal langsam.“ Meldete sich nun Vlad zu Wort. „Nur weil ich Lucas Neffe bin, heißt das ja nicht automatisch, dass ich ihm alles erzähle. So gut verstehen wir uns ja dann doch nicht.“ Erklärte er. „Und das sollen wir dir glauben?“ Rya sah ihn mit hasserfüllten Augen an. „Moment, was hat das eigentlich mit Luca…du glaubst doch nicht ernsthaft…“ Serafina war entsetzt. Das konnte ja nicht wirklich wahr sein. Doch nicht Luca! „Ach, ich weiß auch nicht.“ Meinte Rya. „Ich meine ja nur, weil Luca eben einer von den Erwachsenen ist und schon seit hunderten von Jahren hier ist. Da wird er ja wohl etwas mehr wissen, als er uns glauben lässt.“ So weh es Serafina auch tat, da musste sie der Siebzehnjährigen doch Recht geben. Vlad schien das auch so zu sehen, denn er ließ leicht niedergeschlagen wirkend, den Kopf hängen. „Und was machen wir jetzt?“ wollte Serafina wissen. „Was können wir denn machen?“ fragte Vlad die Schultern zuckend. „Wir müssen mit Rocca und Charlette reden.“ Sagte Rya und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich weiß, dass Rocca diese Träume auch hat, obwohl sie es nicht zugeben will.“ „Kann es sein, dass Rocca deshalb so viel Alkohol trinkt?“ das war Serafina schon eine ganze Weile durch den Kopf gegangen, sie hatte es nur nie ausgesprochen. Rya zuckte die Schultern. „Wahrscheinlich. Naja, möglich wäre es ja zumindest.“ „Ok, aber wie bringen wir die anderen beiden dazu, mit uns zu reden, ohne dass es irgendwie bei Luca und Tiberius auffällt? Ich meine, bei Luca wird es ja eh schwierig alles geheim zu halten, weil er Gedankenlesen kann, aber…“ sagte Vlad. „Ja, aber er macht das schon länger nicht mehr – Gedankenlesen, meine ich.“ Sagte Serafina. „Hm, ja, aber bei Charlette ist das sicherlich ein Problem. Sie erzählt irgendwie alles Tiberius.“ meinte Rya. „Sind die zwei eigentlich wirklich…“ Vlad brauchte diese Frage nicht ganz auszusprächen, damit Serafina und Rya verstanden. „Schwer zu sagen. Es scheint so, oder?“ sagte Serafina und zuckte die Schultern. Rya nickte zustimmend. „Ist aber schon ein ziemlicher Altersunterschied.“ Meinte er. Die beiden Mädchen zuckten die Schultern. „Egal. Zuerst sollten wir mal mit Rocca reden.“ Sagte Serafina. „Ich weiß nicht.“ Warf Rya ein. „Sollen wir ihr wirklich den Geburtstag versauen?“ „Wann hat sie denn Geburtstag?“ wollte Vlad wissen. „Übermorgen, aber wir können ihr ja wirklich nicht die Party vermiesen. Das würde eh viel zu sehr auffallen.“ Antwortete Serafina. „Können wir denn überhaupt so lange warten?“ „Naja, schon, oder? Wir haben das alles doch eh Jahre für uns behalten.“ Gab Rya als Antwort. Vlad nickte verstehend. „Dann können wir es aber gar keinem sagen.“ Stellte Serafina fest. „Ich finde auch, das reicht im Moment.“ Sagte Vlad. „Warte.“ Hielt Rya ihn auf, weil er gerade aufstehen wollte. „Fina, du hast doch eben von einer Schachtel geredet. Was war da nochmal drin?“ „Ah ja, der Zettel!“ schnell zog sie den Papierfetzen aus ihrer Rocktasche und hielt ihn Rya hin, wobei sie vergaß, dass sie ihn nicht sehen konnte. „Ähm…“ kam es von Rya. „Ach stimmt. Mein Fehler. Da steht:…“ sie las den Zettel noch einmal vor. Rya war entsetzt über den Inhalt und machte ein – vor Überlegung – angestrengtes Gesicht. „Also, du hast den Zettel in der Schachtel gefunden. War die auch unsichtbar? Ich meine, konnte Vlad die Schachtel sehen?“ „Ja, er konnte die Schachtel sehen.“ Bei diesem Satz sah sie Vlad noch einmal kurz vorwurfsvoll an und wurde dann wieder ernst. „Wieso?“ „Naja, es kann ja sein, dass der Zettel einfach verzaubert ist. Vampirmagie und so.“ erklärte Rya. „Ja, stimmt, daran hab ich noch gar nicht gedacht.“ Hatte Serafina wirklich nicht und sie hatte auch nicht geglaubt, dass so etwas möglich war. In Vampirmagie war sie aber auch nie besonders gut gewesen, musste sie zugeben. „Also, wenn es wirklich Vampirmagie ist, dann kann man den Brief wieder sichtbar machen.“ Sagte Vlad. „Aha…und wie?“ hakte Serafina nach. „Du müsstest den Gegenzauber anwenden oder einfach den Fluch brechen.“ Antwortete Rya. „Echt mal, dass du in Vampirmagie nie zuhörst.“ Fügte sie kopfschüttelnd hinzu. Gerade, als Vlad noch etwas sagen wollte, klopfte es plötzlich an der Haustür. Fragend sahen die Mädchen sich an. „Ich riech nichts.“ Stellte Rya fest. „Ich auch nicht.“ Sie wand sich an Vlad. „Erwartest du noch jemanden?“ „Nur mein Gepäck, aber sonst…“ er schüttelte den Kopf. „Tja, dann wird’s das Gepäck sein. Wir sollten nach unten gehen.“ Sagte Serafina und im selben Moment war ein markerschütternder Schrei aus dem Untergeschoss zu hören, der nur von einer Person im Haus stammen konnte. Charlette hatte geschrienen und das konnte nur bedeuten, dass es nicht die Koffer waren, die gerade vor der Tür standen. „Blackdawn.“ Flüsterte Rya und war schon aus dem Zimmer verschwunden. „Wer?“ fragte Vlad, aber Serafina packte ihn schon am Arm und zog ihn mit nach unten in die Eingangshalle, wo sich das bestätigte, was Rya und Serafina beide vermutet hatten. Im Türrahmen stand Blackdawn. Neben ihm sein weißer Wolf Grin. Alle waren in der Eingangshalle versammelt. Charlette krallte sich an Tiberius fest, der sie mit einem bedauerlichen Blick ansah. Luca und Igor sahen sich die Szene nur teilnahmslos an. Rocca hingegen stand dicht bei Charlette und versuchte sie zu beruhigen, da die Ärmste zitterte wie Espenlaub. Rya stellte sich ebenfalls zu Charlette. Serafina blieb bei Vlad auf dem Treppenabsatz stehen und versuchte die Lage irgendwie zu überblicken. „Nun denn, da bin ich.“ Grinste Blackdawn. „Also händigt mir jetzt bitte mein Eigentum aus.“ Bei diesem Satz deutete er auf Charlette, die verängstigt zu Tiberius aufsah, der sie mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck musterte. Serafina warf schnell einen Blick zu Luca rüber, dessen Haltung ihr verriet, was er dachte. Er hatte gewusst, dass Blackdawn zurückkommen würde und er hatte auch gewusst wann. Dann sah sie kurz zu Igor rüber, der sich wohl nur Sorgen darüber machte, dass Grin auf den Teppich pinkeln könnte. So sehr sie das auch ärgerte, konnte es nicht mit der Wut mithalten, die sie im Moment auf Luca hatte. „Na, wird’s bald? Ich hab ja schließlich nicht die ganze Nacht Zeit.“ „Nein!“ kreischte Charlette und versteckte sich hinter Tiberius. Schnell huschte Serafina zu den anderen Mädchen und stellte sich neben Rya und Rocca, die so aussahen, als würden sie sich jeden Moment auf Blackdawn stürzen und ihn zerfetzen. Was soll das denn jetzt? Fragte Vlad sich. Wer ist das und wieso will er Charlette haben? Vlad stand immer noch teilnahmslos auf der Treppe und beobachtete die Szene stumm. Er sah zu Tiberius rüber, der anscheinend mit seinem Gewissen kämpfte, so wirkte es jedenfalls. Er konnte Charlette doch nicht einfach diesem Typen überlassen. Aber alle schienen ihn zu kennen, also mussten sie sich schon Mal begegnet sein. Wenn er sich richtig erinnerte, dann hatte Charlette etwas von einem Blackdawn erwähnt, als Serafina ihn ins Esszimmer gebracht hatte. Sie hatte da ja schon mächtig Angst gehabt. „Verschwinden Sie, wir geben Ihnen Charlie nicht!“ fauchte Rocca. „Oh, haben die Herren es euch etwa nicht erzählt?“ lachte Blackdawn. Vlad beobachtete, wie Serafina noch wütender wurde. „Was?“ fragte Rya und musste für alle anderen ziemlich ungewohnt klingen, denn fast alle sahen sie jetzt verwirrt an. Charlette kam hinter Tiberius hervor und hielt sich an Roccas Arm fest. „Was soll das heißen, Tiberius?“ fragte sie mit Tränen in den Augen, aber dafür sehr gefasst. Tiberius schienen die richtigen Worte zu fehlen, denn er sah die Dreiundzwanzigjährige nur mit flehendem Blick an. „Wenn ich das mal aufklären darf.“ gluckste Blackdawn. „Die netten Herren Luca und Tiberius haben mir vor etwa drei Jahren versprochen, dass ich dich mitnehmen darf, wenn es so weit ist.“ Klar, schoss es Vlad durch den Kopf, wenn der Maskenmann Charlette nicht mehr brauchte… Das konnte doch nicht deren Ernst sein. „Wie konntest du nur?“ verwirrenderweise kam diese Frage nicht aus Charlettes Mund, wie Vlad erwartet hatte, sondern von Rocca. Tiberius konnte darauf nichts erwidern. Er sah Charlette nicht mal mehr an, sondern guckte zu Luca rüber, der so aussah, als würde er sich den Kopf über irgendetwas zerbrechen. „Ja, da staunt ihr was?“ prustete Blackdawn. „Jetzt reicht’s aber mal mit diesem ganzen sentimentalen Kram, der Rückweg wird ja eh lang genug, da müssen wir ja nicht noch bis zum Morgengrauen hier rumstehen.“ „Kommen Sie rein, wir müssen reden.“ Knurrte Luca und bedeutete Igor die Tür zuzumachen, wenn ihr ‚Gast‘ eingetreten war. „Was gibt es denn da jetzt noch zu bereden?“ bellte Blackdawn, trat aber trotzdem einen Schritt vor, sodass Igor die Tür schließen konnte. Grin knurrte den Butler an, den das aber nicht kümmerte und sich von der Tür entfernte, um der Tür zum Esszimmer entgegen zu gehen. „Ich werde etwas Tee zubereiten.“ Sagte er mit seiner kratzigen schleppenden Stimme und verschwand aus der Eingangshalle. Für einen Moment herrschte Stille, dann war ein klatschen zu hören, was daher rührte, dass Charlette ihrem Gegenüber eine heftige Ohrfeige verpasst hatte. „Charlette, es…“ er verstummte. „Ich hasse dich.“ Kam es von Charlette. „Oh, wie rührend.“ Lachte Blackdawn. „Jetzt beeil dich, Kleine. Pack deine Sachen.“ Blaffte er Charlette an, die sich zu ihm umdrehte. „Sie hasse ich im Übrigen auch.“ Fauchte sie und drehte sich zur Treppe. „Jaja, ich weiß.“ Winkte Blackdawn ab. „Leute, helft mir beim Packen.“ Seufzte sie und ging gefolgt von den anderen drei Mädchen ins Obergeschoss. „Wird’s bald?!“ bellte Blackdawn den Mädchen hinterher, die keine Anstalten gemacht hatten, sich beim Packen zu beeilen. „Schnauze da unten!“ kreischt Charlette übers Geländer und ging dann schnell weiter. Serafina kämpfte mit ihren Gedanken. Auch wenn sie es sonst nicht leiden konnte, wenn Luca ihre Gedanken las, war es jetzt doch angebracht. Angestrengt versuchte sie per Gedankenübertragung mit Luca zu kommunizieren, aber ob das was half, wusste sie auch nicht. Rocca ließ Charlettes Zimmertür hinter sich zuknallen. „Das darf ja wohl nicht wahr sein!“ kreischte sie und setzte sich mit vor der Brust verschränkten Armen auf die Bettkante. „Was machen wir jetzt?“ fragte Serafina und setzte sich neben Rocca. „Mich hier verstecken, bis er aufgibt?“ schlug Charlette vor und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl sinken. „Das bringt doch nichts. Am Ende zerrt der dich noch aus dem Zimmer.“ Meinte Rya. „Hast du denn 'nen besseren Vorschlag?“ fragte Rocca. „Klar, aber das geht nur, wenn Luca und Tiberius uns helfen.“ „Ich verstehe…“ Serafina stand abrupt auf. „Aber wie wollen wir das anstellen?“ „Naja, wir könnten…“ überlegte Rya. „Hallo, könntet ihr uns mal erklären, was ihr meint?“ fragte Rocca. Bevor sie Roccas Frage aber beantworten konnten, klopfte es an der Tür. Erschrocken wich Charlette zurück. Ihre Freundinnen stellten sich schützend vor sie. „Ich bin’s nur.“ Hörte Serafina Vlad sagen. „Vlad…“ sagte Serafina leise. „Ja.“ Sagte Charlette und kam hinter den Dreien hervor. Die Tür ging auf und herein kam Vlad. „Sag mal, Fina, hast du versucht mit mir telepathisch in Kontakt zu treten?“ fragte er und schloss die Tür wieder. „Ähm, also eigentlich wollte ich Luca erreichen, aber egal. Wir haben ein anderes Problem. Wir müssen Blackdawn loswerden.“ Sagte Serafina ernst und blickte in die Runde. Alle Augen waren auf sie gerichtet und warteten, dass sie weiterredete. Kapitel 14: #14# ---------------- Kapitel 14 Rache „Hast du auch einen Plan, wie wir das anstellen sollen?“ hakte Charlette nach. „Habt ihr nicht so was wie geweihte Silberpfähle?“ fragte Vlad. Die Mädchen überlegten. „Doch, klar!“ platzte es aus Rya. „Wir haben welche in der Abstellkammer.“ „Hä?“ fragte Rocca, die in der Abstellkammer bisher wohl noch nicht auf geweihte Silberpfähle gestoßen war. „Naja, nicht direkt in der Abstellkammer, mehr so dahinter.“ Sagte Rya. „Ich bin mal darauf gestoßen, als ich nach Überbleibseln von Miss Sunshine gesucht hab. Luca hatte gemeint sie war nicht ganz vollständig und mich wieder beschuldigt einen Knochen geklaut zu haben.“ „Du hattest doch auch einen Knochen geklaut.“ Sagte Rocca. „Na und? Du hast ihr Herz geklaut. Wie dem auch sei. Ich hab einen Geheimknopf gefunden und dann hat sich die Wand geöffnet. Dahinter lag eine ziemlich gut ausgestattete Waffenkammer.“ Erzählte Rya. Die anderen sahen sie erstaunt an. „Dann müssen wir zusehen, dass Blackdawn aus der Eingangshalle verschwindet, damit wir in die Abstellkammer können. Ich kann nachsehen gehen.“ Sagte Vlad. „Ja, ich komm mit.“ Serafina erhob sich. „Moment.“ Hielt Rya sie auf. „Ihr braucht zuerst Handschuhe.“ „Wofür?“ fragte Rocca. „Echt mal, Schwesterherz.“ Rya rollte die Augen. „Damit unsere Hände nicht an kokeln, wenn wir die Silberpfähle berühren.“ „Ah ja…“ nickte Rocca. „Aber wo kriegen wir welche her?“ „Tiberius hat welche im Klassenzimmer.“ Sagte Charlette. „Woher…“ setzte Rocca an, aber Serafina fiel ihr ins Wort. „Wir haben jetzt keine Zeit für so was. Charlette, wo hat er die Schlüssel?“ fragte sie ungeduldig und hatte schon die Hand auf der Türklinke. „In seinem Zimmer.“ Antwortete Charlette leise und wirkte so, als würde sie sich selbst dafür ohrfeigen wollen, dass sie das wusste, oder jemandem verriet, dass sie das wusste. „Kommst du da so rein?“ „Ja.“ Murmelte sie. „Ok, dann gehen wir gucken, ob die Luft rein ist und ihr wartet, bis wir euch ein Zeichen geben.“ Sagte Vlad und nahm Serafina an die Hand. Sie verließen das Zimmer und Serafina und Vlad gingen voraus bis zur Treppe, wo sie stehen blieben und beobachteten, wie die Männer den Weg zum Salon einschlugen. Serafina winkte den anderen dreien zu, die dann schnell zu Tiberius‘ Zimmer huschten. „Wir halten hier Wache.“ Flüsterte Serafina ihnen noch hinterher. Es dauerte knapp eine Minute, bis die Mädchen mit acht Paar Lederhandschuhen zurückkamen. „Wir wussten nicht genau, ob Igor auch welche braucht, also haben wir einfach mal welche für ihn mitgenommen.“ Erklärte Rya leise. Vlad und Serafina nickten und steckten dann jeweils ein paar Handschuhe ein. Sie schlichen die Treppe runter und öffneten leise die knarrende Tür des Abstellraumes. „Vlad, du stehst schmiere.“ Sagte Rocca und hielt ihn zurück, als er Serafina in den kleinen Raum folgen wollten. „Klar.“ Flüsterte er und blieb vor der Tür stehen. Rya drückte auf einen Stein an der Rückwand des Abstellraumes. Die Mädchen sahen gespannt zu, wie sich die Wand zurück und dann zur Seite schob. Dahinter lag ein Raum, der einer Folterkammer ähnelte. In der Mitte stand ein dunkler Holztisch auf dem verschiedene Werkzeuge standen, an den Wänden hingen Ketten und überall standen Holzkisten. „Krass.“ Sagte Rocca und hob eine Daumenzwänge vom Tisch. Rya trat zu einer Kiste vor und hob den Deckel ab, an der eine Armbrust mit eingespanntem Holzpfahl befestigt war. Sie hob einen Boden aus der Kiste und stellte ihn auf eine freie Stelle am Tisch. Dieser Zwischenboden war mit schwarzem Samt bespannt und auf ihm waren in zwei Reihen jeweils zehn Holzpfähle befestigt. „Sind die…“ Charlette zeigte mit einem Finger auf einen Holzpfahl und machte Anstalten ihn anzufassen. „Ne, die sind harmlos.“ Sagte Rya und zog einen Pfahl heraus, um ihn Charlette in die Hand zu drücken. „Fina, mach mal die Kiste da hinten auf.“ Rya zeigte auf eine Kiste, die ganz am Ende des Raumes Stand. Schnell war Serafina dort und hob den Deckel hoch, während Rya schon den nächsten Zwischenboden aus der ersten Kiste holte, auf dem Silberpfähle aufgereiht waren. „Die jetzt aber nicht anfassen, wenn du keine Handschuhe anhast.“ Wies Rya Charlette darauf hin, dass sie lieber ihre Handschuhe anziehen sollte. Das tat sie schnell und nahm dann einen Silberpfeil. Rocca sah währenddessen Serafina dabei zu, wie sie einen leeren Waffengürtel nach dem anderen aus der Kiste holte. „Also, egal was ihr sagt, ich will so einen Gürtel.“ Setzte Rocca begeistert fest und nahm sich einen dieser Gürtel. Sie trug ihre Handschuhe bereits. „Mm…“ nickte Rya und öffnete eine weitere Kiste. Rocca und Serafina legten zwei Hüftgürtel, zwei Schärpen und einige Arm- und Oberschenkelgurte auf den Tisch und sahen Rya dabei zu, wie sie einen schwarzen Koffer aus der Kiste holte. „Charlie, die Kiste da.“ Rya zeigte auf eine kleinere Kiste neben Charlette. Sofort legte Charlette den Pfahl weg und kniete sich zu der Kiste, die sie öffnete und eine Reihe kleiner Patronenschachteln herausholte. „Wofür brauchen wir Patronen?“ aber diese Frage erübrigte sich im nächsten Moment, da Rya den Koffer öffnete, in dem sich zwei schwarze Pistolen und eine Maschinenpistole befanden. „Das sind Silberpatronen. Ich weiß, dass ihr alle nicht schießen könnt, aber-.“ Ein Klopfen von draußen ließ sie alle Zusammenfahren. Die Tür öffnete sich und herein kam Vlad, der die Tür leise wieder schloss und den Mädchen bedeutete leise zu sein. „Warum brauchen die denn auch so lange?“ fragte Blackdawn laut. Er war wohl jetzt in der Eingangshalle. „Es sind Mädchen, die brauchen halt etwas länger.“ Sagte Tiberius. „Setzen Sie sich doch wieder in den Salon. Ich werden nachsehen gehen, wo Charlette bleibt.“ Bitterkeit lag in seiner Stimme, das konnten sie sogar durch die Tür hören. „Na gut, aber wenn sie in fünf Minuten nicht fertig ist, dann hol ich sie selbst.“ Knurrte Blackdawn. „Jaja.“ Die Stimmen entfernten sich. Sie warteten noch einen Moment, ehe Rya weiter redete. „Ok. Vlad, kannst du schießen?“ fragte sie. „Ja, wieso?“ erst dann fiel sein Blick auf die beträchtliche Ansammlung von Waffen. „Wir müssen uns beeilen.“ Sagte Rya. „Vlad, du suchst dir eine Waffe aus und nimmst dir genug Patronen. Charlette, du legst am besten die Arm- Oberschenkelgurte an und nimmst ein paar Pfähle.“ „Ich nehm‘ so ne Schärpe.“ Sagte Rocca, legte sich eine Schärpe um und steckte ein paar Silberpfähle hinein. „Und die schicke Armbrust da nehm‘ ich auch.“ Sie hob die Armbrust aus dem Koffer und schnallte sie auf den Rücken. „Sie sind abgehauen!“ hörten sie Tiberius aus dem Obergeschoss rufen. „Beeilung!“ Zischte Serafina. „Ja. Fina, du nimmst einen Hüftgürtel und die hier.“ Rya öffnete den zweiten Boden des Koffers und holte eine weitere schwarze Pistole raus. „Die ist am einfachsten zu bedienen. Du musst nur entsichern und auf den Abzug drücken.“ „Alles klar.“ Nickte Serafina und entsicherte die Pistole, ehe sie sie am Gürtel befestigte und dann noch ein paar Kugeln zum Nachladen holte. Wie das mit dem Nachladen funktionierte, würde sie sich später überlegen. Während sie ihre Gürtel füllten, legte Rya einen Oberschenkelgurt an, in den sie die letzte Pistole steckte. Dazu nahm sie sich eine Schärpe und befestigte daran die Maschinenpistole und einige Patronen. „Sie können ja nicht einfach weg sein. Sie sind wahrscheinlich draußen. Weit können sie jedenfalls noch nicht sein.“ Sagte Luca und klang dabei unglaublich nah. Schnell stopften sie sich noch ein paar Silberpfähle in die Gurte und wollten schon zur Tür gehen, als Rya ihnen stumm bedeutete zu warten, da sie noch etwas vergessen hatte. Schnell huschte sie zu einer anderen Kiste, öffnete sie und nahm eine Hand voll Granaten heraus. „Weihwassergranaten.“ Flüsterte sie und gab jedem eine. „Ok, wo sind sie?“ fragte Rocca leise, als sie die Waffenkammer verlassen hatten und jetzt eingezwängt in der Abstellkammer hockten. „In der Eingangshalle jedenfalls nicht.“ Antwortete Vlad, der sein Ohr an die Tür gelegt hatte. „Sie denken, dass wir im Wald sind, also sollten wir da auch hingehen. Es ist eh zu gefährlich, im Haus zu schießen.“ Erklärte Rya. „Charlie, Vlad, man sieht nicht direkt, dass ihr bewaffnet seid, also geht ihr als erstes und versucht sie ausfindig zu machen. Fina, du guckst nach, ob Igor noch da ist und gehst später zu Vlad und Charlie. Rocca, du kommst mit mir.“ Alle nickten auf Ryas Anweisungen, auch wenn Serafina sich was Besseres vorstellen konnte, als Igor zu suchen. Vlad öffnete vorsichtig die Tür und spähte hinaus. Die Luft war rein, also konnten sie ungestört ihren Plan fortsetzen. Vlad und Charlette gingen zur Haustür und öffneten diese dann leise. Serafina huschte zum Esszimmer und öffnete die Tür, während Rya und Rocca ins Obergeschoss verschwanden. Im Esszimmer war niemand, also ging sie weiter zur Küche. „Was willst du hier?“ fragte Igor, als Serafina die moderne Küche betrat. Igor saß am Küchentisch und schälte Kartoffeln, was ihm aber keinen Spaß zu machen schien. „Gar nichts. Ich wollte nur nachsehen, ob Sie noch da sind und – wer hätte es gedacht – da sind Sie.“ Sagte sie bissig. „Und jetzt?“ fragte Igor und schob die Kartoffeln beiseite. „Jetzt muss ich wieder los. Da gibt's nämlich jemanden, den wir ganz dringend loswerden müssen.“ Antwortete Serafina und ging wieder. „Viel Spaß.“ War nur noch in einem heiteren Gekicher aus der Küche zu hören, als Serafina schon wieder in der Eingangshalle war, wo sie durch die offene Haustür flitzte und dann nach Vlad und Charlette Ausschau hielt. Auf dem Hof waren sie nicht, aber sie konnte aus der Ferne die Rufe von Luca, Tiberius und Blackdawn hören. Sie waren beim Wald, also schlich Serafina um die nächste Ecke und zog dann die Pistole unter ihrem Rock hervor. „Pst!“ Hörte sie aus der Nähe und zuckte zusammen. „Fina!“ flüsterte Rocca vom Balkon über ihr und winkte durchs Geländer. „Rya sagt, du sollst dich von Gebüsch zu Gebüsch schleichen bis zum Wald und dann auf einem der Bäume warten. Vlad und Charlie sind auch da. Siehst du sie? Dahinten.“ Sie deutete auf einen großen Laubbaum, auf dem Charlette auf einem Ast hockte und ihnen zuwinkte. Serafina nickte und winkte zurück. Sie schmiss sich also hinter einen Busch und robbte über den Boden zum nächsten. Fünf Büsche weiter war sie auch schon am Wald angekommen und hüpfte schnell auf den Baum neben Charlettes. „Sah ja echt klasse aus, wie du dich zu uns rüber geschlichen hast.“ Grinste Charlette. „Sei du lieber froh, dass wir versuchen dir den Arsch zu retten.“ „Ich kann mich auch selbst verteidigen.“ Gab sie gespielt bissig zurück. „Sagte das kleine Mädchen auf dem Weg zur Bibliothek.“ Gab Serafina grinsend zurück. „Hey, ich bin älter als du.“ Fauchte Charlette. „Ja, so siehst du auch aus.“ Kicherte Serafina und fuhr erschrocken zusammen, als ihr plötzlich jemand von hinten eine Hand auf den Mund drückte. Vlad war wie aus dem Nichts aufgetaucht und deutete jetzt mit der freien Hand zu Tiberius der ganz schön dicht bei ihnen stand. „Echt clever diese kleinen Biester.“ Lachte er zu Luca rüber, der ein paar Meter von ihm entfernt stand. „Ja, wenn sie es schaffen sich noch ein paar Stunden zu verstecken, wird Blackdawn vielleicht aufgeben und uns endlich in Ruhe lassen.“ Meinte er und kratzte sich am Hinterkopf. „Na los, Grin, such!“ befahl Blackdawn seinem weißen Wolf, der über den Boden schnüffelte. Er und Blackdawn gingen noch über den Rasen einige Meter weiter entfernt. „Oh Mann, diese Arschgeige…“ meinte Tiberius. Daraufhin war ein leises Kichern zu vernehmen und die beiden Männer drehten sich sofort zu den Baumkronen um. „Da seid ihr ja.“ Sagte Tiberius leise und hob schnell die Hände, da im selben Moment zwei Pistolen auf ihn gerichtet waren. „Hey, keine Panik.“ Meinte Luca und zog eine silberne Pistole aus seiner Jacke, um sie zu entsichern. „Wie habt ihr die Waffenkammer gefunden?“ fragte Tiberius und behielt Charlette im Auge, die ihn böse ansah. „Rya hat sie uns gezeigt.“ Antwortete Serafina. „Ah.“ Sagte Tiberius und holte ebenfalls eine Pistole aus seiner Jacke. „Hat einer von euch noch Kugeln übrig?“ „Wieso sollten wir euch beiden vertrauen?“ fragte Serafina. „Das ist natürlich eine berechtigte Frage und wir können verstehen, wenn ihr uns jetzt hasst, aber wir mussten ihm einfach versprechen, dass wir Charlie rausrücken, wenn…“ erzählte Tiberius und stockte dann. „Wenn was?“ fragte Charlette bissig und kletterte vom Baum runter. „Gar nichts.“ Antwortete Tiberius schnell. „Dazu haben wir jetzt aber auch keine Zeit. Wo sind die anderen beiden?“ „Rocca auf dem Balkon und Rya, die sitzt da oben.“ Sagte Vlad und zeigte auf das Dach der Villa. „Wow, das ist mal was Neues.“ Stellte Luca fest, als er Rya dabei beobachtete, wie sie Blackdawn ins Visier nahm. „Ok. Fina, Vlad ihr übernehmt den Köter. Charlie, du hältst dich raus.“ Sagte Tiberius und entsicherte seine Pistole. „Nein, ich werde mich dafür rächen, was er mir angetan hat.“ Fauchte sie und zog ihren Rock hoch, um einen Pfahl darunter hervorzuholen. „Na gut, wenn’s denn sein muss, aber sei vorsichtig.“ Sagte Tiberius abgeneigt und sah sich nach Blackdawn um, der jetzt im Wald verschwunden war. „Ihr bleibt zusammen und geht in Richtung Pool. Rya und Rocca sollen bleiben wo sie sind.“ Befahl Luca. „Wir locken Blackdawn aus dem Wald zurück zum Haus.“ Die Männer steckten die Pistolen wieder weg. Die Mädchen und Vlad nickten und huschten schnell und unbemerkt zum Pool. „Was macht ihr da?“ fragte Rya, die Blackdawn aus den Augen verloren hatte. „Tiberius und Luca holen ihn aus dem Wald.“ Sagte Charlette. „Gib mal die Pistole, die du unterm Rock hast.“ „Von mir aus, aber sei vorsichtig damit.“ Sagte Rya und warf der Dreiundzwanzigjährigen die Pistole zu, die sie auffing und entsicherte. „Los, hockt euch hinter die Büsche.“ Zischte Rya und legte sich auf dem Dach so hin, dass man sie nicht gleich sah. Rocca richtete ihre Armbrust auf Blackdawn, der gerade zusammen mit Luca und Tiberius aus dem Wald kam. Serafina spähte durchs Gebüsch und beobachtete Grin, der immer näher kam. Er schien etwas zu wittern, denn er hob den Kopf und sah in genau die Richtung, in der Serafina und die anderen beiden auf dem Boden kauerten. „Sie sind sicherlich schon lange wieder drinnen.“ Hörten sie Luca sagen. „Mein Geduldsfaden reißt bald, wenn dieses Gör nicht bald auftaucht.“ Bellte Blackdawn. „Was liegt Ihnen eigentlich so viel an Charlie? Nehmen Sie sich doch ein anderes Mädchen.“ Schlug Luca vor. „Nein danke, aber die anderen drei sind mir ein bisschen zu alt.“ „Ich meinte ja nicht eine von unseren, sondern irgendein Mädchen.“ Gab Luca gereizt zurück. „Dann müsste ich ja wieder ganz von vorne anfangen.“ „Naja, so schwer kann es ja nicht sein, ein Mädchen zu überfallen und sie zu beißen.“ Meinte Tiberius. „Klar, wenn Sie dann die Ausbildung übernehmen.“ Blackdawn lachte. „Es ist ja schon ganz schön so einen Vampir zu haben, der niemals älter als vierzehn wird, aber die Ausbildung…nein, also das ist mir zu viel Arbeit.“ „Ihnen ist echt nicht mehr zu helfen.“ Serafina sah, wie Luca den Kopf schüttelte. „Jaja. Wo ist das Gör jetzt?“ „Charlie, zeig dich.“ Rief Tiberius. Da das alle für ihr Stichwort hielten, sprangen alle auf und richteten ihre Waffen auf Blackdawn und seinen Wolf. „Na endlich. Bist du dann fertig mit packen? Wir müssen langsam mal los.“ Bellte Blackdawn und ging auf Charlette zu, die ohne zu zögern den Abzug ihrer Pistole drückte und Blackdawn am Arm traf. „Bist du des Wahnsinns! Einfach auf deinen Schöpfer zu schießen. Du solltest dich was schämen.“ „Sie sollten sich etwas schämen, Blackdawn.“ Sagte Tiberius und richtete seine Pistole auf den großen Mann schräg vor ihm. „Einfach ein wehrloses Mädchen zu entführen, zu vergewaltigen und in einen vierzehnjährigen Vampir zu verwandeln.“ Fügte Luca hinzu und richtete seine Pistole ebenfalls auf Blackdawn. „Und es dann auf der Straße liegenzulassen, bis jemand es findet und mit nach Hause nimmt.“ Redete Tiberius weiter. „Sie haben nicht das Recht Charlie mitzunehmen. Sie ist eine Alucard und das wird sie immer bleiben.“ Sagte Luca. „Na, das wollen wir doch mal sehen!“ plötzlich wurden die beiden Männer von einer starken Energiewelle zurückgeschleudert, was den Mädchen und Luca das Zeichen gab, das Feuer zu eröffnen. Sofort hagelten Kugeln und Silberpfähle auf den Mann und dessen Wolf hinab, der die ganzen Kugeln mit einer Handbewegung wegwischte. Auch die Pfähle konnten ihm nichts anhaben, was sehr ärgerlich für alle Beteiligten war. Als Luca und Tiberius sich wieder aufgerappelt hatten, schossen sie von hinten auf Blackdawn, was ihn ein paar Mal an Schulter und Oberschenkel traf, aber keinen großen Schaden ausrichtete. Serafina schmiss eine Handgranate auf den Wolf, die zwar sofort explodierte, dem Wolf aber nichts anhaben konnte, da dieser wohl sterblich war. „Mist.“ Fluchte Serafina leise und legte ihre leere Pistole weg. „Hier, ich hab nämlich keinen Plan, wie man nachlädt.“ Sagte sie und gab Vlad die restlichen Kugeln, um sie gleich danach auf den Wolf zu stürzen und ihm kräftig in den Hals zu beißen, was das Tier spitz aufheulen ließ. Serafina biss ein Stück aus dem Hals des Wolfen hinaus und schlitzte ihm den Bauch auf. Der Wolf war also schon mal Geschichte. Von Blackdawn konnten sie das aber nicht behaupten. Er hielt allen Geschossen stand und währte sich um Energiekugeln, die man bei der Dunkelheit nur sehr schwer erkennen konnte. Etwas mit Blut beschmiert ging sie zurück zu Vlad, der seine Waffe nachlud. „Ein Gegner weniger.“ Meinte er und lächelte Serafina an. Selbst jetzt war er noch so toll zu ihr. Sie musste sich schon sehr zurückhalten, um ihm nicht sofort um den Hals zu fallen. „Ah!“ hörten sie aus Blackdawns Mund und sahen zu ihm rüber. Rocca hatte ihn mit einem geweihten Silberpfahl am Arm getroffen. Charlette nutzte die Gelegenheit, um ihre letzten Kugeln loszuwerden, traf aber nur ein Bein. Blackdawn zog ächzend den Pfahl aus seinem Oberarm und warf ihn von sich. Luca und Tiberius hatten auch keine Kugeln mehr, also waren sie jetzt irgendwie hilflos. Rya, Rocca und Vlad schossen aber weiter, bis auch sie keine Munition mehr hatten. Rocca war die erste, die rief: „Ich hab keine Pfähle mehr.“ und dann vom Balkon sprang. Rya und Vlad verschossen gleichzeitig die letzten Kugeln. Niemand hatte auch nur eine Kugel oder eine Granate übrig. Die Mädchen stellten sich dicht zusammen. „Tja, dann habt ihr wohl doch verloren.“ Lachte Blackdawn und sah dann zu Grin rüber. „Naja…Haustiere sind ersetzbar.“ Meinte er und zuckte ungerührt die Schultern. „Also dann, Charlette, verabschiede dich von deinen…Freunden.“ „Sie bleibt bei uns!“ kreischten Rya, Serafina und Rocca im Chor. „Nein, ist schon ok.“ Sagte Charlette gedämpft und trat ein paar Schritte vor. „Das kannst du doch nicht ernst meinen!“ rief Serafina. „Hast es wohl endlich eingesehen.“ Lachte Blackdawn. „Wird aber auch Zeit. Na komm, meine Kleine.“ Er breitete die Arme aus und sie ging tatsächlich auf ihn zu. Ihr Kopf war gesenkt und ihre Hände hatte sie in ihren Rocktaschen. Serafina fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggenommen. Perplex starrte sie Charlette hinterher. Vlad legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie etwas an sich ran. Charlette stand nun nah genug vor Blackdawn, der sie zu sich zog und sie einmal fest drückte. „Wir sollten gehen.“ „Nein, Sie sollten gehen.“ Sagte Charlette, zog blitzschnell ihre Hände aus den Rocktaschen und stach Blackdawn einen geweihten Silberpfahl direkt ins Herz. Daraufhin machte dieser den gleichen entsetzten Gesichtsausdruck wie alle Opfer, die wussten, dass sie starben. Es dauerte nicht lange, da begann der Mann zu dampfen und seine Haut blätterte von ihm ab. Es war nicht unbedingt ein schöner Anblick, aber trotzdem sahen sie alle mit großer Genugtuung dabei zu, wie Blackdawn zu Staub zerfiel. Jetzt hatte Charlette ihre Rache. Jetzt hatte sie eine Sorge weniger. Im nächsten Moment stürzte Tiberius auf Charlette zu und drückte sie fest an sich. Rocca ging zu den beiden und machte daraus eine Gruppenumarmung. Rya ließ sich von Luca umarmen, wenn auch leicht wiederwillig und Serafina konnte endlich die Arme um Vlads Hals schlingen und… Kapitel 15: #15# ---------------- Kapitel 15 Eifersucht mit RIP Location …ihm voller Erleichterung einen Kuss auf die Wange drücken. Sie hatte ihn zwar eigentlich auf den Mund küssen wollen, sich aber nicht getraut, weil sie erstens noch mit Wolfsblut beschmiert war und zweitens sich einfach viel zu unsicher war, was das anbelangte. „Lasst uns rein gehen und erst mal eine Tasse Tee trinken.“ Meinte Tiberius und hob Charlette vom Boden, um sie reinzutragen, was sie ohne Wiederworte mit sich machen ließ. Sie betraten das Gebäude durch den Haupteingang und fanden überraschenderweise das Gepäck von Vlad in der Eingangshalle vor. „Ah, na endlich.“ Meinte Vlad und hob einen kleinen Koffer vom Boden. „Wurde aber auch langsam Zeit.“ „Ähm…“ machte Serafina. Sie wusste nicht genau, wie die Koffer es einfach so in die Eingangshalle geschafft hatten, aber sie vermutete stark, dass es Vampirmagie war. „Mum hat die Sachen sicherlich hergezaubert.“ Meinte Vlad und begann seine Koffer nacheinander und in atemberaubender Geschwindigkeit in sein Zimmer zu befördern. Serafina wartete in der Eingangshalle, bis er auch den letzten Koffer in sein Zimmer gebracht hatte, während die anderen sich schon ins Wohnzimmer begaben. Rocca war nur kurz in die Küche gehuscht, um bei Igor den Tee zu bestellen. Als Vlad dann auch endlich fertig war, stand er plötzlich und unerwartet sehr dich vor Serafina und grinste etwas fies. Verdutzt sah sie ihr Gegenüber an und fragte sich, innerlich vor Panik kreischend, was er vorhatte. „Ähm, ist was?“ fragte sie leise, als Vlad auch nach zehn Sekunden nichts gesagt hatte. Anstatt zu antworten kam er aber noch ein Stückchen näher, bis ihre Nasenspitzen sich berührten. Ihr Herz raste vor Aufregung. Was hatte er vor?! Eigentlich kam Serafina sich selbst ziemlich blöd vor, da sie sonst immer so selbstbewusst und überlegen rüberkam, aber normalerweise waren es ja auch keine süßen Vampirjungs, mit denen sie es zu tun hatte, sondern ganz normale Sterbliche. Und die waren bekanntlich ja nicht besonders schwer zu beeindrucken. Aber jetzt war da Vlad und der war definitiv ein Vampir. Jedoch, als er sie geärgert hatte, da war sie doch auch so selbstsicher gewesen. Warum war das denn jetzt nicht mehr so? Am liebsten hätte sie sich geohrfeigt, sich diesem dämlichen, aber irre süßen Vampir so unsicher zu zeigen. Er grinste noch breiter, als er ihre Beklommenheit spürte und das machte Serafina dann gleich noch ein Stück unsicherer. Nicht genau wissend, was sie da eigentlich tat, starrte sie ihn unentwegt an und wurde blöderweise knallrot dabei. Er legte seine Hände auf ihre Wangen und sah ihr einen Moment tief in die Augen. Würde er sie jetzt küssen? Wollte Serafina von ihm geküsst werden?? Ja und wie sie das wollte, aber irgendwas an seinem Gesichtsausdruck gefiel ihr nicht. Er sollte sie jetzt eigentlich liebevoll angucken und dann küssen, ohne weiteres Drumherum. Warum tat er es dann nicht einfach?! Sie überlegte sich, ob sie vielleicht etwas tun sollte. Die Augen schließen, zum Beispiel. Das wäre doch ein Anfang, also zögerte sie nicht weiter und kniff die Augen zusammen, damit sie auch ja nicht wieder aufgingen. Sie wartete und wartete… Nichts. Gar nichts. Nicht einmal der Hauch eines Kusses. Und dann? Dann legte er eine Hand auf ihre Hüfte, um sie ein Stückchen näher zu sich zu ziehen. Noch immer waren ihre Lippen ein Stück voneinander entfernt. Warum nur? Fragte Serafina sich und musste sich zwingen ihn nicht einfach zu küssen, denn das wollte sie nicht. Sie wollte sich küssen lassen und nicht einfach drauflos küssen. Vlads Hand löste sich von ihrer Wange. Nur ein Finger blieb übrig. Der Zeigefinder, der daraufhin ein wenig über ihre Wange fuhr. Ein schönes Gefühl breitete sich in ihr aus. Schon wieder. Also konnte der begehrte Kuss ja nicht mehr lange auf sich warten lassen. Vlad strich ihr über die Lippen und dann über ihr Kinn, um den Finger dann schnell wegzunehmen, ihn sich in den Mund zu stecken und zu sagen: „Du hast noch Wolfsblut am Kinn.“ Verwirrt schlug sie die Augen auf. „Naja, ich hab schon Besseres getrunken.“ Meinte er und zuckte die Schultern mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck, der Serafina zur Weißglut trieb. War das jetzt wirklich sein Ernst? Sie stieß ihn schlagartig von sich weg, wobei er durch die geballte Kraft ihrer Arme gegen die Treppe knallte und auf den Stufen liegenblieb. Sofort war sie bei ihm und trat mit ihrem Absatz auf seinen Bauch. „Hast du sie noch alle?!“ fauchte sie und verstärkte ihren Tritt noch etwas. „Ja, wieso?“ brachte er gerade noch so hervor, weil er mit einem Absatz, der sich in deinen Bauch rammte, schlecht reden konnte. „Du kannst doch nicht einfach so…“ da wusste sie jetzt aber auch nicht weiter. So ein Mist! Dachte sie sich. Wollte sie ihm gerade wirklich sagen, dass sie gewollt hatte, dass er sie küsste? Er würde sie doch auslachen. Da war sie sich ziemlich sicher. Noch immer starrte sie ihn mit einem vernichtenden Blick an. Nach einer Weile wandelte sich seine, zuvor leicht verwirrte, Miene zu einem breiten Grinsen. „Du wolltest, dass ich dich küsse, stimmt’s?“ fragte er, klang dabei aber nicht so fies und cool, wie er gehofft hatte. Serafina stand schließlich immer noch mit einem Fuß auf ihm und setzte nach dieser Frage noch einen drauf, indem sie einfach nochmal kräftig drauftrat. Das tat natürlich weh und entlockte Vlad ein gequältes Ächzen. „Na, komm schon, du wolltest, dass ich dich küsse. Hab ich recht?“ er grinste nochmal und hielt dem nächsten Tritt, der auch von Serafina stammte gekonnt stand. „Wie kannst du es wagen, so etwas zu behaupten?!“ keifte sie und bohrte den Absatz noch etwas tiefer in seine untere Bauchgegend. „Naja.“ Japste er vor Schmerz. „Du hast so gewirkt.“ „Du kleiner Bastard!“ kreischte sie und trat noch ein paarmal auf ihn ein, was er wegsteckte wie ein echter Mann es sollte. „Wenn du ein Küsschen willst, dann komm her.“ Er streckte grinsend die Arme nach ihr aus, aber sie verschränkte die ihren nur empört vor der Brust und sah mit einem schnippischen „Pah!“ und erhobener Nase zur Seite. Die Wohnzimmertür schwang auf und heraus trat Rocca, die zur Treppe hoch sah und dann verwirrt stehenblieb. „Was macht ihr da?“ fragte sie vorsichtig. „Fina spielt Domina.“ Sagte Vlad, wofür er einen tötenden Blick und einen weiteren Tritt kassierte. „Nein, tue ich nicht!“ kreischte sie und stapfte dann geräuschvoll nach unten ins Wohnzimmer, wo sie sich wütend neben Rya platzierte, die gegenüber von Tiberius und Charlette auf einem der Sofas saß. Luca saß auf einem Sessel und schlürfte Tee. Es dauerte nicht lange, da kamen Rocca und Vlad auch zur Tür rein und setzten sich. „Also.“ Begann Rocca und klatschte dabei in die Hände, damit ihr auch alle zuhörten. „Wir haben eine große Gästeliste und müssen alles bis übermorgen geregelt kriegen. Mit der Location sind Charlie und ich aber auch nicht besonders weiter gekommen. Wir dachten zwar, wir könnten auf dem neuen Friedhof feiern, aber da herrscht einfach nicht das richtige Feeling. Zu wenig Spinnweben und es ist halt neu und nicht so schön gemütlich, wie auf dem anderen Friedhof in der St. Frederic Street.“ Erklärte sie und sah dabei von einer Person zur anderen. Als aber keine Reaktion kam, redete sie weiter. „Wir feiern also auf dem alten Friedhof. Und das hier sind die Gäste:“ sie kramte eine zusammengefaltete Liste aus ihrer Hosentasche und klappte sie auseinander. Sie räusperte sich und las. „Also, ganz wichtig ist natürlich erst mal Cosimo, ohne Cosimo keine Party. Als nächstes Henry. Wisst ihr noch, wer Henry ist? Der Süße Neunzehnjährige, den wir vor zwei oder drei Monaten mal im ‚Sidewalk‘ getroffen haben.“ Erklärte Rocca und versuchte allen dabei auf die Sprünge zu helfen. „Der blonde mit der Brille.“ Erläuterte sie weiter und so langsam begannen sich alle zu erinnern. Bis auf Vlad, der den Typen eh nicht kannte. Rya lief derweilen leicht rot an und blickte zu Serafina herüber, die auch ganz genau wusste, wer gemeint war. Als Serafina in Ryas Gesicht sah, staunte sie allerdings nicht schlecht. Errötet hatte sie ihre beste Freundin nämlich auch noch nie gesehen. Wunderlich, was dieser Tag so alles mit sich brachte, dachte sie und hörte Rocca weiter zu. „Henry Redwulf, ihr wisst schon.“ Sagte diese. „Ich hab mich per Facebook noch etwas über ihn kundig gemacht. Ein wirklich nettes Bürschlein. Ne, Schwesterherz?“ fragte Rocca ihre kleine Schwester dann hämisch grinsend. „Er spricht in den höchsten Tönen von dir. Ehrlich. Seine Eltern hab ich auch gleich eingeladen. Nette Leute. Leopold Redwulf ist ein Werwolf und seine Frau Lillian ist ein Vampir, also ist Henrylein, ein zuckersüßer Hybriiiide!“ sie strahlt über beide Ohren. Unterdessen sank Rya immer weiter in sich zusammen. Es musste ihr ja tierisch unangenehm sein, über diesen Henry zu reden, dachte Serafina bei sich und wich jedem Blick seitens Vlad aus, da sie nach wie vor sauer auf ihn war. „Er macht sich aber nicht besonders viel aus diesem Status. Er bleibt halt auf dem Teppich. Hach…“ seufzte sie und machte eine Pause. „Wie dem auch sei.“ Redete sie weiter und wechselte somit das Thema, worüber ihr Rya sichtlich dankbar war. „Dann will ich noch Loan und Isabelle Tommary einladen. Wer die beiden sind, muss ich euch ja nicht noch erzählen.“ Damit lag sie richtig, denn alle kannten die Tommarys bereits – bis auf Vlad, bei dem Serafina sich aber nicht so sicher war, ob er sie doch kannte. Loan war ein ziemlich alter Vampir, der mit Vorliebe in seiner Gruft im Forest of Dean wohnte. Bei ihm war immer seine Dienerin, oder was Isabelle auch immer für eine Verbindung zu ihm hatte. Sie war seit etwa fünf Jahren sein Dampir. Dabei war sie nicht älter als Charlette. Und er war mindestens eintausend. Sehr unpassend, wie Serafina fand, aber sie fand Isabelle trotzdem nett. Ein paar Mal hatten sie sich schon getroffen. „Ian, Sebastian, Vincenzo und Darius…“ sie drehte ihre Gästeliste um. „Fiona, Destiny und Giulia. Giulia hab ich schon angerufen, da sie sonst in den Urlaub nach Italien geflogen wäre. Astoria und Bibiane, Worrin und Jazz…“ sie las noch ca. zehn weitere Namen vor, aber Serafina hörte nicht mehr zu. Sie hatte ihren Kopf in den Nacken gelegt und inspizierte gelangweilt die Wohnzimmerdecke. Sie wollte Rocca auf keinen Fall den Geburtstag verderben, aber irgendwann müsste sie ihr doch alles erzählen. „Jap, das waren dann alle.“ Sie faltete die Liste wieder zusammen und packte sie wieder in ihre Hosentasche. „Ich hab mich aber auch schon um eine Band gekümmert. Maxine und ihre Leute, die sonst nur im ‚Sidewalk‘ auftreten, haben mir bereits zugesagt. Ryan freut sich im Übrigen dich wieder zu sehen, Fina.“ Sie richtete sich an die Blonde, die ihren Kopf wieder anhob und sie verwirrt ansah. „Ach komm, sag mir jetzt nicht, dass du Ryan schon vergessen hast.“ Natürlich hatte Serafina den Neunzehnjährigen nicht vergessen. Er spielte in Maxines Band als Schlagzeuger und war eigentlich ein sehr netter Vampir, aber zu dessen Bedauern nicht Serafinas Typ. Vlad, der das natürlich nicht wusste, durchbohrte die Blonde jetzt mit seinem Blick. War er etwa sauer? Oder eher eifersüchtig?? „Ach, Ryan! Natürlich weiß ich noch wer das ist. Wie könnte ich ihn denn auch vergessen?“ Sagte Serafina und schlug die Hände dabei zusammen. Rocca nickte lächelnd. „Ja, ist das nicht schön? Ihr beide würdet unglaublich gut zusammenpassen.“ „Was heißt denn würde? Wir passen doch ausgezeichnet zusammen. Nein, wie schön…“ seufzte Serafina und ignorierte Vlad vollkommen. „Sag mal, ist Kyle auch noch in der Band?“ erkundigte sie sich nach dem Gitarristen. „Klar. Aber du kannst ja nicht beide nehmen.“ Rocca und Serafina brachen in hallendes Gelächter aus. Serafina zeigte zwar keinen Hauch von Interesse für Ryan oder Kyle, aber genau das wusste Vlad natürlich nicht. Als die beiden Frauen sich wieder gefangen hatten, lehnten sie sich zurück. „Ok.“ Begann Rocca. „So viel zu den Gästen und der Band. Luca, deine Aufgabe ist es, den Friedhof zu organisieren und Tiberius, du kümmerst dich um die Getränke. Igor macht das Catering. Charlie, du hilfst mir beim Dekorieren. Rya, du suchst dir ein entzückendes Outfit raus, womit du Henry umhaust und Finchen…“ sie überlegte. „Ich helfe Rya.“ Sagte Serafina sofort. Rocca und Rya nickten zugleich. Blieb also nur noch Vlad übrig. „Vladi, du hast keine Aufgabe. Mach was du willst, aber keinen Unfug.“ Befahl Rocca und wandte sich Charlette zu. Etwas wütend stapfte Vlad die Treppe hinauf. Das konnte doch nicht wahr sein! Serafina konnte ihm doch nicht einfach so verschweigen, dass sie sich für zwei ganz andere Vampire interessierte. Dann auch noch Musiker. Ihn schüttelte es bei diesem Gedanken. Kichernd trat Serafina aus dem Wohnzimmer. Neben ihr Rya. Er drehte sich kurz um, huschte dann aber schnell zu seinem Zimmer. „Huch?“ Serafina sah zur Treppe, wo doch gerade noch Vlad gestanden hatte. „Hm…“ grinste sie. „Ist wohl wirklich eifersüchtig.“ Sie ging die Treppe hinauf. „Hältst du es wirklich für eine gute Idee, ihn so zappeln zu lassen?“ fragte Rya auf der Hälfte der Treppe. Serafina zuckte die Schultern. „Erzähl du mir doch ein wenig mehr von Henry.“ Bei diesem Satz lief Rya wieder rot an und verschwand schnell in ihrem Zimmer. Gut gelaunt spazierte Serafin dann in ihr eigenes Zimmer und öffnete dort ihren Kleiderschrank, um nach einem passenden Outfit zu suchen, was Vlad zur Weißglut treiben würde. Nach einigem Hin und Her zwischen einem komplett schwarzen, kurzen Rüschenkleid ohne Ärmel und einem grauen, kurzen Kleid mit schwarzen Rüschen, etwas Spitze und kurzen Ärmeln entschied sie sich für das Schwarze und suchte passende Accessoires und ein Paar schwarze Pumps dazu heraus. Eine schwarze Limousine nach der anderen fuhr vor und immer stiegen ein oder zwei Gäste für Roccas Geburtstagsparte aus. Serafina und Rya standen am Friedhofstor und begrüßten jeden einzelnen Gast mit einem Glas Champagner. Rya hakte alle Gäste auf einer Liste ab. „Nur noch Loan und Isabelle.“ Sagte sie und da hielt auch schon die letzte Limousine und der etwas ältliche Chauffier stieg aus, um die hintere Tür zu öffnen. Der Mann half einer schwarzhaarigen Frau beim Aussteigen, der ein etwa fünfunddreißigjähriger Mann folgte. Isabella und Loan. „Serafina, Rya!“ Isabella kam mit offenen Armen auf die beiden zugelaufen und umarmte sie nacheinander. „Hey, Isabelle, wie geht’s?“ fragte Serafina und überreichte ihr ein Champagnerglas von dem Tablett neben ihr. „Danke. Gut und euch beiden?“ „Hervorragend. Das Geburtstagskind ist hinten.“ Lächelte Rya und zeugte zum Tor hinein. Isabelle schien Rocca schon entdeckt zu haben, denn sie winkte und eilte dann auf die endlich Volljährige zu. „Schön euch mal wiederzusehen.“ Lächelte Loan, als Serafina ihm ein Glas reichte, dann ging er an ihnen vorbei, seiner Dienerin hinterher. Serafina und Rya nahmen sich die beiden letzten Gläser und schlossen das Tor hinter sich, als sie den Friedhof betraten. Rya gluckste leise. „Sollten wir nicht ein Schild oder so was aufhängen?“ „‘Betreten auf eigenen Gefahr‘ oder wie?“ kicherte Serafina und hakte sich bei der Rothaarigen unter. Vlad stand in der Nähe des Podestes, auf dem die Band sich gerade organisierte. Mit Argwohn beobachtete er die männlichen Bandmitglieder und überlegte sich, welcher der beiden Ryan und welcher Kyle sein mochte. Erst als sie ihre Instrumente nahmen und ein paar Takte probten, wusste er es. Ryan war der rothaarige Schlagzeuger und Kyle der schwarzhaarige Gitarrist. Sein Blick viel auf Rocca, die sich mit einem grauschwarzhaarigen Vampir unterhielt. Das war dann wohl Cosimo. Jetzt kamen Serafina und Rya zu ihnen. Sie lachten beide über irgendetwas und reichten Cosimo dann die Hände. Serafina sah zum Buffet rüber, wo Luca stand und sich mit den Redwulfs unterhielt. Rya war ganz schnell abgehauen, als die Limousine der Familie vorgefahren war. Sie war unter dem Vorwand, Rocca bei etwas helfen zu müssen verschwunden und erst wieder aufgetaucht, als Henry und seine Eltern zu Luca gegangen waren. Er hatte Rya wohl noch nicht entdeckt. Der Blonde drehte sich kurz um und überblickte den Friedhof. Als er Rya erkannte, die ihm mit dem Rücken zugewandt stand, blieb ihm leicht der Mund offen stehen. Sie hatte sich für ein umwerfendschönes rotes Kleid mit schwarzen Rüschen entschieden, wobei Serafina ihr bei der Entscheidung geholfen hatte, indem sie alle anderen Kleider mitten in der Nacht geklaut und in einer Kiste versteckt hatte. Serafina stupste ihre beste Freundin mit dem Ellbogen an und nickte zu Henry rüber. Als Rya sich umdrehte, winkte sie dem Blonden zu. Rya wurde wieder leicht rosa, was man aber bei der untergegangenen Sonne nicht wirklich sehen konnte. Henry winkte schwach zurück und trat dann auf die kleine Gruppe – bestehend aus Serafina, Rya, Rocca und Cosimo – zu. Serafina schob die, sich sträubende Rya auf den Jungen zu und ließ sie dann einen Meter vor ihm stehen, um schnell abzuhauen, bevor Rya sich an ihr festklammern konnte. Unterdessen hatte die Band begonnen zu spielen. Serafina setzte sich auf einen Grabstein und hörte ihnen zu, wobei sie Vlad nicht bemerkte, oder zumindest gekonnt ignorierte. Er stand ein paar Meter rechts von ihr an einen Baum gelehnt und sah immer wieder von Serafina zu Ryan und wieder zurück. Serafina hob die Hand und winkte dem Schlagzeuger hinter der pinkhaarigen Maxine zu, die am Mikrofon stand und sang. Ihre Haare hatte sie gefärbt. Als sie das letzte Mal im ‚Sidewalk‘ waren, hatte sie noch grüne Haare gehabt. Normalerweise waren sie aber schwarz. Ryan lächelte und zwinkerte der Sechzehnjährigen zu, die zurücklächelte. Maxine endete mit ihrem Gesang und deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf Rocca, die schnell zu ihr huschte und eine Ansprache hielt, bei der Serafina nicht zuhörte, sondern kurz zu Vlad rüber spähte, der Ryan fixierte. Serafina sah gerade rechtzeitig wieder zu Rocca, als diese sagte, dass sie ihre Gläser heben sollten, was auch alle taten. Sie tranken auf Roccas fünfundzwanzigjährigen Geburtstag. Die Band machte eine kleine Pause. Ryan sprang von der provisorischen Bühne und kam direkt auf Serafina zu. Sie stand vom Grabstein auf und ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Na, wie geht’s?“ fragte er breit grinsend. „Gut. Und dir?“ antwortete sie lächelnd und sah dann ganz kurz zu Rya und Henry, die immer noch da standen, wo Serafina Rya abgestellt hatte und sich etwas zaghaft unterhielten. Sie waren beide schüchtern, kein Zweifel. „Ausgezeichnet.“ Gab Ryan zurück und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich hab ein paar Minuten Zeit, willst du was trinken?“ fragte er. Zur Antwort hob Serafina ihr halbvolles Glas an und lächelte. „Oh, du hast ja noch.“ Lachte er etwas verlegen. Serafina sah nochmal zu Rya und Henry und spürte, dass sie ihnen irgendwie helfen musste. „Entschuldige mich mal für einen Moment.“ Sagte sie und huschte zu den beiden rüber. „Hey, wie läuft’s?“ fragte sie lächelnd und stupste Rya leicht an. Rya sah ihre beste Freundin etwas hilflos an. „Ah, ich seh schon. Rya, ich brauch dir für einen Moment.“ Sie griff die Rothaarige am Arm. „Dauert nicht lange, Henry, versprochen.“ Damit ließen sie den Jungen stehen und gingen in Richtung Wald, wo sie sich zwischen zwei Bäume stellten. Vlad stieß sich vom Baum ab und ging direkt auf Ryan zu, der Serafina hinterher sah. „Hey.“ Sagte er, als er hinter dem Neunzehnjährigen stehenblieb. Ryan drehte sich um. „Hi. Und du bist…“ „Vlad Dracula.“ Sagte dieser tonlos und betrachtete den Älteren kritisch. „Bist du extra für Roccas Geburtstag aus Transsylvanien gekommen?“ „Nein. Ich wohne bei den Alucards.“ Er schob seine Hände in die Taschen seines Jacketts. „Dann kennst du Serafina?“ „Ja.“ „Seit ihr enge Freunde?“ „Kann man so sagen. Wir sind…“ er wurde jäh unterbrochen, als plötzlich Serafina wütend auf sie zugelaufen kam. „Vlad!“ keifte sie. Er grinste fies. Sie blieb vor den beiden stehen. „Fina, Liebes, ich unterhalte mich nur gerade mit Ryan. Das macht dir doch nichts aus.“ Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. „Ähm…“ machte Ryan. „Ihr seid…“ Vlad grinste breit. Serafina starrte nur entsetzt von einem zum anderen. „Aber-.“ Sagte sie schnell. „Ist schon ok.“ Winkte Ryan deprimiert ab und drehte sich um, um zu gehen. Serafina biss sich auf die Unterlippe. Hatte wohl nicht geklappt ihn eifersüchtig zu machen, aber das musste er ja nicht wissen. Sie stieß sich von ihm weg. „Spinnst du jetzt vollkommen? Wie kannst du es wagen?!“ keifte sie ihn an. „Er hat genervt.“ Gab Vlad ungerührt zurück. „Eifersüchtig?“ fragte sie feindselig und sah ihn blitzend an. „Nie im Leben.“ entgegnete er schnell. „Wessen Leben. Das eines Sterblichen oder deins?“ wollte sie wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Meins, natürlich.“ „Tja, dann beschäftige ich mich jetzt mit Kyle.“ Sie winkte dem Gitarristen lächelnd zu, der sofort zurückwinkte. Sie setzte zum Gehen an, aber Vlad zog sie am Handgelenk zurück, sodass sie sich ungewollt auf einem Absatz umdrehte und gegen seine Brust prallte. „Nichts da, du bleibst schön hier.“ Sagte er, legte seine Hände auf ihren Rücken und drückte sie an sich. „Bist ja wohle eifersüchtig.“ Sagte sie, als sie Vlad dabei beobachtete, wie er Kyle böse ansah. „Bin ich nicht.“ Knurrte er, ohne sie anzusehen. „Jaja…“ kicherte sie leise und ließ sich weiterhin umarmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)