Nachtgeschrei von Schreiberchen (Wenn die Maske dich verfolgt) ================================================================================ Kapitel 1: #1# -------------- Kapitel 1 Lauf, wenn du kannst Stille lag in dem Zimmer, in dem Serafina auf ihrem Bett lag und an die Decke starrte, als wäre sie besonders spannend. Aber das war sie nicht, denn sie war einfach nur weiß. Nichts Besonderes. Einfach eine ganz normale langweilige weiße Zimmerdecke. Sie war schräg, weil Serafina unter dem Dach wohnte, aber das war es auch schon. Sie lag schon seit mindestens einer Stunde so da und ließ ihre blauen Augen die Zimmerdecke bewundern, wobei sie mit einer Hand an einer ihrer blonden Strähnen zwirbelte. Seit die Nachricht gekommen war, dass sich endlich jemand nettes um sie kümmern wollte, obwohl sie – laut Angaben der Erzieherinnen – nicht normal war, war sie nicht ansprechbar. Klar, sie hatte sich gefreut, aber der Auszug aus dem Waisenhaus würde bedeuten, ihr Zuhause zu verlassen, dass sie von ihrer frühsten Kindheit an bewohnt hatte. Serafina war direkt nach ihrer Geburt hergebracht worden, weil ihre Eltern sich nicht um sie kümmern konnten oder wollten, vielleicht waren sie auch einfach gestorben, so genau wusste das keiner. In dem Brief, der in dem Körbchen bei Serafina gelegen hatte, hatte nur dringestanden: „Gebt Serafina ein Zuhause und behandelt sie gut.“ So war es auch geschehen, obwohl manche von den Erzieherinnen sie für gruselig hielten, weil sie manchmal abnormale Dinge tat, aber was das für Dinge waren, wusste sie nicht. Mit den anderen Kindern verstand sie sich auch nicht. Die Jungen zogen ihr an den Haaren und die Mädchen zwickten sie in die Arme, warum, das war dem kleinen Mädchen auch unklar. Wohlmöglich taten die anderen Kinder das, weil sie keinen Schaden davontrug, zumindest keinen Körperlichen. Sie bekam keine blauen Flecken und selbst wenn sie sich selbst wehtat, sie sich also ritzte, dann verheilten die Wunden innerhalb von Minuten. Sie hatte keinen Grund, sich selbst Schmerzen zuzufügen, aber sie fand es interessant, dass die Narben nicht zu sehen waren. Um nachzusehen, ob das auch bei anderen Kindern so war, hatte sie sich einmal ein Messer aus der Küche geholt und ein kleines Mädchen, das sie am meisten geärgert hatte, am Handgelenk verletzt. Die Wunde war nicht wie gewünscht verheilt und das Mädchen musste mit dem Krankenwagen weggebracht werden. Sie kam nicht zurück. Aber gestorben war das Mädchen nicht, das hatte eine der Erzieherinnen versichert, wobei sie Serafina mit nervösem Blick angeguckt hatte. Eigentlich hatte Serafina ihre Sachen packen sollen, aber da gab es nicht wirklich viel zu packen. Sie hatte ja nur ein paar wenige Klamotten, die ihr fast schon zu klein waren. Und das abgetragene paar Schuhe, das ihr wiederum ein bisschen zu groß war, weil die Schuhe von einem älteren Kind stammten. Serafina gab sich aber auch damit zufrieden. Ansonsten besaß sie nur einen kleinen schwarzen Koffer und ein Buch, in dem sie eigentlich Tagebuch führen sollte – warum auch immer – aber das tat Serafina nicht. Weniger, weil sie nicht schreiben konnte, was sie natürlich schon konnte, sondern mehr, weil sie bemerkt hatte, dass die Erzieherinnen sich die Einträge durchlasen, wenn die Kinder gerade nicht im Zimmer waren. Alle besaßen so ein Buch und die meisten schrieben auch etwas hinein, nur Serafina fand, dass es niemanden etwas anging, was man fühlte oder dachte. „Serafina, bist du endlich fertig? Der nette Herr wartet auf dich.“ Miss Sunshine stand plötzlich vor ihr. Ihre Arme waren in die Hüften gestemmt. „Ich will nicht weg.“ Sagte Serafina leise, ohne die junge Frau anzusehen. „Die meisten Kinder freuen sich, wenn sie adoptiert werden.“ Meinte Miss Sunshine tadelnd und zog Serafina's Koffer unter dem Bett hervor, um für sie zu packen. Sie dachte höchst wahrscheinlich: „Je schneller das Kind weg ist, desto eher haben wir hier wieder ruhige Nerven.“ Jedenfalls sah es so aus, denn sie beeilte sich mit dem Einpacken. „So, jetzt steh aber auf und kämm dir die Haare.“ Forderte Miss Sunshine und hielt ihr die Haarbürste hin. Zaghaft stand die Achtjährige auf und nahm die Bürste, wobei Miss Sunshine ihre Hand schnell wegzog, als sie Serafina's kühle Haut berührte. So war es immer - als wäre sie krank. Serafina schritt vor den Spiegel, der an der Tür hing. Sie musterte sich. Am Morgen hatte man sie gezwungen, ihr schwarz-weißes Sonntagskleidchen anzuziehen, das über und über mit Spitzen und Rüschen versehen war. Wortlos und ziemlich langsam kämmte sie sich die langen blonden Haare, solange, bis Miss Sunshine ihr die Bürste wieder wegnahm und ihr stattdessen den kleinen Koffer in die Hand drückte. In der Eingangshalle hatten sich die Kinder und die Erzieherinnen versammelt. Die Kinder sahen den Mann, der in der Nähe der Haustür stand, einfach nur an und tuschelten leise, bi Miss Sunshine zusammen mit Serafina die Treppe runterkam. Der Mann trug einen teuren schwarzen Manktel und einen Hut. Sah also recht elegtant aus. Ein bisschen neidisch wirkten sie, dass ausgerechnet Serafina, das gruselige Mädchen, einen reichen Papa bekam. Vom Fenster aus, konnte man die englische schwarze Limousine sehen, die auf der Straße geparkt war. Als Serafina den Kopf hob und den Mann ansah, huschte diesem ein kurzes Grinsen übers Gesicht, das aber schnell wieder verflog, als Miss Sunshine und Serafina näher kamen. Der Mann war groß und schlank. Seine Haare waren schwarz und er trug eine Brille vor seinen dunklen - fast schwarzen - Augen. Er war noch jung. „Na, meine Kleine?“ er beugte sich runter und nahm Serafina den Koffer ab. Serafina wich einen kleinen Schritt zurück, weil ihr der Mann doch wirklich Angst machte. „Keine Angst, meine Kleine.“ Lachte er und richtete sich wieder auf. „Ich tu dir schon nichts. Ich bin Luca. Dann lass uns mal losfahren. Es ist eine ganz schöne Strecke bis nachhause.“ Er lächelte und nahm Serafina's Hand. Seine war genauso kühl wie ihre Haut, vielleicht sogar kälter. Serafina stieg hinten in der Limousine ein, als Luca ihr die Tür aufhielt. Die Sitze waren mit edlem grauem Leder bezogen, und die Armaturen bestanden aus glänzendem Holz. Wohl fühlte Serafina sich nicht unbedingt, als sie sich auf einen der Sitze setzte und die Tür zufallen sah. Luca stieg auf der Fahrerseite ein und blickte in den Rückspiegel, bevor er den Motor startete. Er lächelte. „Falls du dich fragst, wohin wir fahren – wir fahren nach Alucard Manor du kannst es aber auch Black Castle nennen oder einfach Zuhause. Übrigens, du heißt ab sofort Alucard mit Nachnamen.“ Damit startete er den Motor und sie fuhren los. Serafina sah etwas besorgt aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser und Wälder. Sie wusste nicht genau, ob sie jemanden oder etwas aus dem Waisenhaus vermissen würde, oder ob sie überhaupt jemanden von ihnen jemals wiedersehen würde. Wie hoch war da schon die Wahrscheinlichkeit? Luca warf immer mal wieder einen Blick in den Rückspiegel und grinste jedes Mal. Serafina beachtete ihn nicht. Ihr Gesichtsausdruck wirkte unergründlich. Sie hatte nur einen Gedanken: „Was passiert mit mir?“ Luca schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er sah noch einmal in den Rückspiegel und sagte dann: „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, oder nervös zu sein. Die anderen sind alle sehr nett. Du wirst sie sicher mögen.“ Serafina blickte zu ihm. Sie brauchte nichts zu sagen, denn an ihrem Blick konnte er erkennen, dass sie sich fragte, wer die anderen wohl waren. „Mit den anderen meine ich deine neuen Schwestern. Du wirst sie später kennenlernen.“ „Haben – haben Sie uns alle adoptiert?“ fragte Serafina leise und unsicher. „Nein, ich nicht. Der Professor hat euch alle adoptiert. Ich bin nur da, um dich abzuholen und in dein neues Zuhause zu bringen. Übrigens, du kannst mich duzen.“ „Wenn der Professor keine Zeit für Kinder hat, warum adoptiert er uns dann?“ das war eine berechtigte Frage, fand sie. Luca lächelte. „Er hat einfach ein Herz für Kinder. Leider hat er viel zu tun und kommt nur ganz selten mal aus seinem Labor. Aber dafür bin ich ja da. Ich bin immer da. Tag und Nacht und ich hab immer Zeit.“ Erklärte er und bog um eine Ecke. Serafina wusste nicht genau, was sie dazu jetzt sagen sollte, also ließ sie es einfach bleiben und sah wieder ausdruckslos aus dem Fenster. Nach ein paar Minuten des Schweigens räusperte Luca sich, sodass Serafina ihn wieder ansah. „Du bekommst ein eigenes Zimmer, weißt du? Und du kannst überall hingehen – im Haus, meine ich und in den Garten. Wir haben einen großen Garten. Magst du die Natur?“ Serafina zuckte die Schultern und wandte sich wieder ab. Sie wollte sich den Weg einprägen, damit sie zurück ins Waisenhaus fand – falls es nötig war, abzuhauen. „Du musst auch nicht das Grundstück verlassen, weil wir einen Lehrer bei uns haben, der sich darum kümmert, dass ihr Kinder eure Bildung erhaltet.“ Er sah wieder in den Rückspiegel. Serafina beachtete ihn nicht.„Die Fahrt dauert noch mindestens zwei Stunden und du musst dich nicht den ganzen Weg merken.“ Er lachte leicht, als er das sagte, aber Serafina fand es gruselig. Es war fast so, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Der Wagen hielt und Serafina wurde wach. Sie war eingeschlafen, als sie fast die Hälfte der Strecke hinter sich hatten. Etwas teilnahmslos rieb sie sich die Augen und sah sich, ohne irgendwas Bestimmtes zu denken, das alte Schloss an. Luca war schon ausgestiegen und öffnete ihr jetzt die Tür. Er hielt ihr die Hand hin und half ihr beim Aussteigen, da sie noch ein wenig benommen taumelte. Den Koffer hatte er in der anderen Hand. Er drückte die Autotür zu und führte Serafina zum Eingang des Schlosses. Die große schwere Holztür öffnete sich wie von selbst, jedenfalls dachte Serafina, dass sie von alleine aufgegangen war, bis sich ihnen ein ziemlich kleiner Mann in schwarzer Kleidung und mit einer unglaublich langen Nase in den Weg stellte. Er hatte fast keine Haare mehr auf dem Kopf und ging etwas gebeugt. Seine Augen sahen aus, als wären sie aufgerissen. Er grinste breit, als er das kleine verschlafene Mädchen an der Hand von Luca sah. „Nur herein mit euch.“ Sagte er langezogen und krächzend. Er trat einen Schritt beiseite und ließ beide in die Eingangshalle, in der ein langer roter Teppich ausgelegt war. Sie blieben stehen. Hinter ihnen viel die Tür wieder ins Schloss und mit leisem unverhohlenem Lachen verschwand der kleine Mann. Serafina blickte zu Luca hoch, der dem Mann kopfschüttelnd hinterher sah. Dann sah er zu Serafina runter. „Das war nur Igor, der Butler. Geh ihm einfach aus dem Weg.“ Meinte er und zog sie nach links, wo es eine hölzerne Flügeltür gab. Igor war in die entgegengesetzte Richtung gegangen und darüber war Serafina auch irgendwie froh. Sie hatte ihn sich zwar nicht so ganz genau angesehen, aber sein krächzendes Lachen verfolgte sie noch, auch wenn Igor schon lange in einem anderen Raum verschwunden war. Luca öffnete die Flügeltür. Dahinter lag ein gemütliches, in rot und schwarz gehaltenes Wohnzimmer mit Kamin und einem großen Flachbildfernseher. Auf einem Sofa saß ein rothaariges Mädchen und hielt einen Controller für ein Videospiel in den Händen. Serafina kannte das Spiel nicht. Sie hatten keine Videospiele im Waisenhaus gehabt. Das Mädchen war nicht viel älter als sie. Höchstens ein Jahr. Sie sah sich nicht zu Luca und Serafina um, sondern erledigte in dem Spiel ein Monster. Erst als Luca „Rya!“ sagte, drückte sie auf einen anderen Knopf als die Pfeiltasten und drehte sich zu ihnen. „Rya, das ist Serafina, sie wohnt ab jetzt auch hier. Serafina, das ist Rya.“ Stellte er die beiden gegenseitig vor. Rya winkte kurz und wand sich wieder ihrem Spiel zu. „Rya, wo sind Charlette und Rocca?“ Rya antwortete, ohne sich umzudrehen, dass Charlette in ihrem Zimmer saß und Rocca wahrscheinlich an der Bar war. „Danke.“ Meinte Luca dann und führte Serafina weiter in den nächsten Raum, wo eine rothaarige junge Frau mit einem Weinglas in der Hand auf einem Barhocker saß. „Rocca, das ist Serafina.“ Stellte er Serafina vor, als sie näher an Rocca herangetreten waren, die die Achtjährige jetzt musterte. Sie lächelte leicht. „Süß.“ Meinte sie dann nur und nahm einen Schluck aus dem Glas. Bei näherer Betrachtung konnte diese Frau eigentlich nicht älter als sechzehn sein, also war sie eigentlich noch ein Teenager.Serafina kam das alles sehr komisch vor. „Schon den Professor kennengelernt?“ fragte sie Serafina, die den Kopf schüttelte. Rocca zuckte die Schultern. „Ich auch nicht und ich wohne hier seit fast sieben Jahren.“ Sie klang vorwurfsvoll. Serafina überlegte sich, ob sie vielleicht einmal den Professor, bei dem sie wohnten und der sie ja schließlich alle adoptiert hatte, kennenlernen würde. „Naja, viel Spaß noch. Wir sehen uns sicher beim Abendessen.“ Meinte Rocca und widmete sich einer Wodka Flasche. „Komm, wir gucken mal, wo Charlette ist.“ Luca zog Serafina nach rechts zu einer Tür, die wieder in die Eingangshalle führte. Sie stiegen die breite Treppe empor, die mit dem langen roten Teppich ausgelegt war, dann bogen sie wieder rechts ab.„Das hier ist der Flügel, in dem die Schlafzimmer für euch Mädchen sind – und natürlich die Badezimmer. Es gibt zwei Badezimmer. Eines ist gleich hier vorne.“ Er zeigte auf die erste Tür im Gang, dann gingen sie weiter. „Und das andere Bad ist ganz hinten, gleich neben deinem Schlafzimmer.“ Er zeigte auf die letzte Tür, direkt neben einem großen Fenster, von wo aus man in den Garten gucken konnte, der bei der untergehenden Sonne immer dunkler wurde. Sie blieben vor der Tür neben Serafina's Zimmer stehen. Luca klopfte. Das war dann wohl Charlettes Zimmer. Luca wartete, bis er ein „Ja“ hörte, dann öffnete er die Tür. Dahinter lag ein Schlafzimmer, das komplett schwarz und grau eingerichtet war. Es wirkte ziemlich gothicmäßig auf Serafina. Sie fragte sich, ob ihr Zimmer auch so eingerichtet war. Sie wusste zwar nicht, as sie dann davon halten sollte, fand aber, dass ein schön eingerichtetes Zimmer gemütlicher ist, als ein Raum mit weißen Wänden, einer Glühbirne an der Decke und einem klinisch weißem Bett. Charlette saß auf der gepolsterten Fensterbank und hatte ein Buch auf dem Schoß. Als sie sich zu ihnen umdrehte, blieb Serafina die Luft weg. Charlette war kreideweiß und hatte rote Augen. Außerdem trug sie eine schwarze Kapuze über ihre silbrigen Haare. Als Charlette sah, dass Serafina der Mund offen stand, musste sie grinsen und zeigte so ihre strahlendweißen und vor allen Dingen spitzen Eckzähne. Das ließ Serafina zurückweichen. Das Mädchen konnte doch kein Mensch sein! „Keine Angst.“ Sagte Luca leise zu Serafina und zog sie weiter in das Zimmer. „Charlie, das ist Serafina. Serafina, das ist Charlette, aber wir nennen sie meistens Charlie. Sie ist seit einem Jahr hier.“ „Willkommen im Gefängnis.“ Grinste Charlette weiter und zwinkerte dann. Serafina sah schnell zu Luca, der ebenfalls nur grinste. „Sie meint, dass es hier fast ist, als wäre man im Gefängnis, weil man nur selten das Grundstück verlässt.“ Dann ließ er Serafina's Hand los, die sich daraufhin an seinem Arm festkrallte und ängstlich Charlette anstarrte. „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.“ Lachte Luca und tätschelte Serafina den Kopf. „Aber – aber sie…“ „Charlie, pack die Zähne ein.“ Meinte Luca. „Huch, hab ich gar nicht gemerkt. Sorry, eben erst gegessen.“ Sagte Charlette und hielt sich die Hände vor den Mund. Im nächsten Moment waren die spitzen Eckzähne auch schon verschwunden. Luca sah zu Serafina runter, die Charlette wieder mit offenem Mund anstarrte. Das Entzsetzen war ihr deutlich anzusehen. „Mm…es ist wohl besser, wenn ich dir jetzt erst mal dein Zimmer zeige.“ Serafina's Zimmer war ebenfalls im gothic Stiel eingerichtet, nur weniger grau und schwarz, als rot und schwarz. Die Möbel waren dieselben, die in Charlettes Zimmer standen. Ein großes Himmelbett mit schweren Vorhängen und auf beiden Seiten Beistelltische, ein großer Kleiderschrank, eine Kommode und eine Truhe, ein Sessel und ein Fußhocker. Über der Kommode hing ein Spiegel. Dekoriert war das Zimmer mit roten und schwarzen Kerzen, ein paar kleinen Feuerschalen, einem Metallkreuz, das auf der Kommode lag und vielen Kissen in rot und schwarz. Auf dem Boden lag ein großer schwarzer Pelz und an der Decke hing ein schwarzer Kronleuchter ohne Kerzen. Stattdessen hingen an dem Kronleuchter kleine spitze Klingen, wie an einem Mobile. „Wenn dir die Einrichtung nicht gefällt, dann sag es einfach.“ Meinte Luca und ging auf den Kleiderschrank zu. Mittlerweile hatte Serafina ihn losgelassen und trat zaghaft ins Zimmer. Luca öffnete den Kleiderschrank. Drinnen hingen mindestens zehn Kleider, die Serafina ganz stark an ihr Sonntagskleid erinnerten. „Wir haben im Waisenhaus nach deiner Größe gefragt.“ Meinte er, als Serafina sich gerade fragte, woher sie ihre Kleidergröße hatten. Als nächstes öffnete er die obere Schublade der Kommode. Dort befanden sich: Haarbürste, Kamm, eine Auswahl an Haarschmuck und – zu Serafina's Überraschung – ein Kästchen mit Schminkzeug. In der Schublade darunter befand sich Unterwäsche, die – wie Serafina fand – etwas gewagt aussah. In der letzten Schublade gab es fünf Paar Schuhe. „Wenn dir irgendwas nicht passt oder gefällt, dann sag es einfach.“ Er sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Es ist Zeit fürs Abendessen, lass uns runtergehen. Die anderen warten sicher schon.“ Im Esszimmer stand ein langer Tisch mit acht Stühlen, die alle hohe Lehnen hatten. Auf drei von den Stühlen saßen Rocca, Rya und Charlette nebeneinander. Luca und Serafina setzten sich ihnen gegenüber, als die drei gerade aufhörten über etwas zu tuscheln. „Worüber redet ihr?“ wollte Luca wissen, aber eigentlich wusste er es schon, das knnte Serafina an seiner Miene und seinem Augenrollen erkennen. „Nichts.“ Sagte Rocca und wandte sich einer Weinflasche zu, die auf dem Tisch stand. Die Tür, die wohl zur Küche führte, schwang auf und herein kam Igor mit einem Servierwagen, der mit fünf überdeckten Tellern vollgestellt war. Er servierte, wobei Serafina den gruseligen Typen nicht aus den Augen ließ. Igor grinste hämisch, als er Serafina den Teller hinstellte und die Haube abnahm. Das Essen sah ganz gut aus, musste sie zugeben, aber von dem Teller kam ein merkwürdiger Geruch, der Serafina sofort in die Nase kroch und sie sich Mund und Nase zuhielt. „Was hast du?“ fragte Luca und war schon beim essen. „Stimmt irgendwas nicht, Kleine?“ Igor hatte sich plötzlich so nahe zu ihr runter gebeugt, dass Serafina erschrak, auf Lucas Schoß sprang und sich an dessen Hals festklammerte. Igor lachte nur triumphierend und verschwand in der Küche. Serafina zitterte. Luca strich ihr beruhigend über den Rücken. „War was mit dem Essen?“ fragte Rocca und schlürfte aus der Weinflasche. „Es riecht komisch.“ Murmelte Serafina, die ihr mit dem Rücken zugewandt auf dem Schoß von Luca kniete. „Ja, du gewöhnst dich dran.“ Meinte Charlette, wobei sie sich eine Pommes mit viel Ketchup in den Mund stopfte. Ihre Augen waren zu Serafinas Verwunderung nicht mehr rot, sondern grün. Sie sagte aber nichts dazu. „Bis auf den miesen Geruch von dem Essen kann Igor ganz gut kochen.“ Meinte Rocca und tunkte eine Pommes in den Wein, den sie jetzt in ein Glas umgegossen hatte. „Er ist gruselig.“ Sagte Serafina, als sie sich wieder auf ihren Platz setzte. Rya nickte nur und spießte ein Stück Steak mit ihrem Messer auf, was ein bisschen brutal aussah – für eine Neunjährige. „Du solltest auch was essen.“ Meinte Luca und zerschnitt sein Steak. Zaghaft nahm Serafina sich eine Pommes und biss ein Stück ab. Es schmeckte tatsächlich. Dann wagte sie sich an das Steak. Sie zerschnitt es und wollte gerade ein Stück nehmen, als ihr auffiel, dass es komplett blutig war. „Kann man das überhaupt essen?“ sie war sich nicht sicher, ob sie jetzt frech oder so ähnlich klang, aber es war ihr auch so ziemlich egal. Das konnte ja wohl nicht deren Ernst sein! „Sicher kann man das essen.“ Antwortete Charlette und steckte sich demonstrativ ein blutiges Stück Steak in den Mund. „Anders schmeckt es auch gar nicht.“ Meinte sie, als sie runtergeschluckt hatte. „Aber wenn du lieber eine Schuhsole zum Abendessen haben willst, dann sag es Igor.“ Da alle anderen auch nichts an dem Steak auszusetzen hatten, aß sie weiter. Es schmeckte, aber irgendwas war doch mit denen nicht in Ordnung, dachte sie. Als sie den Teller ganz leer hatte, wurde Serafina plötzlich hundemüde. Rya und Charlette schien es ähnlich zu gehen, denn sie gähnten. Nur Rocca schlürfte noch munter an ihrem Wein weiter. Luca war ebenfalls hellwach. Die Tür ging wieder auf und Igor kam zum Abräumen des Tisches, wobei er Rocca ein Gläschen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit hinstellte. Es roch nach dem Essen, aber Rocca kippte es sich einfach die Kehle runter. Danach war sie nicht mehr so angetan von dem Wein, der vor ihr stand, sondern musste ebenfalls gähnen. „Hm…ich geh pennen.“ Meinte sie und stand auf. Die anderen beiden taten es ihr gleich. Nur Serafina blieb sitzen. Luca stand auf und schob den Stuhl ran. „Willst du nicht auch schlafen gehen?“ fragte er und strich ihr über den Kopf. Igor grinste nur breit und schob den Servierwagen in die Küche. „Ich hab Angst, alleine in einem großen Zimmer.“ Murmelte Serafina und rieb sich die Augen. Luca zog Serafina's Stuhl weiter zurück, trat vor sie und griff sie unter den Armen. „Du brauchst aber gar keine Angst zu haben. Dir kann nichts passieren.“ Er hob sie hoch und trug sie aus dem Esszimmer, links von der Eingangshalle. Er trug Serafina auch die Treppe hoch, von wo die anderen drei schon verschwunden waren. In ihrem Zimmer stellte er sie ab und hielt die Hand auf der Türklinke. „Wenn etwas ist, ich bin dahinten. Die erste Tür.“ Er zeigte auf den Gang, der links von der Treppe war. Serafina nickte. „Ok, dann gute Nacht.“ Er schloss die Tür hinter sich und ließ Serafina alleine in dem Zimmer zurück. Es war kurz vor Mitternacht, als Serafina aus einem wirren Traum hochschrak. Alles um sie herum war stockfinster. Die Vorhänge an ihrem Bett hatte sie zugezogen, weil das Licht des Mondes sie beim Einschlafen hinderte. Ihr Traum war komisch gewesen. Ein langnasiger Mann hatte sie mit einem Teller, auf dem ein blutiges Stak lag, verfolgt und die ganze Zeit krächzend gelacht. Er klang fast wie ein Vogel, der gerade dabei war kläglich zu serben. Dann war Mitternacht. Das hörte Serafina an der lauten Uhr, die irgendwo im Schloss zwölfmal schlug. Zuvor hatte sie die Uhr noch nicht gehört. Genau als der zwölfte Schlag ertönte, fielen Serafina die Augen zu und sie war wie betäubt. Serafina spürte Metall unter sich. Sie lag auf etwas, aber das war nicht ihr Bett. Es war kalt und glatt. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie war festgekettet. Alles war dunkel, das lag aber auch nur daran, dass sie die Augen fest geschlossen hatte. Sie wollte sie öffnen, aber es ging nicht. Regungslos lag sie da und konnte nur schwer fühlen, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, als sie atmete. Ihr Herz schlug nicht, jedenfalls konnte sie es nicht hören. Alles was sie hörte war das Gekicher eines Mannes, der weit entfernt war, sehr weit entfernt. Nicht in diesem Raum und auch nicht in diesem Haus, aber da war doch jemand. Sie spürte jemanden, der ganz dicht bei ihr stand. Sie hatte furchtbare Angst. Was würde jetzt mit ihr geschehen? Wo war sie überhaupt und warum? Oder war das alles nur ein Traum? Sie versuchte mit aller Kraft sich zu bewegen, doch nichts half. Ihr war kalt, als träge sie keine Kleidung, aber sie hatte sich umgezogen, bevor sie schlafen gegangen war. Da war sie sich zu hundert Prozent sicher. Jemand legte ihr eine eiskalte Hand auf den Arm. Jetzt hörte sie einen Herzschlag. War es ihr eigenes Herz, das so will raste? Im nächsten Moment wurde ihr Handgelenk von einem scharfen Gegenstand durchbohrt. Der Schmerz war so echt, dass sie dachte, sie müsste sterben. Dann war sie weg. Sie war woanders und hörte nur noch eine Stimme, die lachend und rau schrie: „Lauf, wenn du kannst!“ ~ schreibt mir bitte kommentare! ;3 ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)