Memori3s von _Myori_ ================================================================================ ... einer Ära. -------------- Der gewohnt abgestandene Geruch von Jahre alter Luft wurde mit jedem Schritt, den er die Treppenstufen hinabstieg, intensiver. Als Zeus dann unten ankam, war er so stark, dass er für gewöhnlich versuchte tief Luft zu holen und sich über die immer noch nicht richtig funktionierende Lüftungsanlage beklagte- diesmal jedoch stockte ihm kurzzeitig der Atem. Das Neonlicht brannte grell von der Decke des endlosen Ganges herab, obwohl sich Zeus sicher gewesen war, dass er, als er vor ein paar Stunden die Anlage verlassen hatte, den Schalter im Stromkasten umgelegt hatte… Stirnrunzelnd blieb er am Treppenabsatz stehen und ließ einen Moment lang die Vergangenheit Revue passieren, bis es keinen Zweifel mehr für ihn gab: jemand musste hier unten sein. Aber wer? Der Einzige, der außer ihm hiervon noch wusste, war Hades, doch der war eine Autostunde von hier entfernt zuhause und- nach einem schnellen Blick auf seine Armbanduhr zu urteilen- wahrscheinlich schon seit Stunden am schlafen. Selbst Zeus war auch nur deswegen zurückgekehrt, weil er ein paar wichtige Unterlagen hier unten hatte liegen lassen. Alarmiert schlug sein Herz zu einem schnelleren Rhythmus an. Wenn hier unten jemand war, den er nicht kannte, konnte das nichts Gutes bedeuten. Die ganzen letzten Monate war alles so gut gegangen, dass sich nicht einmal ein Obdachloser hierher verirrt hatte, obwohl ein leer stehendes, altes Parkhaus eigentlich dafür prädestiniert hätte sein müssen, von Menschen, die auf der Suche nach ein wenig Schutz vor Kälte und Blicken waren, überrannt zu werden- wären die ganzen Unterweltgrößen um dieses Gebäude herum nicht gewesen, die, auf Zeus‘ mehrstelliger Bitte hin, stets ein Auge auf das Parkhaus warfen, würde das auch höchstwahrscheinlich der Fall sein. Das hieß jedoch auch, dass wenn sich jemand unbefugtes in der vergessenen Bunkeranlage aufhielt, es etwas ziemlich Ernstes war. Bei dem Gedanken an Hades‘ und seiner gemeinsamen Maschine zog sich alles in ihm zusammen. Er wollte keine Zeit mehr vergeuden und lief eilig die Gänge hinab. Sein Herz raste in seiner Brust, als er den Raum erreichte, in dem sie den umgebauten Metallstuhl gestellt hatten, und mit Entsetzen sah, dass die Tür nur angelehnt war. Er vernahm knisternde Geräusche und helles Licht zuckte durch den dünnen Spalt an der Tür zu ihm hinaus. Zeus kannte dieses Geräusch. Er wusste auch, was das Lichterspiel zu bedeuten hatte und alarmiert riss er die schwere Metalltür auf und stürmte in den Raum. Eine Person war an den Stuhl gefesselt, den grelle Blitze und Entladungen umgaben, sodass Zeus die Arme schützend vor seine Augen halten musste, um nicht zu erblinden. Nur langsam konnte er mehr als nur Umrisse von der Person auf der Maschine erahnen. Es war eine Frau. Eine Frau, dessen Gesicht eingerahmt von hellblondem Haar war, ihr Mund weit aufgerissen, doch kein Laut war von ihr zu vernehmen. Ihre Saphirfarbenen Augen starrten glanzlos ins Leere. Als Zeus Hitomi endlich erkannte, fühlte er sich, als würde er selbst von Stromstößen gequält werden. Was hatte das zu bedeuten? Warum war sie hier?! Wer hat sie hierher-? Panisch fuhr sein Kopf herum. Hades schien ihn noch nicht entdeckt zu haben. Wie gebannt stand er hinter dem Schaltpult, sah zu Hitomi herüber, eine schwarze Schutzbrille tragend und ein Grinsen im Gesicht, als ergötze sich der Braunhaarige an dem grausamen Schauspiel, das sich ihm bot. Unbändiger Zorn stieg in Zeus hoch und keinen Augenblick zögernd rannte er auf Hades zu. „Du Wahnsinniger!“, schrie er gegen den zischenden Lärm der Maschine an. „Schalt es ab! Schalt es ab!“ Hades schaute nicht einmal auf, als Zeus ihn in diesem Moment mit voller Wucht vom Pult wegriss und mit ihm zu Boden ging. Die Brille flog dem Jüngeren von der Nase und mit weit aufgerissenen Augen starrte er zu dem Blassen hinauf, der sich in derselben Sekunde wieder hochgerappelt hatte und an das Schaltpult getreten war. Verzweifelt suchte Zeus nach den richtigen Knöpfen und Schaltern, als er auf einmal von hinten gepackt und gegen eine Wand gedrückt wurde. Die Wucht des Aufpralls trieb ihm die Luft aus der Lunge und keuchend rang er nach Atem. „Nein!“, zischte Hades‘ hohe Stimme in seinem Rücken hasserfüllt. „Du wirst ihr kein Leid mehr zufügen- niemand wird das!“ Die Worte ließen seinen Zorn nur noch weiter auflodern. Er wusste nicht, was hier los war, oder was in seinen Freund geraten war, doch das einzig wichtige für ihn war jetzt Hitomi! Er stieß mit dem Ellenbogen hinter sich und traf Hades‘ Rumpf, dass dieser stöhnend von ihm ablassen musste und, die Arme um den Bauch geschlungen, gekrümmt rückwärts stolperte. Zeus nutzte die gewonnenen Sekunden und lief wieder zum Schaltpult. Er wusste nicht, wie lange Hitomi schon auf dem verdammten Ding saß, doch musste es allemal zu lange gewesen sein! Nach gefühlten Stunden fand er endlich den richtigen Schalter und sein Puls verlangsamte sich etwas, als er hörte, wie das Zischen und Knistern immer leiser wurde und zum Schluss ganz erstarb. Hitomis Körper zuckte noch etliche Augenblicke nach, bis ihre Glieder dann erschlafften und sie leblos in sich zusammensackte. Nicht weiter auf den Braunhaarigen achtend, der leise keuchend hinter ihm stand, rannte Zeus um das Pult herum und auf Hitomi zu. Ihren Namen rufend hockte er sich vor ihr hin und sah ihr ins gesenkte Gesicht. Sie war totenblass und ihre sonst so roten Lippen schimmerten nur noch in einem ungesunden Blau. Ihre feinen, langen Haare rochen verbrannt und als Zeus sie an der Wange berühren wollte, zog er seine Hand reflexartig zurück, als sich weiterhin die angestaute Spannung aus ihrem Körper entlud. Er biss die Zähne zusammen und widerstand dem Drang, die Hand ein weiteres Mal zurückzuziehen. Ihre bläulichen Lider zuckten unruhig. „Hitomi…“, flüsterte Zeus beinahe verzweifelt und strich ihr über die Wange. Sie war eiskalt. Er schluckte die aufkommenden Tränen hinunter. „Hitomi, hörst du mich? Schlag die Augen auf, bitte!“ Vorsichtig umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen und hob es an. „Hitomi!“, flehte er erstickt und auf einmal tropfte ihr dunkelrotes Blut aus der Nase. Als er dann auf seine Hände schaute, die ihren Kopf gehalten hatten, musste er feststellen, dass auch diese rot von Blut waren, das langsam aus ihren Ohren sickerte. Schleichende Panik stieg langsam und unaufhörlich in ihm hoch. Er ließ sie los und beeilte sich, die Ledermanschetten zu lockern, die um ihre Handgelenke und Fußfesseln geschnürt waren. Leblos viel Hitomi in seine Arme und behutsam legte Zeus sie auf den kalten Boden. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu, dass er kaum einen Laut hervorbrachte. Mit zitternden Händen legte er ihr zuerst zwei Finger seitlich an den Hals, dann senkte er seinen Kopf zur Seite gedreht an ihren Brustkorb und suchte unruhig nach einem Lebenszeichen. Tatsächlich hörte er einen leisen Herzschlag, doch schien dieser mit jedem verzweifelten Zusammenpressen schwächer zu werden. Sie lebte noch, dachte er und ein Funken Hoffnung schlich sie in seinen gehetzten Verstand. Ein Schatten tauchte am Rande seines Gesichtsfeldes auf und ließ ihn den Blick von Hitomis leichenblassem Gesicht abwenden. Hades sah mit ausdruckslosen Augen auf sie hinab und bei seinem Anblick schlug Zeus‘ innere Panik augenblicklich wieder in Zorn um. „Warum hast du das getan? Bist du jetzt vollkommen wahnsinnig geworden?“ Hades antwortete ihm nicht, sondern sah nur weiterhin auf die Blonde hinab, als erkenne er in ihr nicht seine Freundin seit Kindertagen. Zeus starrte Hades einige Momente noch fassungslos an, dann presste er die Lippen aufeinander und wandte sich wieder ab. Der Grund für das alles hier war jetzt nebensächlich- am wichtigsten war nun Hitomi! Vorsichtig schob Zeus seine Arme unter ihren Nacken und Kniekehlen. „Los! Hilf mir, sie von hier wegzubringen! Ihr Herz schlägt noch, aber wir müssen uns-“ Er verstummte sofort, als die um sie herum herrschende Stille von einem mechanischen Klicken durchbrochen wurde. Der Lauf einer Pistole war plötzlich einen knappen Meter von Zeus entfernt aufgetaucht; eine tödlich nahe Distanz, aus der es kein Entrinnen gab. Sein Herz stolperte einige Schläge lang, als er seinen Blick in die Höhe wandern ließ und mit Entsetzen in die kalten Augen des Besitzers der Waffe blickte. Hades zeigte immer noch keine Gefühlsregung. „Lass sie los.“ Zeus sah, wie sich Hidekis Mund bewegte, dennoch wollte er nicht glauben, dass es sein Freund gewesen war, der gesprochen hatte. Er hätte es niemals für möglich gehalten, dass Hades‘ Stimme so kalt, so hasserfüllt klingen könnte. Er spürte, wie ihm selber jegliche Emotion aus dem geschockten Gesicht fiel, dennoch war er noch so weit Herr über seinen paralysierten Körper, dass er Hidekis Aufforderung zögernd nachkam und Hitomi wieder hinlegte. Der Jüngere bedeutete ihm mit dem schmalen Lauf der Desert Eagle aufzustehen und auch das befolgte Zeus schweigend. Seine Beine fühlten sich taub und kraftlos an und kribbelten unangenehm, als er sich von der jungen Frau ein paar Schritte weit entfernte. Langsam kam wieder Leben in seinen Körper und mit jeder Sekunde, die verstrich, erholte sich auch sein Verstand. Ein grausames Grinsen wuchs quälend langsam in Hidekis Gesicht und belustigt hob er die Brauen. „Was denn, so überrascht, Zeus?“, fragte er, als er bemerkte, dass Zeus weiterhin die Waffe mit den Augen fixierte, die er immer noch auf den Schwarzhaarigen gerichtet hatte. „Du selbst warst es doch, der mir damals gesagt hat, dass ich mich eigenständig verteidigen müsse.“ Sein Grinsen wurde breiter und mit einem kurzen Nicken deutete er auf die dunkle Desert Eagle in seiner Rechten. „Tja, und da dachte ich mir, dass so `ne Waffe doch ganz hilfreich dabei wäre, findest du nicht?“ Kochende Wut überkam Zeus beim Anblick von Hidekis fratzenähnlichem Grinsen und um Beherrschung kämpfend ballte er die Hände zu Fäusten. Sein Schock war keine Spur mehr existent. „Lass die verdammte Waffe sinken.“, knurrte er drohend. „Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist, aber ich habe keinen Bock mehr auf dieses Theater!“ Der Jüngere fing lauthals zu lachen an, ging jedoch seiner Aufforderung nach und senkte kopfschüttelnd die Pistole. „Theater? Ich?“ Mit Mühe schien er einen weiteren Lachanfall zu unterdrücken. „Niemand ist ja wohl ein besserer Schauspieler als du, Zeus! Mir würde im Traum nicht einfallen, dir die Show zu stehlen.“ Zeus versuchte einen Moment lang über den Sinn seiner Worte nachzudenken, aber dann ließ der den Gedanken mit einem fassungslosen Kopfschütteln fallen und drehte sich wieder Hitomi zu, die regungslos am Boden lag und sich keinen Zentimeter weit rührte; sie schien nicht einmal mehr sichtbar zu atmen… „Mir ist schleierhaft, warum du ihr das angetan hast, aber wir müssen sie schnell in ein Krankenhaus bringen, sonst wird sie sterben.“, sagte er um einen ruhigen Tonfall bemüht und wollte vor ihr wieder auf die Knie gehen, als Hideki erneut die Eagle auf ihn richtete. „Rühr sie noch einmal an und ihr werdet beide zur Hölle fahren…“ Zeus gefror einen Moment lang in seiner Bewegung, dann richtete er sich ruckartig auf, ging auf seinen Freund zu und packte ihn, ungeachtet der Waffe, die der Jüngere immer noch in der Hand hielt, am Kragen. „Wenn sie nicht sofort Hilfe bekommt, wird sie sterben, du verdammter Idiot!“, schrie Zeus ihm ins Gesicht. „Du bringst sie um, kapier das endlich!“ Hidekis Gesicht verfinsterte sich und augenblicklich stieß er den Blassen von sich. „Ich bringe sie um?“, entgegnete er hasserfüllt. „Hör auf, die Tatsachen zu verdrehen!“ Wütend deutete Zeus neben sich auf den elektrischen Stuhl. „Du hast sie auf das scheiß Ding gesetzt, nicht ich!“ „Du hast sie schon lange vorher umgebracht, ich wollte sie nur vor dir retten!“ Hidekis Worte kamen einer Ohrfeige gleich und von dieser mit aller Wucht getroffen, starrte Zeus ihm ins Gesicht. „Bitte? Was redest du da für einen Unsinn?“ In Hidekis Gesicht begann es zu arbeiten, als müsse er sich ernsthaft ein Lachen verkneifen, dann schlug seine Mimik erschreckend schnell in blanke Wut um. Die Waffe in seiner Hand zitternd umklammert, ging er ein paar Schritte auf Zeus zu. „Wovon ich rede?!“, begann er mit bebender Stimme. „‚Ich bin dein Freund‘ hast du gesagt; ‚Ich mag sie, aber nicht so, wie du befürchtest‘ hast du gesagt- ich soll mir keine Gedanken machen?! Ist das so, ja?“ Hidekis Stimme wurde immer ungehaltener und lauter, bis er dem Schwarzhaarigen die Worte ins entsetzte Gesicht schrie. „Alles Lügen! Du wusstest, was ich für sie empfinde und hast mir dennoch so schamlos ins Gesicht gelogen!“ Zeus starrte den Braunhaarigen ohne jegliche Emotion im Gesicht an. Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren und er verspürte ein Gefühl, als öffne sich mit jedem Wort von Hideki der Boden ein Stück weit mehr unter seinen Füßen. Trotz allem Zorn entwich ein freudloses, kaltes Lachen Hidekis Kehle und ungläubig schüttelte er den Kopf. „Ich soll mir keine Gedanken machen…“, wiederholte der Jüngere leise, als habe er sich selbst nur noch einmal an die geheuchelten Worte seines Freundes erinnert. Der Blick seiner hellen Augen durchbohrte Zeus. „Weißt du eigentlich wie schwierig das ist, wenn sich dieses widerliche Bild einem in den Schädel eingebrannt hat, wie ihr da draußen vor meinem Fenster im Schnee steht und du ihr stundenlang die Zunge in den Hals steckst?“ Er ließ die Worte ein paar Sekunden lang wirken, als erwarte er eine Antwort von ihm, aber Zeus war sich in diesem Moment nicht einmal mehr sicher, ob er überhaupt ein einziges Wort über Lippen gebracht hätte. Kurz sah er wieder Hitomi vor sich, wie sie vor über einem halben Jahr vor ihm gestanden hat, als sie sich zum letzten Mal getroffen hatten. Er hatte ihr gesagt, dass er das zwischen ihnen beenden wollte, um genau diese Situation hier zu vermeiden. Ein bitterer Kloß schnürte ihm die Kehle zu. Zu spät. Er hatte viel zu spät gehandelt… Plötzlich drehte sich Hideki zu Hitomi um, die immer noch bewusstlos und dem Tode nah auf dem kalten Betonboden lag. Das Gesicht des Jüngeren verzog sich zu einer unheimlichen Grimasse. „Und dieses Miststück hier…“, hörte Zeus seine ungewöhnlich tiefe Stimme grollen und ohne Vorwarnung holte Hideki aus und trat der jungen Frau in die Seite. Sie zeigte keine Reaktion, kein gequälter Laut, nicht einmal ein kleines Zusammenzucken- ihr Körper gab einfach nach, als sei sie eine leblose Puppe. „Du hast dich kein Stück gewehrt, heuchelst mir die beste Freundin vor, als sei nichts passiert und redest einen Scheiß von ‚großer Bruder‘!“, schrie er ihr zornig ins leichenblasse Gesicht. Endlich fand Zeus seine Stimme wieder. Die Gewaltbereitschaft seines Freundes hatte ihn wachgerüttelt und schnell trat er auf die beiden zu. „Hideki-“, begann er wütend, doch sein Handeln wurde jäh untergebrochen, als der Braunhaarige blitzschnell seine Pistole auf ihn richtete. Zeus folgte der stummen, aber eindeutigen Warnung und verharrte auf seinem Platz. Trotz seiner unbändigen Wut war er dennoch nicht blind und verzweifelt genug, um auf seine Instinkte nicht mehr zu hören. „Nenn mich nie wieder so!“, warnte ihn der Jüngere mit einem gefährlichen Zorn in der Stimme, als würde nicht mehr viel von Zeus` Seite her fehlen, um von der Waffe endlich Gebrauch zu machen. Besänftigend nickte Zeus und zumindest das schien Hades` Stimmung etwas zu dämpfen. Im nächsten Moment sah er wieder auf Hitomi hinab und Zeus befürchtete schon, dass er ein weiteres Mal zutreten würde, stattdessen wurden die Gesichtszüge des jungen Mannes auf einmal etwas weicher, sodass man sich beinahe Trauer hätte einbilden können. „Ich wollte sie retten.“, sagte Hades ruhig. „Seit du aufgetaucht bist, war sie nicht mehr sie selbst… wärst du nicht gewesen, wären wir nun glücklich.“ Er schüttelte den Kopf und schaute Zeus an. Ein verzweifeltes Lächeln klebte in seinen Mundwinkeln, als habe er es dort vergessen. „Aber du bist nun mal da und daran kann ich nichts mehr ändern. Du würdest nicht so einfach wieder verschwinden, oder?“ Sein leiser gewordener Tonfall ließ auch Zeus` aufgewühlte Emotionen abebben. Auf einmal, für einen kurzen Augenblick, konnte er wieder seinen alten Freund vor sich erkennen, so, wie er ihn eigentlich kannte- unsicher, hilfsbedürftig und hoffnungslos erschüttert und entsetzt von der grausamen Realität, die außerhalb seiner kleinen, heilen Welt lauerte. Schuldgefühle drängten sich Zeus auf, die er jedoch schnell wieder vertrieb. Es war geschehen und um Verzeihung zu flehen brachte im Moment gar nichts, rief er sich harsch in Erinnerung. Er schluckte gegen das beklemmende Gefühl in seinem Hals an. Er musste die Chance nutzen und versuchen, die Aufmerksamkeit des Braunhaarigen wieder auf das bedeutend wichtigere Thema lenken. „Sie stirbt, Hades…“, sagte er vorsichtig und deutete dabei auf Hitomi. „Du liebst sie, ist es also wirklich das, was du willst?“ Zeus hoffte, ihn damit erreichen zu können, jedoch schien sein Vorhaben erfolglos zu bleiben. Unbeirrt von Zeus` Worten, sprach Hades weiter, als rede er mit sich selbst. „Ich könnte dich aus ihrem Gedächtnis streichen, hunderte mal, aber ich könnte sie nicht von dir fern halten, nicht auf Dauer…“ Er lächelte traurig und zuckte betrübt seufzend mit den Schultern. „Sie ist besser dran, wenn sie tot ist, dann macht niemand sie mehr unglücklich.“ „Wenn… es dir so wichtig ist, dass ich ihr nicht mehr begegne, warum hast du dann nicht mich getötet?“, fragte Zeus ernst und sah seinem Freund in die verwunderten Augen. Hades machte den Eindruck, als habe er über diese Möglichkeit kein einziges Mal nachgedacht und das schürte neue Wut in ihm. Sein Gegenüber ging ein paar Schritte rückwärts und breitete dabei die Arme aus. Hades` Blick schwenkte in leichte Begeisterung um. „Sieh dich um, Zeus… sieh, was wir erschaffen haben- was wir noch erschaffen werden. Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass ich das hier alles alleine weiter aufbauen könnte.“ Und auf Zeus` verfinsternden Blick hin, fügte er schulterzuckend hinzu: „Ich habe mich hierauf eingelassen und muss nun mit den Konsequenzen leben. Ich kann meinen Kopf nicht mehr aus der Schlinge unseres Paktes ziehen. Das einzige, was mir noch blieb, war Hitomi von dem hier zu erlösen. Das Leben hat ihr kein Glück gebracht, es ist besser für uns und vor allem für sie, wenn sie nicht mehr leiden muss.“ Mit diesen Worten bekam sein Zorn neues Futter. Seine Fingerknöchel brannten vor Schmerz, so sehr ballte Zeus die Hände zu Fäusten. „Und du glaubst, in der Position zu sein, darüber zu urteilen? Über Leben und Tod zu entscheiden?“ „Du selbst hast mir diese Möglichkeit gegeben.“, entgegnete Hades verwundert, als könne er den gereizten Tonfall des Blassen nicht nachvollziehen. „Wärst du nicht auf die Idee mit der Gedächtnismanipulation gekommen, würden wir drei jetzt nicht hier sein.“ Grinsend kam er wieder auf Zeus zu, bis er direkt vor ihm stand. „Siehst du jetzt, was ich meinte? Du kannst es drehen und wenden wie du willst, es bleibt dabei: du hast sie getötet, also wälz die Schuld nicht auf mich ab- ich habe vor deinem erbärmlichen Schauspiel von Liebe und Freundschaft nur noch rechtzeitig den Vorhang fallen lassen, ehe es noch unschöner geworden wäre.“ „Du bist wahnsinnig… du kannst dich nicht wie Gott aufführen!“, zischte Zeus angewidert, aber Hades begann nur wieder zu lachen. „Ich bin ein Gott, Zeus, genauso wie du; vermutlich bringt es auch deshalb nichts, dich zu töten- du würdest wahrscheinlich selbst im Jenseits nicht aus meinem Leben verschwinden.“ Immer noch lachend, beugte er sich Zeus entgegen, bis er ihm leise ins Ohr flüsterte: „Wir werden uns gegenseitig immer am Hals haben, ob wir nun wollen oder nicht. Da ist es doch wohl besser und einfacher, wenn nichts zwischen uns steht, was uns die ganze Sache noch zusätzlich erschwert, findest du nicht?“ Als Hades sich in diesem Moment wieder von ihm entfernte, war sein Grinsen noch breiter geworden. In Zeus stauten sich die Gefühle an. Er hätte Hades am liebsten ins Gesicht geschlagen, ihm die Waffe entrissen und ihn damit erschossen. Er hegte ganz kurz tatsächlich das bittere Bedürfnis, ihn auf dem kalten Boden liegen zu sehen, in seinem eigenen Blut, aus dem Gesicht das kranke Grinsen geschossen… Aber dann überkam ihm die Erkenntnis, warum das alles hier passiert war und wer stattdessen entstellt und gequält vor ihm lag- eine Unschuldige, die sie beide immer versucht haben zu beschützen. Und wohin hat sie das gebracht? Das Bedürfnis zweier Männer, sie von allem Übel fern zu halten, auf das sie sich eingelassen hatten ohne zu erkennen, dass sie selbst die größte Bedrohung für sie darstellen? Sie haben sich gegenseitig in den Wahnsinn eines Gefühls getrieben, das sie in ihrer Blindheit Liebe genannt und als richtig empfunden haben. Und sie musste dafür bezahlen… Ein tiefes Seufzen riss Zeus aus seinen Gedanken. Hades hatte sich neben Hitomi auf den Boden gehockt und strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Sie hat mir unter Tränen gesagt, dass sie dich nicht lieben würde… aber das habe ich ihr nicht abgekauft. Es war zu offensichtlich. Es wäre nicht gut ausgegangen, Zeus: ich hätte nicht mit euch beiden leben können, sie hätte ohne dich nicht leben können und du-“ Er unterbrach sich kurz, als müsse er über seine nächsten Worte nachdenken, dann zuckte er jedoch gleichgültig mit den Schultern und stand auf. „Ich weiß nicht, was mit dir gewesen wäre… es ist mir aber auch egal.“ Er drehte sich von ihr weg und ging auf seine Maschine zu. Nachdenklich fuhr er über das dunkle Leder. „Ich werde wohl noch ein wenig an den Einstellungen feilen müssen- die Stromstöße sind zu unkontrolliert.“, murmelte er, als habe er seine Umgebung vollkommen ausgeblendet. Zeus sah ihn zuerst schweigend an, dann ging er, ungeachtet von Hades, der ihm den Rücken zugedreht hatte, neben Hitomi in die Hocke und fuhr ihr über die kalten Wangen. Der Blutfluss hatte aufgehört. Geronnenes Dunkelrot klebte auf ihrer weißen Haut. Zeus drückte zwei Finger leicht unter ihren Kiefer. Seine Augen brannten und seine Stimme verlor augenblicklich alle Festigkeit. „Sie ist tot, Hades…“, sagte er gebrochen und biss sich auf die Unterlippe. Der Angesprochene reagierte nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)