this girl von taluna (every little thing she does is magic) ================================================================================ Kapitel 1: adolescent love. --------------------------- »Ein Malfoy zu sein, ist ein Privileg. « Ein Satz, der Scorpius Malfoy sein ganzes Leben verfolgte. Bereits als Kind wurde ihm von seinem Großvater in regelmäßigen Abständen erklärt, wie die Welt eines Malfoys auszusehen hatte. Der äußere Schein, von Ansehen, Macht und Reinblütigkeit standen an erster Stelle. Es folgten Eleganz, Außergewöhnlichkeit und Talent. Dumm nur, dass Scorpius Malfoy davon nichts besaß. Im zarten Alter von sechs, verkörperte er in etwa so viel Eleganz, wie ein Troll beim Balletttanzen. Unsicher stolperte der kleine Mann ständig über seine eigenen Füße, kämpfte mit einem übergroßes Nasenfahrrad auf der Nase und schaffte es nicht, beim täglichen Abendessen keinen Skandal auszulösen. Seine Mutter amüsierte sich über seine Missgeschicke jedes Mal königlich, doch der damals siebenjährige Scorpius traute sich danach nie, in das Gesicht seines Vaters zu schauen, aus Angst Enttäuschung darin zu lesen. Er bemühte sich, den Ansprüchen seiner Familie gerecht zu werden, doch aus lauter Nervosität schlitterte er von einem Desaster ins nächste. Als Minister Kingsley zu Besuch war, kippte er sein Saftglas beim Abendessen um. Als Harry Potter zur jährlichen Party, um den Frieden zu feiern, einlud, stolperte er ins Büffet. Mit neun Jahren versuchte Scorpius zum ersten Mal zu fliegen. Ängstlich schleppte er seinen Besen, den er neu zum Geburtstag bekommen hatte hinaus auf die weiten Länderein der Malfoys und redete sich selbst ein, dass fliegen doch gar nicht so schwer sein konnte. Mit pochendem Herzen stieß er sich schließlich vom Boden ab. Und es war sein, bis dahin, größter Fehler. An diesem Nachmittag schlug sich Scorpius nicht nur zwei Zähne aus, sondern begriff, dass er unter einer peinlichen Höhenangst litt. Den Besen rührte er nie wieder an. Die Erinnerung vom Besen direkt in zehn Meter Tiefe gefallen zu sein, war etwas, was er am liebsten für immer verdrängte. Ebenso den Tag, als er den Brief aus Hogwarts bekam. Anders als viele kleine Hexen und Zauberer freute er sich nicht über das Schreiben. Denn es machte ihm nur deutlich, dass er sich bald unter vielen anderen Genossen befinden würde, die allesamt talentiert waren und von ihm als Malfoy erwarteten, dass er es ebenso hielt. Schließlich tuschelte die halbe Zaubergemeinschaft hinter vorgehaltener Hand, dass ein Malfoy stets jemand herausragendes war und Aufmerksamkeit auf sich zog. Sein Vater befand sich immer im Licht des allgemeinen Interesses, denn schließlich war er es, der den Namen mit Intelligenz und Können wieder reingewaschen hatte und eine Position im Ministerium bekleidete, die ihm eine Menge Respekt entgegen brachte. Ganz, wie Scorpius es bereits vorausgeahnt hatte, wurde Hogwarts zu seinem schlimmsten Alptraum. Bereits im Zug fühlte er sich vollkommen fehl am Platz. In den Armen hatte er seinen alten Kater namens Grinsekatze, welchen er von seiner Großmutter Zissy bekommen hatte. Sie war schwarz und hatte mehrere hübsche graue Streifen am Rücken. Bei der Suche nach einem freien Abteil, hielt Scorpius Grinsekatze so fest, als wollte er sie als Schild benutzen. Unsicher kletterte er über mehrere Koffer und stolperte, als der Zug heftig um eine Kurve bog. Scorpius fiel haltlos gegen eine Glastür und stieß sich groß den Ellebogen. In seinen Armen gab Grinsekatze einen ungehaltenen Laut von sich und in diesem Augenblick wünschte er sich, dass er einfach wieder nach Hause apparieren konnte. »Rosie, hast du dir weh getan? « Scorpius sah auf und entdeckte einen schwarzhaarigen Jungen mit einer schiefen Brille und ein Mädchen mit solch feuerroten Haaren, wie er sie noch nie gesehen hatte. »Ich wünschte, ich könnte wieder nach Hause apparieren!« Sein Herz hüpfte und irgendwie tröstete es Scorpius, das jemand ähnlich dachte, wie er. Er beobachtete, dass der Junge das Mädchen aus einem Kofferhaufen zog und sie sich schließlich aufrichtete. Ihr Gesicht war überzogen von Sommersprossen und die blauen Augen musterten ihre zerknitterte Kleidung. Obwohl sie verstimmt zu sein schien, strahlte sie etwas aus, was Scorpius magisch anzog. »Lasst uns zurück ins Abteil gehen, Victoire können wir auch später suchen. « Der Junge wandte sich bereits zum gehen und das Mädchen wollte es ihm gleich tun, als sie seinem Blick begegnete. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und ohne das Scorpius es verhindern konnte, lächelte auch er. Scheu, nur angedeutet. Ganz so, wie ein Kind, das es nicht gewohnt war ein Lächeln preis zu geben. Dies war seine erste Begegnung mit Rose Weasley. Und ohne es zu ahnen, begriff Scorpius in diesem Atemzug die Welt. Denn das fließende Jetzt machte die Zeit, das stehende Jetzt machte die Ewigkeit. Drei Stunden später verkündete der sprechende Hut, als würde er ein Urteil in Stein meißeln: »GRYFFINDOR! « Scorpius fühlte, dass eine unsichtbare kalte Hand ihm die Luft abschnürte und noch dazu gefühlte tausend Augenpaare ihn entsetzt und sprachlos anstarrten. Immer wieder jagten die Worte durch seinen Kopf, dass er seiner Familie Schande gemacht hatte. Seit Jahrhunderten kamen Malfoys nach Slytherin und jetzt brach er eine Tradition, so alt und geachtet, dass er dem Missfallen seines Vaters für die nächsten zehn Jahre auf sich gezogen hatte. Schüchtern und möglichst lautlos ließ er sich an seinem Haustisch nieder. Niemand sprach mit ihm, alle sahen ihn an. Erst als Professor McGonagall Millicent Jason aufrief, wandten die Meisten ihrer Aufmerksamkeit wieder den sprechenden Hut zu. Als das Festessen begann, glitt Scorpius Blick immer wieder zum Slytherintisch. Wie gerne würde er nun dort sitzen und nicht das rote Wappen eines Löwen auf seiner Brust spüren. »… eben?« Verwirrt sah Scorpius nach links und seine Wangen brannten. »Wie bitte?« Der Junge neben ihm kratzte sich verlegen an der Nase und stammelte genauso unsicher, wie er sich fühlte: »Könntest du mir bitte etwas Ente geben? « Hastig nickte er und griff nach der Platte, erfreut darüber grinste der Junge und Scorpius sah, dass sich die blassen Wangen des Jungen ebenfalls rot färbten. »Weißt du, ich liebe Ente. Bei mir zu Hause muss ich um jedes Stück gegen meinen Papa und meiner Schwester kämpfen. Mama macht einfach nie genug für uns alle und bei Grandma gibt es so was nicht. Dort stopfen wir uns immer mit Kaninchen voll. « Ohne zu antworten, nickte Scorpius weiterhin und sah auf die schwarzen Haare. Scheinbar schien sich der Junge nicht daran zu stören, dass er den Alleinunterhalter machte. Er wechselte das Thema und erzählte von der heulenden Hütte, den Hausgeistern und das er sich darauf freute, endlich mit Zauberkunst anzufangen. »Ich habe ganz vergessen mich vorzustellen, ich bin Fred, Fred Weasley. « Dann reichte er Scorpius die Hand und dieser nahm sie zögernd an. Er freundete sich mit einem Weasley an und brach an diesem Abend unweigerlich die zweite Regel. Dass sein Leben aus Regelbrüchen zu bestehen schien, ahnte Scorpius in diesem Augenblick noch nicht. Als seine Hand die des Weasleys umschloss und er, wie so oft an diesem Abend, nur nickte, durchströmte seinen Körper das Gefühl der Erleichterung. Doch leicht sollte seine Zeit in Hogwarts nicht werden. Zuerst fand er zusammen mit Fred nicht rechtzeitig den Weg zum Unterricht, dann wurde er von größeren Slytherins in der Mädchenklokabine eingesperrt und harrte über fünf Stunden dort aus, bis ihn die Schulsprecherin, Molly Weasley dort fand. Auch als er älter wurde, verließen in der Bücherei die anderen Schüler den Tisch, wenn er sich dazu setzte. Sie munkelten, dass er komisch sei und gewiss nicht alle Besen im Schrank hatte. Es störte ihn nicht. Zumindest am Anfang nicht. Fred blieb nach dem Abend in der großen Halle als sein Freund an seiner Seite. Ständig plappernd, heiter und so unbeschwert, wie Scorpius sich in seinem Leben noch nie gefühlt hatte. Während Fred in der zweiten Klasse als Jäger für die Hausmannschaft flog, blieb er mit beiden Beinen fest auf dem Boden und gierte, anderes, als viele Hausgenossen nach keinem Amt. Es reichte ihm, ohne einen Zwischenfall zum Unterricht zu gehen, seine Hausaufgaben zu machen und hin und wieder ein belohnendes Lächeln von Professor McGonagall zu erhalten. Doch sein Lieblingslehrer war eindeutig Professor Longbottom. Zuerst hatte sich Scorpius in der ersten Klasse immer im Gewächshaus versteckt, wenn andere Schüler ihn wieder ärgerten. Zwischen schmatzenden Pflanzen, dem Geruch von frischen Mimbulus Mimbeltonia, die sanft ihre Blätter schwangen, fühlte er sich wohl und ungestört. Mit einem guten Buch verzog er sich in eine Ecke und wartete darauf, dass es Zeit für das Abendessen war. Professor Longbottom erwischte ihn an einem Dienstagnachmittag. Und statt ungehalten zu sein, führte er ihn erfreut durch das Gewächshaus und erzählte ihm zu den anwesenden Pflanzen etwas. Ab diesen Tag fand er jeden Dienstag ein Stück Kesselkuchen auf seinem Lieblingsplatz hinter den Kästen der Mimbulus Mimbeltonia. Der Professor stellte keine Fragen und Scorpius dankte es ihm, indem er in seinen UTZs in Kräuterkunde mit einem Ohnegleich hinaus spazierte. In seinem fünften Schuljahr schlich er zum ersten Mal verbotenerweise nachts über die Korridore. Nicht, weil er eine Vorliebe zum Regelbrechen entwickelt hatte, sondern viel eher, weil sich Grinsekatze seit dem Morgen nicht mehr hatte blicken lassen. Scorpius hoffte, dass der alte Kater keinen Slytherins in die Hände gefallen war. Zwar ließen ihn die Älteren die meiste Zeit über in Ruhe, was aber vor allem daran lag, dass Fred mittlerweile zum Kapitän der Gryffindors aufgestiegen war und das halbe Haus nach ihm sprang. Trotzdem traute der Blonde den Schlangen durchaus zu, sich an einen alten, müden Kater zu vergreifen. Leise und mit seinem Zauberstab bewaffnet schlich er durch die Bibliothek. »Grinsekatze!« Seine Stimme war fast lautlos und eher ein Zischen als ein Rufen. Irgendwo sah er einen Schatten und kroch unter einen Tisch. Endlich. Der Kater miaute ihn empört an und Scorpius griff nach dem Felltier. Zärtlich streichelte er ihn und der Kater schnurrte zufrieden in seinen Armen. Nun wollte er nur noch so schnell wie nur möglich zurück in den Gryffindorturm. Zu glücklich damit, sein Haustier gefunden zu haben, achtete Scorpius nicht mehr darauf, ob jemand seinen Weg kreuzte. Zudem war es halb drei Nachts. Kaum eine verirrte Seele würde zu der Unzeit ausgerechnet in der Bibliothek herum streifen. Die Vertrauensschüler mussten schon längst wieder in ihren Betten sein. Trotzdem war ihm das dunkle Schloss nicht geheuer und er lauschte lediglich, ob sich Peeves in der Nähe befand. Daher stieß er am Ausgang mit jemand zusammen und ein Buch fiel erschreckend laut auf den Boden. Scorpius blinzelte und bückte sich, um seinen Zauberstab aufzuheben, der ihm aus der Hand gefallen war. Eigentlich hatte er es für eine gute Idee gehalten, kein Licht zu machen, doch jetzt sprach er bereits automatisch: »Lumos. « Er sah in ein Gesicht voller Sommersprossen und einem Haupt mit langen roten Haaren. Verblüfft starrte Scorpius sie an und Rose Weasley starrte zurück. »Malfoy. « »Abend. « Sie erhoben sich und die junge Hexe griff nach dem Buch. Scorpius sah auf den Titel und war mehr als überrascht. » Alice’s Adventures in Wonderland?« Rose hielt inne und er bemerkte das sanfte Lächeln auf ihren Lippen. Es war dem so ähnlich, dass sie ihm einst im Zug geschenkt hatte und doch wieder so ganz anders. Weiblicher und irgendwie erwachsener. Sein Herz machte einen Hüpfer. »Ja, James hat es mir in der Mittagspause gestohlen und versteckt. Scheinbar empfand er sich als sehr witzig. « Sie bemerkte den Kater auf seinen Arm und streichelte ihn zutraulich. »Das ist deiner? « Er nickte knapp. »Grinsekatze war seit heute Morgen verschwunden und eher konnte ich ihn nicht suchen. « - »Grinsekatze? « Rose Weasley lächelte noch eine Spur breiter und Scorpius war verblüfft darüber, dass es überhaupt möglich war. Gleichzeitig bemerkte er, dass er noch nie ein Mädchen so lächeln gesehen hatte, wie sie. »Hast du das Buch gelesen? « Sie zeigte auf Alice’s Adventures in Wonderland und er schüttelte den Kopf. »Dann solltest du es möglichst bald tun. « Sie zwinkerte und verschwand dann gut gelaunt in der Dunkelheit. Scorpius sah ihr ratlos nach. Das rote Haar verschwand aus seinem Blickfeld und er vermisste das strahlende Lächeln, ohne wirklich zu begreifen, dass er überhaupt etwas misste. Lediglich das Gefühl von Kälte schlich sich wieder um seine Glieder. In der folgenden Zeit beobachtete Scorpius das junge Mädchen. Er wusste nicht warum, aber immer wenn er sie sah, fühlte er sich wohl. Niemand bemerkte etwas davon. Zu seiner Freude sprach Rose nun des Öfteren mit ihm und erst in seinem sechsten Jahr, als die Weasley mit Lysander Scamander ausging, wurde ihm klar, dass er sich verliebt hatte. Seine Eifersucht auf den Schulsprecher war erschreckend groß und immer, wenn er zusammen mit Rose für Zaubertränke lernte, durfte er sich ansehen, wie sie verträumt aus dem Fenster starrte, als sich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren. Fred und er warfen sich einen genervten Blick zu und er sprach schließlich: »Rose, wenn du keine Lust darauf hast, mit uns zu lernen, warum bist du dann hier? « Es hatte sich Anfang des Jahres einfach so ergeben, dass Rose sich in der Bibliothek zu ihnen setzte. Grinsekatze hatte einen narren an ihr gefressen und verschwand oft zu den Ravenclaws hinter die Gemäuer um sich streicheln zu lassen. »Ach…« Sie seufzte und stützte das Kinn auf die Handfläche. »Ich mache mir einfach Gedanken, was ich Lysander zum Geburtstag schenken soll, denn in drei Wochen ist es doch schon so weit. « »Wie wäre es mit einer Brille? « Schlug Fred mit einer sarkastischen Stimme vor und erntete einen Tritt gegen das Schienbein von seiner Cousine. Scorpius verkniff sich nur mit Mühe und Not ein Grinsen, denn Fred hatte häufiger fallen gelassen, dass er sich mehrfach gefragt hatte, was Lysander an Rose finden würde. Natürlich hatte er seinem besten Freund nicht direkt auf die Nase gebunden, dass es reichlich fiele Argumente für Rose gab. Sie war hübsch, intelligent und hatte eine angenehme Stimme. Scorpius liebte ihren Klang, wenn sie aufgeregt etwas erzählte, doch noch mehr liebte er es, wenn sie lachte. Frei und ungezwungen. Das rote Haar, mit dem häufig der Wind spielte, würde er zu gerne einmal berühren, ebenso fragte er sich, was es für ein Gefühl sein musste ihre helle Haut zu berühren, die Sommersprossen auf ihrer Nase zu zählen. Statt sich in den Streit einzumischen, rollte er seine fertigen Hausarbeiten zusammen und griff nach dem neuen Buch von Armando Dippet. Rose sah ihn erstaunt an. »Du bist schon fertig? « Als Antwort schlug Scorpius sein Buch auf und sie griff zu seinen Hausaufgaben. Interessiert las sie die Seite durch und blickte ihn schließlich fassungslos an: »Wie schaffst du es eigentlich jedes Mal, die schwierigsten Dinge so klar und leicht zu formulieren? Manchmal wünschte ich, du hättest die Schulbücher geschrieben. « Fred schnaufte und riss ihr den Aufsatz aus der Hand, kurz darauf strahlte er: »Merlin, darf ich den abschreiben? « »Nicht, wenn du danach aufbrichst, um Elena Boardman aufsuchst und belästigt. « Rose kicherte, während Fred enttäuscht zurück sank. Das Trio verfiel in Schweigen und nach einer Weile hörte Scorpius, dass die Federn der Beiden bereits über das Papier kratzen. Ohne, dass er es wirklich wollte, sprach er: »Schenk Scamander doch eine Krawattennadel, die würde sich sicher gut auf der Uniform machen und er hätte etwas von dir, was er immer dabei hat, ohne, dass es groß auffällt. « Rose strahlte, doch dieses Mal galt ihr Lächeln nicht ihm, sondern diesen elenden Schulsprecher. Scorpius behagte der Gedanke nicht, dass er diese Liebelei indirekt noch unterstütze, doch was sollte er tun? Es war ihre eigene Entscheidung, mit wen sie zusammen war und mit wen nicht. »Danke! Du bist ein toller Freund, im Gegensatz zu so manch anderen. « »Hey!« Ein Freund. Genau das hatte Scorpius früher sein wollen. Früher, als er ihr im Hogwarts-Express begegnet war, doch jetzt lagen die Karten anders. Nur leider nicht zu seinen Gunsten. Aber auch nicht zu ihren. Drei Wochen später rutschte Scorpius zum ersten Mal die Hand aus. Seine Faust traf die Nase des ehrenwerten Schulsprechers. Hinter ihm quietschte Lily Potter laut auf und Lysander fiel gegen die hintere Wand. Scorpius spürte, dass sein Knöchel schmerzte, doch es war ihm egal. Angewidert betrachtete er den Schüler, den er eigentlich mit Respekt begegnen sollte. Doch stattdessen empfand er nichts anderes, als Wut. »Du bist erbärmlich, Scamander«, murmelte er und sah, wie Prinzessin Potter besorgt auf ihren Prinzen zu stürmte und ihm aufhalf. Der Schulsprecher wollte gerade den Mund öffnen und Scorpius vermutete, um ihm saftige Punkte abzuziehen, als jemand neben ihn trat. Hugo Weasley erhob den Zauberstab, die Miene des chaotischen Jungen war so emotionslos, wie Scorpius es noch nie beobachtet hatte. Dann erschien an seiner linken Seite ein zweiter Schatten und er sah auf das Profil seines besten Freundes. »Du solltest nach Rosie sehen. « Als Antwort nickte Scorpius. Was folgte, dessen Zeuge war er nicht mehr. Allerdings sprach sich am nächsten Tag, wie ein Lauffeuer in Hogwarts herum, dass der verehrte Schulsprecher ein Duell der extra Klasse verloren hätte und nun aussah, wie ein Knallrümpfiger Köter. Ihm war es egal, denn schließlich saß er die Nacht zusammen mit Rose auf einer Treppenstufe und starrte, abseits vom Treiben, in die Dunkelheit. Sie weinte nicht, sondern schwieg. Für ihn war es, als würde sie gerade deshalb noch mehr leiden. Irgendwann, Scorpius wusste nicht mehr, wie lange sie regungslos nebeneinander gesessen hatten, um der nächtlichen Stille zu lauschen, war Rose aufgestanden. Ganz plötzlich und unvermutet. Sie trat in den Schein des Mondlichts und ihr langes, rotes Haar, erschien Scorpius plötzlich in einem silbrigen Glanz. Ihre Haltung war gerade und stolz. Er konnte nicht sagen, woran es lag, aber in diesem Augenblick schlug sein Herz schneller und ihm wurde bewusst, dass einen Atemzug lang Zeuge, der nicht entziehbaren Ausstrahlung, einer Weasley war. Rose wandte ihr Gesicht aus dem Fenster und blickte kurz über die finsteren Ländereien. »Danke, Scorpius.« Er schluckte hart und nickte lediglich und als sie ging, war ihm, als würde etwas in seinem inneren zu Boden fallen und in tausend kleine Scherben zerbrechen. Ihm wurde bewusst, dass diese Hexe alles in ihm sehen würde, außer dem, was er wirklich wollte. Der Liebeskummer traf ihn, wie eine unangekündigte Naturkatastrophe. Falls er gehofft hatte, dass es irgendwann einmal besser werden würde, so irrte er sich. Es wurde nur noch schlimmer. Rose ging mit weiteren Jungen aus und Scorpius sah hilflos dabei zu. Erst Anfang des siebten Schuljahres, besann er sich eines Besseren und führte Constance Kinsella, eine hübsche Hufflepuff aus. Zuerst fühlte er sich mit ihr wohl, sie war eine ruhige und angenehme Person, doch als er mit ihr schlief, wurde Scorpius bewusst, dass sie nicht die Frau war, die er wirklich wollte. Noch bevor die Weihnachtsferien begonnen, machte er mit ihr Schluss und hinterließ ein Herz, dass sich genauso fühlte, wie sein eigenes. Einsam und ungeliebt. Während Rose fröhlich davon erzählte, dass sie vor hatte Auror zu werden, beobachtete er Fred dabei, wie er im Tagespropheten tatsächlich den Politikteil las und dabei äußerst interessiert wirkte. Als er seinen besten Freund darauf ansprach, stritt dieser es ab, doch nach einem Berufsgespräch mit Professor McGonagall gab Fred zu, dass er damit liebäugelte, eventuell im Außendienst Englands zu arbeiten. Alle schienen zu wissen, was sie wollten, nur er selbst nicht. Sein Vater erwartete, dass er ins Ministerium trat, Professor McGonagall riet ihm angesichts seiner Noten zu einer Lehrer als Zaubertrankmeister. Lediglich Professor Longbottom fragte ohne Hintergedanken: »Und was willst du selbst wirklich? « Die Antwort war simpel: Er wusste es nicht. Der Druck wurde größer und notgedrungen bewarb sich Scorpius im St. Mungos. Während er zusammen mit seinen Freunden auf den Abschlussball ordentlich die Tassen hob, tanzte, bis ihm die Füße schmerzten und die Sonne beinahe hinter den Hügel auf glitt, wurde ihm bewusst, das seine Schulzeit, die so schrecklich angefangen hatte, nun zu ende sein würde. Er hatte einen besten Freund, ein Mädchen das er liebte, aber nicht sein nennen durfte und die Gewissheit vor sich, dass sie einander getrennte Wege gehen würden. »Leute«, begann Fred mit übertrieben dramatischer Stimme. »Ihr wisst, was dies für ein historischer Augenblick ist? « Rose rollte mit den Augen und sie lehnte gegen das Gelände der großen Aussichtsplattform. Warmer Wind strich durch ihr gelocktes Haar und Scorpius war versucht eine Hand auszustrecken, um es zu berühren. Stattdessen vergrub er die Fäuste in der Hosentasche seines Anzugs. »Lasst uns einen Pakt schließen. « Der junge Malfoy sah seinen Freund interessiert an. »Erklär dich. « An diesem Abend bekamen die braunen Augen des Weasleys einen anderen Ausdruck. Die Farbe nahm einen Ton an, den Scorpius nicht zu definieren wusste. »Da wir uns sowieso trennen, können wir die Bedeutung eines Wiedersehens doch zu etwas Bombastischen machen! « Scorpius verstand nicht. Rose scheinbar auch nicht. Vom Alkohol in Stimmung versetzt, tänzelte Fred um sie herum. Er reichte Scorpius eine alte Taschenuhr und Rose einen runden, goldenen Taschenspiegel. Dann wedelte er mit seinem Handgelenk, an dem ebenfalls eine alte Uhr zu sehen war, vor ihren Nasen herum. »Dies, meine hoch gebildeten Freunde, ist unsere Verbindung. Wir trennen uns und versuchen unsere Ziele zu erreichen, bis dahin sehen wir uns nicht. Erst, wenn wir dort sind, wo wir immer hingewollt haben, aktivieren wir den Zauber der Gegenstände und wenn alle drei aktiv sind, dann treffen wir uns wieder. Reifer, erwachsener und nun ja, vielleicht… « Fred führte den Satz nicht zu ende, sondern sah seine beiden Freunde gespannt an. Während in Scorpius die nackte Panik aufstieg, willigte Rose begeistert ein. »Das machen wir! « Sie hielt ihre zarte Hand in die Mitte und Fred legte seine Rechte auf ihre. Etwas zögerlich tat Scorpius es ihm gleich. »Ich aktiviere meinen Taschenspiegel, wenn ich eine gute Aurorin bin! « Die Weasley strahlte und Fred setzte hinzu: »Nun, ich werde mich melden, wenn ich mir einen Namen als Politiker gemacht habe, oder im Rat der Hundert sitze. « Scorpius´ Hals wurde trocken. Der Rat der Hundert – was für ein Traum. Die mächtigsten Staatsmänner der Welt bildeten dort in Athen eine Einheit. Seine Freunde sahen ihn an und er räusperte sich: »Ähm… ich…« Ja, was wollte er? Scorpius wurde heiß und so sprach er kopflos: »Ich melde mich, wenn ich absolut glücklich bin. « Statt, dass sie über ihn lachten, akzeptierten sie seine Aussage, warum, wusste er nicht, doch es erleichterte ihn ungeheuerlich. Sie sahen einander an. Und in diesem Augenblick wusste Scorpius, dass er seine Freunde für eine lange Zeit nicht mehr sehen würde. Das rauschende Fest endete und er begann seine Ausbildung zum Heiler. Schon zu Beginn fühlte er sich zwischen den ganzen aufgeregten Neuen ziemlich fehl am Platz und bei einer knappen Vorstellung bei seinem Zuständigen Ausbilder, wurde Scorpius klar, dass Mr. Piaf und er nicht besonders gut miteinander auskommen würden. Die ersten Monate vergingen. Er lernte komplizierte Heilungstränke zu zubereiten, heilte die ersten Wunden und gliederte sich unauffällig in die Gesellschaft ein. Seine Noten waren akzeptabel, nicht gut, aber zu tolerieren. Nur zögerlich freundete er sich mit den einen oder anderen an, obwohl er Fred und Rose mehr denn je vermisste. Trotzdem hielt er sich stur an das Versprechen und fragte sich, ob er sich vielleicht mit Abschluss seiner Ausbildung melden sollte. Sicherlich konnte er dieses Gefühl dann als Glück verbuchen. Irgendwann, zwei Jahre nach Ausbildungsbeginn, leuchtete seine Taschenuhr zum ersten Mal auf. Er befand sich gerade in der verschneiten Winkelgasse und musterte die neu erschienenden Bände von Jörg Ramers über Tollwut und Vampirbissen, als es warm in seiner Jacke wurde. Verwirrt und gleichermaßen überrascht zog Scorpius die Uhr hervor und sah, wie die Zeiger verrückt zu spielen schienen. Eine klimpernde Musik erschien und ohne, dass es eine Erklärung bedurfte, begriff er, dass Rose ihren Traum war werden ließ. Wahrscheinlich hatte man ihre Ausbildungszeit verkürzt und sie war nun auf den besten Weg als Aurorin aufzusteigen. Wehmut schlich in Scorpius auf. Nein, er würde keine Karte schreiben und ihr gratulieren, schließlich war der Deal ein anderer. Mit einem Lächeln auf den Lippen, welches merkwürdig bitter schmeckte, schlenderte er weiter und seine Schuhe hinterließen im frisch gefallenden Schnee, die Spuren seines Daseins. Im Frühjahr beendete er seine Ausbildung und man händigte ihm das Diplom aus. Mit einem seltsamen Gefühl im Magen verließ Scorpius das Krankenhaus. Seine Kollegen wollten sofort aufbrechen, um diesen Augenblick zu feiern, doch ihm war aus einem undefinierbaren Grund nicht danach. Er besuchte den tropfenden Kessel, bestellte sich ein Butterbier und griff nach der Zeitung, welche sein Nebenmann liegen gelassen hatte. Lustlos blätterte er zum Politikteil und hielt inne. Auf einem Bild sah er Fred neben den bulgarischen Außenminister. Sie schienen etwas zu diskutieren, doch auf dem Gesicht seines besten Freundes spiegelte sich Entschlossenheit wieder. Es war ein Ausdruck, der Scorpius wissen ließ, dass Fred liebte, was er dort tat, obwohl er noch nicht am Ziel seiner Wünsche war. Ganz anders als er. In diesem Augenblick wurde Scorpius klar, das in seinem Leben etwas gewaltig schief lief. Er hasste den Job als Heiler und war weder glücklich, noch unglücklich. Viel eher fühlte er sich tot. So, als würde sich die Welt ohne ihm weiter drehen. Im Krankenhaus würde man ihn als Malfoy niemals vollkommen akzeptieren, einen Tatsache, die sich nicht leugnen ließ. Ins Ministerium wollte er nicht und das, was ihn wirklich glücklich machte, hatte er aus den Augen verloren. Schon oft hatte er sich gewünscht anders leben zu können, vielleicht als Muggel, vollkommen unerkannt und normal. Ohne das irgendeiner Ansprüche stellte. Sein Blick glitt durch den Pub und blieb an einer afrikanischen Hexe hängen. Schon immer hatte er sich gefragt, wie es wohl war, einfach von einem Ort zum anderen zu Reisen. Ungezwungen, ohne zu wissen, wo man am nächsten Tag landen würde. Scorpius fasste einen Entschluss als er das Geld für sein Butterbier auf die Theke legte. Er konnte nicht so weiter machen, wie bisher. Entweder er riskierte etwas, oder aber er würde weiter in einem Strudel aus Gleichgültigkeit versinken und seine Uhr niemals aktivieren. Hastig apparierte er nach Hause, riss seine Schranktür auf, warf ein paar Kleidungsstücke in seine Reisetasche und verfasste hastig einen Brief für das Krankenhaus, in dem er erklärte, dass er kündigte. Dann griff er nach einem zweiten Blatt Papier und hielt inne. Die Abendsonne fiel durch sein großes Fenster und der Wind spielte mit den dunkelgrünen Vorhängen. Was sollte er seinen Eltern erzählen? Er entschied sich für die Wahrheit, kurz und knapp. »Ich muss weg, wohin, das weiß ich selbst noch nicht. Werde mich irgendwann melden - Scorpius« Dann griff er nach seiner Tasche, schulterte sie, schnappte sich seinen Zauberstab und verließ sein Zimmer. Mit jedem Schritt, den er machte, fühlte er sich leichter. Es war, als würde er eine Last ablegen, die es ihm unmöglich gemacht hatte zu atmen. Ohne sich umzudrehen, verließ der Malfoy die Eingangshalle und hörte kurz die Stimme seiner Mutter, die ihn verwirrt begrüßte und schließlich wissen wollte, wo er hin ginge. Kaum, dass er die gewaltige Tür zum Malfoy-Manor aufstieß, apparierte er. Der Knoten war geplatzt. Der Tag, an dem er England an einem trüben Frühlingstag verließ, war nun acht Monate her. Zuerst war er irgendwo New York gelandet. Dort hatte er an Bars gearbeitet und dabei die Musik der Welt gehört. Sängerinnen und Sänger mit Stimmbändern aus Gold hatten sich die Ehre gegeben und Scorpius hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt. In der gesamten Bar herrschte Stille und die Scheinwerfer veredelten jene Gestalten, welche den Raum mit wahrer Kunst erfüllten. Besonders angetan hatte es ihm ein junger blinder Pianist. Er war ein Muggel und schien nicht zu bemerken, dass er sich unter magischen Wesen befand. Der grunzende Kobold in der ersten Reihe erhielt genauso wenig Aufmerksamkeit, wie die hübsche Veela, die ihn nach der gelungenen Vorstellung an der Bar anschmachtete. Maximilian Viviani spielte einmal die Woche in dem Jazzclub indem Scorpius arbeitete. Die schmalen, langen Finger huschten über Tasten, als hätten sie in ihrem Leben nichts anderes getan. Scorpius kam es vor, als würde Maximilian seine Zuhörer in eine ferne Welt entführen, in der sie sich vollkommen fallen lassen konnten. Und als er es dem Musiker eines Abends unverblümt sagte, war dies der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft. Maximilian lud ihn ein, sich einige neue Stücke bei ihm zu Hause anzuhören und Scorpius kam dieser Einladung nach. In dem gemütlichen Loft, ließ er sich ab jenen Abend öfter denn je auf der alten Couch nieder und lauschte den Tönen des Klaviers. Scorpius kannte keines dieser Stücke, was er mit Scham zugab und Maximilian so zum lachen brachte. Die meiste Zeit über musizierte Maximilian und Scorpius hörte zu. Doch eines Tages, es war bereits mitten in der Nacht, glitten die Hände des Musikers von den Tasten und er fragte: »Scorpius, warst du schon einmal verliebt?« Es war eine einfache Frage, doch sie brachte den jungen Malfoy zum stolpern. Er zögerte und antwortete schließlich: »Ja, einmal. « »Erzähl mir von ihr. « Mit einem Ruck hatte sich Scorpius aufgesetzt und Maximilian deutete auf den Platz, neben sich am Klavier. Die Schritte des Blonden waren träge und plötzlich vorsichtig. Als er sich setzte sprach er: »Ihr Name ist Rose und ich habe sie seit drei Jahren, acht Monaten und zweiunddreißig Tagen nicht gesehen. « Er begann zu erzählen und fühlte sich dabei merkwürdig fremd. Maximilian verzog jedoch keine Miene und hörte ihm geduldig zu, als er anfing, über ihr rotes Haar, den vielen Sommersprossen und ihrer Art zu Lachen zu berichten. Seine Stimme nahm einen weichen Ton an und er bemerkte selbst, dass er Rose auf eine Weise vermisste, die ihm im Herzen schmerzte. Es war das einzige Mal, dass Maximilian ihn etwas fragte und sie kehrten nach jenem Abend zurück zu ihrem ursprünglichen Ritual. Als die Jahreswende näher rückte, entschied Scorpius sich dafür, weiter zu reisen. Es war an der Zeit, das Umfeld zu wechseln. In der Bar hatte er gekündigt und betrat nun das Loft, um sich bei Maximilian zu verabschieden. Dieser saß am Klavier, es war eine halbe Stunde vor Mitternacht und schien ihn erwartet zu haben. »Scorpius«, sprach er erfreut und lächelte. Das dunkle Haar war streng zurück gekämmt und kräuselte sich im Nacken. Er trug einen feinen Anzug, wahrscheinlich kam er gerade von einem Auftritt zurück. »Ich wollte mich verabschieden«, erklärte Scorpius »Für mich ist es an der Zeit, weiter zu ziehen. « »Ich weiß. « Maximilian legte seine Hände auf die Tasten und stimmte ein Abschiedlied an, dabei sprach er unbeirrt weiter: »Auf der Kommode im Flur, liegt etwas für dich. Komm mich besuchen, wenn du in der Nähe bist. « Scorpius nickte und wollte noch etwas sagen, doch er wusste nicht was. Also wandte er sich zum gehen, doch zu seiner Überraschung sprach Maximilian noch: »Wenn du apparierst, dann bitte nicht im Hof, der Hausmeister hat sich letzten erschrocken und eingebildet, dass er jemanden einfach so, vor seinen Augen hat verschwinden sehen.« Die Belustigung in der Stimme des Pianisten ließ Scorpius erstarren, aber anstatt seine Aussage auszuführen, spielte er weiter und der Malfoy beschloss zu gehen, ohne zu fragen. Im Flur sah er eine alte Muggelkassette auf dessen Beschriftung ein einziger Name stand. »Rose. « Sein nächstes Ziel war Frankreich, Paris. Die Stadt verlieh ihm Flügel. Die Kunst berauschte ihn und die Menschen versetzten ihn in einen Zeitlosen Augenblick. Insgesamt blieb er drei Jahre in dieser wunderschönen Stadt der Kunst. Der Louvre wurde zu seinem zweiten Zuhause, großartige Kunstwerke der Muggel besichtigte er und er fragte sich, ob all jene berühmten Künstler tatsächlich Muggel gewesen waren. Um sich ohne Magie über Wasser halten zu können, heuerte er bei einem alten Maler Namens Roberto Codalis an. Der Greis besaß ein riesiges Atelier, bemahlte Leinwände, wie ein künstlerischer Merlin und hatte die seltsamsten Gäste zu Besuch. Scorpius war dafür zuständig, dass er niemals zu wenig Farbe hatte, dass alle Leinwände pünktlich geliefert wurden und er in keine kreative Krise stürzte. Seine Arbeit war gewöhnungsbedürftig, doch er ging ihr gerne nach. Die französische Sprache beherrschte er dank seiner Tante Daphne relativ gut und er schickte der Dame ein Tuch aus einer Boutique mit leuchtenden Farben. Seine Eltern bekamen die typische Karte, doch dieses Mal legte er ein Baguette dazu und französische Wurst. In all der Zeit, hatten sie ihn nie gefunden. Was vielleicht daran lag, dass er sich überwiegend bei Muggel aufhielt und so kaum aufzuspüren war. »Monsieur Codalis, wohin soll ich die Staffelei platzieren? «, wollte er an einem heißen Sommertag von seinem Altmeister wissen, der brummend vor eins seiner Gemälde stand, welches demnächst verkauft werden sollte. Das Atelier war rund, hatte ein Dach auf Glas und war beinahe zugestellt mit exotischen Pflanzen, mehreren altmodischen Möbeln und Malwerkzeuge. »Staffelei? «, fragte der alte Mann verwundert und Scorpius lachte. Er trug seinen weißen Farbkittel und strich sich immer wieder über den gekringelten Schnauzer. »Ja, Sie bekommen doch heute Besuch von der Verlobten von Monsieur Chevallier«, erinnerte Scorpius und sein Arbeitgeber schnippte mit dem Finger, so dass es ihm wieder einfiel. »Natürlich, Natürlich. Stell sie vor das rote Sofa, dort, wo die Atmosphäre veraltert. « Früher hätte Scorpius gewiss nachgefragt, doch nun, wo er sich an die Ausdrucksweise des Meisters gewöhnt hatte, wusste er was er zu tun hatte. Etwa eine Stunde später, gerade, als er den Nachmittagstee aufbrühte, hörte er ein helles Lachen und betrat das große Atelier beladen mit Tee, Zucker, Milch und Plätzchen. Zwar aß der Meister nie beim Arbeiten, wollte aber immer etwas Nahrhaftes in seiner Nähe wissen. Scorpius stellte das Tablett ab und drehte sich um. Ihm stockte der Atem. Noch nie hatte er eine so schöne Frau gesehen. Ihr Haar war so schwarz wie die Nacht, ihre Augen so blau wie das Meer, die Lippen rot wie Blut und die Haus so weiß wie Schnee. Die Dame trug ein elegantes, hellbraunes Kostüm und Monsieur Codalis küsste ihr gerade die Hand. »Mademoiselle, haben Sie auch bestimmt nichts dagegen, wenn mein Gehilfe mir zur Hand geht? « »Non, natürlich nicht.« Sie lächelte Scorpius zu und begab sich schließlich auf die rote Couch. Der junge Malfoy schluckte und versuchte sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Er ließ sich neben seinem Meister nieder und begann die Farben zu mischen. Monsieur Codalis griff nach der ersten Farbe und begann mit den Grundzügen, als Scorpius fertig mit den Farben war und er aufsah, stockte er. Die junge Frau zog sich bis auf das letzte Stück Stoff aus und legte sich, wie Merlin sie schuf, auf das rote Sofa. Ihr Haar fiel über ihre Schultern und sie stützte den Kopf ab. Scorpius schluckte hart und sah hoch zu seinem Meister, dieser schmunzelte und schien zu begreifen, was in seinem jungen Arbeiter vor ging. Statt etwas zu sagen, schwieg er und begann typisch für sich zu malen. Die Sekunden schienen nur so dahin zu kriechen und die Atmosphäre wie elektrisch aufgeladen. Bislang hatte Monsieur Codalis eher Porträts gemalt, welche eher züchtig waren. Vielleicht auch ein bisschen blass, so wie es vor einer längst vergessenen Zeit Stil gewesen war. Nun hatte Scorpius das Gefühl, alleine durch seine Anwesenheit gegen eine goldene Künstlerregel zu verstoßen. Das Atmen fiel ihm sichtlich schwer und als Monsieur Codalis bat: „Mademoiselle, würden sie die Beine ein bisschen anwinkeln, ja so ist es recht.“ Scorpius schluckte und sah notgedrungen auf. Da er die Farben mischte, musste er sich das Model ansehen und was er sah, ließ ihn wissen, dass auch er nur ein Mann war. Seine grauen Augen glitten über ihren vollen Busen, der schwungvollen Hüfte und streiften über die langen Beine. Kunst bekam mit solch einer Schönheit eine vollkommen andere Bedeutung. Jede Stunde, die Mademoiselle sie besuchte, kam Scorpius vor, wie eine Ewigkeit und wenn sich ihre Blicke trafen, hatte er mühe ruhiges Blut zu bewahren. Nie nannte Monsieur Codalis ihren richtigen Namen und der Malfoy hütete sich danach zu fragen, obwohl er nichts lieber täte. Das Bild nahm Form und Farbe an und eines Morgens war es so weit voran geschritten, dass der Meister sein Model bat, nicht mehr zu kommen. Für Scorpius war es eine Enttäuschung, aber er schwieg. Die Zeit seines Aufenthaltes in Paris wurde schließlich von dem Tagespropheten beendet. Scorpius wusste nicht woher, oder wie die Zeitung in seine Dachwohnung gekommen war, doch Fakt war: Eines Tages lag sie schlicht auf seinen Küchentisch und jemand hatte eine Annonce angestrichen. Zuerst musste Scorpius blinzeln, schließlich ließ er sich geistig abwesend auf einen Stuhl sinken. E I N L A D U N G Das große Glück in der Liebe besteht darin, Ruhe in anderen Herzen zu finden. Rose Jean Weasley & Ethan Miles Cooper Geheiratet wird am 06. Juni dieses Jahres und wir laden herzlich zur Trauung ein. Seine Welt stolperte einen Herzschlag aus dem Takt und Scorpius raufte sich mit beiden Händen die Haare. Sie würde heiraten. Die Luft wurde schrecklich knapp und er hatte das Gefühl, neben ihm fiel etwas zu Boden. Etwas so zerbrechliches, dass sich anfühlte wie Glas. Scorpius glaubte, dass die Enge der Wohnung unerträglich für ihn wurde und er verließ eilend das Haus. Die Nacht irrte er durch die Gassen und als die Sonne über Paris auf ging, hatte er sich bereits entschlossen, weiter zu ziehen. Die Tasche war schnell gepackt und er wollte seine Kündigung dem Meister vorbei bringen. Doch dieser erwartete ihn bereits. Genüsslich zog dieser an seiner Pfeife und saß alleine in seinem Atelier. Hinter ihm stand ein verpacktes Bild und er nahm die Anwesenheit seines Gehilfen mit einem Nicken zur Kenntnis. Monsieur Codalis stellte keine Fragen, sondern nahm die Kündigung wortlos entgegen. Dann stand er müde auf: »Bevor du gehst, kannst du das Bild bei Monsieur Chevallier vorbei bringen? « Scorpius nickte und das letzte, was er vernahm, als der alte Mann das Atelier verließ, war: »Gute Reise. « Die angegebene Adresse fand Scorpius schnell, der sonnige Morgenhimmel hatte sich verdunkelt und gerade, als er ein luxuriöses Anwesen betrat, fielen die ersten schweren Tropfen vom Himmel. Kurz war es Scorpius, als würde der Himmel mit ihm weinen. Überrascht von diesem poetischen Gedanken, schluckte er hart und ließ sich wenig später ankündigen. Höflich erwartete Mademoiselle ihn und als sie einander ansahen und ein Dienstmädchen hinter ihm die Tür zum grünen Salon schloss, wusste Scorpius, dass sich seine Abreise noch ein wenig verzögerte. Er schlief mit ihr und seltsamer Weise empfand er einen stillen Trost als sie ihn in ihre Arme zog. Der Geruch von Lavendel erfüllte ihn, das Blut in seinen Adern rauschte und die Leidenschaft übermahnte ihn wie in einem gefährlichen Rausch. Scorpius blieb den ganzen Tag und erst, als die Nacht herein brach und das silberne Mondlicht die Frau neben ihn in einen Glanz tauchte, der ihn daran erinnerte, was er verloren hatte, erhob er sich aus einem großen Bett. Die weißen Vorhänge kündigten seinen Abschied an und er verließ, lautlos und wie ein Schatten das Leben von der wunderschönen Mademoiselle. Ihm war bewusst, dass er sie in diesem Leben nicht mehr wieder sehen würde, doch es schmerzte ihn nicht. Stattdessen war er ihr dankbar, dass sie ihn für ein paar Stunden den Schmerz in seiner Brust vergessen ließ. Sein nächstes Ziel war Deutschland, Hamburg. Dort blieb er genau zwei Monate und half am Harfen aus. Dann seilte er sich ab nach Ungarn und lernte, wie man ohne Magie den köstlichsten Wein machte. Die Menschen besaßen eine Gastfreundschaft, die Scorpius vollkommen fremd war, doch trotzdem blieb er auch dort nicht all zu lange. Nach Spanien folgte Italien und dort gelang es dem Malfoy seinen Kopf wieder frei zu bekommen. In Rom fand er eine Stelle am Theater und entpuppte sich als Bühnenmaler. Jeden zweiten Abend wurde ein wunderschönes Ballett aufgeführt und mit einer seltsamen Mischung aus Fazinisation und Unverständnis betrachtete er Abend für Abend die Aufführungen. Noch nie hatte Scorpius Menschen gesehen, welche anhand ihrer Bewegungen Gefühle ausdrücken konnten. Sein Lieblingsstück war Leonce und Lena. Ein jedes mal, wenn Leonce, der Prinz von Popo sein Herz an die Prinzessin Lena verlor und diese ihn zurückwies, spürte Scorpius denselben Schmerz, wie einst der Prinz. »Du musste deinen Schmerz Ausdruck verleihen. « Scorpius sah auf. Er befand sich auf der Bühne und vernahm ein paar Korrekturen an einer Waldkulisse. Überrascht sah er den Tänzer für den Prinzen an. Antonio hatte dunkle Locken und so braune Augen, wie Vollmilchschokolade. Bekleidet in einem lockeren Trainingsanzug trat der Tänzer näher und wiederholte sich. Scorpius hatte geglaubt, sich verhört zu haben, zumal sein Italienisch lückenhaft war, aber seine Ohren hatten ihn leider keinen Streich gespielt. »Der Schmerz in deiner Brust, er wird dich umbringen, wenn du ihm keinen Ausdruck verleihst. Er muss raus. « »Wovon redest du? «, versuchte Scorpius das Thema abzulenken und spürte eine Wut in sich, die ihm nur all zu bekannt vorkam. Immer wenn er an Rose dachte, war er wütend und dann folgte die unerträgliche Traurigkeit. Antonio schritt um ihn herum und begann sich für eine knappe Probe aufzuwärmen. Dabei sprach er: »Wahrscheinlich nimmst du meine Worte nicht ernst, aber ich verspreche dir, dein Gräm wird dich auffressen, wenn du nicht frei lässt, was frei gehört. « Er streckte sich. »Eine Frau kann dir ein Loch in die Brust reißen, doch es liegt an dir, diesen freien Platz mit etwas anderen zu füllen. « Scorpius tat dies als dummes Gerede ab. Bis zum 06. Juni. In dieser Nacht betrank er sich. Beinahe fing er in einer Kneipe eine Schlägerei an und taumelte mitten in der Nacht am Ufer des stock dunklen Meers entlang. Immer wieder stolperte er. Das Rauschen der Wellen, der sternenklare Himmel über ihn, alles hatte einen so bitteren Beigeschmack, dass er ganz plötzlich anfing zu schreien. Seine gesamte Wut floss aus seinem Körper. Es war, als würde er platzen. Scorpius wusste nicht, wie lange er barfuss, mit einer Flasche Wodka in der Hand an diesem Ort stand und einfach nur seinen Frust nach draußen ließ. Schließlich war er so erschöpft, dass er sich an Ort und Stelle fallen ließ und die Augen schloss. Am Morgen weckten ihn ein dicker Kopf, das Rauchen des Meeres und eine strahlende Sonne. Er hatte es überlebt, obwohl er geglaubt hatte, die Welt würde unter gehen, wenn diese Nacht vorbei war. Mit wackeligen Beinen erhob er sich und betrachtete den Wodka, dann zog ein seltenes Lächeln über seine Lippen. Die Flasche warf er kraftvoll ins Meer, denn nun wusste er, wohin seine Reise nun gehen sollte. Nach Russland. Aber auch dort blieb er nicht lange, stattdessen setzte er seine Reise weiter nach Australien fort. Er pflückte Orangen, baute Zäune und betätigte so viel körperliche Arbeit, dass er den Gedanken an Rose so gut, wie verdrängte. Ruhelos zog er von einem Ort zum nächsten. Die Jugendlichen nannten es Travel and Work. Insgesamt war Scorpius nun bereits seit sechs Jahren unterwegs. Langsam, aber sicher vergaß er seine Heimat. Dann, an einem Januar spielte seine Taschenuhr und er nahm erfreut zur Kenntnis, dass Fred sein Ziel erreicht hatte. Doch statt nur ein Lied zu spielen, erschien ein kleiner Zettel. Scorpius, der sich auf einer Raststätte befand und einen starken Kaffee trank, konnte seine Überraschung nicht verbergen. Er faltete den Zettel auseinander. »Wo bist du? « Von der Kellnerin lieh er sich einen Stift und starrte doch eine halbe Ewigkeit auf die vertraute Schrift seines besten Freundes. Wollten sie den Pakt beenden? Scorpius sah nach draußen, es stürmte und war so ungemütlich, wie im kalten, regnerischen England. Er wollte gerade erklären, wo er sich befand, als er vertraute Töne vernahm. Jemand spielte Klavier. Scorpius sah auf und sah, dass in diesem komischen Kasten, den Muggel Fernseher nannten, eine Sendung lief. Der Malfoy neigte den Kopf, denn er erkannte Maximilian am Flügel und er spielte ein Lied, dass er noch zu gut in Erinnerung hatte. When I look of you. Das Abschiedslied. Scorpius klickte mit dem Stift und antwortete. Als er den Zettel absendete, war ihm, als habe er eine Schlacht gegen sich selbst gewonnen. »Hier und nirgendwo. « Dann stand er auf und schritt seinen Weg weiter. Er passierte schließlich Japan und hielt erst in China wieder für längere Zeit rast. Die Kultur lud ihn ein in eine fremde Welt. Sie verzauberte ihn und er ließ sich ganz von ihr gefangen nehmen. Offen und interessiert stolperte er schließlich mit seiner Reisetasche in einen kleinen Buchladen. Eigentlich wollte er nur schauen, ob man ihm vielleicht einen Reiseführer auf Englisch verkaufen könnte, doch stattdessen bestaunte er den Laden, der bis zur Decke mit Büchern vollgestopft zu sein schien. Das Licht war dämmrig und es roch nach Tinte und Staub. Sanft ließ Scorpius den Zeigefinger an den kostbaren alten Einbänden entlang gleiten, als sein Blick magisch angezogen wurde von einem Kinderbuch. Nachdem er es heraus gezogen hatte, spürte er in dem Loch in seiner Brust keinen Schmerz, sondern viel mehr Wärme. »Alice’s Adventures in Wonderland «, sprach er zu sich selbst und wusste nicht, ob er über diesen Zufall lachen sollte. Es wog schwer in seinen Händen, doch trotzdem kaufte er es und fühlte sich danach, wie nach einer guten Tat. Die Reise ging nach Norwegen. Somit veränderte sich die Landschaft und umgeben von Bergen, absoluter Stille und der Natur spürte Scorpius zum ersten Mal wieder die Wärme der Sonne auf seiner Haut. Der Wind, welcher durch sein Haar fuhr, wirkte wie ein alter Freund und wenn er früh morgens auf die Terrasse seines kleinen Holzhäuschens trat, dann konnte er Tiere beobachten, welche den Wald zum leben erweckten. In Norwegen verbrachte er die meiste Zeit abgeschieden und ganz für sich selbst. Hin und wieder suchte er den Kontakt zu Muggeln auf, doch es drängte ihn nicht zu Gesellschaft. An dem Tag zu seinen siebenundzwanzigsten Geburtstag hatte er eine Wanderung vorgenommen und sich überschätzt. Ein Gewitter brach über ihn herein und Scorpius apparierte nach Hause. Bis auf die Haut durchnässt stolperte er in seine kleine, veralterte Wohnstube und ging in die Hocke, um im Kamin ein Feuer zu entfachen, doch noch bevor er seinen Zauberstab zur Hand hatte, flackerte das Feuer auf. Sofort fuhr er herum und ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er seinen eigenen Vater gelassen im geflickten Sessel sitzen sah. Sein Haar war so streng wie eh und je zurück gekämmt, er trug den pflaumenblauen Umhang eines Auroren und neigte leicht den Kopf. Es entging Scorpius nicht, dass sein Vater ihn musterte und die strengen Gesichtszüge ließen ihn vermuten, dass er sichtlich verstimmt war. »Alles Gute zum Geburtstag, Scorpius. « Die raue Stimme ließ ihn verharren und er runzelte die Stirn. Doch Draco Malfoy führte sein Anliegen nicht weiter aus. Scorpius begriff die Logik hinter seinem Besuch von ganz alleine. Es war das verflixte siebte Jahr, dass er bereits aus London fern blieb. »Danke. « Sie schwiegen und als sich Draco erhob, bemerkte er die Spuren der Zeit an seinem Vater. Unter den Augen lagen Schatten und ihm kam es vor, als wäre er nicht mehr ganz so imposant, wie er ihn in Erinnerung hatte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, klopfte sein Vater ihm sanft auf die Schulter, dann verließ er die Wohnstube und trat hinaus ins Unwetter. Als Scorpius blinzelte, war er auch schon verschwunden. Der Regen rauschte geräuschevoll durch die Dachrinnen und er hatte einen seltsamen Kloß im Hals. Zuerst brauchte er eine starke Tasse Tee. In der Küche blieb er stehen und starrte auf einen überladenen Tisch. Ein Geburtstagkuchen seiner Mutter thronte in der Mitte. Mehrere Einmachgläser von seiner Grandma bildeten eine Pyramide. Sein Blick glitt nach rechts, mehrere Kleidungsstücke waren sorgfältig gekleidet worden und Scorpius musste schmunzeln. Er trat näher und wollte eine Kanne Wasser aufsetzten, dabei fiel ihm ein schlicht verpacktes Päckchen auf. Darin steckte eine Karte und er erkannte die geschwungene Schrift seines Vaters. »Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun. « Aufgeregt riss er das Papier auf und erblickte ein gebundenes Buch, doch die Seiten waren leer. »Ich verstehe nicht…«, murmelte er. Vorsichtig legte er das Buch auf seinen Schreibtisch und betrachtete es. Der Kessel pfiff und er eilte zurück in die Küche, als er dann mit einer Tasse schwarzen Tee zurück in die Stube trat, betrachtete er nicht nur das leere Buch, sondern auch das von Alice’s Adventures in Wonderland und die Kassette von Maximilian. Scorpius zögerte. Nein, eigentlich konnte er die Aussage seines Vaters doch nur falsch verstehen, denn woher sollte dieser Wissen, dass er hin und wieder ganz gut mit Worten konnte? Draco Malfoy würde ihn doch nicht zum schreiben antreiben! Die Vorstellung war absurd und irgendwie surreal. Scorpius steckte die Kassette in eine Reckorder und ließ sich am Schreibtisch nieder. Zuerst war nur ein Knacken zu hören, dann setzte sanfte Klaviermusik ein. Es war, als würde ein Film vor seinen Augen ablaufen. Wie von selbst griff er zu einem Stift und begann. Ein Wort ergab das Nächste, ein Satz verknüpfte sich weiter und noch ehe sich Scorpius versah, versank er in eine Geschichte, die ihn vollkommen aufblühen ließ. In seinen Helden floss etwas von ihm selbst, die Figuren nahmen die Gestalten seines Umfeldes an und die Reise seines Hauptcharakters begann wegen eines Mädchens, dass er suchte. Als Scorpius die Augen schloss und das Mädchen beschrieb, sah er rotes Haar, ein Gesicht voller Sommersprossen und blaue Augen, die seinen Helden eingehend musterten. Es kam ihm vor, als würde er ein Selbstbekenntnis nieder schreiben. Dass er in dieser Nacht etwas schuf, das die halbe Zaubergemeinschaft in Verzücken versetzte, ahnte er nicht. Der Morgen brach an und Scorpius hielt inne. Er hatte die gesamte Nacht geschrieben und nur wenige Pausen gemacht. Nun sah er über den tauffrischen Wald und hörte, wie die Vögel den Morgen besangen. Sein Blick erfasste die Taschenuhr und dann zog er seinen Zauberstab, denn es war vollbracht. Er war glücklich und fühlte sich so frei, wie in seinen ganzen Leben noch nicht. Die Uhr drehte sich heftig im Kreis und dann spielte sie ein fröhliches Lied. Schmunzelnd schleppte sich Scorpius in sein knarrendes Bett und fiel in einen traumlosen schlaf. Sobald er erwachte, schrieb er das Buch weiter und ignorierte die piepende Uhr. Er verspürte weder Müdigkeit, noch Hunger. Mit jedem weiterem Wort hatte er jedoch das Gefühl, dass er ein Stück zu sich selbst zurück fand. Und als das Buch fertig war führte sein erster Weg ihn nach London, in die große Druckerei von Barney Bootsmann. Irritiert hatte dieser ihn gemustert und erklärt, er würde nur für ausgewählte Verlage drucken. Ungeirrt stampfte Scorpius also in die Redaktion und legte einer Padma Patil das geschriebene Buch vor. Sie bat ihn um Zeit, doch bereits am nächsten Morgen stattete sie ihm in Norwegen einen besuch ab. »Können Sie mehr davon schreiben? «, wollte sie bei einer Tasse Tee auf seinem wackeligen Sofa wissen und er sah sie irritiert an. »Wovon?« »Vom Leben«, sprach sie direkt. Die Lektorin lächelte und erklärte: »Mr. Malfoy, ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist, aber Sie Schreiben, als würde die Welt ihrer Bücher existieren, man liebt jeden Protagonist und mir als Leser brach das Herz in zwei, als Zalex seine geliebte Ysobell verlor. « Sie nippte an ihrem Tee. »Aber nicht nur die Liebe klingt aus ihren Federn wie ein Traum, auch die Figuren, die Zalexs Reise begleiten haben ihren ganz eigenen Charme. Der blinde Klavierspieler, die atemberaubende Hexe, welche ihn ins Zeitlose holt und-« Sie hielt inne. »Ich bin restlos begeistert und wenn Sie erlauben, dann würde ich gleich morgen mit Ihnen einen Vertrag schließen und drei weitere Bücher von Ihnen verlangen. This girl würde natürlich direkt in Druck gehen. « Alles ging Schlag auf Schlag. Das Buch erschien im März und im Mai musste bereits nachgedruckt werden. Im August kehrte Scorpius zurück nach London und seine Mutter schloss ihn herzlich in die Arme. Sieben Jahre waren seit seiner Abreise ins Land gezogen und es hatte sich jede Menge getan. Für sein zweites Werk fand er schnell Inspiration, als er an einem Nachmittag durch die Hogwartsflure schlenderte und auf seinen alten Kräuterkundelehrer traf. Professor Neville erzählte ihm, dass sein Vater ihn vor drei Jahren aufgesucht hatte, in der Hoffnung ihn zu finden. Und dabei sei sein Talent zum schreiben erkenntlich geworden. Ab diesen Augenblick empfand Scorpius Stolz für seinen Vater. Professor McGonagall lief seltsam schamhaft an, denn sie gestand, dass auch sie ein heimlicher Fan seines ersten Buches geworden war. »Es ist zum träumen. « Scorpius lächelte, ihm wurde warm. Und kurz suchte er nach der richtigen Beschreibung, bis ihm klar wurde, dass das, was er empfand, Glück war. Zufrieden schlenderte er auf die große Terrasse, hinter ihm lärmten die Hogwartsschüler und vor seinem geistigen Auge formte sich bereits ein neues Abenteuer. Seine Schritte verlangsamten sich, denn er befand sich an jenem Ort, an dem vor zehn Jahren sein eigentlicher Weg angefangen hatte. Überrascht hielt er schließlich inne und erkannte einen jungen Mann, der ihn breit grinsend musterte. Sein Haar war ordentlich, seine Kleidung sehr seriös, doch etwas an seiner Haltung, wie er spitzbübisch auf dem waghalsigen Gelände saß, machte ihn stutzig. »Fred.« »Wer sonst?« Unsicher kam er näher und wusste nicht, wie er sich seinem besten Freund gegenüber verhalten sollte. Doch Fred nahm ihm all die Unsicherheit indem er ihn fest in die Arme schloss. »Hier und nirgendwo! Was für eine bescheuerte Antwort!« Scorpius erntete eine schmerzvolle Kopfnuss. »Du Ochse! Wir wollten diesen dämlichen Pakt brechen, aber du warst ja wie vom Erdboden verschluckt! « »Wieso wolltet ihr ihn brechen? « Der Malfoy war verwirrt und schließlich erklärte eine weibliche Stimme hinter ihm: »Weil Fred meine Hochzeit nicht alleine stürmen wollte. « Sein Herz machte einen Hüpfer und das Loch in seiner Brust schien plötzlich zu brennen. Rose trat aus den Schatten. Ihr langes, rotes Haar fiel ihr über die Schultern und der pflaumenblaue Umhang des Ministeriums passte zu ihren Augen. Das Gesicht war älter geworden, doch noch immer erkannte Scorpius die atemberaubende Schönheit darin, in die er sich verliebt hatte. »Wieso hast du nicht geheiratet? «, wollte er mit einem Blick auf ihre nackte Hand wissen und sie rollte mit den Augen. »Ist nicht so wichtig«, erklärte sie knapp, aber Fred war anderer Meinung: »Und ob das wichtig ist! Schließlich habe ich mich deinetwegen von der gesamten Familie Cooper verfluchen lassen. « Er wandte sich an Scorpius und erklärte gestenreich: »Stell dir vor, seit Monaten wird diese pompöse Hochzeit geplant und am Stichtag steht Rosie im Ankleidezimmer und erklärt ihren Brautjungfern, sie könnte das nicht. Es würde sich nicht richtig anfühlen und Bla. Wer durfte sie als demnach entführen? Ich!« Wütend sah er seine Cousine an. »Im Gegensatz zu mir, ist Cooper ein Auror der B-Klasse, wie du dir vorstellen kannst, hätte ich eindeutig den Kürzeren gezogen. « »Da du noch lebst, denke ich, dass es zu keinem Duell kam. « Fred sah seinen besten Freund verstimmt an. »Verstärkung hätte ich aber trotzdem gebraucht. « Sie sahen alle drei einander an und zum ersten Mal konnte Scorpius das Lächeln ehrlich und ungezwungen erwidern. Ganz plötzlich durchbrach Fred das Dreieck, indem er Scorpius auf die Schulter klopfte und sprach: »Entschuldigt mich kurz, ich muss…«, er hielt inne. »… verdammt, ich brauche keinen Grund um hier abzuhauen! « Fred verließ die Terrasse und Scorpius sah ihm nach. Als er den Blick wieder Rose zu wandte, hatte diese sich gegen das Gelände gelehnt und musterte ihn. Ihre Stimme hatte einen sanften, wenn auch leicht verstimmten Klang. »Scorpius, warum hast du uns den Pakt nicht beenden lassen? « Er sah sie an, musterte jede einzelne Sommersprosse und trat zu ihr. »Weil es besser für mich war. « Rose schwieg, schließlich rechte sie das Kinn. »Wer ist This girl? « »Wie bitte? « Der Malfoy steckte die Hände in die Hosentasche und blieb stehen. Ein halber Meter trennte sie voneinander. Statt verunsichert zu sein, begann Rose sich ruhig zu erklären: »Dein erstes Buch, ich habe es gelesen. Sogar mehrmals und stell dir vor, ich habe viele Leute wieder gefunden. Der beste Freund von Zalex, dieser Gregor, er passt auf Fred. Dann ist da dieser Geist, er hat Ähnlichkeit mit Professor Neville…« Scorpius lachte. »Worauf willst du hinaus? « »Wer ist Ysobell? « Das Gesicht der Weasley war ernst, beinahe schon ängstlich, aber dennoch entschlossen. »Wer ist die Frau, in die du dich verliebt hast? « Es war einer dieser Augenblicke, in denen sich der Nebel nieder legte und die Welt für Scorpius plötzlich so klar war, wie das schlagen seines Herzens. In einem einzigen Atemzug konnte sich alles entscheiden. Jede Silbe konnte die Wendung bringen und jede Regung ihn die Klippe herunter stürzen lassen. Doch Scorpius hatte den Abgrund seit Italien hinter sich gelassen. Alles was kommen möge, würde er überleben. Doch in diesem Moment zählte die ehrliche und aufrichtige Wahrheit. Und er gab sie Rose. »Du.« E n d e Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)