Großstadtherzen. von xSnowPrincess (Sasuke & Sakura) ================================================================================ Kapitel 1: Grau, durchsichtig & farblos. ---------------------------------------- G r o ß s t a d t h e r z e n . Kapitel 1: Grau, durchsichtig & farblos. . . . Grau ist die Farbe der Hoffnungslosigkeit. Alltäglich. Für Sakura Haruno war es ein ganz alltäglicher Abend, nach einem noch alltäglicheren Tag. Es war, als wachte sie morgens auf, nur um Abend wieder ins Bett zu steigen und am nächsten Morgen erneut aufzustehen. Alles kam ihr so leer vor. So gewöhnlich. Schrecklich langweilig. Jeden Tag sah sie dieselben, engstirnigen, einfältigen Menschen. Menschen, die genau wie sie in der Millionenmetropole Tokio unterzugehen schienen. Manchmal fürchtete sie sogar, einfach so vergessen zu werden; von den großen, grauen Bürokomplexen und Wolkenkratzern erdrückt zu werden. Denn egal wo Sakura hinging, wirklich alleine war sie nie. Überall auf den Straßen und in den öffentlichen Gebäuden drängten sich die Menschen dicht an dicht. Niemand schien auch nur auf die Idee zu kommen, dass es einfach zu voll war. Dass Tokio zu klein für so viele Menschen war. Für so viele verschiedene Leben und die damit verbundenen Geschichten. Doch merkwürdigerweise war es so; je größer die Menschenmenge war, desto einsamer fühlte sie sich. Sie war immer einsam. Auf sich allein gestellt. Es war schon merkwürdig wie seltsam verlassen man sich fühlen konnte, obwohl überall um einen herum Menschen waren. Wie anders, fast so, als gehöre man nicht dazu, als stünde man am Rand, oder vielleicht eher so, als würde man durch eine durchsichtige Scheibe auf das Geschehen der Welt sehen. Beinahe so, als würde es einen gar nicht geben, als existiere man nicht ... als wäre man durchsichtig wie ein Gespenst, als wäre man nur ein unsichtbares, gesichtsloses Phantom. Sakura war vor Jahren aus einem kleinen Dorf hergezogen, weil sie einen besser bezahlten Job haben wollte. Und nun arbeitete sie in einem stickigen, kleinen Büro, welches sie sich mit drei anderen Kollegen teilen musste. Alles war so eng. So grau. Farblos. Und von einem ‚gut bezahlten Job’ konnte man auch nicht wirklich sprechen. Sakura lebte Tag für Tag ihr Leben. Und es war vollkommen egal, wie sehr es sie anödete, weil es keinen Ausweg zu geben schien. Sie konnte wohl kaum einfach weggehen. Wobei ... die Vorstellung, in ihr sonniges Heimatdorf, mit den vielen, netten Menschen und dem Kindergelächter zurückzukehren, sie in einen Freudentaumel versetzte. Doch es war nur ein kleiner Traum, eine Art Wunsch. Innerlich wusste sie sehr genau, dass es überhaupt nicht in Frage kam, dorthin zurückzugehen. Mit diesem unbedeutenden Fleck auf der Landkarte waren zu viele traurige, unschöne, dramatische Erinnerungen verbunden. Sie würde dort ebenso wenig glücklich werden, wie in Tokio. Denn das Dorf mochte rein oberflächlich besser als diese gottverdammte Großstadt erscheinen, doch auf den zweiten Blick, war man irgendwo im Nirgendwo, fernab, von allem Leben und auf Dauer war es ihr dort auch zu ruhig. Zwar verabscheute sie gleichzeitig auch die Hektik in der Großstadt, aber dafür wimmelte es hier nur so von Leben. Zu viel Leben, in totem, grauen Stein. Sie fühle sich hoffnungslos verirrt in den Wegen des Lebens. Wehmütig hob Sakura ihren blick gen Himmel. Er war grau. Dichte Wolken zogen über ihn herab. Es regnete nicht, aber für Sakura wäre der Regen eine Art Lichtschimmer gewesen. Wasser bedeutete Leben. Doch hier war nichts. Alles war so widersprüchlich. Es passte nicht. Sie wusste nicht ob sie diese Stadt hasste oder liebte, ob sie ihr Heimatdorf mochte oder nicht, oder ob es nur an ihrem merkwürdigen, verkorksten Wesen lag. Sakura Harunos Leben war nicht gerade einfach, aber das war es genauso genommen noch nie gewesen. Keiner führte vermutlich ein perfektes Leben – und überhaupt, wie definierte man perfekt? - , aber in dem von Sakura war nichts wie es sein sollte. Nie funktionierten die Dinge wie sollten. Aber wie viele Menschen hatten wohl ein ähnliches Schicksal? Es kam unheimlich oft vor, dass Sakura glaubte in den Augen der Menschen die ihr entgegenkamen, Verbittertheit sehen zu können. Alles schien so aussichtslos wie in einem Gefängnis. Sie fühlte sich eingeengt; eingesperrt. Offenbar war es ihr nicht vergönnt ihr Glück in der großen Stadt zu finden ... aber das mit dem Glück ist eh so eine Sache für sich. Glück lässt sich gewiss nicht definieren, denn es bedeutet für jeden etwas Anderes. Jeder muss für sich selbst entscheiden was ihn glücklich macht und was Glück bedeutet. Nur traurigerweise wusste Sakura nicht was sie glücklich machte. Sie hatte noch keine Definition von Glück gefunden, die für sie galt. Vielleicht hatte sie auch einfach bloß sich selbst noch nicht gefunden ... oder sie hatte sich einfach irgendwann verloren – man neigt leider oft dazu sich im Strudel der voranschreitenden Zeit zu verlieren. Irgendwann fing es an zu regnen. Zuerst waren es nur ein paar Tröpfchen, aber dann wurde es schnell mehr. Es dauerte nicht lange bis sich die Lichter der Autos auf dem nassen Straßenasphalt spiegelten. Sakura lief durch den Regen an vielen Menschen vorbei, doch für Sakura hatten sie alle keine richtigen Gesichter. Nur Fassaden. Abbilder von Menschen, die nichts als Schatten ihrer Selbst waren. Fast alle um sie herum hatten Regenschirme aufgespannt, die meisten davon waren schwarz und das sagte ihrer Meinung nach viel über den Gefühlszustand jener Personen aus ... dabei war schwarz eigentlich gar nicht so schlimm. Grau war viel schlimmer. Es war so viel mehr farblos als schwarz. Manche Menschen pflegten zu behaupten schwarz sei gar keine Farbe, ebenso wenig wie weiß, dies seien nur Zustände von Licht, aber Sakura glaubte eher, dass grau keine richtige Farbe war. Mehr so ein Zwischending, etwas, was nirgendwo richtig hineinpasst, etwas das trostlos und absolut farblos ist. Sie war genauso. Sakura war grau. . . . Braun ist Farbe der Stabilität. Völlig erschöpft, eigentlich ohne den ganzen Tag über etwas wirklich Erschöpfendes getan zu haben – es war wohl eher mentale Erschöpfung – kam Sakura in ihrem Appartement an. Es war klein und es lag auch in einer nicht so berauschenden Gegend. Keine Wolkenkratzer, dafür aber hässliche, genauso graue Mehrparteienhäuser. Es war überall das Gleiche. Es war wie verhext. Sie schob sich irgendeine Tiefkühlpizza in den Ofen, eigentlich ernährte Sakura sich nur von Tiefkühlpizza und ähnlicher Kost. Abends hatte sie einfach keine Zeit – wobei dass eigentlich nur eine Ausrede war, denn in Wirklichkeit fehlte ihr die Lust, die Motivation, einfach alles. Während es draußen langsam dunkel wurde, änderte sich der Gemütszustand der jungen Frau ein kleinen wenig. Sie liebte die Nacht, den Sternenhimmel... es war als könnte die Dunkelheit sie beschützen. Sakura nahm die Nacht nicht als Bedrohung wahr, sondern als Chance. Als einen Rückzugsort. Meistens saß sie abends vorm Fernseher, oder sie klickte sich ins Internet, doch wie jeden Abend wusste sie auch heute nicht was sie sich im TV anschauen sollte, oder was sie im Internet machen sollte. Ihr fehlte der Sinn, Sakura fehlte die Aufgabe die einen Menschen am Leben hielt, die Aufgabe, die ihn überhaupt leben ließ; kämpfen ließ. Die Rosahaarige hatte sich eine Wolldecke geholt und aufs Sofa gekuschelt. Am liebsten wäre sie schlafen gegangen, im Schlaf war alles so viel einfacher. Keine Probleme, keine Gedanken an morgen, keine Sorgen.... nur Ruhe. So viel angenehme, schöne Ruhe. Schlafen war viel ... besser als wach sein. Wach sein kostete Kraft, herumlaufen, reden, leben kostete so unendlich viel Kraft. Schlafen war leichter. Sterben auch. Plötzlich schreckte Sakura hoch. Es hatte geklingelt. Und ohne dass Sakura Haruno es wusste, war dieses Klingeln ein Flügelschlag des Schicksals. Des Schicksals, dass beschlossen hatte endlich in dieses trostlose Leben einzugreifen, ein Leben zu retten, ihr Leben zu retten… irgendwie. Verwirrt quälte Sakura sich aus ihrer Wolldecke. Es war zwar erst sieben Uhr abends, aber für gewöhnlich bekam sie um diese Uhrzeit keinen Besuch mehr. Genau genommen bekam sie nie von irgendjemandem außer vielleicht vom Postmann Besuch. Dementsprechend überrascht, vielleicht sogar geschockt war sie auch. Für einen Augenblick überlegte sie einfach sitzen zu bleiben, aber schließlich entschied sie sich doch anders. Selbst eine so kleine, so nebensächliche Entscheidung kostete so viel Überwindung, soviel Mut... jedenfalls öffnete sie die Tür. Und dann setzte ihr Herz aus. Hörte auf zu schlagen. Stand still. Ino Yamanaka. Sie stand im Treppenhaus. In Sakuras Treppenhaus. Ino Yamanaka. Sie trug die Haare anders als früher. Ein wenig kürzer. Es was auch nicht mehr ganz so strahlend blond, ihre Augen leuchteten nicht mehr so wie in der Vergangenheit und überhaupt ihre ganze Erscheinung war verändert. Sie war blass im Gesicht und sie trug lockere, nicht figurbetonte Kleidung. Unglaublich was sechs Jahre aus einem Menschen machen können... doch was noch viel Unglaublicher war, war die Tatsache dass neben der Blondine ein kleines Mädchen stand. Sakuras erster Gedanke war, dass sie aussah wie eine Ino im Miniformat. Hellblonde Haare, blaue Augen und genau dasselbe Lächeln wie Ino es einst gehabt hatte. Doch gleich dessen, am liebsten hätte Sakura die Tür zugeknallt, sofort, auf der Stelle. Es war als währe etwas in ihr Leben eingedrungen, was dort keinen Platz hatte. Nicht mehr jedenfalls. Sie wollte Ino aus ihrem Leben sofort wieder streichen, sie vergessen. Sie hatte diese Frau verdrängt, Sakura hatte damit abgeschlossen. Sie wollte nicht dass diese Erinnerrungen wieder ans Tageslicht kamen. Sie waren gut versteckt in einer der dunkelsten Ecken ihres Herzens und dort sollten sie auch verweilen. Das war Vergangenheit, Ino war Vergangenheit, ihre alte Freundschaft war Vergangenheit. Lüge. Eine unheimliche Stille breitete sich aus. Es war so mucksmäuschenstill, Sakura wagte nicht zu atmen. Sie und Ino taxierten sich lediglich. Ihre Augen trafen sich. Grün traf auf Blau und es war als könnte man die Spannung zwischen ihnen spüren. Alles was zwischen ihnen lag – und das waren mittlerweile Welten – schien sich wie eine unüberwindbare Mauer zwischen den beiden Frauen aufzubauen. Aber da war noch dieses kleine Mädchen. Sie hatte geflochtene Zöpfe und sie zeigte Sakura stolz ihre Milchzähne und eine große Zahnlücke. Es dauerte einen Moment bis die junge Frau begriff dass das Kind ihr zulächelte. Es versuchte. Ino erhob ihre Stimme, es war nur ein Flüstern, ein Hauch von Wörtern, fast so, als würde es der Blondine alles abverlangen was sie hatte. »Ich weiß, dass kommt jetzt wahrscheinlich sehr plötzlich für dich Sakura... aber wir – wir müssen reden... ich möchte mit dir reden...bitte.« Flehende Augen. Flehendes Gesicht. Gezwungenes, künstliches Lächeln. Sakura fing an überheblich zu lachen. »Du tauchst nach sechs Jahren ohne ein Wort, ohne einen Anruf und ohne irgendein Lebenszeichen vor meiner Tür auf und willst reden?«, erwiderte sie ungehalten und mit kalter Wut in der Stimme. Schlimmer konnte ihr Leben wirklich nicht mehr werden. »Ich wusste dass du so reagierst...«, murmelte Ino, doch bevor Sakura etwas sagen konnte, schnitt die Blondine ihr das Wort ab. »Ich hab einen Fehler gemacht, Sakura, ich weiß das. Aber du ... du hast dich auch nie gemeldet ... « »Soll das heißen es ist meine Schuld, ja?«, fragte Sakura und ihre Stimme wurde lauter. Ihr Leben war kompliziert genug, auch ohne eine Ino Yamanaka. Auch ohne ihre Probleme... »Nein«, sagte Ino hastig. »Es ... ich wollte mich melden... ich habe oft an dich gedacht ... aber ... ich – ich hatte Angst vor deiner – na ja, vor deiner Reaktion. Ich hatte Angst dass du genauso reagierst wie du es jetzt tust... du warst immer meine Freundin, in all den Jahren, nein, trotz all den Jahren...« Es fühlte sich so an als würde etwas auf ihr Herz einstechen. Sakuras Gedanken wirbelten herum. Hatte sie nicht all die Jahre genau das Selbe gedacht? Hatte sie nicht überlegt wie es wäre wenn sie bei Ino anrufen würde? Wenn sie fragen würde wie es der Blonden gehe? Sie musste sich eingestehen, dass sie oft so gedacht hatte, Szenarios im Kopf durchgegangen war... es war eine wirklich dumme Angewohnheit von Menschen Dinge aufzuschieben, über sie nachzudenken, es aber letztendlich nicht zu verwirklichen.... »Ich weiß ich habe kein Recht dazu, Sakura«, fuhr Ino fort. Ihre Stimme zitterte und das Kind neben ihr warf ihr und Sakura abwechselnd nervöse Blicke zu. »Ich habe kein Recht dich um ein Gespräch zu bitten, um deinen Rat, um deine Hilfe... aber ich tue es trotzdem, weil ich nicht weiß an wen ich mich wenden soll ... weil – weil du nach all den Jahren immer noch die Person bist, der ich am allermeisten vertraue... meine Freundin.... lass uns bitte reden, Sakura.« Die Rosahaarige war so unglaublich durcheinander. Was sollte das alles? Warum? Was hatte sie nun schon wieder falsch gemacht? Womit hatte sie das schon wieder verdient? Wieso tauchte Ino Yamanaka plötzlich auf, weshalb drang sie auf einmal wieder in ihr Leben ein und wer war das kleine Mädchen? »Mommy, ich hab Huuuunger...« Die Worte hingen in der Luft, schwebten, fielen nicht herunter. Für einen Moment verschlug es Sakura Haruno die Sprache. Mommy? Die Miniausgabe von Ino zupfte am Ärmel der Älteren herum und in ihrer Stimme lag eine Menge Trotz. Ihre kindlichen Augen starrten erwartungsvoll zu Ino hoch, die wiederum Sakura einen nervösen Blick zuwarf. »Du- du hast eine Tochter?«, sprudelte es aus Sakura heraus. Ino seufzte, nickte dann und warf dem Kind einen liebevollen, wenn auch irgendwie traurigen Blick zu. »Sakura... dass ist Miyako, sie ist vier Jahre alt und ja, sie ist meine Tochter.« »Ich wusste nicht ...«, stammelte Sakura hervor. »Wer- wer ist der Vater?«, setzte sie hinzu, doch plötzlich wurde die Stimmung im Treppenhaus eisig. Inos Haltung änderte sich wie auf Kommando. Sie schien noch ein wenig mehr zusammenzusacken und Sakura meinte Tränen in ihren Augen zu erkennen. Sogar die kleine Miyako wirkte auf einmal viel weniger fröhlich und kindlich. »Deshalb möchte... muss ich ja mit dir sprechen, Sakura«, erklärte Ino und packte ihre Tochter bei der Hand. »Können wir vielleicht drinnen weiter sprechen? Miyako hat den ganzen Tag lang noch nichts gegessen und sie ist müde...« Irgendetwas und Sakura wusste nicht was es war, bewog sie dazu Ino hereinzulassen. In ihre Wohnung, in ihren Kopf, in ihr Leben, in ihre Welt. Vielleicht um ihrer alten Freundschaft willen. Vielleicht weil da immer noch etwas wahr... vielleicht weil man einen Menschen der einem einmal wirklich viel bedeutet hat nie wieder vergisst... vielleicht weil ihre Freundschaft nach all den vergangenen Jahren noch immer eine gewisse Stabilität hatte, weil die Wurzeln noch da waren.... vielleicht aber auch aus Mitleid, oder einfach aus Neugier. Im Endeffekt hatte Sakura das Gefühl, als würden ihre Probleme und Sorgen nicht abnehmen, sondern eher weiter zunehmen. Und es war kein schönes Gefühl. . . . Schwarz ist die Farbe der Trauer. Wie ein dichter Schleier hüllte die Anspannung Sakura Haruno und Ino Yamanaka ein. Es fühlte sich an als sei die Luft zwischen ihnen elektrisch aufgeladen. Miyako saß ein wenig abseits am Wohnzimmertisch. Sakura hatte ihr Orangensaft eingeschüttet, ihr ein Blatt Papier und ein paar bunte Stifte, die sie irgendwie auf die Schnelle hatte auftreiben können, in die Hand gedrückt. Konzentriert kniete das Kind auf dem Boden, während es malte. Die Zunge hing ihr aus dem Mund heraus und es wäre sicherlich ein süßer Anblick gewesen, doch in Sakuras Kopf herrschte heilloses Durcheinander. »Danke für den Tee«, flüsterte Ino leise. »Warum bist du hier?«, entgegnete Sakura. Sie hatte genug von den Höflichkeiten, genug von Allem. Sie fühlte sich schlapp und schläfrig, sie wollte ihre Ruhe haben, allein gelassen werden. Und irgendwie aber auch nicht. »Es .. es geht um Miyakos Vater«, begann Ino leise. »Ich weiß um ehrlich zu sein nicht so recht wo ich anfangen soll... du kennst ihn«, meinte sie und wärmte ihre Hände an der Teetasse. Sie sah fertig aus. Sie sah ein wenig so aus, wie Sakura sich momentan fühlte. Komplett am Ende. »Wer ist es?«, fragte Sakura sofort. Sie war sich nicht sicher ob sie die Wahrheit hören wollte oder nicht. Ino tauchte nach all den Jahren hier auf und alles war anders, alles war neu. »Naruto Uzumaki«, antwortete Ino. »Der Naruto Uzumaki?«, wollte die Rosahaarige erschrocken wissen. »Reden wir von Chaos-Uzumaki? « Ino nickte zögernd. »Mit dem Alter kommt die Reife, sagt man doch... er ist im Laufe der Jahre vernünftiger und erwachsener geworden... er hat sich verändert, verstehst du?« Sakura wusste nicht ob sie verstand, genauso genommen wusste sie gar nichts. Also antwortete sie mit einer Gegenfrage. »Okay... was ist mit ihm?« Am liebsten hätte sie gerne mehr gewusst, mehr gefragt. Wie die beiden zusammen gekommen waren, wie das Familienleben aussah, solche Dinge. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl kein Recht auf Antworten zu haben. Sie besaß kein Recht dazu sich irgendwo einzumischen. Nicht nach all den Jahren, in denen auch sie sich nie gemeldet hatte. Nie. »Er – er – wir waren bei meinen Eltern, Sakura. Zu Besuch... wir wollten eigentlich an einem Dienstag zurückfahren... aber er wollte unbedingt vorfahren und Miyakos Geburtstagsfeier vorbereiten... also ist er schon Montagnacht losgefahren und - und ..«, sie stoppte und schlug die Hände vors Gesicht. »Wir haben ihn nie wieder gesehen.« Sakura wusste nicht was sie sagen sollte. Sie konnte nur die Hand vor den Mund schlagen. So viele Gedanken und Gefühle ... Eindrücke und Erinnerungen ... sie konnte sie nicht verarbeiten. Alles war zu voll. Viel zu voll. Es fühlte sich an als würde eine Welt zusammenbrechen, die gerade erst aufgebaut worden war. Tot ... weg ... tot. Naruto Uzumaki .... früher waren Sakura und er Freunde gewesen und jetzt war er tot? Einfach so. Sakura warf Miyako einen Blick zu, sie war noch immer eifrig am Malen, was vermutlich auch besser so war. »Es... es ist nicht einfach, aber ... aber die Welt dreht sich weiter«, versuchte Ino tapfer so zu tun, als sei alles in Ordnung, aber brauchte keinen Detektiv um zu sehen und zu spüren, dass es nicht in Ordnung war. In ihren Augen schwammen Tränen, sie versuchte sie wegzulächeln. »Ich meine ich muss stark sein, nicht wahr? Für uns beide«, fügte sie hinzu und warf ihrer Tochter einen Blick zu. »Das Problem ist eben nur ich weiß nicht wie ich es machen soll... ich habe einen kleinen Job in einer Bar hier in der Stadt, ich hab ein paar Bewerbungen geschrieben ... aber es kommt aufs Selbe hinaus. Ich habe nicht genug Geld für eine Wohnung oder ein Hotel. Die letzten Wochen habe ich bei einer meiner Arbeitskolleginnen geschlafen... aber das ist keine Dauerlösung und ich kann Miyako nicht mehr länger bei meinen Eltern lassen. Sie dreht da durch... ohne ihren Vater und ohne ihre Mutter... also habe ich sie abgeholt... ich kann weiterhin bei meiner Kollegin schlafen, aber ich will auch Miyako in meiner Nähe haben... und ich schlafe auf der Couch, da ist nirgends ein Platz für ein Kind ... ich weiß nicht mehr weiter. Ich weiß ja nicht einmal was ich hier bei dir will... was ich überhaupt erwarte... ich weiß es einfach nicht.... « Sakura schwieg. Es war fürchterlich Ino in so einer Situation zu sehen. Es tat weh sie so zu sehen. Zu wissen, dass sie niemanden mehr hatte, zu wissen, dass Naruto tot war, zu wissen dass Miyako ohne Vater aufwachsen musste. »Was ist mit der Witwenrente?«, wollte die Rosahaarige leise wissen. Vielleicht war das taktlos oder unangebracht, aber Sakura hatte es nicht so mit Gefühlen. Sie konnte sie nicht so zeigen wie sie es wollte, meistens behielt sie sie deshalb lieber für sich. Ino ließ ein hysterisches Lachen verlauten. »Witwenrente? «, wiederholte sie immer noch hysterisch lachend. »Das ich nicht lache«, bemerkte sie trocken. »Anspruch auf Witwenrente haben nur verheiratete Frauen, Sakura.« Es schlug ein wie ein Blitz. »Ihr seid – wart – nicht verheiratet?« Im nächsten Augenblick wusste Sakura Haruno einfach, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, dass sie eine unsichtbare Linie überschritten hatte. Es war nur ein Gefühl, aber eines von der Sorte, das einem das Herz schneller in der Brust schlagen lässt, in Erwartung dessen, was als Nächstes geschehen würde. Ino schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nein«, sagte sie – wobei piepste wohl der bessere Ausdruck war. »Er .. «, sie schluckte. »Wir wollten...«, flüsterte sie, während sie unruhig mit ihren Händen spielte. »Er hat mir einen Antrag gemacht... « Sakura sah, wie die ersten Tränen über die Wangen der Blondine liefen. Sie versuchte sie wegzuwischen, doch wischte sie eine weg, waren schon zwei neue da. »Am Abend .. am Abend bevor – bevor ...«, sie stotterte und atmete völlig unregelmäßig. Sakura fühlte sich so hilflos. Was sollte sie tun? Was konnte sie tun? Wie sollte sie sich verhalten? Wie tröstete man einen Menschen, munterte ihn auf, wenn einem selbst zum Zusammenbrechen zu Mute war? »Am Abend bevor er gestorben ist«, brach es schließlich aus der Blondine heraus, doch dann war alles vorbei. Die Tränen hörten nicht mehr auf, es wurden immer mehr, hinzu kam lautes Schlurzen. Es war sinnlos so zu tun als wäre nichts, auch wenn zehnmal ein kleines Kind anwesend war. Sakura konnte sich nur zu gut vorstellen wie Ino ihre Trauer und ihren Kummer für ihre Tochter hinuntergespielt und zurückgestellt hatte. Es war wie sie gesagt hatte. Sie musste stark für zwei sein ... aber es schien als würde die ganze Last, die auf den Schultern der Blondine lag, mit einem Mal über ihr zusammenbrechen... »Mommy? Mommy, was ist los? Mommy warum weinst du?« Miyako hatte aufgehört zu malen. Sie kam zu Sakura und Ino herüber. Mit großen Augen stand sie vor dem Tisch, an dem ihre Mutter und Sakura saßen. Letztere sah vor ihrem inneren Auge eine Katastrophe herannahen. Sie musste etwas unternehmen, sie war jetzt für die zwei Blondinen verantwortlich, da konnte sie nicht vor fliehen, sie musste sich dem stellen. Hier und jetzt. Ino versuchte die Tränen unter Kontrolle zu bringen, doch es gelang ihr nicht richtig. »Mami hat nur was im Auge, Schatz«, presste sie hervor. »Ist schon gut«, flüsterte Sakura ihr schließlich zu und strich ihr behutsam über den Kopf. »Ich mach das.« Das waren große Worte wenn man bedachte, dass Sakura nie mit Kindern zu tun hatte und absolut keinen Schimmer hatte was sie tun sollte um die Kleine zu beruhigen, denn die Tränen einer Mutter verletzten immer auch das Kind. »Hör mal Miyako, deiner Mami geht’s gut... möchtest du nicht weiter malen? Du hast das eben so schön gemacht...« Vermutlich war Sakura nicht besonders gut darin zu trösten. Aber was sollte sie schon tun? Mit Kindern hatte sie noch nie besonders hervorragend umgehen können, ihr ging es selbst nicht gut, Ino stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch und alles war einfach zu viel. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf umher, nichts war mehr an Ort und Stelle, alles schien mit einem Mal so viel komplizierter, so durcheinander und ungeordnet.... »Wenn du magst, dann können wir zusammen etwas malen«, versuchte die Rosahaarige die Situation irgendwie zu retten, aber Ino machte die Situation nicht besser, weil sie unablässig weinte. Sakura konnte es ihr allerdings nicht verübeln, im Gegensatz, es versetzte ihr schmerzhafte Stiche. Sie empfand nichts als pures Mitleid. Miyako warf ihrer Mutter nervöse Blicke zu und dann hielt sie Sakura ihr gemaltes Bild vor die Nase. »Glubsch mal«, sagte sie schniefend, aber mit einem breiten Grinsen. »Das hab ich für Mami gemalt, dass macht sie wieder glücklich.« Sakuras betrachtete die Kinderzeichnung und es war zu viel für sie. Endgültig. Eine Familie ... ein Vater, eine Mutter und ein Kind... lachend, unter der Sonne. An einem See. Drumherum Bäume. Die Familie hielt sich an den Händen und über die Köpfe der Menschen hatte Miyako in krickeliger Schrift drei Namen geschrieben. Mama, Miyako – und Papa. Sakura kämpfte nun selbst mit den Tränen. Sie nahm dem Mädchen das Papier aus der Hand und legte es auf den Boden. Das musste Ino nicht sehen. Es würde sie nicht glücklich machen. Aber wie sollte ein vierjähriges Mädchen das bitteschön verstehen? In Sakuras Augen sammelten sich Tränen und sie hatte enorme Schwierigkeiten sie irgendwie zurückzuhalten. »Komm Miyako«, flüsterte sie mit zitternder Stimme. Ino schien von ihrer Umgebung nichts mehr mitzubekommen. »Es ist schon spät, Zeit fürs Bett... du kannst heute Nacht bei mir schlafen...« Miyako schien verwirrt, wenn nicht sogar irgendwie misstrauisch, aber Sakura wandte sich nun Ino zu. Sie erhob sich und strich der Blondine durchs Haar. Dann sagte sie leise zu ihr: »Es tut mir Leid, so sehr... ich – ich bringe sie ins Bett und dann komme ich wieder... Ino ihr könnt bleiben so lange ihr wollt, so lange ihr müsst... ihr beide.« Ino signalisierte durch ein besonders lautes Schniefen dass sie verstanden hatte und dass es okay war. Sie brachte ein Lächeln zu Stande und sagte zu ihrer Tochter: »Ist schon okay, Süße. Geh mit Sakura, Mami muss nur schauen, was in ihrem Auge wehtut.« Aber in Wirklichkeit war natürlich rein gar nichts okay, nicht einmal annährend. Weder bei Ino, noch bei Sakura, noch bei Miyako. Bei niemandem, für niemandem. Die Welt war ein Stückchen dunkler geworden. Noch dunkler als vorher. Dunkelgrau. . . . Weiß ist die Farbe der Reinheit. Sakura führte Miyako in ihr Badezimmer. Es war klein und nicht besonders schön. Aber immerhin sah es einigermaßen aufgeräumt auf. Sie hatte keine Gäste erwartet und wenn sie ehrlich war, dann sah man das ihrer Wohnung auch an. Die Kleine schien sich nicht besonders wohl zu fühlen, aber sie gähnte. »Du scheinst müde zu sein«, stellte Sakura leise fest, aber in Wirklichkeit war es eigentlich sie selbst die sich müde und ausgelaugt fühlte. Miyako schüttelte schnell den Kopf. »Kura«, sagte das Mädchen und starrte Sakura mit großen Augen an. »Mein Name ist Sakura«, verbesserte Sakura und versuchte ein Lächeln hinzukriegen, es gelang ihr nicht allzu gut. Sie lächelte einfach viel zu selten. »Ich weiß«, erwiderte Miyako ungehalten und fing an zu kichern, »aber Kura ist viiiiel schöner.« Sie zog das viel in die Länge und grinste jetzt eher verlegen. Sakura wusste nicht so wirklich wie sie damit umgehen sollte, mit der Situation, mit diesem Kind. »Wie alt bist du denn Miyako?«, fragte sie schließlich um das Thema zu wechseln. Miyako nickte eifrig und ein sehr stolzer Gesichtsausdruck bildete sich. »Vier! Ich bin schon ein gaaanz großes Mädchen! Ich hab sogar schon mal einen Löwen gesehen«, fügte sie hinzu und setzte ein wunderschönes Lächeln auf. Es war eines der allerschönsten Lächeln die Sakura je gesehen hatte. Sie wusste nicht was ein Löwe damit zu tun hatte, aber Kinder neigten dazu genau solche, unerwarteten Dinge zu tun oder zu sagen. Und es war merkwürdig, aber Sakura spürte, dass auch sie lächelte. Ehrlich lächelte. Nachdem Miyako sich die Zähne geputzt hatte und Sakura ihr eines ihrer Shirts gegeben hatte, damit sie schlafen gehen konnte – Ino hatte keine Koffer mitgebracht – brachte Sakura sie in ihr Schlafzimmer. Mittlerweile hatte Miyako sich wieder halbwegs beruhigt. Man merkte ihr an, dass sie traurig war, aber auf der andern Seite überwog auch ihre Müdigkeit... irgendwie jedenfalls. »Woah hast du ein großes Bett, Kura«, meinte Miyako, die Sakuras Shirt gut und gerne als langes Nachthemdchen tragen konnte. Sie sprang förmlich auf das Bett, krabbelte unter eine der Decken und zog sie sich fast bis zu den Augen hoch. Obwohl Sakura ihren Mund jetzt nicht mehr sehen konnte, wusste sie dass Miyako lächelte. »Kommt Mami noch und gibt mir einen Gutenachtkuss?«, wollte sie wissen und mit jedem Satz, mit jedem Wort, jedem Blick und jedem Lächeln, entwickelte Sakura mehr Sympathie für dieses kleine Mädchen. »Ich - «, sie wusste nicht was sie sagen sollte. Miyako blickte zur Seite. »Kannst du mir dann einen Gutenachtkuss geben?«, fragte sie leise und mit sehr trauriger Stimme. »Bitte. « Sakura war heillos überfordert, aber letztendlich beugte sie sich über Miyako und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Wange. Miyako kannte sie gerade einmal ein paar Stunden, vertraute ihr aber offenbar schon so unendlich sehr... dies war eine Eigenschaft die Kinder haben und die Erwachsene im Laufe des Lebens oft verlieren. Kinder sind rein und unbefleckt, unschuldig und noch nicht von der Gesellschaft beeinflusst und manipuliert. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie es bei Erwachsenen der Fall ist. »Gute Nacht, Miyako«, flüsterte Sakura und wollte das Zimmer verlassen, sie wollte, musste, zu Ino. Sie wollte gerade das Licht ausknipsen, doch Miyako kam ihr zuvor. »Kura«, murmelte sie. »Ich mag nicht wenn das Licht aus ist... «, sagte sie und ihre Stimme klang verängstigt und so - unbeschreiblich – traurig, irgendwie. Sie hatte also auch noch Angst im Dunkeln. Wunderbar. Gut für die Stromrechnung. Genug gedanklicher Sarkasmus, ermahne Sakura sich. Im nächsten Augenblick verachtete sie sich selbst für ihren Sarkasmus. »Na schön... dann ... dann lasse ich es eben an...«, erwiderte sie schließlich, ehe sie den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Es war schon okay dass Miyako in ihrem Bett schlief. Es war auch okay, dass sie Angst im Dunkeln hatte. Schlaf finden würde Sakura in dieser Nacht vermutlich sowieso nicht. Ausgeschlossen. Dafür war viel, viel, viel zu viel passiert und geschehen. Irgendwer oder irgendetwas hatte wohl beschlossen endgültig alles aufzuwirbeln, kaputtzumachen und durcheinander zu bringen. Eines war Sakura Haruno klar. Die Geschehnisse dieser Nacht würden ihr Leben mit Sicherheit nicht einfacher machen. Ganz und gar nicht. Kapitel 2: Grau & ein paar Farbtupfer. -------------------------------------- G r o ß s t a d t h e r z e n . Kapitel 2: Grau & ein paar Farbtupfer. . . . Lila ist die Farbe der Melancholie. Wenn Sakura Haruno bisher dem Irrglauben verfallen gewesen war, sie führe bereits ein Leben, welches anstrengender und belastender nicht sein konnte, so hatte das Schicksal sie definitiv eines besseren belehrt. Diese Nacht war mit Abstand die allerschlimmste ihres Lebens gewesen. Sie war mit Ino wach geblieben und hatte einfach nur solidarisch neben ihr gesessen. Geredet hatten sie kaum – es war nicht Sakuras Stärke Konversation auf dieser Ebene zu führen. Sie wusste einfach nicht wie sie es anfangen sollte, wie sie trösten sollte, was sie sagen sollte ... sie war ratlos gewesen, also hatte sie lieber geschwiegen. Irgendwann war Ino mit dem Kopf auf dem Tisch eingeschlafen, woraufhin Sakura Ino irgendwie aufs Sofa bugsiert, und sie zugedeckt hatte. Sakura selbst hingegen war die ganze Nacht über wach geblieben. Mittlerweile war die Sonne am Aufgehen. Sakura stand am Fenster und sah in den rötlich eingefärbten Himmel. Sonnenaufgänge hatten etwas Poetisches. Für Sakura waren sie gewissermaßen ein Symbol für Leben. Jeden Tag kam und ging die Sonne. Machte weiter. Lebte. Nichts konnte sie am Aufgehen hindern, nichts konnte sich der Sonne in den Weg stellen.... und dabei ging es nur um einen banalen Sonnenaufgang. Aber es war immer so, sie interpretierte viel zu viel in manche Dinge hinein. Sie wollte das manche Dinge eine größere Bedeutung hatten, warum wusste sie nicht. Vielleicht wollte sie sich selbst kleiner darstellen als sie eigentlich war oder vielleicht ergötzte sie sich auch in ihrem eigenen Mitleid – Sakuras Gehirn wäre mit Sicherheit ein Fest für jeden Psychologen gewesen. Sakuras Kopf tat weh vom vielen Nachdenken, sie hatte es mit Kopfschmerztabletten versucht, aber es hatte nicht geholfen. Sie hatte sogar gleich zwei geschluckt – eine half ihr sowieso nie. Am meisten machte ihr diese Ungewissheit zu schaffen, sie wusste einfach nicht wie es weitergehen sollte, wie sie mit Ino und Miyako umgehen sollte ... irgendwer schien sie ganz gewaltig zu hassen, wenn man bedachte wie schlecht es ihr ging und dann hatte dieser Irgendwer auch noch nichts Besseres zu tun, als ihr weiteres Leid auf die Schultern zu laden. Beinahe so, als ergötze diese Person sich an ihrem Leid. Aber wenn Sakura Haruno eines von ihrem Leben, dem Schicksal oder wem auch immer, gewöhnt war, dann Leid. Wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht einmal mehr wann dass alles angefangen hatte. Wann sie sich verloren hatte.... Sakura schreckte aus ihren Gedanken. Sie hatte ein Geräusch gehört. Sie drehte sich um und erblickte Miyako, die barfuss und sich die Augen reibend in der Schlafzimmertür stand. Tapsend kam sie auf die junge Frau zu. Miyako gähnte dabei herzhaft. »Kann ich was zu trinken haben?«, fragte sie verschlafen und Sakura schüttete ihr daraufhin Orangensaft in ein Glas ein. »Lass deine Mama noch ein bisschen schlafen«, mahnte Sakura das kleine Mädchen. Miyako gehorchte und setzte sich an den Küchentisch. Sakura stand ein wenig verloren herum. Sie frühstückte morgens nicht, aber sie kannte die Gewohnheiten ihrer Gäste in dieser Hinsicht nicht. Und außerdem, wusste sie einfach nicht wie sie sich verhalten sollte, sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Auf verquere Art und Weise mochte Sakura ihre Einsamkeit, sie bot ihr immerhin Schutz und irgendwie auch ein Zuhause. »Ähm... willst du etwas essen?«, presste sie schließlich nach einer Weile hervor. Miyako nickte eifrig. »Ich will ...«, sie zögerte und überlegte. Dabei drehte sie die Augen nach oben und ließ die Zunge ein Stück heraushängen. Sakura erschrak ein wenig, als sie bemerkte, dass sich ein Lächeln auf ihr eigenes Gesicht gestohlen hatte. Miyako war zweifelsohne das süßeste Kind, dem sie je begegnet war. Plötzlich hellte sich das Gesicht des blonden Mädchens auf. »Ich will Schokocornflakes!« Sakura bezweifelte stark, so etwas im Haus zu haben. Sie durchsuchte den Kühlschrank und die Schränke, aber sie fand nichts, was auch nur annähernd Schokocornflakes glich. »Eh...tut mir Leid«, stammelte sie. »Ich – ich äh – ich kann dir höchstens ein Brot machen....« Miyako machte ein wenig begeistertes Gesicht. Sakura sah sich hastig um. »Mit Nutella?«, fügte sie hinzu und versuchte mit ihrem enthusiastischen Tonfall die Situation irgendwie noch zu retten. Miyako zuckte mit den Schulter und Sakura interpretierte dies als ein okay. Sie suchte nach Brot und fand auch tatsächlich welches, auch wenn sich in der Tüte nur noch genau eine einzige Scheibe befand. Himmel, es wurde Zeit, dass sie einkaufen ging. Spätestens wenn Ino auch etwas essen wollte, würde sie ziemlich dumm dastehen. Sakura begann damit, dass Brot mit Nutella zu beschmieren. »Ich kann Schokocornflakes kaufen«, sagte Sakura leise. »Nachher... also ... eh... falls ihr noch länger bleibt.« Im nächsten Augenblick war Sakura froh, dass Miyako noch ein kleines Kind war, und die nachdrückliche Betonung des Wortes gekonnt falls überhörte. In ihrem Kopf wirbelten tausend Gedanken umher. Alles durcheinander, alles viel zu viel und viel zu voll, zu viele umherschwirrende Gedanken, zu viele Fragen, zu wenig Antworten... Seufzend stellte sie Miyako das Nutellabrot auf einem Brettchen auf Tisch. Das Mädchen wollte gerade herein beißen, als sie innehielt. »Magst du ein Stück?«, fragte sie und hielt Sakura das Nutellabrot entgegen. »Was?«, fragte Sakura, obwohl sie Miyako akustisch recht gut verstanden hatte. »Das war doch das Letzte«, erklärte Miyako und zuckte mit den Schultern. Für einen Augenblick schien die Welt stehen zu bleiben. Sakuras Mund klappte auf und wieder zu. Sie wollte etwas sagen, aber sie wusste nicht was. So viel Nettigkeit war sie nicht gewöhnt. Es war nur eine kleine, nebensächliche, unbedeutende Geste, aber ... irgendwie war es so viel mehr. »Nein«, flüsterte sie schließlich. »Danke... ich – ich habe keinen Hunger.« Miyako zog eine Schnute und biss herzhaft in das Nutellabrot hinein. Fünf Minuten später, war ihr Gesicht mit Schokolade beschmiert und auf dem Brettchen lagen nur noch Krümel. Sakura musste sich hinsetzen, aber Miyako verlangte bereits nach Malstiften. »Du malst gerne, was?«, fragte sie mehr zu sich selbst, als zu ihrem kleinen Gast. Miyako nickte eifrig. Sakura verspürte das seltsame Verlangen, Miyako in den Arm zu nehmen, aber stattdessen wandte sie ihren Blick ab und schüttelte den Kopf. »Eh ... sie liegen noch da vorne beim Wohnzimmertisch, denke ich«, sagte sie und flugs war Miyako verschwunden. Diese Gefühle machten ihr Angst. Sie durfte niemanden nah an sich heran lassen, Ino und das Kind würden früher oder später wieder abhauen und sie wäre erneut alleine. Da war es eindeutig besser, so wenig Bindung wie möglich aufzubauen. Aber Sakura Haruno wurde das Gefühl nicht los, dass es für solche Einsichten bereits zu spät war. Das da längst eine Bindung geschaffen worden war und dass man sie keineswegs einfach kappen konnte. Vielleicht auch, weil sie diese Einsamkeit verachtete. . . . Rosa ist die Farbe der Kindlichkeit. Tick. Tack. Tick. Tack. Tick. Tack. Tick. Tack. Die Uhr wollte einfach nicht aufhören. Jede Sekunde schien eine Ewigkeit zu dauern. Sakura saß ratlos an ihrem Küchetisch. Am liebsten wäre sie weggelaufen, immer weiter. Einfach nur weg von hier. Die Alternative zum Weglaufen war unter dem Tisch verstecken, aber beides war wohl kein Weg aus dieser Sache. Miyako summte vor sich hin, während sie malte. Beinahe gegen ihren Willen musste Sakura sie dabei beobachten. Irgendwie fühlte sie sich durch das Mädchen an sich selbst erinnert. Als Sakura klein gewesen war, hatte sie auch den lieben langen Tag gemalt. Häuser, Blumen, Menschen. Aber vor allem Herzen und Sonnen. Und Wolken und Sterne. Und manchmal auch Prinzessinnenkleider. »Kura?« Plötzlich unterbrach die leise Stimme von Miyako die Stille und Sakuras Fluchtgedanken. »Kennst du das Lied von den Affen und der Kokosnuss?« Unweigerlich schlugen Sakuras Gedanken Purzelbäume. Affe? Kokosnuss? Bitte, was? »Was?«, fragte sie schließlich. Miyako seufzte und begann zu singen. »Die Affen rasen durch den Wald, nanananana ... « Sie verlor sich in gesummten Kauderwelsch. Die Melodie kam Sakura dennoch wage bekannt vor. Ihr war, als hätte sie dieses Lied schon einmal gehört. In ihrem Kopf tauchte ihr alter Kindergarten auf, doch sie schob den Gedanken beiseite. »Weiter weiß ich leider nicht«, erklärte das blonde Mädchen, während sie so fest mit einem Stift von reinsten sonnengelb aufdrückte, dass die Spitze abbrach. Sie fluchte leise, aber es war eher ein quengeliger Laut, als ein Fluchen. Sakura erkannte es nur als solches an, weil Miyako das Gesicht dabei verzog. »Mein Papa hat das immer mit mir gesungen, meine Mami kann sich den Text nämlich auch nicht merken, hihi«, fuhr sie nach kurzer Überlegung fort. (Offenbar war es für ein vierjähriges Mädchen nicht so wichtig ob die Sonne nun gelb oder rosa war, den sie hatte sich einfach den rosa Stift geschnappt.) Sakura wollte nicht, dass das Gespräch in diese Richtung ging, aber wie sollte sie es verhindern? »Aber vom Himmel aus kann mein Papi nicht mit mir singen, glaub ich... « Ihre Stimme wurde leiser. Fang bitte nicht an zu weinen, bitte, bitte, bitte, alles, nur das nicht, betete Sakura in Gedanken, aber Miyako holte sich stattdessen einen hellblauen Stift und begann eifrig damit ein paar Wolken zu zeichnen. »Kannst du vielleicht mit mir singen?« Plötzlich erstrahlte ein überdimensionales Lächeln auf ihrem Gesicht »Oh ... «, hauchte Sakura, und mehr als ein Hauchen war es definitiv nicht. »Ich würde gerne, aber- ich – ich – eh ... kann den Text leider auch nicht.« »Achso...« Das phänomenale Grinsen erlosch genauso schnell, wie es gekommen war. Sakura konnte dieses trauriges Gesicht nicht ertragen. Sie wollte nicht dass Miyako traurig war. Sie mochte ihr Lächeln. Ihr Strahlen. Es brachte ihr Herz zum Lächeln. »Warte«, sagte sie. »Ich habe etwas für dich.« Sakura erhob sich vom Küchentisch und ging in ihr Schlafzimmer. Es dauerte bis fand wonach sie suchte. Unter ihrem Bett standen ein paar Kisten und neben ihrem Bett auch. Sie musste ein paar Kisten durchwühlen, bis sie dunkelblaue Glasaugen und einen gelblichen Stofffetzen, begraben unter Krimskrams, erspähte. Sie zog die Puppe heraus uns besah sich ihr. Die Haare waren ein wenig zerzaust, aber ein Kamm konnte das sicher regeln Und das Kleid war vergilbt, aber die Puppe sah noch immer schön aus. Irgendwie hatte sie eine traurige, kindliche Schönheit. Mit einem kleinen Beinahelächeln ging sie ins Badezimmer, schnappte sich eine Bürste und kämmte das Haar der Puppe durch. Es war schwerer als erwartet, über fünfzehn Jahre in einer Kiste, waren eben nicht einfach wegzubürsten. Aus der Küche ertönte ein Ruf. »Kura?« - »Ich bin gleich wieder da«, rief Sakura zurück. Irgendwie fand sie Kura mittlerweile gar nicht mehr so schlecht. Eigentlich sogar ganz nett, irgendwie besonders. Schließlich sahen die blonden Puppenhaare wieder halbwegs ordentlich aus. Immer noch geschmückt mit diesem Beinahelächeln, machte sie sich auf den Rückweg in die Küche. Miyako saß schon ganz gespannt auf ihrem Stuhl, sie hopste sogar ein wenig darauf herum und sie hatte schon wieder ihre Zunge ein Stückchen rausgestreckt. »Schau mal«, sagte Sakura, hielt ihr die Puppe hin und konnte ihre Freude, eine wirklich sehr seltsame Freude, kaum verbergen. »Ihr Name ist Alice – und als ich klein war, war sie meine Lieblingspuppe und -«, jetzt zögerte Sakura ein wenig, beschloss dann aber, doch weiterzureden, »und manchmal, war sie sogar meine beste Freundin.« Plötzlich fühlte sie sich wie ein kleines, unbeholfenes Mädchen. Irgendwo stecken geblieben im Leben. Als wäre die Zeit weitergelaufen, während sie selbst stehen geblieben war. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, aber es war irgendwie nicht einmal so schlecht. Miyako streckte die Hände nach der Puppe aus und die junge Frau gab sie ihr. Einen Augenblick lang betrachtete Miyako die Puppe. Ihren blassen Teint, die dunkelblauen, strahlenden Augen und das perfekte Puppenlächeln mit den viel zu weißen (okay, mittlerweile gelblichen), Zähnen. Dann fiel ihr Blick auf das Kleid und Sakura sagte hastig: »Ich weiß, sie ist schon sehr alt und –«, aber Miyako unterbrach sie. »Darf ich mit Alice spielen?« Sakura wusste nicht weshalb, aber als sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr strich, konnte sie nur lächeln. Kein Beinahelächeln im Übrigen. »Ich schenke sie dir, Miyako. Bei mir modert sie nur in einem Karton herum.« »Was ist modert? «, wollte das Mädchen verwirrt wissen, doch bevor Sakura auch nur zu einer Erklärung ansetzen konnte, hastete Miyako auch schon mit Alice davon. Ins Schlafzimmer so wie es aussah. Ihre Malsachen ließ sie selbstverständlich liegen. Seufzend machte sich Sakura daran, eben diese wegzuräumen, als sie eine Bewegung in der Küchentür wahrnahm. »Scheiße man Sakura.« Das war Ino. Sie stand im Türrahmen zur Küche. Sie sah nicht gut aus. Immer noch verweint und rot um die Wangen und Augen herum. Aber sie lächelte. »Du bist ein verdammt noch mal absolut einzigartig guter Mensch«, sagte sie mir belegter Stimme. »Und die gottverdammt, beste Freundin die man sich wünschen kann. Nach all den Jahren, nach all diesen Dingen, nach - « Aber als Sakura Ino umarmte, sie beinahe zerquetschte, da hörte die Blondine auf zu reden und erwiderte die Umarmung einfach nur. »Ich hab dich vermisst«, flüsterte Sakura ihr ins Haar. Und mehr musste nicht gesagt werden, der Rest war klar. Die beiden Frauen verstanden sich ohne Worte, schwiegen sich an und umarmten sich einfach nur. Zumindest solange, bis Miyakos gekränkte Stimme ertönte. »Gottverdammt, Alice und ich wollen mitknuddeln!« Und Sakura konnte nicht anders, als sich die feuchten Augen abzuwischen und hysterisch aufzulachen. . . . Blau ist die Farbe der Sympathie. Es war absolut unglaublich, was ein Tag alles verändern konnte. Ein Lächeln, eine Umarmung, ein paar Tränen – und plötzlich erscheint einem alles in einem anderen Licht. Als Sakura Haruno sich selbst im Badezimmerspiegel ansah, hatte sie das erste Mal seit langer Zeit das Gefühl, einen echten Menschen vor sich zu sehen und nicht nur eine Maske. Ein Mensch, mit Gefühlen und Emotionen. Es war ein seltsamer Anblick, das Spiegelbild lächeln zu sehen. Sakura seufzte und schaltete den Wasserhahn an. Dann spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und beobachtete im Spiegel, wie die Wasserperlen ihre Wangen herunter tropften. Die traurige Wahrheit war, dass Sakura geglaubt hatte, niemandem mehr wichtig zu sein. Sie hatte zu kaum jemandem von früher noch Kontakt und wenn dann nur sehr sporadisch. Man hatte sich einfach nichts mehr zu sagen und so kam höchstens mal ein seichter Smalltalk via Internet zustande, der mit »Hallo« begann, mit »Wie geht es dir« weiterging, woraufhin grundsätzlich die Lüge »mir geht’s gut« folgte, und schlussendlich immer mit »Okay, dann bis bald« endete. Aber plötzlich war Ino wieder da und diese Vertrautheit, die immer noch zwischen ihnen herrschte, verwirrte Sakura. Nach all den Jahren… sie war wirklich davon ausgegangen, dass sie Ino vergessen hatte, und umgedreht. Aber offensichtlich war das alles nichts als kunstvolle Selbsttäuschung gewesen. Vielleicht stimmte es tatsächlich, dass man einen Menschen, den man einmal geliebt hat, nie vergessen oder hassen kann. Höchstens verdrängen. Gedankenverloren kämmte die junge Frau sich die Haare. Sie hatte Miyako versprochen Schokomüsli zu kaufen und genau das hatte sie jetzt auch vor zu tun. Zwar war ihr äußerst unwohl bei dem Gedanken mit dem Mädchen allein wegzugehen, aber Ino war vor einer halben Stunde losgefahren um die Koffer von ihr und ihrer Tochter zu holen. Irgendwie hatte Sakura die zwei schließlich dazu eingeladen, vorerst bei ihr zu bleiben. Auch wenn dies eher ein Affektversprechen gewesen war – eigentlich war ein bisschen Gesellschaft gar nicht so übel. Sie zog es zwar für gewöhnlich vor für sich zu bleiben - denn einsame Menschen kann man nicht so leicht verletzen – doch seit Ino und Miyako bei ihr waren, also seit nicht einmal vierundzwanzig Stunden, hatte Sakura ihrem eigenen Empfinden nach, vermutlich mehr gelächelt als sonst in einem Monat. Und irgendwie tat es gut. Sakura war lange nicht mehr in der Fußgängerzone gewesen und großartig verändert hatte sie sich dennoch nicht. Hier und da waren ein paar neue Geschäfte aufgemacht worden, aber dafür waren an anderer Stelle auch welche zugemacht worden. Miyako, die an ihrer Hand lief schien ausnahmslos jedes Geschäft auf seine Weise gut zu finden. »Schau mal, Kura, da gibt es Barbies«, sagte sie beispielsweise und deutete auf ein Schaufenster, indem eine Barbie in einem roséfarbenen Kleid ausgestellt war. Einmal blieb sie auch vor einem Fotoladen stehen und hüpfte auf und ab, weil auf einem der ausgestellten Bilder Luftballons zu sehen waren. Sie summte vor sich hin und hatte partout darauf bestanden ihre neue Puppe, Alice mitzunehmen. In einem kleinen Tante Emma Laden fanden die zwei schließlich Schokomüsli, und weil Miyako herumquengelte kaufte Sakura ihr sogar noch eine Tafel Schokolade. Sakura mochte es nicht besonders durch die Fußgängerzone zu schlendern, ihr waren hier viel zu viele Menschen mit viel zu traurigen Geschichten. Aber irgendwie schaffte Miyako es, sie bei Laune zu halten. Es war nicht so schlimm wie sonst und ihr fielen diesesmal auch eine Menge lächelnder Menschen auf. Aber der Overkill war im Endeffekt doch wieder Miyako. Als Sakura mit ihr an einem Obdachlosen vorbeiging, wollte sie das Mädchen schnell weiterziehen. Der alte Mann tat ihr auch Leid – aber sie hatte einfach keine Kraft sich mit noch traurigeren Existenzen zu beschäftigen. Vielleicht war diese Denkweise sogar egoistisch, aber im Grunde genommen war es nur ein Schutzmechanismus. Miyako jedoch flüsterte: »Guck mal, Kura, ein ganz armer Mann« - und dann riss sie sich von Sakuras Hand los und rannte zurück zu dem am Boden sitzenden Mann. »Bitteschön«, sagte sie und drückte dem Mann ihre Schokoladentafel in die Hand. Dann strahlte sie ihn an und kam zurück gelaufen. Immer noch strahlend. Der Mann blickte ihr absolut ungläubig nach. »Du bist wirklich ein sehr nettes Mädchen«, bemerkte Sakura und starrte in die großen, runden Augen des kleinen Mädchens. Jetzt strahlte sie sogar fast noch mehr und schlug einen sehr stolz klingenden Ton an. »Das hat mein Papi auch immer gesagt!«, trällerte sie, packte Sakura an der Hand und zog sie weiter. »Kura-chan, da vorne gibt es Eis, schau mal«, rief sie und selbst Sakura, die von Kindern ihrer Meinung nach nicht so viel verstand, wusste sofort, worauf Miyako hinaus wollte. »Möchtest du ... ein Eis?«, fragte sie das Mädchen an ihrer Hand. Diese wiederum kicherte leicht. »Wenn du auch willst!« Und so kam es, dass Miyako zwei dicke Kugeln Erdbeer- und Schokoladeneis in einer Waffel schleckte und Sakura sich eine Kugel Kiwi und eine Kugel Kokos geholt hatte. Die beiden waren auf dem Rückweg, als Sakura plötzlich einen genialen Einfall hatte. Sie warf einen Blick auf die Uhr und fragte Miyako schließlich, ob sie Lust hätte, noch einmal kurz beim Spielplatz vorbeizuschauen. Miyako machte daraufhin ganz große Augen, war aber sofort Feuer und Flamme dafür. Sakura war sich nicht sicher, weshalb sie ihr dieses Angebot gemacht hatte, immerhin ist ein Spielplatz meist auch voller Menschen und erst recht in einer so großen Stadt wie Tokio. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, das Richtige zu tun. Vielleicht war es irgendwie Instinkt, vielleicht aber auch Schicksal. Es war jedenfalls ein gutes Gefühl auf dieser alten, morschen Bank zu sitzen und Miyako beim herumtollen zuzusehen. Alice war immer mit dabei, egal ob Miyako dem Himmel entgegenschaukelte oder die Rutsche herunterrutschte. Sie erinnerte Sakura in ihrer kindlichen Unbeschwertheit an sich selbst, als sie klein gewesen war. Miyako war ein Kind, dem in letzter Zeit viel Pech passiert war und dennoch strahlte sie alles in Grund und Boden, lachte und tanzte und sang und war glücklich. Warum gelang ihr das so leicht und Sakura nicht? »Entschuldigen Sie«, sagte eine Stimme, »würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich zu Ihnen auf die Bank setze?« Sakura schreckte aus ihren Gedanken. Ein Mann in einem schwarzen Stoffmantel, mit ebenso schwarzen Augen und einem hellen Teint, stand vor ihr und hatte sie soeben angeredet. Augenblicklich kehrte Sakura Haruno in die Realität zurück. Es fiel ihr schrecklich schwer mit wildfremden Menschen zu kommunizieren, aber sie nickte dennoch mit dem Kopf. Ihr war unbehaglich zu Mute, obwohl der junge Mann sie keines Blickes würdigte, die Hände ineinander gefaltet hatte und den Kindern beim Spielen zusah. Vielleicht lag es daran, dass sie die Nähe zu Menschen für gewöhnlich vermied. »Kura! Kura!« Miyako kam ganz aufgeregt zur Bank gerannt. »Der Junge da, hat Alice in den Matschsandkasten geworfen!«, erzählte sie empört und deutete auf einen kleinen, schwarzhaarigen Jungen, der jetzt ebenfalls dazu gerannt kam. Zuerst dachte Sakura, er würde sich rechtfertigen oder entschuldigen wollen, doch er wandte seine Worte dem Mann neben Sakura zu. »Das war keine Absicht, Onkelchen«, sagte er und warf Miyako einen bösen Blick zu. »Ich bin auf dem nassen Gras ausgerutscht und gegen sie gefallen! Und dann ist die blöde Puppe in den Sandkasten gefallen!« »Alice ist nicht blöd, Blödmann!«, rief Miyako. Im nächsten Moment fingen die beiden an sich zu kabbeln und zu schubsen. Sakura war gnadenlos überfordert, aber bevor sie auch nur irgendetwas sagen, tun oder denken konnte, ergriff der Mann neben ihr das Wort. Er erhob sich und zog die beiden Kinder auseinander. »Haru, man schlägt keine Mädchen. Sei ein Gentleman und entschuldige dich!« »Ich denk ja gar nicht dran«, protestierte Haru, der ein-zwei Jahre älter als Miyako zu sein schien. Doch nachdem er den Blick seines Onkels gesehen hatte, presste er die Lippen zusammen und knirschte ein »Entschuldigung« hervor. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte zurück zum Sandkasten, der zugegebenermaßen durch den Regen der letzten Tage sehr matschig war. »Tut mir ehrlich Leid«, sagte der Mann freundlich zu Miyako. »Haru ist in dem Alter, in dem Mädchen einfach bäh sind«, sagte er zu Sakura die immer noch völlig perplex auf der Bank saß. »Jungs sind viel mehr bäh«, rief Miyako erbost. »Natürlich sind sie dass«, meinte der schwarzhaarige Mann und seufzte. Sakura räusperte sich schließlich. »Miyako .. es ist schon spät – wir – wir sollten jetzt langsam zurück ...« Miyako gewann sofort ihre Fassung wieder. »Nur noch einmal rutschen, bitte, Kura, bitte!« Sakura nickte notgedrungen und das kleine Mädchen sauste davon. »Verzeihen sie die Frage«, sagte der Schwarzhaarige, der sich wieder neben Sakura gesetzt hatte, »aber sie ist nicht Ihre Tochter, oder?« »Bitte?«, fragte Sakura sofort. Sie war vielleicht was zwischenmenschliche Dinge anging nicht so gut wie andere Menschen, aber sie wusste, dass diese Frage ein wenig seltsam anmutete. »Ich meine nur, weil sie Ihnen nicht besonders ähnlich sieht.« »Nein«, sagte die junge Frau schließlich. »Sie ist die Tochter meiner ... besten Freundin.« »Verstehe«, meinte er, just in dem Moment, in dem Miyako angeprescht kam, »hat mich trotzdem gefreut, Sie kennen zu lernen, Miss -?« Sakura zögerte, beschloss dann aber doch zu antworten. »Haruno. Sakura Haruno. Eh .. gleichfalls.« Der junge Mann setzte ein Lächeln auf. »Sasuke Uchiha, sehr erfreut«, stellte er sich vor. »Nun denn, dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Resttag, Miss Haruno.« Es war Sakura Harunos erste Begegnung mit Sasuke Uchiha. . . . Grün ist die Farbe der Hoffnung. Als Sakura und Miyako nach Hause kamen, war Ino schon da. Sie wartete auf die beiden, schließlich hatte sie keinen Wohnungsschlüssel. Sie und Sakura hievten daraufhin die Koffer in die Wohnung. Ino hatte Sakura erklärt, dass sie momentan auf der Suche nach einer neuen, finanzierbaren Wohnung in der Stadt war, denn die alte, in der sie früher mit Naruto gewohnt hatte, konnte sie sich einfach nicht mehr leisten. Die Möbel standen im Augenblick in einem Lager. Miyako hatte die letzten Wochen bei Inos Eltern gelebt, und weil Ino selbst es Leid gewesen war, jeden Tag 120km zu fahren, hatte sie sich bei einer Arbeitskollegin einquartiert und war nur am Wochenende zu ihrer Tochter gefahren. Das war natürlich keine Dauerlösung gewesen, genauso wenig, wie dass hier eine Dauerlösung war. Aber wenigstens konnten Mutter und Kind so zusammen wohnen, bis sie etwas Neues gefunden hatten – Ino zu urteilen, hatte sie ein-zwei Mietwohnungen im Auge und hatte auch schon einen Ansichtstermin. Aber irgendwie war es Sakura ganz recht, wenn die beiden bei ihr waren, es fühlte sich irgendwie befreiend an. Tatsächlich brach Ino gegen fünf Uhr abends, wieder in Tränen aus, weil sie nicht wusste, wie sie Sakura jemals dafür danken solle. Schließlich erklärte sie sich dazu bereit, das Abendessen zu kochen, musste jedoch feststellen, dass man in Sakuras Kühlschrank nicht allzu viel Brauchbares finden konnte. Es war eben einfach so, dass die junge Frau sich für gewöhnlich eher von Tiefkühlkost ernäherte. Ino fand jedoch Nudeln und beschloss daraufhin, den heutigen Samstag zu einem Spagettitag zu machen. Es war der schönste Abend, den Sakura seit sehr, sehr langer Zeit gehabt hatte. Die drei aßen sich an Spagetti mit Tomatensoße satt und vergaßen für einen Moment die Welt da draußen, die traurige, graue Realität. Draußen fing es erneut an zu regnen und auch die Temperaturen sanken rapide, aber Sakura war nicht kalt wie sonst. Im Gegenteil, in ihr breitete sich eine wohlige Wärme aus. Vielleicht lag es an den warmen Nudeln, vielleicht auch an dem warmen Tee, den sie und Ino danach tranken, während Miyako wieder einmal ihrer Fantasie beim Zeichnen freien Lauf ließ. Vielleicht, ganz vielleicht, hatte diese innere Wärme aber auch gar nichts mit diesen Äußerlichkeiten zu tun. Vielleicht kam diese Wärme auch von innen. Von einem Ort, den Sakura für tot gehalten hatte. In der darauf folgenden Woche hielten Sakura und Ino es so: Tagsüber war Ino zuhause und passte auf Miyako auf, abends, wenn Ino zu ihrem Job in der Bar musste, übernahm Sakura diese Aufgabe. Und obwohl Sakura in dieser Zeit viel mehr arbeitete und machte als gewöhnlich, fühlte sie sich viel weniger erschöpft als sonst. Es war, als würde eine Wärmequelle in ihrer Brust, sie am Laufen halten. So, als würde diese Wärme ihr die Kraft dazu geben, weiterzumachen. Selbst das schrecklich graue Wetter, konnte ihre Stimmung nicht so sehr trüben wie sonst. Eines Abends, als Ino bereits zu ihrer Arbeit aufgebrochen war, saß Sakura auf der Couch und las in einem Buch. Miyako residierte währenddessen auf dem Teppichboden des Wohnzimmers, und spielte mit ihren Barbiepuppen, Alice lag ganz dicht bei ihr. Seit sie die Puppe geschenkt bekommen hatte, hütete Miyako sie wie ihren Augapfel. Sie nahm sie überall mit hin und ließ sie nicht aus den Augen. Sakura war so sehr in ihre Lektüre vertieft, dass sie gar nicht bemerkte, dass Miyako sich neben sie aufs Sofa plumpsen ließ, bis sie die Stimme erhob. »Kura, spielst du mit mir Barbie?« Sakura war völlig perplex. »Ich –oh – ich, ich glaube ich kann nicht so gut Barbie spielen«, hauchte sie dahin. »Das ist nicht schwer!«, rief Miyako lachend in einem zugleich überraschten und überzeugendem Tonfall. »Oh ich weiß nicht ...« »Büüüüdee«, bettelte Miyako und setzte eine Schnute auf. »Bitte, Kura, bitte, bitte, büüüüde!« »Also eigentlich muss ich noch -«, begann die junge Frau, doch dieser Dackelblick brachte ihr Herz zum dahin schmelzen und jeglicher Widerstand zerbröselte. »Also gut«, sagte sie nachgebend, Miyako hüpfte im Sitzen auf. »Aber nur zehn Minuten, okay? Es ist nämlich schon recht spät.« Das kleine Mädchen nickte eifrig. Dann packte sie Sakuras Hand und zog sie auf den Boden. Das Buch fiel der jungen Frau aus der Hand und landete auf der Couch. »Hier«, rief Miyako und kicherte. »Du spielst die da und ich spiel die hier«, erklärte sie grinsend. Ihr Lächeln war tausend Minuten Barbie spielen wert. Denn Miyakos Lächeln brachte Sakuras Herz zum Lächeln. Zum Hüpfen, tanzen und irgendwie gut fühlen. Sakura Haruno wusste nicht genau, weshalb sie plötzlich das Gefühl hatte, es würden Farbkleckse auf ihr graues Leben fallen, aber es fühlte sich unheimlich gut und so richtig an. Zwar waren es nur kleine Farbtupfer, aber sie gaben ihr Hoffnung. Das Grau war zwar allgegenwärtig, aber es verblasste allmählich in der Sonne. Es schien neben den bunten Farbtupfern zu verlaufen, auszubleichen, weniger zu werden. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde sie nach einer langen Eiszeit auftauen. Als würden die Eismauern um ihr Herz einfach so dahin schmelzen und das ganze grau mitnehmen und fortwischen. Die bunten Kleckse waren klein und nicht einmal besonders farbintensiv, aber Sakura erkannte, das Kleinigkeiten tatsächlich in der Lage waren Hoffnung zu geben. Vielleicht konnten sie kein Leben verändern, aber sie konnten einem zumindest ein wenig mehr Zuversicht schenken. Ein wenig mehr Glaube und Vertrauen darauf, dass man irgendwann vielleicht doch die Sonnenseite des Lebens kennenlernen würde. Denn letztendlich sind es die Kleinigkeiten, die unser Leben gelegentlich so schön machen. Kleinigkeiten, wie Barbiespielen, ein Lächeln, ein Eis essen, Spagettitage, ein kleiner Ausflug, Schokomüsli und Spielplätze. Kapitel 3: Grau & eine ganze Farbpalette. ----------------------------------------- Kapitel 3: Grau & eine ganze Farbpalette. . . . Türkis ist die Farbe der Offenheit. Dinge verändern sich. Menschen ändern sich. Situationen verändern sich. Sichtweisen ändern sich. Sakura Haruno hatte nicht erwartet, dass sich in ihrem traurigen, tristen und grauen Leben jemals irgendetwas ändern würde. Sie hatte wirklich geglaubt, es würde auf ewig so eintönig und farblos und durchsichtig bleiben. Aber die Dinge hatten sich geändert – und zwar grundlegend. Sie konnte sich nicht mehr länger vor der Außenwelt verstecken und ihrer grauen, kleinen, sicheren Welt vor sich hin vegetieren, diese Zeiten waren vorbei. Da war Ino und da war Miyako. Zwei Menschen, die Sakuras Leben im Augenblick so stark beeinflussten, dass Farbe in ihre Welt gekommen war. Nicht viel – aber es war ein Anfang. Ein Anfang, an den sie nicht mehr geglaubt hatte. Die beiden Blondinen brachten Leben in ihren Alltag. Sie bereicherten ihn, und seltsamerweise war sie von der Anwesenheit der beiden nicht genervt. Sie genoss es. Sie mochte es, wenn Ino kochte, oder wenn Miyako Schokomüsli verlangte, oder wen sie Alice mit herumschleppte. Sakura liebte es, wenn Ino sie zum Lachen brachte, ihr Dinge über Naruto erzählte, oder wenn Miyako Bilder für sie malte und sie mit ihrem allerallerschönsten Froschgrinsen anlächelte. Es gab ihr Hoffnung, schenkte ihr Zuversicht und es machte sie glücklich. Sehr viel glücklicher, als sie es seit unendlich langer Zeit gewesen war. Es war ein ruhiger Freitagnachmittag. Ino war unterwegs, weil sie sich eine kleine Wohnung, gar nicht mal so weit entfernt anschauen wollte. Eine Wohnung die noch dazu recht preisgünstig war. Eigentlich hatte Miyako mitkommen sollen, aber sie verlangte lautstark einen Sonnenspaziergang mit Tante Kura. Niemand konnte ihrem Dackelblick widerstehen - weder Sakura, noch Ino. Draußen war herrliches Wetter. Die Sonne tauchte die Großstadt in ein rötliches Leuchten. Der Asphalt war warm und es roch nach Frühling. Vom Regen der letzten Wochen war kaum noch etwas zu sehen. Stattdessen war der Himmel strahlendblau und es zogen vereinzelt, wollweiße Wolken über ihn. »Schau mal, Kura«, hauchte Miyako und deutete auf den Himmel. »Die Wölkchen sehen aus wie Schäfchen!« Es war wieder einmal so eine Aussage, die Sakuras Herz erwärmte. Kindliche Unbeschwertheit... ja, als Kind bewunderte man solche Wolkengebilde. Wenn man erwachsen wurde, interessierte so etwas nicht mehr. Dann zählten Schäfchenwolken, gemalte Bilder, Puppen und leuchtend gelbe Schmetterlinge nicht mehr. Wenn man älter wurde, zählten Fakten, Geld, der Beruf, Zahlen und Entscheidungen. Eigentlich war Kind sein etwas unbeschreiblich Schönes. Aber wie so oft im Leben, erkannte man solche Tatsachen meistens erst, wenn es bereits zu spät war. Vielleicht ist das auch die größte Tragödie im menschlichen Leben. Dass man Dinge erst zu schätzen weiß, wenn man sie verloren hat. Sakura und Miyako fanden ein hübsches, kleines Straßencafé in der Fußgängerzone. Sie setzten sich an die Glasfläche, dorthin, wo Sakura sich für gewöhnlich auf gar keinen Fall gesetzt hätte. Miyako war begeistert, als sie sich den abgebildeten Kuchenstücken in der Speisekarte besah, und schrie entzückt auf, als sie tatsächlich ein Biene-Maja-Tortenstück entdeckte. Ab diesem Moment gab es kein Wenn und kein Aber mehr – sie wollte dieses Kuchenstück – ein anderes kam absolut nicht in Frage. Und dazu verlangte Miyako Kakao. Sakura hingegen, bestellte sich einen Capuccino und ein Erdbeertortenstück. Es war Ewigkeiten her, dass sie sich in ein Café gesetzt hatte, aber es war ... irgendwie schön. Die beiden saßen einfach da und Miyako erzählte Sakura von ihrem Lieblingsbuch, ihrer Lieblingsserie, warum ausgerechnet Türkis ihre Lieblingsfarbe war – und so viel mehr. Sakura hingegen hörte einfach nur zu. An keinem Ort der Welt wäre sie lieber gewesen als hier. Gerade als sie lose darüber nachdachte, weshalb sie sich nicht einfach von alleine mal in dieses Café gesetzt hatte, quickte Miyako laut auf. »Kura, Kura schau mal!«, rief sie aufgeregt und deutete unverfroren auf eine Person. »Da ist der Spielplatzonkel!« Besagter Spielplatzonkel wandte sich just in diesem Augenblick um. Sakura erkannte ihn sofort. Die schwarzen Haare, die blasse Haut. Zuerst sah er überrascht aus, aber dann schien ihm ein Licht aufzugehen. »Ah, wenn das mal nicht die junge Dame ist, die partout nicht vom Spielplatz zu kriegen war«, begrüßte er Miyako mit einem Nicken. Dann fiel sein Blick auf Sakura und er schmunzelte. »Oh und«, er setzte eine nachdenkliche Miene auf und schnipste dann mit den Fingern in Richtung Sakura, »Sakura Haruno, richtig?« Der Mann kam ein Stückchen näher an ihren Tisch, während die Rosahaarige beinahe einem Herzstillstand erlag. Er hatte sich ihren Namen gemerkt? Ihren unwichtigen, belanglosen Namen? Er kannte sie doch gar nicht! Die beiden hatten sich erst einmal gesehen! Sakura war viel zu perplex um auch nur irgendetwas zu sagen, aber diese Aufgabe übernahm stattdessen Miyako. »Ist der Blödmann auch hier?«, wollte sie wissen. »Miyako!«, entwich es Sakura, peinlich berührt. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen sich rötlich färbten. Das war zwei Dingen geschuldet: Erstens: Der Tatsache, dass sie den Mann die ganze Zeit angestarrt hatte und zweitens der Tatsache, dass Miyako gerade ziemlich unhöflich gewesen war. Der junge Mann, dessen Name Sakura im Übrigen nicht einfallen wollte, hingegen setzte eine Art Grinsen auf. »Nein«, sagte er langsam. »Haru ist heute nicht mit mir unterwegs.« Mit einem Mal wurde Sakura klar, wie verfahren diese Situation war. Wie sollte sie ein Gespräch beginnen? Oder besser gesagt: Wie sollte sie verhindern, dass das bereits laufende Gespräch in einer Sackgasse landete? Der Rosahaarigen fiel nur eine einzige Möglichkeit ein. Eine Strategie, die sich bisher immer bewährt hatte. »Wir müssen dann jetzt aber auch gehen«, sagte sie hastig. Zum Glück hatte sie schon bei der Bestellung bezahlt und zum Glück waren sowohl sie, als auch Miyako schon fertig. »Komm, zieh deine Jacke an«, sagte sie zu dem Mädchen, das ein wenig verwirrt dreinblickte, aber tat was Sakura ihr aufgetragen hatte. »Sie scheinen ja wirklich eine viel beschäftigte Frau zu sein, Miss Haruno«, merkte der junge Mann nachdenklich an. »Eh… was?«, platzte es aus Sakura heraus. »Nun ja«, erklärte der Schwarzhaarige, »immer wenn wir uns sehen, verfallen Sie in eine Art Fluchtmechanismus, mache ich Ihnen etwa irgendwie Angst?« Es traf Sakura Haruno wie ein Messerhieb. Alles setzte aus. Ihr Denken, ihr Fühlen… es war wie ein totaler Blackout. Sie starrte ihn einfach nur an. Ihn. Sasuke Uchiha. Wie ein Blitzschlag fiel ihr sein Name wieder ein. Was sollte sie jetzt tun? Was sollte sie sagen? Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Oder besser noch, auf der Stelle tot umgefallen. Eine extreme Spannung hatte sich in der Luft aufgebaut. Es war, als würde die Welt um die Rosahaarige tonlos weiterlaufen. Sie hörte das Geplauder, das Gelächter und das klirrende Geschirr um sich herum nicht mehr. Sie starrte Sasuke Uchiha einfach nur an. Und dann brach Miyako in schallendes Gelächter aus. Mit einem Mal war Sakura wieder im Hier und Jetzt. Miyako lachte aus vollstem Herzen und dabei gurgelte sie: »Tante Kura hat doch keine Angst vor so einem Spielplatzonkel!« Auch Sasukes fing an zu grinsen, ziemlich breit sogar. Alle Anspannung fiel von Sakura ab. Sie lachte, lachte und lachte, bis sie nicht mehr konnte. Und während sie so lachte, wurde ihr bewusst, wie Recht Miyako eigentlich hatte. Wovor hatte sie eigentlich Angst? Vor Menschen? Davor verletzt zu werden? Die junge Frau hatte eine Methode entwickelt, sich nicht von anderen Menschen verletzten zu lassen, einfach, in dem sie niemanden an sich heranließ. Aber fühlte sie sich nicht gerade deshalb oft so elend einsam? So allein gelassen und vergessen? Verletzt? Vielleicht war ihre Art und Weise zu handeln, zu denken und zu fühlen auch einfach nicht ganz richtig. Vielleicht war ihre Methode nicht ganz richtig. Sie war mit Sicherheit auch nicht ganz falsch – aber vermutlich war ein Mittelweg zwischen beiden Extremen die optimalste Lösung. Wahrscheinlich erforderte Glück einfach die goldene Mitte. Vielleicht. Und vielleicht musste Sakura Haruno das lernen. . . . Gelb ist die Farbe der Heiterkeit. Als Sakura und Miyako nach Hause kamen erwartete eine völlig aufgelöste Ino sie. Aber es war keine traurig aufgelöste Ino sondern eine Überglückliche. »Ich hab die Wohnung Sakura!«, rief sie und zog Besagte in eine feste Umarmung ehe sie ihre Tochter auf den Arm nahm und ebenfalls einmal gehörig durchknuddelte. »Bald bist du uns los«, frohlockte die Blondine. »Wenn ich will kann ich schon nächste Woche einziehen hat die Maklerin gesagt, ist das nicht klasse?«, fuhr sie fort und tänzelte förmlich durch den Raum. »Jaaa ...«, erwiderte Sakura leise. »Echt toll …« Sie versuchte ein Höflichkeitslächeln zu Stande zu bekommen, doch es gelang ihr nicht besonders gut. Ino war aber ohnehin zu abgelenkt um das zu bemerken. Sie faselte irgendwas über die neue Wohnung, verteilte großzügig Schokolade an die kleine Miyako die die Süßigkeit nur zu gern auf direktem Wege in ihren Magen beförderte und strahlte einfach alles in Grund und Boden. Sakura fühlte sich währenddessen unsagbar schlecht. Sie hätte sich eigentlich freuen müssen. Das war eine gute Nachricht, eine gute Sache. Das Ino so glücklich war hätte auch die Rosahaarige glücklich machen sollen; glücklich machen müssen. Aber die Wahrheit war: Sakura war nicht glücklich und sie freute sich auch nicht für ihre Freundin. Soeben war der Rosahaarigen klar geworden, dass bald wieder alles so sein würde wie zuvor. Dass sie bald wieder allein sein würde. Grau. Mit einem Mal wurde der jungen Frau klar, wie viel Farbe Ino und Miyako eigentlich wirklich in ihr Leben gebracht hatten. Wie viel schöner es mit den beiden war. Es war egoistisch und sie hasste sich dafür, aber es wäre ihr lieber gewesen, wenn Ino die Wohnung nicht bekommen hätte. In den letzten Wochen hatte Sakura sich seit langer Zeit mal wieder gut und zu einem gewissen Grade vielleicht sogar glücklich gefühlt. Plötzlich hatte sie Angst. Angst all das wieder zu verlieren. Ihr war nicht reden zu Mute. Den ganzen Tag verkroch sie sich entweder im Bad oder aber auf der Couch. Sie ließ den Fernseher laufen, doch schaute sie eigentlich gar nicht richtig hin. In ihrem Kopf herrschte Leere. Alles was sie fühlte war diese Angst. Diese Furcht davor, die neugewonnene Farbe wieder zu verlieren. Irgendwann wurde der jungen Frau klar, dass sowohl Ino, als auch Miyako zu einem unverzichtbaren Teil ihres Lebens geworden waren. Sie ging jetzt viel lieber zur Arbeit, weil sie wusste, dass zuhause jemand auf sie wartete. Das Kochen machte Spaß, weil man nicht allein essen musste. Sie war so lange einsam gewesen und die Rosahaarige wollte nicht wieder dieses Gefühl haben, unsichtbar und wertlos zu sein. Am liebsten hätte sie sich selbst eine geknallt, denn eigentlich war sie selbst Schuld. Sakura hatte jemanden an sich heran gelassen, zugelassen, dass jemand ihr Herz berührte. Irgendwann hielt sie es einfach nicht mehr aus. Sie ging ins Badezimmer, schloss sich dort ein und fing an zu weinen. Sie konnte ihr Spiegelbild nicht ertragen, alles was Sakura wollte war allein sein und gleichzeitig wünschte sie sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher als eine Umarmung. Wie konnte man so widersprüchlich sein? Auf der einen Seite wollte sie von allen in Ruhe gelassen werden, in ihrem Trott versinken und auf der anderen wollte sie Nähe und Liebe und einfach nur jemanden der bei ihr war. Wenn sie selbst sich nicht verstand, wie sollten dann andere erst mit ihrem verqueren Wesen umgehen? Natürlich konnte die Rosahaarige sich nicht ewig im Bad verschanzen, weshalb sie sich schließlich wieder auf die Couch setzte und weiter in den Fernseher starrte, wobei sie genaugenommen eher hindurchstarrte. Sie wollte nichts essen, trank den ganzen Abend lang nichts und fühlte sich einfach hundsmiserabel. Wie konnte sie hier so sitzen und vor sich hin vegetieren während Ino und Miyako am Tisch Pizza aßen und es eigentlich so viel schlechter hatten als sie? Es machte Sakura krank, dass zu wissen, sie fühlte sich schlecht, egoistisch und wehleidig. Um acht Uhr schickte Ino ihre Tochter ins Bett. Sakura fasste gerade den Entschluss auch schlafen zu gehen, als Ino sie ansprach. »Sakura, können wir kurz reden?« Nur äußerst wiederwillig setzte Angesprochene sich zu Ino an den Esstisch. Eigentlich wollte Sakura nicht reden, mit niemandem und erst Recht nicht mit Ino, aber sie konnte wohl kaum einfach ins Bett gehen und Ino so da sitzen lassen. »Ist alles okay bei dir?«, wollte die Blondine wissen, nachdem die beiden Frauen sich eine Weile lang angeschwiegen hatten. Nein. Nichts war okay. »Mir geht’s gut«, erwiderte Sakura, ohne Ino dabei in die Augen zu blicken und wollte schon wieder aufstehen. »Das glaube ich dir nicht«, sagte Ino leise, was Sakura dazu veranlasste, doch noch zu bleiben. »Du bist den ganzen Tag über ziemlich komisch gewesen… hab ich irgendwas falsch gemacht?« »Nein«, presste Sakura hervor und dass war nicht mal gelogen. Ino hatte nichts falsch gemacht, sie, Sakura war diejenige, die etwas falsch gemacht hatte. Oder noch besser ausgedrückt: Sie war falsch. Nicht Ino. Diese zögerte einen Augenblick, sie schien nachzudenken. Dann jedoch sagte sie: »Du warst für mich da als ich es brauchte und jetzt will ich auch für dich da sein, Sakura. Dafür sind Freunde nämlich da, nur ich kann nicht für dich da sein wenn du deine Probleme totschweigst.« Freunde. Es brach aus Sakura heraus, sie konnte einfach nichts dagegen unternehmen. Plötzlich waren überall Tränen, so viele, dass sie nicht zählbar gewesen wären. Sakura weinte. Vor einer anderen Person. So vieles hatte sich angestaut und mit einem Mal wollte alles raus. Ino schien zuerst überrascht, vielleicht sogar überfordert zu sein, doch dann nahm sie Sakura in den Arm und es war alles was nötig war. Sie stellte keine Fragen und machte keine dummen Bemerkungen. »Ich will nicht, dass ihr zwei geht«, flüsterte Sakura irgendwann, als sie wieder halbwegs sprechen konnte. »Ich habe mich so sehr an euch gewöhnt… ich will nicht dass ihr wieder aus meinem Leben verschwindet und ich weiß wie egoistisch dass ist.« Ino drückte sie noch ein Stückchen fester, dann jedoch sah sie Sakura direkt in die Augen. »Wir werden nicht aus deinem Leben verschwinden«, sagte sie nachdrücklich. »Wie kommst du nur auf so was? Die neue Wohnung ist nicht weit von hier, wir können und jeden Tag sehen wenn du möchtest!« Ino lächelte. »Du Dummerchen, warum hast du denn nichts gesagt?« Dann nahm sie Sakura wieder in die Arme, die erneut losweinte, aber dieses Mal aus anderen Gründen. Ihr Herz fühlte sich frei. Sie wollte all das Grau aus ihrer Seele spülen. Inos Umarmung war nur eine Geste, aber gleichzeitig war es so viel mehr. Sakura fühlte sich sicher. Sie fühlte sich geborgen und zuhause. Es wurde eine lange Nacht. Irgendwann fingen die beiden Frauen damit an Wein zu trinken und je weiter die Nacht davonschritt, desto heiter wurde die Stimmung. Keine Tränen mehr, nur Freude und Lachen. So viel davon, dass es Sakuras Herz fast sprengte, weil sie sich nicht erinnerte wann sie das letzte Mal so ausgelassen gelacht hatte. Wann sie das letzte Mal so ehrlich zu jemandem gewesen war. Es fühlte sich gut an. Es fühlte sich richtig an. Und während ihr Herz Pirouetten drehte, tanzte und feierte und Ino alte Songs zum Besten gab, da wurde der jungen Frau klar, dass ihr niemand die Farbe nehmen konnte, weil es ihre Entscheidung gewesen war, sie in ihr Leben zu lassen. Nur sie selbst konnte die Farbe wieder gehen lassen und dem Grau eine Rückkehr gestatten. Es lag ganz allein in ihrer Hand. Es war ihre Entscheidung. . . . Orange ist die Farbe der Lebensfreude. »Ich glaube Alice hätte ein neues Kleid dringend nötig«, sagte Sakura Haruno mit einem milden Lächeln. »Als Entschädigung für den versäumten Schlaf?«, fügte die junge Frau mehr oder weniger enthusiastisch hinzu. Miyako saß am Küchentisch, war andauernd am Gähnen und machte ein ziemlich verschlafenes Gesicht. Ino war auch mehr oder weniger am Tisch zugegen. Sie hatte den Kopf auf ihren Armen liegen und war eher weniger ansprechbar, eindeutige Spuren der letzten Nacht. Sie und Sakura waren nicht gerade besonders leise gewesen und dementsprechend hatte Miyako nicht allzu gut schlafen können. Aber als die den Worten der Rosahaarigen lauschte, erstrahlte ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Klasse«, meinte Sakura und beruhigte damit zumindest ansatzweise ihr schlechtes Gewissen. »Ja klasse«, stimmte Ino zu, ihre Stimme klang erstickt weil sie gegen den Tisch sprach. Sie lallte dabei ein wenig. Für einen kurzen Augenblick hatte Sakura das Gefühl zwei kleine Kinder vor sich sitzen zu haben. »Klasse, klasse«, rief die kleine Miyako und klatschte fröhlich in die Hände. Zwei Stunden später machten die drei sich dann auf in die Stadt. Ino war wieder nüchtern, Sakura auch und Miyako allerbester Laune. Die Müdigkeit war völlig vergessen, stattdessen versprach sie der Puppe Alice andauernd ein richtig hübsches neues Kleid, wenn möglich auch in rosa. In der Innenstadt trennte Ino sich von Miyako und Sakura, denn die junge Mutter entschloss sich spontan aus der Videothek ein paar Disney DVDs auszuleihen. »Und danach kaufe ich noch ein paar Kleinigkeiten ein, wir drei Hübschen machen uns heute einen richtig tollen, unvergesslichen Tag! Und ihr kauft in der Zwischenzeit was Schönes für Alice!«, schlug sie vor. »Wir sind vier!«, verbesserte Miyako daraufhin ihre Mutter. »Alice mag auch Disney DVDs!« »Wir vier machen uns heute einen schönen Tag«, sagte Ino lächelnd und zwinkerte Sakura dabei zu. Die Rosahaarige und Miyako machten sich auf die Suche nach einem Geschäft wo sie Puppenkleider finden konnten und tatsächlich fanden sie einen kleinen Spielzeugladen, indem es abgesehen von Puppenkleidern auch noch eine Menge anderer schöner Dinge gab. Im Endeffekt kauften die zwei drei hübsche neue Kleider für Alice, eins schöner als das Andere. Und ergänzend dazu kaufte Sakura Miyako eine Seifenblasenlösung, was Miyako noch sehr viel mehr entzückte. Das Mädchen hatte das Seifenblasenwerbungsschild zuvor bestimmt fünf Minuten lang mit glänzenden Augen angesehen. »Ich lieeeeeebe Seifenblasen«, trällerte sie, als sie und Sakura aus dem Geschäft traten. Sakura lächelte. Wenn sie so darüber nachdachte kam ihr ihr gestriges Verhalten kindisch und unreif vor. Sie seufzte auf, aber es war kein genervtes oder gar trauriges Aufseufzen sondern ein Erleichtertes. Alles war auf merkwürdige Art und Weise richtig. »Also so langsam habe ich das Gefühl Sie verfolgen mich, Miss Haruno«, sagte eine tiefe, irgendwie belustigt klingende Stimme hinter Sakura, die ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. »Ohh schau mal, der Spielplatzonkel ist wieder da«, bemerkte Miyako unnötigerweise. Die Rosahaarige drehte sich langsam um und tatsächlich, da stand er. Sie hatte wirklich geglaubt ihn nicht wieder zu sehen, aber so langsam glaubte sie auch nicht mehr an Zufall. Sasuke Uchiha setzte ein komisches Grinsen auf und winkte Miyako zu. »Und das kleine Fräulein ist inklusive Puppe – wie war der Name doch gleich? Emily? – auch wieder da.« »Alice«, antwortete Miyako leichthin. »Sie heißt Alice und guck mal, jetzt hat sie sogar ein neues Kleid!« Sasuke erhob einen Daumen in Richtung des Mädchens. »Coole Sache«, meinte er und zwinkerte der Kleinen zu, die ein mächtig stolzes Gesicht aufsetzte. Dann wandte er sich jedoch Sakura zu. »Normalerweise ist das nicht meine Art«, begann er langsam, er wirkte sogar ein kleines bisschen nervös. »Aber wir sind uns jetzt dreimal innerhalb kürzester Zeit begegnet … vielleicht soll das ja was heißen?« »Und was soll das heißen?«, fragte Sakura sofort nervös. Sie konnte nicht verhindern dass sie ein wenig rot um die Wangen herum wurde. Sasuke Uchiha seufzte und schüttelte dann ein wenig peinlich berührt den Kopf. »War ‘ne rhetorische Frage«, erwiderte er, was die Situation für Sakura nicht gerade angenehmer machte. „Oh“, antwortete sie nur. Miyako verfolgte das Gespräch unterdessen äußerst gespannt. Sasuke Uchiha ließ ein trockenes Lachen verlauten, dass er gerade noch so in ein Hüsteln umbiegen konnte. »Miss Haruno worauf ich hinaus wollte: Hätten Sie vielleicht mal Lust mit mir auszugehen?« Sakura hörte vor Schreck auf zu atmen. »Was?«, fragte sie verwirrt, denn sie war sich ziemlich sicher sich verhört haben zu müssen. Sasuke zog argwöhnisch eine Augenbraue nach oben. »Ich meine das Ernst und ich würde mich wirklich freuen wenn Sie zustimmen würden.« Miyako fing an zu kichern. Sakura versuchte das Gekicher neben ihr zu überhören und sich voll und ganz auf eine Antwort zu konzentrieren, was nicht so einfach war weil ihr ganzer Körper kochte. Ihr war heiß und kalt gleichzeitig. Sie wusste weder was sie fühlen, noch was sie denken sollte. Sie starrte den jungen Mann vor ihr einfach nur an. »Vorschlag«, meinte Sasuke. »Ich werde hier morgen auf Sie warten, sagen wir… selbe Uhrzeit? Wenn Sie kommen möchten, kommen Sie, wenn nicht, werde ich Sie nie wieder belästigen, einverstanden?« »Ich .. ich weiß nicht, ich …«, die Rosahaarige verlor sich in gegenstandslosem Gebrabbel. »Sie haben ja jetzt Zeit darüber nachzudenken«, meinte der Schwarzhaarige gutgelaunt und setzte sich in Bewegung. »Miss Haruno«, sagte er und nickte Sakura zu, dann wandte er sich Miyako zu und vollführte eine angedeutete Verbeugung vor ihr, woraufhin er seines Weges ging. Sakura sah ihn in der Menschenmenge zuerst kleiner werden und dann untergehen. »Wer zum Teufel war denn das?«, fragte Ino die urplötzlich wie aus dem Nichts auftauchte, die Hände voll mit zwei Tragetaschen. Auch sie starrte den schwarzen Haaren nach, ehe sie sich verwirrt Sakura und ihrer Tochter zuwandte. »Lange Geschichte…«, erwiderte Sakura langsam. Ino lachte auf. »Tja, ich glaube heute haben wir genug Zeit für lange Geschichten.« »Der Mann mag Tante Kura«, flüsterte Miyako ihrer Mutter verschwörerisch zu, deren Grinsen daraufhin noch breiter, beinahe schon froschartig wurde. »Ach wirklich?«, fragte sie unüberhörbar neugierig. Sakura lief erneut hochrot an und beschloss lieber schnell das Thema zu wechseln. »Und, hast du alles was du wolltest?« Ino schwenkte mit den Einkaufstüten in ihren Händen. »Alles was ich wollte und noch ein bisschen mehr«, antwortete die Blondine sanft lächelnd. Sakura hatte derweil das Gefühl, dass sie nicht nur von den Einkäufen sprach. Ihr Lächeln passte nicht zu einer solchen Lappalie. Es hatte etwas Melancholisches, beinahe Trauriges an sich, etwas, dass sehr viel mehr bedeutete, sehr viel mehr Inhalt hatte. Die Blondine drückte Sakura eine der Tüten in die Hand, nahm ihre Tochter an die Hand und schlenderte gemütlich voran. Sakura konnte es nicht direkt zuordnen, aber sie wusste einfach instinktiv, dass Inos Worte und ihr Lächeln eigentlich etwas oder jemandem ganz anderem galten. Im Nachhinein war dieser Nachmittag der schönste an den Sakura Haruno sich überhaupt erinnern konnte. Sie, Ino und Miyako schauten den ganzen Tag lang alte Disney DVDs, aßen viel zu viele Erdbeeren mit Sahne und als die Sonne langsam unterging und das Wohnzimmer in ein rötliches Leuchten tauchte, holten sie das Schokoladeneis raus und aßen alles auf. Miyako machte solange Seifenblasen, bis ihre Lösung aufgebraucht war. Die Seifenblasen zerplatzen in der Luft und manchmal bekam Sakura ein wenig von der Flüssigkeit ab. Diese kühlen Spritzer auf ihrer Wange erinnerten sie an ihr Leben. Sie war wie Stein gewesen, mehr tot als lebendig, wie eine sterbende Pflanze und Miyako und Ino waren wie Wasserspritzer gewesen, die eine Pflanze wieder aufblühen ließen. Die beiden Blondinen hatten sie wieder aufblühen lassen. Sakura fühlte sich endlich wieder lebendig. Der Himmel draußen färbte sich langsam, aber stetig zuerst violett und dann schließlich blau. Als die ersten Sterne m Firmament auftauchten, schlief die kleine Miyako auf der Couch ein, in ihren Armen lag Alice. Sakura musste unweigerlich lächeln, als sie dieses Bild vor sich sah. Der Rosahaarigen war angenehm warm, am liebsten hätte sie sich gewünscht, dass dieser Augenblick vollster Zufriedenheit auf ewig anhalten würde. Sie hätte diesen Moment gerne eingefangen und in ein Marmeladenglas gesteckt, aber so einfach war es im echten Leben einfach nicht. Sakura seufzte. Und dann fing sie an Ino alles über ihre Begegnungen mit Sasuke Uchiha zu erzählen. Über ihre Angst und ihre Unsicherheit, aber auch über ihre Hoffnung und ihre Freude über seine Einladung. Und es fühlte sich gut an darüber zu reden, einfach nur gut. . . . Rot ist die Farbe der Liebe. Die Linoleumlampen tauchten die kleine Küche in ein seltsames, gedämpftes Licht. Es erinnerte Sakura an früher, als sie noch klein gewesen war. Wenn ihre Mutter ihr abends noch Toast gemacht hatte und das Licht genauso gedämpft und irgendwie stumpf gewesen war. Irgendwie hatte sie wieder das Gefühl dort zu sein, zuhause. Die Stimme ihrer Mutter zu hören, die Vorfreude auf ein Nutella Toast zu spüren und die Stimmen des Fernsehers aus dem Wohnzimmer flüstern zu hören. Es war eigentlich das erste Mal, dass sie sich in ihrer Wohnung in der Großstadt tatsächlich irgendwie wie zuhause fühlte. Nicht nur ansatzweise, sondern richtig. In ihrer Magengegend braute sich ein wohliges Gefühl zusammen. »Natürlich wirst du dich mit ihm treffen!«, sagte Ino in empörtem Tonfall, als sei alleine die Vorstellung Sakura könnte das Gegenteil tun vollkommen absurd, geradezu lachhaft. Sakura hingegen schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist, also dieses Treffen meine ich… ich meine ich kenne diesen Sasuke doch gar nicht…« »Was noch nicht ist kann ja noch werden«, erwiderte Ino munter. Sakura wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als Ino ihr unsanft dazwischenfuhr. »Mensch Sakura, jetzt zier dich doch nicht so, was hast du denn schon zu verlieren?« Eigentlich traf Ino den Nagel auf den Kopf. Sakura hatte nichts zu verlieren, nichts, außer ihr altes Leben vielleicht. Aber andererseits hatte sie das nicht schon längst? Und fühlte es sich nicht ziemlich richtig an? »Ich weiß nicht …«, meinte die junge Frau. Die Wahrheit war, Sakura hatte Angst. Angst vor einer Enttäuschung, Angst vor einer Verletzung. Es war eine Sache Ino in ihrem Leben zu akzeptieren, aber eine ganz andere, einen völlig Fremden in ihr Leben zu lassen. Ihre Gedanken kamen ihr einmal mehr widersprüchlich und unzusammenhängend vor, aber das war sie ja mittlerweile wirklich gewöhnt. »Du wirst dich mit diesem Sasuke treffen und danach sehen wir weiter, basta«, sagte Ino streng und in einem belehrendem, mütterlichem Tonfall. »Das Schicksal gibt einem keine tausend Chancen. Wenn sich uns ein Weg eröffnet sollten wir ihn gehen. Bereuen können wir später immer noch, aber vielleicht müssen wir das ja gar nicht. Wenn du dich nicht mit diesem Typen triffst, woher willst du dann wissen was hätte sein können, hm? Hör zu Sakura«, meinte Ino, »wenn du jetzt kneifst wirst du es mit Sicherheit irgendwann bereuen. Riskier einfach mal was, manchmal muss man einfach alles auf eine Karte setzen.« Alles auf eine Karte … Sakura dachte über Inos Worte nach. Eigentlich hatte die Blondine völlig Recht. Man konnte nicht immer erwarten, dass die Dinge von selbst passierten, das Schicksal verlangte manchmal einfach eine gewisse Eigeninitiative. Das Schicksal hatte Sakura Haruno eine Chance gegeben und Sakura beschloss, dem Schicksal ebenfalls eine zu geben. Sie würde es riskieren, sie würde sich mit Sasuke Uchiha treffen. Miyako schmollte am nächsten Morgen, als sie davon erfuhr, weil sie nicht mit zu dem Spielplatzonkel durfte. Sie hatte einen richtigen kleinen Tobsuchtsanfall, begnügte sich schließlich jedoch damit ihm ein Bild zu malen und via Indianerehrenwort darauf zu bestehen, dass Sakura es ihm auch ja übergab. Irgendwie fand die junge Frau all das furchtbar aufregend. Ihr letztes Date war Jahre her und so konnte sie nicht verhindern, dass sie ziemlich nervös wurde. Sie bekam Herzrasen und ihre Hände wurden kalt, aber dennoch schaffte sie es auf irgendeine Weise an den verabredeten Ort. Und er war da. Sasuke Uchiha war tatsächlich gekommen. Es nieselte leicht, aber der Regen machte Sakura nichts aus. Nicht einmal der graue Himmel machte ihr heute etwas aus. Sie nahm ihn nur am Rande war, die Rosahaarige war viel zu abgelenkt. Als Sasuke sie erblickte schlich sich ein Anflug von einem Grinsen auf sein Gesicht. »Oh, heute also mal ohne Anhängsel unterwegs?«, fragte er und Sakura musste ein wenig kichern. Im nächsten Augenblick war sie verdutzt über sich selbst. Seit wann kicherte sie denn bitte sehr? Sie wurde knallrot und räusperte sich peinlich berührt. »Oh ehm… ja… hi.« »Hi«, wiederholte Sasuke und er winkte zur Bekräftigung seiner Worte sogar. »Ich find’s echt schön, dass Sie gekommen sind«, fügte er kurz angebunden hinzu, auch er schien relativ nervös zu sein. »Ja«, meinte Sakura gezwungenermaßen, irgendwie kam das Gespräch nicht so richtig in Gang. . »Also ehm«, begann Sasuke und er kratzte sich dabei am Hinterkopf, was Sakura als eine Verlegenheitsgeste deutete, was es ihr jedoch merkwürdigerweise erleichterte, ihrem Gegenüber in die Augen zu schauen. »Ich dachte, wir gehen vielleicht in dieses Café und probieren die Biene Maja Torte, oder wir gehen ins Kino… oder wir machen einfach beides.« Sakura musste unweigerlich lächeln. »Ich finde, dass klingt wirklich gut«, antwortete sie, einfach weil es die Wahrheit war. »Oh und ich hab da noch was für Sie von Miyako… das könnte ich Ihnen ja im Café geben«, fügte die Rosahaarige schnell hinzu, denn beinahe hätte sie das Bild in ihrer Handtasche völlig vergessen. »Das finde ich, klingt ebenfalls großartig«, meinte Sasuke Uchiha und diesmal lächelte er so richtig. Und dieses aufrichtige Lächeln brachte Sakuars Herz zum Schmelzen. Und zwar endgültig und vielleicht sogar für immer. . . . Die Erkenntnis traf Sakura wie ein Blitzschlag. Plötzlich erkannte sie, dass es da draußen doch noch andere Farben außer grau gab. Das nicht alles trostlos und farblos war. Die Menschen waren nicht grau. Die Menschen waren bunt. Sakura war bunt. Die Welt war bunt. Schwarz, weiß, lila, blau, grün, gelb, orange, rot, pink, braun, türkis und grau. Überall waren Farben, sie hatte sie nur nicht wahrgenommen. Da waren graue Betonklötze, aber die Autos waren schwarz, rot, gelb und blau. Die Pflanzen auf den Fensterbänken der Häuser waren grün. Die Wolken waren wollweiß, der Himmel ein Mischmasch aus grau und blau. Die Stämme der Bäume im Park waren braun und die Kinder auf den Spielplätzen trugen gelbe und orange Regenjacken. Manche Mädchen trugen rosafarbene Schleifchen im Haar, der leichte Regen war durchsichtig, aber irgendwie doch eine Spur türkisfarben. Und Sakura selbst besaß eine lila Handtasche. Nichts war nur grau. Alles war irgendwie bunt. Aber grau gehörte zu der Welt dazu ... grau war auch eine Farbe ... es ließ die anderen Farben strahlen. Grau ließ sie bunter und kräftiger wirken. Farblos gab es nicht, alles besaß eine Farbe. Und für Sakura eröffnete sich ein völlig neuer Blickwinkel auf diese Welt, auf ihre Welt, auf ihr Leben. Sie hatte noch so viel vor sich, ihr Leben hatte doch gerade erst begonnen... sie konnte alles erreichen, die Welt stand ihr offen. Sie musste nur für ihre Träume kämpfen... sie realisierte dass die Hoffnung auf ein besseres, ein glücklicheres Leben, nicht die Überzeugung voraussetzte, dass es funktionierte, sondern das Hoffnung der Grund war es überhaupt erst zu probieren. Es war aber nicht so, dass sich ihre Welt urplötzlich in ein kunterbuntes Wundertraumland ohne Probleme verwandelte, nein, keineswegs. Es war eher so, als ob ein paar Funken Farbe in ihre graue Welt eingedrungen wären. Ein bisschen so, als wäre das Grau jetzt mit bunten Farbklecksen bespritzt. So, als würde sich das Grau mit den bunten Farbklecksen vermischen, was ein etwas Verschmiertes, aber bezauberndes Bild ergab. Als würde immer mehr von dem verhassten Grau der Farbe weichen, als würde es ein Teil der Farben werden. Als würde ein imaginärer Künstler, mit seiner imaginären Farbpalette die Welt bunt anmalen. Nicht alles war von der einen Sekunde auf die andere bunt und wundervoll, aber irgendwie hatte Sakura das Gefühl, als ob diese paar Farbkleckse ein Anfang sein könnten. Der Anfang für eine schönere, von Farben durchflutete Welt. Und das klang sehr viel kitschiger als es eigentlich war. Viel Bedeutender und wichtiger, einfach größer als es eigentlich war. Denn was es eigentlich ganz genau war, dass vermochte selbst Sakura selbst nicht genau zu definieren. Es war einfach da. Dieses warme Gefühl in ihrer Herzgegend, welches sie erfüllte; sie einfach für einen Augenblick lang wunschlos glücklich machte. Und es war in Ordnung. Es war sogar mehr als nur in Ordnung. Denn... die Farbe des Lebens ist bunt. . . . »Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück; es kommt nicht darauf an, wie lang es ist, sondern wie bunt.« - Lucius Annaeus Seneca ◊◊◊ Und zum Schluss ein Statement meinerseits. ;) Abgeschlossen, nach so langer Zeit. Ich muss sagen, diese Geschichte hier liegt mir sehr am Herzen. Ich habe wirklich sehr, sehr lange hier dran herum geschrieben (um genau zu sein, über ein Jahr, mit längeren Pausen natürlich oô) und ich würde sogar behaupten wollen, dass dies hier bis jetzt mein persönlichstes Projekt ist, einfach weil hier viel Herzblut drinnensteckt. Nun ja, ich hoffe jedenfalls, dass es euch gefallen hat! :) Und ich möchte mich für all die lieben Reviews und die vielen Favoriteneinträge bedanken. Das bedeutet mir wirklich eine Menge. :) ♥ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)