Catspaw von Karma (Duke & Siegfried) ================================================================================ "Du willst schon gehen?" Sehr helle blaue Augen streiften nur kurz die zerwühlten Laken des Bettes ihres Besitzers, ehe sie sich auf seinen Besucher hefteten. Dieser war gerade damit beschäftigt, seine Kleidung vom Boden des Schlafzimmers zu klauben, hielt aber inne, als er die Stimme seines Gastgebers vernahm. Außer einer schwarzen Jeans trug er nichts weiter am Leib und der Besitzer der hellblauen Augen hielt unwillkürlich den Atem an, als der Andere sich zu ihm umwandte. Seine Ausstrahlung – pure, ungezähmte, fast schon animalisch anmutende Erotik – war unbestreitbar und hämmerte beinahe schon schmerzhaft offensichtlich auf seine Sinne ein. Die langen schwarzen Haare, noch wirr von den vorangegangen Aktivitäten, die grünen Augen, in denen so viel und gleichzeitig so wenig zu lesen stand, die Lippen, die so herausfordernd zu grinsen, so unglaublich erotisch zu stöhnen und so sanfte, neckende Worte zu formen vermochten, und nicht zuletzt dieser Körper, der ihn jedes Mal aufs Neue zu überwältigen und um den Verstand zu bringen drohte ... Wenn es möglich war, offenen Auges und sich der Konsequenzen vollauf bewusst ins eigene Verderben zu rennen, so dachte er bei sich, dann hatte er das schon vor langer, vor sehr langer Zeit getan. Und, sinnierte er weiter, beobachtend, wie das Objekt seiner Begierde nach kurzem Verharren doch endlich oder leider sein ebenfalls schwarzes Shirt überstreifte, er würde es jederzeit wieder tun. Jederzeit, an jedem Ort. Immer. Wann immer er ihn wollte, er würde da sein, das wusste er genau. "Ich habe heute noch einen anderen Termin", bekam er zur Antwort und unwillkürlich, beinahe schon unbewusst wanderte eine feingeschwungene rosafarbene Augenbraue ein Stück in die Höhe. Dieses Wort gefiel ihm ganz und gar nicht. Sie beide hatten schließlich auch immer Termine miteinander und sein zerwühltes Bett zeigte überdeutlich, wie diese in den meisten Fällen endeten. Wer mag wohl der Glückliche sein? Oder ist es vielleicht eine Glückliche?, fragte er sich und wusste doch nicht zu sagen, ob er tatsächlich eine Antwort auf diese Frage haben wollte. Wollte er wirklich wissen, mit wem sein Besucher sich als nächstes treffen würde? Könnte er dieses Wissen ertragen? Er war sich nicht sicher. "Mit wem?" Die Worte verließen seinen Mund, ohne dass er es verhindern konnte. Und da er sie nicht mehr zurücknehmen konnte, ohne sich lächerlich zu machen, zwang er sich zu einem neutralen, sogar eine Spur herablassenden Gesichtsausdruck – wohl wissend, dass er seinen Besucher damit wohl kaum würde täuschen können. Immerhin war dieser ein wahrer Meister darin, Andere zu durchschauen. Er hat schließlich auch durchschaut, dass ich ihn wollte. Mehr als alles andere. Der Gedanke kam ungebeten und er versuchte, ihn mit einem unwilligen Kopfschütteln zu verscheuchen, aber das wollte ihm nicht gelingen. Grüne Augen musterten ihn mit einer solch durchdringenden Intensität, dass sein Blut gleich wieder in Wallung geriet. Ob vor Scham oder vor Erregung wusste er nicht zu sagen, aber eigentlich war ihm das auch gleichgültig. Wann immer er hier war, tobten in seinem Inneren so unglaublich viele Emotionen, dass er sie unmöglich alle hätte beim Namen nennen können, selbst wenn er es versucht hätte – was er schon aus Prinzip nicht tat. Zuviel. Es ist einfach zuviel. Und dennoch wäre er nie auf die Idee gekommen, ihre Termine abzusagen. Niemals. Dafür brauchte er das alles einfach viel zu sehr – brauchte er ihn viel zu sehr. Wie immer, wenn seine Gedanken diesen Punkt erreichten, richtete er sich noch ein bisschen gerader auf, hielt seinen Kopf noch etwas höher und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Auch wenn er genau wusste, dass er den Anderen damit nicht täuschen konnte, er konnte auch nicht einfach zugeben, was in ihm vorging. Dafür war er zu stolz. Und auch wenn sein Stolz mit jedem ihrer heimlichen Treffen ein Stückchen mehr zu schwinden drohte, noch war er nicht vollständig gebrochen. Noch hatte er ein bisschen Kraft zum Widerstehen. Noch. Aber er gab sich diesbezüglich keinerlei Illusionen hin. Über kurz oder lang würde er ihm nicht mehr widerstehen können, das wusste er. Und er wusste auch, was er tun würde, wenn auch noch sein letztes bisschen Stolz dahingeschmolzen war: Er würde anfangen zu betteln. Und dann werde ich endgültig sein wie all die Anderen. Der Gedanke war grauenhaft und erniedrigend zugleich, aber vor allem war er erschreckend. Er war alles, aber nicht so gewöhnlich wie all die Anderen, die ihn umschwirrten wie die Motten das Licht. Jedenfalls wollte er nicht so gewöhnlich sein. Er wollte mehr sein für ihn, aber er wusste, dass das Wunschdenken war. Utopisch. Er würde es niemals schaffen, etwas Besonderes zu sein oder einen höheren Stellenwert einzunehmen als all die unzähligen Anderen, mit denen er sich traf, wenn sie gerade nicht zusammen waren. "Warum willst du das wissen?" Die Gegenfrage ließ seine Mundwinkel zucken, doch er zwang sich, das bittere Lächeln nicht auf seine Lippen kriechen zu lassen. Er hatte fest damit gerechnet, dass er keine simple Antwort bekommen würde. Dafür genoss er es viel zu sehr, mit seiner Beute – also mit ihm – zu spielen. Er wusste, wie sehr er es hasste, hingehalten oder gar der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Aber das kümmert ihn nicht. Das war einfach offensichtlich. Warum sollte es ihn auch kümmern, wenn er doch genau weiß, dass ich ihm nicht widerstehen kann? Dass er immer bekommen wird, was er will? Das Wissen war Gift in seinen Gedanken, aber es abzustreiten hatte keinen Sinn. Leugnen würde die Tatsachen nicht ändern. "Du weißt warum." Was ihn dazu bewogen hatte, diese Antwort zu geben, hätte er im Nachhinein nicht zu sagen gewusst. Um dem Blick seiner grünen Augen zu entkommen, wenn auch nur für einen Moment, griff er nach seinem weichen, fliederfarbenen Bademantel, zog diesen über und verknotete den Gürtel äußerst sorgfältig. Und obwohl sein eigener Blick auf seine Hände und ihre Aufgabe gerichtet war, vermeinte er den Ausdruck in den grünen Augen des Anderen dennoch förmlich vor sich zu sehen. Triumph. Ohne Zweifel würde er triumphieren, denn was waren diese Worte anderes als das Eingeständnis seiner Niederlage? Dessen war er sich voll und ganz bewusst, aber es kümmerte ihn nicht. Nicht mehr. War es dafür nicht auch schon längst zu spät? Von Anfang an, seit ihrem ersten Termin, war absehbar gewesen, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem er sich endgültig ergab und eingestand, was doch schon so lange schmerzhaft offensichtlich war. Wie hatte er auch erwarten können, dass ausgerechnet er es schaffen würde, ihm zu widerstehen? Dumm. Das war es in der Tat. Es war dumm; ja, fast schon naiv gewesen zu glauben, ausgerechnet er könnte etwas ändern. Doch das konnte er nicht, das hatte er inzwischen eingesehen. Ich war so dumm. Er hätte es beenden sollen, als er es noch gekonnt hatte. Aber das hatte er nicht getan. Er war zu stolz und zu dumm gewesen. Dabei hätte er es schaffen können. Hätte er früh genug gehandelt, hätte er seinen Stolz behalten können. Und nicht nur seinen Stolz, auch sein Herz. Zu spät. Viel, viel zu spät. Jetzt, wo er seinen ohnehin längst sinnlosen Widerstand gegen das Offensichtliche endlich aufgegeben hatte, hätte er am liebsten laut gelacht – über die Situation, vor allem aber über sich selbst. All die Zeit, die er damit vergeudet hatte, sich selbst zu täuschen ... Aber, fragte er sich unwillkürlich, wenn er es eher gesehen hätte, hätte er etwas geändert? Hätte er etwas ändern können? Und, und das war das Wichtigste, hätte er wirklich etwas ändern wollen? Hätte er auch nur einen einzigen Termin, ein einziges Treffen missen wollen? Hätte er ihm, der ihm Himmel und Hölle zugleich gezeigt hatte und der ihm Engel und Teufel in einem war, wirklich widerstehen wollen? Nein. Niemals. Er hätte weder gekonnt noch gewollt. Dafür hatte er das alles viel zu sehr gewollt, hatte ihn viel zu sehr gewollt. Und was das Schlimmste war, er wollte ihn immer noch. Mehr als je zuvor sogar, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Nichts, nicht einmal seine Rache an Kaiba, hatte er je mehr gewollt als ihn. Aber was interessierte ihn Kaiba jetzt noch? Was interessierte ihn seine Rache? Was interessierte ihn all sein Reichtum, sein Imperium? Nichts davon zählte für ihn noch. Schon so lange nicht mehr. So unendlich lange. Eine warme Hand an seiner Wange, Finger, die hauchzart über seine Haut strichen, rissen ihn aus seinen Gedanken. Irritiert von dieser plötzlichen, unerwarteten Berührung blickte er auf und wollte einen halben Schritt zurücktreten, doch die Wand in seinem Rücken und ein eindringlicher Blick aus grünen Augen ließen ihn mitten in der Bewegung erstarren. Er wagte kaum zu atmen, als sich auch noch die zweite Hand an seine andere Wange legte, und als die Lippen des Schwarzhaarigen die seinen streiften, war ihm, als müsste sein Herz aufhören zu schlagen. "Das weiß ich allerdings." Die Worte waren leise und in ihnen schwang ein Unterton mit, den er nicht so recht zu deuten wusste. Traurigkeit? Bedauern? Was es auch war, es gefiel ihm nicht, denn dieser Unterton gab den Worten einen seltsam bedeutungsschwangeren, endgültigen Klang. Ein Teil von ihm ahnte, was als Nächstes kommen würde, aber dennoch war es ein Schock, die Worte wirklich zu hören. "Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen." Noch immer ließ der Schwarzhaarige ihn nicht los und ein Teil von ihm war ungeheuer dankbar dafür. Er fühlte sich seltsam kraftlos – so, als wären es einzig und allein seine Hände, die sein Gesicht noch immer umschlossen, die ihn noch aufrecht hielten. Er wusste, sollte er ihn jetzt loslassen, er würde einfach an Ort und Stelle zu Boden sinken. Dumm. So unglaublich, unglaublich dumm. Dennoch hätte er ihn am liebsten angefleht, nicht weiterzusprechen; ja, zu vergessen, dass er es gewesen war, der dieses Thema überhaupt zur Sprache gebracht hatte. Wie konnte ich nur so dumm sein? "Ich wusste von Anfang an, dass du sehr viel verletzlicher bist als die Anderen. Und ich wusste auch, dass ich dir irgendwann wehtun würde. Genau deshalb schlafe ich eigentlich mit niemandem öfter als ein Mal." Seine Stimme waren leise und in seinen Worten klang jetzt deutlich hörbar Bedauern mit. "Ich sollte jetzt besser gehen. Ich habe schon genug zerstört", fuhr der Schwarzhaarige fort und zog seine Hände zurück, aber ehe er sich entfernen konnte, hob sein Gastgeber seine eigenen Hände und umschloss die Handgelenke des Anderen mit seinen Fingern. Der Griff war nicht besonders fest, aber dennoch war die Verzweiflung, die er bisher äußerst geschickt hinter seiner Fassade verborgen hatte, mit einem Mal mehr als offensichtlich. Dennoch, obwohl ihm danach war, ihn auf Knien anzuflehen, tat er es nicht. Schwach. So hoffnungslos schwach. Und doch, obwohl es so viel gab, was er ihm sagen wollte, kam kein einziges Wort über seine Lippen. Für einen Moment, für einen winzigen Moment nur wandte der Schwarzhaarige den Blick ab, doch er unternahm nicht einmal den Versuch, seine Handgelenke aus dem Griff seines Gastgebers zu befreien. Stattdessen verharrte er ein paar endlos lange Augenblicke reglos, ehe er wieder einen Schritt näher zu diesem trat. Aber erst als sich die Hände wieder an sein Gesicht legten und die Daumen sanft und zärtlich die feuchten Spuren von seinen Wangen fortwischten, registrierte er seine eigenen Tränen. "Bist du dir wirklich sicher, dass du willst, dass ich bleibe?" Seine Kehle war so zugeschnürt, als er so überdeutlich die Antwort auf sein unausgesprochenes Flehen – "Bitte geh nicht!" – gab, dass er nur schwach nicken konnte. Seine Hände, die noch immer die Handgelenke des Schwarzhaarigen umfasst hielten, begannen zu zittern und obwohl er sich für dieses sichtbare Zeichen seiner Schwäche schämte, war er doch absolut machtlos dagegen. Narr, schalt er sich selbst, aber auch das änderte nichts daran, dass es ganz genau das war, was er mehr als alles andere wollte. "Du wirst es bereuen. Früher oder später wirst du dir wünschen, du hättest heute Nein gesagt. Irgendwann wirst du dich selbst für deine heutige Entscheidung hassen – und mich auch. Das ist einfach unvermeidbar." Er klang, als wäre er sich seiner Sache absolut sicher, aber trotz des negativen Beiklangs seiner Worte trat er noch einen halben Schritt näher auf seinen Gastgeber zu, so dass dieser zwischen der Wand und ihm gefangen war und keine Möglichkeit mehr hatte, ihm zu entkommen. Nicht, dass ich das überhaupt wollen würde. Zittrig schloss er die Augen, als der Schwarzhaarige sich zu ihm beugte und er dessen warmen Atem auf seinen Lippen fühlte. Beinahe erwartete er, der Andere würde ihn küssen und ihn damit endgültig zu seinem Eigentum machen, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen streiften die Lippen des Schwarzhaarigen seine Wangen und küssten dort erst sanft und unendlich zärtlich die Tränenspuren weg, ehe sie schlussendlich doch zu seinem Mund weiterwanderten. "Aber bis es soweit ist, werde ich tun, was ich kann, damit du die Zeit, die wir haben, nie wieder vergisst, Siegfried", murmelte er gegen die Lippen des Angesprochenen und als er sie schlussendlich doch mit den seinen versiegelte, erwiderte dieser den Kuss mit allem, was er hatte. Und wenn der Schwarzhaarige tausendmal Recht behalten sollte, das war einerlei. Alles, was zählte, war das Hier und Jetzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)