Herzschlag von Kalliope (Das Buch der Rose) ================================================================================ Kapitel 1: Gepflegte Feindschaft -------------------------------- Rose schenkte ihrem Spiegelbild ein strahlendes Zahnpastalächeln, während sie noch ein letztes Mal über ihre glatten Weasleyhaare kämmte und sich anschließend zügig auf den Weg machte. In den letzten fünf Schuljahren war sie an keinem einzigen Tag zu spät zum Unterricht erschienen und daran sollte sich auch in ihrem sechsten und kommenden siebten Schuljahr nichts ändern, wenn es nach der ältesten Tochter von Hermine Granger ging. Immerhin hatte diese ihrer Tochter Rose stets die Tugend der Pünktlichkeit eingebläut. „Rose, warte auf mich!“ Ophelia Foley, Roses Klassenkameradin aus dem Hause Gryffindor, sauste aus dem Schlafsaal der Mädchen und schloss zu ihrer Freundin auf. „Puh, ich hoffe, dass Professor Longbottom uns nicht wieder mit dem Seelenleben der Alraune quält. Das Schuljahr läuft noch keine vier Wochen und ich bereue schon, dass ich meinen Kräuterkunde-ZAG mit Ohnegleichen bestanden habe und als weiterführenden Kurs gewählt habe.“ „Wie kann man denn bereuen, dass man in einem Fach die Bestnote hat?“, fragte Rose mit sichtlichem Unverständnis und konnte über Ophelias theatralischen Seufzer nur den Kopf schütteln. „Das habe ich ernst gemeint.“ „Ich weiß, Süße. Genau deshalb seufze ich auch.“ Die Brünette zwickte ihrer besten Freundin in die Wange, wofür sie einen empörten Blick erntete. Kurz darauf erreichten sie auch schon den Gemeinschaftsraum und gingen von dort weiter zum Kräuterkundeunterricht bei Professor Neville Longbottom. Ebenso wie Ophelia hatte auch Rose ihren ZAG in Kräuterkunde mit Ohnegleichen bestanden, wobei sie dafür unheimlich viel gelernt hatte, was sie nach außen nur ungerne zugab. Zwar stimmten ihre Noten in Kräuterkunde, aber es fiel ihr schwer und sie belegte den Kurs nur weiter, damit sie später eine schöne Sammlung an ausgezeichneten UTZ vorzeigen konnte. Rose mochte viel lieber die Fächer Verwandlung, Zauberkunst und Arithmantik. Auf dem Weg zum Gewächshaus von Hogwarts schnatterte Ophelia über das Frühstück und die beginnenden Planungen für den Halloween-Ball, der am 31. Oktober stattfinden sollte. Zwar waren es bis dahin noch fünf Wochen, doch die Gryffindor-Schülerin ließ sich keinesfalls die Vorfreude nehmen. „Allerdings weiß ich noch gar nicht, wen ich fragen soll. Alleine zum Ball zu gehen ist total blöd. Na ja, wenigstens können wir uns in Kräuterkunde in Ruhe darüber unterhalten.“ Rose brummte zur Bestätigung und zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. Es war eine Tatsache, dass der weiterführende Kräuterkundeunterricht eine absolut slytherinfreie Zone war, denn sage und schreibe kein einziger Slytherin im sechsten Schuljahr hatte Kräuterkunde zu seinen UTZ-Prüfungsfächern hinzugefügt. Wie sagte ihr Cousin Albus doch gerne? „Man braucht Kräuterkunde nicht, um Zaubertränke zu verstehen.“ Und er hatte am Anfang seiner Hogwarts-Laufbahn behauptet, er wäre kein richtiger Slytherin, dieser Spinner. An den Kräuterkundeunterricht fügte sich in Rose‘ Stundenplan der Unterricht in Arithmantik an, danach hatte sie ihre Mittagspause und ging in die Große Halle, in der bereits das Essen aufgetischt war. Köstliche Gerüche flogen von überall durch die Luft und mit knurrendem Magen setzte sie sich an den Tisch von Haus Gryffindor. Zu ihrer Enttäuschung war Ophelia nicht zu sehen, weshalb sie schon einmal mit dem Essen begann. Wenige Minuten später gesellte sich Lily zu ihr. „Hey, Rosie“, sprach sie mit ihrer hellen, klaren Stimme und schenkte ihrer älteren Cousine ein strahlendes Lächeln. Derweil lud sie Reis und Rindfleisch mit Soße auf ihren Teller sowie zwei kleine Kürbismuffins. „Hugo redet ununterbrochen vom nächsten Quidditchspiel und geht mir damit tierisch auf die Nerven. Mittlerweile glaube ich, dass James ihn nicht ins Team hätte holen sollen.“ „Er kann nerven, das stimmt. Aber James weiß schon, was er tut.“ Rose musste sich eingestehen, dass James als Kapitän des Quidditchteams immer den richtigen Riecher hatte, auch wenn das bedeutete, dass das halbe Team aus Anhängern der Weasley-Familie bestand. Er selbst war der Sucher, Hugo Hüter und die schlagkräftige und laute Roxanne eine ausgezeichnete Treiberin. „Außerdem gefällt es Hugo und er kann den Ausgleich gut gebrauchen. Mom ist der festen Überzeugung, dass er dadurch mehr Verantwortung lernt und sich auf die Schule konzentriert; Dad freut sich einfach nur, dass er den Slytherins eins auswischen kann.“ Lily kicherte und schob sich einen Muffin in den Mund. „Ja, das ist typisch Onkel Ron. Hugo und er sind sich wirklich total ähnlich.“ Als sie einige ihrer Freundinnen erblickte, beeilte sie sich mit dem Essen, verabschiedete sich von Rose und eilte zu ihrer Clique. Rose selbst war auch mit dem Essen fertig, stand auf und verließ die Große Halle, um noch ein wenig durch die Gänge von Hogwarts zu schlendern. Seit der ersten Sekunde in diesen Mauern hatte sie das Schloss geliebt und es als ihr Zuhause angesehen. Zu schade, dass sie bereits im sechsten Schuljahr war; ehe sie sich versah, würden die UTZ-Prüfungen anstehen, jedenfalls sagte ihre Mutter das andauernd und war bereits jetzt aufgeregter als ihr ältestes Kind, obwohl Rose noch eineinhalb Jahre Zeit hatte. Mit jedem Schritt, der sie weiter von den Schülern in der Großen Halle forttrieb, fühlte Rose sich freier und ruhiger. Es war nicht so, dass sie keine anderen Menschen mochte, aber gerade unter den Gryffindors gab es viele, die einem Haufen quirliger Ameisen gleichkamen. Das passte nicht zu ihrer ruhigen und leicht eigenbrötlerischen Art. Nachdem sie sich ein ruhiges Fleckchen gesucht hatte, holte sie ein Buch für den Arithmantik-Unterricht hervor und begann darin zu blättern. Allerdings kam sie kaum einige Seiten weit, als sie eine bekannte Stimme hörte, die sie leicht zusammenzucken ließ. „Immer am Lernen, Miss Weasley? Fleißig, fleißig.“ „Was willst du, Scorpius?“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen schlug sie betont laut das Buch zu und fixierte stattdessen den Hellblonden, der sich lässig gegen einen Pfeiler lehnte und sie sichtlich amüsiert musterte. „Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen“, antwortete der Malfoy-Spross, doch weiter kam er nicht, denn just in diesem Moment kam Hugo zusammen mit seinem Kumpel Tomasz um die Ecke gebogen und blieb für einen winzigen Augenblick wie angewurzelt stehen. „Die ganze Familie ist zusammen, wie schön.“ „Malfoy!“, blaffte Hugo sofort, kam mit großen Schritten auf seine Schwester zu und stellte sich beschützerisch vor sie. „Verschwinde, na los.“ „Aber, aber, man muss doch nicht gleich so unhöflich werden. Auf der anderen Seite sollte ich das von euch Weasleys ja mittlerweile gewöhnt sein.“ Mit einer majestätischen Ausstrahlung schwebte er von dannen und ließ einen erbosten Hugo und eine missmutige Rose zurück. „Wieso unterhältst du dich überhaupt mit dem?“, fuhr Hugo seine große Schwester von der Seite an. Obwohl er zwei Jahre jünger war, überragte er sie und spielte sich gerne auf. „Komm runter von deinem hohen Ross, du bist nicht mein Aufpasser“, fauchte sie zur Antwort, schnappte sich ihr Buch und stapfte fort. Im Gegensatz zu Hugo und ihrem Vater hatte sie nämlich nicht aus Prinzip etwas gegen alle Slytherins. Ja, Rose war sogar der festen Überzeugung, dass auch in Scorpius Malfoy ein netter Mensch steckte, jedenfalls hatte sie diesen Eindruck ab und an in den letzten Jahren gewonnen. Vielleicht spielte er aber auch nur allen etwas vor und war ein Meister der Täuschung, das konnte man – und hier stimmte das Klischee – bei Slytherins nie so genau wissen. Mit schnellen Schritten stürmte sie durch den Gang, bis sie sich etwas beruhigt hatte und die irritierten Blicke einiger Mitschüler wieder nachließen. Rose strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, atmete tief durch und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kühle Wand. Bald ging der Unterricht weiter und sie musste später am Nachmittag noch einen Aufsatz über die Zubereitung von Zaubertränken schreiben, der ihrer Meinung nach wenig Sinn machte, aber da hielt sie sich bedeckt. Erst die Stimme ihrer besten Freundin Ophelia riss sie aus ihren Gedanken. „Rose, ist alles in Ordnung bei dir? Du siehst etwas blass aus.“ Die Rothaarige nickte und lächelte. „Sicher, alles in Ordnung. Lass uns zum Unterricht gehen.“ Ophelia schwieg auf dem Weg zum Unterrichtsraum, aber da sie noch relativ früh waren und außer ihnen noch niemand hier war, hatten sie noch Zeit zum Reden. „Mir ist gerade Hugo über den Weg gelaufen und er war irgendwie nicht gut gelaunt. Er hat etwas von Malfoy gemurmelt, ist dann aber wieder gedanklich zum nächsten Quidditchspiel abgedriftet. Mich würde es ja nicht wundern, wenn er bei seiner Motivation später als Profi spielt, meinst du nicht auch?“ „Kann schon sein.“ „Ach Rosie, du gefällst mir ganz und gar nicht, wenn du eingeschnappt bist.“ Ophelias fein geschwungene Augenbrauen senkten sich nachdenklich, dann erhellte sich ihr Gesicht wieder. „Oh, ich verstehe… Wieso gibst du dich überhaupt mit Scorpius ab?“ Als andere Schüler zu ihnen stießen, senkte sie ein wenig die Stimme. „Hugo hat Recht, mit einem Slytherin lässt man sich nicht ein. Außerdem weißt du doch, dass er als Sucher für Slytherin tätig ist; Hugo, James und Roxanne würden es dir niemals verzeihen, wenn du deine Hausmannschaft hintergehst. So etwas tut man nicht.“ Rose‘ Miene verfinsterte sich nur noch weiter, was zu ihrem Gesicht gar nicht passen wollte. „So langsam kann ich dieses ganze Gerede nicht mehr hören. Wieso müssen Gryffindors und Slytherins verfeindet sein? Albus ist auch in Slytherin und wenn ich mit ihm unterwegs bin, stört sich keiner daran.“ „Aber er ist doch dein Cousin, das ist etwas vollkommen anderes.“ „Ist es nicht.“ Rose schien noch weiter argumentieren zu wollen, doch sie verstummte, als auch die anderen Mitschüler eintrafen und die Geräuschkulisse bei Gesprächsthemen wie dem nächsten Quidditchspiel und dem Halloween-Ball immer weiter zunahm. Doch je länger sie zusammen mit den anderen Gryffindors im Flur stand, desto mehr war sie davon überzeugt, dass der Sprechende Hut einen Fehler gemacht hatte. Sie war keine Gryffindor, sie war eine Ravenclaw. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)