Love is a disaster von KagerixShinsui ================================================================================ Kapitel 24: Veränderung ----------------------- Heute verzichtete Naoki auf das übliche Frühstück, welches er normalerweiße wirklich mochte. Doch heute war er nicht in der Stimmung, um am Frühstück teilzunehmen. Stattdessen verließ er früh das Haus. Die sommerliche Morgenbriese wehte ihm durch´s Haar. Es war angenehm warm. Einige Wolken hatten sich am strahlend blauen Himmel gebildet. Naoki setzte sich auf die strahlend weiße Hollywoodschaukel. Die Kissen, die darauf lagen, waren mit einem weißen, mit verschiedenen brauntönen gestreiften, Kissenbezug bedeckt worden. Sanft pendelte Naoki mit ihr vor und zurück. Er setzte sich im Schneidersitz und blickte nach oben. Während er die Wolken beim vorbei ziehen beobachtete versank er immer mehr in Gedanken. Er konnte fast nichts mehr anderes tun, konnte nur noch an eine Sache denken: Itsuka. Es ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Ihre bedrohliche Stimme, ihr ernster Blick. "Naoki..lass die Vergangenheit ruhen", er konnte diesen Satz nicht vergessen. "Du begibst dich langsam in Gefahr". Was war nur los? Woher kannte Naoki Itsuka? Und warum war sie so mysteriös? Furchtbar spitze und scharfe Eckzähne, blasse Haut, die wirklich nie bräuner zu werden schien, egal wie lange sie in der Sonne war und ein eisig kalter Körper, der sich zwar erwärmen konnte, die Wärme jedoch wieder abgab, als wäre er ein toter Gegenstand. Und dann auch noch diese Geschwindigkeit, mit der Naoki innerhalb einer Sekunde unter ihr, statt auf ihren Brüsten lag. Es schien fast schon so, als wäre sie kein Mensch. Nein, das war Schwachsinn. Wie konnte Naoki auch nur für eine Sekunde an so etwas kurioses denken? Dieser Alptraum raubte ihm wohl den gesunden Menschenverstand. Es ließ ihn glauben, dass wirklich Dinge existierten, die ein Mensch sich bis jetzt noch nicht erklären konnte. Doch warum sollte ausgerechnet Itsuka, seine bezaubernd hübsche Nachbarin, eines dieser Dinge sein? Wäre dann nicht ihre ganze Familie etwas anderes geweßen? Naoki dachte noch einmal genauer nach. Ihre ganze Familie war blass. Auch Saoris Haut war kühl. Auch wenn Naoki es nicht wollte, so bekam er doch immer mehr diese seltsame Vermutung, dass Itsuka und somit ihre ganze Familie etwas waren, was für Menschen ungewöhnlich war. Noch einmal sprangen diese Bilder vor seine Augen: Blut, das kleine finster lächelnde Mädchen mit den glühend roten Augen und die tote Frau. Verzweiflung, Angst, Verwirrung - die Gefühle, die ihn in diesem Moment heimsuchten. Seit er dieses Bild gesehen hatte, schienen die Bilder in seinem Kopf klarer als je zuvor. Brachte es ihn in Gefahr? Er wusste doch nicht einmal wer dieses Mädchen seines Traumes geweßen war, doch wenn er weiter herumwühlen würde, so würde er es vielleicht herauß finden. Definitiv wollte Itsuka das verhindern. Aber warum? Naoki seufzte und senkte seinen Blick bis in das grüne Gras unter sich. Er fasste sich an seine Stirn. So viele Fragen und keine Antwort, zumindest noch nicht. Itsukas Drohung hinderte ihn nicht daran weiterhin wissen zu wollen was geschehen war. Er hatte sich schon längst entschieden. Er wollte wissen was damals passiert war, wollte sich wieder an den Mörder seiner Nachbarin erinnern. Naoki stand auf, nahm einen tiefen nach frischen Blüten riechenden Luftzug und betrat das Haus wieder. Kyouko gab ein verzweifeltes seufzen von sich, als sie sich ihre Hausaufgaben ansah. Wieder einmal schaffte sie es nicht alleine. Um auf andere Gedanken zu kommen verließ sie erst einmal ihr Zimmer. Welche ihrer Geschwister wollte sie nun nerven? Ihr Cousin Aiji war ja nicht da. Seit gestern war er verschwunden und über nacht nicht nach Hause gekommen, da Kyouko ihm ja erzählt hatte, dass sein Vater da geweßen war. Mittlerweile war er stinksauer nach Hause gegangen, doch Kyouko hielt es für sicherer, wenn Aiji erst einmal für eine Weile weg blieb. "Ich hoffe Aiji geht es auch gut..", dachte sie leicht besorgt. Um sich zu versichern schickte sie ihm eine SMS. Danach steckte sie das schwarze Handy zurück in ihre Hosentasche und entschied sich zu ihrer Schwester, Kageri, zu gehen, um sich ein wenig Ablenkung zu verschaffen. Anklopfen fand sie unnötig. Stattdessen lief sie einfach ins Zimmer ihrer älteren Schwester. "Hey Kageri", Kyouko lief zu ihr ans Bett und sah sie an. Irgendwie wirkte Kageri deprimiert. "Hey...", murmelte Kageri leise und seufzte. "Was ist los?", wollte Kyouko wissen und setzte sich neben sie. "Ach äh..nichts. Mir geht´s gut..", leider war Kageri die schlechteste Lügnerin die auf dieser Welt existierte. Man merkte es sofort, wenn sie etwas bedrückte. "Klar. Deswegen ziehst du ja auch so ein Gesicht, als wäre der Weltuntergang nicht mehr weit entfernt". "Mach ich doch gar nicht..", Kageri versuchte zu lächeln, doch es wirkte unglücklich. "Kageeeri...", Kyouko hob nichtglaubend ihre Augenbraue. "Sag es!", forderte sie ihre Schwester auf. "Sag was dich bedrückt!". "Ich hab heute ein Gespräch einiger Mädchen mitbekommen..", murmelte Kageri und zog ihre Beine an ihren Oberkörper. "Und?". "Die haben halt was gesagt..". "Mensch, Kageri! Lass dir doch nicht alles so aus der Nase heraußziehen! Was haben sie denn gesagt?", Kyouko wurde ungeduldig. "...Dass Kireda-kun Mädchen, die klein, süß und schüchtern sind und kleine Brüste haben nicht mag", erzählte Kageri ganz leise und wurde röter. "Und deswegen sitzt du nun deprimiert in deinem Zimmer herum?". "Ich...glaube schon", murmelte Kageri und nickte leicht. Kyouko seufzte. "Woher wollen diese Mädels das wissen, hm? Ist vielleicht nur irgendein Gerücht. Du kannst nie sicher sein, ehe du ihn nicht selbst gefragt hast, also warum fragst du ihn nicht einfach?", schlug Kyouko vor. "W-Was?! N-Nein das kann ich nicht!". "Wieso nicht?". "D-Dann...dann weiß er es doch sofort...wenn ich ihn fragen würde, ob es wirklich stimmt, dass er keine kleinen, süßen Mädchen mag....dann weiß er doch sofort, dass ich mich für ihn interessiere...". "Hmm..", Kyouko dachte nach. "Vielleicht hast du recht...also sollte ich ihn fragen!". "Nein!". "Wieso denn nicht?", Kyouko verschränkte ihre Arme und wartete auf eine Antwort. "Weil er dann denken könnte, dass ich dich geschickt hätte um nachzufragen..". "Okay dann...frag ich eben Naoki. Vielleicht weiß der ja was über Yasuos Geschmack, immerhin hängen die Beiden in letzter Zeit öfters miteinander ab. Scheinen wohl Freunde geworden zu sein", schlug Kyouko vor. Als Kageri einfach nur vor sich hinschwieg, vergewiserte Kyouko sich sicherheitshalber noch einmal: "Keine Einwände?". Kageri schüttelte den Kopf. "Gut. Dann frage ich ihn nachher. Mach dir keine Gedanken mehr über dieses Thema. Ich bin mir sicher, dass Yasuo dich mag. Außerdem glaube ich auch nicht, dass er so einen rießen großen Wert auf äußere Werte legt und du bist doch ein nettes Mädchen, das ihm immer hilft, also mag er dich bestimmt", versuchte Kyouko ihre ältere Schwester aufzumuntern und streichelte ihr tröstend über ihr dunkelgraues Struppelhaar. In solchen Momenten konnte man denken, dass Kyouko die Ältere war, die sich fürsorgilch um ihr kleines Schwesterchen sorgte. Sowieso wirkte Kageri durch ihre größe und ihr leicht kindliches Verhalten jünger als Kyouko. "Weißt du..ich denke du und Yasuo, ihr könntet ein wirklich süßes Päärchen abgeben. Vielleicht wird dieses mal ja was drauß? Ich meine..es ist das erste mal, das du mit dem Jungen, in den du dich verguckt hast auch mal öfters redest, nicht wahr?". Unsicher wirkend nickte Kageri und errötete noch etwas mehr. "Na also. Dann mach dir mal wie gesagt nicht zu viele Sorgen, ja?". Erneut nickte Kageri einfach nur und wirkte auch schon viel erleichterter, auch wenn sie jetzt nicht sofort wieder die fröhlichste geworden war. "So ist´s gut", Kyouko umarmte ihre Schwester noch einmal kurz, bevor sie aufstand und zur Tür lief. "Ich werde Naoki suchen gehen", sagte sie kurz bevor sie das Zimmer verließ und sich auch schon auf die Suche begab. Zum besten Zeitpunkt, wie es sich bald heraußstellte, um einige schmerzhafte Dinge zu verhindern. "Weißt du, dass mir die ganze Sache momentan wirklich auf die Nerven geht?", Naoki wusste nicht, wie er schon wieder in diese Situation geraten war. Wahrscheinlich war es seine Wut geweßen, die es so weit kommen ließ. Nun saß er auf seinem Bruder, den schwarzen Kragen hielt er in seiner Hand, seine andere zu einer Faust geballt, während Kenta einfach nur schadensfreudig grinste. Naoki hatte geplant ihm aus dem Weg zu gehen, doch nur wenige Sätze hatten gereicht um diesen Plan durch ein Gefühlschaos zu vergessen. "Itsuka hat mir erzählt, dass du sowieso nur ein Spielzeug für sie bist. Ein Zeitvertreib", hatte Kenta ihm vor einigen Minuten noch erzählt. Naoki hielt es eindeutig für eine Lüge und trozdem machte es ihn unglaublich wütend. "Was hast du nun vor? Willst du mir eine reinhauen? Soll ich Itsuka erzählen, dass du mich schlägst nur weil es dir nicht passt, dass ich ab und zu etwas mit ihr unternehme? Soll ich ihr erzählen was du für scheiß Aktionen abziehst, damit ich mich von ihr fern halte?", Kentas grinsen wurde breiter, als hätte er diese Situation vollkommen unter Kontrolle. "Und du denkst sie würde dir das glauben!? Außerdem was für scheiß Aktionen!? Wenn hier einer scheiß Aktionen abzieht, dann bist du das! Immerhin bist du doch das Arschloch, das Frauen den supertollen Traumjungen vorspielt, das blaue vom Himmel verspricht, sie flachlegt und sie dann mit gebrochenem Herzen einfach sitzen lässt!", brüllte Naoki wütend. Er hatte seinen Bruder satt. Mit diesem Kotzbrocken konnte er doch nicht verwandt sein. "Ich hab dir schonmal erklärt, dass ich nicht schuld dran bin, wenn die alle so naiv sind", meinte Kenta dazu nur. "Du missbrauchst das Vertrauen dieser wunderschönen Mädchen und verletzt sie und deswegen bist du einfach ein Arschloch, das mieße Aktionen abzieht. Da ist es egal ob die Mädchen nun naiv waren oder nicht!", maulte Naoki. "Und? Wenn du Itsuka vorschreiben willst mit welchen Leuten sie ihre Zeit verbringen darf und mit welchen nicht, als wäre sie dein Eigentum, dann bist du auch nicht besser". "Das tue ich nicht! Wenn ich das tun würde, dann würde ich anders mit ihr umgehen! Aber ich weiß, dass ich nichts daran ändern kann, dass ihr Zeit miteinander verbringt, da es ihre Entscheidung ist und bleibt", grummelte Naoki genervt. "Na also. Warum lässt du mich dann jetzt nicht los? Kannst doch eh nix dran ändern, dass sie bald meine Freundin sein wird", Kentas grinsen blieb auf seinem Gesicht, als würde es nicht mehr enden. Dieser Satz brachte die Flamme aus Wut und Hass, die sich in Naoki befand, erneut zum aufsteigen und Naoki schlug ohne weiterhin nachzudenken zu. Er hasste dieses ekelhafte grinsen. Kenta sollte endlich aufhören so zu grinsen. Er sollte endlich anfangen normal zu denken. Endlich aufhören Frauen und Gefühle als Spielsachen anzusehen. Endlich aufhören ein verdammtes Arschloch zu sein und wenn er das nicht von selbst tat, dann mussten eben Schläge nachhelfen. Direkt nach diesem harten Schlag folgte noch einer und danach ein weiterer, bis Kenta den nächsten dann abblockte und Naoki von sich runterschmiss. Er wischte sich das dunkelrote, frische Blut, welches an seiner aufgeplatzten Lippe herablief, ab und packte Naoki in sein dunkelgraues Haar. Dann zog er daran und schlug Naokis Kopf einmal heftig gegen seinen dunklen Nachttisch, ehe er dann losließ und ihm noch einmal in den Bauch trat. "Was macht ihr denn da!?", eine erschrockene und schockierte Stimme unterbrach diesen Kampf, der durch Kentas provozierende und streitsüchtige Art ausgebrochen war. "Hört sofort auf! Ihr spinnt doch!". Kyouko rannte zu ihren Brüdern und kniete sich zu Naoki nieder, der nun auf dem Boden lag und trozdem noch immer mit zornigem Blick zu Kenta blickte. Kenta seufzte und blickte genervt, als würde es ihn stören, dass Kyouko diesen 'Spaß' unterbrochen hatte. Mit mühe stand Naoki wieder auf und schwankte leicht. "Ich werde nicht zulassen, dass du Itsuka wehtust", Naokis Stimme klang drohend, aber auch leicht von Schmerz erfüllt. Kyouko war verwirrt. Ging es bei diesem Kampf um Itsuka? Die brüderliche Beziehung zwischen Naoki und Kenta war so den Bach hinunter gegangen wegen..Itsuka? Es stimmte, dass Naoki und Kenta nie eine wirklich gute Beziehung zueinander gepflegt hatten, doch so schlimm war es zwischen den Beiden schon lange nichtmehr geweßen...oder...war es überhaupt wirklich je so schlimm geweßen, dass sie sich so geschlagen hatten? Kyouko wollte gar nicht erst darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn sie nicht rechtzeitig diesen Kampf unterbrochen hätte. Blut lief die Stirn ihres Bruders, Naoki, herab. Die linke Seite seiner Stirn hatte die Kante des Nachttisches getroffen - und das nicht gerade sanft. Der Aufprall hatte eine aufgeplatzte Wunde ergeben. "Los, komm!", Kyouko stützte ihren Bruder ab und half ihm aus dem Zimmer. "Wir bringen dich zu Mum und die fährt dich dann ins Krankenhaus..das sieht wirklich gefährlich aus..". Kyouko drehte sich um. Ihr zorniger Blick war auf Kenta gerichtet. "Und mit dir rede ich nachher noch! Das gilt aber auch für Naoki! Ihr bekommt beide noch was zu hören!". "...Was..tust du da?", Seito war ein wenig verwirrt, als er von der Schule nach Hause kam und Aiji in einer Schürze steckend kochen und zugleich Geschirr spühlen sah, als wäre er eine multitask fähige Hausfrau. "Ah, hallo Kireda-Sensei. Ich koche nur und spüle das Geschirr von heute früh. Irgendwie sollte ich mich ja schon dafür bedanken, dass ich hier bleiben darf", antwortete sein Schüler ihm. "Musst du nicht", ließ Seito ihn wissen, doch eigentlich fand er es recht lustig Aiji in einer Schürze am Ofen zu sehen, als wäre er tatsächlich erfahrene Hausfrau. Das leichte lächeln verschwand jedoch wieder, als Seito darüber nachdachte, dass es vielleicht wirklich so hätte sein können. Aijis Vater war ein brutaler Alkoholiker. So jemand tat nichts für den Haushalt und sorgte auch nicht dafür, dass etwas zu essen da war. Wegen diesem Mann war Aiji einen Tag und auch noch die gestrige Nacht bei Seito geblieben. Auch in die Schule war Aiji heute nicht gegangen, da die Gefahr hätte bestehen können, dass sein Vater dort geweßen wäre. "Jetzt ist es schon zu spät ich werde das ganz bestimmt nicht wegwerfen! Außerdem hab ich selbst ja auch hunger", das glaubte Seito ihm sofort, als er direkt danach Aijis laut knurrenden Magen hörte. Seito lachte kurz und setzte sich dann an den Tisch. "Also gut, dann mach mal weiter". Sitzend beobachtete er Aiji dabei, wie dieser frisches Gemüse auf einem Tablett schnitt. Dies tat er sogar recht schnell und die Stücke waren auch ziemich gleichmäßig geschnitten. Er hatte also wirklich schon viele Kocherfahrungen gesammelt. "Aiji?". "Was ist?", Aiji wandte seinen Blick nicht vom Gemüse ab. "Bleib so lange wie du willst, ja?". Plötzlich schien Aiji überrascht. Das Küchenmesser, welches er in der Hand hielt, hörte auf gleichmäßige Gemüsestückchen zu schneiden. Es lag still in seiner Hand und Aiji drehte seinen Kopf kurz in Richtung seines Lehrers. "Ich..hatte vor heute wieder zu gehen", ließ er Seito wissen, wobei er leicht verwirrt klang. "Bleib doch einfach hier. Ich hab kein Problem damit und es ist sicherer für dich oder?", es hörte sich an, als hatte Seito wirklich vor ihn zu überreden, was auch wirklich stimmte. Dieser Junge musste vorsichtig behandelt werden. Heute war das Seito noch klarer geworden, als er durch einige kleine Nachforschungen erfahren hatte, was in Aijis Vergangenheit geschehen war. "Du willst etwas über Aiji wissen?", der Direktor scheint nicht wirklich überrascht zu sein und gibt Seito den Ordner des Schülers. "Er ist der Problemschüler deiner Klasse, in der du als auszubildender Lehrer ab und zu unterrichten darfst, nicht wahr?". "So würde ich das nicht sagen. Er ist vielleicht ein wenig schwierig, aber das hat wohl auch seine Gründe", antwortet Seito und nimmt den Ordner an sich. "Ja, Gründe wird er wohl wirklich haben. Allerdings will er über diese mit niemandem reden", erzählt der Direktor. "Nicht einmal unseren besten Vertrauenslehrern hat der Junge etwas gesagt". "Es gibt nunmal Dinge, über die man nicht so einfach reden kann. Schon gar nicht mit Lehrern oder anderen Menschen außerhalb der Familie". "Da hast du wohl recht. Jedenfalls wollte ich dich auch noch darauf hinweißen, dass du in diesem Ordner wohl etwas finden wirst, dass dich überraschen oder gar vielleicht etwas erschrecken oder schockieren wird". "Danke für den Hinweis", mit diesen Worten verlässt Seito das Sekretariat und macht sich auf den Weg in das Lehrerzimmer. Dort angekommen setzt er sich auf einen der dunklen Stühle und blättert die Akte durch. Tatsächlich findet er dort etwas, dass er nicht wusste und auch nicht erwartet hätte. Ein Artikel über einen Suizidversuch, der wohl vor langer Zeit in der Zeitung stand. Aiji hatte versucht sich das Leben zu nehmen? Es muss für ihn wirklich belastend sein, was auch immer sein Vater ihm heute noch sagt. Was er für Anschuldigungen tut und wie er ihn bestraft. Damals, vor ein einhalb Jahren, war Aiji vom Schuldach des Gebäudes in Numazu gesprungen. Gebüsche waren wohl seine Rettung geweßen und linderten die Schäden auf die ein oder anderen Knochenbrüche. Was wäre nun, wenn Aijis Vater ihn wieder zurück holen würde? Wenn Aiji nun wieder in Numazu war und nicht mehr zurück kam, da die Schule in Kyoto, auf die er momentan ging, den Schulwechsel nicht mehr akzeptierte? Seito würde nicht mehr mitbekommen was mit Aiji geschah und was sein Vater mit ihm anstellte. Vielleicht würde Aiji es wieder versuchen? In diesem Moment entschied Seito sich. Er wollte diesem zerbrechlichen Jungen aus dem Chaos helfen. Er würde Aiji mindestens so lange unterstützen, bis sein krimineller Vater keine macht mehr über ihn hatte. "Auch wenn Sie sagen, dass Sie kein Problem damit haben, kann ich nicht hier bleiben. Ich will niemandem eine Last sein", antwortete Aiji leise. "Du bist mir keine Last. Eher im Gegenteil. Ich find´s gut, dass du kochst und dich auch noch um den abwasch kümmerst". "Im ernst? Sowas schaffen Sie wohl noch selber ziemlich leicht. Ist ja nicht wirklich ´ne große Sache. Außerdem ist es doch bestimmt ein unangenehmes Gefühl mit einem halbfremden Schüler zusammenzuleben". "Nicht wirklich. Ich fühl mich eher nicht mehr so allein in diesem großen Haus", ließ Seito ihn wissen. "W-Wie auch immer...ich kann nicht bleiben". "Was hindert dich daran?", Seito blieb sturr. "Na ja..a-also...Sie würden doch bestimmt ärger bekommen, wenn jemand erfahren würde, dass einer Ihrer Schüler bei ihnen lebt oder?". "Schon wieder dieses Thema? Hatten wir nicht schon geklärt, dass das eigentlich eine Ausnahmesituation ist?". "T-Trozdem..". "Trozdem was?". "Ach! Bleibe ich eben! Aber Sie werden schon sehen was Sie davon haben! Ich bin ´ne verdammte Nervensäge! Spätestens nach zwei oder drei Tagen hällt man es nicht mehr mit mir aus! Ich brauche Aufmerksamkeit oder irgendwas zu tun, sonst wird mir langweilig. Außerdem bekomme ich ziemlich schnell hunger und ich esse auch recht viel, könnte also teuer werden!". Seito lachte. "Selbst damit habe ich keine Probleme also vergiss es du findest kein so starkes Argument, das dagegen spricht hier zu bleiben". "Sie sind ein Idiot", grummelte Aiji und drehte sich wieder um. Das Küchenmesser in seiner Hand begann wieder schnell zu schwingen und schnitt die Gemüseteile noch kleiner. 18.39 Uhr. Noch immer keine neue Nachrichten auf ihrem Handy. Kyouko seufzte besorgt. Der heutige Tag war wieder einmal eine Katastrophe. Wenigstens war Naoki nun behandelt worden. "Es ist nichts gefährliches, machen Sie sich keine Sorgen er wird keine Schäden davon tragen. Er wird ein wenig ruhe brauchen, aber er kann schon wieder mit nach Hause gehen", hatte der Arzt gesagt. Nun waren sie schon wieder auf dem Heimweg. Kyouko seufzte erneut. "Mal ehrlich, was hattet ihr euch dabei gedacht? Seid ihr dumm oder so?", ihre Stimme klang ruhig und müde. "Ich..weiß es auch nicht, Kyouko. Ich weiß nicht, warum Kenta mich ständig so provozieren muss und ich weiß auch nicht, warum Itsuka meine Schwachstelle ist....warum ich immer wegen ihr so ausflippe", Naokis Augen waren geschlossen, während er mit seiner Schwester sprach. Ein Vernand bedeckte seine Stirn. "Vielleicht ist es, weil du sie liebst?", vermutete Kyouko. "....Ja, vielleicht", Naokis Stimme klang leise, als wäre er kurz davor einzuschlafen und als würde er nun, in diesem Moment, nicht mehr wirklich viel darüber nachdenken was er sagte. Hätte er es nicht verneinen sollen? Nein, denn er sagte die Wahrheit. Die Wahrheit, die er nicht wahr haben wollte. Die Wahrheit, die er für weitere Zeit nicht akzeptieren würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)