Resetted von sadako888 ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Roxanne öffnete ihre Augen, doch alles was sie erblicken konnte, war pure Dunkelheit. Ihr war ein wenig schwummrig zumute. Sie erinnerte sich noch, dass sie gerade Megaminds Stereoanlage leiser stellen wollte, weil sie AC/DC zu sehr vom Schreiben ihres Berichtes ablenkte. Jetzt war sie bewegungsunfähig und bekam kaum Luft unter dem alten Entführungssack. Wie kam es so schnell von Situation A zu Situation B? Und woher kam plötzlich wieder dieser Sack? Sie hatte ihn extra in einer Nacht und Nebel- Aktion still und heimlich aus der Bösen Höhle verbannt. Auch wenn Megamind ihn als ein unschätzbares Erinnerungsstück ansehen wollte, hegte sie keinerlei positiv behaftete Gefühle oder Erinnerungen an das Ding. „Megamind…?" rief sie, auch wenn sie wusste, dass sie kaum hörbar war. "Okay, du darfst den blöden Sack behalten! Aber nimm ihn runter!" Es wunderte sie selbst, aber kaum, dass sie es aussprach, verschwand der mufflige Gestank und wurde ersetzt durch die frische, kühle, leicht modrige Luft, die es so nur in der Bösen Höhle gab. Die vertrauten blinkenden Gerätschaften, die Monitore und der extravagante Kragenledersessel von Megamind kreuzten Roxannes Blickfeld. Sie war noch Zuhause. „Miss Ritchi. So trifft man sich wieder" sagte Megamind, während er sich in seinem Sessel zu ihr umdrehte. Er hielt einen Brainbot auf seinem Schoß und tätschelte ihn, um die Dramatik der Szene zu unterstreichen. Es wunderte Roxanne, dass er sein Mittwochscape nicht mehr trug, aber ansonsten gab es für sie nichts Ungewöhnliches an dieser Szene. Sie hatte eine ziemlich genaue Ahnung von dem, was hier gespielt wurde: Megamind machte mal wieder ein Drama, weil sie vor dreieinhalb Monaten Kaffee über eine seiner Relativitätstheorien geschüttet hatte. Niemand war so nachtragend wie Megamind. Ein riesiges Gehirn und ein fotografisches Gedächtnis, um auch jeden winzigsten Fehltritt abzuspeichern, war ein fatales Handicap für ‚vergeben und vergessen'. „Findest du das fair? Der Sack stinkt wie die Pest!" lenkte Roxanne sogleich ab, bevor Megamind ihr zum 88. Male mit der Kaffeegeschichte kommen konnte. Doch anscheinend war das diesmal gar nicht sein Problem. „Sie können schreien so LAUT sie wollen, Miss Ritchi, ich fürchte, es wird sie keiner hören...!" Roxanne blinzelte verwirrt. Ja, sie wusste um die neue schalldichte Wandverkleidung. Schließlich war SIE es, die ihn gezwungen hatte, sie anzubringen. Plötzliche Explosionen und Amok laufende Brainbots störten sich nicht an so einfachen Dingen wie Nachtruhe. Sollte sie jetzt Halleluja schreien, weil er es nach 5 Monaten des Bettelns endlich in seinen Zeitplan schieben konnte? „Minion, warum schreit sie nicht?" fragte Megamind seinen Lieblingsfisch tatsächlich in der nächsten Sekunde. Roxanne schüttelte ihren Kopf. Konnte er jetzt auch noch Gedanken lesen? „Miss Ritchi, wenn sie so freundlich wären?" Minion tauchte hinter ihrem Rücken auf. Die ganze Sache verwirrte Roxanne immer mehr. Das Megamind sich seltsam benahm war ihr ja nichts Neues, aber Minion? „Ungefähr so – AAH! – Aber so - " fing Megamind an, doch Roxanne musste ihn unterbrechen. „Pass doch auf!" warnte sie ihn, doch es war schon zu spät. Der Brainbot Charlie versenkte seine Metallzähne schon in die rechte Hand seines Erbauers. Charles war eigentlich ganz nett, aber er mochte keine lauten Geräusche und wollte auch nicht allzu lange getätschelt werden. Dinge, die eigentlich niemand besser wissen müsste als sein Entwickler. „Du lernst es echt nie" sagte Roxanne und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war schon witzig, dass sie inzwischen besser über manche Macken seiner Maschinen bescheid wusste, als er selbst. „Das war so berechenbar, du Genie. Sogar ICH kann dir den Algorithmus schon aufschreiben -" fing sie an, doch er fiel ihr ins Wort. „BERECHENBAR...!" Megamind schien ihre Randbemerkung nicht zu gefallen. „Meine Erfindungen sind Abbilder meiner selbst – also von Natur aus gut aussehend, durch und durch böse und UNberechenbar. Oder finden Sie DAS berechenbar?" Megamind betätigte einen Hebel, der den Boden zu Roxannes Füßen auseinanderklaffen ließ, so dass das Alligatorenbecken zum Vorschein kam. „Ah!" rief sie, ehrlich überrascht. „Du hast endlich mal das Becken gereinigt!" Aber wieder schien Megamind ihre Antwort nicht in den Kram zu passen. Er schien enttäuscht. „Hm. Und das? Boom! Keine Chance." Megamind drehte an verschiedenen Kurbeln und drückte auf mehreren Knöpfen herum, um seine ‚Foltergeräte' auf Roxanne zu richten. Den Anfang machte Roxannes allzeit beliebtes Maschinengewehr, das, wie sie inzwischen wusste, nur mit Süßigkeiten gefüllt war, anstatt mit Munition. „Willst du mich jetzt so lange mit Marshmallows beschießen, bis ich blute? Ich hab noch einen Bericht zu schreiben!" entgegnete sie schnell. Doch Megamind ließ sich davon nicht ablenken. „Nein – Achtung: Jetzt!" Der Bohrer erschien über Roxannes Kopf und surrte gefährlich. „Und…?" sagte sie ohne weitere Umschweife. Der Bohrer war zwar schon weniger lustig, aber zum Glück nur soweit montiert, dass er nicht bis zur bedrohten Person reichte. Nach all den Jahren reichte seine Bedrohlichkeit nur dazu aus, einem armen Pizzalieferanten namens Steve zu verängstigen. Wenn Megamind eine Champignonpizza ohne Pilze haben wollte, dann wollte er eine Champignonpizza ohne Pilze. „Schockmethode!" rief Megamind jetzt. Die Kreissägen richteten sich auf Roxanne und näherten sich ihrem Hals. „Hast du wirklich ALL deine Spielsachen wieder rausgekramt?" fragte sie. Wenn das noch lange ging, würde sie auch noch ihre Lieblingssendung verpassen. „Oh, wie furchterregend!" Megamind überhörte sie großherzig und bedrohte sie jetzt mit dem Schuhrad des Todes. Er hätte auch einfach ‚Ja' sagen können, dachte Roxanne. „Dauert das noch lange?" fragte sie dazwischen. „Und wie ist es hiermit?" Ein Flammenwerfer rumorte schon hinter Roxanne. Und wieder dachte sie: Ein einfaches ‚Ja' genügte vollkommen. Aber sie gab es auf. Sollte er seinen Willen kriegen. „Kann ich Tor 1 noch mal sehen?" Doch wieder einmal handelte sie sich damit nur einen beleidigten Seitenblick von Megamind ein. Roxannes gute Laune schwand jetzt endgültig. Was war denn heute los mit ihm? Sie verdrehte genervt die Augen und fand die Antwort plötzlich vor ihr, in Form einer sich abseilenden Spinne. Sie sah nach oben und sah auf die Kuppel des gefälschten Sternwartendaches. Deshalb war er also zickig. Er wollte ihre allerletzte Entführung nachspielen und sie wurde ihrer Rolle nicht gerecht. Natürlich musste ihn das wurmen. Es musste einiges an Mühe gekostet haben, seine alten Maschinchen wieder zusammenzusuchen und alles wieder aufzubauen. Roxanne wollte sich gerade vornehmen, ihm zuliebe von nun an eine vorbildlichere Entführte zu sein, doch Megamind gab ihr offenbar keine zweite Chance. „Schluss mit der Zeitverschwendung!" sagte er gekränkt und Roxanne hätte sich ohrfeigen mögen. Da machte er sich solche Mühe und sie - „Wir kontaktieren jetzt ihren Strumpfhosenfreund!" – HÄH? „Strumpfhosen - ?" Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, wen Megamind meinte. „Moment - Jetzt sag nicht, sogar Metroman kriegt seinen Gastauftritt?" Doch Megamind wurde wieder von Charly attackiert und hörte sie nicht mehr. Roxanne konnte ihr Glück gar nicht fassen. Metro - das hieß, Musicman, war eigentlich auf Tournee durch die Staaten. Das er mal wieder vorbeischaute, um sie zu besuchen, war echt nett. Megamind befreite sich derweil und widmete sich den Bildschirmen an seiner Linken zu. Unbeirrt und offenbar erfreut über das, was auch immer ihm die wirren Nummern und Zeichen sagten, schaltete er die Monitore um. Auf das alte Metroman-Museum. „Buohahahahahahaha…!“ lachte er böse in seine Kamera. Roxanne staunte nicht schlecht, denn das, was sie in den Displays sah, war nicht einfach nur Metroman, sondern Metroman in Superheldenmontur. Und die Bürger von Metro City, die sofort anfingen, Megamind auszubuhen. Roxanne stutzte. Die Bürger hatten allen Grund, wütend auf Megamind zu sein, doch normalerweise waren sie nicht so nachtragend, geschweige denn, dass sie ihn ausbuhten. Außerdem hatte sie doch gestern erst bestätigt, dass die letzte Apokalypse nicht böse gemeint war und dass Megamind schon zuversichtlicher war, die Affenvögel wieder unter Kontrolle zu bringen. „Buuuuh. Da stimm ich doch glatt mit ein. Buuh“ trällerte Megamind fröhlich. Vielleicht machte sie sich zu viele Gedanken. Vielleicht gehörte das nur zum Spiel? Und schließlich wollte sie eine brave Geisel sein. Also schön mitspielen, Roxy. „Megamind!" fing Metroman an und flog dichter zur Kamera. „War klar, dass du versuchst, die Party zu sprengen." „Oh, ich gedenke noch viel mehr zu tun, als sie zu sprengen" erwiderte Megamind. Wow, es war wirklich haargenau wie damals. Roxanne lauschte noch einige Sekunden, aber sie kannte den Text noch vom ersten Mal. Daher nutzte sie diese Chance, um sich etwas mehr über ihre Lage zu informieren. „Minion?" flüsterte sie. Vielleicht würde er ihr etwas verraten. Megamind war ja schon schlecht im Geheimnisse bewahren, aber Minion plauderte einfach immer. „Ja, Miss Ritchi?" antwortete er zögernd, wobei er sich vor einen Monitor stellte, damit sie nicht sah, woran er arbeitete. Roxanne sah durch sein Goldfischglas und konnte den Ladebalken des Todesstrahls aufflackern sehen. Leise sprach sie weiter. „Ähm, warum entführt mich Megamind jetzt wieder?" Minion sah sie schief an. „Naja, wir brauchten eine Geisel." Einfach eine Geisel? „Dann nehmt doch einen Brainbot und tarnt ihn als Frettchen in Nöten. Ich hab keine Zeit für so was! Ich muss noch einen Bericht fertig schreiben. Kannst du mich losbinden?" „Wie - Was?" gab Minion verdutzt zurück. „Nein!" Wie - nein? Roxanne musste sich verhört haben, aber ihr blieb keine Gelegenheit, um weiter nachzubohren. „…zum letzten Mal die Stimme von ROXANNE Ritchi. Na?" sagte Megamind euphorisch und deutete in ihre Richtung. Die Kameraanzeige von Fluffy vor ihr leuchtete rot auf und Roxanne sah sich selbst aus den Augenwinkeln in einem der Monitore. Und in dem Bildschirm vor sich sah sie Metroman, der sie besorgt ansah. „Keine Panik, Roxy. Bin schon unterwegs." „Ich ... hab keine Panik!" rief Roxanne verwirrt. Sah sie etwa so aus? „Ich bin genervt!" setzte sie hinzu, aber das blieb ungehört, weil Megamind sie abwürgte. „Um mich aufzuhalten, musst du uns erst einmal finden, Metro-Mann" sagte er verhängnisvoll. Roxanne dachte an ihren Bericht. Bis morgen musste er fertig sein und sie hatte noch nicht einmal die Hälfte durchdacht. Wenn sie nicht rechtzeitig fertig würde, wäre das einzig und allein Megaminds Schuld. Also war er ihr gegenüber mindestens dazu verpflichtet, nachher ein Raum-Zeit-Kontinuum zu erfinden, mit dem er diese unnütze Verschwendung ihrer Lebenszeit wieder gutmachen könnte. Und wehe, er kam ihr wieder mit ‚technischen Unmöglichkeiten'. „Miss Ritchi? Sind wir heute nicht ganz bei der Sache?" fragte Megamind plötzlich neben ihr und riss sie damit aus ihrem Gedanken. „Hm? Doch, doch!" sagte sie schnell. Ihre Lage erfreute sie zwar nicht gerade, aber sie wollte auch nicht, dass er wieder einen Grund fand, zickig zu werden. „Wollen sie Herrn Saubermann nicht vielleicht einen Anhaltspunkt geben, wo wir uns befinden könnten?" flüsterte er ihr leise zu. Warum plötzlich so geheimniskrämerisch? Zu Thanks Giving hatte er doch auch hingefunden. Als Roxanne weiterhin keine Anzeichen gab, etwas zu sagen, murmelte Megamind: „Auf nichts kann man sich verlassen!", begrub das Gesicht in seiner Hand und zeigte mit der anderen zur Decke. „Tipp 1: Ein kuppelförmiges Dach." Roxanne sah nach oben und dann wieder zu ihm. Was erwartete er von ihr? Das sie Metroman wieder zur verlassenen Sternwarte schickte? Sie blieb weiterhin still, bis Megamind genervt ausatmete und etwas murmelte. Es klang verdächtig nach ‚Der klügste Mensch, den ich kenne. Und dumm wie Stroh'. „Tipp 2. Vervollständigen sie diesen Satz: Sonne, Mond - " „Ist ja gut!" rief Roxanne und nahm sich vor, ihn für diesen Kommentar in sehr naher Zukunft büßen zu lassen. „Metroman? Wir sind im Insdustriebezirk, im einzigen Gebäude von Metro City mit einer Sternwartenattrappe auf dem Dach" rief sie in Fluffys Mikro. „Sei ja nicht zimperlich wenn du ankommst, mach so viel kaputt wie nur möglich. Und mach dir nicht die Mühe, bei der alten Sternwarte vorbeizufliegen, da ist nur eine Falle." Sie hatte keine Lust mehr auf dieses Spielchen. Und außerdem hatte Megamind garantiert mit so einer Antwort gerechnet. Genervt wandte sie sich an ihn, ein „Ha!“ ausstoßend, um der alten Zeiten willen, doch entgegen ihrer Erwartung wurde ihr kein triumphales „Haha!“ erwidert. Alles, was sie sah, war ein in absoluter Verwirrtheit dastehender Megamind, der sie mit großen grünen Augen und offenem Mund anstarrte. In diesem Moment dachte er wohl dasselbe wie sie: Irgendetwas lief hier gewaltig schief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)