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Namenlose Freiheit

Oder: Ein Amoklauf und das Leid der Hinterbliebenen Kakashi X Sakura
von

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Please, take me to heaven...

Es liegt in der Natur des Menschen…

Dass er immerzu bestrebt ist, seine „ganz persönliche Freiheit“ zu finden…

Damit er tun kann, was er will…

Leben kann, wie er will…

Damit er frei ist, entflohen aus den Zwängen der Gesellschaft…

Eine namenlose Freiheit, die er selbst bestimmt

Aber eine Freiheit, die beeinflusst wird…

Egal, ob von außen oder von einem selbst gestaltet

Durch den menschlichen Geist geformt…

Wie kann so eine Freiheit namenlos sein?

Nennt man sie selbst beispielweise „endloses Meer“, beginnt man mit Assoziationen

Und plötzlich hat diese Freiheit eine Gestalt, die greifbar scheint, oder?

Ist das Paradies dann nicht auch nur eine geformte Notlösung, weil diese wirklich ungebundene, namenlose Freiheit unseren Verstand übersteigt?

Die Wahrheit ist einfach:

Eine solche, namenlose Freiheit existiert nicht.

Existiert nicht, solange man selbst auf dieser Erde weilt.

Nur der pechschwarze, schwere und zugleich leichte Moment, indem man in einen tiefen Schlaf fällt, nichts mehr fühlt, frei ist, obwohl man sich dessen nicht bewusst ist…

Dieser Moment könnte die namenlose, existierende und doch nicht vorhandene, namenlose Freiheit sein…

Die einzige Möglichkeit allem zu entrinnen…
 

Der Tod.
 


 

„Und nun die Wettervorhersage: Das aus dem Norden ziehende Tief-“

Mit einem dumpfen Klicken verschwand der hektische Nachrichtensprecher von der flimmernden Mattscheibe und ohrenbetäubend ergoss sich die bleierne Leere und Stille wieder in der kleinen, unaufgeräumten Wohnung. Ein silberhaariger Mann, wahrscheinlich Mitte zwanzig, der eigentlich in der Blüte seines Lebens sein sollte, lehnte an der Wand gegenüber seines großen Balkonfensters und starrte mit verschleiertem, beinahe toten Blick kurz auf den schmalen LCD- Bildschirm, ehe er seine Augen wieder auf die kleine Seitenstraße draußen richtete. Der Himmel über den niedrig gebauten Häusern mit den verschmutzten Fassaden war gesäumt von tief hängenden Wolken, sodass das malerische Grau des weiten Horizonts in der Ferne mit dem tristen Antlitz der Stadt zu verschmelzen drohte. Vielleicht war es auch der aufsteigende Smok in der drückenden Abendluft. Er wusste es nicht.

Gemächlich wanderten seine Augen, tiefschwarze Opale, die ihren Glanz vor nicht allzu langer Zeit verloren hatten, durch seine Wohnung. Natürlich hätte er mal aufräumen können. Natürlich hätte er die weiße Wand mal wieder neu streichen können, die Klamottenberge von dem dunkelblauen Teppich in die Waschmaschine unten im gemeinsamen Keller befördern und die sterbenden Palmen links und rechts des gräulichen Sofas mal wieder gießen können.

Aber wozu denn? Es würde all die schmerzlichen Erinnerungen nur wieder hervorzaubern, die er seit einem Jahr hatte verdrängen wollen. Alles hatte seinen Sinn verloren, seit diesem Ereignis, dessen Opfer nicht nur er vor genau einem Jahr wurde. Einfach alles. Nichts war mehr in strahlende Farben der Hoffnung und Fröhlichkeit getaucht. Überall lauerten die blutüberströmten Erinnerungen, die ihn abgrundtief wütend und traurig stimmten; die ihm noch immer nachts Horrorszenarien bescherten, wie Nachtmahre, die ihren Wirten nach und nach Grauen einflößen, sie quälen, um sie irgendwann zu erdrücken und zu eigen machen.

Tränen sammelten sich in seinen Augen und mit zittrigen Fingern angelte er nach seinen Marlboro auf dem zugestellten Tisch, fischte sich eine Zigarette heraus, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. Unwillkürlich begann er zu husten, als der erstickende, mit Nikotin gesättigte Qualm seine Luftröhre hinunter zur Lunge kroch, doch mit der Zeit spürte er, dass er ruhiger und entspannter wurde, gefasster. Eigentlich verabscheute er Rauchen. Es machte die Zähne gelb, es verursachte ein höheres Krebsrisiko(vor den entstellten Bildern einiger Kettenraucher mit Tumor, die sie damals in der Schule einmal gezeigt bekommen hatten, bekam er noch immer Magenkrämpfe)und man selbst roch penetrant nach kaltem Rauch, in dem, so glaubte er, auch ein wenig der Gestank von Verwesung und Tod mitschwang. Doch auch das war nebensächlich geworden. Für ihn war es nur noch eine Droge, an die er sich klammern konnte.

Stumm verfolgte er die seichten, bläulichen Rauchschwaden, die sich allmählich ausbreiteten und verflüchtigten. Hätten all die Geschehnisse doch nur die gleiche Konsistenz: geruchlos, matt, einschläfernd und kaum spür- und sichtbar.

Nach und nach ließ er den Erinnerungen den Eintritt in seinen Geist; und ehe er sich versah, hatte die Welt, die einmal war, seine komplette psychische Erscheinung mit sich gerissen und wurde fortgeschubst zu der Zeit, an dessen einzelne Sekunde er sich noch erinnerte und von der er doch alles vergessen hatte, so fremd kam es ihm vor.
 

Es war ein sonniger, typischer Sommermorgen. Um ihn herum befanden sich fast nur lachende Gesichter, die den baldigen Sommerferien bereits mit freudiger Erwartung entgegenblickten, aber auch Zerknirschte, denen der gemeinsame Urlaub mit den Eltern eher wie ein Suizidversuch an der eigenen Ehre erschien. So oder so- es war ein Schultag wie jeder andere; und doch lag, wie in den meisten Schulen, die unverkennbare Andeutung von leichter Traurigkeit und Zerrissenheit in der Luft. Aber für ihn war es heimisch geworden. Seit einem Jahr nämlich hatte er die Zeit als Referendar hinter sich gelassen und war nun auf dem besten Weg, seine feste Anstellung in dieser Schule als Deutsch- und Chemielehrer anzutreten, und musste nicht mehr nach einer neuen Stelle Ausschau halten. Ja, einige Kollegen hatten sich von vorne herein über seine gewöhnungsbedürftige Fächerwahl lustig gemacht, da er ja sozusagen keine klare Linie bezog: weder Wissenschaftler noch sonst irgendwas. Weder Fisch noch Fleisch- dann eben Tofu. Ihm war es egal, er hatte seine Berufung gefunden und damit basta, schließlich wollte er machen was ihm gefiel und nicht irgendeiner Partei von so manchen Fachidioten(wie er sie insgeheim nannte) beitreten, wie die beiden Grüppchen, die im Lehrerzimmer stets einen gewissen Sicherheitsabstand einhielten, da die einen nun mal den Wissenschaftlern angehörten und die anderen eben dem Rest. Nicht allzu oft hatte er schon vermitteln müssen.

Ein Lächeln schlich über seine Mundwinkel. Ja, nach seiner harten Kindheit hatte auch er ein bisschen Glück verdient.

Sein Vater, ein psychisch durch die Arbeit sehr labiler Mann, hatte damals Selbstmord begangen, weil er dem Druck nicht mehr standgehalten hatte. Kakashi war gerade einmal vierzehn Jahre alt gewesen und vollkommen zerrissen durch dieses Ereignis flüchtete er sich zur seiner Mutter, die weiter entfernt wohnte, da sich seine Eltern hatten scheiden lassen. Vielleicht war dies ebenfalls einer der Mitfaktoren, warum sein Vater sich umgebracht hatte.

Als er jedenfalls zu seiner Mutter kam, konnte er auch dort kein Asyl finden, denn schnell musste er bemerken, dass seit ihrem letzten Treffen einige Jahre vergangen waren und nichts mehr dem glich, was einmal war: Sie war arbeitslos, was er erst später bemerkte, da sie sich tagsüber stets im Casino aufhielt und ihr Leben und jeglichen Unterhalt, den sie noch von ihren Ersparnissen bis dato hatte bezahlen können, verspielte. Selbst den Kühlschrank hatte er erschreckend leer vorgefunden, lediglich alle möglichen Variationen von alkoholischen Getränken, Spirituosen, reihten sich hintereinander, übereinander, nebeneinander. Es war denkbar, dass das Jugendamt schon bald nicht mehr weit war und er sich, ehe er sich versah, in einem Heim wiederfand, aus dem er aber anfangs des Öfteren flüchtete. Einmal war er beinahe für ein halbes Jahr fort gewesen, hatte sich sang- und klanglos rausgeschlichen und sich selbst durchs Leben geschlagen.Dies war zumindest zu seiner Anfangszeit so gewesen, als sich niemand noch nicht so richtig bewusst war, dass er überhaupt dort wohnte. Ohne Ausbildung nicht weit kommend, sah er sich nach dieser Zeit allerdings gezwungen zurückzukehren und startete dort abermals ein ihm fremdes Leben.

Die Jahre dort waren hart und einsam, plätscherten wie in Trance vor sich hin, es glich einem Gefängnis, ein Gefängnis seiner längst verlorenen Seele, dessen Schlüssel er nicht erreichen konnte.

Kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag lernte er jedoch einen anderen Jungen kennen, der erst vor kurzem neu in das Heim eingezogen war: Obito Uchiha.

Er hatte eine ähnlich harte Kindheit durchlebt und war nun eigentlich ganz froh, Abstand zu seiner Vergangenheit zu gewinnen, obwohl er eher ängstlicher Natur war.

Stets hatte er seine Zeit am Rande seines Clans verbracht, man akzeptierte ihn nicht, weil er geistig aber auch körperlich eher schwächlich war, keine guten Eigenschaften, wenn die Familie für ihre zahlreichen Karate- Dojos bekannt war, und zudem eine sehr anspruchsvolle Augenkuns, eine Dojutsu, der Ninja aus dem 17. Jahrhundert lehrte, die Kunst, die Bewegungen des Gegners exakt vorauszuahnen.

Er hatte dunkles, stoppelig kurz geschnittenes Haar, was Zeitweilens wirkte, als habe er es sich selbst geschnitten und die dunkelsten Augen, die Kakashi je gesehen hatte. Anfangs konnte er ihn nicht leiden. Er war zwei Jahre jünger als er und ziemlich weinerlich, aber dennoch loderte der unbeugsame Wille tief in ihm.

Trotzdem. Er nervte ihn schlichtweg, und zu allem Übel wohnte er in dem gleichen Trakt wie er, sodass er ihm ständig über den Weg lief, ob auf dem Gang, dem Aufenthaltsraum, oder den sanitären Anlagen.

Doch innerhalb des Heims wimmelte es nur so von Gangs, die dieses Lebens überdrüssig geworden waren und starteten Rebellionen, da sie der Auffassung waren, ein eigenständiges Leben führen zu können.

Manchmal sickerten Informationen zu ihm durch, sie wollten flüchten und sich selbst durchschlagen, als hier ein Leben unter der Hand fremder Aufpasser zu fristen; sie waren darauf aus, ihre Jugend so zu gestalten, wie es in ihren Augen angemessen schien.

So kam es dann auch eines Tages oder eher gesagt in einer Nacht zu einem handfesten Gelange. Man hatte sie erwischt, wie sie Geld aus der Gemeinschaftskasse stehlen und anschließend damit flüchten wollten. Und nicht irgendjemand hatte sie erwischt- es war kein Geringerer als Obito Uchiha.

Schüsse fielen. Und bald war der Korridor mit dem salzig- metallischen Geruch frischen Blutes durchströmt. Und mittendrin befand sich Kakashi- aufgeweckt von den bestialischen Schreien.

Er hätte erst Hilfe holen können, vermutlich hätte dies jeder getan, der an seiner Stelle gewesen wäre. Da er aber in seiner kurzen Abwesenheit gelernt hatte, sich alleine durchzuschlagen, waren es seine Instinkte, die ihn in jenen Gang führten. Sein Handeln war dumpf gewesen, aber nicht planlos. In diesem Moment gab er seinen Körper vollkommen frei, ließ ihn gewähren, wie ein Raubtier, das auf der Jagt war.

Irgendwie schaffte er es, an die Schusswaffe der Jugendlichen zu kommen. Irgendwie, einer gegen viele.

Doch in einem Moment erwischte es den schwer blutenden Obito, er taumelte, fiel zu Boden, unfähig, sich zu bewegen.

Die Gang sah ihre Chance, ein großgewachsener Junger Mann, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, preschte nach vorne zum Geschehen, ein Küchenmessser gezückt.

Kakashi, sein Leben bereits an sich vorbeiziehen sehend, wollte wenigstens den schon ohnehin schwer verwundeten Obito schützen, und in dem Augenblick, in dem der junge Mann ausholte, hockte er sich so gut es ging vor den Uchiha.

Die im Mondschein blitzdende Klinge kam von oben auf ihn zu, doch er schloss nicht die Augen, sondern riss reflexartig seinen Arm in die Höhe, um das Schlimmste abzuwenden.

Ein stechender Schmerz pochte durch seine linke Gesichtshälfte, etwas Warmes rann sein Auge hinab, und ehe das Messer noch seinen Hals erreichen konnte, hatte sein Arm den Angriff abgefangen.

Er sah seine Chance, griff nach der Klinge in seinem Unterarm, entriss sie seinem Gegenüber.

Doch dann wurde alles schwarz um ihn herum. Er spürte nur noch, wie sein Kopf auf die harten Fliesen aufschlug. Dann verlor er seine Erinnerung an die Geschehnisse.
 

Was danach geschehen war, hatte er nie richtig erfahren
 

Kakashi fasste sich an sein linkes Auge, das von dicken Haarsträhnen verdeckt wurde und richtete seinen Blick wieder aus dem Fenster auf die Straße.

Seither war er blind auf diesem Auge und eine dicke Narbe teilte seine Augenbraue und endete erst in der Mitte dieser Gesichtshälfte.

Aber er bereute nichts. Gar nichts.

Nach dem Vorfall hatte sich sein Verhältnis zu dem Neuzugang nicht gebessert.

Aber als sich ihre Wege trennten, wusste er, dass sie trotzdem Freunde geworden waren.

Irgendwie. Sonst hätte er ihn niemals geschützt.
 

Er schmunzelte. Es ist seltsam, wenn man sich erinnert, wie man irgendwann mal an etwas zurückgedacht hat, was das eigene Leben gravierend verändert hatte.

Und schön spürte er wieder seine Schritte, die ihn über den Schulhof führten:
 

Sein Gang war wie immer gewesen, lässig, bedacht und jeden Moment in der Natur auskostend, ehe er den strahlend schönen Mittag wieder in dem Betonklotz verbringen musste.

Hier und da grüßte er ein paar Schüler, oder ihm wurde von vorne herein entgegengewunken. Manchmal war es ihm fast peinlich, dass er sich solcher Beliebtheit erfreute. Aber eben nur manchmal.

„Hatake- san!“

„Rin!“, er drehte sich um, als eine junge Frau mit langem, braunen Haar auf ihn zugelaufen kam und ihn anlächelte. Der Wind spielte mit ihrem Haar und sie hatte Mühe, sie im Laufen wieder zurechtzuzupfen.

„Warum so förmlich?“, grinste er neckisch, legte einen Finger an ihr Kinn und küsste sie sanft.

Beschämt schaute sie weg und versuchte ihren Rotschimmer auf den Wangen zu verbergen.

„Ich…ich will das nicht. Nicht vor den Schülern…“

„Es weiß doch sowieso jeder.“

Er nahm sie an der Hand und führte sie zu den schweren Feuerschutztüren, die ihre besten Tage auch schon hinter sich gelassen hatten und hielt sie für sie auf.

„Nach ihnen, Madam.“

„Idiot“, grinste sie und gab ihm einen Klaps gegen die Schulter, sodass er ins Straucheln kam und mühevoll den Gurt seiner schweren Ledertasche richtete.

„Hey, da sind wichtige Dokumente drin, also, wenn die jetzt runtergefallen wären und der Wind-“, setzte er gespielt empört an, wurde aber unterbrochen.

„Glaub mir, so wichtig kann das Zeug darin nicht sein. Wie ich dich kenne, sind da sowieso nur deine Schmöker für die Freistunden drin und der Rest vergammelt in deinem Fach.

Außerdem“, sie linste zu einer Gruppe Schüler, „hätten sich einige wahrscheinlich sogar gefreut, wenn sie ihre letzten Arbeiten nie wieder sehen.“

„Zu Letzterem kann ich nur zustimmen…aber Ersteres…nein, mittlerweile hab ich in Freistunden ja eine weitaus interessantere Beschäftigung gefunden…“

Kurz drückte er ihre Hand.

„Spinner.“

Ja, es war nun schon über ein Jahr her, dass sie sich gesucht und gefunden hatten. Beide hatten zur selben Zeit ihren „Dienst“ als Referendaren angetreten und waren sich so über die Zeit näher gekommen, ohne es richtig zu merken. Erst bei einem Ausflug mit einer ganzen Reihe Fünftklässler hatte es plötzlich gefunkt und sie waren seither das Traumpaar schlechthin. Und das nicht nur aufgrund des Flurfunks .Zumindest Kakashi machte keinen Hehl aus ihrer Beziehung.

Vor der Tür des Lehrerzimmers angekommen blieben sie noch einmal stehen.

Verstohlen blickte sich die junge Frau um, ob auch ja niemand in Sicht war, um ihrem Liebsten dann noch einmal einen letzten leidenschaftlichen Kuss aufzuhauchen, ehe sie eintreten würden, um den ganz normalen Alltag wieder starten zu lassen.

„Jaja, Berufliches und Privates zu trennen, ist eine Kunst, die nicht jeder zu beherrschen vermag. Aber keine Angst- ich hatte nicht weiter vor euch zu stören und mich an diesem hinreißenden Liebesspiel zu ergötzen. Verweilt ruhig weiter dort- es ist ja nicht im entferntesten so, dass hier die zukünftige Gesellschaft geformt wird“, tönte eine hinterhältige Stimme großspurig zu ihnen hinüber.

Wie vom Blitz getroffen lösten sie sich voneinander. Rin hatte doch nachgeschaut, es war niemand in Sicht gewesen!

„Orochimaru- Sensei…ähm, also, das war-“, setzte Rin verzweifelt an und suchte nach passenden Worten.

„Genau so, wie es ausgesehen hat. Verzeiht mein unkollegiales Verhalten, aber da ich der erweiterten Schulleitung angehöre, sehe ich es als meine Pflicht-“

„Wir haben es verstanden. Aber es wundert mich doch sehr, dass jemand, der so schwer beschäftigt ist mit seiner Schulleitung, überhaupt noch Zeit dazu hat, sich um die Privatangelegenheiten der Kollegen zu kümmern und dies sogar als seine Pflicht sieht“, grinste Kakashi fies.

Für einen Moment antwortete sein Gegenüber nichts, sondern musterte sie nur abschätzig mit seinen stechend grünen Schlangen- oder besser gesagt Argusaugen. Sein Gesicht wirkte in diesem Moment nicht minder grau als die schmutzige Wand in seinem Rücken, vollkommen bleich und leblos. Das lange schwarze Haar war schon ein fast unwirklicher Kontrast, dass ihm in langen, erstaunlich seidigen Strähnen über die Schultern fiel.

Mit einer knappen Geste verschaffte er sich Platz, um eintreten zu können.

„Ich betone es immer wieder: Der Typ wäre in einer Geisterbahn besser aufgehoben, der ist der reinste Kinderschreck…“, grummelte der Silberhaarige und erhielt ein zustimmendes Lachen seitens Rin.

„Naja…“, grinste sie, „bis nach der vierten Stunde! Ich hab die dritte frei und warte dann solange in der Biblieothek, wir treffen uns dann da, ja? Bis dahin!“

Ein letztes Mal küsste sie ihn, dann rauschte sie davon, um die ein oder anderen Sachen im Lehrerraum zu lassen und sich dann eilend auf den Weg zu ihrer Klasse zu machen, da sie durch die ungewollte Störung in Zeitverzug geraten war.
 

Der Tag war weitgehend unspektakulär verlaufen, er hielt seinen Unterricht ordnungsgemäß ab, beantwortete Fragen und schwiff gelegentlich vom Thema ab- alles wie gehabt.

Zumindest war alles gewöhnlich gewesen- bis zur vierten Stunde.
 

„Wo ist denn Uchiha- kun heute? Haruno- san, weißt du vielleicht etwas von ihm?“

Er hatte nun bei seiner eigenen Klasse Unterricht, ging die Anwesenheitsliste durch und ihm war aufgefallen, dass besagter Uchiha fehlte- völlig untypisch für ihn.

Folglich erhoffte er Informationen von Sakura, einem Mädchen mit rosafarbenem Haar, zu erhalten, da er wusste, dass sie seit längerem eine Beziehung mit ihm führte. Nicht, dass er ihn etwas angegangen wäre, aber es war einfach zu ihm durchgesickert, da die beiden ebenfalls zu jenen heiß ersehnten Traumpaaren gehörten. Der Uchiha, ein großgewachsener junger Mann mit rabenschwarzem Haar(der im Übrigen über mehrere Ecken mit Obito verwandt war)und scharfen Gesichtszügen sowie fein geschnittenen Augen und das Kirschblütenmädchen mit den Smaragdaugen, zusammen mit ihm Jahrgangsbeste- wenn das mal kein Traumpaar war.

„N-nein, ich weiß nichts von ihm, Sensei Hatake“, antwortete sie zögerlich und ein Raunen ging durch den Klassensaal.

Das war schon seltsam, denn wenn der seltene Fall mal auftrat, dass er fehlte, benachrichtigte er immer jemanden, der an seiner Stelle den Grund des Fehlens nennen sollte…

Ungläubig schüttelte Kakashi den Kopf. Wirklich merkwürdig und untypisch.

Die Gerüchteküche um den Schwarzhaarigen brodelte ohnehin schon- dies würde sie noch mehr anfachen, schließlich war er wegen seiner Leistungen, wegen seines Aussehens, einfach wegen allem, schon ein Star an der Schule.

Unter anderem wurde erzählt, sein Bruder, Itachi oder auch das Wiesel genannt, habe seinen Clan abgeschlachtet, da der Uchiha- Clan vor einigen Jahren plötzlich von der Bildfläche verschwand. Angeblich, weil er mit Angelegenheiten einer Mafia zu tun habe(oder auch mit ihnen verhandelte), und diese ihn hierfür unter Druck gesetzt hätten. Seither plane Sasuke einen Racheakt gegen seinen Bruder, der eine Klasse über ihm war, nichts von jener Mafia ahnend… Man sollte wohl dazu sagen, dass die Sache mit der Mafia als Tabuthema der Schule geahndet wurde, ein ungeschriebenes Gesetz sozusagen. Alles, was mit familiären Angelegenheiten zu tun hatte und sich auf das Schulwesend auswirkte, beziehungsweise durchaus dazu in der Lage sein konnte, wurde an dieser angesehenen Privatschule sowieso als unpassend abgefunden…verhindern konnte man natürlich nicht alles, aber wer klug war, hielt sich aus außerhalb des Unterrichtes von derartigen Angelegenheiten fern, besonders im Bezug auf den Namen Uchiha. Einmal war sogar eine geheime Versammlung einberufen worden, um die Schüler zu beruhigen, immerhin ging ja auch Itachi, der Mann mit den gefährlichen Beziehungen, auf diese Schule. So oder so- die Angelegenheit war und blieb ein tabu. Nicht zuletzt, um auch den jüngeren Sasuke zu schonen.
 

Niemand wusste sicher etwas, alles war nur wages Gemunkel.

Es stimmte: Sasuke hatte sich erheblich verändert in den vergangenen Jahren. Er war zunehmend verschlossener geworden, ließ kaum jemanden an sich heran, ständig umgab ihn diese unnahbare Kälte, als pralle alles irgendwie an der Oberfläche seines Herzens ab.

Man konnte ihm nicht vorwerfen, keine Kontakte zu anderen zu pflegen- er war beliebter als eine Schießbude auf einem Rummelplatz, ständig umgeben von seinem eigenen Hofstaat, begehrt wie ein heldenhafter Prinz.

Dennoch: Er zeigte selten Emotionen. Wenn er lachte, war es, als würde ein trüber Schleier über seinen dunklen Augen liegen, nie erreichte ein Lächeln seine Lider.

Doch bisher schien das niemandem aufgefallen zu sein.

„Hey, Ruhe jetzt!“, wies Kakashi die Meute vor ihm zurecht, als der Lärmpegel allmählich seinen Höchststand erreichte.

„Aber Hatake- sama…!“, setzte ein Blondschopf aus einer der hinteren Reihen an, „das ist doch seltsam! Gestern noch habe ich ihn getroffen und da wirkte er noch völlig in Ordnung. Das ist doch komisch!“

Der Sensei quittierte die Bemerkung mit einem Kopfnicken.

„Ja, das mag sein, Naruto, aber es kommt schon vor, dass Leute über Nacht erkranken…Also: Buch auf, Seite 217! Aufgabe 2 zum Aufwärmen!“

Die Klasse antwortete mit Murren.

„Naruto: Dissoziationsgleichung von Phosphorsäure! An der Tafel! Alle anderen machen weiter!“

Er warf ihm die Kreide mit einer lässigen Bewegung nach hinten auf den Tisch.

„Ähm…Was?“

Verdattert blickte er das weiße Kalkstück vor sich an, als wäre soeben eine fliegende Untertasse vor ihm gelandet.

„Hergott, Jehova…das müsste jetzt eigentlich schon sitzten…! Sakura, dann du“, sprach er jetzt das Mädchen mit dem zarten, rosafarbenen Haar an, die sich sogleich nach vorne begab.

„Das ist doch pure Schikane“, motzte Naruto vor sich hin, was der Hatake jedoch gekonnt ignorierte.

Kakashi seinerseits lehnte sich gegen die Fensterbank; zwei Minuten Ruhepause waren ihm immerhin gegönnt.

Die Sonne prickelte warm auf seinem Rücken und der hereinwehende Wind zupfte spielerisch an seinem Haar.

So könnte es sich leben lassen…oder zumindest aushalten, obwohl er ja eigentlich nicht unglücklich war.

Ein schöner Sommertag konnte alles erträglicher machen. Die singenden Vögel, das Rauschen in den Bäumen und das dumpfe, nachhallende Knallen von…von…?

Von was?!

Er fuhr herum und just in diesem Augenblick zerriss ein weiterer Knall ohrenbetäubend die Luft. Schreie folgten. Wieder ein Schuss.

„Alle unter die Tische, aber pronto!“, schrie er.

Adrenalin pulsierte durch seinen Körper. Der schrille Feueralarm wurde ausgelöst. Aber es brannte nicht. Sie würden dem Tod geweiht sein.
 

Er hatte es von Anfang an gespürt. Dieses Prickeln im Nacken, dass noch etwas Schlimmes geschehen würde. Etwas in der Luft war schärfer gewesen, hatte verhaltene Aggressivität widergespiegelt. Es war kein typischer Sommermorgen gewesen; von Anfang an nicht. Es war vielmehr jene Ruhe vor dem Sturm.

Die bitter-saure Magensäure kroch in seiner Kehle empor, aber er zwang sich, sich nicht zu übergeben. Er musste handeln. Sofort.

„Einer von euch informiert die Polizei und Notärzte! Keine Zeit verlieren. MACHT SCHON!!!“

Bis zu diesem Augenblick, als er geschrieen hatte, hatte sich niemand gerührt. Aber jetzt war an die Stelle der Reglosigkeit die pure Angst, Panik, getreten.

Eilig ging er den Grundriss der Schule durch. Sie befanden sich im Nordtrakt, wo alle Physik- Chemieräume untergebracht waren. Diese Räume waren ausnahmslos mit Kugelsicheren Türen ausgestattet, die sich zudem nicht von außen öffnen ließen. Die Schüsse fielen im Südtrakt. Sicher war er nicht, der Schall wurde durch die Feuerschutztüren und Wände abgehalten.

Eine Explosion zerriss die Luft. Die Geräusche kamen näher.

Sie müssten hier weg. Sie würden hier nicht sicher sein, eher noch saßen sie in der Falle.

„Das ist Sasuke…SCHEIßE; ICH WEIß, DASS ER ES IST!!!“

Sakura war auf die Knie gefallen. Durch ihren Körper ging immer wieder ein Rucken. Sie hyperventilierte, weinte und zitterte zugleich.

Noch ein Schuss, wieder Schreie, diesmal etwas weiter entfernt. In den Räumen nebenan begann man sich zu regen. Türen gingen auf, eilige Schritte auf den Korridoren folgten. Das war die Gelegenheit, sie mussten flüchten, bevor es zu spät war. Einer Explosion hielt keine Tür stand, zumal niemand wusste, woher diese genau rührten, woraus der Sprengsatz bestand.

„Jetzt, bewegt euch, WIR MÜSSEN HIER RAUS!!! DAS IST KEINE ÜBUNG, DAS IST EIN AMOKLAUF!!!“

Kakashi gab einen Wink, kalter Schweiß tropfte von seiner Stirn. Einige Mädchen hatten angefangen zu weinen und kauerten am Boden, keine jedoch so, wie Sakura es tat.

Er wartete, bis der letzte an der Tür angekommen war.

„Bewegt euch Richtung Keller durch die Notausgänge, da dürftet ihr unentdeckt bleiben, wenn ihr den Ausgang benutzt. Bleibt nicht stehen, beeilt euch! Und bleibt nicht in zu großen Gruppen zusammen, das ist gefährlicher. Hört auf das, was ich euch gesagt habe. Jetzt seid ihr auf euch alleine gestellt!“

Er warf seinen Schülern einen letzten nervösen Blick zu, die diesen mit Zerissenheit erwiderten. Es stimmte wohl nicht, dass man in einer Notsituation nur an sein eigenes Wohl dachte. Die Bande innerhalb der Klasse und auch zu ihm schienen stärker geknüpft, als er es für möglich gehalten hätte.

„Und Sie, Sensei?“

Naruto war es, der es wagte, die Stimme zu erheben.

„Ich schaue, wie ich zusammen mit Sakura flüchten kann, da sie nicht mehr fähig ist, sich zu bewegen. Aber jetzt macht, dreht euch nicht um, ich bin hinter euch!!!“

Sie stoben auseinander.

„Sakura…Sakura, wir müssen hier weg“, sprach er sie leise an und legte ihr die Hände auf die bebenden Schultern. Die Distanz war vollkommen fort, er redete sie nicht wie gewöhnlich an. Jetzt waren sie nur noch gleichwertige Menschen, die gefangen gehalten wurden. Gefangen in einer Katastrophe und der ohnmächtigen Angst, nicht zu sterben.

„Ich..k- ka- a…Hnffff.“

„Scheiße!“, fluchte er zu sich selbst und nahm sie auf seine Arme, indem er unter ihre Kniekehlen griff und sie hochzog. Sie presste ihren Kopf ängstlich gegen seine Brust.

„Will…n-nicht…sterben!“

„Wir werden beide nicht sterben, das verspreche ich dir“, flüsterte er mit zittriger Stimme und rannte los.

Doch mit jedem Schritt schien ihm sein Versprechen unwahrscheinlicher.

Die Schüsse kamen näher.

Die Schreie hallten in seinem Kopf wider, erschütterten ihn bis ins Mark.

Wo war Rin jetzt?
 

Er kam bei der nächsten Feuerschutztür an und kauerte sich in die nebenliegende Nische, um Luft zu holen. Seine Kehle brannte und seine Lungen nahmen die schwüle Luft nur ungern auf, sodass er zu husten begann. Er spuckte aus. Blut hatte sich in seinen zähflüssigen Speichel gemischt.

Wieder und wieder hatte er die Richtung gewechselt, innerhalb von Sekunden, war Treppen hinauf- und ebenso schnell wieder hinabgestiegen. Seine Bein- und Armmuskeln waren durch das Gewicht seiner Schülerin mittlerweile verkrampft, so zierlich sie auch wirkte, auf die Dauer konnte selbst jemand wie er, mit durchtrainiertem Körper, sie nicht tragen.

Er ließ sie jedoch selbst nicht los, als er sich kurz ausruhte, viel zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dass er jeden Augenblick wieder fliehen musste.

„Sakura…alles…okay?“

Sein Atem kam stoßweise.

Sie blickte auf, nickte sachte. Immerhin rannen keine salzigen Tränen mehr über ihre Wangen, stattdessen wirkte ihre Haut jetzt aufgequollen und ihre Augen schimmerten rötlich.

„Ich denke…es geht jetzt wieder. Ich“, sie schob sich eine Haarsträhnte hinter das Ohr und blickte zu Boden, „kann jetzt alleine laufen. Danke.“

„Gut.“

Als hätten sie sich abgesprochen standen sie zusammen auf, reflexartig griff sie nach seiner Hand, als wieder Schüsse fielen.

„Er kommt näher…Ich hab Angst…“, wimmerte sie wieder.

„Ich bring uns jetzt hier raus. Bleib dicht bei mir“, meinte er zuversichtlich, konnte seine Stimme aber nur knapp daran hindern zu brechen.

„Nah, sucht ihr eine Möglichkeit zu fliehen?“

Sie wirbelten herum, Kakashi stellte sich vor Sakura.

Tiefschwarze Augen blitzten sie voller Mordlust durch ein paar dichte dunkle Haarsträhnen an.

„Sasuke, wie-“

Schallendes Gelächter unterbrach ihn jäh.

„Glaubst du, Kakashi, dass hier irgendjemand fliehen kann?! Ha?! Nein, nein, nein, ich finde euch ALLE! Ihr törichten Bastarde, die ihr mir verschwiegen habt, wie mein Bruder mit diesen Mafiosis paktiert, als reiche es nicht, was er meiner Familie angetan hat? Ihr habt es ALLE gewusst! Und ich? Jeder versoffene Penner weiß doch, wie mein Clan wirklich ausgelöscht wurde, vor allem WARUM! Wenn ich jemanden darauf angesprochen habe, taten sie es mit einem Lächeln ab, als sei ich der kleine dumme Bengel…! Dabei wusstet ihr doch alle, dass es wahr ist!“

„Du…weißt es jetzt also.“

„Tse. Ich kenne die Regeln an unserer ach so tollen Schule! Bloß dumm, dass es in der größten Gemeinschaft immer einen Idioten gibt, der seine Klappe nicht halten kann…“

Er schanubte verächtlich.

„Naruto hat mir damit wirklich einen Dienst erwiesen, als wir vor kurzem auf das Thema zu sprechen kamen,..“

„Hat?“

„Was erwartest du denn?!“

Kakashis Atem setzte für einen Moment aus und auch Sakura begann sich zu regen. Sie hatten ihn alle nur schützen wollen, er konnte, nein durfte niemandem die Schuld zuweisen! Diese Regeln existierten schließlich nicht zur bloßen Belustigung, sondern, um die gesamte Schülerschaft zu schützen; an der Schule hatte man immer ein gewisses Maß an Distanz zu pflegen.

„Du Bastard!“, schrie der Silberhaarige, kaum fähig seine Wut zu zügeln.

„Es ist die gerechte Strafe für alle. Ihr habt doch alle keine Ahnung von meinem Leid, keiner von euch! Jahrelang war ich der Unwissende und ihr, ihr hattet alle eure, pf, festen Vermutungen! Es ist nur fair, wenn ich mich jetzt an euch räche…meinen Bruder nicht zu vergessen, der für diese Halunken meine Familie verraten hat!“

Aus seinem Blick wich jegliches Leben und nur ein kalter Schein voller Hass blieb zurück.

„Aber, dass…dein Bruder unter Druck gesetzt wurde…dass auch das möglich gewesen sein könnte…das hast du bisher nicht erfahren, oder, Sasuke? Dass es nämlich noch ein weiteres Gerücht gibt: Nämlich, dass deine GESAMTE Familie von dieser Mafia bedroht wurde und er nur versucht hatte, zu verhandeln, um EUCH ALLE zu schützen, ihm aber letztlich wegen ihren Forderungen keine andere Wahl blieb?! Dich aber am Leben ließ, weil er dich nicht töten konnte?! Das wusstest du wohl nicht?!“

„Was tut das denn noch zur Sache, Sensei?“

Das letzte Wort spuckte er aus wie eine Fliege, die ihm beim Radfahren in den Mund gekommen war; seine Miene wurde regungslos und ließ keinerlei Emotionen zu.

„Selbst wenn ich auch dies gehört hätte“, begann er, „was hätte es geändert?“

Seine Stimme wurde plötzlich leiser, steigerte sich aber innerhalb des Satzes wieder:

„Hätte es mir dennoch den Schmerz genommen, von dem ihr alle keine Ahnung habt?! Was versteht ihr denn schon davon?! Fühlst du dich sicher in deiner Lehrerrolle, glaubst du zu wissen, was ich fühle?!“

Seine Augen blitzen vor Zorn und sein Finger kam dem Abzug bedrohlich nahe, aber Kakashi bewegte sich keinen Zentimeter.

„Ja“, erwiderte der Silberhaarige kalt, „ich weiß, wie du dich fühlst. Ich weiß ebenso, was es heißt, sich gottverlassen zu fühlen, zu glauben, man sei nirgendwo mehr zuhause und scheinbar keinen Platz auf der Welt zu haben. Eine leere Existenz, ohne Aufgabe, niemand, der bereit ist, einem zu helfen. Die Qual, die in deinem Herzen nach und nach zu überlaufen droht, dich einnimmt und ihr eigenes Leben beginnt. Du bist nicht der einzige mit einem schweren Schicksal .Ich lebe länger als du, Sasuke. Aber ist das der Grund, so zu werden? Willst du ein Rächer sein? Fühlst DU dich nicht zu sicher, Sasuke?“

Jetzt war es Kakashi, der ihn abschätzig musterte.

„Gib mir die Waffe. Du tust mit dieser Aktion niemandem einen Gefallen.“

„Sasuke…bitte“, flüsterte Sakura nun auch in die Stille hinein, „das bist nicht du. So kenne ich dich nicht, das ist nicht mein Sasuke…“

Das Mädchen machte einen zögernden Schritt nach vorne.

„Ihr habt…keine Ahnung…Du schon längst nicht, Kakashi. Aber du wirst es spüren. Spüren, wenn du siehst, wie es ist, einen geliebten Menschen verloren zu haben…Warte ab, wenn du nach Rin suchen willst…“

Tränen bahnten sich den Weg zu seinem Kinn hinunter, er blickte zur Seite, hielt die Waffe aber aufrecht.

„Es ist zu spät für einen Rückzug. Ich habe mich entschieden. Das revidiere ich nicht…“

Binnen weniger Zehntel Sekunden schoss er, Kakashi fasste Sakura gerade noch am Arm, um sie aus der Flugbahn der Kugel zu stoßen. Ein markerschütternder Schrei zerriss die Luft, brachte sie zum Schwingen. Kakashi sackte zusammen.

„Sensei!“

„Sakura…“, er keuchte, Blut tropfte aus seinem Mund. Dadurch, dass er sich leicht seitlich zu seiner Schülerin gedreht hatte, um sie fortzuschubsen, hatte er einen Streifschuss quer über seine Brust erlitten, bei der seine Lunge offenbar in Mitleidenschaft gezogen worden war.

Er wischte das Blut mit seinem Handrücken weg und hatte Mühe, sich aufzurappeln.

„Es geht schon!“, murmelte er, als Sakura versuchte, ihm aufzuhelfen.

Ein weiterer Schuss ließ die Wände klirren, Kakashi wartete auf den Schmerz, doch er kam nicht. Nur der dumpfe Aufprall eines leblosen Körpers auf dem Linoleumboden folgte, dann wurde es still. Zu still.

Sasuke hatte sich selbst den Gnadenstoß gegeben.
 

Während die Sanitäter auf dem Schulhof ihn vorläufig versorgten, wurde er zunehmend nervöser. Er stand unter Schock, aber die Nervosität war mächtiger.

Die vereinzelten Schluchzer von Sakura klangen zu ihm herüber, immer wieder von neuem. Sasuke, er war nicht mehr er selbst gewesen. Es würde ihr in Erinnerung bleiben, weil dieser Mann zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ihre große Liebe war, nur noch eine leere, seelenlose Hülle, angetrieben von Rache, Hass und Mordlust.

„So, Herr Hatake, den Rest werden wir im Krankenhaus behandeln. Das hier war nur die erste, nötige Vorsorge.“

Der Sanitäter sprach mit einer beruhigenden Stimme, routiniert, für ihn mochte vielleicht die Situation erschreckend sein, aber der Rest war für ihn Alltag; stets musste er bedacht darauf sein, seine Patienten nicht zu verunsichern oder gar noch mehr aufzuregen.

„Wo ist…Rin?“, fragte der Angesprochene mit schmerzverzerrter Stimme, sein Gewicht verlagernd. Die komplette Schule war Sperrzone, insbesondere das Erdgeschoss, was ihn unruhig machte, trotz des Schocks all der Eriegnisse, das Erwachen, welches Zweifelsohne noch kommen würde.

Im Erdgeschoss hatte sich das Meiste abgespielt. Und ausgerechnet in der Nähe des Haupteinganges befand sich die Bibliothek…

Der Sanitäter antwortete mit einem fragenden Blick.

„Eine Lehrerin, mitte zwanzig, zierliche Erscheinung, langes, braunes Haar, grüne Augen…wissen sie etwas?“

Er erhielt keine Antwort, nur ein betroffenes Kopfneigen in Richtung Straße.

„Meinen Sie diese Frau dort drüben?“

Kakashi folgte seinem Blick, seine Augen trafen auf langes, seidenes Haar, welches matt in der Sonne glänzte und ein schmales, bleiches Gesicht umrandete. Er fand ihre Augen nicht, sie waren geschlossen.

Das Bild, das sich vor ihm bot, schaffte er nicht zu begreifen, bis jemand ihren Körper, den er vorhin noch so fasziniert im seichten Licht der Nachmittagssonne betrachtet hatte, so wunderschön, so engelsgleich, vorsichtig mit einem Laken abdeckte.

Die Wahrheit stürzte auf ihn herein, wie das Licht auf einen Blinden, der nach Jahren wieder sehen konnte:

Sie war tot. Seine große Liebe, die an Wochenenden öfters bei ihm gewohnt hatte, war umgebracht worden.

Seit er erfahren hatte, dass das eigentliche Massaker in den Räumen des Erdgeschosses abgespielt hatte, hatte er es tief in seinem Herzen schon gewusst.

Er konnte nicht weinen, nicht schreien, obwohl ihn so viele Gefühle gleichzeitig übermannten. Sein Inneres drohte zu bersten.

Erst, als sie ihn fortbrachten, ließ er alles raus, bis man ihn mit starken Medikamenten ruhig stellte.
 

In diesem Augenblick, im hier und jetzt, rannen die Tränen aus seinen Augenwinkeln, aber er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Nichts würde er mehr leugnen können. Sein Leben war schon kein Scherbenhaufen mehr- es bestand nur noch aus vereinzelten Staubkörnern, die in die verschiedensten Richtungen fortgetragen worden waren.

Selbst, wenn man glaubte, gefunden zuhaben, wonach man so lange gesucht hatte, das persönliche Glück, war es einem nicht garantiert. Man konnte es nicht an sich binden und festhalten. Für die Zeit, die es einem zustand, musste man Kräfte aus diesem Glück ziehen, weil es so vergänglich war, wie das Leben selbst.

Nicht, dass er jetzt der Überzeugung gewesen wäre, dass so etwas wie Gerechtigkeit nicht existierte, dass er den Mann im Mond dafür verfluchte, dass er es immer war, der sein Glück nicht mal kurz zu fassen bekam- er war nur schlichtweg…nun, vielleicht enttäuscht. Damals, als kleines, unwissendes Kind, welches die kleinen Glühwürmchen im Sommer einfing, weil es der Überzeugung war, sie haben magische Kräfte, da hatte er noch Träume gehabt, nichts schien zu schwer, zu unmöglich, die Welt würde ihm eines Tages zu Füßen liegen. Er konnte alles werden- Astronaut, Pirat- immerhin war er selbst es ja, der sein Leben in der Hand hatte.

Jetzt war diese Zeit so fern, so verschleiert wie nie. Er war nunmehr gefangen in einem Strudel aus Erinnerung, Wellen der Trauer; er war eine Boje inmitten eines tosenden Sturmes. Die Kette war der Verstand, der ihn hier auf der Erde hielt; aber er war kaum mächtig, das Wasser zu überragen. In diesem Fall sein Leben, es zu überschauen. Er ertrank in diesen traurigen Tagen. War so bitter enttäuscht vom Leben, von sich selbst, weil er sich immer wieder etwas vorgemacht hatte. Wie die Möwen, die auf das weite Meer hinausflogen, in der Hoffnung, die irreale Vorstellung im Hinterkopf, auf eine Insel zu stoßen, eine Sandbank, wo sie etwas Essbares finden konnten.

Ein kaum hörbarer Laut entwich seiner Kehle und er lachte über sein törichtes Selbst, als er bemerkte, dass es ein Schluchzer war.

„Was habe ich erwartet…? Was habe ich denn je erwartet?“

Der bittere Laut seiner Stimme schmerzte selbst in seinen Ohren; ihm wurde kalt, trotz der Großstadthitze, die noch immer bleiern zwischen den Häusern und auch in seinen Wänden hing.

„Was habe ich mir je erhofft..?“

Der Zigarettenstummel, der ihm wieder gewahr wurde, da er ihn noch immer in seiner Hand hielt, wurde mit einer resignierenden, fast aggressiven Bewegung aus dem schmalen offenen Fenster geworfen. Er war sogar so einem Dreck verfallen, war einer jener Menschen, die er insgeheim immer bemitleidet hatte, da sie sich offenbar nicht mehr zu helfen wussten, wenn sie sich schon an so etwas klammern mussten, das ihnen sogar noch früher den Tod bringen konnte, das ihnen so viel Zeit ihres Lebens raubte, dieses bloße Rumstehen und Rauchen, das Hinarbeiten auf den Tod, der sowieso kommen würde.

Aber vielmehr machte es ihn psychisch krank, nicht körperlich, da er wusste, was er sich antat, da er es bewusst tat. Und das war weitaus schlimmer.

Die Wärme des Raum begann plötzlich auf seinen Brustkorp zu drücken, er spürte sein Herz schneller schlagen, Übelkeit machte sich breit. Er hustete, ein verzweifelter Versuch, seine Kehle wieder zugänglich für Sauerstoff zu machen. Nein, er brauchte Sauerstoff, wenigstens ein bisschen mehr, es zog ihn nach draußen, raus auf die Straße. Der Nikotin, die Erinnerungen, alles begann von innen gegen ihn zu kämpfen. Wenn er auf das Sofa schaute, dann dachte er an Rin, die an so vielen Wochenenden bei ihm gewesen war, er sah sie wieder vor sich, wie sie immer ihre Jacke über die Armlehne geworfen hatte, mit so einer nachlässigen Bewegung, die aber nie zuließ, dass sie die Lehne verfehlte. Und wenn er die Augen schloss, dann spürte er seinen Körper, der vollkommen übernächtig war, weil er so oft um die Häuser zog, das falsche Lächeln, welches noch immer um seine Mundwinkel brannte. In jeder Hinsicht war er ein Gefangener, ein Sklave des Schicksals.

Nicht mal umgezogen war er ja, hatte sich viel zu sehr in seiner Trauer vergraben, hatte es nie hinbekommen, den aktuellen Wert seiner Eigentumswohnung ermitteln zu lassen, geschweige denn, sich nach einer neuen umzusehen. Er hatte gut geerbt, damals schon, als sein Vater gestorben war, das restliche Geld lag noch immer unberührt auf der Bank, wenn man von den alltäglichen Dingen absah, die er so bezahlte. Folglich hätte er umziehen und diese hier vermieten können, doch wenn, hätte er sich ganz von diesen Räumen getrennt. Wollte fort von seinem Leben, aber er war ohnmächtig.

Während er zur Tür ging, griff er nach keiner Jacke.

Die Bewegungen, die sein Körper ausführte, als er die Treppenstufen hinuntereilte, getrieben von dem übermächtigem Zwang in ihm, waren mechanisch und abgehackt, aber es wunderte ihn, dass ihm seine Beine überhaupt noch gehorchten. Normalerweise ging er zu dieser Zeit nicht oft raus, nur wenn der Schmerz zu stark wurde und er andere Gesichter sehen musste. Bisher war er immer spät nachts noch ausgegangen, schon ordentlich zugedröhnt, sodass er gar nicht realisierte, wie er sich dabei anstellte.

Mittlerweile war er am Ende des schmalen Hauflures angelangt und er trat nach draußen. Abgase durchströmten seine Lungenflügel, eine seichte Abendbrise umspielte seinen Körper. Tief atmete er ein, wieder aus. Ihm war schlecht, aber auf eine abartig angenehme Art und Weise. Unentschlossen, wohin er gehen sollte, blickte er sich um.

Er war frei. An nichts gebunden. Er konnte überall hingehen. Er war allein. Musste keinen Kompromiss eingehen.

Zögerlich tat er einige Schritte an der Hauptstraße entlang, bog jedoch nach kurzer Zeit in eine ruhige Seitenstraße ein, ging weiter und weiter…

Ohne, dass er es richtig realisiert hätte, wären nicht die Laternen mit einem Flackern um ihn herum angegangen, war es Nacht geworden, oder zumindest dunkel.

Der Himmel war wolkenverhangen, nur schwach schien das fahle Mondlicht hindurch und ließ sein silbernes Haar glitzern.

Zögerlich trat er um die nächste Hausecke, ließ den Block Häuser hinter sich und ging auf eine Allee, den Eingang des Stadtparks, zu.

Umringt von schmächtigen, aber hohen Bäumen lief er weiter, der Wind auf seiner Haut fühlte sich kühler an als zuvor und wurde intensiver, als leichter Regen einsetzte. Die Kälte kroch an ihm hoch, er fühlte sich unbehaglich, als sein dunkelblaues Shirt an ihm zu kleben begann und die längeren Haarsträhnen vorne schwer und nass wurden, aber schon nach wenigen Schritten hatte er sich an das Gefühl gewöhnt und es war, als perlte aller Schmerz zusammen mit den Regentropfen an ihm ab.

´Regen ist seltsam. Er macht die Welt so trist und grau, selbst in der Nacht, und doch tanzen die Blätter mit ihm, weil er ihnen neues Leben in Form von Wasser schenkt…´

Er schmunzelte. So poetisches Zeug hatte er seit seiner Studienzeit schon nicht mehr gedacht.

Mit einer lockeren Geste wischte er sich ein paar Tropfen vom Gesicht und bemerkte, dass es Tränen waren. Schon wieder weinte er. Heute war der erste Tag, an dem er die Erinnerung wieder mit aller Intensität zugelassen hatte, seit einem Jahr, es erleichterte ihn, hatte er doch gedacht, nichts mehr fühlen zu können. Bisher war er mehr Roboter als Mensch gewesen, der Schmerz war da, permanent, ein Dauerzustand und auch die Erinnerungen lauerten die ganze Zeit, aber nie hatte er es zugelassen, sie sich wieder richtig ins Gedächtnis zu rufen und richtige Emotionen zuzulassen.

Aber jetzt war es anders. Er wandte den Kopf gen Himmel, schaute mit festem Blick nach oben. Jetzt war er endlich bereit rauszulassen was raus musste. Er ließ den Tränen freien Lauf, diesmal bewusst, nicht wie zuvor in der Wohnung.

Es war wohltuend, die warmen, salzigen Tränen vermischten sich mit dem kalten, sauren Großstadtregen und wichen ihm bald ganz. Die Gegenwart war fähig, die Vergangenheit zu verdrängen.

Leichtigkeit fuhr wie ein Schauer durch seinen Körper, er musste sich selbst freigeben, seinen Körper, seinen Geist.

Vielleicht hatte er in dieser Nacht endlich zu seinem Selbst zurückgefunden.

[…]
 

Nach kurzem Überlegen entschloss er sich, nicht sofort zurückzukehren, sondern noch einen Umweg durch eine kleinere Einkaufsstraße zu nehmen, etwas, was er früher immer sehr gerne bei Nacht getan hatte, weil er diese unheimliche Filmatmosphäre, beleuchtet durch die pinken Neonröhren, einfach liebte. Die Kopfsteinpflaster unter seinen Füßen fühlten sich uneben an und warfen das Licht nur matt zurück.

Irgendwo schloss jemand eine Ladentür ab, das metallische Klimpern der Schlüssel klang zu ihm herüber. Etwas weiter entfernt hörte er Jugendliche grölen.

Er ging einfach weiter, lugte in die zum Teil noch schwach beleuchteten Schaufenster hinein und ließ die verschiedenen Farben der zum Verkauf stehenden Artikel auf sich einwirken. Es war fast wie eine andere Welt, jene, die er einmal gekannt hatte, kommerziell und unwirklich. Eine aufgesetzte Welt voller Ideale.

„Entschuldingung? Könnten…Sie mir vielleicht helfen?“

War da eine Stimme? Nein, er musste sich geirrt haben. Ungerührt ging er weiter und begann leise zu summen, als er eine Straße überquerte, da sich leichtes Unbehagen in ihm breit machte.

Der Regen war weniger geworden, stattdessen hörte man von fern dumpfes, herannahendes Grollen eines Sommergewitters, welches aber nach der Richtung des Windes knapp an der Stadt vorbeiziehen würde.

Er musste sich einfach geirrt haben. Zu dieser Zeit war in diesem Stadtteil niemand mehr unterwegs.

„Sir…? Kennen Sie einen Platz, an dem ich nächtigen kann? Straßenbanden verfolgen mich. Und das Wetter macht es nicht besser…“

Mittlerweile war er stehen geblieben. Doch, jetzt hatte er sie wieder gehört, diese leise, melodische Stimme eines Mädchens, die ihn etwas gefragt hatte, er hatte den Inhalt der Worte nicht verstanden. Aber warum erschien ihm diese Stimme so vertraut?

„Rin?“, er wandte sich um, blickte in die Dunkelheit. Nichts. Er konnte nichts sehen.

Sein Herzschlag nahm um einige Frequenzen zu. War er jetzt vollkommen paranoid? Sie war doch verstorben…

Der Wind umspielte leicht seinen Körper, als wolle er ihn in die Richtung der Stimme schubsen.

Sein Körper war wie versteinert, er konnte sich nicht rühren, dennoch waren seine Muskeln angespannt. Schweiß bildete sich über seiner Oberlippe. Fühlte er etwa…Angst?

Aus dem Schatten einer Häuserecke schob sich eine Silhouette, eine junge Frau, zierliche Gestalt. Merklich zuckte er zusammen. Es war eine Einbildung gewesen, seine Ohren hatten ihm einen Streich gespielt, vielleicht auch verursacht durch das Verlangen, sie endlich wieder zu sehen. Er hatte sich getäuscht. Diese junge Frau hatte nichts mit seiner großen Liebe gemein.

„Können Sie mir...denn vielleicht helfen?“

Kaum merklich war sie auf ihn zugekommen.

Sie hatte kurzes, gerade kinnlanges, an den spitzen fransiges Haar, das intensiv rosafarben im Licht der Neonröhren leuchtete. Ihre Gesichtszüge waren fein und anmutig, die Wangenknochen saßen hoch, das Kinn war schmal, nur die Stirn war vielleicht ein bisschen zu groß. Als er ihre Augen suchte, fand er sie nicht, zu tief waren die Schatten, die sich über ihnen ausbreiteten.

Ihre Kleidung sah abgetragen aus, die Jeans leicht fleckig und über dem Knie eingerissen, das T-Shirt war von einem verwaschenem Grau und Schuhe trug sie überhaupt keine. Stattdessen fand er an ihren nackten Füßen Schnittwunden, wahrscheinlich von Scherben oder dergleichen und automatisch wusste er, worum es sich bei den Flecken auf ihrer Hose handelte: Es war Blut.

Zögerlich ließ er sie ein leichtes Kopfnicken sehen, dass er sie gehört hatte.

Er kannte sie. Wenn er nur ihre Augen sehen könnte, zumindest deren Farbe erahnen, dann hätte er es sicher gewusst.

„Was...ist passiert...,Sakura?“

Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, ein heiseres Wispern noch, welches sofort mit den Regentropfen zu Boden fiel.

Während er sie so betrachtete, fühlte er sich schuldig. Nichts hätte ihn dazu gebracht, sagen zu können, woher dieses Gefühl rührte, aber er spürte es, überdeutlich. Es war da.

Die Angesprochene zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte.

Seine Frage beinhaltete so viel. Zu viel. Als wolle er ihre Lebensgeschichte des vergangenen Jahres erfahren.

Auch sie kannte diesen Mann, war er doch die personifizierte Erinnerung an das, was sie vergeblich zu verdrängen gedachte, obwohl er sich so sehr verändert hatte.

So sehr verändert hatte, dass es schmerzte. Niemals hätte sie sagen können, er habe ein besseres Leben verlebt in dem vergangenen Jahr als sie es getan hatte, wo auch er so gezeichnet war von Schmerz und Trauer.

Schon immer kannte sie ihn als einen Mann mit schlankem Körperbau und kantigen Kieferknochen. Er hatte Kraft ausgestrahlt, als könne ihn der größte Sturm nicht erschüttern.

Nur jetzt war es anders. Seine Gesamterscheinung schien drahtiger als zuvor, sein Gesicht so klar definiert, dass sie glaubte, die Knochen durch die Haut durchschimmern zu sehen, fast schon eingefallen wirkten seine Wangenknochen.

Das silberne Haar, das er immer gerade so lang getragen hatte, dass es ihn nicht störte, klebte nass in seinem Gesicht, war aber deutlich länger als zuvor, es bedeckte auf der einen Seite sogar die längliche Narbe über seinem Auge, die, aus der er nie zuvor einen Hehl gemacht hatte, die er immer offen zur Schau gestellt hatte, die, wenn er darauf angesprochen wurde, immer lässig als Kleinigkeit abtat.

„Was ist passiert, Sakura?“, wiederholte er, diesmal mit festerer Stimme, seine Frage.

Sie wandte den Kopf ab. Sie ertrug seinen Blick nicht, dieser verdammt durchdringenden Blick zweier tiefschwarzen Opale.

Langsam tat er einen Schritt auf sie zu, sodass sie seine Körperwärme beinahe spüren konnte.

Vorsichtig streckte er seine Hand aus, wollte sie am Arm berühren und gerade als er den Stoff schon unter seiner Haut spürte, wich sie unter seiner Berührung zurück, als habe er ihr wehgetan.

Sie senkte ihren Kopf, verbarg ihr Gesicht. Sie wollte nicht, dass er ihre Tränen sah.

„Sensei...“

Ein Wimmern entwich ihrer Kehle.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Noch nie hatte er sehen können, wie jemand weinte, keine vorteilhafte Abneigung, wenn man Lehrer war.

„Hat man dir…Schaden zugefügt?“

Verzweifelt biss er sich auf die Lippe. Was für eine absurde Formulierung das doch war.

Noch immer rührte sie sich nicht, aber er war erstaunt, dass sie ihren Arm freigab, als er sich ihr näherte.

„Zeig her“, flüsterte er sanft und umfasste ihren Unterarm.

Er war versucht, ihre Tränen beiseite zu wischen, empfand es aber irgendwie als zu vertraut. Natürlich hatte dieses Mädchen Ähnliches durchgestanden, auch sie hatte Menschen verloren, die ihr Lieb und teuer waren und aus diesem Grund waren sie irgendwie Seelengefährten, so komisch es auch klang, aber das hieß nichts. Nur, weil sie zusammen aus einer Katastrophe geflüchtet waren, hieß das gar nichts.

Vorsichtig schob er ihren Ärmel hoch. Seine Hände zitterten, weil er wusste, was er sehen würde. Tiefe, aalglatte Schnittwunden verbarg dieser Ärmel. Er wusste es einfach. Und er erhielt seine Bestätigung.

Die Schnitte waren noch frisch, zum Teil aber auch vernarbt und ausgefranst und wanden sich wie Schlangen über die durchscheinende Haut.

„Wie oft machst du so was?“, fragte er vorsichtig.

„Nur, wenn ich es nicht mehr aushalte.“

Mit einem Schweigen quittierte er die Antwort. Im Prinzip hatte er die Antwort ja gekannt, aber es wirkte ausgesprochen eben noch viel stärker auf ihn ein.

„Du kannst heute Nacht bei mir übernachten, sofern es dir nichts ausmacht, zusammen mit deinem ehemaligen Lehrer unter einem Dach…“

„Ich bin es ja, die gefragt hat. Mir ist alles recht.“

Mit seinem Kopf deutete er kurz in die Richtung, in die sie gehen mussten.

„Gut. Kannst du laufen? Es ist ein gutes Stück bis zu meiner Wohnung.“

„Es wird gehen.“

Gemeinsam gingen sie schweigend nebeneinander her und obwohl Kakashi sich des schmerzverzerrten Gesichts seiner ehemaligen Schülerin gewahr war, sagte er nichts, auch wenn er es nur zu gern getan hätte, verkniff er sich die Frage, sie zu stützen oder gar zu tragen. Ihm war bewusst, dass sie nicht reden wollte und auch keine Hilfe annähme. Sie wirkte so stark, so verbittert, dass es ihm beinahe Angst einjagte. Niemals war er der Überzeugung gewesen, zu wissen, wie seine Schüler fühlten und dachten, aber jetzt war er es noch weniger, dieses Mädchen neben ihm war ihm so fremd, wie ein Mensch einem nur sein konnte. Und trotzdem kannte er sie und ihren Schmerz. Trotzdem wusste er, wie es in einem Winkel ihres Herzens aussehen musste. Schwarz. Tiefschwarz wie die Nacht, die sich nun vollends um sie gelegt hatte und die Neonröhren noch unwirklicher erscheinen ließen.

Während er noch so nachdachte, waren sie bereits vor dem großen, majestätischen Wohngebäude angekommen, welches so gar nicht zu den anderen heruntergekommenen oder zumindest in die Jahre gekommenen Häusern des Blocks ringsherum passte. Ähnliches schien auch Sakura zu denken, als sie ihm leise zu seiner Wohnungstür folgte.

„Hier wohnen Sie?“

Unbehaglich schaute sie ihn an.

„Ja. Enttäuscht?“

„Nein“, sie schüttelte sachte den Kopf und antwortete mit leiser Stimme, „überrascht trifft es wohl eher. Da schäme ich mich ja glatt hier zu sein.“

„Nicht doch“, murmelte er und ließ das Schloss mit einem Klack aufschnappen, damit sie beide eintreten konnten.

„So. Ich gehe davon aus, dass du dich frisch machen willst, das Bad ist einmal den Gang durch und dann links. Geh ruhig, ich räume in der Zeit auf und leg dir ein paar frische Sachen vor die Tür.“

„Sie müssen sich doch selbst…frisch machen…“

Es war eine halbe Frage und eine halbe Feststellung.

„Ist schon okay“, er hielt kurz inne, als er ihren Magen grummeln hörte, „ich werde derweil etwas zu essen machen.“

Sprach’ s und war bereits um die Ecke zur Tür der Küche verschwunden.

Das Mädchen zögerte. Sie hatte sich nie zuvor so unwohl gefühlt, nicht einmal in der Schule, wenn sie einmal eine vollkommen falsche Antwort gegeben hatte. Aber jetzt scheute sie vor allem die Fragen, die er ihr stellen würde, oder eben nicht, dann würden sie nur als flirrender Konflikt im Raum hängen und ihr Unbehagen weiter anfachen, schließlich, irgendwann würde sie nachgeben, irgendwann würden die Bilder in ihrem Inneren überlaufen und automatisch aus ihrem Mund strömen, sie würde alles erzählen, sie war das berüchtigte Pulverfass, welches auf den einen Funken wartete.

Unentschlossen trat sie in das Bad ein. Ein Bonzen- Bad, wie sie es zu früheren Zeiten bezeichnet hätte, strahlendes Weiß, schwarze Armaturen, eine große Badewanne mit teurer Dusche nebendran, über dem Waschbecken glänzte eine Spiegelfront, die ihres Gleichen suchte, vor dem länglichen Fenster hing eine scheinbar niegelnagelneue Jalousie.

Kurz und gut: Sie war überwältigt, fühlte sich wie eine Schiffsbrüchige, die soeben in einer anderen Welt gestrandet war.

Während sie leise aus ihrer Kleidung stieg, ließ sie sich Wasser in die Wanne, obgleich jeder andere in einer derartigen Situation wohl die Dusche gewählt hätte, und fuhr kurz zusammen, als sie hörte, wie er eine Melodie summte, die sogar das rhythmische Plätschern des Wassers durchdrang.

Sie schloss die Augen und blendete alles aus, nur diese Melodie nicht, diese einfache, improvisierte Melodie, die ihr einen Schauer den Rücken hinunter jagte. Es war, als könne sie die Worte, den Text dieser Melodie verstehen, das, was sie mittzueilen versuchte. Egal, was man summt- tief im Herzen ist der Text, die Botschaft, immer verborgen, das hatte sie irgendwo mal gelesen.

Als das heiße Wasser ihren Körper entgegennahm, öffnete sie ihre Augen erst wieder vollständig. Ihr Arm brannte wie Feuer, als würden tausende rote Armeisen auf ihm umherkrabbeln. Eine Wunde hatte wieder zu bluten begonnen und sie hatte Mühe, dass nichts in das klare Wasser tropfte.

Mit zittrigen Fingern öffnete sie eine Flasche Duschgehl, die sich auf dem Wannenrand befunden hatte und beobachtete, wie die bläuliche Flüssigkeit sich verteilte und an der Oberfläche zu schillernden Seifenblasen wurde. Das knisternde Zerplatzen passte sich dem Rhythmus der Melodie an, die Geräuschkulisse wurde zu einem einzigen Konzert, das die Membran in ihrem Ohr in Schwingungen versetzte.

Abermals schloss sie die Augen für einen Moment.

Die Stimme ihres ehemaligen Senseis klang ganz anders, nicht so rau, sondern sanft, ihre Kopfhaut kribbelte, als würde er ihren Kopf streicheln. Innerlich schelte sie sich für diesen verzweifelten Gedanken, wusste sie doch selbst, dass es bloß das Verlangen nach Wärme und Geborgenheit war, etwas, was ihr nun schon so lange fehlte, was ihr nunmehr so unbekannt war, dass das Verlangen danach unerträglich wurde.

Er hatte aufgehört zu summen, obwohl es zunächst nähergekommen war.

Sie seufzte tief.

„Sakura?“

Hastig fuhr sie hoch und antwortete mit nervöser Stimme:

„Ähm, ja?“

„Ich wolle nur Bescheid sagen, dass ich alles fertig habe, aber du musst nicht sofort ins Wohnzimmer kommen, wenn du noch Zeit brauchst, dann nimm sie dir ruhig. Ich warte in der Zeit. Frische Sachen liegen übrigens direkt vor der Tür.“

„Danke“, nuschelte sie, nicht sicher, ob er es gehört hatte. Die Schritte entfernten sich lanngsam.

„Na gut“, murmelte sie zu sich selbst, als sie aus der Wanne stieg, sich abtrocknete, ihre Unterwäsche anzog, die sie in der Wanne gewaschen hatte und danach hatte trocknen lassen, während das Wasser sie weiter einweichte, und anschließend nach den Sachen vor der Tür angelte, nicht ohne vorher nach links und rechts zu linsen.

Schon beim Anziehen des schwarzen Pullis wusste sie, dass sie darin aussehen würde wie ein Michelin- Männchen, ihr abgemagerter Körper versank regelrecht darin. Aber er roch wundervoll. Durch den leichten Duft von Waschmittel konnte sie seinen Duft schwach erahnen, frisch, vielleicht ein bisschen süßlich, aber nicht zu sehr.

Die Hose saß nicht minder schlimmer als der Pulli, obwohl es eine dreiviertellange graue Jogginghose war, musste sie sie einmal umschlagen, um nicht draufzutreten.

Der Anblick, der sich ihr folglich im Spiegel bot, war lächerlich. Das dünne, blasse Mädchen, welches ihr mit traurigen, von Schatten umrahmten Augen entgegenblickte, wirkte wie in einen eingefärbten Katoffelsack gehüllt, als müsse nur ein Windstoß kommen, damit sich die Kleidung aufblähte und sie wegflöge. Das rosafarbene Haar hing nass und leicht gewellt in ihr Gesicht, es störte sie, aber dennoch wollte sie es an der Luft trocknen lassen.

Betont langsam spülte sie die Wanne aus, als das Wasser abgelaufen war und trat dann in den Flur und ging in die Richtung, in der sie das Wohnzimmer vermutete.

Sie lag richtig. Der Hatake saß lässig auf einem grauen, großen Sofa, die langen Beine auf dem dunkelblauen Teppich übereinander gefaltet. Er lächelte leicht, als sie das geräumige Zimmer betrat.

„Ich weiß, ich sehe bescheuert aus“, murmelte sie und blickte einen kurzen Augenblick beschämt auf den Boden, sie spürte so überdeutlich, wie seine Augen über sie wanderten.

„Stimmt. Aber ich sehe auch nicht besser aus.“

Er lachte ein leises, melodisches Lachen.

Bewusst schaute sie ihn an. Sein Haar war nur an vereinzelten Stellen getrocknet und wirkte wie gesträhnt; widerspenstig fielen sie zu einer Seite und bedeckten eine Gesichtshälfte fast vollständig; er trug ein scheinbar altes T-shirt mit der kuriosen und provokanten Aufschrift "Rape me", das einen Hauch zu eng war, was bei seinem schlanken Körperbau aber keineswegs störte, dazu eine lange schwarze Stoffhose.

„Setz dich“, forderte er sie auf und deutete mit einer knappen Geste auf den schmalen Wohnzimmertisch vor sich, um ihr zu zeigen, dass alles fertig war.

Sie grinste. Er hatte auf die schnelle Hamburger gemacht und den Tisch sogar ein wenig hergerichtet, trotz des Fastfood- mäßigen Essens. In der Mitte stand eine dunkelblaue Kerze in einem silbernen Halter, die fablich perfekt zum Teppich passte und die Untersetzer waren grau- weiß kariert.

Das Zimmer an sich war aber auch gemütlich. Der großzügige, durch die Fensterfront aufgelockerte Raum, wirkte trotz wuchtiger Schrankwand nicht überladen. Hier und da standen ein paar Erinnerungsstücke, aber nie zu viel. Nur irgendetwas sagte ihr, dass er eben erst aufgeräumt hatte, als sie im Bad gewesen war…Irgendetwas, was sie sich nicht erklären konnte. Dann wusste sie es: Es waren die rundlichen Abdrücke links und rechts von der Couch, die sie irritierten. Hier musste vorher etwas Schweres gestanden haben, das auf die schnelle weggeschafft wurde…Blumentöpfe vielleicht?

Und noch etwas störte sie: Der Geruch des Zimmers. Gut, vielleicht nicht der Geruch an sich, aber etwas hing in der Luft, das ihr unpassend erschien.

„Rauchen Sie?“

Verwundert blickte sie ihn an, während sie sich neben ihm niederließ, nicht ohne den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren.

„Nur, wenn ich es nicht mehr aushalte.“

Er lächelte, genau dasselbe hatte Sakura zuvor doch zu ihm gesagt.

Leicht nachdenklich neigte sie den Kopf.

„Das passt nicht zu Ihnen.“

„Dasselbe könnte ich zurückgeben.“

Kurz schaute er auf den Tisch, ehe er wieder ihre Augen suchte.

„Sakura, hör mal, ich…“

Sie hatte Angst davor, dass er fragen könnte, was in dem einen Jahr passiert war, sie wurde nervös, begann mit dem Bein zu wippen.

„…Werde etwas zu trinken holen gehen.“

Sie sackte in sich zusammen. Kakashi war nicht so. Oder hatte er sich bloß in letzter Sekunde dagegen entschieden, sie zu fragen?

Er kam mit zwei Gläsern und Wasser zurück, schenkte ein, und sogleich setzten sie das Essen schweigend fort.

Es war unangenehm, nach jedem Bissen musste sie etwas trinken, um es ihre trockene Kehle hinunterzubekommen, obwohl es köstlich schmeckte.

Das Unbehagen wuchs von Minute zu Minute.

Tränen krochen in ihr hoch, heiß und erstickend.

Die qualvolle Stille setzte ihr zu; einerseits wollte sie sich den Kummer endlich von der Seele reden, aber andererseits hatte sie Angst davor, warum auch immer. Sie fühlte sich wie eine Sklavin ihres eigenen Selbst, dieses Gefühl der Unentschlossenheit hatte sich von Tag zu Tag breiter gemacht, immer dieses Nicht-Wollen und Doch-Wollen, ständig dieses hin und her. Klarheit, das war es, was sie sich herbeiwünschte, sie wollte sich selbst wieder verstehen können.

Sie nahm den letzten Bissen und lehnte sich zurück. Das Essen lag schwer in ihrem ausgehungerten Magen, das Gefühl des satt seins war beinahe qualvoll, so wenig war sie essen noch gewöhnt, sie hätte sich mit Leichtigkeit Übergeben können, die Trägheit war kaum auszuhalten.

Mit geschickten Fingern und ohne ein Wort zu sagen, räumte er alles zusammen und nach dem ein oder anderen Scheppern in der Küche kehrte er zurück und ließ sich seinerseits in die Lehne sinken.

„Hat es denn geschmeckt?“, fragte er sie mit freundlichem Tonfall, aber auch er fühlte sich in seiner Rolle unwohl.

„Ja, das hat es.“

„Freut mich.“

Mit der Stille erstreckte sich auch wieder die Distanz zwischen ihnen, die Situation war so ungewohnt, so falsch.

Kälte kroch an ihr hoch, trotz der Wärme, die noch immer vom Tag in dem Raum hing, und trotz der Wärme, die von ihm ausging und die sie prickelnd auf der Haut spürte, obwohl sie den Pulli trug.

Der Pulli! Er klebte nass an dem von ihm abgewandten Oberarm!

„Scheiße“, fluchte sie zischend und schob den Ärmel hoch. Metallischer Geruch von Blut schlug ihr entgegen, ihr wurde schlecht. Einige Narben waren wieder aufgeplatzt, wahrscheinlich durch das heiße Wasser. Dabei war doch wieder alles soweit okay gewesen, nachdem sie sich abgetrocknet hatte!

„Bleib hier sitzen, ich hole Verbandszeug!“, wies er sie an, kurz nachdem er bemerkt hatte, was sie so in Rage versetzt hatte.

Nach einigen eiligen Schritten war er bereits zurück, Desinfektionsmittel, Tupfer und Mullverband in den Händen haltend.

„Pass auf, das könnte jetzt ein wenig brennen“, sagte er, das Desinfektionsmittel schon auf die Tupfer träufelnd.

Sie nickte, zuckte aber merklich zusammen, als die grünliche Flüssigkeit gegen ihren Arm gepresst wurde, um das Blut abzuwischen.

„Au“, jaulte sie und krallte ihre Hände reflexartig in seine Brust, kämpfte mit den zu überlaufen drohenden Tränen.

Es war nicht direkt der physische Schmerz. Vielmehr war es der Psychische, das erstmalige Bewusstsein, was sie sich so oft antat, in welcher Lage sie sich befand, dass sie rein gar nichts mehr hatte, das ihr Halt spenden könnte, das ihr Leben eine Lüge war, schon immer war.

„Komm her“, flüsterte er fast liebevoll, rückte näher zu ihr, und sogleich klammerte sie sich an ihn wie ein hilfloses, kleines Kind.

Unablässig behandelte er weiter ihre Wunden, fiel es ihm jedoch ihm schwerer als zuvor.

Nicht nur, weil sie sich so gegen ihn drückte. Sondern auch, weil sie ganz bewusst begann die Narbe über seiner Brust zu ertasten, die leichte, fast gerade Wölbung nachzufahren, der Beweis, der geblieben war, dass sie beide hätten tot sein können. Der Beweis, dass er sie beschütz hatte, mit seinem Leben. Der Bewies, dass sie aus den Armen, besser den Klauen, einer Katastrophe geflohen waren. Gemeinsam.

Es hätte ihn nicht gestört, wenn irgendjemand diese Narbe durch Zufall berührt hätte, nur bei ihr war es anders. Sie wusste von ihr, wusste genau, wo sie sich befand, schließlich war sie es, die sie vorsorglich behandelt hatte, kurz nachdem Sasuke sich selbst den Gnadenstoß gegeben hatte.

Diese Berührung war so wahnsinnig intim.

Sein Herz tat so weh dabei.

Er hatte seine große Liebe verloren, stattdessen waren neue Bande des Schicksals geknüpft worden.

Es war die pure Ironie des Lebens. Etwas Altes erlosch, ein neuer Funke sprühte und setzte eine neue Lunte der Lebenszeit in Gang. Das Leben war so lebendig und unberechenbar wie das Feuer. Es folgte seinen eigenen Regeln. Es erzählte seine eigene Geschichte, wie die eigenwilligen, züngelnden Flammen. Sie leckten von innen gegen seinen Körper.

Sie sollte aufhören. Er wollte das Alte nicht zurücklassen. Nicht vollständig.

Es war eine Lüge gewesen, er habe sein altes Selbst wieder entdeckt. Die Schmerzen waren geblieben, sie würden für immer in ihm schlummern und in einer schwachen Stunde darauf warten, ihn zu übermannen. Die Erinnerung blieb mit dem Verlust, das, was verschwand, blieb in irgendeiner Weise für immer.

„Ich bin...fertig.“

Der Satz hatte zwei Bedeutungen, die eine real, die andere spiegelte sein Inneres wider.

Sie wich nicht zurück. Sie blieb bei ihm. Sie heilt ihn fest. Sie begann, aus heiterem Himmel zu reden und rückte erst zurück, als sie spürte, dass er mit jedem Satz ruhiger wurde.

„Wissen Sie...mein Vater hat bei der Polizei gearbeitet, er pendelte zwischen den Stationen hin und her, wo auch die Uchiha Familie den meisten Einfluss hatte, da sie ja das System mit aufgebaut haben und einige Stationen selbst ins Leben gerufen haben. Irgendwann kam es zum Konflikt, weil mein Vater befördert werden sollte, anstelle eines Uchihas. So kam es, dass sie, also der Fächer- Clan, ihn erpresst haben. Womit weiß ich nicht.

Irgendwann wurde mein Vater suspendiert, und das war die Zeit, in der ich mit Sasuke zusammengekommen bin...meiner ersten große Liebe...“

Sie schluckte. Kakashis Artem ging ruhiger, sie hatte es geschafft ihn abzulenken.

„Niemand in meiner Familie wollte das akzeptieren, wo er ja dem verhassten Clan angehörte. Aber ich wusste, dass wir zusammen gehörten und so widersetzte ich mich dem Willen meiner Eltern, ihn zu verlassen. Wie der Teufel es so wollte kam es, dass ich kurz nach meinem sechzehnten Geburtstag ausgezogen bin, meine Eltern haben mich nicht rausgeschmissen, aber ich wollte mich diesem ewigen Krieg nicht weiter hingeben und aussetzen. Danach hatte ich keinerlei Kontakt mehr zu meiner Familie...“, sie wischte sich hastig die Tränen weg und fuhr fort:

„Mein Vater kam bei einem schweren Dienstunfall um, kurz nachdem ich sie alle hinter mir gelassen hatte. Man vermutete einen Uchiha, der ihn absichtlich zu einem riskanten Dienst geschickt hatte. Heute weiß ich, dass es diese Mafiabande war, die die Uchihas widerrum dafür unter Druck gesetzt hatten. Mein Vater hatte lange zuvor nach dieser Bande gefahndet, sie wollten ihn loswerden. Und die Uchihas waren das Mittel dazu mit dem nötigen Einfluss...“

„Und der Rest deiner Familie?“, fragte Kakashi vorsichtig, die Augen geweitet.

„Sie haben mich enterbt und das Land verlassen, der Überzeugung, dass eine Tochter, die die Familie für einen Feind verlässt, auch fähig ist, mit ihnen zu paktieren.“

„Sie glauben, du hast davon gewusst?“

„So siehts aus.“

Er artmete tief ein und wieder tief aus.

„Das ist ja wie im Mittelalter!“

Ein bitteres Lachen entwich ihrer Kehle.

„Gut bemerkt. Als Sasuke dann starb, konnte ich die Wohnung dann allein nicht mehr halten...und jetzt bin ich da, wo ich niemals hinwollte: Obdachlos, Opfer von Straßenbanden, eine Nomadin, die ihren Weg verloren hat...Und die Schule habe ich abgebrochen nach diesem Vorfall. Ich bin geflüchtet vor der Wahrheit...“

Auch sie war verbrannt von der Vergangenheit, die Flucht nach vorne half nicht.

„Warum erzählst du mir das so plötzlich, Sakura...?“

Seine tiefschwarzen Opale durchbohrten sie, blickten durch sie hindurch, vor Schmerz trüb und verschleiert.

„Sie sind immer noch der gleiche Hobbypsychologe, genau wie früher...“

Stumm schaute sie ergeben zur Seite.

„Es gibt Dinge, die ändern sich nie, ganz egal, was passiert.“

„Und es gibt Dinge, für die man nicht immer einen Grund braucht, wenn man sie tut...“

„Du hast es gemerkt, oder? Du wolltest mich von dem wiederkehrenden Schmerz ablenken, und erzählst Dinge, über die du eigentlich noch nicht bereit zu reden bist.“

„Sie haben mich damals gerettet. Jetzt habe ich ihnen geholfen, indem ich Sie abgelenkt habe. War das verkehrt? Zumal sie es doch ohnehin wissen wollten.“

Ihr Blick wurde trotzig, die Situation war beinahe komisch, wäre sie nur nicht so ernst gewesen.

„Das Schicksal ist ungerecht, oder?“

„Das können Sie laut sagen“, flüsterte sie.

Er umfasste ihre Handgelenke und zog sie zu sich, bettete ihr Köpfchen auf seiner Brust und begann zärtlich ihren Rücken zu streicheln.

„Sensei, was...?“

„Es stimmt. Man braucht nicht immer einen Grund.“

Seine Mundwinkel zuckten. Er lächelte beinahe.

Die Wirklichkeit war mit einem Schlag so fern. Ihre beiden Herzschläge aneinander wurden zum Pulsieren des Lebens. Die Wärme ihrer beiden Körper, die sich sanft zu einer Welle vermischte, wurde zur strahlenden Sonne, die sie umhüllte.

Der Tod war nicht die namenlose Freiheit. Der Tod war nicht warm, er war kalt und unendlich.

Er beugte sich langsam zu ihr hinab, dachte nicht an morgen, nicht an heute, nicht an das, was gestern war. Nur der Moment zählte.

Seine Lippen berührten ihre Stirn, es war nur ein Hauch eines Kusses.

Sie schloss die Augen und legte die Arme um seinen Nacken.

Unwirklich spürte sie, wie seine weichen Lippen weiter hinab zu ihrer Schläfe, dann zu ihrer Wange wanderten.

Mit einer Hand umfasste er die eine Seite des Gesichtes, sie neigte ihren Kopf zu ihr hin, wollte doch noch deutlicher seine Berührungen spüren.

Sie fühlte sich so leicht, als küsse er ihr den Schmerz fort, als könne er sie vergessen lassen, was war.

Sein Atem kitzelte auf ihren Lippen.

„Ich glaube, auf irgendeine kranke Art und Weise beginne ich gerade, mich in Sie zu verlieben…“, grinste sie mit geschlossenen Augen, als ein kribbelndes Gefühl ihren Körper einnahm.

„Du liebst mich nicht“, hauchte er ihr ins Ohr, „genauso wenig, wie ich dich liebe. Du empfindest Glück, weil da jemand ist, der so fühlt wie du…ich hoffe, du verzeihst mir das hier irgendwann.“

Sanft hauchte er ihr einen immer leidenschaftlicher werdenden Kuss auf die Lippen.

Sie vergrub ihre Hand in seinem wuscheligen Haar, mit der anderen fuhr sie über seine Brust, die Konturen der Narbe, was ihn zusammenzucken ließ.

Zwischen einem der zahlreichen Küsse murmelte sie atemlos:

„Ich brauche Sie…ich brauche dich so sehr, Kakashi…“

„Ich weiß.“

Mit diesen Worten stahl er ihr abermals einen liebevollen Kuss, zupfte mit seinen Lippen vorsichtig an den Ihrigen.

Sie waren beide frei.

Und plötzlich wusste er, was sie war, die namenlose Freiheit.

Es war der Moment, indem man Glück empfand, welches man nicht in Worte fassen konnte, das einen alles um sich herum vergessen ließ, wenn man die Augen schloss, alles seine Bedeutung verlor und die Gedanken verwischten und zum „Nirwana“ wurden.

Nicht alles musste perfekt sein. Über das, was nicht perfekt war, war man bereit, hinweg zu sehen. Für diesen einen Augenblick. Die namenlose Freiheit. Er hatte viel weinen müssen. Aber letztlich hatte er sie gefunden und ihr Geheimnis begriffen. Um frei zu sein, muss man nicht sterben und aus dem Leben fliehen. Für den Moment musste nur das Herz stark genug sein, den Verstand zu erdolchen.

Er war frei. Er war stark.

Er hatte es geschafft.

Die namenlose Freiheit war etwas, was man auch im Diesseits zu finden vermochte.

Noch in dieser Nacht schlief er mit einem Lächeln auf den Lippen ein und träumte mit Sakura in seinen Armen von einer Zukunft, die aus Glück gemacht war.

Auch sie lächelte.

Sie musste ähnliches fühlen.

Gemeinsam waren sie aus einer Katastrophe geflohen. Hatten davor schon genug erlebt. Jeder für sich. Getrennte, hoffnungslose Wege waren sie danach gegangen. Gegenseitig hatten sie sich wieder auf die rechte Bahn geschubst und fühlten die Gegenwart wieder.

Seite an Seite hatten sie ihre Schritte zurück ins Leben begonnen. Es würde nicht einfach sein. Aber sie waren zusammen und hatten die Freiheit auf ihrer Seite…

Das Glück bleibt nicht für immer.

Du kannst es nicht festhalten, deine Tränen und Wünsche ändern nichts.

Aber es kehrt wieder und wieder zu dir zurück.

Du musst nur Geduld haben und du wirst belohnt werden...
 


 

Jaaaaa, das wars*selbst schluchz*Hoffe es hat euch gefallen und ihr lasst n paar Kommis dar^^*bestech-Kekese verteil* XD Würde mich insbesondere interessieren wie ihr die die Szende des Amoklaufs gefunden habt, weils sozusagen meine erste Ausnahmesituation war, die ich beschrieben hab^^

Und erschlagt mich bitte nicht wegen dem Ende, das is gewollt(auch, wenn ich mich beim Schreiben selbst gequält hab xD)Egal~Hoffe man liest sich wieder^^Und wenn genug Leute dafür sind, schreib ich noch ne Fortsetzung hierzu, damit ihr wisst, wies mit den beiden weitergeht(die Story würde dann wohl kitschiger werden xD)Aber wie gesagt, das mach ich nur, wenn s sich lohnen würde*hehe* ;D

...and stay by my side. ~2.Teil~

Tach, zusammen xD Mit ein bissl*hust* Verspätung ginbt's jetzt auch ma die (versprochene) Fortsetzung .___. Und ich sage gleich ma: Die Story mutet teilweise(!) sehr...ähm...Fanservice-mäßig an, zumindest, wenn man sie mit dem Teil davor, also der Hauptstory, vergleicht...Also tut mir den Gefallen und lasst es^^"" Wer sich also das etwas triste Gefühl der Hauptstory erhalten will, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen...Ihr könntet enttäuscht werden x'D

...
 

Okay, die Warnung hat offenbar nicht so viel gebracht, also bitte: Feuer frei für den zweiten Teil :D
 

Einfach
 

Wenn der Tag kommt, an dem ich wieder ehrlich lachen werde, so drehe dich noch ein letztes Mal um und ergreife meine Hand.

Reiße die Hecken jenes Labyrinthes nieder, welches sich mein Leben rief, auf das ich mich nie wieder in ihm verirre und meinen Weg unwiederbringlich verliere…
 

Erbarmungslos schien die Wintersonne durch die gräulichen Jalousien und kündete damit verheißungsvoll jenes Ereignis an, wovor sich insgeheim jeder Mensch mehr fürchtete, als davor, sich in der Türschwelle eines voll besuchten Einkaufszentrums um die Weihnachtszeit übergeben zu müssen. Ein Neuanfang. Zumindest Sakura hatte dieses unbehagliche Gefühl, das ihr in der Nacht zuvor schon den Schlaf geraubt hatte, nicht verdrängen können. Mit vorsichtigen Bewegungen fühlte sich ihre Hand hinüber auf die andere Seite des Bettes, von dem sie erstaunt feststellte, dass es leer war, etwas Untypisches, dass sie in dem vergangenen halben Jahr selten erlebt hatte.

„Kakashi- Sensei?“, murmelte sie halblaut und erhielt die Antwort prompt in Form eines scheppernden Geräusches aus der Küche.

„Oh nein“, entwich es ihrer Kehle, sie ahnte, was er dort trieb. Es bereitete ihr nicht etwa ein Gefühl der Mulmigkeit, weil er sich anschickte, ein Frühstück vorzubereiten, schließlich wusste er, dass er durchaus ein passabler Koch war, sondern vielmehr die Tatsache, dass er überhaupt so früh etwas zubereitete. Vermutlich, um sie zu motivieren, ihr Energie für den Tag zu schenken, koste es, was es wolle. Es war die Hölle.

Mit einer brüsken Bewegung rollte sie sich herum, stieß zuerst mit ihrem Fuß die Wasserflasche neben ihrer Nachtkommode um und blieb schlussendlich in dem klaffenden Abgrund des einstigen, jetzt notdürftig umgebauten, Boxspringbettes hängen. Abgrund war vermutlich die einzig richtige Bezeichnung. Der Abstand zwischen den beiden Matratzen war so gewaltig, als habe ein apokalyptischer Wirbelsturm zwischen ihnen getobt, ein Abstand, der nicht einmal eine zufällige Berührung zuließ, selbst wenn man sich betont unauffällig um eine solche bemühte. Gewollt unauffällig sozusagen. Eine Romanze heraufbeschwörend. Was auch immer.

Die Situation weckte einen ungeahnten Impuls in ihr, den Impuls, wie ein kleines Kind loszuschreinen und schlussendlich wie ein nasser Sack liegen zu bleiben. Mühevoll widerstand sie dem aber doch, schaffte es irgendwie, sich aus dieser Misere zu befreien und landete auf dem unnachgiebigen Holzboden, der noch, gemasert und gezeichnet wie er war, die Beweise des letzten Krieges offenbarte. Bloß ihr Wecker offenbarte ihr etwas anderes.

„Warum um HIMMELS WILLEN haben Sie mich nicht geweckt?!“

Fluchend sprang sie auf, eilte ins Bad, wusch sich eilig und zog daraufhin die erstbesten Kleidungsstücke an, die sich ihr baten, ihre Lieblingsjeans und eine lange, enge, grün-karierte Bluse. Das kurze Haar band sie notdürftig zu einem Zopf zusammen, der sich, noch ahnte sie es nicht, im Laufe des turbulenten Tages unauffällig in seine Bestandteile auflösen würde.

„Guten Morgen, Sakura“, begrüßte Kakashi sie mit einem unverfänglichen Grinsen, ehe er sich wieder den dampfenden Pfannkuchen, die er noch in der Pfanne wieder und wieder wendete, zuwandte.

„Ob das ein guter Morgen wird, das muss sich erst noch zeigen“, antwortete sie grummelnd, als hätte sich schon eine düstere Vorahnung in ihr breit gemacht, „schließlich habe ich meinen Bus verpasst.“

Er gluckste.

„Ich nehme dich mit. Alles andere wäre doch ohnehin zu umständlich...Außerdem“, er zögerte einen Augenblick, „ Ist das doch Ehrensache, immerhin ist es dein erster Tag an einer Schule…nach gut einem halben Jahr…“

„Ja, ja. Ich hole nur meinen Abschluss nach und dann sieht mich da sowieso keiner mehr…“

Ihre Miene verfinsterte sich, niedergeschlagen ließ sie sich an dem großen Küchentisch nieder. In Wahrheit hatte sie Angst. Große Angst sogar. Obwohl es eine andere Schule sein würde, fürchtete sie sich vor dieser Atmosphäre, vor den graugelben Fluren, deren undefinierbare Farbe sie an jenes ebenso undefinierbare und unfassbare Ereignis erinnern könnten, dessen Horrorszenario noch immer ihren Gedanken beiwohnte. Der Geruch, nach Staub und Kreide, indem seit jenem Tag der Geruch von Blut klebte. Blut, Schrecken, Angst und Tot und Verlust. Die Hölle, die sich kurz auf der Erde gezeigt hatte, bestimmt und qualvoll, so abstrus, dass es schon wieder die ungeschminkte Wahrheit war.

Tränen verschleierten ihren Blick. Sasuke. Naruto. Keinen hatte sie retten können.

„Hier sind deine Pfannkuchen. Iss sie, bevor sie kalt- Hey, was ist denn los?“

Er stellte den Teller ab und beugte sich zu ihr hinab. Selbstverständlich wusste er, was mit ihr los war, natürlich war ihm bewusst, dass dieser Tag keineswegs angenehm für sie war. Aber was sollte er denn tun. Was sollte er noch tun? Sogar umgezogen waren sie gemeinsam, vielleicht nicht direkt auf ihren Wunsch hin, auch er hatte es gewollt, aber dennoch hatte er sich tief in seinem Herzen doch erhofft, dass sie gemeinsam so etwas ändern würden. Folglich waren sie gemeinsam in eine Wohnung auf dem Land gezogen, weit weg von der Stadt, raus aus der Hektik und dem allgemeinen Charakteristikum der Industrie, außerhalb von der Kanto-Region. Ihre Wohnung war wohl das personifizierte Klischee einer kleinen Residenz auf dem Land. Es war der ehemalige Wohnbereich eines umgebauten Bauernhofes, dessen Fassade noch genauso herb aussah wie es wohl auch schon zu Kriegszeiten der Fall war, und weiterhin hauptsächlich aus massigen Balken bestand, die sich auch in der Küche zeigten und dort emporragten wie der Mast eines Schiffes. Die Räume waren allesamt sehr großzügig; im Wohnzimmer führte eine schmale gewundene Treppe hinauf auf einen kleinen Dachboden, dessen Dielen bei jedem Schritt einen Ächzlaut von sich gaben wie das Respirationsgerät eines Komapatienten. Insgesamt konnte man das Ambiente wohl durchaus als angemessen und wohnlich bezeichnen, wenn auch Renovierungsarbeiten vonnöten gewesen waren, die aber so glücklicherweise zu sehr geringen Mietkosten geführt hatten, was nach einiger Zeit wiederum dazu führte, dass Kakashi die Wohnung schließlich kaufte, zwar auf heftigen Protest von Sakura hin, die sogleich versprach, wenigsten die Hälfte zu bezahlen, sobald sie mit der Schule fertig war. Aber immerhin war es nun ihr neues, fast schon trautes Heim. Lediglich das vorgesehene Schlafzimmer war zu klein für zwei Einzelbetten gewesen, sodass man sich entschieden hatte, ein Boxspringbett zu kaufen, dessen „Boxen“ seit neustem einen gehörigen Sicherheitsabstand beinhalteten, sodass es aber gerade so in dem kleinen Zimmer Platz fand. Ja, Sicherheitsabstand. Wider allen Ereignissen waren sie nicht etwa zusammen- sie pflegten ein freundschaftliches Verhältnis mit dem gewissen Maß an Distanz. Sozusagen eine WG in ungewöhnlicher Konstellation.

„Ich kann das nicht“, flüsterte sie, die Augen in ihren Händen versteckt, sodass er ihre Tränen nicht sehen konnte.

„Ich pack das nicht!“

Sakura war eigentlich eine Kämpferin. Eigentlich, das wusste er, umso überrumpelter war er von ihrer Aussage…und irgendwie auch nicht, denn dass es nicht einfach werden würde, das hatte er gewusst.

„Natürlich schaffst du das. Schau mal, ich bin doch auch da, und wenn was nicht stimmt, dann kannst du zu mir ins Büro kommen…Hm?“

Sie musterte ihn mit leerem, fast schon totem Blick.

„Wie stellen Sie sich das vor? Sie sind Lehrer und ich werde an der gleichen Schule Schülerin sein. Was glauben Sie, wie es aussehen würde, wenn wir uns quasi zu einem kleinen tête- à tête in ihrem Raum treffen? Schon problematisch genug, dass wir zusammen wohnen…!“

Kakashi seufzte. Selbstverständlich wusste er das, hatte es schon gewusst, als sie umgezogen und er eine Stelle in der einzigen Schule in der Umgebung bekommen hatte.

„Sakura…“

Seine Miene war angespannt und gequält, eine Regung seines Gesichtes, die sie kaum kannte. Die Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen, seine pechschwarze Iris des gesunden Auges wurde scheinbar noch eine Spur dunkler, sodass man die Pupille kaum mehr ausmachen konnte, er fuhr sich entnervt durch sein Haar, das daraufhin noch wirrer von seinem Kopf abstand. Seine Gestik sprach die Sprache der Verzweiflung.

„Ich ziehe mich um“, murmelte er und zog sich noch im Gehen das altbekannte Rape me T-Shirt aus, welches ihm von Jahr zu Jahr tatsächlich besser stand.

Wann würden die Probleme endlich enden? Jetzt durfte er einen Menschen, der ihm wichtig geworden war, nicht einmal mehr unterstützen.
 

„Verdammtes Ding, du sollst anspringen, habe ich gesagt!“

Wütend drehte er den Schlüssel abermals um, diesmal aggressiver als zuvor, sodass es verwunderlich war, dass der Schlüsselbart nicht mit Freuden nachgab und abbrach. Der kleine, klapprige Subaru antwortete mit einem Aufstottern, kurz heulte der Motor ächzend auf, dann näherte sich der Drehzahlmesser wieder der null und der Motor erstarb ganz.

Sakura, die resigniert und zitternd neben ihm saß, würdigte ihren ehemaligen Lehrer keines Blickes, sondern zog in Erwägung, sich wieder klammheimlich in die Wohnung aufzumachen, um den Tag im Bett zu fristen, bis dieser sich erbarmen und seinem Ende nähern würde.

Ihre Finger spielten nervös an dem aufgekratzten, speckigen schwarzen Leder des Sitzes herum.

„Geld für eine Wohnung hatten Sie ja, auch die vorher war eher eine Königsresidenz als die eines arbeitslosen Beamten, aber ein neues Auto ist nicht drin? Das hier ist doch kein Auto, das ist höchstens eine bessere Pferdekutsche…!“, gab sie grummelnd zu bedenken und deutete demonstrativ auf die zerkratzten Armaturen und zerfurchten Sitze.

„Ich will nicht wissen“, fuhr sie unbeirrt fort, „was passiert, wenn Sie das Ding doch zum Laufen bekommen. Bei den verschneiten Straßen wird vermutlich sogar eine Armeisenkolonne schneller sein.“

„Langsam reicht ’s aber, ja?“, empörte sich Kakashi nun doch, dessen Geduldsfaden immer mehr zu reißen begann. Er wandte seinen Kopf kurz Richtung Fenster, nur um festzustellen, dass es wieder zu schneien begann. Sie würden niemals ankommen…

„Jetzt habe ich ihn!“, rief er plötzlich, Sakura hatte ihren Kopf wieder abwesend zur Seite gewandt, aus, er drückte das Gaspedal durch, seine Hand klammerte sich entschlossen an die Handbremse, der Motor surrte und kämpfte…aber er blieb immerhin an.

„Na es geht doch“, lachte er zufrieden und machte sich vorsichtig daran, auszuparken.

Sakura sank tiefer in den Sitz hinein. Ihre Brust fühlte sich wie zugeschnürt an, hatte sie doch gehofft, sie würden gar nicht erst losfahren, sie war nervös, ihr war schlecht…

So, wie sie damals nicht aus dieser Katastrophe hatte fliehen können, so konnte sie auch nicht vor Notwendigkeiten wie dieser fliehen, obwohl sie sich allein und gottverlassen dabei fühlte, auch wenn ihr Sensei neben ihr saß und fast schon stoisch durch die Winterlandschaft tuckerte, so war sie im Grunde ihres Herzens allein, auf sich selbst gestellt, konfrontiert mit einer Situation, die sie nicht einzuschätzen wusste.

Heimlich musterte sie ihn von der Seite, sah die verschlafene und doch wahnsinnig aufmerksame Miene seines Gesichtes, seine Augen, die umringt waren von netzartigen Fältchen, die ihm Reife verliehen, seine kantigen Kieferknochen, die irgendwie eine Spur von Brutalität verlauten ließen und zuletzt das weiche, silberfarbene Haar, welches sich über den Kragen seiner dunklen Jacke wellte. Er war so viel älter, so erwachsen, dass ihr einmal mehr bewusst wurde, wie schmerzlich allein sie war. Allein mit ihrer doch sehr kindlichen Angst, obwohl sie im kommenden Frühling bereits zwanzig werden würde.

Die Angst jetzt war einem Tier in ihr gleich, das danach lechzte, sie zu überrumpeln.

„Du schaffst das“, lächelte Kakashi, ohne den Blick von der Fahrbahn abzuwenden, musste jedoch ziemlich laut reden, da der Wagen recht haarsträubende Geräusche von sich gab.

Überrascht blickte sie auf; hatte er sie vielleicht aus den Augenwinkeln beobachtet?

Seine Rechte, die sich gerade nicht am Schalthebel zu schaffen machte, wanderte zu ihrem Oberschenkel, sie war verblüfft über diese Berührung, wo sie beide doch jeglichen Körperkontakt nach ihrem Techtelmechtel von vor einem halben Jahr vermieden hatten wie katholische Mönche.

Hitze stieg in ihr auf. Warum war es ihr auf einmal so unangenehm? Warum erschien ihr der Wagen plötzlich viel zu klein? Bisher hatte es ihr nie etwas ausgemacht, mit ihrem ehemaligen, oder vielleicht ihrem bald-wieder-Sensei zusammen zu sein, eher war er ihr Fels in der Brandung gewesen, der Ruhepol zu ihrem unausgeglichenen Selbst. Nun war es fast schon so, dass sie gar nicht bei ihm sein wollte, aber irgendwie wieder doch.

„Sensei“, murmelte sie.

Da war etwas zwischen ihnen, ein Prickeln in der Luft, wie Elektrizität, eine ungeahnte Spannung; elektrische Impulse, die ihre Körper austauschten. Eine verbotene Spannung.

„Sorry“, grinste er, aber es klang unecht, fast gequält.

Sakura schwieg.

„Können Sie mich nachher etwas vor der Schule rauslassen? Ich weiß nicht, ob es so gut ist, wenn ich zusammen mit einem Lehrer erscheine…sowohl für Ihren, als auch für meinen Ruf nicht…“

Der Angesprochne antwortete mit einem leicht spöttisch klingenden Lachen:

„Wir sind jetzt schon sage und schreibe zehn Minuten zu spät…Glaubst du, dass uns irgendjemand sehen wird?“

Diese Bitterkeit in seiner Stimme kannte sie nicht, hatte sie zuvor niemals gehört, nicht einmal damals, wenn er die Klasse ermahnt hatte, weil es wieder zu laut geworden war.

Die Unruhe, die sich in ihr ausbreitete, wurde stärker, fühlte sich falsch und fremd an, sie wusste, dass es nicht von der Tatsache kam, dass sie gleich in der neuen Schule ankommen würde, es lag eher an ihrem Sensei, an dem, den sie seit Jahren kannte, der ihr vertrauter sein müsste, als jeder Mensch auf der Welt, der sie vor dem Tod bewahrt und ihrem Leben kurz vor dem Abgrund einen neuen Weg offenbart hatte. Was war plötzlich los? Lag es daran, dass ihr nun zum ersten Mal bewusst wurde, dass diese Bindung zu ihm wider alle Gesetze war, weil er nach nur wenigen Augenblicken durchaus wieder ihr Lehrer sein konnte? Dass sie erst durch jene Katastrophe ermöglicht worden war, aber vorher niemals auch nur einen Platz in der Welt gefunden hätte? Das dieser Zufall, ja dieses Schicksal so absurd war, so unwahrscheinlich wie ein Lottogewinn?

„Nein, vermutlich wird uns niemand sehen…“

„Eben.“

Kurz tippte er sich gegen das Kinn und schaltete dann den Scheibenwischer eine Stufe höher, dessen abgenutztes Gummi über die Scheibe kratzte und schmierige Schlieren hinterließ.

Die Fahrt dauerte nicht mehr lange; ein, zweimal setzte der Subaru noch hustend zu einem Überholmanöver wegen mehrerer Schneepflüge an, dann rollte er auch bereits in eine breite Einfahrt, die eines Parkplatzes, ein, und kam zum Stehen.

„So“, sagte Kakashi, während er seine Krawatte, die so gar nicht zu seinem legeren Auftreten passte, richtete, „da wären wir. Du meldest dich jetzt erst in einem der Verwaltungsräume, dort bekommst du deinen Stundenplan und die Information, wo du deine Uniform abholen kannst. Es ist übrigens alles ausgeschildert, du dürftest also keine Probleme haben, dich zurechtzufinden…“

Sprach’s und war bereits ausgestiegen. Sakura selbst blieb wie versteinert sitzen und zog ihre Jacke fester um ihren Körper, die Hände umklammerten unsicher ihre Umhängetasche. Sie musste aussteigen. Sie musste es, aber sie konnte sich nicht rühren.

Derweil hatte Kakashi bereits seine Tasche aus dem Kofferraum geholt und klopfte nun gegen das Fenster.

„Sakura. Bitte steig aus…“

Er öffnete die Tür, schaute sie leicht vorwurfsvoll, leicht bemitleidend an und sie war versucht, ihn trotzig zu mustern, wie ein kleines Kind.

„Ich…komm ja.“

Ihre Muskeln waren wie eingefroren, sie stolperte, fing sich aber wieder, noch bevor Kakashi ihr im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme greifen konnte.

„Ich kann selber aussteigen, bin ja keine alte Oma, vielen dank auch“, zischte sie, woraufhin der Angesprochenen nur erwiderte:

„Tja, das sah aber gerade anders aus. Aber bitte, gern geschehen.“

Schweigend standen sie sich noch kurz gegenüber, Sakura ihre Umhängetasche weiterhin umklammernd, Kakashi mit lässiger Körperhaltung, die von keinerlei Unruhe zeugte, obwohl er vermutlich nervöser war, als Sakura selbst.

„Ich geh mal“, murmelte er, ließ sie einfach stehen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Sakura war versucht, ihm nachzulaufen, sie wollte nicht alleine in dieses Gebäude gehen, die beißende Angst in ihr wurde immer aggressiver, mit jedem Schritt, den er sich von ihr entfernte. Sie fühlte sich so wahnsinnig alleingelassen. Weswegen? Was für ein Keil war da plötzlich zwischen ihnen, der ihnen die Sicht auf den anderen versperrte? Wo war dieses erfrischende Gefühl geblieben, das sie vergessen ließ, sobald er auch nur in ihrer Nähe war? Was war geschehen?

„Sakura?“

Sie schreckte auf, er hatte den Kopf halb zur Seite gewandt. Seine Stimme wurde beinahe vom Wind verschluckt.

„Hör zu. In der ersten Pause warte ich auf dich in meinem Büro, weil ich mit dir sprechen möchte. Neben dem Haupteingang findest du eine große gläserne Tafel, auf der alles steht, wo sich welche Räume befinden. Aber das erwähnte ich ja bereits...Verstanden?“

Sie glaubte sich verhört zu haben.

„Aber Sensei, das ist doch nicht-

„Ich sage dir das als Lehrperson dieser Schule. Das ist eine Anweisung, die du zu befolgen hast. Also, ich erwarte dich. Und bitte pünktlich.“

„Das sagt der Richtige“, flüsterte sie, es klang traurig, vielleicht sogar verletzt.

Unmerklich sammelten sich Tränen in ihren Augenwinkeln, die sie eilig wegwischte, froh, dass er sie nicht sehen konnte.

Er hatte ihr nur das blinde Auge zugewandt.
 

Während Kakashi allmählich die Treppe zum Haupteingang erreichte, fühlte er sich elendig. Distanz war etwas, das er schon viel früher hätte schaffen sollen, überdeutlich wurde ihm die Gefährlichkeit bewusst, der er sich und auch sie aussetzte, allein durch die Tatsache, dass sie sich näher kannten. In den vergangenen Monaten hatte er sich selbst etwas vorgemacht, hatte in der Illusion gelebt, dass sich schon alles irgendwie zum Guten entwickeln würde, dass die Probleme unbedeutend werden würden und er und auch sie wieder zur Normalität übergehen könnten. Er war ein Narr gewesen, so etwas törichtes auch nur zu denken, es war lachhaft, wo er es doch selbst stets war, der sich als vollkommenen Realist bezeichnete, der nichts mehr hasste als Träumereien.

„Es ist zum Mäuse Melken!“ ,fluchte er und verschwand in den tristen Mauern des Gebäudes.

Sakura, frierend und zitternd, blieb derweil allein am Rande des Parkplatzes stehen, unschlüssig, ob sie auch nur einen weiteren Schritt tun sollte. Schroff deutete der Betonklotz gen Himmel, zeigte anklagend auf die tief hängenden Schneewolken, als sollten sie den mächtigen Mauern weichen und der Tristesse das Zepter überlassen. Ihr Atem stieg in unregelmäßig wabernden Wölkchen auf und brachte die Schneeflocken zum Schmelzen; der alleinige Anblick weckte in ihr den Wunsch, sich selbst so verflüchtigen zu können.

Vielleicht hätte sie zum Psychiater gehen sollen, egal, wie entwürdigend es ihrer Meinung gewesen wäre. Sie war schon immer ein Mensch gewesen, der -eigentlich- noch mit jeder ach so schwierigen Situation klargekommen war. Doch jetzt wurde ihr bewusst, dass man nicht immer alles allein meistern konnte. Ganz im Gegenteil.

„Rette mich, wer kann...“

Beinahe hätte sie über ihre eigene Hilflosigkeit gelacht. Das vor ihr war ein Schulgebäude, gewöhnlich, einschläfernd, mit dösigen Menschen jeglicher Generationen, die routiniert das taten, was ihnen aufgetragen worden war. Gewalt, Rache, Mordlust? Fehlanzeige.

Immer wieder sprach sie sich leise Mut zu, tat einen Schritt, einen Zweiten. Ja, so konnte es gehen, obwohl mit jedem Meter der Wunsch nach einer Klinge größer wurde. Nur eine kleine, feine Rasierklinge, nur ein winziger Schnitt in die Haut, damit die Angst dem Schmerz weichen musste. Einmal nur noch, einmal nur noch...

„Nein. Nein, nein, nein! Ich bleibe clean, schließlich habe ich es Kakashi-Sensei versprochen!“

Die aufsteigenden Tränen erstickten sie fast, wem hatte sie denn etwas versprochen? Er hatte ihr doch deutlich gemacht, dass sie nur noch eine Zweckgemeinschaft waren, er war nie mehr für sie gewesen, hätte es nie sein dürfen. Er war die Fatahmorgana in der Wüste gewesen, die sie auf den rechten Weg gelenkt und den Mut wiedergegeben hatte, er selbst jedoch war unerreichbar.

„Ich schaffe das. Alleine.“

Mittlerweile berührten ihre Finger das kalte Metall der abgegriffenen Klinke, an der schon tausende Schüler ihren Frust ausgelassen haben mussten, indem sie mutwillig mit einem Edding Sprüche und andere Abstrusitäten auf die selbige gekritzelt hatten. Trotzdem- irgendwie war das etwas Vertrautes und zeugte auf der einen Seite zwar von einer Schülerschaft, die es mit jeglichen Regeln nicht allzu genau nahmen und auch gerne mal der Kultur des Vandalismus nachgingen und Schuleigentum beschädigten, auf der anderen Seite aber dem Begriff „Gewalt“ mit einer gewissen Scheu gegenüberstanden. Man hätte sich schließlich auch anders Luft machen können...

Sie trat ein, die Hände zitternd, die Stirn von einem feinen Film kalten Schweißes überzogen. Scharf zog sie die Luft ein, erwartend, dass ihre Lungenflügel von Klingen durchbohrt werden würden; ihr Fluchtinstinkt brachte ihre Musklen zum Zucken, feine Kontraktionen der einzelnen Fasern ihres Körpers, wie Schwingungen, die ans Tageslicht gelangen wollten.

Es roch anders in dem Gebäude. Anders, nicht gut. Die Gerüche waberten umher, Staub, Parfüm, vergammelte Salami auf den Pausenbroten, alles so typisch für eine Schule und doch so unbekannt. So viele Sinnesreize für nur ein Organ. Jeder Synästhesist wäre wohl kollabiert.

Eine schmale Tafel, eingefasst in zerkratztem Glas, brachte sie dazu, sich wieder auf ihr Vorhaben zu konzentrieren, eilig prägte sie sich den groben Plan des Gebäudes ein, dann machte sie sich auf in Richten Rektorat.

Das Ersticken bereitete ihr Sorgen, obwohl sie ruhig und kontrolliert atmete.

´Weitergehen. Nicht denken. Gehen. Es wird alles gut. In der ersten Pause siehst du deinen Sensei wieder. Alles wird gut, alles, dir wird nichts passieren, du bist hier sicher, darauf kannst du vertrauen…Genau. Vertraue, verliere deine Angst, lasse sie durch deine Hände dem Nichts entgegengleiten. Es wird vorbeigehen.´

„Hoppla! Da ist wohl jemand in Gedanken! Neu hier?“

Ein paar simple Worte von jemandem, mit dem sie zusammengestoßen war. Ohne Belang. Worte aus ein paar blassen, schmalen Lippen, darunter ein kleines Kinn, fast schon mädchenhaft. Das Haar, glatt, schwarz, ganz leicht bläulich schimmernd im Licht der Neonröhren; ein kurzer, fransiger Pony, der durch die niedrige Stirn schon wieder lang wirkte. Die Nase. Schmal, spitz. Die Augen, die Augen…

„S-Sasuke…“

Mit einem Mal wich sie zurück, ihre Schultern umklammernd und ihn musternd, als sei er der Tot höchstpersönlich.

„Wer?“, fragte der junge Mann freundlich, ein sanftmütiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

„Du kannst nicht so lächeln…du bist tot! Du bist tot, Sasuke!“

Zitternd ließ sie sich auf die Knie fallen, alles war wieder da, alle Bilder, jede Erinnerung, die Qualen, die Ohnmacht. Schüsse. Überall diese überlauten Schüsse, Schrei folgte auf Schrei. Diese schwarzen, kalten, berechnenden Augen. Vor ihr. Lebendig. War sie jetzt irre? Nein. Nein, das hier war real. Ihr Verstand war nie so klar wie in jenem Moment.

„Hey…Hey, du kratzt dir die Arme auf, wenn du deine Nägel so in die Haut bohrst…Verdammt, was ist denn mit dir?“

Die Fratze hatte sich vor sie gehockt, jetzt wollte er sie bestimmt mit ins Jenseits ziehen, sie quälen, leiden sehen, seine sadistischen Spielchen treiben, um seine eigenen Wünsche zu erfüllen. Die Rache, versteckte Mordlust. Unruhe. Und die Ruhe an den Fingerspitzen. Gewissheit, zu sterben. Alles, aber nicht noch einmal.

„Stirb alleine, Sasuke! Stirb doch! FASS MICH NICHT AN!“

Der Junge vor ihr blutete, sie hatte ihm wie eine Furie die Wange zerkratzt. Der rote Saft zog langsam Bahnen, hässlich und zähflüssig. Sein Gesicht ließ keine Regung zu, bis hinter ihnen eine Tür aufgerissen wurde.

„Was zum Henker ist denn hier los?!“

Man riss sie von ihm weg, abrupt und bestimmend, beim Aufstehen stolperte sie. Tränen begannen, ihren Blick zu verschleiern, sie wollte sie fortwischen, aber an ihren Händen klebte Blut, das allmählich verkrustete. Sie würgte.

„Ich bringe sie jetzt erstmal fort von hier. Sai, geh du ins Krankenzimmer. Denk daran, die Wunden zu desinfizieren.“

„Ja. Und bringen Sie dieses Mädchen bitte wieder zu Verstand…Die ist ja gemeingefährlich…!“

„Ich werde mein Möglichstes tun…“
 

Er hatte bereits Übung darin, sie auf seinen Armen zu tragen, wodurch ihm die Situation aber keineswegs behaglicher erschien. Wie an jenem Tag hatte sie jetzt aufgehört zu weinen, war aber genauso aufgewühlt wie zuvor; immer wieder beschwor sie ihre Kopflosigkeit, wusste sie doch selbst nicht, was da in sie gefahren war, als plötzlich dieser Sai, wie er wohl hieß, vor ihr saß und sie mit jenen totgeglaubten Augen ansah. Es war eine Übersprungshandlung, vermischt mit allen negativen Gefühlen des zurückgebliebenen Traumas, das wusste sie. Aber das Bedauern konnte sie nicht in Worte fassen. Da war nur Schwärze vor ihrem geistigen Auge gewesen, Angst, Trauer und abgrundtiefe Wut. Hass. Schmerz, hervorgerufen durch Erinnerungen. Sie hatte das liebliche Gesicht eines fremden Jungen zerkratzt.

„Er sah ihm so ähnlich“, flüsterte sie, als Kakashi sie auf einem kleinen, ausgefransten Sofa in seinem Büro absetzte. Der Raum war klein und eng, überall stapelten sich Bücher über Bücher, Unterlagen türmten sich auf einem alten Holztisch, der, zusammen mit einem recht neuen Computer und zahlreichen Büroutensilien, wohl als Schreibtisch fungierte.

„Ich weiß“, erwiderte der Angesprochene flüsternd und wandte seinen Blick ab, schaute, als suchte er irgendetwas, aus dem einzigen Fenster. Er zögerte.

„Es kann so nicht weitergehen, Sakura. Du willst dir nicht helfen lassen, ich darf es nicht einmal, doch bitte sage mir, was muss denn noch geschehen? Du musst loslassen, und ja, ich weiß, was du sagen wirst, ich muss es auch, aber wie? Wie? Wir können nicht ewig zusammen bleiben, ich kann dich nicht jedes Mal vor so Dummheiten wie eben dieser bewahren. Es war ein Glück, ein gottverdammtes Glück, dass ich ausgerechnet in diesem Klassenraum Unterricht hatte. Es geht nicht…“

Seine Stimme zitterte leicht. Vorsichtig lehnte er seine Stirn gegen das kühle Glas des Fensters und seufzte tief.

„Sensei“, auch ihre Stimme drohte zu brechen, „warum haben Sie mich dann überhaupt gerettet damals? Seien wir doch mal ehrlich: Es war von Anfang an problematisch, Sie wussten, wo es enden würde oder könnte. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr zurück können.“

Die Klarheit ihrer Gedanken verblüffte ihn. Gerade eben noch war sie wie weggetreten gewesen, hätte beinahe das Gesicht eines fremden Jungen zerstört, nur, weil dieser dem Uchiha ähnlich sah und nun…Wahnsinn und Genialität gingen wohl doch irgendwie Hand in Hand.

Ich habe mich verantwortlich gefühlt, schließlich war es meine Aufgabe. Und dann? Wir haben uns wieder getroffen, du warst mir so unbekannt und doch so…nah. Dein lauter Atem. Das Bedauern in deiner zittrigen Stimme; Bedauern, das mit deinen Tränen einherging. Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, Sakura? Weißt du, was ich in jener Nacht gefühlt habe? Mehr noch: Wie ich mich gefühlt habe, was mein Herz eingeschnürt hat?
 

„…schuldig...“
 

Stumm blickte sie ihn an.

„Schuldig. Sie haben sich schuldig gefühlt meinetwegen“, stellte sie mit monotoner, endgültiger Stimme fest.

Abermals stieg ein Seufzer seine Kehle empor und ließ seinen Brustkorb erzittern.

„Ja. Als ich dich wiedertraf, war das so. Es war feige von mir, nach dem…Massaker keinen Kontakt aufgenommen zu haben, du hättest sicherlich jemanden gebraucht, mit dem du dich hättest austauschen können, schließlich sind wir gemeinsam geflüchtet...“

Sie stutzte. Gemeinsam geflüchtet? Er hatte sie gerettet. Was für eine alberne Bescheidenheit.

„Aber ich wollte nur vergessen. Mit allem abschließen, was ja auch, mein Gott, ich fange gleich an, hysterisch zu lachen, hervorragend funktioniert hat“, er pausierte kurz,

„Doch das war ja nicht deine Frage. Die Wahrheit ist, dass ich kein Held bin. In vielerlei Hinsicht nicht“, er pochte kurz mit den Fingerknochen gegen die Sheibe,

„Sakura“

Jetzt blickte er sie an, als sei sie ein kleines Kind, dem man die Welt erklären müsse,

„Es war lediglich meine Pflicht. Du warst und bist wieder meine Schutzbefohlene. Außerdem…Ich bin kein Kapitän, der das sinkende Schiff verlässt, ohne sich vergewissert zu haben, dass er sein „Soll“ erfüllt hat, dass er die gerettet hat, die auf ihn vertraut haben, ohne ihn zu kennen.“

Ohne ihn zu kennen. Vertrauen.

Als hätte er sie geschrieen, hallten diese Worte in ihrem Kopf wider.
 

„Geht das denn? Kann man einem Menschen vertrauen, ohne ihn auch nur zu kennen?“

Tränen, von denen sie nicht wusste, woher sie rührten, sammelten sich in ihren Augenwinkeln, warum war ihr so dermaßen zum Weinen zu Mute, obwohl das, was er ausdrücken wollte, nichts Schlechtes war?

„Wenn man sich dieser Person in irgendeiner Weise nah fühlt, und ich meine damit das rein subjektive Empfinden, dann ja.“

Die Wahrheit überrollte sie, vielleicht wusste er es ja nicht. Aber er hatte damit exakt ihre Gefühle ausgesprochen, das Vertrauen, die Verbundenheit…
 

„Ich glaube, auf irgendeine kranke Art und Weise beginne ich gerade, mich in Sie zu verlieben…“

„Du liebst mich nicht, genauso wenig, wie ich dich liebe. Du empfindest Glück, weil da jemand ist, der so fühlt wie du.“
 

Nein.

Es stimmte nur teilweise.
 

Diese Worte damals waren nicht aus einer Laune heraus entstanden. Jetzt verstand sie es, jetzt verstand sie sich selbst. Dieser einfache Satz, den sie ihm zugeflüstert hatte, waren ihre Gefühle der letzten Jahre, seit sie ihn kannte, sie hatten bloß in ihr geschlummert, darauf gewartet, wie eine unheilbare Krankheit auszubrechen. Diese Nähe, dieses Vertrauen, das Gefühl der Geborgenheit, die Sicherheit, beschützt zu werden…Das war schon immer einfach da gewesen, wenn auch so verborgen, dass nicht einmal sie selbst auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hatte. Nur so hatte sie den Amoklauf überleben können. Weil ihre Liebe zu ihm sie dazu gebracht hatte, ihm bedingungslos zu vertrauen.

Nur aus diesem Grund war sie noch am Leben.
 

„Es ist wahr. So geht es nicht. So kann es niemals weitergehen, Kakashi- Sensei!“

Es war wie ein Schuss, der die Stille eines friedlichen Waldes durchbrach, als die Tür ins Schloss fiel, der Nachhall war so gewaltig, dass ihre Schritte sofort verklangen. Kakashi aber blieb stehen, unfähig, sich zu rühren, unfähig, das Zerwürfnis zwischen ihnen, welches ihm allmählich den Atem raubte, zu begreifen.

Alles was er fühlte, war entsetzliche Leere und Angst, die Person verloren zu haben, die ihm als einzige noch geblieben war.

Sakura Haruno.

Seine Schülerin.

Sie war fort.

„Elendiger DRECK!“

Die Hand zu einer Faust geballt schlug er auf die schmale Fensterbank und eine Ecke des Steins brach heraus. Seine Hand war gegen eine Kante des Fensterrahmens gekommen, die Knochen bluteten. Er ließ die Finger knacken. Besser. Viel besser. Er fühlte sich seltsam befreit.

Dann brach er, vollkommen unmännlich, in Tränen aus.
 

„Raum 502. Einmal hier um die Ecke, dann rechts direkt den Flur entlang, erste Tür links. Okay?“

„Danke. Wie heißt der Lehrer noch gleich?“

„Tenzo Yamato.“

„Gut. Werde ich mir merken.“

Damit trat sie hektischen Schrittes aus der Tür und eilte in die Richtung, die man ihr genannt hatte. Eine Ausrede. Sie brauchte eine Ausrede, wo sie die ganze Zeit über gewesen war. Oder vielleicht hatte dieser Sai auch schon geplaudert, erzählt, sie sei eine hysterische Ziege, traumatisiert obendrein, die unschuldigen Mitschülern die Gesichter zerkratzte, wenn man ihr helfen wollte. Ein Wolf im Schafspelz. Ein Gansterrapper im Kostüm von Lady Di.

Dabei konnte sie doch nichts dafür.

„Entschuldigen Sie, dass ich so spät hier hereinplatze…Ich bin neu an die Schule gekommen, Haruno Sakura mein Name. Es gab noch einiges zu klären.“

„Kein Problem“, lächelte der Lehrer, es musste wohl der besagte Yamato sein, und wies auf einen freien Platz. Umständlich den Kopf bewegend folgte sie seinem Blick und schaute in zwei pechschwarze Augen, die sie neugierig musterten, unter ihnen, auf der Wange, klebte ein breites, gepolstertes Pflaster. Ausgerechnet.

„Du kannst neben Sai sitzen, solange sein Banknachbar krank ist.“

Sie nickte bloß und stakste wie paralysiert zu dem einzigen freien Platz hinüber, darauf wartend, dass ihre Beine ihr wie bei einem angeschossenen Hund den Dienst versagten. Nichts geschah. Am liebsten wäre sie gestorben, das kalte Grauen erfasste sie, sie musste an Kakashi denken. Ihren Retter. Ihren Vertrauten, Mitbewohner, Freund, Seelenverwandten. Ihren Lehrer. Letzteres wog am schwersten, schon in der nächsten Stunde würde sie ihn haben, in Chemie, mal wieder, sie hatte es nicht glauben können, als sie bei dem Direktor zuvor ihren Stundenplan abgeholt hatte. Es war verflucht, dabei wollte sie doch nichts sehnlicher, als ihm aus dem Weg gehen, ihn vergessen, es war so unmöglich, so unmöglich…

„Brauchst du ein Taschentuch?“

Erst, als Sai sie mit seinen dunklen Augen musterte, sie konnte keine Spur von Boshaftigkeit in ihnen erkennen, nicht mal einen kleinen Schimmer, bemerkte sie, dass sie still weinte, die Tränen flossen einfach, als seien ihre Augen Wunden, die zu eitern begannen.

Dankbar nahm sie das Taschentuch entgegen, bedacht darauf, keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Ich kenne deine Geschichte. Na ja, teilweise. Ich bin von der Schülervertretung und wurde gerade von Yamato- Sensei über dich informiert, das ist sozusagen Tradition bei uns, dass die Vertretung auch als Kummerkasten fungiert, daher kenne ich ziemlich viele Leidensgeschichten…Also…Ich bin dir nicht böse, wegen vorhin falls du das denkst. Und das ist doch schon ein Grund, weswegen ich es wissen musste, oder?“

Sie nickte stumm.

„Woher weiß Sensei Yamato davon?“

Sie wurde zunehmend nervöser und bekam das Gefühl, dass alle Welt über sie Bescheid wusste, es war ein unangenehmes Gefühl, plötzlich spürte sie die Augenpaare in ihrem Nacken, die in ihr Hirn blicken wollten.

„Sensei Hatake hat mit ihm vertraulich darüber gesprochen. Sie verstehen sich gut.“

So? Warum hatte er dann nie darüber erzählt, warum hatte er nicht mit ihr darüber geredet, oder sie zumindest um Erlaubnis gefragt? Galle stieg in ihr hoch, Übelkeit schürte ihre Kehle zu.

„Ruhe bitte dahinten.“

Damit war ihre kurze Konversation beendet und Sai wandte sich wieder seinen Notizen zu und begann, von der Tafel abzuschreiben. Die Nahrungskette des schematischen Biokreislaufes.

‚So etwas sollte man für die verschiedenen Menschentypen auch mal anfertigen’, dachte sie zornig und kämpfte noch immer mit den Tränen und der schubweise auftretenden Übelkeit.

Krampfhaft versuchte sie, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, wollte etwas von dem alten Arbeitseifer wieder aufleben lassen, der damals so typisch für sie gewesen war und den sie auch selbst zu schätzen wusste. Doch, es war zu erwarten gewesen, es funktionierte nicht, ihr Kopf war tonnenschwer, als würde sie mehrere Bücher auf ihm balancieren. Zwischen den wirren Gedankenfetzen immer wieder das Gesicht von Kakashi, seine ungleichen Augen, die soviel Tiefe aufwiesen, seine Lippen, Himmel, seine Lippen; ihr wurde heiß, als sie an jene Nacht in seiner alten Wohnung zurückdachte, der Sturm, der vor den Fensterläden getobt hatte, sie beide von der Welt und den Sorgen isolierte und ihnen zum ersten Mal seit langem wieder Ruhe schenkte. Wie er sie geküsste hatte, wie verzweifelt, wie-

„Sakura...Sakura, wir sollen das Buch aufschlagen, das Kapitel 9. Sakura?“

„Äh, ja...?“

Mechanisch wandte sie den Kopf zu ihrem Banknachbarn, der sie verwirrt musterte.

Sie begann ihn ebenfalls zu mustern, versuchte ihn zu fokussieren, um sich endgültig von ihren Gedanken loszueisen.

So ähnlich war er Sasuke nun auch wieder nicht, im ersten Moment, ja, wenn man dann aber ein zweites Mal hinschaute...In ihrer Panikattacke hatte sie ihn leicht für den Uchiha halten können- Glücklicherweise war diese aber ebenso schnell verflogen, wie sie gekommen war, ganz dem Typus des Trauma entsprechend. Jedenfalls begannen die Unterschiede zu Sasuke schon bei Kleinigkeiten, wie sich beispielweise seine Lippen bewegten, die im Übrigen wesentlich voller wirkten, wie er den Kopf neigte und sein mehr braunes als schwarzes Haar zum Wippen brachte oder auch, wie sich das Licht in seinen Augen spiegelte. Kurz und gut: Er sah ihm ähnlich- aber er war nicht wie er.

Plötzlich langte Sai über den Tisch und für einen berauschenden Augenblick glaubte sie, er würde sie küssen wollen, stattdessen aber schlug er für sie das Buch auf.

„Bitteschön.“

„D-danke.“

Beschämt ließ sie einige ihrer Ponysträhnen ins Gesicht fallen, damit er die Röte in ihrem Gesicht nicht sah. Auf eine absurde Art und Weise war sie enttäuscht, sie hatte gewollt, dass er sie küsste, in der Hoffnung, es hätte sie von ihrem eigentlichen Problem abgebracht.

„Bin ich eigentlich völlig bescheuert?“, flüsterte sie sich selbst zu und schon schlichen sich auch schon wieder Wut, Verzweiflung und Sehnsucht an, die ihr Inneres erzittern ließen wie die Blüte einer Blume im Wind. Sie ließ ihre Gedanken treiben, weit fort aus ihrem Körper, dem muffigen Klassenraum, der Schule. Weit fort. Weit fort...Frei...Ungebunden...Wieso passierte ihr das alles? Was war das, das Schicksal? Ein kleines blaues Männchen, das auf der Seele saß und sie lenkte und vorprogrammierte? Obwohl sich doch die Wissenschaftler so heftig gegen den Begriff „Seele“ sträubten, wo er doch nur eine Ausrede für all die Narren waren, die die Chemischen Prozesse der Rückkopplungssysteme, die unsere Taten beeinflussten, nicht verstanden und es nie würden? Was war das Schicksal, was die Seele, der Geist, das Universum? Was war sie selbst? Was das Leben?

Es gongte, ein viel zu schriller Ton für so eine dösige Schule. Es war, als wache sie auf, spürte ihre Hände wieder, die nervös an dem Gurt ihrer Tasche herumspielten, mal wieder. Wann hatte sie die Tasche eigentlich mitgenommen?

„Wir haben jetzt Chemie, du kannst also direkt sitzen bleiben“, lächelte Sai, als sie im Begriff war, aufzustehen.

„Oh. Okay.“

Da war sie wieder, die wohlvertraute Übelkeit.

„Sensei Kakashi und du, ihr wohnt zusammen, richtig?“

Soviel wusste er also schon und obwohl er sozusagen Vertrauensschüler war, störte es sie gewaltig.

„Das geht dich nichts an“, zischte sie unbeabsichtigt giftig, woraufhin Sai abwehrend die Hände in die Höhe reckte.

„Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich dachte nur, du könntest jemanden brauchen, dem du vertrauen kannst. Gerade“, er deutete grinsend auf das Pflaster auf seiner blassen Wange, „nach dieser Aktion hier.“

„Das war eine Übersprunghandlung, ich war nicht ganz bei mir, was mir übrigens außerordentlich Leid tut.“

„Ich weiß.“

Ich weiß. Beinahe hätte sie hämisch gelacht, tat dann aber so, als müsste sie husten.

Das Gleiche hatte Kakashi auch gesagt, in jener Nacht, als könne er sie einfach durchschauen. Nun. Vielleicht konnte er das ja auch. Vielleicht konnte das ja jeder. Und vielleicht war sie einfach zu schlicht gestrickt.

Und dann, als hielte die Welt den Atem an, veränderte sich die Luft, die Teilchen flogen schneller durch den Raum, prallten heftiger denn je aneinander, man konnte beinahe das Knistern hören. Beinahe. Sie konnte nicht mehr atmen, ihre Lungenflügel verweigerten den Dienst, verzweifelt bohrte sie ihre Nägel in die Handfläche, bis sie warmes Blut spürte und der Schmerz sie Rauschen in den Ohren vernehmen ließ. Er trat ein, den Körper gerade haltend, nur das Kinn würdevoll nach unten geneigt. Sie kannte diese göttliche Ausstrahlung nicht, die er jetzt als Lehrer an den Tag legte, auch, als er lediglich ein halbherziges „Guten Morgen“ murmelte. Diese Macht. Dieser durchdringende Blick. Diese lächerlich lässige Eleganz. Als wöge sie nichts ließ er seine Tasche auf das Pult knallen und es war augenblicklich still in der Klasse und jeder holte, wie folgsame Lämmer, seine Mappe hervor, ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben. So ruhig war es damals nie in seinen Kursen gewesen. Niemals. Die Atmosphäre war immer irgendwie herzlich, offen und warm gewesen, nie so angespannt, kalt und distanziert wie jetzt. Wann war er so geworden? Und warum hatte sie es nie bemerkt? Flüchtig ließ er den Blick über die Reihen gleiten und überprüfte die Anwesenheit und geschockt stellte Sakura fest, dass er bei ihren Augen länger hängen blieb. So intensiv, als wollte er ihr etwas sagen, was er verbal nicht aussprechen konnte. Etwas schrie in ihm. Etwas. Sie schaute rasch in eine andere Richtung, die Wangen gerötet, die Augen voll Tränen, die Kehle zugeschnürt.

Sai piekte sie in die Seite, sodass sie hysterisch zu lachen begann und die Tränen wie Sturzbäche über ihre Wangen, hinab zu ihrem Kinn, liefen. Es war totenstill, alles starrte sie halb mitleidig, halb verachtend an.

„Sai verdammt“, knurrte sie, aber er war eher ein Gurgeln einer verdurstenden Hyäne.

„Was glotzt ihr denn so? Ist ja wohl meine Sache, wenn es mir scheiße geht!“

Nur noch wenige Sekunden, dann würde sie die Fassung verlieren. Endgültig.

„Haruno-san“, wandte sich nun auch Kakashi an sie, „da du offenbar nicht gedenkst etwas sinnvolles zum Unterricht beizutragen, wie wäre es, wenn du uns den Begriff Bindungsenergie einmal näher erläutern würdest? Dies ist zwar ein kleiner Exkurs in die Physik, aber zwingend nötig, um unser neues Thema beginnen zu können. Also?“

Seine Stimme war undefinierbar, es schwangen gleichzeitig so viele verschiedene Nuancen mit, dass sie es kaum sagen konnte. Überkorrekte Distanzierung? Mitleid? Sehnsucht? Verzweiflung? Er klang so gestelzt, so hilflos, es tat ihr fast Leid. Langsam wagte sie einen flüchtigen Blick in seine ungleichen Augen und es war, als träfe sie der Schlag: Sie waren so abgrundtief dunkel, wie die Gewässer einer Grotte, trüb, matt, das Licht absorbierend, unergründlich. Der Schmerz, der in ihnen lag, war so unermesslich groß, am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte ihn umarmt, so eklig er sich ihr gegenüber auch gerade aufführte, es tat ihr einfach nur unendlich weh, ihn so zu sehen und ihn doch nicht durch seine stolze Maske, die er sich errichtet hatte, anschauen zu können.

„Ja, natürlich, ich werde es erläutern, schließlich haben wir das auf meiner alten Schule bereits besprochen.“

Kakashi lächelte nicht.

Sie sammelte ihre Gedanken. Jetzt bloß nicht weinen, stark sein.

„Beschleunigt man zwei Kerne so stark, so werden sie immer schwerer und die Geschwindigkeit, also die Energie, wird selbst zur Masse.“

Sie schluckte. Einfach reden, nicht denken. Auf Autopilot stellen. Irgendwo vor ihr fiel ein Füller auf den Boden, ein metallisches Klimpern auf dem Boden.

„Bei einer Verbindung von zwei Kernen käme es eigentlich zu einer Abstoßung. Aber bei der Verbindung selbst wird die Energie, die zur Masse geworden ist frei, sodass eine neue, stärkere Energie entstehen kann, die die Kerne zusammenhält. Die Bindungsenergie…“

Unauffällig wischte sie sich über die Augen. Sein Blick war weicher geworden und sie las etwas in seiner Mine: Angst. Sehnsucht. Seine vehemente Zurückhaltung machte sie beinahe ungehalten.

„Und was folgt aus dieser Theorie?“

‚Dass ich auch ein positiv geladener Kern bin und du auch, Kakashi-Sensei. Wir stoßen uns gegenseitig ab, bis uns irgendwer, irgendetwas schubst, wir zusammenfinden und dann für immer zusammenbleiben. Und dann, zusammen, sind auch unsere Probleme leichter, sie werden zu nichts, wie die Bindungsenergie. Ich habe es begriffen, hörst du? Niemals kann ich mich mehr von dir lösen. Mein Schicksal ist am Ende mit mir, weil ich nicht mehr zurück kann. Hörst du das? Bitte, sag es mir…’

„Daraus folgt, dass das neu entstandene Teilchen etwas weniger liegt, als beide einzelnen zusammen; sie sind gemeinsam in einen energieärmeren Zustand übergegangen.“

„Exakt.“

‚Ja. Ich möchte auch, dass Ruhe einkehrt. Sie mich an. Sieh mich an. Was siehst du? Wen siehst du?’

Stolpernd stand sie auf, ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals, stürzte der Tür entgegen. Erstaunendes Murmeln um sie herum. Ruhe, als er sie harsch zurechtwies. Ihre dumpfen Schritte auf dem Linoleumboden. Stille. Angst. Der Schmerz in der Brust.

Sie war draußen, auf dem Hof, allein. Noch immer spürte sie seine raue Hand, die sie hatte zurückhalten wollen. Seine flüsternde, zittrige Stimme. ‚Sakura.’ Und dann dieser Blick dabei, diese ungehaltene Sehnsucht, ein Gefühl, das ihn von innen zerfraß. Ja, sie hatte es deutlich gesehen, das Verderbnis in seinen Augen. ‚Ich habe Yamato davon erzählt, weil ich mit jemandem reden MUSSTE. Versteh doch. Diese Situation ist auch für mich nicht einfach’, hatten sie gesprochen. Ja, ja, sie verstand, wo sie ihm doch nicht böse sein konnte, vielmehr war sie wütend auf sich selbst, weil sie ihn so sehr liebte und es erst so spät begriff, zu spät.

Der kalte Wind küsste ihr Gesicht und vereinzelte Schneeflocken begannen ihr Haar zu schmücken, sodass es wie Seide glänzte. Ihre Hände zitterten, diesmal hatte sie keine Handtasche, an der sie sich festhalten konnte. Sollte sich doch jemand anderes darum kümmern. Ohne Ziel wanderte ihr Blick umher, sie ließ ihre Augen das strahlende Weiß der Natur aufnehmen, sie wurde Teil des grellen Nichts, das sie schmerzhaft umringte und von dem Begriff der Normalität abschottete. Erfrieren wollte sie, nichts mehr fühlen, sondern einfach…einfach…erstarren. Erstarren. Oder zu Licht werden, zu dem einzig Existierenden, das nicht alterte, für das die Zeit keine Rolle spielte, konstant war. Zeitlos, schnell, nicht greifbar, ewig. Göttlich.

„Sakura.“

Mechanisch und langsam neigte sie ihren Kopf zu der Stimme hin, jedoch immer noch zu schnell für eine Person, die fluchtartig den Klassenraum verlassen hatte.

„Sai.“

Leise trat er näher, den knirschenden Schnee unter den Füßen ignorierend, schwer atmend, die Haare vom Laufen verwegen zerzaust.

„Sakura, du kannst doch nicht einfach-“

„Glaubst du, dass Gott das Licht ist? Sowohl physikalisch als auch religiöse Vorstellungen würde diese Vorstellung vereinen…“

Ein einziges Fragezeichen prangte erhaben auf seinem engelsgleichen Gesicht.

„Wir sind Buddhisten, dessen bist du dir schon bewusst?“

„Ich mein ja nur. Außerdem finde ich diese Gottesvorstellung des kapitalistischen Westens gar nicht so verkehrt. Wir feiern ja auch Weihnachten.“

„Was ist wirklich mit dir los, Sakura?“

Er schaute sie an, ganz tief in die Augen, sie musste ihren Blick abwenden, weil sie das Gefühl hatte, er durchschaute sie, schaute auf den Grund ihrer Seele, wie ein U-Boot den Meeresgrund erleuchtet.

„Ich liebe K- Hatake-Sensei“, gab sie unverblümt preis, ohne ihren Kopf auch nur zu ihm zu wenden, „du weißt doch ohnehin schon alles aus meinem erbärmlichen Leben. Da kannst du auch das wissen.“

„Yamato hat es mir einfach erzählt, kurz nach unserer Begenung. Das war ein saublöder Zufall, ehrlich. Ich habe nicht nachgebohrt.“

„Mann, das weiß ich doch!“, schrie sie und sprang auf, bemüht, ihre Verzweiflung und den bedrohlich schäumenden Zorn in Schach zu halten. Sai konnte nichts antworten, jedes einzelne Wort wäre eine Lüge gewesen und hätte die Tatsache, dass er durchaus verstehen konnte, was sie empfand, nicht ausdrücken können, wäre dem nicht gerecht geworden.

„Es ist alles so verkorkst. Ich will nicht mehr, Sai, ich will nicht mehr. Ich wollte von Anfang an nicht zur Schule, nicht nach all dem, was passiert ist. Und trotzdem hatte ich keine Wahl, allein schon wegen ihm! Ich will nicht mehr. ICH WILL EINFACH NICHT MEHR!“

Der letzte Satz ließ keine menschliche Stimme erkennen, lediglich ein Fauchen, bestialisch, ohne zu bestimmende Tonlage, einem Raubtier gleich, das um sein Leben kämpfte. Passenderweise knickten ihre Knie weg, in allerletzter Sekunde fing Sai sie auf, ehe sie auf den kalten, verschneiten Boden gesunken wäre.

„Warum hast du eigentlich keine Jacke mitgenommen, Dummchen? Wenn man schon flüchtet, dann sollte man das auch mit Bedacht tun.“

Mit zwei knappen Bewegungen hatte er sich aus seiner Jacke geschält und diese ihr umgehangen.

„Rede nicht mit mir, als sei ich ein kleines Kind.“

„Auch nicht, um dich aufzuheitern?“

„Auch dann nicht.“

Dennoch lächelte sie schwach und vergrub ihre zu gefrieren beginnenden Hände in Sais Pullover; ein wohliger Schauer durchrieselte sie sanft, das gleiche Gefühl, wie wenn die im Sommer Spaghettieis aß, angenehm und doch erfrischend. Vielleicht hatte sie in diesem Moment einen neuen und zugleich einzigen Freund gewonnen, der sich ihrer annehmen wollte und bereit war, ihr über ihre Vergangenheit hinwegzuhelfen. Ja, sie würde es sogar zulassen wollen, allein aus dem Grund, weil sie sich ihm so furchtbar verbunden fühlte.

Überraschender Weise war das schon irgendwie der Fall, seit sie ihm das Gesicht zerkratzt hatte, wenn sie ehrlich war, obwohl sie nicht ganz bei Sinnen gewesen war. Ein Trauma. Ja.

„Danke, Sai. Danke. Wir kennen uns erst seit ein paar Minuten und schon bin ich dir zum Dank verpflichtet…“

„Es wir alles gut werden, das verspreche ich dir“, erstreckte ihr die Hand hin, „du fährst jetzt erstmal mit dem nächsten Bus nach Hause, ich hol deine Tasche und melde dich ab. Und heute Abend redest du mit deinem Hauslehrer“, er grinste über seine eigenen Bemerkung, „Deal?“

„Deal.“

Eine halbe Stunde später fuhr sie, ihr Inneres nicht mehr ganz so aufgekratzt, mit dem nächsten Bus, die Straßen waren nun auch geräumt worden, zurück und klammerte sich an einen kleinen Zettel, auf dem Sais Handynummer, für Notfälle, wie er scherzhaft gesagt hatte, stand, wodurch sie sich, den Beweis ja schließlich in ihrer Linken haltend, irgendwie verstanden fühlte. Als sie zurückblicke, erschien ihr das Schulgebäude auch gar nicht so verflucht, wie es den Anschein gemacht hatte, nur, wenn sie an Kakashi dachte, der noch einige Stunden dort unterrichten würde, bis er nach Hause kam, zog sich ihr Magen schmerzlich zusammen. Erst recht dann, als sie bemerkte, dass er aus einem Fenster auf sie herabschaute, aus dem Klassenraum, aus dem sie rausgerannt war; seinen Blick direkt in den davonfahrenden Bus gerichtet, mit ihr als Fahrgast. Wie lange hatte er sie oder auch sie und Sai schon beobachtet…?
 

Das Blut war doch erst getrocknet, noch eine Wunde, diesmal an der Handinnenfläche, durfte er sich nicht erlauben, die Schüler hatten zuvor schon so neugierig geschaut, sich fragend, wen er wohl zusammengeschlagen hatte, er, der selbstsichere, starke Kakashi Hatake. Seine Verletzungen deuteten doch auf Schwäche hin, er konnte weder seine Gefühle, noch seinen Geist zügeln. Eine Zigarette hätte er jetzt brauchen können, nur eine winzige Zigarette, damit er wieder klar denken konnte, um diese verfahrene Situation zu begreifen, dieses „Ich will dir helfen, kann aber nicht; du kannst dir helfen lassen, willst aber nicht.“ Er verstand es nicht, es war zu verwirrend. Sich zusammenreißend löste er seine Hand wieder von der Kante der Fensterbank, die Kerben deutlich spürend. Ein für sie wildfremder junger Mann schaffte es, ihr Herz zu öffnen, doch er, der sie gefühlte Dekaden kannte, vermochte es nicht. Unsagbare Nähe schaffte Distanz, vielleicht war es auch Angst, Angst davor, verstanden zu werden? Verstanden von jemandem, mit dem man reden konnte wie mit sich selbst? Keine Ahnung.

Bedacht langsam, um die Schüler nicht aus ihren Gedankengängen zu reißen, während sie die von ihm aufgetragenen Aufgaben bewältigten, öffnete er das Fenster. Und jetzt ausspucken. Sich nach vorne beugen und nach unten rotzen wie ein verzogener Elfjähriger. Die Galle hochwürgen und dann raus damit, hätte etwas Befreiendes. Sein Blick huschte über die Bänke, niemand nahm Notiz von ihm oder es wagte sich keiner, ihn anzublicken. Sollte er? Einmal nach Luft schnappen und dann weg damit? Er nahm einen tiefen Zug und jetzt, eins zwei…Und gegenüber, schaute von den angrenzenden Gebäuden jemand, hielt sich jemand auf dem Schulhof auf? Irgendwo unter den schmächtigen Bäumchen, an dem Klohäuschen? Nein. Also noch mal…

„Sensei, ist Ihnen vielleicht nicht gut, Sie schauen so gequält, und wenn ich ehrlich bin, ist ihre Haltung, so halb über dem Fenster hängend, nicht gerade die Natürlichste.“

Zwei schwarze Knopfaugen glubschten ihn neugierig von der hinteren Bank aus an, verhaltenes Kichern folgte, verstummte aber augenblicklich, als er sich aufrichtete.

Dann brach er in Gelächter aus, schallend und hysterisch, den Schülern damit umso mehr das Gruseln lehrend. Kurz danach stahl er sich nach draußen, unter dem Vorwand, etwas Kopieren zu müssen, rauchte aber in Wahrheit erst einmal eine Zigarette, um sich danach im Direktorat krankzumelden.

Ohne Hast ging er noch kurz zu seinem Büro, um die Klassenarbeit, die er eigentlich in der übernächsten Stunde hatte schreiben wollen, so mit Erläuterungen vorzubereiten, dass er sie getrost einem Kollegen übergeben konnte. Doch das Papier, von dem er glaubte, es bei seinen Unterlagen liegen zu haben, war nicht da.

Nicht. Da.

Er, der vorhin noch so absurd ruhig geworden war, wurde hektisch, fast panisch. Korrektheit, Pünktlichkeit und solche Tugenden waren nie seine Stärke gewesen, solange man bedachte, dass er, seit er seinen Beruf an dieser Schule fortsetzte, sich eines Besseren bemühte, um den Schülern wenigstens einen strengen Mann mit Richtlinien vorzuspielen. Wie sehr er dieses gespielte Ich, das er sich da angelacht hatte, doch hasste.

Die Wahrheit war einfach wie planlos: Die Arbeit hatte er schlicht nicht vorbereitet, so musste es sein.

„Tja, dann werde ich improvisieren“, sprach’ s und griff nach dem dicken, zerfledderten Gedichtband in seinem Regal. Konnte ihm ja egal sein, was seine Schüler da interpretierten. Die wenigsten mochten es, ebenso sehr wie sie es konnten. Also egal. Erst neulich hatte er Mondnacht von Eichendorff durchgenommen und hatte einmal mehr Einblick in die stupiden Gedankengänge der Schülerschaft bekommen, als sie nicht aufhörten zu fragen, ob Eichendorff vielleicht Dealer gewesen sei, schließlich spräche er von einer „Seele die Nach Hause fliegt“, was ja ein Widerspruch in sich sei, denn eine vom Körper losgelöste Seele könne ja gar nicht allein irgendwohin zurückfinden, so ganz ohne übergeordnetes Gehirn. Zumal das Zuhause einer Seele ja ganz klar der Körper selbst sei. Daraufhin hatten sie dann geschlossen, dass Eichendorff mit Drogen gehandelt haben musste und halluzinierte, während er dieses Gedicht schrieb. Dass sie dabei nicht das Gedicht, sondern regelrecht den Autor interpretierten, schien ihnen nicht mal aufzufallen.

Selbst nach mehrfachem Betonen, dass dies ja lediglich metaphorisch gemeint sei, hatte sich die Annahme der Schüler wie ein Buschfeuer verbreitet und er, der ja jede Situation so toll unter Kontrolle hatte, konnte nur bitter mit dem Kopf schütteln. Also konnte er jetzt getrost irgendetwas auswählen und hinterher schauen, was sie aus ihren Hirngespinsten herausgearbeitet hatten.

Den Zufall entscheiden lassend, klappte er das schwere Buch mit seinen langen Fingern irgendwo gegen Ende auf und las folgendes:
 

Geheime Liebe
 

Unbeglückt muss ich durchs Leben gehen,

Meine Rechte sind nicht anerkannt;

Aus der Liebe schönem Reich verbannt,

Muss ich dennoch stets ihr Schönstes sehen!

Nicht die schwache Zunge darf's gestehen,

Nicht der Blick verstohlen zugesandt,

Was sich eigen hat das Herz ernannt,

Nicht im Seufzer darf's der Brust entwehen!

Tröstung such' ich bei der fremden Nacht,

Wenn der leere lange Tag vergangen,

Ihr vertrau' ich mein geheim Verlangen;

Ist in Tränen meine Nacht durchwacht,

Und der lange leere Tag kommt wieder,

Still ins Herz steigt meine Liebe nieder.
 

Clemens Brentano
 

Für einen Moment standen seine Gedanken still und man konnte fast das Klicken der Synapsen hören, als diese ihre Arbeit wieder aufnahmen und sein Gehirn zum Denken brachten. Das heißt das, was er dachte, waren wirre Fetzen, die keinen Sinn ergaben, und selbst wenn sie es für einen kleinen Augenblick taten, so wurde dieser Sinn wieder zerschlagen wie zerbrechende Schneeflocken. Erst sah er Rin vor seinem geistigen Auge, lachend, den Blick verführerisch auf ihn gerichtet, sich aber beständig von ihm entfernend. Dann Leere, vielleicht Form gewordene Trauer, schwarzes, trockenes Blut. Schließlich seine alte, dann die neue Wohnung. Die Küche. Das beengende Schlafzimmer. Winter. Schnee. Kälte, erfrorene Gefühle. Dann wieder Leere.

Sakura.

Ihr Gesicht blieb.
 


 

Gemächlich ruckelte der Subaru über die Landstraße, die schneebedeckte Landschaft zog in einem milchigen Flirren an ihm vorbei, hin und wieder spritzte der Schneematsch an den Seiten der Räder weg und hinterließ für entgegenkommende Fahrer einige unschöne, dreckige Pfützen, die aussahen, wie frisch aus einem Moor geschöpft. Warum konnte diese Karre nicht schneller fahren? Vertieft in seine Gedanken, die vor allem, er konnte es sich nicht erklären, um Sakura kreisten, schreckte er plötzlich auf, als sich sein Handy in seiner Gesäßtasche bemerkbar machte. Wann zum Kuckuck hatte er dort hineingesteckt? Er fluchte leise, als er sich mit einer akrobatischen Verrenkung leicht von seinem Sitz erhob und den Hintern in die Höhe reckte und ein Lastwagenfahrer hinter ihm zu hupen begann, weil Kakashi rapide vom Gas runtergegangen war. Dann aber hatte er es geschafft und ging ran.

„Ja?“

„Kakashi, warum hast du dich krankmelden lassen?“

Tenzo. Und er fiel gleich mit der Tür ins Haus.

„Weil die Teletubbies Selbstmord begehen wollen.“

„Bitte?“

„Mann, ist doch egal, ist ja wohl meine Sache, meinst du nicht?“

Schweigen am anderen Ende der Leitung. Der Hatake war ohnehin schon ein Nervenbündel, warum also sollte er jetzt seinem Kollegen auch noch eine Rechenschaft schuldig sein? Alles hatte sich geändert, einfach alles, er hatte ein Gespür für die Geschehnisse um ihn herum bekommen, seit Sasukes Attentat.

„Sakura ist auch nach Hause gegangen…“

Kakashi schnaubte.

„Was willst du damit andeuten?“

„Dass du in der Klemme steckst. Und dass ich an deiner Stelle zurückkommen würde, so sieht es aus.“

„Tenzo. Komm bitte auf den Punkt. Ich fahre gerade auf der Landstraße, welche im Übrigen vereist ist und der LKW-Fahrer hinter mir sieht auch nicht glücklich aus, weil ich so langsam fahre. Bitte.“

„Ja.“ Pause. „Kakashi, was glaubst du, warum sie dich als Sakuras Lehrer bestimmt haben?“

Der Angesprochene überlegte eine Weile, in seinem Hinterkopf formte sich eine Ahnung, die er allerdings nicht aussprach und antwortete daher lapidar:

„Aus Zufall? Weil sie mir vertrauen, dass ich auf Sakura aufpassen würde? Es ist doch logisch, schließlich würde ich nichts wagen, was meinem Ruf als vor allem neuer Lehrer an unserer Schule schaden würde, schließlich bin ich erst seit Beginn des Schuljahres hier.“

„Kakashi“, allmählich konnte er seinen Namen nicht mehr hören, „du bist nicht dumm. Glaubst du das wirklich?“

Diesmal war es der Hatake, der schwieg. Er konnte Tenzo nicht länger hinhalten, sie mussten auf den Punkt kommen.

„Nein.Weil es gegen die japanische Bürokratie ist, dass ich als ihr Lehrer abkommandiert wurde. Das macht mich stutzig, denn Lehrermangel herrscht auch nicht, sodass es nicht anders funktioniert hätte.“

„Genau. Sie wollen dich damit testen. Sie wollen wissen, was ihr für eine Beziehung, sofern man das im weitesten Sinne so nennen kann, führt. Eben weil du neu bist, besteht kein Anlass, dir zu trauen, und dann spielt es keine Rolle, ob das, was beschlossen wird, in Ordnung geht, von Staats Seiten. In ihren Augen ist es am notwendigsten, Sakura in keinen Konflikt zwischen Privatleben und Schule geraten zu lassen, sollte eure Beziehung ausufern.“

Eben diese Gedanken hatte der Silberhaarige auch gehabt, sich nur nicht getraut, sie anzusprechen.

„Ja, möglich, die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering. Doch sie kennen meine Geschichte. Und es ist und bleibt, du sagtest es ja selbst, rechtswidrig. Ich dürfte gar nicht ihr Lehrer sein, weil ich, sozusagen, ihre Familie bin, wenn auch ein schlechter Ersatz.“

Wieder antwortete sein Gesprächspartner nicht direkt, was Kakshi beinahe fuchsteufelswild gemacht hätte, schon während er sprach hatte er Mühe, gefasst zu bleiben. Der Groll hing in seiner Kehle und drohte ihn mit seinen heißen Fluten, die in immer kürzer werdenden Intervallen durch seinen Körper schwappten, zu ersticken.

„Natürlich. Erinnerst du dich allerdings an nur eine Situation, in der ein Gesetz Menschen davon abgehalten hat, zu erreichen, was sie wünschen? In diesem Fall meine ich das Erreichen von Sicherheit für eine Schülerin, diese muss in erster Linie gewährleistet sein. Dafür müssen sie so schnell und sicher wie möglich an Informationen kommen und das geht nun mal am besten, wenn du und Sakura euch häufig seht. In so Situationen macht man Fehler. Es ist ein Prüfstein. Bist du undiszipliniert genug, um Alltag und Schulleben zu vermischen, ist das ein Suspendierungsgrund. Der Ruf der Schule ist wichtig.“

Tenzos Stimme klang gepresst, als sei ihm das, worüber er sich zu sprechen gezwungen sah, zuwider.

„Ihre Sicherheit?“, Kakashis Stimme wurde lauter als nötig; beinahe hätte er sich selbst vor dem dunklen Unterton seiner Stimme erschreckt, der in seinem Kehlkopf grollte und drohte, einem wütenden Tier gleich, noch aggressiver zu werden, „Diese ist ja wohl gewährleistet, verdammt!“

Kurz vernahm er ein Knacken in der Leitung, Tenzo hatte sich den Hörer wohl einige Zentimeter vom Ohr weggehalten.

„Entschuldige“, seufzte der Hatake, „Gomennasai. Dass ich beobachtet werde, war mir bewusst. Und trotzdem. Was ich mich jetzt allerdings frage- und fass es bitte nicht falsch auf- inwiefern hast du damit zu tun?“

Der Braunhaarige am anderen Ende der Leitung antwortete schnell, vielleicht zu schnell:

„Erstens bist du mein Freund. Zweitens –und bei Buddah, reiß mir nicht den Kopf ab-, habe ich Sai auf Sakura angesetzt. Du weißt, er gehört zur Schülervertretung und hatte ohnehin ein Recht zu erfahren, was mit deiner Mitbewohnerin los ist. Zumal sie ihm unschön das Gesicht zerkratzt hat.“

Kakashi wollte etwas Sarkastisches erwidern, schluckte es aber und redete sich ein, Tenzos Idee war eine gute, vielleicht war sie das tatsächlich.

„Du willst uns helfen“, stellte er nüchtern fest und fühlte sich wie ein pädophiler Schwerverbrecher, der mit seinem Komplizen sprach, der ihn decken wollte.

„Vor allem will ich sie vor Gerede schützen. Die Schulleitung legt es mit diesem Vorgehen ja eher auf Getratsche an, von wegen “er unterrichtet sie UND sie wohnen zusammen“, zumindest, falls letzteres rauskommen sollte. Nicht, dass sie plötzlich „Schlampe des Lehrers“ genannt wird. Außerdem gewinnt sie mit Sai einen zuverlässigen Freund und Vertrauten.“

„Das klingt, als wolltest du die beiden verkuppeln.“

„Wäre das denn das Schlechteste?“

Ja. Wäre es.

„Lassen wir die Zeit die Dinge regeln. Tenzo, ich muss auflegen, ich habe gerade die Ausfahrt verpasst, an der ich rausgemusst hätte. Also dann. Und danke.“

Sein gemurmeltes „Danke“ war der blanke Hohn, am liebsten wäre er unbehelligt geblieben und wenigstens glücklich in sein Verderben gerannt.

Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf, sein Entschluss stand ohnehin fest. Er musste dem Irrsinn ein Ende bereiten, bevor er ihm ein Ende bereitete.
 

Da stand er nun, von einem Bein auf das andere tänzelnd, damit ihm das Fleisch unter der Haut nicht wegfror. Lange war er noch durch Tokio gefahren, sich von einem Kaffee zum nächsten trollend, nur, um nicht nach Hause zu müssen, zu Sakura, die ihm, schon durch die bloße Anwesenheit innerhalb seiner Gedanken, einen Stich in die Magengrube versetzte.

Jetzt war es bereits dunkel und die Tatsache, dass er kein Licht hinter den Rollläden erkennen konnte, ließ ihn annehmen, sie schliefe. Die Nacht war so abgrundtief schwarz, die Lichter der nächstgelegenen Stadt strahlten hohnvoll und trotzig gegen die Dunkelheit an und das künstliche Licht ließ Strahlen gen Himmel emporwachsen, die bedrohlich wirkten wie Dolche, die das erhabene Schwarz vernichten wollten. Der Schnee reflektierte es matt und schuf einen unwirklichen Kontrast zwischen Himmel und Erde, der der Umgebung das Flair eines Stummfilms verlieh. Ihm schauderte. Er würde noch verrückt, wenn er länger in der Kälte blieb; er glaubte sogar, seinen Atem nicht mehr sehen zu können, so kalt war ihm.

Vielleicht wäre Erfrieren gar nicht mal das Schlimmste, man schlief ein, die Gedanken wurden träge und belanglos, während sich die Kälte durch die Nervenbahnen und Adern fraß und das Blut zum Stillstand brachte. Er ließ die Finger knacken, sodass der Schorf über den Wunden zu bröckeln begann. Was für ein Unsinn! Um sich zu beruhigen, wiederholte er immer und immer wieder das Gedicht von Bretano in seinem Kopf; er würde es noch brauchen, ganz sicher so gar. Und das war auch leider die einzige Versicherung die er im Moment besaß. Sein Plan stand. Alles was er brauchte, war Mut. Dann schloss er die schwere Tür auf und machte sich auf den Weg nach oben in seine Wohnung.
 

„Hm?“

Sie rollte sich herum, doch um sie herum war nur Schwärze, die die sich nähernde Silhouette unerkennbar machte und die Geräusche von Schritten wie die von Geistern erschienen ließ.

„Schlaf weiter.“

Die Stimme, tief und rau, hallte an den Wänden wider und sie glaubte fast, sie käme aus allen Richtungen, lullte sie ein, doch sie kämpfte entschieden gegen den Schlaf an, der gierig die Klauen nach ihr ausstreckte.

Zu ihrer Linken vernahm sie ein dumpfes Knarren, Kakashi musste sich wohl hingelegt haben.

„Wo waren Sie?“, flüsterte sie in die Stille hinein. Das „Sie“ klang vollkommen falsch und zu befremdlich für eine solche Situation, die wohl eher in einer Schnulze Platz gefunden hätte.

Keine Antwort, nur ein resignierendes Ausatmen.

„Ist das wichtig?“

Ja…War es das? Sie antwortete nichts, zu sehr schmerzte sie Distanz zwischen ihnen, die sich wie eine elendige Backsteinmauer Stein für Stein zwischen ihnen aufgebaut hatte, dass sie jetzt so hoch war, dass man sie nicht mehr überqueren konnte, ohne sich ernsthaft zu verletzen. An dem heutigen, helllichten Tag war sie noch naiv genug gewesen, zu glauben, alles würde sich zum Guten wenden, Kakashi würde nach Hause kommen, sie in die Arme schließen und alles war vergessen. Aber alles war wieder hochgekommen, schon am Morgen. Hochgewürgt waren die Erinnerungen und blieben ihr in der Kehle stecken, nahmen ihr die Luft, die Fähigkeit, klare Entschlüsse zu fassen. Es gab. Kein. Zurück. Die Vergangenheit war etwas, das man nicht fortschaffen konnte, man konnte sich nicht lösen von ihr, sie hatte Widerhaken. Sie prägte und formte ungewollt die Gegenwart, das Selbst und war gleichzeitig der ewige Keil zwischen ihr und –sie konnte es nicht wahrhaben- ihrem Lehrer. Auch in diesem Punkt waren sie von der vergangenen Zeit eingeholt worden. Sie mussten beide vergessen, mit der Situation leben, irgendetwas tun. Den Stillstand gab es nicht. Nie.

Die Hände in den Schoß legen hatte ihr in der letzten Zeit, seit sie zusammen wohnten, nichts gebracht, es hatte das Unabwendbare nur aufgeschoben und sie in trügerische Sicherheit gehüllt.

Der Körper schwer und unbeweglich, rollte sie sich bis zu der Kante des Bettes, die Kakashis am nächsten war. Vorsichtig tastete sie nach seiner Matratze, schätzte den Abstand ab, den sie zu überwinden hatte. Ob er sie runterschubsen würde? Nein, nein, sie erinnerte sich an seinen Blick im Klassenzimmer. Das würde er nicht tun, das nicht. Er war keines Falls gefühlskalt, auch wenn er manchmal vorgab, es zu sein. Ungelenk reckte sie ein Bein hinüber und blieb reglos liegen, als sie bemerkte, wie weit weg er von ihr lag. Egal. Sie schwang auch das andere Bein hinüber und nutzte den Schwung, um auch ihren Oberkörper auf die andere Seite zu bekommen. Die Matratze gab mit einem bestialischen Ächzen nach und sollte der Hatake bereits geschlafen haben, so war er jetzt unter Garantie wieder wach, ließ es sich allerdings nicht anmerken. In ihrer Kehle stieg ein beengendes Gefühl hoch, das ihren Oberkörper und die Lungen, das Zwerchfell verkrampfen ließ. Zuerst glaubte sie, ersticken zu müssen, bis sie realisierte, dass sie kurz vor einem Lachkrampf stand. Was wollte sie eigentlich mit dieser Aktion bezwecken? Ihren Lehrer um Verzeihung bitten, auch wenn sie nicht einmal wusste, wofür sie sich entschuldigen musste? Ihn verführen, egal, wie dämlich sie sich dabei anstellte? Über ihn herfallen? Ersticken?

Falsch. Ich will deine Nähe spüren, du verfluchter Idiot von Pädagoge. Dich um den Verstand bringen. Ich bin nicht blöd, Kakashi Hatake. Glaubst du, mir ist dein Blick im Klassenzimmer entgangen, als du mich am Gehen hindern wolltest? Glaubst du das wirklich? Denkst du, ich bin schwer von Begriff, nur weil ich vierzehn Jahre jünger bin als du? Es stimmt, wir beide sind über den Tod von jenen, die wir einst geliebt haben, nicht hinweg, noch nicht ganz. Doch ich habe heute etwas begriffen. Komm schon. Ich zeig dir, was ich begriffen habe.

Bah. So diabolisch waren ihre Gedankengänge selten, so verzweifelt.

Vorsichtig rückte sie näher zu ihm und erwartete eigentlich, sein Körper wäre warm, doch stattdessen war er so kalt wie…ein Fisch. Wo war er den ganzen Tag gewesen?

Langsam ließ sie ihre zarten Finger unter den Stoff seines T-Shirts gleiten und fuhr die Wölbung seiner Wirbelsäule nach. Dabei zitterten ihre Hände wie Espenlaub, oder aber…war er es, der so zitterte?

Sanft wanderte ihre Rechte bis hinauf zu seinem Nacken, streichelte ihn, sodass sich das seidige Haar, wie das Fell eines jungen Hundes, wie von selbst um ihre Finger wand. Ein Seufzer, von dem er glaubte, sie habe ihn nicht gehört, entwich seiner Kehle. Ja. Sie hatte ihn fast da, wo sie ihn haben wollte, jetzt musste sie sich nur noch ein Stück näher zu ihm legen, dem Schicksal überlassen, was geschah. Frei, entfesselt. Gedankenlos, wie in jener Nacht.

Schmerzhaft und hart schlug ihr Herz gegen den schmalen Brustkorb, wie von Sinnen fühlte sie sich, genau so, als sie auch Sai angegriffen hatte, sie war ein Tier, ja, ein Tier, das den Körper bei der Jagd um Beute freigab und den Instinkten freies Geleit gab. Durch den kurzen traumatischen Moment hatte sie sich wirr und danach nur elendig und leer gefühlt, doch jetzt war alles so unfassbar deutlich und sie wusste: Danach, was auch immer dieses „danach“ war, würde sie sich so fühlen, wie vor all den Katastrophen, als sie noch in ihrer fadenscheinigen heilen Welt gelebt hatte. Erfüllt. Sie winselte leise.

„Nicht, Sakura“, wisperte er heiser und mit einer unglaublich rauen Stimme, die sein Verlangen nach ihr preisgab. Seine Vernunft trieb sie in den Wahnsinn. Verkehrte Welt, erst war sie diejenige gewesen, die ihn zurückgewiesen hatte, als er ihr helfen wollte und jetzt…

„Wieso denn nicht, Sensei?“, kicherte sie höhnisch. Jegliche Regeln und Richtlinien, Gesetze, auf die sie immer so viel gegeben hatte, waren ihr auf einmal so fern.

„Wer kein Gesetz achtet, ist ebenso mächtig, als wer kein Gesetz hat-“

„Odoardo aus „Emilia Galotti“, fünfter Aufzug, vierter Auftritt. Versuch nicht, mich mit meinen eigenen Waffen zu schlagen“, grollte Kakashi düster und rang noch immer mit seiner Beherrschung, sich nicht umzudrehen und sie in seine Arme zu schließen.

„Würde ich nie.“

„Quatschkopf.“

„Ich liebe Sie.“

„Schlaf jetzt, um unser beider Wohl.“

Stille.

„Sensei?“

Sakura wartete eine mögliche Reaktion gar nicht erst ab,

„Die Zeiten haben sich geändert.“

Er beachtete sie nicht weiter. Sie hatte versagt.
 

Am nächsten Morgen wachte sie auf, fühlte sich wie eine Säuferin, die erst wieder ihre Orientierung zurückerlangen musste. Die Augenlider waren schwer von einer salzigen Kruste, die sie überzog. Hatte sie geweint? Sie wusste es nicht mehr. In ihrem Kopf befand sich nichts als Leere, wirre Emotionen, die als Kopfschmerz von innen gegen ihre Schädeldecke drückten und das Summen in ihren Ohren wollte sie nur langsam verlassen. Erst nach und nach plätscherten die Erinnerungen des vorhergehenden Tages wieder in ihr Gehirn, flossen zähflüssig dahin, sodass sie sie mit einer Deutlichkeit sah, die ihr bisher unbekannt gewesen war. Das Chaos, das dieser Schultag angerichtet hatte. Die undeutbaren Gefühle. Sai, der arme Kerl. Ihre eigene Kopflosigkeit und zu guter Letzt Kakashis elende Vernunft. Es war zu viel auf einmal passiert, das sich nicht verdauen ließ. Apropos...Wann hatte sie das letzte Mal etwas gegessen? Und hätte sie nicht heute eigentlich wieder in diese Lernhölle, die sich „Schule“ rief, gemusst? Ihr Sensei war jedenfalls vor einiger Zeit aufgestanden...Ob er in der Küche saß?

Bedacht langsam erhob sie sich von Kakashis viel zu harten Matratze, sie lag gerade so an dessen Kante, verwundert, dass er sie nicht in ihr eigenes Bett geschickt hatte. Kakashi...Ein letztes Mal, ihr Schädel wog ohnehin viel zu viel, als dass sie ihn ohne Bedenken hätte vollständig heben können, vergrub sie ihr Gesicht in seinem Kissen und atmete einen Duft ein, der ihre Sinne benebelte und ein Kribbeln auf ihrer Kopfhaut verursachte, wie der Wind, wenn er im Herbst über ihr Haar pfiff. So musste sich fliegen anfühlen, die Gedanken frei und träumerisch, ja fast sehnsüchtig und aufbegehrend gegen alles, was einem zuwider war. Der Geruch, der auf sie schwappte und sie berauschte konnte mit nichts verglichen werden, nicht mir Eiswasser, nicht mit Menthol, nicht einmal mit dem herben Geruch eines Waldes nach einem Sommerregen. Viele Heldinnen aus ihren Schnulzenromanen machten Vergleiche solcher Art, aber für sie gab es diesen nicht, diesen sagenumwobenen Vergleich. Es war viel eher so, als rieche sie einen Duft, der nur für sie allein bestimmt war; den auch nur sie riechen konnte.

Warum musste alles, aber auch ausnahmslos alles in ihrem Leben so kompliziert sein?

Gerade glaubte sie nach jener Katastrophe wieder etwas Ruhe gefunden zu haben und jetzt, mit einem einzigen Tag, wurde alles wieder zerstört, was sie sich so mühevoll aufgebaut hatte. Ihre Freundschaft mit ihrem Hauslehrer, wie Sai so schön gesagt hatte, ach Sai, die Erinnerungen, die sie zumindest ab und zu zu vertreiben verstanden hatte...Und jetzt? Jetzt lag alles wieder in Trümmern wie vor einem halben Jahr, als ihr Leben auswegsloser nicht hätte sein können. Nur ein halbes Jahr...Was war das schon? Hatte sie wirklich geglaubt, dass ein so kurzer Zeitraum alles ändern könnte? Gut, der Amoklauf war genau gesagt schon eineinhalb Jahre her, doch verglichen mit gut oder fast zwanzig Lebensjahren, die sie nun hinter sich hatte, war das erschreckend wenig. Der Schmerz dafür glimmte noch immer in ihrem Herzen, dort, wo auch die Liebe zu Kakashi vor sich hin schwelte. Ging das überhaupt? War der Mensch überhaupt zu ehrlichem Fühlen in der Lage, wo er doch betonte, dass man mit dem Herzen fühlen sollte, das Organ, welches alle, ausnahmslos alle, Gefühle schuf? Liebe wie Gleichgültigkeit gleichermaßen? Heftigeres Surren in ihrem Schädel. Aufstehen. Essen. Wie unproduktiv.

Schon als ihre Füße den unnachgiebigen Holzboden berührten und die Kälte sich um ihre Knöchel hinauf zu ihrem Körper schlängelte, wusste sie, dass er fort war. Die Leere war nicht zu leugnen; die Stille fühlte sich verkehrt und trügerisch an, legte sich wie ein Wattebausch auf ihre Ohren. Diese Ruhe sang ein leises Lied, das dem eines Trauerspiels glich. In seine Schränke sehen musste sie nicht, auch war ihr sofort klar, dass er alles da gelassen hatte und nur das Nötigste mitgenommen hatte, um irgendwo, Buddah wusste wo, neu anfangen zu können. Ja. Für Erwachsene war das wohl einfach, man ging einfach, ziel- und planlos, irgendwas würde sich schon finden. Nur sie konnte nicht weg, sie ging zur Schule, hatte nicht einmal einen Ausbildungsplatz.

„Du bist so feige, Kakashi Hatake, du bist so feige! Wovor läufst du denn weg? Bin ich dir lästig geworden? Bin ich das? Ein nervtötendes Insekt?“

Jeder Mensch wäre zusammengebrochen und hätte Rotz und Wasser geheult, doch Sakura fühlte sich ruhig, zu ruhig. Nachdenken, nur nachdenken. NOCH glaubte sie nicht, dass er für immer fort war. Da war noch etwas, das spürte sie.

Aber solche wichtigen Gedanken ließen sich nicht mit leerem Magen erörtern, überhaupt war sie so keinesfalls zum Handeln fähig. Ihr Handy umklammernd, zu Not würde sie eben Sai einmal anrufen, schlich sie in die Küche wie ein Einbrecher, den die Ruhe nervös machte. Ohne Kakashi fühlte sie sich fehl am Platz, fast wie ein Eindringling.

Unruhig ließ sie ihre Augen umherwandern, suchte nach etwas und nichts, fokussierte, ordnete ihre Gedanken. Dieses Vorhaben wurde von einem Augenblick auf den anderen allerdings zerschlagen, als sie ein schmales Kuvert erblickte, das auf der Kaffeemaschine thronte, daneben lag ein schweres Buch, besser gesagt ein Trümmer, so dick war er, den sie doch irgendwoher kannte…

‚Bestimmt hat er einen Abschiedsbrief geschrieben…Na ja, als Deutschlehrer wird er bestimmt auch die richtigen einlullenden Worte gefunden haben…’

Zitternd und doch resignierend, die Unterlippe zum Trotz vorgeschoben, öffnete sie den Umschlag.
 

S. 452
 

Mehr stand da nicht. Kein Gesülze, keine Entschuldigung, kein Abschiedsgruß. Nur diese dämliche Seitenzahl. Misstrauisch begutachtete sie das Buch genauer. Ein Gedichtband, aha. Mit Literatur aus aller Welt vollgestopft, über und über mit Notizen versehen. Mit Notizen? Dann hatte er diesen Band also für Schularbeiten verwendet und ließ ihn jetzt hier, obwohl er doch zweifelsohne neu anfangen wollte? Entweder das, was sie auf der besagten Seite finden würde, war äußerst wichtig oder aber…Nein, eilig wischte sie diesen Gedanken beiseite und fingerte an den Seiten herum.

Da war es doch. Clemens Bretano. Sie hielt die Luft an.

„Und der lange leere Tag kommt wieder, still ins Herz steigt meine Liebe nieder“, wisperte sie mit zitternden Lippen die letzten Zeilen. Sie hatte es gewusst, aber jetzt hielt sie ihren Beweis in den Händen. Er liebte sie ebenso, wider allen Gesetzten und wenn sie diesem Gedicht Glauben schenken durfte nicht erst seit gestern, womöglich hatte er es schon lange vor ihr gespürt. Aber Moment! Vielleicht wollte er nicht neu anfangen. Vielleicht wollte er sich nicheinmal- Himmel, nein, doch nicht ein Mann wie Kakashi, der zu sehr an seinem Leben hing. War es nicht möglich, dass er von ihr gefunden werden wollte? War dieses Gedicht nicht eher eine Herausforderung, ein Appell an sie? War das möglich? Wollte er ihr damit signalisieren „Wenn du mich wirklich liebst, dann wirst du das begreifen, mich suchen, finden, andernfalls bin ich für immer weg, werde dir nie mehr über den Weg laufen…“

„Langsam, nur die Ruhe“, ermahnte sie sich.

„Er hat seine Sachen, einschließlich des Gedichtbands, zurückgelassen. Das beweist nichts. Anhaltspunkte. Ich brauche Anhaltspunkte!“

Von einem Moment auf den anderen pochte das Adrenalin schmerzhaft durch ihren nüchternen Magen, ein Feuer, dass sie zu zerfressen drohte

„Sein Auto!“, ihre Stimme kiekte leicht, sie lief zur Tür, nein, sie wollte nur zur Garage, abschließen war unnötig, behände schwang sie sich über das Geländer und landete ein Stockwerk tiefer, nichts als ihr Nachthemd am Leib. Gelenkig war sie schon immer gewesen und auch nicht unsportlich. Alles ging plötzlich so schnell. Ihre nackten Füße auf dem gefrorenen Asphalt. Garage. Öffnen. Einatmen. Ausatmen. Ruhe. Auto. Auto! Da. Das Nummernschild, nein, brauchte sie nicht prüfen, es gab auf der ganzen Welt wohl nur einen einzigen so vergammelten Subaru. Er-will-gesucht-werden-er-will-gesucht-werden-er-will-gesucht-

„Fräulein? Ach, Harono-san, Sie sind’s. Was machen Sie denn hier?“

Der Mann mit der Halbglatze, der ein Stockwerk über ihnen wohnte, grinste sie mit freundlicher Verwirrung an und schielte unentwegt auf ihre eher spärlich vorhandene Oberweite. Er traute dem Wahnsinn in ihren Augen nicht ganz, denn er machte prompt einen Schritt zurück, als sie sich ihm näherte, um die Garage zu schließen.

Sie schenkte ihm im Vorbeigehen nur ein triumphierendes Lächeln, welches von äußerster Gewissheit zeugte.
 

Es war keine halbe Stunde vergangen, da befand sie sich schon ,ohne Führer- oder Fahrzeugschein, auf einer breiten Straße, übervoll vom alltäglichen Arbeitsverkehr, Richtung Tokio und saß sich beim Sitzen auf dem unbequemen Polster des Subaru den Hintern wund. Nervös kaute sie auf ihrem Kaugummi herum und nahm rasch einen Schluck ihrer Kimura- Limonade, als sie bemerkte, dass der Verkehr immer zäher dahinfloss und schließlich zum Erliegen kam. Sie nutzte die Gelegenheit, um abermals eine Kurzmitteilung an Kakashi loszuschicken, da Anrufe bisher vergebens gewesen waren, besann sich aber eines Besseren, noch bevor sie das zweite Mal bestätigen konnte, die „Nachricht wirklich zu versenden“. Es brachte ja doch nichts. Stattdessen erblickte sie eine SMS von Sai. Das überraschte sie nicht- er wollte wohl wissen, wo sie und Kakashi waren. Kurzentschlossen rief sie zurück.

„Sai? Ich bin’s, Sakura. Kannst du sprechen?“

„Ja, aber mach’s bitte kurz, die Pause ist gleich rum.“

Zögern.

„Wo bist du überhaupt?“

„Ich…also…Ich fahre Richtung Tokio.“

„Mit dem Zug? Um die Uhrzeit? Der muss doch überfüllt sein!“

„Ja…nein. Ich fahre mit Senseis Auto. Er ist weg, verschwunden, hat mir nur ein paar Zeilen eines Gedichtes dagelassen. Ich glaube, er will, dass ich ihn finde…“

Sai stöhnte auf, es hätte aber auch der Wind auf dem Pausenhof sein können.

„Du redest wirr, aber weist du, ich will keine Details wissen“, er lachte heiser,

„Außerdem…das ist schon sehr derb an den Haaren herbeigezogen, findest du nicht? Abgesehen von der Tatsache, dass ich meinen Allerwertesten verwette, dass du keinen Führerschein besitzt.“

„Unwichtig“, antwortete sie motzig, um ihre zitternde Stimme zu vertuschen, die zu brechen drohte wie ein morscher Baumstumpf, gegen den immer wieder getreten wurde.

„Weißt du denn wenigstens, wo du ihn finden kannst, wenn du schon nach Tokio fährst“, lenkte Sai ein.

Das kleine Wörtchen „wohin“ echote in ihrem Schädel wie der übermächtige Kopfschmerz, gegen den sie seit dem Aufstehen bestimmt ankämpfte und verursachte ihr Magenschmerzen. Hinter ihr hupte jemand, um sie zum Weiterfahren zu drängen, das Geräusch war klar und hell, so anders als ihre Gedanken.

„Ich, ähm…Ja, also weit ist er bestimmt nicht gekommen…“

„Du hast keinen Schimmer, oder?“

„Nein.“

Aus der Leitung kam diesmal ein Laut, den sie ganz eindeutig als amüsiertes Lachen identifizieren konnte.

„Keine Angst. Du fährst jetzt auf einen Rastplatz, erzählst mir alles haarklein und dann verrate ich dir, wie du vorgehen kannst. Ich denke, ich weiß auch schon wie…“

Es dauerte keine zehn Minuten, da rollte der Subaru auch schon auf einen Rastplatz, der zwar nicht unbedingt sauber war, doch durchaus seinen Zweck erfüllte, wenn man von einer Gruppe junger Männer absah, die sich etwas abseits hinter einigen mageren Bäumchen erleichterten.

„So einfach?“

Sie starrte eine offenbar seit Anfang des Winters zerfallende Mauer an, auf der Werbeplakate für Hightechtoiletten klebten und fragte sich, wieso der Mensch das unnötigste Zeug entwickelte, es nur für wirklich wichtige Probleme, und sei es nur der Liebeskummer, keine Lösung gab.

„So einfach.“
 


 

Eisige Kälte schlich zusammen mit dem nächtlichen Nebel um die Häuser, während sich die blinden Scheinwerfer der Autos hilflos einen Weg durch das Dunkel suchten; Schneematsch spritzte schmatzend an den Seiten der Räder weg und blieb auf der dünnen Schicht des Neuschnees liegen wie vergiftete Ratten. Unruhig wippten ihre Ponysträhnen im Takt ihrer Schritte, voller Erwartung und Angst, dass die Dinge anders sein würden, als sie es sich erhoffte. Es war wie an jenem Tag- nur das Gewitter, das ihre Schluchzer tröstend mit seinem dumpfen Grollen verschluckt hatte, fehlte, ebenso die Schwere der warmen Luft. Der Enthusiasmus schwand mit jedem Schritt, den sie tat, als nähme er Mut und Zuversicht mit sich. Es war eine einzige Achterbahnfahrt der Gefühle, am Morgen ihrer Schulbesuchs noch schwach und ängstlich, dann resignierend, trotzig, wieder verzweifelt, allem überdrüssig und schließlich wieder gefährlich überzeugt davon, dass sie etwas ändern konnte, wenn sie es wollte. War es so, wenn man langsam aber sicher irre wurde? Wurde man dann Opfer des eigenen Geistes, der einen vor lauter Emotionen durchschüttelte und sich an alles zu klammern versuchte, was nach Hoffnung und Rettung aussah?

Als sie vor einem Schaufenster ankam, blickte sie hinein, betrachtete aber nicht die Verkaufsartikel, sondern begutachtete eingehend ihr Gesicht.

„Wer bist du? Was ist dein Ziel? Warum handelst du so, wie du handelst?“, flüsterte sie in die Stille hinein und erschreckte sich vor dem Klang ihrer eigenen Stimme, die viel zu stumpf klang. Ich finde ihn, ich finde ihn ganz bestimmt. Sai hat das auch gesagt und ich möchte ihm glauben. Wenn ich nur bei ihm sein kann, dann werde ich wieder wissen, warum es sich lohnt zu kämpfen.

Die feinen Narben an ihren Armen prickelten ganz heiß und mit der Hitze kehrte auch langsam die Zuversicht zurück. Der am Rande Tokios gelegene Stadtteil lag schweigend vor ihr, betrauerte die glückliche Vergangenheit und schuf Platz für die Zukunft.

Als sie um die nächste Häuserecke bog, flackerten die Laternen auf, um ihr den Weg zu bereiten und schufen im Nebel ein wirres Spiel verschiedenster Grautöne, hier und da erhellt von dem reflektierenden Licht der Schneeflocken, die lautlos durch die Luft tanzten. Für einen Moment stützte sie ihre Hand gegen eine mit Graffiti besprühte Hauswand, stützte sich ab, um die Kulisse in sich aufzusaugen, erst dann schritt sie weiter, den Mantel enger um sich ziehend. Der nächste Häuserblock würde ihr Schicksal sein.

Mit dem hinter der Wolkendecke hervorlugenden Mond trat auch sie die letzten Schritte, dann hatte sie ihr Ziel erreicht.

Sie schien heller als die anderen, wenn man unter ihr stand, konnte man das Gesicht einer Person nicht erfassen, so auch jetzt nicht. Aber er sah wunderhübsch aus, obwohl das künstliche Licht ihn älter wirken ließ, vielleicht so alt, wie ein Vierunddreißigjähriger eigentlich auszusehen hatte. Das Glimmen der Zigarette hob sich mit seinem warmen Schimmer ab; er selbst verschmolz mit der verschneiten Stadt. Sein blütenweißes Hemd unter der dunklen Jacke und sein silberfarbenes Haar verliehen ihm ein Antlitz, das von Reinheit zeugte und keinen Hinweis darauf verlauten ließ, was er alles mitgemacht hatte. ‚Wie ein Engel’, dachte sie, ‚wie ein Engel. Mein Schutzengel. Oder ein makelloser Dämon.’ Sie verbot sich ein Kichern, obwohl sie so froh war, dass ihr alles hätte egal sein müssen.

Kakashi stand dort, unter der Laterne, wo sie sich wiedergetroffen hatten, wo alles begonnen und irgendwie, irgendetwas auch geendet hatte.

Mit wenigen Schritten war sie bei ihm und auch er trat aus dem Schatten hervor, sodass sie sein Gesicht sehen konnte, so hübsch, so wunderhübsch, mit dem kantigen, und doch anmutigen Kiefer, der männlichen und doch formvollendeten Nase, die Lippen, zwar blass und schmal von der Kälte aber doch so weich und dann die Augen, die Augen-

„Ich vergehe schon vor Einsamkeit.“

Sein Kichern in ihren Ohren war so ungeheuer warm, so befreiend.

„Sai hat miserable Arbeit geleistet, er hätte früher mit dir sprechen sollen“, fügte er nach einer Weile hinzu, legte den Kopf schief wie ein junger Hund und musterte Sakura, die mit einem verdatterten Blick antwortete, dann aber zu lachen begann, so sehr zu lachen begann, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte. Und sie wollte auch nicht aufhören.

„Du…du…Nee, ich glaube das jetzt nicht“, sie wischte sich die Lachtränen fort, „du, ich meine Sie haben das geplant? Zusammen mit Sai, weil der mir den Tipp geben sollte, wo Sie sind? Mann, bin ich blöd, dass ich das nicht kapiert habe!“

Mit der flachen Hand schlug sie sich gegen die Stirn, hin- und hergerissen von einer übermächtigen Freude und zur gleichen Zeit bestürzt über ihre eigene Dummheit und ihren Hang zum Drama; plötzlich setzte sich die Situation wie ein Puzzle vor ihren Augen zusammen. Womöglich hatte er gar mit Yamato gesprochen, womöglich hatte er das alles bereits nach ihrem Blackout geplant, vielleicht hatte ihn diese bescheuerte Situation, die eine so heftige Konfrontation mit der Vergangenheit war, begreiflich gemacht, dass sich etwas ändern musste.

Forschend und herausfordernd blickte sie ihm tief in die Augen und betrachtete ihr eigenes Spiegelbild, wurde plötzlich wieder ernst, die Befangenheit machte ihre Kehle eng. Er war nah genug, damit sie den rötlichen Rand um seine Narbe herum erkennen konnte, nah genug, um seinen Atem auf ihren Lippen spüren zu können. Sie begann zu zittern.

„Komm her“, flüsterte er, zog sie an seine breite, warme Brust und schlang mit einem einzigen Handgriff seine Jacke so um sie, dass er sie gerade noch anbehalten konnte, „letztes Mal durfte ich ja nicht einmal deinen Oberarm anfassen.“

‚Mach mit deiner Unsicherheit nicht alles kaputt’, dachte sie, ‚zerstöre mit zu vielen Worten bitte nicht den Augenblick.’

Erschrocken stellte er fest, wie nicht nur er selbst, sondern auch die Welt just in diesem Augenblick den Atem anhielt. Und obwohl da so viel Ungesagtes zwischen ihnen war, hätte die Distanz nicht geringer sein können, nicht vertrauter. Nach Rins Tod hatte er es nicht für möglich gehalten, sich einem Menschen noch einmal so hingeben zu können, ihn so nah spüren zu können, bis es ihm den Verstand raubte, so wie seine Schülerin ihm jetzt den Verstand raubte.

Vorsichtig, abwägend, ob sie ihn überhaupt gewähren lassen würde, küsste er sie zuerst auf ihr Köpfchen und ließ seine Lippen dann sanft weiter zu ihrer Stirn wandern.

„Kakashi“, flüsterte sie, doch wider Willen rannen ihr die Tränen über das errötete Gesicht.

Hilflos klammerte sie sich an seine Schultern, bis sie schließlich eine Hand in seinem wärmenden Haar vergrub und ihn so zwang, sich weiter zu ihr hinabzubeugen. Sie spürte seinen warmen Blick auf ihr, schaffte es aber nicht, diesen zu erwidern und schloss stattdessen die Augen. Das Bild ihres geliebten Sasuke, welches sie über all die Zeit begleitet hatte, wie eingebannt in ihre Netzhaut, verblasste allmählich, sie kniff die Augen fester zusammen, doch halten konnte sie es nicht länger. Das „Band“ war endgültig zerfallen.

Kakashi fühlte sich ähnlich hilflos, das Gefühl, wieder klar sehen, denken und fühlen zu können, berauschte ihn, machte ihn mutig genug, um die Zweifel fortschaffen zu können, die ihn als Lehrer der Haruno marterten.

Vorsichtig legte er seine Lippen an ihre Wange, damit er ihre stillen Tränen fortküssen konnte, nur um sich dabei zu ertappen, wie er selbst zu zittern begann, als er das salzige Nass schmecken konnte. Behutsam zog er sie noch enger an sich, dachte ‚Himmel, was will ich sie’, während sich in seinem Hinterkopf tückisch die Frage nach dem „Wann“ einschlich, nämlich wann das zwischen ihnen eigentlich wirklich begonnen hatte. Dennoch vertrieb er den Gedanken, denn er war sicher, wenn er auf dieses „wann“ stoßen würde, dann stünde alles in Frage, was er zuvor mit Rin erlebt hatte und das wollte er tunlichst vermeiden. Schmerz war der Begriff, der der Vergangenheit angehören sollte.

Seine Lippen waren nunmehr noch eine Handbreit von den ihrigen entfernt, sodass sie überdeutlich seinen heißen Atem spürte, bis er ihre Nase kitzelte und sie unweigerlich ganz leicht, es hätte genauso gut der Wind sein können, zu kichern begann. Und obwohl der Hatake nur zu gern weiter ihr plötzlich so glattes, sorgloses Gesicht betrachtet hätte, nahm er ihr Gesicht behutsam, als sei es aus Porzellan, in seine großen Hände und streichelte mit seinem Daumen kurz über ihre vollen Lippen, ehe er sie zärtlich küsste. Sein Kuss war so intensiv, so sanft und doch wieder so forsch und tief, dass das feine Kribbeln in ihrer Magengrube binnen einer Sekunde entflammte und durch ihren Körper wallte.

Ihr Lehrer. Hätte man ihr das vor drei Jahren prophezeit, so hätte sie angefangen zu lachen.

Aber Gefühle waren grenzenlos, magisch, kraftvoll und ohne Regeln, das wusste sie jetzt, Gleiches galt auch für den Hass, der Sasuke ins Verderben getrieben hatte.

Als sie sich für einen Augenblick voneinander lösten, zwang sie sich, Luft zu holen, obwohl ihr rasendes Herz ihr genau dieses Vorhaben gänzlich erschwerte. ‚Hat er damals eigentlich auch schon so verwegen und’, sie schaffte es kaum, den wirren Gedanken zu vollenden, ‚sexy ausgesehen?’

„Nicht ganz. Damals war ich ja ausschließlich dein Lehrer. Ich wage zu bezweifeln, dass du darauf geachtet hast.“

Ehe er sich über ihre gemurmelten Gedanken lustig machen konnte, war sie es, die zur Tat schritt und ihn mit einem leidenschaftlichen Kuss zum Schweigen brachte. Zwischen mehreren gedämpften Seufzern flüsterte er, plötzlich wieder ernst:

„Ich liebe dich. Ich liebe dich so, Sakura.“

„Mehr als alles“, fügte er nach einer Weile hinzu, den Kopf neigend, sodass sie behutsam seine Nacken kraulen konnte.

„Ist in Tränen meine Nacht durchwacht,

Und der lange leere Tag kommt wieder,

Still ins Herz steigt meine Liebe nieder“ flüsterte sie und kuschelte sich an seine Brust, den warmen Duft einsaugend, der sie so betörend umhüllte.

„Du hast es dir gemerkt.“

„Wenn Sie…ach nein…wenn DU wüsstest was ich mir alles merke, was du sagst und tust…Du würdest mich einweisen lassen.“

„Nimmermehr“, flüsterte er, „ das zeigt mir doch nur, dass du wenigstens ansatzweise so fühlst wie ich. Damit bin ich zufrieden“, antwortete er in einem warmen und vielleicht auch leicht selbstgefälligem Tonfall, doch es gefiel ihr. Sogleich umarmte er sie etwas fester, besitzergreifender und sie begann, über seinen kräftigen Oberkörper zu streicheln und bemerkte, wie es bei jeder Berührung kurz zusammenzuckte, vor allem, wenn sie sich seinem unregelmäßig und hart pochendem Herzen, aber vor allem der Narbe, näherte. Er hatte sein ganzes Leben lang so leiden müssen, sie mochte sich kaum ausmalen, wie oft er nachts geweint haben musste, wenn es ihm dreckig ging. Warum? Wenn einer das Glück verdient hatte, dann ja wohl er.

„Ich liebe dich doch auch“, wisperte sie.

So standen sie da, lebendig in der erfrorenen Welt. Keiner von beiden konnte sagen, ob ihre Liebe bis zum Tod währen würde, doch es war wünschenswert und fühlte sich so richtig an wie nie zuvor, also lag die Vorstellung nahe, war schon fast gewiss.

Noch in derselben Nacht packten sie ihre Sachen und ließen das Land der aufgehenden Sonne hinter sich, um frei zu sein, frei von der Vergangenheit und den Schranken, die ihre Beziehung verboten.

Schon bald würden sie durch fremde Länder ziehen, den Durst nach Unabhängigkeit stillen und ohne es wirklich geplant zu haben, würde Sakura auf ihre eigentlich so verhasste Familie treffen, mit der sie nun endlich Gelegenheit bekommen würde, sich auszusprechen.

Doch das ist eine völlig andere Geschichte.
 

Das war's :D Na ja, ich persönlich mag den ersten Teil wesentlich lieber -_- Ich hab ohne Storyline geschrieben und iwie...war mir das ne Lehre und ich werde es so schnell nicht wieder tun xD Ich hoffe trotzdem, dass ihr die Story wenigsten etwas mögt .__.*lieb guck* Ist nat nicht ganz so ernst zu nehmen wie Teil eins.

Was das Ende angeht: Ich liebe offene Enden. Die Story mit der Familie wäre wohl noch ein Kapitel für sich, aber hier ist erstma Schluss^^ Vllt habt ihr ja Lust, die Geschichte mit dem Treffen zu schreiben? Wenn ja, sagt Bescheid~ Freuen würde es mich ^//^ (Ich wäre auch zu nem Collab bereit)

Jupp, man liest sich. Als nächstes plane ich nen Death Note OS, mal sehen, ob ich die schneller gescribbelt bekomme ;P

Bye, bye!

P.s.: Ich weiß, die Szene am Ende is derbe schmalzig ö.ö Aber ich wollte es so :3

P.p.s.: (<- schreibt man das so?)Die Kimura- Limo, die Sakura trinkt, gibt's wirklich und sie schmeckt wahnsinnig lecker *q*~



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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Von:  Meyumi
2016-03-03T14:59:02+00:00 03.03.2016 15:59
Hi :)
also ich hab das erste kapitel jetzt schon zum zweiten mal gelesen *zu meinem kommi von vor 3 jahren schiel* und habe erst mittendrin bemerkt, dass ich das schonmal gelesen hatte x3 aber es ist einfach eine hammer FF und ich mussts einfach nochmal lesen. und dann stelle ich fest, dass es eine fortsetzung gibt <33 (die hab ich glaub beim ersten mal nicht gelesen und ich weiß einfach nicht wieso o.ô?!?!?!) und die fand ich mindestens genauso gut wie kapitel 1 !! bisle mehr selbstvertrauen wenn ich bitten darf! :D der teil ist dir super gelungen echt, ich konnte nicht aufhören zu lesen und ich habe ständig gegrinst und richtig mitgefiebert ob es denn nun was wird oder nicht zwischen den beiden D: zu meiner beruhigung hab ich dann das ende gelesn. es ist zwar leicht kitschig, was aber total gut dazu passt, weil du kakashi trotzdem...ja wie sag ich das jetzt, ehm...*worte such* eben wie kakashi hast wirken lassen^^ und das war das was mich dazu gebracht hat deine FF zu lieben *-* er ist irgendwie immer noch so wie man ihn au der serie kennt <3
und das yamato-sensei noch dabei war fand ich auch tollig ^-^
gaaaanz liebe grüße und ich hoffe ich kann noch mehr solcher FFs von dir lesen :)

Miku_Vocaloid
Von:  Meyumi
2013-06-14T12:31:15+00:00 14.06.2013 14:31
hey ers ma :)

"Der Anblick, der sich ihr folglich im Spiegel bot, war lächerlich. Das dünne, blasse Mädchen, welches ihr mit traurigen, von Schatten umrahmten Augen entgegenblickte, wirkte wie in einen eingefärbten Katoffelsack gehüllt, als müsse nur ein Windstoß kommen, damit sich die Kleidung aufblähte und sie wegflöge."

da musste ich echt lachen xD voll gut^^
deine ff ist der hammer *-* ich finds so süß wie kakashi sich gibt und er tut mir so leid
und dann trifft er sakura die es auch nich leicht hat. die verbundenheit zwischen den beiden
hast du echt toll beschrieben, ich liebe deinen schreibstil und wie du kakashi beschreibst!
*fähnchen schwing*

aah ich musste am ende fast heulen ;_; du hast das alles so schön beschrieben,
die gefühle von kakashi und die rede von freiheit und glück
den amoklauf fand ich echt dramatisch beschrieben :o ich war teilweise auch echt geschockt
weil ich es mir so gut vorstellen konnte, so wie dus beschrieben hast.
sollte es mal ein paar folgen geben in denen deine ff passiert, würde ich sie mir genau so wünschen wie dus geschrieben hast *-*
und JAA ICH WILL NE FORTSETZUNG! :DD ganz dringend *wünsch*

Von:  Lunasan
2013-01-16T07:38:35+00:00 16.01.2013 08:38
Moin Moin,

also dein zweiter Teil ist.... ohne worte, mir fehlen diese einfach.Und mich würde schon intressieren wie es weiter geht. Kommt da vielleicht noch was???? bittttttttttttttttee
Von:  solty004
2013-01-07T10:48:29+00:00 07.01.2013 11:48
Hey,
habe erst vor kurzen den ersten Teil deiner Kakashi und Sakura Story in deckt und fand sie super. Denn sie ist sehr viel Gefühls betont durch die Verzweiflung, den Schmerz, Hass und tiefe Zuneigung zu einander.

Den zweiten Teil ist auch so Gefühls betont. Auch durch den Schmerz, Angst, selbst Zweifel und auch diese tiefen Gefühle oder besser gesagt die Liebe! Ich finde du hast es sehr gut zum Ausdruck gebracht, das gefällt mir persönlich sehr gut.

Du solltest noch einen Teil schreiben zum Abschluss. Denn ich mag sehr so alters Unterschied Storys, weil ich auch in einer Lebe. Bei uns sind es nämlich 16 Jahre.

Freu mich mehr von dir zu lesen.

LG Solty

Von:  narutoistcool
2013-01-06T06:01:06+00:00 06.01.2013 07:01
Wohaa Q.Q wunder schön beschrieben...
Aber thihi für das Ende musst du Teil 3 schreiben,
das würde so passen x)
Es ist eine wunderschöne Geschichte. Wie du das alles beschrieben hast
Die Gefühle, der Amoklauf, einfach perfeckt.
Und es ist absolut nicht schnulzig..!
Mach weiter und bitte bitte schreib Teil 3 :DD

LG Narutoistcool
Von:  Kleines-Engelschen
2013-01-04T21:54:41+00:00 04.01.2013 22:54
also ich finde den zweiten teil toll und auch sehr passend.
du hast die einzelnen gefühle und geschehnisse sehr gut rübergebracht. schreib doch noch einen dritten teil :P
mach auf jeden fall weiter so!

greetz
Von:  Lunasan
2013-01-02T20:07:33+00:00 02.01.2013 21:07
Tja was soll icg sagen.. einfach wahnsinn. ich muss erhlicherweiße zugeben das dein ons mich zu tiefst berührt hat. weiter so

lg
Von: abgemeldet
2012-04-10T17:13:25+00:00 10.04.2012 19:13
Ich muss zugeben das ich am ende der ff selbst tränen in den augen hatte. Einfach nur genial <3 *in favo pack* weiter so!!! lg
Von:  _senorita_marie_
2012-03-22T05:58:42+00:00 22.03.2012 06:58
das is ja mal was ganz was anderes...
und ich meine nicht schlecht was anderes, sonder GUT was anderes...
ich finde es toll, dass mal jemand schreibt, wie sasuke sein könnte, wenn er mit seiner trauer nicht fertig wird, wenn er zum amokläufer wird und niemanden verschohnt! es hat was, aber trotzdem ist es meiner meinung nach erschrecken, dass es auch die anderes seite gibt...
weil die meisten hier auf mexx schreiben, dass sasuke den familientod überwindet mit sonst wem an seiner seite als frau, freundin oder was weiß ich...

ich finde es echt faszinierend, wie sich menschen nach bestimmten vorfällen verändern...
echt ein wahnsinns OS und ich hatte echt gänsehaut, als die ersten schüsse vielen
weil ich meine wir sind nirgendwo mehr sicher, es könnte überall amokläufer sein und dass auch im eigenen wohnhaus, nur darauf wartend, dass sich sein gemüt so verändert, dass er in jedem einen schuldigen sieht und ihn dann beseitigen will....

echt genial geschrieben!!! ich zieh den hut vor dir

gglg mary
Von:  Suna-chan
2012-01-27T23:38:06+00:00 28.01.2012 00:38
Ein faszinierender One-shot. Ich war zuerst versucht ihn wieder wegzuklicken, bis ich die stelle von der "ohrenbetäubenden Leere" las - und entschied mich glücklicherweise dagegen. Du hast einen ausgezeichneten Schreibstil und baust so viele schöne Dinge ein, die man erst gar nicht bemerkt, aber einem das Gefühl beim Lesen vermitteln.
Es war auch sehr schön, dass du alle Stellen gleich gut beschrieben hast und nicht nur dein Augenmerk bespielsweise auf Kakashis und Sakuras Zusammentreffen gelegt hast. Bemerkenswert ist auch, dass du viele kleine Details, wie zum Beispiel die Glühwürmchen einbaust. Es haucht deiner Geschichte erst Leben ein.

Den Amoklauf hast du gut beschrieben, auch die Trauer, die Kakashi empfindet. ich persönlich kann nicht nachvollziehen, wie Leute (beispielsweise in Filmen) direkt, überwältigt von Schmerz und Trauer zusammenbrechen, es muss ersteinmal verarbeitet werden, ehe man den Schmerz zulassen kann. Und dann muss man auch lernen damit umzugehen. Das hast du exzellent umgesetzt - zumindest meiner bescheidenen Meinung nach.

Bei Sakuras Auftauchen hat man direkt den Einfluss von Phil Collins gemerkt, ich musste an dieser Stelle leicht schmunzeln, weil es einfach zu präsent war. Ich persönlich finde diese Stelle schön, aber sie hat vielleicht Kakashi einen Tick zuoft angesprochen.

Dann die Idee, wie beide versuchen mit der Vergangenheit umzugehen: realitätsnah. Anders könnte ich es nicht benennen.

Traurig, aber ebenfalls sehr realitätsnah ist das Ende, besonder die Stelle an der Kakashi sagt, dass sie ihn nicht liebt und er sie ebensowenig. Ich finde es gut, da Liebe nicht einfach durch ein paar Hamburger, ein Bad und einige nette Worte enstehen kann (zumindest kommt mir das unwahrscheinlich vor), andererseits finde ich es aber auch sehr traurig. Vielleicht wäre eine Fortsetzung über die Beziehung der beiden eine sehr gute Idee, wie sie es schaffen wieder ins Leben zurückzufinden, jeder der Halt des anderen und ohne Drogen/ ritzen. Eine Fortsetzung, bei denen beiden vielleicht klar wird, dass sie sich nicht nur brauchen, sondern tatsächlich lieben.

Ich fände es auf jeden Fall sehr schön und würde es auch direkt kommentieren =)

glg
Suna


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