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Freundschaften, Feindschaften

von

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Verräter

I. Verräter
 

„Mr. Kinney, es tut mir aufrichtig leid…“, beteuerte Mrs. Lennox.
 

Brians Mund war leicht geöffnet, seine Augen weit aufgerissen.
 

Nein.
 

Nein, nein, nein, nein!
 

„Das können Sie doch nicht machen!“ flüsterte Justin.
 

„Ich muss! Bitte verstehen Sie. Wir müssen die Situation erst überprüfen. Es mögen zwar nur Anschuldigungen sein, aber…“
 

„Das sind Lügen!“ schrie Justin auf. „Wer hat das getan! Wer hat uns das angetan?!“
 

„Uns liegt uns ein anonymer Hinweis vor…“
 

„So läuft das also in diesem Land“, sagte Brian leise. „Jedermann kann jeden denunzieren. Ob es wahr ist oder nicht. Das ist gleichgültig geworden.“
 

„Die Anonymität soll dem Schutz der Betroffenen dienen und eine erhöhte Aufklärungsrate ermöglichen… Mr. Kinney, Sie wurden zweimal angezeigt, beide Male wegen sexuell motivierter Delikte. Einmal wegen Nötigung am Arbeitsplatz, einmal wegen Kindesmissbrauchs… Und Ihre Beziehung zu Ihrem Partner hat, so der Vorwurf, auch bereits begonnen gehabt, als dieser noch minderjährig war.“
 

Brian schloss gequält die Augen: „Alle Anklagen wurden zurück gezogen. Und wegen Justin wurde nie eine erhoben. Sieht er etwa so aus, als würde ich ihn unterjochen?“
 

„Den Eindruck habe ich nicht gewonnen, nein. Aber es geht hier um Gus‘ Wohlergehen, da geht die Jugend- und Sozialbehörde immer auf Nummer sicher.“
 

„Verstehe“, sagte Brian tonlos.
 

„Aber natürlich verstehen wir - weil alle Schwulen potentielle Kinderschänder und sonst was sind, nicht wahr? Wie originell!“ zischte Justin bitter.
 

„Mr. Taylor, das behauptet doch niemand!“
 

„Oh doch“, wütete Justin, sich hektisch durch das Haar streichend, „aber sie sind zu feige, es auszusprechen. Schieben lieber irgendwelche bürokratisch klingenden Regeln vor. Schon Mal auf die Idee gekommen, dass Brian diese Klagen aus haargenau denselben Gründen am Halse hatte? Und jetzt verwenden sie das als Argument! Das ist doch absurd!“
 

Mrs. Lennox seufzte. „Ich verstehe Sie ja. Und die Sache ist auch ganz und gar nicht meine Idee. Und es ist auch nur vorübergehend. Sie müssen ein psychologisches Gutachten vorlegen, und dann…“
 

„Wie war das noch? Im Zweifel für den Angeklagten? Die Regeln haben sich anscheinend geändert“, sagte Brian bitter. „Es geht nicht mehr darum, jemandens Schuld zu beweisen – jetzt ist es sogar schon so weit, dass man seine Unschuld beweisen muss.“
 

„Es geht lediglich um Gus‘ Wohlergehen…“
 

„Fantastisch!“ fuhr Justin sie an. „Er hat seine Mütter verloren. Was meinen Sie denn, wie es ihm dabei wohl ergeht, von uns fort geschleift zu werden? Wir sind seine Eltern! Glauben Sie, das will er?!“
 

„Bitte, Mr. Taylor…“
 

„Taylor-Kinney!“
 

„Mr. Taylor-Kinney. Ich bin mir der Brisanz der Lage durchaus bewusst. Gus hat ein enges emotionales Band zu ihnen beiden. Ich konnte bisher nur Gutes über Sie berichten. Mich erstaunt diese Sache kaum weniger als Sie! Aber ich repräsentiere hier den Staat, ungeachtet meiner persönlichen Meinung. Sie müssen das Gutachten einholen, dann bekommen Sie Ihren Sohn zurück!“
 

„Ich fass es einfach nicht!“ sagte Justin.
 

„Und was passiert jetzt?“ fragte Brian müde.
 

„Sie sind vorübergehend von ihren Pflichten und Rechten als Gus Schutzbefohlener entbunden und dürfen keinen Kontakt mit ihm pflegen, bis ein positiver Bescheid erfolgt ist, wovon ich jedoch ausgehe. Ihr Partner behält fürs erste das Sorgerecht, es sei denn der Vorwurf der Verführung eines Minderjährigen kann erhärtet werde. In diesem Falle würde es Mr. Und Mrs. Peterson als im Testament Zweitgenannten zufallen.“
 

„Wie… wie lange dauert sowas?“ presste Justin hervor.
 

„Kommt drauf an. Sie müssen eine festgeschriebene Anzahl von Sitzungen, gesetzt in Relation zu den erhobenen Vorwürfen, bei einem psychologischen Gutachter unserer Behörde absolvieren, dann müssen das Gutachten geschrieben und akzeptiert werden. Dazu können desweiteren Befragungen der an den Vorfällen Beteiligten eingefordert werden. Schwer zu sagen, wie lange das in Anspruch nehmen wird, hängt vom Verlauf der Untersuchung ab. Selbst, wenn alles glatt läuft, sollten Sie mit mindestens vier Wochen rechnen.“
 

Vier Wochen!
 

„Und was passiert“, fragte Brian, „wenn das Gutachten negativ ausfällt?“
 

Aber er kannte die Antwort bereits.
 

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„Fährst du in den Urlaub?“ fragte Gus erstaunt.
 

Brian schluckte, während er Kleidung in Koffer räumte. „Für eine Weile“, antwortete er nur.
 

„Aber wozu brauchst du so viele Sachen?“ fragte Gus irritiert.
 

Brian schloss die Augen. Er fühlte sich innerlich wie gelähmt. Lügen? Nein, das würde die Sache nur noch schlimmer machen.
 

„Irgendjemand hat behauptet, dass ich mich nicht gut um dich kümmere“, sagte er schließlich, seine Hosen zusammenfaltend.
 

„Nein!“ schrie Gus auf, ließ Mr. George fallen und kam auf ihn zugerannt. Ehe Brian sich versah, hatte Gus seine Beine umklammert, drückte sich an ihn und starrte zu ihm hinauf. „Nein! Du darfst nicht weg! Bitte, Papa! Nein!“
 

„Gus…“, murmelte Brian hilflos, beugte sich herab und schlang sich, so sehr er es vermochte, um seinen Sohn.
 

„Papa, nein!“ jammerte Gus und krallte sich an ihn. „Das darfst du nicht tun! Du darfst nicht weg gehen, bitte! Nein! Papa!“ Gus begann haltlos zu weinen.
 

Brian war danach, einfach mit zu heulen. „Gus, ich muss das tun. Justin bleibt bei dir, okay? Und ich mache alles, alles, ich verspreche dir, damit ich so schnell es geht, wieder zurück zu dir darf, ja? Ich tue alles! Alles! Ich verspreche es dir! Es wird alles gut! Bitte, Gus…“
 

„Aber warum?“ schluchzte Gus.
 

„Ich weiß es nicht. Irgendein böser Mensch hat das getan…“, versuchte es Brian kindgerecht zu erklären.
 

„Der lügt! Der lügt doch! Du bist der beste Papa!“ Brian hatte das Gefühl, dass Gus kurz davor stand, ihm die Haare auszureißen, in die er sich geklammert hatte.
 

„Natürlich lügt der!“ sagte er beschwichtigend.
 

„Aber warum musst du dann weg!“ schniefte Gus am ganzen Körper zitternd.
 

„Weil es leider Leute gibt, die ihm glauben wollen. Ich muss denen zeigen, dass sie sich irren“, antwortete Brian, während das Bedürfnis los zu schluchzen immer stärker wurde.
 

„Ich sag es ihnen! Ich sag es ihnen, Papa!“ beteuerte Gus.
 

„Das machst du. Und ich. Und Justin. Wir bekommen das wieder hin, hörst du? Sei brav und hör auf Justin, ja?“
 

Gus hörte einfach nicht auf zu weinen, während Brian ihn weiter wiegte.
 

Ich bring ihn oder sie um.
 

Wer auch immer das getan hatte.
 

Ich ersäufe diese Person im eigenen Blut.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………..………………………
 

Sie standen an der Haustür, nach langen Mühen hatten sie Gus dazu gebracht einzuschlafen. Er wälzte sich unruhig in den mit kleinen Eisenbahnlokomotiven bedruckten Bezügen. Brian hatte neben ihm gelegen, ihm immer und immer wieder beteuert, dass er nicht fort wolle, dass er wiederkommen werde.
 

Er konnte nicht daran denken, was würde, wenn nicht.
 

Justins Gesicht war bleich, in seinen Augen schien das Feuer ungebändigter Wut zu glühen. Schweigend half er Brian, sein Gepäck in das Auto zu räumen.
 

Der Januar hatte noch mehr Schnee gebracht, einige der kahlen Büsche an der Grundstücksgrenze waren kaum noch auszumachen.
 

„Ich komme dich Morgen bei Kinnetic besuchen.“
 

„Gus kann jetzt nicht in den Kindergarten…“
 

„Ich weiß. Debbie kocht ein Familienessen im Hause Novotny-Bruckner. Ich fahre mit ihm hin und komme dann kurz rüber.“
 

„Scheiße.“
 

„Es macht mir auch Schiss. Was ist, wenn er denkt, dass ich jetzt auch verschwinde? Ich erkläre es ihm. Und fahre dann schnell zurück.“
 

„Du musst mich nicht besuchen.“
 

„Vergiss es.“
 

Brian lehnte sich, fröstelnd in seinen Mantel gehüllt, gegen die Seite der Corvette und zündete sich eine Zigarette an. Justin nahm sie ihm aus den Fingern und zog daran. Im Licht der Frontbeleuchtung glänzten die inzwischen steinhart überfrorenen Weihnachtshasen.
 

Justin räusperte sich: „Das, was du Gus gesagt hast, stimmt. Du kommst bald nach Hause. Es wird gut.“
 

„Können wir nicht wissen.“
 

„Hat das je einen Unterschied gemacht?“
 

Nein, hatte es nicht. Sie hatten trotzdem weiter gekämpft.
 

„Welches abartige Riesenarschloch hat das verbrochen?“ fragte Justin zum wiederholten Male.
 

„Klein Plan. Meine Mutter? Niemals, es geht um Gus. John? Glaube ich auch nicht, zu raffiniert. Claire? Viel zu schlapp. Dein Vater? Unwahrscheinlich, es sei denn, er ist jetzt chronisch auf Droge. Ein Missverständnis oder Versehen? Niemand bringt so etwas mal so eben vor.“
 

„Das Ganze ist so… persönlich“, meinte Justin und vergrub die Hände in den Taschen. „Hat wer noch eine Rechnung mit uns offen?“
 

„Bestimmt. Aber so? Das trifft ja nicht nur mich oder dich – sondern uns und ganz besonders Gus. Ich zermartere mir das Hirn darüber, wer überhaupt von den ganzen Geschichten weiß? Kaum einer alles. Und die, die es wissen, würden niemals…“
 

Justin grub nachdenklich die Zehenspitze in den Schnee.
 

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Die schwere Eisentür glitt auf.
 

Brian trat ein und ließ seine Koffer auf den Boden fallen.
 

Die Luft war kalt und abgestanden. Die Putzfrau kam zwar noch, aber hier lebte schon lange niemand mehr. Nur die Erinnerung.
 

Er war da.
 

Aber nicht zuhause.
 

Er drehte den Warmwasserboiler und die Heizung an, aber es würde dauern, bis man hier wieder im T-Shirt durch die Gegend spazieren würde können.
 

Er bezog das Bett, räumte seine Waschsachen ins Bad – eine kleine Auswahl – und hängte seine Anzüge in den Schrank. Da hatten sie immer gehangen. Jetzt wieder.
 

Die Küche war leer, Justin hatte alle brauchbaren Utensilien annektiert. Fernseher und Stereoanlage waren auch nicht mehr hier.
 

Er versuchte sich an die Nummer des Thai-Lieferservice zu erinnern.
 

Es war still.
 

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„Novotny-Bruckner.“
 

„Mikey? Hier ist Brian.“
 

Schweigen in der Leitung. „Was soll das werden, Smalltalk? Darf ich jetzt etwa aus meinem Schäm-Eckchen wieder heraus kommen oder was?“ fragte Michael schließlich.
 

„Nein…“, sagte Brian.
 

Michael lauschte mit zusammen gekniffenen Augen. Dann sagte er: „Was ist los?“
 

„Kannst du rüber kommen?“ fragte Brian nur.
 

„Jetzt?“ fragte Michael verblüfft. „Die Straßen sind überfroren, da brauche ich fast eine Stunde bis nach Green Tree. Und Jenny muss ins Bett…“
 

„Ich bin im Loft. Ist Ben nicht da?“
 

Bei Michael schrillten die Alarmglocken: „Was ist los, Brian? Hast du dich mit Justin gezofft?“
 

„Nein!“
 

„Ich komme rüber.“
 

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Die Spongebob-Nachtleuchte grinste ihn übertrieben heiter an. Ansonsten war es dunkel im Haus, draußen heulte der kalte Winterwind in den Ästen. Gus lag zusammen gerollt in seinen Armen.
 

Justin schloss die Augen, immer wieder sanft über den kleinen Körper streichelnd.
 

Gus roch so gut.
 

Er konnte einfach nicht einschlafen.
 

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Die Tür zum Loft war nicht abgeschlossen.
 

Zuerst dachte Michael, Brian habe es sich anders überlegt und habe wortlos das Weite gesucht.
 

Dann entdeckte er ihn.
 

Brian lag auf der Couch, eine hell beige Decke über sich gezogen und starrte ins Leere.
 

Vor ihm standen die Reste eines Thai-Imbisses und eine angebrochene Flasche Whiskey.
 

Rasch eilte Michael zu ihm hinüber. „Scheiße, Brian, was ist hier los!“
 

Brian blickte hoch zu ihm, ein gestelltes Lächeln spannte seine Züge: „Ich feiere!“
 

„Bist du irre geworden? Was, bitte schön, feierst du!“
 

„Meine Ernennung zum Perversen den Monats – ach was, des Jahres. Drück mir die Daumen, vielleicht schaffe ich auch den Preis für den des Jahrzehnts oder Jahrhunderts oder Jahrtausends!“
 

„Brian! Was zum Teufel ist mit dir los?“ stotterte Michael entsetzt.
 

Brian rappelte sich hoch und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. „Sieh mich an, Mikey. Da siehst du jemanden, dem man kein Kind anvertrauen kann. Nicht einmal das eigene.“
 

„Oh Gott, Brian!“ stieß Michael aus und ließ sich neben seinen alten Freund in die Polster fallen. „Was ist passiert? Was in Gottes Namen ist passiert?“
 

„Ich darf nicht mit ihm sprechen. Nicht in seine Nähe kommen“, sagte Brian nur und legte den Kopf in den Nacken. Er atmete schwer.
 

„Wem? Brian, um Himmels willen, sag doch endlich, was hier los ist!“
 

Brian drehte den Kopf zu ihm. Seine Augen glänzten durch den Whiskey: „Gus. Ich darf nicht zu Gus. Ich darf nicht…“ Er begann Laute von sich zu geben, in denen sich ein hässliches Gelächter mit einem abgrundtiefen Keuchen mischte.
 

Michael rutschte näher und schlang seine Arme um die widerstrebenden Schultern. Brian fiel schwer gegen ihn, nur sein Atem verriet, dass er noch da war. Michael streichelte ihn hilflos.
 

„Wer?“ flüsterte er. „Wer will dir Gus weg nehmen?“
 

„Ich weiß nicht. Wenn ich’s wenigstens wüsste. Dann wüsste ich wenigstens gegen wen… Irgendwer hat anonym Meldung gemacht. Anzeige wegen sexueller Nötigung am Arbeitsplatz, Anzeige wegen Kindesmissbrauchs, Verführung Minderjähriger… So jemand kann doch kein Vater sein, nein nein…“
 

Michaels Unterkiefer fiel fassungslos herab: „Aber das ist doch Blödsinn! Das ist doch alles fallengelassen worden! Und du hast nie jemanden zu irgendetwas gezwungen. Hattest du doch auch gar nicht nötig! Und selbst wenn, hättest du es nicht gemacht. Und Verführung Minderjähriger… Justin?“
 

Brian murmelte zustimmend.
 

„Himmel, der hatte doch ein Schild an die Stirn getackert: Nimm mich! Wer hat da bitteschön wen… Und deswegen ist doch keiner zur Polizei gerannt, oder? Mal abgesehen davon, dass du ihn schlussendlich geheiratet hast!“
 

„Ja genau, das hat dann einen ehrbaren Jungen aus ihm gemacht!“ sagte Brian und begann humorlos zu lachen, während er erneut zur Whiskey-Flasche griff.
 

„Stell dich nicht dumm! Aber das zwischen euch ist wohl kaum nur ein kleiner Fick!“
 

Brian ließ ihn los und streckte sich erneut nach hinten: „Klein sowieso nicht.“
 

„Also zieh dir gefälligst den Schuh nicht an! Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob da nicht auch dein Gesöff aus dir spricht. Hast du eine Ahnung, wer dich angeschwärzt hat?“
 

Brian schüttelte den Kopf. Er studierte das Etikett der Flasche, bevor er erneut trank. „Gus“, sagte er schließlich stattdessen. „Hast du eine Ahnung, was das Gus antut? Seine Mütter sind weg! Ich bin weg!“
 

Michael konnte ihn nur tonlos anstarren. „Ist Justin bei ihm?“
 

Brian nickte. „Aber nur, solange sie nicht beschließen, dass er die von mir geschändete Unschuld ist.“
 

„Das ist doch Wahnsinn! Das können die doch nicht machen!“ entfuhr es Michael.
 

„Und ob die können. Wir werden geduldet bestenfalls, mehr nicht“, meinte Brian bitter und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
 

„Nein, Brian, es gibt auch andere…“
 

„Aber die haben momentan wohl weniger das Sagen, befürchte ich. Wir marschieren wieder zurück in die Steinzeit, das Fähnchen moralischer Überlegenheit vor uns her schwenkend. Und die Welt hasst uns dafür. Wir sind im Krieg, schon vergessen? Da brauchen wir keine Freiheit mehr. Und Anderssein stört. Halte die Fresse, sonst bist du dran.“
 

„Nein, das…“
 

„Ist so.“
 

„Willst du das etwa hinnehmen?“
 

Brian schaute ihm unergründlich ins Gesicht, dann schüttelte er den Kopf.
 

Michael rückte wieder näher und schlang seinen Arm um Brians Schultern: „Siehst du. So bist du doch. Du lässt dich von diesen Arschlöchern nicht klein kriegen. Du bist doch… Rage.“
 

Brians Körper bebte, als würde er lachen. Aber er lachte nicht. Er weinte regungslos.
 

„Ich bin nicht Rage“, sagte er. „Ich will nach Hause. Auch wenn ich sie dafür alle fertig machen muss.“
 

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„Mrs. Kinney?“
 

„Bitte?“
 

„Ich bin Mrs. Gregory und dies ist mein Partner Mr. Jennox, wir sind vom Jugend- und Sozialamt.“
 

Joan starrte sie ohne zu zwinkern an. „Ja und?“
 

„Können wir reinkommen, bitte?“
 

„Ich wüsste nicht, wieso.“
 

„Es geht um ihren Sohn, Mr. Brian Aidan Taylor-Kinney.“
 

„Was ist mit ihm?“
 

„Können wir das bitte drinnen besprechen?“
 

„Wenn es sein muss. Kommen Sie rein.“
 

Joan ließ sie ein und führte sie auf direktem Wege ins Wohnzimmer. Die beiden setzten sich, ohne dass sie es ihnen angeboten hätte. Aber das wäre auch nicht geschehen.
 

Joan platzierte sich in ihren Lesesessel und sagte kein Wort.
 

„Also, Mr. Kinney… Sie hatten vor ein paar Jahre Anzeige gegen ihren Sohn erhoben, weil er ihren Neffen missbraucht habe.“
 

„Das habe ich“, sagte Joan ungerührt, „aber es war ein Fehler.“
 

„Könnten Sie uns das bitte genauer erläutern?“
 

„Warum bitte sollte ich? Die Anzeige wurde zurück gezogen.“
 

„Wir führen eine Untersuchung durch, die beleuchten soll, ob ihr Sohn als Sorgeberechtigter für Gus Peterson, jetzt Gus Taylor-Kinney, geeignet ist. Vorwürfe wie die des Kindesmissbrauchs wiegen da schwer.“
 

„Was soll das bitte heißen?“
 

„Es liegt eine anonyme Anschuldigung vor, die auf Delikte seinerseits hinweisen, die ihn als Schutzbefohlenen für seinen Sohn diskreditieren.“
 

„Anonym? Feigheit! Und dem rennen Sie nach?“
 

„Das müssen wir. Wir müssen sicher stellen, dass für Gus Wohlergehen gesorgt ist.“
 

„Schön“, sagte Joan, „das muss ich auch. Ich habe mich damals geirrt. John, mein Enkel, hat damals gelogen. Die Anschuldigung war haltlos. Mein Sohn hat sich an keinem Kind vergriffen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Was ist mit Gus?“
 

„Das Sorgerecht ihres Sohnes ist augenblicklich außer Kraft gesetzt, bis wir die Lage geklärt haben.“
 

Joan blickte sie scharf an: „Wie bitte?“
 

„Ihr Sohn ist aktuell nicht Gus‘ Erziehungsberechtigter und darf ihm weder nahe kommen noch mit ihm kommunizieren.“
 

„Wer kümmert sich um meinen Enkel?“
 

„Der Partner Ihres Sohnes, Mr. …“
 

„Justin.“
 

„Ja, äh, genau.“
 

„Sie haben meinem Enkel dem Vater und meinem Sohn das Kind fort genommen, weil irgend so eine feige… Missgeburt ihn beschuldigt hat?“
 

„Hinweise dieser Art müssen wir ernst nehmen!“
 

„Das tue ich auch. Sie ahnen gar nicht wie sehr.“
 

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Ted folgte Brians Bewegungen aus dem Augenwinkel. Sie hatten heute Morgen eine wichtige Vertragsbesprechung mit einer Boutique-Kette aus New Jersey, für die sie schon eine Weile arbeiteten.
 

Brians Bewegungen wirkten fahrig. Er sah aus, als habe er einen Kater. Ted hatte ihn schon ewig nicht mehr in einem derart erkennbaren angeschlagenen Zustand gesehen.
 

Sobald das Meeting begann, war Brian wie ausgewechselt, strahlte, wand sich dynamisch, überzog die Anwesenden mit seiner einschmeichelnden Rhetorik. Aber Ted konnte ihm die Anstrengung dahinter ansehen, wenn sie auch niemand sonst bemerkte.
 

Kaum waren alle aus dem Konferenzraum, biss Brian in einen seiner Äpfel und sank erschöpft in seinen luxeriös gepolsterten Lederstuhl.
 

„Brian? Alles okay?“ fragte Ted.
 

Brian schaute durch ihn hindurch. „Ja, könnte kaum besser sein, Theodore.“
 

Er blätterte gedankenversunken in seiner Aktenmappe.
 

Cynthia trat ein. „Justin ist da“, sagte sie, „er wartet in deinem Büro auf dich.“
 

Brian sprang auf.
 

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Er wusste nicht, wie er da hin gekommen war, aber Justin hing an seinem Hals und fühlte sich, trotz der leichten schmelzenden Schneeschichte auf seinen Haaren, warm an.
 

Er sagte nichts, er stand nur da, die Arme um Brian geworfen.
 

„Alles okay…?“ flüsterte Brian.
 

Justin schluckte. „Wie sollte das sein? Ich tue mein Bestes. Aber es geht ihm nicht gut.“
 

Brians Gesichtsmuskeln zuckten: „Sag ihm… sag ihm, dass ich ihn lieb habe, okay?“
 

„Mache ich“, würgte Justin hervor. „Aber was ist mit dir?“
 

Brian versuchte mit den Schultern zu zucken. „Geht schon. Ich mache Druck, meine Termine beim Psycho-Doc möglichst fix zu bekommen. Hätte nie gedacht, dass ich mal dermaßen scharf darauf sein könnte, mich auf die Couch zu legen.“
 

„Du gehörst auch nicht auf die Couch. Die gehören das!“
 

„Das sieht die Welt anscheinend entschieden anders. Außerdem wird das nicht einfach werden. Ich habe John nicht betatscht. Und ich habe auch diesen Typen bei der Arbeit nicht erpresst. Aber dich gefickt habe ich schon.“
 

„Ich weiß. Und den Typen bei der Arbeit… Kipp?... den hast nicht du, sondern ich erpresst.“
 

„Wie bitte?“ fragte Brian verständnislos.
 

„Ich habe ihn abgeschleppt und ihm den Vorschlag unterbreitet, dich doch lieber in Ruhe zu lassen. Sonst würde mein böser Papi kommen und ihn alle machen, weil ich ja sowas von minderjährig war.“
 

Brian starrte ihn sprachlos an: „Du… warst das?“
 

„Ja, aber das ist Schnee von gestern. Und du hast mich gefickt, als ich noch minderjährig war. Aber kann das wer beweisen?“
 

„Michael hat es mehr oder minder mit bekommen, aber der schweigt wie ein Grab. Ted und Emmet sind nicht so blöde, was zu sagen, auch wenn sie streng genommen nur vermuten können. Debbie, auch nicht, obwohl sie durch die Wand einiges mitbekommen haben dürfte. Man muss nur aufpassen, dass sie keine Reden über das Recht auf Sex für minderjährige Schwule hält… Der halbe Darkroom? Die hatten besseres zu tun, da erinnert sich kein Schwein mehr klar dran. Deine Eltern…?“
 

„Meine Mutter sagt nichts, obwohl es ihr damals ziemlich gestunken hat. Mein Vater…?“
 

„Rede mit ihm! Ich glaube nicht, dass er uns ans Messer liefern will, aber er hat es auch immer noch nicht völlig verdaut. Nicht dass er die Dildo-Geschichte wieder aufwärmt!“
 

„Also ich würde sie bei Gelegenheit gerne wieder aufwärmen…“
 

„Kann ich mir vorstellen – du versautes Stück! Super, da werfen sie mir Übles vor und übersehen völlig, was für eine Schlampe du genau genommen bist!“
 

Justin grinste zum ersten Mal seit einigen Tagen breit: „Aber ich bin deine Schlampe. Und ich kann auch nichts dafür, dass alle mich immer für die Unschuld vom Lande halten.“
 

„Die, die dich kennen, garantiert nicht… Haben wir wen übersehen?“
 

„Niemand, der was Entscheidendes weiß oder ein Plappermäulchen ist, glaube ich. Daphne sagt auch kein Wort, sie ist schließlich nicht blöde nur schwanger.“
 

„Sie hat es dir gesagt?“
 

„Ja. Was? Dir auch?“
 

„Ja. Aber ich durfte nicht petzen.“
 

„Schon schräg. Sie wollte mir nicht mal sagen, wer der glückliche Vater ist.“
 

„Sie wird schon wissen, warum. Wenn wir es wissen sollen, wird sie sich schon melden. Und jetzt…“
 

Brian schnappte ihn und drückte seinen Mund auf Justins, der vor Überraschung nur mit den Armen rudern konnte.
 

„Küss mich“, flüsterte Justin schließlich heiser. „Küss mich!“
 

Brian sog alles in sich hinein, gab ihm Lippen und Zunge und Zähne.
 

Justin musste zurück zu Gus. Ihnen blieb keine Zeit. Und er würde heute Abend wieder im Loft sein
 

Allein.
 

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Justin stand in seinem Atelier im Dachgeschoss. Die Geschäfte liefen blendend. Nächste Woche würde ein neuer Artikel über sein Schaffen in einem international gelesenen Kunstmagazin erscheinen. Die New Yorker Regionalzeitschriften hatten mehrere kurze, aber überaus positive Berichte über ihn verfasst. Er war ein gut vermarkteter Geheimtipp, dank des Managements von Katlin‘s. Da würde er sich bald auch mal wieder blicken lassen müssen.
 

Gus ließ lustlos seine Spielzeugeisenbahn über den Boden tuckern.
 

Innerlich fühlte er sich genauso deprimiert wie der kleine Junge. Und wütend. Maßlos wütend. Er schnappte nach Luft und explodierte auf die Leinwand.
 

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Brian lag im Halbschlaf und suchte nach der vertrauten Haut.
 

Aber da war nichts.
 

Nur kaltes Kissen.
 

Es roch nach nichts, nur Staub, kein Justin.
 

Wie sollte man da denn bitte vernünftig schlafen?
 

Konnte er schon nicht mehr richtig schlafen ohne…?
 

Er dachte an die Zeit auf der Couch bei Kinnetic. Das Bett war leer gewesen und nicht zu füllen, und Justin hatte in seinen Träumen geduftet.
 

Nach was eigentlich?
 

War das irgend so ein Atavismus? Justins bescheuerter Körpergeruch hatte ihn von Anfang an halb wahnsinnig gemacht.
 

Nichts und niemand roch wie er.
 

Und Gus…
 

Er könnte seinen Kindergeruch aus einer Million Sechsjähriger heraus erkennen, da war er sich sicher.
 

Er krallte sich in sein Kissen.
 

Gus und Justin schliefen nur ein paar Kilometer entfernt von ihm.
 

Es waren Lichtjahre.

Ermittlungen

II. Ermittlungen
 

„Mr. Taylor?“
 

Craig musste sich bemühen, seine Kinnlade oben zu behalten. Vor seiner Haustür stand, in einen graublauen Wintermantel gehüllt, Joan Kinney. Er schüttelte sich Innerlich und besann sich auf seine Manieren.
 

„Mrs. Kinney? Möchten Sie… möchten Sie reinkommen?“
 

„Ja, gerne. Danke“, sagte sie und schritt an ihm vorbei. Sie blieb ruhig stehen, damit er ihr den Mantel abnehmen konnte.
 

„Kann ich Ihnen etwas anbieten?“ fragte er, immer noch völlig ratlos, was ihm diesen unverhofften Besuch beschert hatte. Justins Schwiegermutter. Oder was auch immer.
 

Mrs. Kinney schüttelte ablehnend den Kopf, während sie ihren Blick über die Inneneinrichtung gleiten ließ. Nicht billig, vieles hatte er selbst montiert oder entworfen. Eine Putzfrau kümmerte sich um einen steten Glanz.
 

„Setzen wir uns doch“, schlug Craig etwas hilflos vor und wies ihr den Weg ins Wohnzimmer. Sie nickte stumm und folgte ihm. Ihre flachen Absätze klapperten auf dem Steinboden.
 

Craig bot ihr den Sessel an, sie ließ sich hoheitsvoll nieder, den Blick aus ihren eisgrauen, wimpernumkränzten Augen fest auf ihn gerichtet.
 

„Haben Sie das getan?“ fragte sie übergangslos.
 

Craig konnte sie nur anstarren. Seine Augenbrauen zogen sich unwillkürlich zusammen. „Was meinen Sie?“
 

„Haben Sie meinen Sohn denunziert?“ sagte sie seelenruhig.
 

Craig spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. „Wie bitte?“ sagte er scharf.
 

„Haben Sie dem Jugend- und Sozialamt unterbreitet, dass mein Sohn ein Sexualstraftäter sein könnte?“
 

Craig spuckte fast seinen Drink wieder aus, den er sich vorsichtshalber selbst kredenzt hatte. „Geht es Ihnen nicht gut, Mrs. Kinney?“ sagte er nicht weniger eisig.
 

Sie behielt ihn weiter scharf im Blick. „Sie waren doch auch nicht gerade begeistert über die… Beziehung, die unsere beiden Söhne pflegen.“
 

„Nein“, antwortete Craig, „ich fand es ganz und gar nicht amüsant, dass Ihr Sohn meinen damals siebzehnjährigen Sohn verführt und Weiß-der-Himmel-was mit ihm angestellt hat.“
 

„Justin ist nicht wehrlos. Wer sagt, dass es so herum war? Ich will es gar nicht wissen. Haben Sie das den Leuten im Amt erzählt? Anonym?“
 

„Nein! Habe ich nicht. Das ist Vergangenheit. Meine Begeisterung hält sich zwar in Grenzen – wie die Ihre, nehme ich an. Aber es ist, wie es ist.“ antwortete Craig bestimmt.
 

„Wer war es dann?“ fragte sie. Ihr Kiefer zuckte. Man konnte ihre einstige Schönheit immer noch nachglühen sehen. Es war jedoch eine Art von Schönheit, die Craig nicht anzog. Eine Skulptur, die niemals lächelte.
 

„Mrs. Kinney“, hob er an, „was fragen Sie mich hier eigentlich?“
 

Joan musterte ihn mit unergründlichem Blick. „Irgendeine kleine Seele hat meinem Sohn Missbrauch und die Verführung Minderjähriger unterstellt. Sie haben ihm das Sorgerecht für Gus vorübergehend entzogen.“
 

Craig schnappte nach Luft. Brian… Kinder? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Justin würde nie mit jemandem…
 

„Das… das wusste ich nicht“, stammelte er.
 

„Jetzt wissen Sie es“, erwiderte Joan nur.
 

„Und… was nun?“ fragte er.
 

„Ihr Sohn hat momentan das alleinige Sorgerecht für meinen Enkel. Sie sind sein Großvater, gewissermaßen. Helfen Sie Ihnen.“
 

Craig nickte atemlos. Der kleine Junge… oh Gott.
 

„Hat Brian Justin verführt, als er noch minderjährig war?“ fragte Mrs. Kinney ihn.
 

Craig sah sie lange an, dann sagte er: „Nein. Gewiss nicht.“
 

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„Es tut mir leid, Mr. Taylor-Kinney“, sagte Mr. Harris. „Gesetz ist Gesetz. Das Jugend- und Sozialamt hat das volle Recht, es auf diese Weise gegen Sie geltend zu machen. Es tut mir so leid für Sie. Sie haben so vieles getan für Ihren Sohn. Alles was wir tun könnten, wäre eine Klage wegen Diskriminierung anzustrengen. Aber davon rate ich vorerst ab. Nur im äußersten Falle. Sie könnten schlafende Dämonen wecken.“
 

Brian sah seinen Anwalt mit leerem Blick an.
 

Das war ja klar gewesen.
 

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„Justin? Aber Gus sollte doch erst Morgen zu uns…?“ entfuhr es Nathalie Peterson irritiert, als der junge Mann in ihren Eingangsflur trat.
 

„Gus ist auch nicht hier“, sagte er bestimmt. „Aber ich bin es.“
 

Nathalie musterte ihn erstaunt: „Ist irgendetwas vorgefallen? Oh Gott, ist Gus etwas passiert?“
 

„Physisch nein. Ansonsten ja“, antwortete er kurz angebunden.
 

Sie sah ihn an. Seine etwas überlangen Haare standen in alle Richtungen, dass man ihm am liebsten einen Lutscher gereicht hätte. Aber der Blick unter den Ponyfransen sprach, wie gewohnt, eine ganz andere Sprache. Den Lutscher würde er jedoch vermutlich dennoch verputzen. Es war etwas Neues darin…. Wut?
 

„Was… was ist los?“ fragte sie, während er seine Jacke an der Garderobe aufhängte und die blauen Sneakers abstreifte.
 

„Irgendwer hat Brian angeschwärzt“, sagte er. „Hat ihn als Erpresser und Kinderschänder denunziert. Sie haben ihm vorübergehend das Sorgerecht entzogen.“
 

Nathalies Mund öffnete sich, ohne dass sie ihn wieder hätte schließen können. Justins Blick hing stahlblau an ihr.
 

Sie räusperte sich: „Davon… davon weiß ich nichts!“
 

„Wirklich?“ hakte Justin gnadenlos nach.
 

Sie fühlte gleichfalls einen gerechten Zorn in sich aufsteigen. „Ja, wirklich! Wenn wir etwas vorzubringen hätten, würden wir das geradeaus tun, darauf können Sie sich verlassen! Hätten wir das tun sollen? Ist Ihr Mann ein Erpresser? Ein Kinderschänder?“
 

„Nein!“ Justin brüllte beinahe.
 

„Da haben sie es. Lindsay mag zwar einige Entscheidungen getroffen haben, die uns nicht ganz eingeleuchtet haben. Aber eine solche Person zum Vater ihres Kindes zu machen – niemals! Das hätte sie gewusst! Und Gus ist nicht der Sohn eines… was immer ihm unterstellt werden mag!“
 

„Es würde Ihnen zum Vorteil gereichen“, sagte Justin lauernd. „Sie wollten doch das Sorgerecht?“
 

„Ja. Aber nicht so. Gus wollte zu Ihnen. Wir konnten ihn nicht zu uns holen auf Kosten seines… Glücks. Nicht nach dem, was passiert ist.“
 

„Jetzt passiert es wieder. Er verliert seinen Vater.“
 

„Und Sie?“
 

„Ich habe das alleinige Sorgerecht – noch. Sie werfen Brian vor, mich als Minderjährigen… verführt zu haben. Wenn das bestätigt wird, dann war es das.“
 

„Wie wollen die das tun?“
 

„Befragungen. Brian braucht ein psychologisches Gutachten.“
 

Nathalie überlegte. Dann sagte sie: „Vanessa.“
 

„Was?“ fragte Justin irritiert.
 

„Meine Freundin Vanessa. Sie ist Psychologin mit eigener Praxis. Sie kann Brian unterweisen, wie er sich am besten verkaufen sollte.“
 

„Im Sich-verkaufen ist er nicht ganz unbeleckt“, meinte Justin, aber seine Augen glänzten interessiert.
 

„Sicherlich. Aber er hat keine Psychologie studiert, oder?“
 

„Nein…?“
 

„Ich gebe Ihnen die Adresse und sage ihr Bescheid. Er soll sie schnellstmöglich anrufen.“
 

„Danke…“, erwiderte Justin. „Warum machen Sie das?“ hängte er hintenan und bohrte seinen Blick in Nathalies.
 

„Für Gus. Ganz einfach. Und weil ich es ein Unding finde, dass Ihr Mann, Gus Vater, so einfach vorgeführt werden kann. Wo leben wir hier eigentlich? Nein, so geht das nicht! Nicht mit uns!“
 

Justin schaute sie unter halb gesenkten Lidern an. Dann nahm er ihre Karte entgegen.
 

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Ted starrte auf Brians Schreibtisch. Dort, neben dem Telefon, wo andere Leute ihr obligatorisches Familienbild deponierten, lag eine herzförmige Tonplatte mit dem Abdruck einer Kinderhand. Sie passte so gar nicht zu den harten, klaren Linien und den kalten Tönen des Raums.
 

Aber Ted wusste, dass sie das einzige Unersetzliche hier war.
 

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„Die sind ja irre geworden!“ tobte Debbie. „Brian ist ein guter Mensch! Ein liebevoller Vater! Er mag zwar ganz schön durch die Gegend gefickt haben – aber so etwas! Das sind alles Lügen!“
 

„Bis auf die Sache mit Justin…“, warf Michael vorsichtig ein.
 

„Na und! Justin war schließlich nicht zwölf. Körperlich war er erwachsen! Und geistig-emotional – nun, da war wohl eher Brian der Minderjährige!“
 

„Das darf nicht rauskommen!“ fuhr Michael ihr ins Wort. Zumindest versuchte er es.
 

„Was?!“ Debbie starrte ihn, immer noch wütend glitzernd, an.
 

„Dass er ihn gepoppt hat, als er noch nicht achtzehn war“, stellte Michael klar.
 

„Aber das war sein gutes Recht! Justins meine ich! Brian hat ihn doch zu nichts gezwungen! Und mit siebzehn, fast achtzehn, ist man doch kein Kleinkind mehr!“ protestierte Debbie.
 

„Mag in Justins Fall stimmen. Aber den Jugendschutz gibt es auch nicht völlig ohne Grund. Und die Typen vom Jugend- und Sozialamt schauen auf die Paragrafen. Und die sind Gesetz. Sie dürfen es nicht erfahren“, schärfte Michael seiner Mutter ein.
 

„Jeder Mensch hat ein Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität…“, warf sie entgegen.
 

„Sicher. Aber Kinder nicht. Da geht der Schutz vor. Und vor dem Gesetz war Justin noch ein Kind“, beharrte Michael.
 

„Ein Kind mit Haaren auf den Zähnen, das Brian Kinney erledigt hat. Gibt es eigentlich auch ein Gesetz zum Schutz fast dreißigjähriger Sexsüchtiger mit Peter-Pan-Syndrom? Dann sollten sie Mr. Taylor-Kinney Junior lieber einknasten!“ regte Debbie sich auf.
 

„Mama… wirklich“, sagte Michael und rollte die Augen entnervt zusammen. „Es geht hier nicht ums Prinzip. Sondern ums Überleben. Brian verliert das Sorgerecht, wenn du solche Reden schwingst, falls die dich fragen. Also um Himmels willen lass es!“
 

Debbie atmete scharf ein. Dann entgegnete sie: „Jaja, schon gut. Aber die haben wirklich keine Ahnung von Brian und Justin.“
 

„Müssen sie auch nicht – und wollen sie auch nicht. Alles, was wir tun können, ist, die Klappe zu halten und ihr Loblied zu singen.“
 

„Aber es stinkt mir dennoch gewaltig, sie als keusche Händchenhalter darzustellen. Das waren sie nicht! Das sind sie nicht!“
 

„Mama, das interessiert die nicht! Das wollen die nicht wissen! Die wollen sehen, dass Brian ein braver Familien-Papa ist und nicht, dass er was auch immer für wüsten Sex mit Justin hat oder hatte!“
 

„Das schließt sich doch nicht aus!“
 

„Nach deren Auffassung schon.“
 

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„Hi, Jenn.“
 

„Hi, Craig.“
 

Sie schwiegen beide.
 

Dann räusperte sich Craig. „Weißt du das mit Brian?“
 

„Ja“, sagte Jennifer, „was für ein Elend.“
 

„Ich habe nichts damit zu tun!“
 

„Das habe ich auch nicht unterstellt.“
 

Sie schwiegen erneut.
 

„Kannst du dir vorstellen“, flüsterte schließlich Jennifer, „was das für sie bedeutet? Und vor allem für ihr Kind?“
 

Craig schloss gequält die Augen: „Ist das der Preis…?“
 

„Nein!“ schoss es aus Jennifer. „Nein! Es gibt nichts, wofür sie bezahlen müssten! Bekomm das endlich in deinen Kopf!“
 

„Ich… ich tue mein Bestes. Aber was sollen wir…?“
 

„Was können wir denn tun?“
 

„Lügen“, sagte Craig zaghaft.
 

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Justin lag auf dem Rücken. Gus lag an ihn geschmiegt an der Stelle, wo sonst sein Vater lag.
 

Er hatte ihn im Kindergarten entschuldigt. Er war den ganzen Tag um ihn.
 

Aber es reichte nicht.
 

Er war nur die Hälfte.
 

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„Hey, Kinney, schon keinen Bock mehr aufs Eheglück?“
 

„Halt‘ die Fresse, Brandon!“ entfuhr es Brian einfach nur kalt, als er sich auf einen Sitz am Tresen des Diner fallen ließ.
 

Er fühlte die abschätzenden Blicke, die über seinen Körper glitten. Am liebsten hätte er um sich geschlagen.
 

„Brian, Schatz!“ sagte Debbie und legte die wohlmanikürte Hand gegen seine Wange. Ein Teil von ihm wollte gegen diese Bezeichnung den Aufstand proben. Ein anderer Teil war einfach nur dankbar.
 

„Hi, Debb“, murmelte er und studierte die Speisekarte.
 

Debbie schaute ihn geduldig an. Eigentlich wollte er nichts. Außer vielleicht Justins… Nein. „Ich nehme das Omelette mit Tomaten, aber bitte ohne Eigelb, als Beilage einen Salat und eine Cola light.“ Die Fresserei über Weihnachten gekoppelt mit seiner Verletzung hatte etwas zu Buche geschlagen.
 

„Pommes?“
 

Brian schaute sie strafend an.
 

„Schon klar“, seufzte Debbie und gab die Bestellung weiter. Sie sagte Kikky Bescheid, dass Sie jetzt eine Pause einzulegen gedenke und setzte sich neben Brian.
 

„Wie geht es Dir, Junge?“ sagte sie ruhig und ergriff seine Schulter.
 

Brian zog den Mund zu einer Linie und spannte die Schultern an. „Wie soll’s mir gehen?“
 

„Du weißt, dass das Scheiße ist? Das niemand, der auch nur drei Hirnzellen hat, das glauben könnte? Oder daran zweifeln, dass du Gus ein guter Vater bist?“
 

Brian neigte den Kopf und vertiefte sich in seine in den Tresen gekrallten Fingerspitzen.
 

„Nein, nein, nein, Brian. Deine eigenen Eltern mögen keine leuchtenden Vorbilder gewesen sein. Aber so etwas ist nicht erblich!“
 

Brian nickte stumm.
 

Debbie schlang ihren Arm um ihn: „Du liebst sie doch, alle beide oder?“
 

Brian schaute sie an, konnte aber nichts sagen.
 

„Sie sind deine Familie. Du bist für sie verantwortlich, da mag kommen, wer will. Und sie sind für dich verantwortlich. Und Justin weiß das doch auch. Er würde dich niemals im Stich lassen, nicht nach all dem, durch das ihr gegangen seid! Und Gus braucht dich!“
 

„Ich weiß“, würgte Brian hervor.
 

„Na, dann handele auch danach! Lass diese Arschlöcher nicht gewinnen!“ sagte Debbie bestimmt.
 

Brian schüttelte den Kopf.
 

„Na, Ehefrust?“ höhnte Brandon von hinten.
 

„Halt deine verdammte Fresse, Brandon!“ brüllten sie gleichzeitig.
 

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Justin saß zusammen gesunken auf der Couch im Wohnzimmer Novotny-Bruckner.
 

Gus war oben bei seiner Schwester und spielte, auf das kleine Mädchen einredend, neben ihrem Bettchen auf dem Boden mit Michaels Actionfiguren. Mochte er seine Sorgen ein wenig an das Ohr seiner Schwester los werden, auch wenn sie noch nicht verstand.
 

Ben schaute ihn besorgte an.
 

„Kommt ihr klar?“
 

Justin nickte mit zusammen gepressten Lippen.
 

„Du weißt, wenn ihr Hilfe…“
 

„Ja, ich weiß“, sagte er gepresst.
 

„Es ist so schlimm für Gus…“
 

„Und für Brian!“
 

„Und für dich.“
 

Justin schlug die Augen nieder. Seine Hände lagen zusammen gekrampft auf seinen Schenkeln.
 

„Es war so schwer… für Gus. Für Brian“, stieß er heiser hervor.
 

Ben nickte bedächtig.
 

„Und wenn sie jetzt… wie soll das gehen? Vielleicht übersteht es Gus irgendwie, wenn er zu den Petersons kommt, aber nicht unbeschadet. Aber Brian nicht. Das kann er nicht…“ Justin würgte.
 

Ben griff beruhigend nach seiner Schulter. Er fühlte, dass der junge Mann am ganzen Körper angespannt war. „Nein, Justin. Das wird nicht passieren. Okay? Ihr bekommt das hin!“
 

Justin schloss die Augen und ließ sich hintenüber in die Polster fallen: „Ja, oh Gott, ja. Bitte. – Bitte.“
 

Ben tätschelte ihn vorsichtig.
 

„Wir haben doch alles gemacht!“ stieß Justin hervor. „Wie kann das sein? Wer macht sowas!?“ Sein Körper wölbte sich. Ben sah, wie die zarten Züge des Jüngeren sich verzerrten.
 

„Warum?“ keuchte Justin. „Warum? Warum, warum, warum?“
 

„Justin…“, versuchte es Ben vorsichtig. Er sah, wie über Justins Gesicht Tränen wanderten, von einem gelegentlichen Seufzer angetrieben, der gegen jeglichen Willen aufstieg.
 

„Ist ja gut“, versuchte er zu trösten.
 

„Nein“, stieß Justin hervor, „gar nichts ist gut!“
 

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„Justin….?“ Sie sprach den Namen langsam und gedehnt aus. Sie hatten sich darauf geeinigt.
 

„Mrs. … - Joan?“ erwiderte der junge Mann tonlos.
 

Sie saßen im Wohnzimmer des Landhauses, das plötzlich viel zu groß erschien.
 

„Hat Brian das getan?“ fragte sie ihn.
 

Er lachte humorlos. „Nein. Er hat niemanden erpresst. Niemanden genötigt. Und niemanden verführt, der das nicht genauso wollte.“
 

Joan hielt ihre Hände miteinander verklammert. „Aber wer… wer hat das behauptet?“
 

„Ich weiß es nicht!“ flüsterte Justin. „Es könnte jeder sein.“
 

„Wie meinst… du… das?“ Justin schlug seine Augen zu ihr auf. So blau… wie Seen… dachte sie. Warum musste er nur ein Mann sein? Das hätte so ein hübsches Baby gegeben. Aber damit war wohl nichts.
 

„Ich weiß es einfach nicht! Wer macht sowas? Und warum? Aus Rache? Aber wer?“
 

„Es gibt mehr als eine Todsünde“, bemerkte Joan. „Was ist mit Eifersucht? Neid?“
 

„Wer weiß“, meinte Justin düster und zog die Knie bis ans Kinn. „Alles ist möglich.“
 

„Brauchst du Hilfe?“
 

Sie sah, wie Justin ansetzte, ablehnend den Kopf zu schütteln.“Du musst dich um alles kümmern“, versetzte sie. „Gus. Den Hausstand. Deine Arbeit. Brian.“
 

Justin sank etwas zusammen.
 

„Ich bin da. Das Haus hat so viele Räume. Gibt es ein Gästezimmer?“
 

Justin nickte, sie musternd.
 

„Gut. Richte es für mich her.“
 

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Brian saß in seinem Büro.
 

Was machte er eigentlich hier?
 

Die Frage hatte sich nie gestellt.
 

Er nahm Gus Weihnachtsgeschenk in die Hände und drehte es vorsichtig zwischen den Fingerspitzen.
 

Cynthia öffnete die Tür. „Mr. Whinefourt ist da für eure Besprechung.“
 

Brian nickte und legte die kleine Tonscheibe wieder sorgsam auf die Tischplatte.
 

Er stand auf, um den anderen Mann angemessen zu begrüßen.
 

Lance kam lächelnd hinein getreten und schüttelte ihm die Hand. Ein attraktiver Mann, aber damit war er durch. Rumficken war erledigt. Er war spitz wie Nachbars Lumpi – aber garantiert nicht auf Lance. Und Druckabbau kam nicht infrage. Nicht weil er Justins Eifersucht fürchtete. Dazu hatte er keinen Anlass, es gab nur ihn, wenn es darauf ankam, dass hatte er ihm schon vor langer Zeit klarzumachen versucht. Und das schloss damals Fremdpoppen nicht aus. Aber er konnte das nicht mehr. Er wollte das nicht mehr. Und was, wenn er krank würde, egal, wie gering er das Risiko halten würde? Es an Justin weitergeben würde? Und was würde aus Gus? Niemals. Er hatte sich entschieden, aus tiefster Seele.
 

„Lance!“ grüßte er strahlend, hielt aber beim Händeschütteln eine professionelle Distanz.
 

„Brian!“ lächelte der andere und trat einen Schritt auf ihn zu, dem er geschickt Richtung Besprechungssofa entglitt.
 

Brian setzte sich in so lockerer Haltung wie möglich in einen der Sessel, während Lance inmitten des Sofas Platz nahm.
 

Oh Gott, ich habe so viel Wichtigeres zu tun… Aber der Rubel müsste rollen. Was würde sonst aus ihnen werden, aus Ted, Cynthia und all den anderen? Und was sollte er sonst machen? Im Loft hocken und die Wand anstarren?
 

„Schön, dass Sie so kurzfristig für mich Zeit finden konnten…“ begann Lance.
 

Brian winkte ab. „Für Sie doch immer gerne!“ behauptete er.
 

„Das freut mich! Da hat doch unser gemeinsames Dinner eine erfreuliche Nähe erbracht, nicht wahr?“ lächelte Lance.
 

„Auf jeden Fall! Ein wunderbarer Abend!“ log Brian routiniert.
 

„In der Tat! Das Carpaccio war vorzüglich! Wie geht es ihrem Mann?“
 

Brians Unterlippe zuckte leicht. „Ausgezeichnet! Seine Arbeiten werden auf breiter Basis ausgesprochen positiv besprochen! Er kann sich vor Nachfragen kaum retten!“
 

„Das freut mich zu hören. Er scheint sehr begabt zu sein“, erwiderte Lance höflich.
 

„Das ist er“, bestätigte Brian, der ein leichtes zufriedenes Surren in sich spürte.
 

„Ja, diese Künstler. Ich war auch längere Zeit mit einem Zeichner liiert, Grafiker auf hohem Niveau. Faszinierend, aber man bekommt selten Einlass in ihre Welt.“
 

Brian verzog den Mund. Justins Gemälde – und neuerdings auch Plastiken – waren unglaublich. Es entzog sich ihm, woher Justin das nahm. Und er war sich auch nicht sicher, ob Justin das selber wusste. Es war, als würde etwas Fremdes, ein Tier in ihm, plötzlich an die Oberfläche drängen und die Herrschaft übernehmen. Er hatte Justin dabei beobachtet. Es war atemberaubend, und es wuchs.
 

„Wem sagen Sie das!“ seufzte Brian, sich wieder auf die Ebene seines Gesprächspartners zurück begebend.
 

Lance lachte, ein heiteres, sympathisches Lachen. „Weswegen ich eigentlich hier bin“, hakte er ein. „Ich würde Sie gerne für die Kanada-Kampagne engagieren. Und – halten Sie sich fest – damit meine ich auch Kanada. Ganz Kanada. Nicht bloß der Süden. Und danach eventuell eine Komplettkampagne für die Staaten. Was sagen Sie?“
 

„Das… das wäre großartig Lance!“ stellte Brian fest. Internationales Business. Da hatte er immer hin gewollt. Aber jetzt…?
 

„Für die Kanada-Kampagne müssten Sie wahrscheinlich eine Weile rüber. Aber das muss für Sie kein Nachteil sein. Sie könnten eine Zweigfiliale in Toronto errichten, wir würden sie unterstützen.“
 

Verdammte Scheiße. Das wäre sein Durchbruch. Davon hatte er immer geträumt. International. Filialen in Städten auch außerhalb der USA. Verdammt, warum gerade jetzt? Vor wenigen Monaten hätte er nicht eine Sekunde gezögert. Aber er konnte hier nicht weg. Wenn seine Familie ihn absicherte, ihm den Freiraum anbot – dann vielleicht, obwohl es schwer sein würde. Aber so, mitten in der Schlacht? Dagegen erschien ihm Lance Angebot wie ein feuchter Furz im Wind.
 

„Ich werde darüber nachdenken, Lance“, sagte er nonchalant.
 

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Justin ließ die schwere Rolltür ins Schloss rasten.
 

Brian saß an seinem Laptop und musterte ihn ohne zu blinzeln durch seine Lesebrille.
 

Kaum war das letzte Grollen verklungen, nestelte Justin bereits an seinem Gürtel. Sein Blick haftete regungslos an Brians, während er die Schließe öffnete.
 

Ohne einen Laut zog er sich die Hose über die Hüften und wandte sich um, Brian den Blick auf seine wohlgerundetem Hinterbacken gewährend. Mit einer Hand zog er sie verheißungsvoll auseinander, trat einen Schritt vor und beugte sich über die Küchentheke.
 

Brian war binnen eines Herzschlages bei ihm, die Brille von sich werfend und an den Knöpfen seiner Jeans reißend. Er fuhr mit den Fingern zwischen Justins Rundungen und ertastete, dass er vorbereitet war.
 

Justin wand sich tief hinab und zuckte kurz aufwärts, ihm deutlich machend, dass er willkommen sei.
 

In Brians Hirn brannte irgendetwas durch.
 

Er stürzte sich auf Justin. Keine Raffinesse. Keine Verführung. Kein Spiel. Nur hinein… hinein…
 

Justins Hände krallten sich in seine Oberarme und hinterließen blaue Flecken, als er ihn auf sich zerrte. Brians Zähne versenkten sich in seinem Nacken. Haben… haben… jetzt… alles… Keine Bremse. Es war alles egal. Keine Gedanke mehr, keine Kontrolle, gar nichts.
 

Er presst Justins Körper mit aller Gewalt hinab, zog seinen Kopf an den Haaren zurück und riss ihn sich entgegen. Justin strampelte und keuchte, schrie heiser auf und spornte ihn weiter an, bis Brian nur noch Körper war, nur noch Instinkt, kochende Lava und eine weltenvernichtende Eruption.
 

Schnaufend kam der Ältere mit dem Kopf auf Justins Schulterblatt langsam wieder zu sich. Ihm war, als sei er ohnmächtig gewesen oder an einem Ort, der eigentlich gar nicht existierte. Justins Körper unter ihm bebte noch leicht nach.
 

„Himmel, Justin“, flüsterte er. „Habe ich dir weh getan?“ Er selbst fühlte die Abdrücke von Justins Griff auf den Armen.
 

„Ein bisschen“, murmelte Justin. „Aber manchmal gehört das einfach dazu“, fuhr er fort, Brians einstige Lektion zitierend.
 

Brian blieb auf ihm liegen und schloss die Augen. Seine Hand suchte erneut Justins Haar, um es jetzt sanft zwischen den Fingern hindurch gleiten zu lassen. Was war das denn gewesen? Waren ihm jetzt sämtliche Sicherungen durchgebrannt, Justin in Grund und Boden zu rammen wie den allerletzten Trick? Aber nein, das war es nicht. Er hatte sich niemals auf diese Art und Weise über einen seiner Gelegenheitsficks hergemacht, hatte niemals die Kontrolle verloren. Und Justin war es gewesen, der hier den Startschuss gegeben hatte.
 

Justins Arm reckte sich nach hinten, seine Hand fuhr streichelnd über Brians jetzt hypersensiblen Körper, der diese Berührung aufsaugte wie ein Verdurstender Wasser aus einer frischen Quelle. Vorsichtig wand sich der Jüngere, wälzte sich herum und zog Brian erneut auf sich, der sich einfach auf ihn fallen ließ, in Justins Wärme, Justins Geruch und das Gefühl der streichelnden Hände überall.
 

Später kamen sie wieder auf die Beine. Die unbequeme Theke hatte Druckstellen hinterlassen, die sie nicht bemerkt hatten.
 

Justin hopste auf und nieder, während er seine verhedderte Hose an sich hochzuziehen versuchte. Sie traten hinüber zur Couch und setzten sich nebeneinander. Es war schwer zu sprechen, aber sie mussten.
 

„Meldest du dich bei dieser Vanessa?“ fragte Justin.
 

Brian nickte gequält und starrte auf die Visitenkarte, die Nathalie für ihn mitgegeben hatte. „Ist wohl besser so. Die Sache mit den Anzeigen macht mir nicht die größten Kopfschmerzen. Aber das andere… da werde ich lügen müssen, dass sich die Balken biegen.“
 

„Ja. Scheiße“, meinte Justin nur.
 

„Kommst du klar?“ fragte Brian.
 

„Geht schon. Deine Mutter marschiert vorübergehend ein, um uns zu helfen.“
 

„Wie bitte?“
 

„Ich kann mir auch Schöneres vorstellen. Aber es ist… vernünftig.“
 

„Ein weiteres Magengeschwür meinerseits, das sich androht“, murmelte Brian. Aber es war wahr, Justin musste jetzt vieles alleine auf die Reihe bekommen, das sie sich vorher geteilt hatten, ganz abgesehen von dem ganzen anderen Dreck. Und sie hatte ihn in Teile dieser ganzen Scheiße mit hinein geritten, da sollte sie ruhig ein wenig ranklotzen. Dennoch grollte es noch immer in ihm, wenn er an die helfende Hand seiner Mutter dachte.
 

„Ich habe ein geschäftliches Angebot“, sagte Brian schließlich.
 

„Was?“ fragte Justin und sah ihn aufmerksam an.
 

„Matratzen-Lance bietet Kinnetic zwei Riesenkampagnen für Kanada und die USA an, inklusive der Möglichkeit zu expandieren.“
 

„Das… das ist toll, Brian. Endlich mal gute Neuigkeiten!“
 

„Ja, ganz super“, sagte Brian und studierte seine Zehenspitzen. „Aber wie soll das gehen?“
 

„Wir bekommen das hin, egal was, hörst du? Wenn du es willst…?“
 

„Der ewige Optimist. Vielleicht will ich es ja gar nicht.“
 

„Das musst du wissen. Aber war es nicht immer dein Traum? Die große Bühne, raus aus dem Froschteich Pitts? Lass dir das von dieser miesen Sorgerechts-Sache um Himmels Willen nicht versauen!“
 

„Mache ich nicht. Garantiert nicht. Aber ich muss… drüber nachdenken.“
 

„Sicher. Aber keine Opfer, nicht wahr?“
 

„Nein. Bestimmt nicht.“
 

Justin rutschte wieder näher und schlang den Arm um Brians Schultern. Brian schloss erneut die Augen.
 

„Sie waren es alle nicht“, sagte Justin schließlich.
 

„Ich weiß“, meinte Brian. „Hätte mich auch gewundert. Bringt auch nichts, sich den Kopf darüber zu zermartern. Könnte sonst wer sein. An die Informationen mit den Anzeigen und so kann man, wenn man es wirklich darauf anlegt, kommen. Vielleicht finden wir raus, wer es war. Dann garantiere ich für gar nichts. Vielleicht auch nicht. Hauptsache wir bekommen das hin. Selbst wenn wir wüssten wer, würde es nichts ändern, die Sache rollt brav auf den von Vater Staat gedachten Bahnen. Diesen Wagen an zu schupsen ist nun mal kein Verbrechen.“
 

„Für mich ist es das schon. Und wer garantiert uns, dass das eine einmalige Sache war? Dass nicht ständig… wieder etwas kommen könnte von demjenigen…“
 

„Kann man nie wissen. Irre gibt es überall, und sie wachsen leider ständig nach. Ich sehe erst mal zu, dass ich diesen Psycho-Kram hinter mich bringe, und du amüsierst dich mit meiner lieben Mama und hältst den Laden am Laufen.“
 

„Ay, Sir. Ich habe noch etwas für dich. Von Gus.“
 

Brians Gesicht verzog sich.
 

Gus hatte ihm George, das Plüschmeerschweinchen, geschickt.

Ich brauche keinen Psychologen, ich habe ein Schwein

III. Ich brauche keinen Psychologen, ich habe ein Schwein
 

„Mr. Taylor-Kinney? Kommen Sie doch rein, ich bin Dr. Vanessa Arsten, Nathalies Freundin.“
 

Brian schüttelte der Frau die Hand. Sie war ausgesprochen hochgewachsen, ragte fast bis zu ihm hinauf, und trug ihr hellblondes Haar streng nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden. An ihren Ohren klingelten überdimensionierte Ohrringe, die ein wenig wie Gardinenquasten aussahen, auf der Nase trug sie eine elegante Brille mit tiefschwarzem Rahmen. Sommersprossen zeichneten sich auf der bleichen Haut ab, was ihr etwas unfreiwillig Kindliches gab, obgleich sie gewiss die Fünfzig schon überschritten hatte. Ihre Praxis war funktional mit ein paar Akzenten ins betont Heimelige eingerichtet, wohl um die armen Irren zu beruhigen, die ihr hier jeden Tag auf den Ohren lagen. Und unter die er sich jetzt fröhlich einreihen durfte. Dabei war dies hier nur das Vorgeplänkel, der richtige Spaß ging erst Morgen bei seiner ersten offiziellen Sitzung beim zuständigen Gutachter des Sozial- und Jugendamtes los.
 

Sie bat ihn in ihr Praxiszimmer. Erleichtert stellte Brian fest, dass hier weit und breit keine Couch zu sehen war. Die Funktion übernahm eine Sitzecke, die wohl eine gewisse familiäre Atmosphäre verbreiten sollte. Dort ließen sie sich nieder.
 

„Also, Mr. Taylor-Kinney, Nathalie hat mir von ihrer misslichen Lage berichtet. Ich spreche hier heute nicht nur als eine Ärztin – die selbstverständlich der Schweigepflicht untersteht – zu Ihnen, sondern auch als eine Freundin der Familie. Das heiß jedoch nicht, dass ich ihnen völlig vorbehaltlos helfen kann. Ich werde – und darf – Sie nichts ans Messer liefern. Aber ich bin nicht bereit, Sie zu unterstützen, wenn die gegen Sie erhobenen Vorwürfe der Wahrheit entsprechen, und ich so das Wohl von Nathalies Enkelsohn aufs Spiel setzten würde. Das ist die Schattenseite davon, dass sich hier Professionelles und Persönliches mischen.“
 

„Das verstehe ich“, sagte Brian.
 

„Gut. Im Falle des Falles würde ich Sie dann an einen Kollegen überweisen, der Sie rein professionell betreuen würde. Das sei aber nur voran gestellt. Bevor ich Sie auf die Gespräche mit dem Gutachter vorbereite muss ich sowieso die Grundvoraussetzungen kennen. Erzählen Sie mir bitte von Ihrer Warte aus, was von den an Sie gerichteten Vorwürfen zu halten ist.“
 

Brian spannte die Muskeln an und setzte sich aufrecht hin. Da musste er jetzt durch. Es gab so Vieles, was ihn aktuell aufregte und es widerstrebte ihm zutiefst, dieses Gespräch führen zu müssen. Aber was half es. Diese Frau konnte seine Rettung bedeuten. Und nicht nur seine. Also raus damit, sie war ein Profi. Er räusperte sich: „Beide gegen mich gerichteten Anklagen beruhten auf falschen Voraussetzungen oder Annahmen. Und beide sind dementsprechend zurück gezogen worden. Die erste Anzeige wegen Nötigung basierte auf einer Retourkutsche eines Mitarbeiters, der sich in meiner ehemaligen Firma hoch zu schlafen gedachte, was ich ihm jedoch verwehrt habe. Die Beine breit zu machen ist keine Leistung – und nur wer Leistung bringt, wird befördert.“
 

„Aber Sie hatten Sex mit diesem Mann?“ bohrte sie nach.
 

„Ja“, sagte er. „Einvernehmlich. Ich habe ihm nie in Aussicht gestellt, ihn deswegen weiter zu bevorzugen, auch wenn er sich das anscheinend erhofft hatte.“
 

„Er hätte mit dieser Klage dennoch durchaus Erfolg haben können, wenn er behauptet hätte, sie hätten ihm eine Bevorzugung suggeriert. Warum wurde sie zurück gezogen?“
 

Brian seufzte: „Habe ich mich auch lange gefragt. Offensichtlich hatte Justin das zu verantworten. Er hat ihn abgeschleppt und ihm gedroht, da er minderjährig sei. Was er zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr war.“
 

„Sie waren parallel zu Ihrer Affäre bereits mit ihm liiert?“
 

Brian stöhnte innerlich: „Nein, eigentlich nicht. Eine Affäre hatte ich mit diesem Typen auch nicht, ich habe ihn einmal flach gelegt, das war’s. Und sexuelle Exklusivität war damals noch kein Thema zwischen Justin und mir, genauso wenig wie eine Beziehung.“
 

„Kommen wir darauf später zurück. Was ist mit der zweiten Anzeige?“
 

„Meine Schwester Claire hat ihre missratenen Brut, meinen Neffen John, bei mir abgeladen. Das liebenswerte Kerlchen hat mich dann ziemlich frech beklaut, und ich habe es bemerkt. Er wurde derart rotzfrech, dass ich ausgerastet bin.“
 

„Haben Sie ihn geschlagen?“
 

„Nein. Er hat mich getreten und mich beschimpft und ich habe seine Nase im Klo versenkt.“
 

„Hat sich Derartiges jemals wiederholt?“
 

„Sie wollen wissen, ob ich zu Gewaltausbrüchen neige? Da muss ich Sie leider enttäuschen.“
 

„Sie wurden jedoch wegen Missbrauchs angezeigt.“
 

„Ja, von meiner eigenen Mutter.“
 

„Aber Sie haben Ihren Neffen nicht missbraucht?“
 

„Außer als Klobürste? Nein. Aber meine Mutter hatte gerade erst heraus bekommen, dass ich schwul bin und hat sich fürchterlich darüber aufgeregt. Das hat sich Klein-John zu Nutze gemacht und – zack – war ich ein Kinderschänder.“
 

„Weil Ihre Mutter Homosexualität mit Perversion gleichgesetzt hat?“
 

„Da ist sie anscheinend nicht die Einzige.“
 

„Auch diese Klage wurde zurück gezogen?“
 

„Ja. Wieder Justin. Diesmal aber mit dem Hammer des Gesetzes“, sagte er nur.
 

„Ihr Partner scheint ja recht umtriebig zu sein, wenn es um Sie geht.“
 

„Nicht nur da.“
 

„Gut, schauen wir uns diese Sache dann Mal an. Haben Sie eine sexuelle Beziehung mit ihm unterhalten, als er noch nicht volljährig war?“
 

Brian verzog keine Wimper: „Ja.“
 

„Waren Sie sich dessen bewusst?“
 

„Ja.“
 

„Fühlten Sie sich wegen seines jugendlichen Alters zu ihm hingezogen?“
 

„Nein. Mir war es lediglich egal.“
 

„Gab es ähnlich geartete Interaktionen mit anderen jungen Männern dieser Art?“
 

Brian dachte nach: „Nein. Eigentlich glich er in Nichts dem, was ich sonst bevorzugte.“
 

„Und das wäre?“
 

„Dunkelhaarig. Athletisch. Älter.“
 

„Er war also eine Ausnahme?“
 

„In jeder Hinsicht, könnte man sagen, ja.“
 

„Und was hat Sie dazu bewogen, dennoch eine Affäre mit ihm zu beginnen?“
 

Schon wieder dieses Affären-Wort. Aber irgendwie kam es ja auch hin. „Er, vermute ich“, sagte Brian dann.
 

„Erklären Sie das.“
 

„Er hat einfach nicht locker gelassen. Er war eigentlich ein One Night Stand. Eine Nacht unverbindlicher Spaß, und dann zieht man seiner Wege. So waren die Spielregeln. Aber er hat sich nicht daran gehalten, sondern klebte plötzlich an mir dran wie eine verdammte Klette.“
 

„Sie hätten ihn abweisen können.“
 

„Ich hab’s versucht.“
 

„Offensichtlich nicht sonderlich erfolgreich.“
 

„Wohl nicht.“
 

„Warum nicht?“
 

„Keine Ahnung! Erklären Sie es mir, Sie sind doch hier die Frau Doktor! Aber garantiert nicht, weil ich auf kleine Jungs stehe!“
 

„Es war also weniger seine Physis als – etwas anderes – was Sie an ihm interessiert hat?“
 

„Dass es mir bloß um seine inneren Werte gegangen wäre, wäre jetzt auch gelogen.“
 

„Aber es war schon mehr als bloß sein Aussehen?“
 

„Ja…“
 

„War es für Sie auch von Interesse, dass Sie als der Ältere eine solche Beziehung dominieren konnten?“
 

Brian starrte sie an, dann begann er zu lachen: „Witziger Gedanke.“
 

„Was ist daran so komisch?“
 

„Justin dominieren… Das klappt vielleicht drei Sekunden lang. Oder wenn es ihm in den Kram passt. Haben Sie schon mal versucht, einen Sack voller Affen unter Kontrolle zu halten? So ungefähr dürfen Sie sich das vorstellen.“
 

„Es ging Ihnen also nicht um ein Abhängigkeitsverhältnis?“
 

„Um Gottes willen – nein! Eine solche Beziehung wäre für mich nicht von Interesse.“
 

„Trotz des Altersunterschiedes sehen Sie Ihre Beziehung zueinander also nicht hierarisch?“
 

Brian schüttelte nur den Kopf: „Nein. Das wäre doch sterbenslangweilig.“
 

Sie nickte und sagte abschließend: „Gut.“
 

Brian atmete tief durch. Das war der Probedurchlauf gewesen, ohne Netz und doppelten Boden. Er fühlte sich wie beim Zahnarzt. Gebohrt hatte sie. Jetzt kam die Füllung.
 

„Nun, Mr.Taylor-Kinney“, hob Sie langsam an. „Ich kann Ihnen nicht raten zu lügen. Ich kann Ihnen nur sagen, welche Aspekte Sie hervorheben und welche eher… vernachlässigen sollten.“
 

Brian schaute sie aufmerksam an.
 

„Der Gutachter wird sich bestimmte Schlüsselbegriffe notieren, die üblicherweise im Abschlussbericht landen und das Fazit begründen. Gut sind: gleichberechtigte Partnerschaft, verantwortungsbewusstes Verhalten – auch in sexueller Hinsicht, emotional reife Liebesbeziehung, gemeinsame Entschlussfindung, Priorität ihres Sohnes in ihrem Leben, selbstkritischer Umgang mit den eigenen Versäumnissen, konsequentes Handeln, stabiles familiäres Umfeld.
 

Sie sollten tunlichst alles meiden, was folgende Worte auf das Papier ruft: promiskes Verhalten, Tendenz zu gewalttätigen Ausbrüchen, sexuelle Attraktion zu Heranwachsenden, Fokussierung auf Abhängigkeitsverhältnisse, emotionale Labilität, zynische oder misanthrope Lebensgrundhaltung, Narzissmus, Konzentration auf eigene Bedürfnissen zuungunsten anderer, mangelnde Empathie. Und jetzt erzählen Sie mir die ganzen Geschichten noch einmal. Ich werde Fragen stellen und mir Notizen machen. Und dann erstelle ich Ihnen ein mündliches Gutachten. Dann gehen wir jede ihrer Formulierungen durch und mag sie noch so harmlos klingen, der Teufel steckt oft im Detail. Und dann fangen wir noch mal an. Und ich werde noch mehr fragen und noch mehr aufschreiben. Und ich werde gemein werden. Und dann noch einmal, nur schlimmer. Und noch einmal. Solange, bis auf der Minusseite nichts mehr steht. Und dann werden Sie überlegen, ob man diesen Abschlussbericht durch extern zugängliche Informationen noch zum Wanken bringen könnte.“
 

„Okay…“
 

„Mr. Taylor-Kinney, Sie wurden bereits zweimal wegen sexuell motivierter Delikte angezeigt…“
 

Stunden vergingen.
 

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Als Brian zurück ins Loft stolperte, die Nacht hatte strengen Frost gebracht, dem seine Prada-Slipper nicht gerade trotzten, saß Justin auf der Couch. Er hatte das Gefühl, ein Tanklastzug sei mehrfach genüsslich über sein Innenleben gebraust. Oder ein altägyptischer Mumifizierer hätte ihm bei lebendigem Leibe das Hirn durch die Nase heraus gezogen. Aber er wusste, was Morgen zu tun sein würde. Die Frau war gut. Am liebsten hätte er sich jetzt einen – oder mehrere - Whiskey hinein gelötet, damit sich die Welt in leichtes Wohlgefallen auflösen würde. Aber er konnte sich jetzt keinen Kater ansaufen, der ihn nachhaltig lähmen würde.
 

Er schmiss seinen Mantel in die Garderobe, warf die völlig durchgeweichten Schuhe hinter sich, die zu Eiszapfen gefrorenen Zehen krümmend, und trat hinüber zu Justin. An der Stelle seines alten Plasmafernsehers, der jetzt daheim im Wohnzimmer vornehmlich der Wiedegabe von Zeichentrickfilmen diente, stand ein kleiner, etwas abgewrackter Röhrenbildschirm, an dem, recht unfotogen, ein DVD-Player angeschlossen war.
 

Er warf sich neben Justin auf das Sofa, das dieser beinahe von der Sitzfläche hoch katapultiert wurde, und ließ sich ächzend gegen ihn fallen.
 

„Himmel, bist Du kalt, kauf dir mal ordentliche Klamotten, wir haben hier kein Klima wie in Bella Italia… Komm her…“
 

Justin wickelte sich wärmend um ihn, griff nach Brians Fuß und begann die tauben Zehen zu reiben. Noch nie hatte ihm jemand seine kalten Füße aufgewärmt. Noch nie hatte jemand… so vieles. Außer Justin. Brian entspannte seinen Körper und ließ zu, dass sein Mann ihm wieder Wärme in die Knochen jagte. „Klamotten kaufen“, murmelte er, „ist immer gut.“
 

„Gibt es von Armani nicht auch so einen dicken, mit Daunen gefütterten Steppmantel?“ fragte Justin in sein klirrendes Ohr.
 

„Darin sehe ich aus wie eine graue Wurst!“
 

„Du siehst schön aus darin. Warm und warm und warm und warm“, flüsterte Justin zurück.
 

„Du manipulativer Schleimer!“ erwiderte Brian.
 

Justin lachte leise auf und strich durch sein schneefeuchtes Haar.
 

„Wie geht’s Gus?“ fragte er.
 

Ohne hinschauen zu müssen, wusste er, dass Justins Züge sich verdüsterten.
 

„Nicht gerade wunderbar. Ich überschütte ihn mit Zuneigung und erzählen ihm von morgens bis abends, wie sehr sein Papa ihn vermisst.“
 

„Das stimmt ja auch“, sagte Brian gedrückt.
 

„Ich weiß. Mehr als ich in Worten ausdrücken kann.“
 

„Wer ist bei ihm?“
 

„Deine Mutter. Sie hat Quartier im Gästezimmer bezogen.“
 

„Oh weh… wenn sie wüsste, dass dort Deine Eltern…“, er schlug den Kiefer zu. Aber es war zu spät.
 

„Brian?“ kam von Justin in einem sehr merkwürdigen Tonfall.
 

„Ja…?“
 

„Ich habe mir das nicht bloß im Drogenrausch eingebildet, nicht wahr?“
 

„Nein, wohl nicht.“
 

„Scheiße!!! Warum hast du mir das nicht gesagt!“
 

„Ich hab es deiner Mutter versprochen. Mist.“
 

„Aber ich bin dein Mann!“
 

„Na und? Hat sie etwa kein Recht auf Sex? Und du hast ziemlich deutlich klar gemacht, dass eine derartige Erkenntnis deine Potenz für immer in den Abgrund reißen werde. Das konnte ich nun wirklich nicht befürworten.“
 

„Aber mit… Papa!!!“
 

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten – aber rate Mal, wie du auf die Welt gekommen bist.“
 

„Igitt! Mich hat der Klapperstorch gebracht!“
 

„Bestimmt nicht. Den hättest du in Cranberry-Soße mariniert und aufgefressen.“
 

„Schmeckt Storch?“
 

„Wenn du kochst, schmeckt selbst Stinktier.“
 

„Ja“, sagte Justin mit einem gemeinen Grinsen, das Zentner von Brians Seele zu heben schien, „das habe ich eingehend bewiesen.“
 

Brian zog ihn an sich und drückte ihm einen Kuss auf die Augenbraue. „Du verkraftest das… mit deinen Eltern?“
 

„Die Erinnerung ist dank des Dopes ziemlich verschwommen. Ich werde es überleben.“
 

„Hauptsache dein Schwanz überlebt das!“
 

„Du bist so rührend… Wie war‘s beim Psycho-Coaching?“
 

„Superklasse. Ich bin ein so edles Exemplar der menschlichen Spezies. Ich liebe meine Familie! Ich bin immer ehrlich, aufrecht und auf den Weltfrieden bedacht! Und ich ficke keine minderjährigen Twinks in Flanellhemden!“
 

„Das will ich auch schwer hoffen!“
 

„Damit warst du gemeint.“
 

„Ich hatte kein Flanellhemd an!“
 

„Sowas von!“
 

„Seit wann stehst du auf Typen in Lesbentracht?“
 

„Meine weiche Seite… Weil du auch in einem Kartoffelsack heiß gewesen wärst?“
 

„Manchmal bist du echt süß.“
 

„Jaja, jetzt wartest du doch nur darauf, dass ich mich wegen „süß“ aufrege, oder? Vergiss es, du bist durchschaut! Finde mich doch süß! Mir doch egal! Da steh ich drüber!“ sagte Brian und seine Augen glänzten befreit.
 

„Süß!“ hauchte Justin enervierend. „Süß! Süß! Süß! Zuckersüß! So niedlich!“
 

„Nix da, für niedlich bist du zuständig!“
 

„Ich bin nicht niedlich!“
 

„Nein, überhaupt nicht… blondes Wuschelhaar, ganz zufällig ein wenig auf Halbmast, Stupsnäschen, blaue Unschuldsaugen, mit denen du rumkullerst, Teint wie Porzellanpüppchen… ich würde es ja fast glauben, wenn ich dich leider nicht so gut kennen würde. Da drin“, sagte Brian und legte ihm eine Hand vor die Brust, „bist du nicht niedlich.“
 

Justin beugte sich zu ihm: „Was dann? Was bin ich dann?“
 

„Wie Bambi mit einer Kettensäge“, sagte Brian Im Tonfall höchster Aufrichtigkeit.
 

„Wie schmeichelhaft.“
 

„Wie der weiße Hai, gespielt von Meg Ryan!“
 

„Ich platze fast vor Begeisterung.“
 

„Wie Clint Eastwood in einem Bollywood-Musical.”
 

Justin lachte laut auf. Trotz der ganzen Scheiße. Er lachte.
 

Und Brian konnte nicht anders. Für einen kurzen Moment fiel alles von ihm ab.
 

Justin beugte sich zu ihm herab. „Du Blödmann“, flüsterte er in Brians Haar. „Du Blödmann.“
 

Brian fasste es als Kompliment auf.
 

„Was soll eigentlich dieser ganze Retro-Fernseh-Scheiß hier?“ fragte er.
 

„Ich hab‘ nen Film mit gebracht.“
 

„Was denn? Das Texas-Kettensägenmassaker? Danach wäre mir jetzt.“
 

„Nicht ganz, aber fast.“
 

„Was dann?“ fragte Brian neugierig.
 

„Dirty Dancing“, sagte Justin.
 

Einige Dinge starben nie.
 

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„Justin?“
 

„Ja?“
 

„Nimm doch bitte deine Füße vom Sofa.“
 

Ein Teil von ihm wollte explodieren. Das hier war sein verschissenes Zuhause. Wenn er seine Füße aufs Sofa legen wollte, dann wollte er das gefälligst auch tun! Aber das da war Brians Mutter. Die ihm einen ordentlichen Schaden verpasst hatte.
 

Stumm setzte er seine Füße zu Boden und lehnte sich wieder an. Im Fernsehen lief eine Reportage über den Gebrauch von Landminen. Joan hatte das Programm genau durchforstet, Kreuze neben den Sendungen gemacht, die infrage kamen. Keine seichte Unterhaltung. Das kam ihr nicht ins Haus. Auch nicht in sein Haus.
 

Zugegebenermaßen war Joan eine große Hilfe. Mit absoluter Disziplin hielt sie den Hausstand auf Vordermann. Justin befürchtete, dass die Putzfrau ein mittleres Traume erlitten haben dürfte, als Joan sie sich ihr vorgeknöpft hatte. Aber seitdem war es in der Tat alles ein wenig sauberer noch. Gus wurde mit scharfem Blicke umsorgt und gepflegt. Aber es war nicht maschinell. Joan liebte ihren kleinen Enkel wirklich, das hatte Justin begriffen. Und Gus kam ihr mit einer kindlichen Freundlichkeit und Vertrauensseligkeit entgegen, die sie erweichten.
 

Dennoch war sie ganz und gar kein einfacher Umgang. Wie mochte sie wohl gewesen sein, bevor sie ein wenig aufgetaut war? Justin konnte es sich schlichtweg nicht vorstellen.
 

Joan starrte konzentriert auf den Bildschirm.
 

Achtzehn Jahre Joan… Nein, Brian war wirklich nicht zu beneiden.
 

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„Guten Morgen, Brian“, sagte Lance gelöst, als er in das weiträumige Büro des Chefs von Kinnetic trat.
 

Brian trug einen grauen Anzug, der passgenau auf seine Figur geschneidert war. Distanziert und verheißungsvoll. Er konnte sich nur ausmalen, was für ein Körper sich darunter verbarg.
 

Brian war gleichfalls etwas grau im Gesicht, aber er lächelte geschäftsmäßig.
 

„Lance!“ sagte er und schüttelte ihm die Hand. „Schön Sie zu sehen.“
 

„Aber immer gerne, Brian“, erwiderte Lance.
 

„Und?“ fragte er erwartungsvoll. „Konnten Sie sich entscheiden?“
 

„Noch nicht ganz. Eine Expansion Kinnetics in diesem Maße wäre ein Unterfangen, das nicht mit der bisherigen Struktur und Ausrichtung meiner Firma zu verbinden ist. Wir müssten in einem hohen Maße umdisponieren, um ihrer Anfrage nachkommen zu können.“
 

„Ich habe Sie bisher als einen Mann der Tat kennengelernt. Dass Sie das Risiko scheuen, kann ich Ihnen nicht glauben.“
 

Brian schüttelte den Kopf: „Nein, gewiss nicht. Aber meine Prioritäten liegen nicht nur bei meiner Firma.“
 

„Sie denken an ihren Sohn?“
 

„Ja“, antwortete Brian langsam, „das auch. Aber wenn ich es mir recht überlege, ist Ihr Angebot doch ausgesprochen verlockend. Vielleicht sollten wir das noch etwas näher vertiefen…“
 

Lance lächelte erfreut. „Ich wusste doch, dass Sie Ihre Chancen zu nutzen wissen!“
 

„Oh“, lächelte Brian zurück, „das tue ich. Vielleicht sollten wir das in den kommenden Tagen in einem etwas… privateren Rahmen besprechen?“
 

„Das hört sich wundervoll an, Brian!“
 

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„Ted?“
 

„Ja, Brian?“ antwortete der Angesprochene abgelenkt, während er sich durch die aktuellen Transaktionslisten grub.
 

„Du hast doch bei unserem vorweihnachtlichem Dinner neben Mr. Whinefourt gesessen, oder?“
 

„Mmm, ja habe ich.“
 

„Hast du ihm rein zufällig von Gus erzählt?“ Brian lehnte mit düsterem Blick am Türrahmen von Teds Büro und hatte die Hände in die Anzugstaschen gesteckt.
 

„Nein, warum sollte ich?“ fragte Ted, immer noch nicht hochblickend.
 

„Oder hast du mitbekommen, dass er mit irgendjemand anderem über meine familiären Angelegenheiten gesprochen hat?“
 

„Mr. Whinefourt hat bisher lediglich mit uns beiden und Cynthia im geschäftlichen Kontext eingehend gesprochen. Und du kennst ja Cyn, kein Wort zu Sachen, die niemanden etwas angehen. Warum fragst du?“
 

„Wer war noch an den Gesprächen beteiligt?“
 

„Außer uns? Jensson vom Art Departement? Aber da waren wir dabei. Von den Mitarbeitern weiß doch eigentlich kaum einer, wie du lebst. Die glauben wahrscheinlich, du haust nach Ladenschluss im Inneren eines Vulkans.“
 

Brian ignorierte die letzte Bemerkung. „Mr. Whinefourt hat also von keinem von uns im Rahmen irgendeiner zwanglosen Plauderei erfahren, dass ich einen Sohn habe?“
 

„Nein, von uns weiß er das nicht. Wieso fragst du überhaupt? Whinefourt hat mich ein wenig zu Justin gelöchert, aber das war’s. Über Gus haben wir nicht geredet – aber Gus ist doch auch kein Staatsgeheimnis.“
 

Brian legte den Kopf schräg. Bisher wussten von der Untersuchung des Sozial- und Jugendamtes nur die unmittelbar Betroffenen. Zu denen Ted nicht gehörte. „Und was hast du ihm bitteschön über Justin gesagt?“
 

„Nur, dass ihr gerade geheiratet hattet. Aber das hattest du ihm doch selbst schon klar gemacht? Der war wohl scharf auch dich, aber du hast es ihm ja recht deutlich gezeigt, wer dich in kalten Winternächten zu wärmen hat.“
 

„Danke Ted, zurück an die Arbeit, ich hab‘ noch einen Termin. Wir sehen uns Morgen.“
 

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Die Nacht hatte sich über Pittsburgh gesenkt. Brian saß auf dem Sofa des Lofts und starrte nachdenklich George das Meerschweinchen an, das ihn mit seinen künstlichen Knopfaugen vom Beistelltisch aus anstarrte.
 

Seines Erachtens war die erste Sitzung bei Dr. Renolds, dem zuständigen psychologischen Gutachter, hoffnungsgebend verlaufen. Vanessa Arsten hatte ihn gut vorbereitet, wie er elegant mögliche Klippen zu umschiffen hatte. Und darin, sich selbst in ein gutes Licht zu rücken, war er ja auch nicht gerade ungeübt, zumindest im offiziellen Kontext. Aber es stank ihm dennoch gewaltig, sein Innenleben – oder vielmehr Teile davon – gezwungenermaßen vor einer wildfremden Person ausbreiten zu müssen. Dankenswerter Weise ging es dabei jedoch nicht darum, wirklich etwas über sich zu erfahren – dafür waren andere zuständig, allen voran er selbst – sondern darum, diesen verdammten Dreck möglichst rasch und unbeschadet hinter sich zu bringen.
 

„Nun George“, sagte er. „Was hältst du von dieser Sache?“
 

Erwartungsgemäß erwies sich George weniger als Redner vom Format eines Demosthenes, sondern überzeugte eher mit seinen Qualitäten als Zuhörer.
 

„Ja, ich weiß“, setzte Brian an, „vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten. Vielleicht wittere ich jetzt schon hinter jeder Hausecke Verrat. Ein ausgewachsener Verfolgungswahn würde mein Bouquet doch formschön abrunden, oder? Aber egal, Hauptsache, ich sehe gut dabei aus. Und das scheint unser guter Kumpel Lance ja auch so zu sehen, oder? Naja… wer nicht. Die Frage ist nur… wie sehr? Würde dieser Koschetten-Prinz wirklich soweit gehen? Was meinst du?“
 

George starrte ihn weiterhin folgsam an.
 

„Und woher soll er den ganzen Kram bitte wissen? Aber es gibt immer Mittel und Wege… Eigentlich nicht besonders schwer, besonders wenn man derart viel Zaster hat wie Lancilein und bestimmt liebe Freunde an jeder Ecke, die einem gerne weiterhelfen… Es könnte sein… aber ich weiß es nicht. Was machen wir denn da?“
 

George schwieg erwartungsvoll.
 

„Das Angebot mit der Expansion und den beiden Kampagnen… auch irgendwie fast zu viel des Guten, oder? Da müsste ich doch glatt von hier fort. Oder rund um die Uhr ackern, dass ich gar nicht mehr nach Hause käme, selbst wenn Vater Staat mir das wieder erlauben sollte. Und Ted käme aus dem Schwitzen auch nie wieder raus, wenn er dann die Einkünfte zu verwalten hätte. Da gäbe es ordentlich was abzusahnen… wäre doch eigentlich schade drum, was?“
 

Er pausierte kurz und nahm George in die rechte Hand, um ihn sich direkt vor die Nase zu halten: „Ich verrate dir mal was… Mit Speck fängt man Mäuse… verstehst du nicht? Mit Mohrrüben fängt man Meerschweinchen? Ah, ich sehe, jetzt begreifst du.“
 

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Es rumpelte an der Tür.
 

Justin schoss aus einem leichten Schlummer empor.
 

„Papa…?“
 

„Komm rein, Gus!“ rief Justin und rappelte sich auf.
 

Gus kam auf nackten Füßen ins Schlafzimmer getapst. „Ich hab‘ ganz schlimm geträumt“, schluchzte er und warf sich neben Justin auf die viel zu breite Matratze.
 

Justin rollte zu ihm hinüber und zog ihn an sich. „Ist ja gut, Gus. Ich bin hier, siehst du?“
 

Gus murmelte etwas leise und schlang seine Arme um Justin. Das Gewicht des Kindes lastete schwer auf ihm, dennoch entspannte ihn die Nähe etwas. Es war beschissen, alleine zu schlafen.
 

„Ich hab geträumt“, weinte Gus, „dass wir alle zu Hause waren. Im alten Haus bei Mama und Mama. Sie waren auch da und Jenny. Ich habe gespielt, mit Lego. Draußen war ein Gewitter. Mama Lindsay hat gesagt, dass ich mich nicht zu fürchten brauche, denn wir seien ja Drinnen. Und dann ist das Licht ausgegangen. Da habe ich dann doch Angst bekommen, nicht weil es dunkel war, ich bin ja kein Baby mehr, sondern weil niemand etwas gesagt hat. Ich bin hinüber zum Lichtschalter und habe es wieder angestellt. Aber alle waren weg. Ich bin durch das ganze Haus gelaufen, aber es war niemand mehr da. Dann ist Mrs. Lennox gekommen und hat gesagt, dass ich jetzt mit ihr kommen müsse, weil alle gestorben seien…“
 

Justin schaukelte ihn beruhigend ein wenig hin und her, auch wenn dieser Traum ihn selbst ebenfalls mit Grauen erfüllte. „Du hattest einen Alptraum, Gus“, flüsterte er. „Aber es war nur ein Traum, okay? Ich bin da. Oma Joan ist da. Und Papa kommt bald nach Hause, ja?“ Wehe, wenn nicht. Dann würde er nicht eher ruhen bis…
 

„Wann?“ bohrte Gus.
 

„Bald…“
 

„Wann bald?“ verlangte Gus zu wissen.
 

Justin schloss gequält die Augen. „In ein paar Wochen, hoffe ich“, antwortete er, wohl wissend, dass das für Gus gleichbedeutend mit einer Ewigkeit war.
 

„Das ist zu lange! Ich will Papa!“ heulte Gus.
 

„Ich auch, Gus… Aber wir müssen warten…“
 

„Warten ist doof!“
 

„Ja, Gus. Ich finde Warten auch total doof.“
 

„Doof! Doof! Doof!“ wiederholte Gus, während er langsam wieder ins Land der Träume fort sank.

Datenight

IV. Datenight
 

Der Tisch stand in einem durch dezente Wandteiler abgetrennten Séparée. Ein Strauß weißer Tulpen stand auf der feinen Decke. Raffiniert gesetztes indirektes Licht und eine in einem geschmackvollen Halter vor sich hin flackernde Kerze verbreiteten eine private Atmosphäre.
 

Brian stand lächelnd auf, als er herantrat.
 

„Lance!“ sagte der hochgewachsene Mann warm. „Schön, dass Sie Zeit gefunden haben!“
 

„Ganz meinerseits!“ strahlte Lance zurück. Er nahm sich zusammen, um den anderen nicht hingerissen anzustarren wie der letzte Idiot. Brian hatte sich selbst übertroffen. Er hatte bisher bei jedem ihrer Zusammentreffen in Lances Augen großartig ausgesehen, ein wildes Tier, das hinter einer zivilisierten und eloquenten Fassade hungrig hin und her schritt. Aber heute… da war etwas in seinen Augen… sie waren mit völliger Aufmerksamkeit auf Lance gerichtet, leuchtend unter den dichten Wimpernkränzen… keine Distanziertheit… ein stilles Willkommen. Brians Lippen umspielte ein Lächeln, das seiner höflich-professionellen Maske plötzlich etwas Lockendes verlieh.
 

„Setzen wir uns doch!“ schlug Brian vor.
 

Seine Benommenheit hinunter schluckend folgte Lance der Aufforderung. Brian ließ sich in entspannter Haltung ihm gegenüber nieder. „Möchten Sie einen Aperitif?“ fragte Brian, eine der dichten Augenbrauen fragend hochziehend. Es war, als frage er etwas ganz anderes.
 

„Ja, gern“, brachte Lance ruhig heraus, obwohl ihm immer wärmer wurde.
 

Brian lächelte ihn über den Tisch an, während sie auf Ihre Drinks warteten. „Ich hoffe, Ihnen gefällt der Tisch, Lance. Die Reservierung war ja etwas kurzfristig, aber ich dachte, sie würden gerne wieder ins Ambrosio‘s – eines Ihrer Lieblingsrestaurants, nicht wahr? Aber leider konnten sie uns nur noch diesen hier anbieten, inklusive Blumen und Kerzenschein – ich hoffe, das stört Sie nicht?“
 

„Nein, ganz und gar nicht“, beteuerte Lance wahrheitsgemäß.
 

„Ein bisschen zu offensiv romantisch für meinen Geschmack. Aber wir kennen uns ja, oder?“ fuhr Brian fort, nachdem Sie die Karten entgegen genommen hatten.
 

„Das ist völlig in Ordnung“, meinte Lance und studierte die Speisekarte.
 

„Die frische Austernplatte soll ganz ausgezeichnet sein“, empfahl Brian.
 

„Ja, ich liebe Austern“, bestätigte Lance.
 

„Ach was? Ich auch!“ lachte Brian. Lance bemerkte, dass sein linker Schneidezahn nicht ganz gerade stand. Ein kleiner Makel, der ihn merkwürdigerweise nur noch schöner machte. „Teilen wir uns doch eine große Platte“, schlug Brian vor.
 

„Gerne. Und als Hauptgang?“
 

„Den Heilbutt? Das passt vorzüglich! Dazu haben Sie hier auch einen hervorragenden italienischen Weißwein, den ich nur empfehlen kann.“
 

„Klingt ausgezeichnet. In so einem Rahmen verhandele ich gerne.“
 

Wieder dieser kleine schiefe Zahn: „Ganz meinerseits.“
 

Lance studierte sein Gegenüber. Brian wirkte wie ausgewechselt. Er spürte eine kleine Woge des Misstrauens in sich aufsteigen. Brian war Geschäftsmann. War es deshalb…?
 

Die Vorspeise wurde serviert. Sie griffen beherzt zu. Lance verfolgte aus dem Augenwinkel, wie der andere die Köstlichkeit mit Zitrone beträufelte und dann lustvoll aufschlürfte. Ihm wurde ganz anders bei diesem Anblick. Rasch nahm er einen großen Schluck von dem in der Tat ganz vorzüglichen Weißwein.
 

„Und, in Ihren Überlegungen, was unsere geschäftlichen Beziehungen angeht, schon weiter gekommen?“ wagte sich Lance vor, während Sie auf den Hauptgang warteten. Die Weinflasche leerte sich, Brian bestellte nach.
 

„Durchaus“, erwiderte Brian wohlgelaunt.
 

„Und?“ fragte Lance.
 

„Sie hatten Recht. Das ist eine einmalige Chance. Für Kinnetic. Für mich.“
 

„Lag ich in meiner Einschätzung doch richtig?“ hakte Lance nach.
 

Brian nickte versonnen, während er gedankenverloren mit dem Finger einen kleinen Austernspritzer von seinem Mundwinkel in seinen Mund schob.
 

„Allerdings“, sagte Brian, nachdem erneut serviert worden war und die Kellnerin nachgeschenkt hatte, „bräuchte ich natürlich gewisse Absicherungen.“
 

„Woran dachten Sie da?“
 

„Ich gehe mit der Expansion ein enormes Risiko ein, das vornehmlich Ihnen zu Gute kommt. Mir schwebt eine Absicherung vor, falls bei den Folgeverträgen von Ihrer Seite etwas schief gehen sollte – Sie es sich anders überlegen mit der Erschließung anderer Märkte oder wenn Sie sich doch für eine andere Agentur entscheiden sollten.“
 

Das war zwar ungewöhnlich – aber nicht unüblich. Das Hauptrisiko und die Hauptarbeit lagen immer noch bei Kinnetic. Sollte sich Lance Seite ohne diese Vereinbarung zurück ziehen, stünde Brian vor einem Scherbenhaufen. „Was schlagen Sie vor?“ fragte er.
 

„Eine Risikoversicherung zugunsten Kinnetics, die Sie tragen.“
 

„Über welche Summe?“
 

„Fünf Millionen Auszahlung bei Nichtzustandekommen der Folgedeals.“
 

Lance nahm nachdenklich einen weiteren Schluck. Die Versicherung würde nicht ganz billig werden bei dieser Abdeckungssumme. Andererseits war der Betrag durchaus vernünftig angesetzt. Und er hatte keinesfalls vor, die Folgeverträge platzen zu lassen.
 

„In Ordnung“, sagte er, „aber dafür sichern Sie uns Exklusivität im Bereich unserer Branche zu. Und Sie tragen die alleinigen Kosten, wenn nach Zustandekommen der Zweitverträge von Ihrer Seite aus etwas schief gehen sollte.“
 

Brian nickte langsam, während der Hauptgang abgeräumt wurde.
 

„Dann haben wir einen Deal, Lance. Das sollten wir begießen, bevor wir Morgen unsere Anwälte in Aktion treten lassen.“
 

„Ausgezeichnet! Was möchten Sie trinken? Champagner?“
 

Brian schüttelte den Kopf: „Ich bin Ire – und mache so etwas gerne auf irische Art.“
 

„Whiskey dann?“
 

„Ich bestehe darauf!“
 

Als ihre Drinks gekommen waren, stießen Sie an. Brians Augen hatten fast dieselbe Farbe wie das scharfe Getränk im Kerzenlicht. Er schaute Lance über den Rand seines Glases an.
 

„Wie geht es Ihrer Familie?“ fragte Lance beiläufig.
 

„Ach… Justin hat momentan viel um die Ohren. Künstlerleben ist unstetes Leben. Ist ständig auf Achse. Viel in New York, die Pflicht ruft.“
 

„Das ist… bedauerlich…“
 

„Oh, für seine Karriere ist es ausgezeichnet“, seufzte Brian, „aber als wir geheiratet haben, habe ich doch gehofft, nicht ständig als Strohwitwer da zu stehen. Aber solange er noch nicht den völligen Durchbruch geschafft hat… Es gibt ja so viel für junge Künstler… Preise, Auszeichnungen, Auslandsstipendien… da bekomme ich ihn dann wahrscheinlich gar nicht mehr zu Gesicht…“
 

Zwei weitere Drinks wurden serviert. Diesmal hatten sie auf das Eis verzichtet.
 

„Aber Sie haben ja auch noch ihren kleinen Jungen?“
 

„Ja, Gott sei Dank!“ sagte Brian mit etwas schwerer Zunge. „Der Kleine geht mir über alles. Ich sage Ihnen, ein Kind gibt dem Leben eine ganz andere Perspektive! Auch wenn mal nicht alles zum Besten steht, gibt es für mich immer einen Grund weiter zu machen: mein Leo!“
 

„Leo?“ fragte Lance, der den Alkohol jetzt auch deutlich spürte. „Ich dachte, ihr Sohn heiße Gus?“
 

„Leo ist sein Spitzname“, vertraute ihm Brian mit verhangenem Blick an, „weil er wie ein kleiner Löwe ist. Aber manchmal tut es auch weh…“
 

„Was?“ bohrte Lance.
 

„Ach, manchmal habe ich das Gefühl, dass er Justin mehr liebt als mich. Klar, Justin ist ja auch meistens bei ihm… Aber ich rede zu viel. Wenn es meinen Sohn glücklich macht…“
 

„Aber macht es Sie glücklich?“ fragte Lance sanft.
 

Brians große feuchte Augen sahen ihn gebannt an: „Man darf nicht zu viel erwarten. Ich habe ihn geheiratet und nun…“ Er senkte den Blick und nahm einen weiteren hastigen Schluck.
 

Lance bestellte nach. Die Welt um ihn herum lieferte allmählich Schlieren. „Aber… das müssen Sie doch nicht machen… gleichgeschlechtliche Ehen werden hier doch sowieso nicht anerkannt…“
 

Brian streckte die Hand auf dem Tischtuch aus und starrte ins Leere.
 

Lance betrachtete ihn atemlos. Sein Herz raste. Dann beugte er sich vor und legte seine Hand zärtlich auf Brians Handrücken. „Sie sollten nicht unglücklich sein“, sagte er. „Nicht Sie!“
 

Einen kurzen Augenblick flackerte Brians Blick in seinen. Er sah so… verletzlich aus. Wie ein Panther mit einer Dorne in der Pfote. Dann zog er sich wortlos zurück. „Entschuldigen Sie“, sagte er. „Ich rede wirklich zu viel. Aber Sie sind ein wahrer Freund.“
 

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„Sonnenschein! Mach die Tür auf! Hier ist der Mann, in den du dich in deiner Jugend verliebt hast!“ schrie Brian durch die Tür, verzweifelt versuchend, mit dem viel zu kleinen Schlüssel das ebenfalls viel zu kleine Schloss zu treffen.
 

„Hau ab! Ich bin jetzt verheiratet!“ kam es von drinnen. Aber dennoch erbarmte sich Justin seiner und fing ihn auf, als er hinein getorkelt kam.
 

„Mann, Brian“, sagte sein treuliebender Ehegatte leicht amüsiert, „du bist ja voll wie eine Strandhaubitze.“
 

„Alles nuuuur zum Wohle meiner Familie“, lallte Brian.
 

„Saufen für einen guten Zweck?“ fragte Justin ihn, während er ihn auf das Sofa bugsiert.
 

„Richtig!“ bestätigte Brian, wütend an seinen Schnürsenkeln zerrend.
 

„Warte, ich helfe dir…“, sagte Justin und kniete vor ihm nieder.
 

„Nein! Ich kann meine Schuhe ja wohl noch selber ausziehen!“
 

„Das sieht man… Selber machen?“ imitierte Justin Gus‘ Tonfall.
 

Brian blähte beleidigt die Nüstern: „Aber ich kann mir nicht selbst einen blasen… Wenn du schon mal da unten rumhockst…!“
 

„Ich melde dich zum Yoga an… Und versteh ich das richtig, du hast mich dringend hierher bestellt, damit ich dir nicht die Schuhe ausziehe und dir stattdessen einen blase, während du strunzbesoffen wegschnarchst?“
 

„Betrink dich gefälligst auch, das ist ja nicht auszuhalten! Nein, Sonnenschein! Ich hab ihn!“
 

„Wen? Den Geist von Jack Daniels?“
 

„Nein, das Arschgesicht, das uns das hier eingebrockt hat!“
 

Justin fuhr überrascht auf. Dann fletschte er ziemlich Sonnenschein-untypisch die Zähne und knirschte: „Wer? Sag mir die Adresse und ich. bring. ihn. um!!!!“
 

„Nein, nein… du Brutalo. Himmel, was hab‘ ich für nen Schlägertypen geehelicht? Vermöbelst du mich jetzt immer, wenn ich Widerworte habe? Viel besser!“
 

„Was soll denn bitte besser sein als den Mistkerl, wegen dem Gus ein ausgewachsenes Verlustangst-Trauma droht zu bekommen und der dich als Kinderschände an den Pranger gestellt hat und dir dein Zuhause, deine Familie genommen hat, möglichst schmerzhaft zu massakrieren?“
 

„Da sag nochmal einer, Schwule seien friedfertige Weicheier… Klar, du könntest dein Rosa Rächer-Shirt anziehen und ein stilvolles Blutbad anrichten – oder wir machen ihn richtig fertig.“
 

Justin lauschte aufmerksam: „Wer zum Geier ist es denn überhaupt?“
 

„Ich bin mir ziemlich sicher: Lance Whinefourt. Er wusste viel zu viel.“
 

„Der Matratzen-Heini, der scharf auf dich war?“ fragte Justin entgeistert.
 

„Was Liebe so anrichten kann…“
 

„Ach was, Liebe. Der kennt dich doch nicht die Bohne. Haben-wollen trifft es wohl besser! Dieses beschissene Arschloch!“
 

„Ach, er ist doch ganz reizend… Hatte gerade ein Date mit ihm.“
 

„Was? Bist du deshalb derart dicht? Hast du den Verstand verloren?!“
 

„War total romantisch… Kerzenschein im Séparée mit Blumengesteck… es gab Austern, sehr sexy… wir sind uns menschlich wirklich nahe gekommen…“
 

„Ja, du hast den Verstand verloren…?“
 

„Ja, habe ich. Aber das ist deine schuld! Und ich hatte immer Recht: Ich hasse Dates!“ sagte Brian und knutschte Justin ziemlich enthemmt auf den Scheitel.
 

„Hey, du größte Versuchung aller Zeiten… Was wird hier gespielt?“ fragte Justin misstrauisch, der sich das gefallen ließ.
 

Brian umschlang ihn und zog ihn zu sich aufs Sofa. „Du bist doch immer so ein Verfechter von Anstand und Moral, mein blutrünstiger Hoppelhase…“
 

„Hoppelhase?“ Justin begann schallend zu lachen. „Wart’s ab, wenn du wieder nüchtern bist… Andererseits hast du noch was gut wegen der „Puppe“.“
 

„Und daher dachte ich“, fuhr Brian unbeirrt vor, während er genüsslich Justins Körperformen abtastete, „Rache mit Schwert und Feuer mag zwar ganz unterhaltsam sein… Aber es gibt vielleicht auch Wege, das ganze etwas… produktiver zu gestalten…“
 

„Ach ja?“
 

Brian begann zu erzählen.
 

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„Gefällt es Dir?“ fragte Drew lächelnd.
 

„Oh mein Gott, Drew, das ist einfach… hinreißend!“ entfuhr Emmet, sich etwas nervös windend. Das Separee im Ambrosio’s lag in flackerndem Kerzenlicht.
 

Drew lächelte. „Na dann… komm!“ sagte er und zog Emmets Stuhl formvollendet zurück.
 

Emmet setzte sich, immer noch strahlend. „Drew, du bist so ein Gentleman!“
 

Drew machte eine angedeutete Verbeugung. „Ist ja auch für mich eine Premiere, da muss ich mir die größte Mühe geben. Mein erstes offizielles Date mit einem Mann.“
 

Sie hatten sich in den Wochen nach Weihnachten, nach Drews Geschenk, mit steigender Regelmäßigkeit getroffen. Nichts Weltbewegendes, plaudern, Kaffee trinken, dann hatte Drew gefragt. Und Emmet hatte einfach nicht nein sagen gekonnt.
 

Drew setzte sich ihm gegenüber hin. Auch er wirkte etwas nervös.
 

„Was möchtest du trinken?“ fragte er Emmet.
 

„Ein Cosmo vorneweg wäre fantastisch.“
 

„Dann nehme ich auch einen.“
 

„Du stehst auf Cosmo?“
 

„Manchmal… Und es dein Abend.“
 

„Dann suchst du aber den Absacker aus!“
 

„Klar, mache ich. Was willst du essen?“
 

„Wie wäre es mit den Austern?“
 

„Hört sich gut an.“
 

„Such du den Hauptgang aus!“
 

„Mach du doch ruhig.“
 

„Nein! Du bist dran!“
 

„Okay… Wie wäre es mit dem Rinderfilet?“
 

„Richtige Kraftnahrung? Ausgezeichnet!“
 

„Und dazu…?
 

„Ich würde einen Prosecco nehmen.“
 

„Ich nehme dann ein Bier.“
 

„Und hinterher den Schokokuchen?“
 

„Klar, wenn du magst.“
 

„Oder bringt das deinen Sportler-Diätplan durcheinander?“
 

„Vergiss es, ich verbrenne Kalorien wie nichts. Und heute ist etwas Besonderes.“
 

„Wirklich?“
 

„Wirklich, Emm. Wirklich.“
 

Die Drinks wurden serviert.
 

„Ich mag das“, sagte Drew.
 

„Was?“
 

„Du ziehst deine Nase immer so niedlich zusammen, bevor du etwas isst oder trinkst oder lachst. Ich finde das… süß.“
 

Emmet lachte: „Das ist so lieb von dir. Und ich finde es süß, dass du einen Cosmo trinkst.“
 

„Wieso das denn?“
 

„Irgendwie denkt man bei dir eher… an einen Scotch.“
 

„Ich mag Scotch.“
 

„Ich weiß.“
 

„Oh, da kommen die Austern.“
 

„Nimm dir.“
 

„Mmm, lecker.“
 

„Das ist… sexy.“
 

„Was?“
 

„Wie du die Austern isst.“
 

„Oh! Bei dir aber auch!“
 

„Danke.“
 

„Dir auch danke.“
 

„Und, was sagst du?“
 

„Wozu?“
 

„Dass wir ein Date haben?“
 

„Es ist… schön. Aber…“
 

„Was aber?“
 

„Naja, du bist noch auf der Pirsch. Und es ist okay.“
 

„Mmm, ja.“
 

„Wirklich Drew. Es ist okay. Du hast erst damit angefangen, offen schwul zu leben. Und verflixt viele Mütter haben hübsche Söhne… die dir alle zu Füßen liegen. Ich verstehe das, wirklich.“
 

„Aha. Und willst du nicht… dass sich das ändert?“
 

„Drew… Man kann Menschen nicht zu etwas zwingen. Auch sich selbst nicht.“
 

„Aber ich will nicht mehr…“
 

„Du hast doch gerade erst angefangen…“
 

„Ja, schon. Aber irgendwie… ich weiß auch nicht… man bleibt irgendwie immer…“
 

„Allein?“
 

„Ja, allein.“
 

„Drew. Ich habe dich wirklich sehr gern. Und das alles hier… das Kerzenlicht, die Austern… Aber ich bin nicht gerade erst aus dem Schrank wie du. Genaugenommen war ich niemals drin. Hat mir daheim nicht unbedingt viele Fans eingebracht. Manchmal braucht man das auch… allein zu sein… bis die Dinge klar werden.“
 

„Ich verstehe. Aber Emm… kannst du mir dabei helfen? Als mein… Freund?“
 

Emmet nickte langsam. „Ich glaube schon. Aber das andere – ich kann das nicht mehr. Nicht so. Verstehst du?“
 

„Ja“, sagte Drew langsam, „ich denke ja.“
 

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„Jenn?“
 

„Was… was ist das denn?“
 

„Nichts. Ich hab gekocht.“
 

„Aber…?“
 

„Oder hast du keinen Hunger?“
 

„Doch schon. Aber ich dachte, wir wollten reden wegen Mollys Schulkursen…?“
 

„Kann man das nicht auch beim Essen?“
 

„Sicher…“, brachte sie perplex hervor, als Craig sie in sein Esszimmer bugsierte.
 

Der Tisch war formvollendet gedeckt, in der Mitte stand ein Blumenbouquet. Hellgelbe Rosen. Ihre Lieblingsblumen.
 

„Craig, was…?“ stotterte sie, als sie sich auf einem Stuhl mit weicher Polsterung wiederfand.
 

„Es gibt Tomatensuppe mit Salbei und Pute an Limetten, zum Nachtisch Schokoladen-Soufflee“, fuhr er ihr dazwischen. Einige ihrer absoluten Leibspeisen. „Möchtest du Weißwein?“
 

„Craig!“ meldete sie sich etwas überrollt. „Was soll das hier bitte werden?“
 

„Was zu essen, was sonst?“ sagte er und schleppte die Terrine herein. „Was war jetzt mit Molly?“
 

„Lenk nicht ab! Das sieht mir hier überhaupt nicht nach „was zu essen“ aus – sondern nach einem romantischen Dinner!“
 

„Ach, Quatsch…“
 

„Craig… Veräppel mich bitte nicht, dazu kennen wir uns zu lange.“
 

„Okay, okay. Habe ich eben ein bisschen was gekocht. Hatte ja die letzten Jahre Zeit, das ausgiebig zu trainieren. Und siehe da, seine Begabung zu kochen hat Justin wohl von mir!“
 

„Ich bin entzückt, nachdem ich dich jahrelang bekocht habe…“
 

„So war das doch gar nicht gemeint! Ich meinte… den Stil… äh.“
 

„Prima, dass du fast zwei Jahrzehnte lang meinen stillosen Fraß überlebt hast!“
 

„Jennifer!“ entfuhr Craig verzweifelt. „Ich versuche doch nur, nett zu sein!“
 

„Das hast du in den letzten Jahren offensichtlich nicht so sehr üben können wie die Kocherei. Was soll das hier alles Craig, ernsthaft?“
 

„Jenn, wir waren uns ja wieder näher gekommen…“
 

„Wir haben gefickt!“
 

„Jenn!“
 

„Ist doch wahr!“
 

„Himmel, jetzt redest du auch schon wie ein schwuler Mann. Ist das ansteckend?“
 

„Noch bin ich nicht lesbisch.“
 

„Na, das habe ich gemerkt.“
 

„Es war nur Sex, Craig, verdammt!“
 

„Nein, war es nicht!“
 

„Oh doch!“
 

„Für dich vielleicht. Für mich nicht.“
 

„Was???!“
 

„Ich wollte dich… aber nicht… nicht… so.“
 

„Was willst du mir damit sagen, Craig, in Dreiteufelsnamen?“
 

Craig seufzte tief, dann setzte er sich. „Ich will dich zurück“, sagte er leise.
 

„Was?“ entfuhr ihr verblüfft.
 

„Du hast mich schon verstanden“, murmelte er und blickte zu Boden.
 

„Also, Craig, ich weiß gar nicht…“
 

„Dann lass es. Renn zurück zu deinem ledertragenden Toy Boy. Ich hoffe, er macht dich glücklich.“
 

„Du weißt von Tucker?“
 

„Ja.“
 

„Das… das ist nichts Ernstes. Nicht wirklich…“
 

„Willst du das lieber… nichts Ernstes?“
 

„Ich weiß nicht. Vielleicht. Es ist… befreiend.“
 

„Und wir… waren nicht… frei?“
 

„Irgendwann schon.“
 

„Aber wir haben’s versaut, nicht wahr?“
 

„Haben wir. Ja. Die Sache mit Justin war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Du warst früher… so neugierig. Stark. Lustig. Aber am Schluss… warst du nur noch ein Vororts-Despot.“
 

„Und du das Heimchen am Herd?“
 

„Ja. Wohl schon. Aber das habe ich nie gewollt.“
 

„Ich auch nicht. Nicht den Despoten. Nicht das Heimchen.“
 

„Ich bin schon lange kein Heimchen mehr.“
 

„Und ich… Bin ich immer noch der Despot?“
 

„Was glaubst du denn?“
 

„Ich… ich glaube nicht, oder?“
 

„Naja, du hast es immerhin versucht. Mit Justin, meine ich.“
 

„Ja. Mehr als es versuchen kann ich nicht.“
 

„Du schlägst dich doch gar nicht mal so übel.“
 

„Danke.“
 

„Kann ich was von der Suppe haben?“
 

„Die ist jetzt kalt.“
 

„Egal. Wir müssen das mit Molly klären.“
 

„Sicher“, sagte Craig, während er ihr auffüllte.
 

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Daphne starrte auf die Testergebnisse.
 

Es war gesund.
 

Nicht es… sie.
 

Sie war gesund.
 

„So meine Kleine“, flüsterte sie, sich über den Bauch streichend. „Worauf haben wir Hunger?“

Köder

V. Köder
 

„Nun John“, sagte die Frau sanft zu ihm, „du weißt, warum wir hier sind.“
 

„Ja“, sagte er, die Schultern zusammen gezogen, „wegen Onkel Brian.“
 

„Du hast damals gesagt, er habe… dich angefasst.“
 

„Das war gelogen“, sagte er. Oma Joan hatte ihm ziemlich deutlich gemacht, dass sie gar nicht glücklich mit ihm sein würde, wenn er das hier verbockte. Und Onkel Brian… das wollte er sich besser gar nicht vorstellen. Die freundlich gemeinten Arschtritte waren schon schmerzhaft genug. Und sie hatten etwas gebracht, das musste John zugeben. Sein Notenbild war zwar nicht berauschend, aber nicht mehr desaströs. Wenn er sich weiter ranhielt, würde er es schaffen.
 

„Du weißt, dass du zu mir ehrlich sein kannst, nicht wahr? Es wird dir nichts geschehen“, versprach die Frau ihm erneut ziemlich säuselig.
 

„Bin ich doch“, sagte John. „Ich war sauer auf Onkel Brian. Und da habe ich das erzählt, weil alle Schwule ja auch immer für Kinderficker halten, oder?“
 

„Das stimmt so nicht…“, protestierte sie.
 

„Ach was!“ sagte John. „Ich bin doch mit der Nummer durchgekommen.“
 

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Der Februar hatte Einzug gehalten. Nachdenklich studierte Brian seinen Terminkalender. Morgen stand seine letzte Sitzung beim psychologischen Gutachter des Jugendamtes an. Gut so, denn noch länger hätte er diese erbärmliche, einen weißen Rauschebart tragende Möchtegern-Freud-Gestalt wohl nicht ertragen. Es sollte ja Leute geben, die sich gerne auf die Couch legten, damit jemand in ihrem Innenleben herum bohrte. Er gehörte definitiv nicht dazu. Es sei denn, Justin war auf ihm. Aber das war wohl eher nonverbale Kommunikation. Aber er sollte sich besser nicht zu laut beschweren, dank Nathalies Freundin hatte er sich seines Erachtens gut geschlagen. Nicht, dass er ohne sie komplett aufgeschmissen gewesen wäre, aber die feinen Kniffe verdankte er ihr. Es war ja nicht so, dass er gezielt gelogen hatte… Er hatte lediglich ein sehr Gutachten kompatibles Bild der Vergangenheit entworfen. Was war er doch für ein liebenswürdiger Mensch…
 

Die Schergen des Amtes waren inzwischen bei den restlichen an der Geschichte beteiligten Personen eingefallen. Soweit es ihm zugetragen worden war, hatten Jennifer und Justin sein Loblied gesungen, John und Claire hatte sich mit Joan im Nacken zusammen gerissen und Schwiegerpapa Taylor hatte sich dumm gestellt und jegliche Kenntnis einer über schieres Händchenhalten hinaus gehenden Beziehung zwischen ihm und Teenager-Justin geleugnet. Wahrscheinlich auch, um es sich nicht in seiner neu entflammten Zuneigung für Jennifer zu verderben. Anscheinend hatten sie auch bei Mr. Kip-Gelegenheitsfick angeklopft, der aber wohl jegliche Erinnerung an die Sache ziemlich verdrängt hatte und nicht gerade auskunftsfreudig gewesen war. Was hätte er auch anderes tun sollen? Die Wahrheit würde ihm auch nicht gerade zum Vorteil gereichen.
 

Jetzt konnte er nur noch das Beste hoffen. Kommenden Montag würde es soweit sein – entweder nach Hause oder…
 

Nein, das kam gar nicht in Frage.
 

Eine schwarze Woge irrationaler Wut schäumte in ihm auf.
 

Eigentlich konnte er sich nicht hundertprozentig sicher sein. Aber irgendetwas in ihm, ein Instinkt vielleicht, sagte ihm, dass er nicht danebenlag.
 

Ein erster Reflex wollte einfach nur zuschlagen, so hart und fest es ging, jedes Winseln um Gnade ignorierend. Er zügelte sich. Das würde gar nichts bringen – außer noch mehr Ärger. Und er war nicht Chris Hobbs, der gleich mit der Keule auf alles eindrosch, was ihm nicht passte. Verflucht sei diese Made. Aber die Gerechtigkeit war ihren Gang gegangen – wenn auch nicht die, die sie sich gewünscht hatten. Doch solange das System bestand hatte, würde das nichts ändern. Unter den aktuellen politischen Zuständen war das auch eher zu bezweifeln… aber die Mühlen malten, wenn auch langsam. Und Lance… Auch er hatte ein System, es war nur zur fragen, welches. In diesem Falle ging es Brian nicht so sehr darum, es zu verändern oder seine Existenz zu akzeptieren…
 

Aus Rache? Vielleicht ein wenig. Er dachte an Gus.
 

Aber wie auch immer, er wollte Lance nicht bis an sein Lebensende im Schatten hinter sich lauern haben. Der Gute würde sich schon noch verabschieden, freiwillig. Aber nicht, ohne davor ein wenig zu bluten.
 

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„Brian?“
 

„Am Apparat.“
 

„Katlin’s hat angerufen.“
 

„Was gibt es Neues?“
 

„Ich wurde für das Young International Artist-Stipendium vorgeschlagen.“
 

„Nanu, da musst Du ja einflussreiche Fans haben!“
 

„Die Empfehlung kam anonym durch ein Anwaltsbüro.“
 

„Wie bescheiden.“

„Wirklich – wenn man bedenkt, was das bedeutet… Ein ganzes Jahr London, völlig umsonst – mit Anwesenheitspflicht…“
 

„Glückwunsch, Justin. Wie unverhofft!“
 

„Ja! Welch Wunder! Da hat echt wer an alles gedacht.“
 

Brian schwieg kurz nachdenklich: „Würdest Du es machen?“
 

„Ich kann und will kein ganzes Jahr abdampfen. Die Lorbeeren würden reichen.“
 

„Sicher? Das wäre eine Riesenchance.“
 

„Ich habe meine eigenen Chancen.“
 

„Sturkopf.“

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„Oh hallo, Lance!“
 

„Brian!“
 

„Schön, Sie so bald wieder zusehen!“ Brian ging in seinem Büro bei Kinnetic auf und nieder.
 

„Sie wollten mich sprechen?“ fragte Lance, während er Brians Bewegungen folgte.
 

„Ja. Die Folgekampagnen sollen ja Kanada und die USA umfassen. Wie sind da Ihre Prioritäten?“
 

„Der Schritt nach Kanada wäre der folgerichtige. Dort sind wir bereits dabei, uns in den Sortimenten zu etablieren. Was uns jetzt noch fehlt, ist die passende Vermarktung, um den dortigen Markt zu stürmen.“
 

„Sie stürmen gerne voran, Lance?“ fragte Brian und grinste verstehend.
 

„Ich bin ein Mann der Tat – wie Sie.“
 

„Da verstehen wir uns ja.“ Brian streckte sich wohlig mit dem Gesicht zum Schreibtisch.
 

„Langer Tag?“
 

„Ja, aber mit einem erfreulichen Abschluss!“
 

„Das freut mich zu hören. Ich will Sie aber nicht davon abhalten nach Hause…“
 

„Ach was, Sie halten mich von gar nichts ab!“ sagte Brian in einem etwas niedergeschlagenen Tonfall.
 

„Brian…?“ fragte Lance langsam. „Alles okay bei Ihnen?“
 

Brian schlug kurz die Augen nieder, dann straffte er sich wieder: „Ach, ich will Sie nicht schon wieder mit meinen persönlichen Problemen nerven…“
 

„Gar nicht! Wir sind doch… Freunde, hatten Sie gesagt? Ich leihe Ihnen gerne mein Ohr!“
 

Brian schien zu zögern. Dann sagte er: „Wollen Sie vielleicht einen Drink?“
 

Lance räusperte sich. Brians Whiskey hatte letztes Mal ganz schön rein gehauen. Aber dabei waren sie sich auch… näher gekommen. „Ja, gerne“, sagte er.
 

Brian schenkte ein, und sie setzten sich in die Couchecke. Cynthia schaute kurz durch die Tür und verabschiedete sich. Die Lichter bei Kinnetic gingen allmählich aus.
 

Brian hatte die Lider gesenkt und studierte die langsam im Glas kreisende Flüssigkeit. Er saß in einem der Sessel, ein langes Bein elegant über das andere gelegt, Lance schräg gegenüber. „Er bekommt wahrscheinlich ein Stipendium“, sagte er übergangslos.
 

„Ihr Partner?“
 

„Ja.“
 

„Das… das ist doch etwas Gutes oder – für einen jungen Künstler?“
 

„Ja. Sogar sehr gut.“
 

„Warum scheint es Sie denn dann so gar nicht zu freuen?“
 

Brian legte den Kopf in den Nacken: „Es ist in London. Ein ganzes Jahr. Und er will gehen, wenn er’s bekommt. Ohne mich – ich kann hier ja auch nicht weg – und ohne Gus.“
 

„Oh Gott Brian – aber ich dachte, dass er Ihrem Sohn sehr nahe steht?“
 

„Dachte ich auch. Aber das hat er sich wohl anders überlegt. Er meinte, dass er sich zu jung fühle für eine Familie.“
 

„Er ist… zweiundzwanzig?“
 

„Genau. Wird in einer Woche dreiundzwanzig.“
 

„Das ist wirklich ziemlich jung.“
 

„Das war wahrscheinlich ein Fehler…“
 

„Was?“
 

„Daran zu glauben, dass das klappen könnte. Wir sind einfach zu verschieden…“
 

„Ich verstehe. Ich weiß, wie das ist.“
 

Brian schaute ihn fragend an.
 

„Mein Ex-Freud und ich – wir hatten auch unsere Differenzen. Es hat nicht geklappt.“
 

„Er war… Grafiker?“
 

„Ja, genau. In einem Architekturbüro in der Upper Eastside.“
 

„Bonders & Brothers?“
 

„Nein… Reclingtons…“
 

„Oh, da kannte ich mal jemanden. John MacMullen?“
 

„Äh, nein, Wilbur Snider…“
 

„Wilbur?“
 

„Er war auch nicht besonders glücklich damit. Aber was soll man machen.“
 

„Ja“, seufzte Brian mit traurigem Blick. „Aber es kann einen auch ganz schön sauer machen!“
 

„Was meinen Sie?“
 

„Ich meine – was habe ich bitteschön alles für ihn getan! Ihm sein Studium finanziert! Er wohnt in einem – in meinem! – Haus mit Garten und Pool…!“
 

„Ja – das kenne ich gut.“
 

Brian sprang auf und fuhr sich durch das Haar: „Und was das meinem Sohn antut!“
 

Lance stand ebenfalls auf und fasste ihn an den Schultern: „Wirklich Brian, ich verstehe Sie so gut!“
 

„Ja“, flüsterte Brian und senkte seine Augen in Lances, „Sie verstehen… nicht wahr?“
 

Sie verharrten, ohne den Blick zu lösen. Lance beugte sich langsam vor, Brians Wimpern senkten sich, bis sie von einem rüden Klingeln unterbrochen wurden.
 

Brian löste sich ruckartig und griff nach seinem Handy. „Was zur Hölle willst Du denn jetzt schon wieder!“ raunzte er in den Hörer.
 

Lance konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde.
 

Brians starrte entnervt gegen die Wand: „Ich komme!“ Er wandte sich wieder Lance zu: „Es tut mir leid… Aber ich bin Ihnen aufrichtig dankbar!“
 

„Irgendetwas Schlimmes?“
 

„Wie man es nimmt… Ich bin es ja mittlerweile gewohnt. Justin hat Gus einfach bei meiner Mutter abgeladen, um auf die „Glitschig und Kitschig“-Party im Popperz zu verschwinden!“
 

„Oh Gott, Brian. Das sollten Sie sich nicht bieten lassen!“
 

Brian nickte ihn, seinen Mantel greifend, zustimmend an.
 

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Die Corvette kam auf dem Eispanzer knirschend zum Stillstand. Es war halb zehn Uhr morgens. Der Kurier war vor einer knappen dreiviertel Stunde bei Kinnetic aufgetaucht. Als er den Umschlag mit dem Absender des verfickten Verdächtigungs-Amtes aufriss, war ihm beinahe das Herz stehen geblieben. Was ist, wenn nicht…? Was ist, wenn nicht…? Himmel, was…?
 

Aber es war.
 

Er hatte den ersten Preis in der Disziplin Ich-bin-kein-Sexualstraftäter-mit-Hang-zu-jungem-Gemüse gewonnen. Hoffentlich als Klassenbester.
 

Er hämmerte seinen Schlüssel ins leicht vereiste Türschloss und trat ein. Er atmete tief durch. Dort hingen seine – absolut - nicht wintertauglichen Jacken in der Garderobe. Auf dem Treppenabsatz lag ein verloren gegangener grüner Legostein. Es roch… Er konnte es nicht beschreiben… richtig? Auf seinem Körper bildete sich eine Gänsehaut, von der er nicht wusste, woher.
 

Es war Vormittag… Gus war wieder im Kindergarten… Seine Mutter…? Nein, das hätte er sofort bemerkt. Kein eisgrauer Mantel am Haken, keine eng geschnittenen Ballerinas im Schuhschrank…
 

„Justin?“ rief er probehalber.
 

Niemand antwortete. Aber entfernt hörte er Musik, irgendeine Form ziemlich martialischen Elektropops, der von ganz oben hinab wummerte.
 

Er schmiss Schuhe und Mantel unachtsam von sich und lief die Treppe hinauf. Vom Ende des Flurs im Obergeschoss ging eine frisch sanierte Wendeltreppe weiter nach oben. Ein kleiner Flur, linkerhand ein weiteres Badezimmer, in dem sich Justins Pinsel und Farbpaletten türmten. Ein leichter Geruch nach Terpentin. Das Gewummere wurde lauter. Er schob die Tür auf. Justin stand in einer zerrissenen Jeans und einem völlig gekleckerten aussortiertem Oberhemd vor einer seiner Mammut-Leinwände und schlug mit kräftigen Bewegungen mit einem breiten Borstenpinsel auf sie ein, dass die Farbe nur so spritzte. „Ja!“ murmelte er mit versunkener Vehemenz. „Ja!“
 

Er bemerkte Brian nicht, war völlig in seine Arbeit versunken und sah aus, als sei er gerade dabei, einen Drachen zu töten.
 

Auf leisen Sohlen trat Brian an ihn heran und schlang unvermutet von hinten seine Arme um die schlanken Hüften. Justin zuckte.
 

„Ah… Oh Gott! Willst Du mich umbringen!“ entfuhr ihm, bevor es in ihm schaltete. „Brian!“ entfuhr ihm. „Brian!“ Und er wandte sich um. „Oh Gott!“ stieß er hervor.
 

„Was denn nun?“ fragte Brian. „Attentäter oder Gott?“
 

Justin antwortete nicht, seine Mundwinkel sahen aus, als würden sie gewaltsam nach oben gerissen. „Brian!“ brachte er nur heraus.
 

„Sei nicht so kitschig“, brachte Brian hervor, obwohl ihm dämmerte, dass er wahrscheinlich nicht weniger debil grinste als Justin.
 

Justin schmiss seinen Pinsel wortwörtlich in die Ecke und sprang ihn an. Brian kam leicht ins Straucheln, als das volle Gewicht des anderen unvermutet an ihm hing. Er fasste unter Justins Hintern, um sie zu stabilisieren. Justin stieg ihm ins Gemüt, der Geruch, das Gefühl, die Wärme seines Körpers…
 

Justin fing an zu lachen, konnte es einfach nicht halten, und er konnte auch nichts gegen diese plötzliche Woge irrationaler Heiterkeit aufbringen, die plötzlich in ihm aufstieg.
 

Sie hingen aneinander und konnten sich kaum halten.
 

Als sein Zwerchfell sich allmählich wieder beruhigte, drückte er seine Nase in Justins Haar und flüsterte: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Justin.“
 

Justin lachte immer noch über das ganze Gesicht. Er wusste, dass er sich keine Schleife umbinden musste.
 

„Wo ist meine Mutter?“ murmelte Brian.
 

„Bei sich daheim, nach dem Rechten sehen – Gottlob. Und Gus ist im Kindergarten. Musst Du nicht auch arbeiten?“
 

„Ja… Ich habe vor, Schwerstarbeit zu leisten…“
 

„Hier… ohne Ted…?“
 

„Der wäre bestimmt gern dabei…“, sagte Brian und zog sein Gesicht zurück, damit Justin ihn ansehen konnte.
 

Justins blaue Augen vergruben sich in ihm. Brians Lachen war in ein sinnliches Lächeln geschmolzen, die grün-braunen Augen leuchteten.
 

Justin musterte ihn atemlos, dann ließ er sich wieder gen Boden gleiten und hauchte in Brians Ohr: „Da bin ich mir sicher… Dreh dich um.“
 

Als Brian sich bäuchlings auf einem von Justins Tapeziertischen ausgebreitet wieder fand, die Zunge seines Angetrauten tief in sich vergraben, konnte er nicht anders, als selig aufzustöhnen in einer Mischung aus Zufriedenheit und tiefer Lust.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

„Papa?“
 

„Schau mal Gus, wer da ist!“ rief Justin strahlend, als Gus ihm an Joans Hand entgegen gelaufen kam,
 

„Papa!“ schrie er auf. „Papa!“
 

Brian wurde beinahe über den Haufen gerannt, als der kleine Junge sich auf ihn stürzte.
 

„Papa! Papa!“ schrie er nur und lachte und jubelte.
 

Brian bekam ihn zu fassen und zog ihn an sich hoch.
 

„Papa!“ rief Gus immer noch völlig außer sich.
 

„Ja, Gus ja!“ konnte er nur nicht weniger außer Rand und Band zurück rufen, während der den wendigen Körper seines Sohnes an sich drückte, die Nase, die Stirn an ihn gepresst, dass ihr gleichfarbiges Haar sich mischte. „Ich hab’s dir doch versprochen, oder?“
 

„Ja!“ keuchte Gus. „Ja!“ Dann besann er sich: „Und was ist mit dem bösen Menschen?“ fragte er beunruhigt, die Finger an das Ohr seines Vaters geklammert.
 

„Da kümmern wir uns darum, mein… Gus. Versprochen.“
 

Brian schleppte Gus ins Wohnzimmer, der nicht von ihm lassen wollte. Und Brian konnte dem auch nichts entgegen setzten. Justin und Joan folgten ihnen. Brian warf sich auf die Couch und behielt Gus in enger Umarmung.
 

„Papa…“, murmelte der immer noch.
 

Brian streichelte ihn und nahm die anderen kaum mehr war. „Gus…“, flüsterte er in das kleine Kinderohr. „Gus…“
 

Sie saßen lange dort, ohne viele Worte. Joan stand auf, um Mittagessen zu kochen.
 

„Du gehst nicht mehr weg, Papa?“ fragte Gus, der sich einfach nicht lösen konnte.
 

„Nein“, sagte Brian, „nein.“
 

Justin holte Kaffe und für Gus Kakao.
 

Gus löste sich schließlich, als es zum Essen ging. Sie saßen stumm um die Töpfe. Joan füllte Kartoffeln und Rinderbraten mit einer irischen Spezialsoße auf, die bereits ihre Urgroßmutter beherrscht hatte.
 

Gus wollte nicht von Brians Seite weichen, doch fand er sich einverstanden, in den Armen seines Vaters über Kopfhörer ein wenig Kinderfernsehen zu genießen. Die Erwachsenengespräche langweilten ihn sowieso. Hauptsache, er war bei Brian.
 

„Das Gutachten hat dich entlastet?“ fragte Joan schließlich.
 

„Ja“, nickte Brian.
 

„Gut“, erwiderte Joan langsam. „Aber wird es sich wiederholen?“
 

„Man kann das leider nie wissen. Aber in diesem Falle… nein.“
 

„Du weißt, wer es war?“
 

„Der mich an den Pranger gestellt hat mit falschen Anschuldigungen? Außer dir? Ja, ich bin mir sicher.“
 

Joan verzog keine Miene. „Und was gedenkst Du zu tun?“
 

Brian schaute sie bewegungslos an. „Ich werde deine Hilfe brauchen“, sagte er langsam.
 

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Joan hatte sich mit ihren Siebensachen verabschiedet. Gus war in Brians Armen eingeschlummert, er hatte ihn ins Bett getragen. Ted und Emmet hatten leise gefiept und gegurrt, als sie ihnen Mohrrüben in den Stall gelegt hatten. Der Mond schien durch das Fenster, es war still. Draußen hatte es erneut zu schneien begonnen.
 

Justin atmete tief und ruhig in seinen Armen, Brians Schwanz noch immer klebrig halb in sich eingeklemmt. Daran hatte sich nichts geändert. Der Geruch des Sexes lag schwer in der Luft.
 

Brian lag wach, doch wagte sich nicht zu bewegen. Eigentlich war es nichts… das Licht, die vertraute Wärme, das Echo ihres Liebesspieles… das Bewusstsein, dass Gus zwei Türen weiter nicht von Alpträumen gequält wurde… aber es war gut… gut…
 

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Im Woody’s war alles beim Alten. Im Kneipenlicht wurde Bier getrunken, Billiard gespielt, abgecheckt und abgeschleppt.
 

Michael wischte sich den Schaum von der Oberlippe und sah Brian an, der versunken an seinem Bier nippte. Typen musterten ihn, sandten Signale, Einladungen. Wenn Brian es bemerkte, so ignorierte er es.
 

„Alles klar im Hause Novotny-Bruckner?“ fragte er schließlich mit einem gewissen uninteressierten Tonfall in der Stimme.
 

„Ja“, versuchte es Michael, „ich glaube, Jenny fängt an zu sprechen. Immer, wenn sie mich sieht macht sie so ein Paaaa – Ich wette es dauert nicht mehr lange, bis sie „Papa“ sagen kann!“
 

„Mmm… aha… schön…“
 

„Du könntest dich ruhig ein wenig mehr dafür interessieren!“
 

„Jaaaa… Jenny fängt also an zu quasseln… Aber ich würde mir an deiner Stelle keine Hoffnungen machen, ihr erstes Wort wird garantiert „Zivilklage“ sein.“
 

„Mann, musst du immer stänkern?“
 

Brian nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Bier. „Tut mir leid. Aber bei solchen Windelscheiß-Geschichten schaltet mein Hirn auf Selbstschutz.“
 

„Nur weil du Gus frei Haus geliefert bekommen hast!“
 

„Ja… Das war echt von Vorteil.“
 

„Wollt ihr nicht noch ein Kind?“ fragte Michael.
 

Brian verschluckte sich. „Sehe ich etwa wie ne Lesbe in der Midlife-Crisis aus?“
 

„Nicht wirklich. Und schwanger siehst du auch nicht aus, obwohl ich sagen muss…“
 

„Halt bloß die Fresse!“
 

„Nur weil Du nicht mehr total wie an der Grenze zur Magersucht aussiehst?“
 

„Halt die Fresse, Mikey!“
 

„Das Eheleben bekommt dir wohl…“
 

„Ich habe über Weihnachten und mit der Beinverletzung drei Kilo zugenommen! Die sind weg wie nichts!“
 

„Wenn du das sagst… Also kein weiterer Familienzuwachs?“
 

„Nichts geplant. Ich habe meine Gene bereits – ausgesprochen erfolgreich – weiter gegeben. Und nach der Chemo sieht es eh nicht mehr gut aus. Und Justin hat bisher noch nicht die Mösenleckerin seiner Träume getroffen.“
 

„Ihr könntet doch auch adoptieren.“
 

„Warum – sollten – wir? Falls es dir entgangen sein sollte: Ich breche nicht bei der Betrachtung sprechunfähiger Hosenscheißer in entzücktes Kreischen aus und habe auch keinen Kalender mit niedlichen Babyfotos in meinem Büro hängen!“
 

„Ich sag ja nur… Kinder sind doch etwas Tolles – und Du hast doch jetzt Familie.“
 

„Kein Grund einen auf Angelina Jolie zu machen.“
 

„Jaja, schon gut… Sieht Justin das auch so?“
 

„Bisher hat er in meiner Gegenwart noch keine Strampelanzüge gestrickt.“
 

„Ihr müsst es wissen…“
 

„Ja. Allerdings.“
 

„Und sonst so?“
 

„Was?“
 

„Du bist ja wieder zu… Hause, Gott sei Dank. Habt ihr raus bekommen, wer’s war?“
 

Brian orderte mit betont gelangweilter Miene ein weiteres Bier: „Nö. Keine Ahnung.“
 

Michael musterte ihn scharf. Brian log. So gut kannte er ihn.
 

Aber warum?
 

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
 

Justin stieg aus dem Überlandbus. Wie nach jeder dieser Fahrten fühlte er sich, wie mit Kaugummi glasiert. Von zu Hause aus hatte er ein Zimmer in einem mittelständigen Hotel gebucht, die Wohnung hatte er aufgelöst.
 

Morgen würde bei Katlin‘s reinschnuppern und die Hängung seiner aktuellen Gemälde überprüfen.
 

Und er hatte ein Ziel.
 

Wilbur.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

„Kinney.“
 

„Taylor-Kinney, wenn ich bitten darf.“
 

„Hey. Ich arbeite… Mr. Taylor. Du anscheinend nicht, sonst hättest Du nicht schon um halb sechs mehr als einen Drink intus.“
 

„Ich zitiere dich: Nuuur für die Familie, gezeichnet, dein Hoppelhase.“
 

„Oh weh.“
 

„Willst du gar nicht wissen was ich rausbekommen habe?“
 

„Raus damit – ohne dämliche Kosenamen, bitte.“
 

„Okay, okay. Der gute Wilbur war gar nicht so schwer ausfindig zu machen. Er arbeitet halbtags und genehmigt sich offensichtlich danach auch mal einen.“
 

„Nicht zu überhören.“
 

„Und ich armes Provinzei bin da rein zufällig in ihn rein gestolpert… Ich habe ihm so richtig von meinem Frust erzählt. Dass mein Mann mit sonem doofen Betten-Heini rummacht, hinter meinem Rücken… Und, das war echt der Knaller, Wilbur kennt den!“
 

„Ach was.“
 

„Ja… Der muss irre besitzergreifend sein… der arme Wilbur hat’s echt nicht ausgehalten. Immer nur haben… haben… haben… Aber außer Kröten nichts zurück geben wollen… Und null Verständnis für die Befindlichkeiten anderer, der arme Wilbur… Liegt wahrscheinlich daran, dass sein Ex das totale Familien-Trauma hat… Kommt da echt nicht mit klar… Son Nähe-Problem…“
 

„Mir blutet das Herz“, sagte Brian.
 

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Daphne torkelte in ihr Zimmer im Studentenwohnheim.
 

Das konnte doch echt nicht wahr schein.
 

Sie vergrub das Gesicht in den Händen.
 

Nicht jetzt… nicht jetzt…
 

Vielleicht hatte Justin Recht gehabt.
 

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Brian überprüfte die Unterlagen.
 

Diese Büroräume sahen… geeignet aus.
 

Auf nach Toronto.
 

„Ted?“ rief er durch die Sprechanlage.
 

„Brian?“ kam es gedämpft zurück.
 

„Komm an gewetzt. Wir müssen reden.“
 

Brian konnte Teds Aufseufzen förmlich hören, auch wenn die Verbindung gekappt worden war.
 

Brav kam der Ältere zwei Minuten später angetrabt.
 

„Setz dich“, sagte Brian und wies auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch.
 

„Okay… Ist was mit den Whinefourt-Verträgen?“
 

„Wir expandieren.“
 

„Ich weiß… Aber ob das zum gegebenen Zeitpunkt so eine gute Idee ist?“
 

„Ist es nicht. Aber was meinst du?“
 

„Ich weiß nicht… Der Markt wächst zu schnell… Spekulationsblasen entstehen… könnten platzen… Aber was meinst du? Du weißt das?“
 

„Ich habe nicht vor zu expandieren.“
 

„Was?! Die Verträge sind doch unterzeichnet! Wir müssen…“
 

„Und da kommst du ins Spiel, heiß verehrter Trauzeuge.“
 

Ted starrte Brian verständnislos an und zupfte sich am Schlips. „Könntest du mir freundlicherweise mitteilen, was du hier gerade andeuten willst?“
 

„Wir expandieren nicht. Wir tun nur so. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung zu meinem stellvertretenden Geschäftsführer in der Kinnetic-Zweigstelle Toronto.“
 

„Versteh mich nicht falsch. Aber – bist du übergeschnappt?“
 

„Zuweilen kurz davor. Ich will, dass du alles tust, den Aufbau einer Zweigfiliale Kinnetics in Toronto glaubhaft zu organisieren, ohne dass wir zu tief drin hängen.“
 

„Okay. Tut mir leid, Brian. Aber das ergibt nun wirklich keinen Sinn.“
 

„Glaub mir…“, Brian zögerte. Aber Ted war vertrauenswürdig, obwohl er nicht gerade gern darüber sprach. „Whinefourt hat versucht mich zu linken. Nicht geschäftlich – aber persönlich. Und deswegen werden wir jetzt an seinen Nippeln melken, bis was raus kommt.“
 

„Was… was hat er getan?“ fragte Ted.
 

„Ach… Er hat mich super gern. So super gern, dass er mich beinahe das Sorgerecht für Gus gekostet hat.“
 

„Oh Mann, Brian.“
 

„Ja. Oh Mann.“
 

„Und jetzt?“
 

„Expandieren wir… vorerst.“
 

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„Geht es Brian und Gus gut?“
 

„Mmm, ja. Danke der Nachfrage.“
 

„Und dir?“
 

„Ganz okay. Bin gespannt auf die neuen Kritiken.“
 

„Ich kenne deine Bilder gar nicht.“
 

„Kannst dir ja mal was anschauen.“
 

„Das wäre… gut.“
 

„Und bei dir und… Mama?“
 

„Alles… okay. Warum fragst du?“
 

„Bin nur neugierig.“

Märchenstunde

VI. Märchenstunde
 

Lance streckte sich genüsslich auf der Tagesdecke seines Hotelzimmerbettes aus.
 

Brian war… einfach hinreißend. Nicht einer von den Kerlen, die für eine schnelle Nummer alles stehen und liegen ließen und danach nicht mal die Haarfarbe dessen hätten nennen können, den sie gerade gefickt hatten. Wie eine Delikatesse nach all dem Fastfood. Aber er war gebunden.
 

Noch.
 

Er hatte auf den ersten Blick erkannt, dass Brians kleines Blondchen kaum mehr war als eine glänzende Trophäe. Seine Jugendlichkeit mochte beschwingen und im Bett mochte er einiges zu bieten haben – aber gewiss keine Erfahrung. Und als Ehemann… Wie sollte ein Mann wie Brian mit so einem hohlen Früchtchen ein befriedigendes Gespräch führen können? Kannte der überhaupt andere Themen als die neuste Party, die neuste Band, den neusten Designer…? Und Brian bot ihm seit Jahren wohl ein gesichertes Auskommen, da lohnte es sich wohl, den älteren Mann bei Laune zu halten… Zuwendung, hohle Versprechungen… Er kannte das. Wenn das Konto nur prall genug gefüllt war, kamen sie wie die Maden in den Speck, diese Blender. Und Brian, warum hatte er…? Vielleicht hatte er in ihm etwas gesehen, was gar nicht da war, aber er sich ersehnte. War darauf reingefallen. Das passierte auch den Besten, Lance konnte ein Lied davon singen.
 

Doch allmählich schien sich Brian zu besinnen. Oder der andere hatte den nächsten Fressnapf erspäht und zeigte jetzt sein wahres Gesicht. Oder er begann zu merken, dass Brian ihm entglitt…
 

Aber er machte sich keine Illusionen.
 

Brian war schon länger nicht mehr daheim gewesen, bei seinem Sohn.
 

War das auch ein Grund, warum Justin…? War es ihm zu viel geworden, allein mit dem Kind?
 

Er an Brians Stelle hätte so etwas auch nicht an die große Glocke gehängt.
 

Sie mochten einen guten Draht zueinander haben – aber sie kannten sich noch nicht so lange, dass man über so etwas sprach…
 

Der Blonde war auf dem Abmarsch.
 

Gut.
 

Blieb noch das Kind.
 

Lance konnte Kinder nicht ausstehen. Er erinnerte sich an seine Kindheit… das stete Gefühl der Überflüssigkeit, während seine Mutter oder Stiefmutter oder Stiefmutter Nummer Zwei, Drei, Was-auch-immer in Richtung des nächsten Gala-Dinners entschwand. Oder in Richtung des nächsten Ehemanns. Oh ja, er wusste, wie das war mit der Ehe. Einer bezahlte. Der mit dem dickeren Geldbeutel. Die Gegenwart von Kindern erinnerte ihn daran, wie es war, nichts ausrichten zu können.
 

Aber das war lange her. Er war ein Mann der Tat – wie er es Brian gesagt hatte. Er legte die Hände nicht in den Schoss und wartete, bis das Glück ihm hold sein wollte. Er griff danach, darauf war er stolz.
 

Das Kind… Hatte Brian nicht Verwandte, wo es aufwachsen könnte? Schwule Männer und Kinder – was sollte das auch schon. Dafür waren sie nicht zuständig. Wäre wahrscheinlich auch besser für den kleinen Jungen… so könnte er es Brian schmackhaft machen.
 

Aber erst mal Blondi. Der hatte sofort angebissen. Künstlerstipendium… Lance hatte keine Meinung zu solchen Farbklecksern. Kunst langweilte ihn. Überflüssige Zeitverschwendung…
 

Er hatte nur zehn Minuten auf das Gelabere seiner Mutter am Telefon hören müssen, die ja ständig durch die In-Szene New Yorks stöckelte, schon lieferte sie ihm die Idee. Sie war ein bisschen misstrauisch geworden, als er auf einmal echtes Interesse gezeigt hatte. Aber sie hatte ihm dennoch bereitwillig jedes Stipendium für junge Künstler, das wahrscheinlich je vergeben worden war, aufgezählt. Und dieses stand gerade aus. London. Perfekt.
 

Und Brians Nichts von einem Mann war natürlich sofort darauf gestürzt.
 

Er hatte es auch nicht anders erwartet.
 

Jetzt hieß es weitermachen.
 

Er schloss die Augen, stellte sich Brian vor, diese schimmernden Augen, in denen das Licht vielfarbig reflektierte, die stolze Haltung, dieser kleine schiefe Zahn… Vielleicht hatte er schon schönere Männer als ihn gesehen. Mit mehr Muskeln. Ausgeglicheneren Gesichtszügen. Mit Zähnen wie Perlenschnüre. Aber nicht mit diesem… Strahlen? Etwas, das tief aus ihm drang und physisch kaum fassbar war, wenn er in seiner Arbeit aufging… auf der Weihnachtsfeuer war es wie ein Leuchten gewesen…
 

Oder war er nur so betrunken gewesen?
 

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Brian saß auf einem Hocker an der breiten Fensterfront und ließ den Blick über den schneebedeckten Garten, der sich in der Dunkelheit vor ihm ausbreitete, gleiten. Unerschlossenes Land. Aber bald würde der Frühling kommen.
 

Gus saß zu seinen Füßen und puzzelte gedankenverloren mit seinen Legosteinen. Ab und an entfuhr ihm ein leises Glucksen, wenn er eine Idee hatte oder die Steine sich so fügten, wie er es geplant hatte.
 

Justin summte leise irgendetwas, während er seinen Pinsel, einer unsichtbaren Logik folgend, über die Leinwand zog. Es war nicht mehr dieses wilde Toben wie bei Brians Heimkehr, eher wie ein versunkener, lockender Tanz, der Muster herbeirief, Formen und Farben verflocht in einem nimmermüden Rhythmus.
 

Brian schob seine Brille auf seine Nase und widmete sich der Lektüre einer Tageszeitung. Er hatte immer gerne die Nachrichten gelesen, sorgsam von vorne bis hinten, durchdacht und geschrieben von Journalisten, die ihr Handwerk verstanden – nicht diesen Müll, den das Internet gerne ausspuckte. Das Wissen, das er sich so aneignete, war immer ein Vorteil gewesen. Man wusste nie, was man noch brauchen konnte. Und außerdem war es… interessant? Anregend? Irgendwie so. Er hatte Mikey nie verstanden, der sich lediglich für die Klatschseite interessieren konnte. Oder für die Regenbogenpresse. Aber da kam er wohl nach Debb.
 

„Ich bin müde, Papa“, sagte Gus schließlich.
 

Brian schaute auf und legte die Zeitung beiseite. „Soll ich dich ins Bett bringen?“
 

Gus nickte, und er hob ihn hoch.
 

Als er wieder zurück ins Obergeschoss trat, war Justin dabei, in seinem kleinen Chaos-Badezimmer die Pinsel einzuweichen.
 

Das Licht im Atelier war gedimmt.
 

Brian lehnte sich an den Türrahmen und sah zu.
 

Als Justin fertig war, trat er an ihn heran und sah zu ihm hinauf. Sein linker Wimperkranz trug noch immer einen weißen Farbfleck.
 

„Was ist?“ fragte Brian lächelnd. „Soll ich dich jetzt auch ins Bett schleppen?“
 

Justin zwinkerte ihm amüsiert zu und meinte: „Ein sehr verlockender Vorschlag. Aber nur, wenn ich dir dort noch eine Gutenacht-Geschichte erzählen darf.“
 

„Spiele ich eine Rolle darin?“ fragte Brian mit hochgezogener Braue.
 

„Du bist der Prinz in der goldenen Rüstung… hey!“ keuchte Justin, als er sich gepackt und über Brians Rücken geworfen fand. Dann nutzte er die Gelegenheit und ließ seine Rechte unter Brians Hosenbund tauchen, um dort Halt zu suchen. Brian umschlang Justins Hüfte und setzte sich in Bewegung. Die Treppe runter war gar nicht so einfach, aber er verstand es, Haltung zu bewahren, auch wenn Justin nicht die Chance verpasste, ihm kräftig in die Kehrseite zu kneifen.
 

„Aua, ich dachte Künstlerhände seien voller zarter Raffinesse…“
 

„Sei froh, dass ich kein Schlachter bin…“
 

„Will ich mir besser gar nicht vorstellen. Oder? Schlachter? Mit so ‘ner schwarzen Lederschütze?“
 

„Ich sehe nicht gerade aus wie ein Lederbär“, warf Justin ein.
 

„Bei deinen seltenen Leder-Auftritten als männliche Nutte im Namen der Gerechtigkeit oder im Namen der Weihnachtsstimmung warst du doch durchaus überzeugend.“
 

„Ach ja? Sieh an, sieh an… Du stehst da drauf!“
 

„Ich sage ja nur…“
 

„Jaja“, sagte Justin, als Brian die Schlafzimmertür aufstieß und ihn rücklings aufs Bett plumpsen ließ, „gib‘s ruhig zu.“
 

„Naja… Dein Hintern in so ein Teil gequetscht hat schon was…“
 

„Soll ich Morgen losrennen und mir Chaps und nen Harness besorgen…?“ stichelte Justin.
 

„Irgendwie schwer vorstellbar… Aber wenn ich sowas sage, hast Du morgen in einem der leer stehenden Kellerräume einen kompletten Dungeon installiert, also bin ich lieber friedlich.“
 

„Was – Angst?“ provozierte Justin grinsend, während er mit den Beinen Brian an sich zog.
 

„War nie so mein Ding, mir den Arsch versohlen zu lassen“, erwiderte Brian, während er sich hinunter sinken ließ.
 

„Obwohl du es zuweilen echt verdient hast!“ stellte Justin fest und verpasste ihm einen leichten Tritt.
 

„Was habe ich hier losgetreten… Sonnenschein auf dem S/M-Trip?“ fragte Brian und drängte ihn nieder.
 

„Hey, du hast mir doch Mal den Hintern versohlt“, stellte Justin fest, während er begann, sich genüsslich an Brian zu reiben.
 

„Das ist ewig her“, bemerkte Brian, sein Gewicht immer mehr auf den anderen verlagernd, „und war absolut gerechtfertigt.“
 

„Du Prügel-Pädagoge!“ kommentierte Justin eiskalt und leckte seinen Hals entlang.
 

„Gut, dass Mrs. Lennox außer Hörweite ist. Ich würde Gus niemals schlagen. Bei Dir bin ich mir gerade nicht mehr so ganz sicher…“, brachte Brian hervor, schnappte sich Justins Handgelenke und zog sie in fester Umklammerung über seinem Kopf auf die Matratze, dass dieser keuchend ausatmete.
 

„Was?“ fragte Justin und schlug die blauen Augen riesig zu ihm auf, während er sich scheinheilig etwas wehrte. „Wer würde mir denn den Hintern versohlen - mit absolut unkeuschen Absichten? Ich bin doch so ein Unschuldslamm… Wer würde denn so etwas… Schmutziges mit mir machen…? Meine Willenlosigkeit derart unverschämt ausnutzen…?“
 

Brian starrte ihn an, dann verzogen sich seine Lippen zu einem frohlockenden Lächeln. „Du bist so ein verdammtes Luder, Justin!“
 

Justin verzog das Gesicht und blinzelte: „Ein… Luder?! Ich?! Aber warum… warum… sagst du so etwas… Böses zu mir?“
 

„Sonnenschein…“, murmelte Brian warnend und löste seinen Griff.
 

Justin entschlüpfte ihm und drehte sich auf den Bauch, ihn mit verhangenem Blick über die Schulter an starrend. „Na gut“, sagte er dann schicksalsergeben, während das Leuchten in seinen Augen eine andere Sprache sprach, „machen wir eben Kuschelsex, wenn du das gerne möchtest.“
 

Kleiner Mistkerl. Mieser kleiner Mistkerl, dachte Brian, als er den laut lachenden Justin über seine Knie zerrte, seinen eigenen Mundwinkeln befehlend, gefälligst unten zu bleiben. So viel zum Thema Dominanz…
 

Das erstaunliche an Justin war, dass er von einer Sekunde auf die andere umschalten konnte – und Brians Körper darauf wie einem Automatismus folgend reagierte. Eben hatte Justin sich ihm noch völlig ausgeliefert, dann fand er sich selbst niedergedrängt und seiner Sinne beraubt, dass er zu keiner Gegenwehr mehr in der Lage war, nur noch dazu, sich anzubieten und zu betteln und zu fordern und zu drängen, egal nach was… Kein Trick dieser Welt war je dazu in der Lage dazu gewesen, ihm dermaßen jeder Ratio zu berauben. Aber hier brauchte er auch keine Bremse. Es war scheißegal, was jeder andere auf dieser Welt dachte - die hatten ja keine Ahnung… das hier waren nur sie… ausprobieren, ausloten, erfinden, wiederholen, auf die Spitze treiben… Reiz… Vertrautheit… wild… zärtlich… alles…
 

Schwer atmend kamen sie wieder zu sich. Justins Gesicht war in Brians Schulterbeuge vergraben. „Jetzt tut uns wohl beiden der Arsch weh“, murmelte Justin.
 

„Ja. Und das ist deine Schuld!“ brachte Brian hervor, während sein Herz sich allmählich wieder beruhigte.
 

„Diese Nummer ist durch für diesen Abend“, lächelte Justin an seinem Hals. „Jetzt will ich Kuschelsex.“
 

„Was? Du langweiliger Spießer… Aber vorher will ich meine Gutenacht-Geschichte“ sagte Brian und züngelte an seinem Ohr, dass Justin sich wand.
 

„Okay…“, murmelte Justin. „In einer fernen Stadt vor… meiner Zeit, da wurde ein Kind geboren. Nennen wir es… Lancilot. Sein Vater war ein fieser Geldhai, seine Mutter war eine geldgeile Schlampe. Lancilot war der Kronprinz, aber seine Eltern waren sehr beschäftigt. Sein Vater mit Geld scheffeln und junge Weiber heiraten, seine Mutter mit auf Partys rumhängen und reiche Ehemänner abgreifen… Lancilot wuchs bei europäischen Au Pair-Mädchen auf, die scharf auf New York – aber nicht auf ihn - waren. Als Lancilot älter wurde, erinnerte sich sein Vater an ihn und bestimmte ihn zu seinem Erben. Lancilot war fleißig und brav, sein Vater war zufrieden mit ihm. Da gab es nur ein Problem. Lancilot wollte einfach keine passende Prinzessin finden. Die eine war ihm zu dick… die andere zu alt… die nächste zu dumm. Heimlich schlich Lancilot los in die verbotenen Tempel der Sünde und hoffte, da keine Prinzessin zu finden – sondern einen Prinzen. Sein Vater erfuhr davon – und heiratete vor Verzweiflung eine zweiundzwanzigjährige Russin mit Namen Katarina. Lancilot fand einen Prinzen. Und noch einen. Und noch einen. Aber keiner war ihm auf Dauer Recht. Denn er verstand nicht, was sie von ihm wollten. Wenn sie „Liebe“ sagten, verstand er nur „Geld“. Das tat ihm schrecklich weh. Und er schrie: Du bist nicht mein Prinz! Du bist eine geldgeile Schlampe! Genau wie meine Mutter und meine Stiefmütter – inklusive der armen Katarina, die davon aber nie etwas erfuhr. Lancilot blieb allein. Dann schickte sein Vater ihn los, auf eine Reise in ein fernes Land, damit er noch mehr Geld scheffeln konnte, um seine abgelegten Weiber zu finanzieren. Und Lancilot brach auf. Er packte seine Siebensachen, seinen Boss-Mantel, seine Gucci-Treter, seinen Prada-Kulturbeutel und zog wacker in ein Land weit, weit fort. Lancilot hatte seine Hoffnungen völlig aufgegeben, da traf er ihn: Den Prinzen in der goldenen Rüstung! Und er war nicht in Wirklichkeit ein armer Bettelknabe, der nur die Krallen nach seiner Kohle ausstrecken wollte. Und er war wunderschön! Und klug! Und er lächelte Lancilot an! Aber der Ritter befand sich in den Fängen eines fiesen blonden Zauberers, der den ganzen Tag nur vor sich hin murmelnd durch sein ausgebautes Dachgeschoss zuckelte und ungeheuerliche Dinge trieb. Der Zauberer hatte einen Gehilfen, einen bösen Zwerg, der ständig seine Aufmerksamkeit wollte, gefüttert, Schlafen gebracht werden oder gar zum Fußball. Lancilot brach es fast das Herz. Er beschloss den armen Ritter in seiner goldenen Rüstung zu erretten. Er erzählte einer guten Fee, dass der Ritter und der Zauberer und der Zwerg nicht gut zueinander gewesen seien. Viel mehr noch – dass der Ritter gefährlich sei für Zwerg und Zauberer. Damit er endlich von ihnen weg könne. Und den Zauberer steckte er in eine Kiste und schickte ihn in ein Land jenseits des Ozeans. Und den Zwerg… Den schickte er auch fort. Vielleicht zu seiner Großmutter, der bösen Hexe? Oder zu seiner anderen Großmutter, der anderen bösen Hexe? Dann wäre der Ritter in der goldenen Rüstung endlich frei. Und Lancilot wäre glücklich. Bis er ihm sein Geld abknöpft, versteht sich.“
 

Brian lag lauschend auf Justins Brust. „Ich mag Geschichten mit Happy-End“, murmelte er.
 

„Kuschelsex?“ wisperte Justin in sein Haar, nicht ganz ohne fiesen Unterton.
 

„Kuschelsex“, bestätigte Brian, dem das keinesfalls entging, und ließ seine Finger in Justins Spalte tauchen, dass diesem ein Aufkeuchen entfuhr „aber so richtig!“
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

„Daphne?“
 

„Ja….“
 

„Mann, ich versuche schon seit Tagen, dich anzurufen! Hatte es schon fast aufgegeben! Was ist denn los!“ rief Justin in Hörer.
 

„Hatte zu tun“, presste Daphne hervor.
 

„Mann, mute Dir doch nicht so viel zu, jetzt da du…“
 

„Ich bin schwanger! Nicht krank!“
 

„Okay… Da bin ich wohl nicht so der Kenntnisreichste…“
 

„Allerdings!“
 

„Willst du dich jetzt am Telefon zoffen? Was ist los mit dir? Mensch, Daph…“
 

Sie atmete schwer durch: „Entschuldige, Justin. Ich bin nur grad etwas von der Rolle.“
 

„Alles okay mit dir und… dem Baby?“
 

„Ja, sie ist gesund.“
 

„Sie?“
 

„Ja.“
 

„Glückwunsch.“
 

„Danke… Aber ich bin jetzt gerade wirklich in Eile…“
 

„Daph!“
 

„Was denn?“
 

„Was geht da vor sich? Irgendetwas ist doch nicht okay, verarsch mich bitte nicht!“
 

Daphne schwieg. Dann sagte sie: „Sie haben das Projekt gestrichen.“
 

„Dein Stipendium?“
 

„Ist flöten. Aber nicht nur. Das ganze Projekt ist im A… Eimer.“
 

„Scheiße. Das tut mir echt leid.“
 

„Ja.“
 

„Was ist passiert?“
 

„Ethik-Komission. Haben den Laden dicht gemacht. Prof. Marissol ist sonst wohin verduftet, bevor sie ihn schnappen konnten.“
 

„Daphne!“ entfuhr Justin. „Wo, zum Geier, steckst du da drin!“
 

Schweigen. „Nichts. Kann ich nicht sagen.“
 

„Daph…“
 

„Nein!“ sie hörte sich an, als würde sie gleich heulen – oder um sich prügeln.
 

„Wir können dir helfen…!“
 

„Danke, Jus, wirklich. Aber das geht im Moment nicht. Ich melde mich, okay?“
 

„Und was willst du jetzt machen?“
 

„Ich brauche ein neues Projekt…“
 

„Schon was in Aussicht?“
 

„Noch nicht…“
 

„Und was ist mit dem Baby…?“
 

„Was soll schon sein?“
 

„Nicht, dass du da Frankensteins Baby ausbrütetest nach dem ganzen Genetik- Sch…“
 

„Nein!“ fuhr Daphne ihn an. „Sie – hörst du – sie! Ist nicht Frankensteins Tochter! Sie ist völlig normal! Völlig gesund!“
 

„Ist ja okay!“ Schweigen. „Hast du schon einen Namen?“
 

„Lilly“, sagte Daphne kurz angebunden.
 

„Das ist… nett… Aber bekommst du das hin – Studium, Baby…?“ fragte Justin besorgt.
 

„Geht schon.“
 

„Und was ist mit dem Vater – kann er nicht helfen?“
 

Daphne schwieg.
 

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Die Knöpfe seines MP3-Players in den Ohren schlenderte Justin durch die langen Gänge des Supermarktes. Es liebte es einzukaufen, die Feinkostabteilung zu durchstöbern, nach Neuigkeiten Ausschau zu halten, das Gemüse oder den Fisch kritisch zu beäugen, während vor seinem inneren Dinge Visionen von dem entstanden, was man daraus machen könne. Und wie es schmecken würde… Es war fast wie der Kauf von Farben, Pinseln und Leinwänden - bloß viel entspannender. Der Einkaufwagen wies bereits gewisse Ähnlichkeiten mit dem Turm von Babel auf. Er nahm ein paar exotische Früchte von einem Ständer. Irgendwelcher unbekannte Kram aus Südostasien… sah aus wie vom Mars… wie das wohl schmeckte? Was machte man damit? Mitnehmen? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, beschloss er und lud ein. Er konnte sich ja später im Internet schlau machen. Er sah sich weiter um. Granny Smith für Brian, der gerade versuchte seine eingebildete Gewichtszunahme rückgängig zu machen…
 

Er hatte gerade zwölf Stück abgezählt und beäugte sie noch einmal kritisch, als eine Hand sich auf seine Schulter legte. Erschrocken fuhr er herum, beinahe seine Beute fallen lassend.
 

„Justin?“ drang es durch das sanfte Schwingen der Jazz Musik, mit der er seine Ohren gegen das Supermarkt-Gedudel abschirmte und die ihn in heitere Einkauflaune versetzte
 

Irritiert starrte er den jungen Mann an, der ihn angesprochen hatte. Es dauerte eine Sekunde, dann stellte sich die Erkenntnis ein. „Oh, hi… Ethan.“ Er rupfte sich die Stöpsel aus den Ohren.
 

„Na, das ist ja Mal ein Zufall! Wie geht es Dir?“ fragte Ethan und lächelte ihn Zähne zeigend an.
 

„Ganz gut“, brachte Justin hervor, während seine Gedanken wirbelten. Für den hatte er Brian sitzen lassen? Er Idiot. Ethan war ja ganz niedlich, hatte ihm das Blaue vom Himmel herunter versprochen, all die Sachen, die er hatte von Brian haben wollen… und der Sex… naja… da war Brian sowieso nie zu schlagen gewesen. Aber es war ihm eine heilsame Lektion gewesen, ohne die er später wohl nicht… Er besann sich: „Und selber? Immer noch wieder zurück im Schränkchen?“
 

„Mann, Justin… du weißt doch, wie das ist!“ antwortete Ethan und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
 

„Eigentlich… nein“, erwiderte Justin etwas schärfer als beabsichtigt.
 

„In der Musikbranche herrschen andere Regeln als auf dem Kunstmarkt. Habe ein paar von deinen Kritiken gelesen – Glückwunsch!“ wechselte Ethan das Thema.
 

„Äh… danke.“ Er hatte sich einen feuchten Dreck um Ethans Karriere geschert, nachdem sie sich getrennt hatten. War er ein mieser Ex-Freund? Aber war das nicht der Job eines Ex-Freunds, mies zu sein? Vor allem, wenn er belogen und betrogen worden war… Brian hatte wenigstens vor seiner Nase Rumgefickt. Wortwörtlich. Juhu.
 

„Und sonst so? Auf Besuch in Pitts? Ich dachte, du seist in New York. Da bin ich eigentlich auch mittlerweile, besuche nur ein paar alte Studienkollegen“, plauderte Ethan.
 

„War ne Zeit in New York, aber nein, ich wohne wieder hier“, antwortete Justin wahrheitsgemäß, die Tüte mit den Äpfeln vor seine Brust ziehend.
 

„Echt? Warum das denn? Die Szene tobt doch im Big Apple!“ stellte Ethan ein wenig zu enthusiastisch für Justins Geschmack fest.
 

„Und ich tobe hier. Mit großen Äpfeln, sogar im Plural“, sagte Justin und hielt seine Tüte mit Brians Lieblingssnack hoch.
 

Ethan lachte auf und entblößte dabei erneut seine strahlend weißen Zähne.
 

Justin besann sich auf seine Manieren: „Und wie läuft es bei dir so?“
 

„Gut. Laufe noch als Semi-Geheimtipp, aber es geht voran. Hab ein paar Solo-Auftritte nächste Woche. Meine erste Platte hat sich ganz gut verkauft, eher in Europa als hier. Besprechungen in Klassik-Zeitschriften. Aber ich kann nicht nörgeln. Planst du eigentlich eine Party?“ fragte er mit Blick auf Justins bis zum Rand vollgestopften Einkaufswagen.
 

„Bei mir ist immer Party… Das ist ein Familieneinkauf“, antwortete Justin kurz angebunden.
 

„Du kaufst für deine Mutter und Molly ein?“ fragte Ethan erstaunt.
 

„Nö…“, murmelte Justin.
 

„Du hast ne eigene Familie?“ fragte Ethan verdattert. „Oh Gott, du trägst ja nen Ehering! Äh… Glückwunsch!“
 

„Danke…“, antwortete Justin so gelassen wie möglich und musste an den Ring denken, den Ethan ihm damals geschenkt hatte. Er hatte ihm ihn um die Ohren gepfeffert. Das hatte er mit diesem hier garantiert nicht vor, denn dieser war echt – in mehr als einer Hinsicht.
 

„Sag schon, wie ist er so?“ fragte Ethan neugierig.
 

„Tja, du kennst ihn ja…“, erwiderte Justin nur und starrte Ethan ins Gesicht.
 

„Was? Wen?“ fragte dieser verwirrt, die störrischen Locken mit der Hand zurück streichend.
 

„Na wen schon?“ versetzte Justin.
 

Ethan starrte ihn verständnislos an, dann dämmerte es ihm: „Du… du hast Brian geheiratet???“
 

„Haargenau“, sagte Justin und spähte in Richtung der Bananen. Gus mochte sie zermust mit ein wenig Nougatcreme. Er auch. Joan weniger. Und Brian hielt diese Speise für eine mittelalterliche Foltermethode.
 

„Aber… aber war er dir nicht ständig untreu?“ hakte Ethan nach.
 

„Eigentlich nicht. Dank dir ist mir das klar geworden“, knallte Justin ihm vor den Latz.
 

„Aber er hatte doch ständig andere Kerle…?“ bohrte Ethan weiter, immer noch ein wenig entgeistert aussehend.
 

„Willst du wirklich diese alten Kamellen wieder aufwärmen? Hatte er. Aber er hat mich deswegen nie belogen. Das kann man von dir nicht gerade behaupten“, hielt Justin dagegen.
 

Ethan schwieg kurz. Dann sagte er: „Hätte sowieso nichts geändert.“
 

„Was meinst du?“ fragte Justin jetzt überrascht.
 

„Weil du ihn geliebt hast, oder? Die ganze verdammte Zeit. Egal, wie viele andere Kerle er gefickt hat. Egal, wie ätzend er sich benommen hat. Aber wahrscheinlich kenn ich da nur die Hälfte der Geschichte.“ Es war keine Frage. Es war eine Feststellung.
 

Justin senkte den Blick. „Mmm, da hast du wahrscheinlich Recht.“
 

„Fandest du das nicht ein wenig unfair mir gegenüber?“ ein gewisser verdrossener Unterton war nicht zu überhören.
 

„Echt Ethan. Es tut mir leid, okay, wenn dich das verletzt. Aber du warst ja auch nicht ganz sauber, wenn wir das genau betrachten. Hinzu kommt, dass ich es damals noch nicht kapiert hatte. Nicht… wirklich.“
 

Ethan musterte ihn „Ja“, sagte er langsam, „dagegen kann man wohl nichts machen. Aber… bist du zumindest glücklich damit?“
 

Justin sah ihn an. Ethan war aufrichtig. „Ja“, antwortete er schließlich, „das bin ich wohl.“
 

Ethan nickte ihm zu. „Das… das freut mich“, sagte er.
 

Justin entspannte sich, er lächelte: „Und du? Wie geht es dir?“
 

Ethan seufzte: „Naja, viel Arbeit. Übungen, Aufnahmen, Konzerte… und der Deal steht ja noch -offiziell bin ich nicht schwul.“
 

„Ich begreife nicht, wie du das aushältst!“ meinte Justin kopfschüttelnd.
 

„Ich muss. Ich will meine Musik. Aber ich will nicht bis an mein Lebensende an Straßenecken spielen müssen“, erwiderte Ethan mit gesenktem Blick. Diese langen Wimpern… ein wenig wie Brians, vielleicht hatte er ihn damals deswegen… aber der Augenausdruck war ein anderer. Er hatte nichts Störrisches, nichts Mutwilliges, hinter dem etwas anderes lauerte wie ein gefangenes Tier…
 

„Das hat Brian dir doch damals eingeimpft“, stellte Justin klar.
 

„War das so offensichtlich? Aber er hatte recht. Arm zu sein ist nicht immer ein Zeichen von Romantik“, hielt Ethan dagegen.
 

Justin hielt lieber den Mund, als er an seine Lebensumstände dachte. Aber er kannte das Gefühl, pleite zu sein und verzweifelt Geld zu brauchen. So war er beinahe bei einer Gang Bang-Party vollgedröhnt im Sling gelandet… oh Gott! Ein Schauder überlief ihn, als er daran dachte. „Stimmt schon irgendwie. Aber diese Heuchelei…“, murmelte er nur.
 

„Und“, wechselte Ethan das Thema, „den ganzen Tag nur damit beschäftigt, deinen Gatten zu betüddeln oder hast du noch Zeit für einen alten Freund?“
 

Justin wollte schon ablehnen, aber dann besann er sich. Es war nichts Falsches daran, ein wenig Interesse an einem Menschen zu zeigen, der ihm mal wichtig gewesen war. Die Wut war verraucht. Und ein wenig neugierig war er inzwischen auch wieder, wie es Ethan so ergangen war. Oder diskreditierte ihn das jetzt als miesen Ex-Freund?
 

„Okay“, sagte er. „Brian ist ein großer Junge und muss nicht betüddeld werden – das würde er sich auch ziemlich verbieten. Wir können ja die Tage nen Kaffee trinken gehen oder so?“ Nicht dass Brian das nicht durchaus zu genießen wusste… solange man es nicht beim Namen nannte…
 

„Super“, sagte Ethan.
 

„Moment, ich gebe dir meine Nummer…“
 

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„Mann, Drew, das ist einfach… ich weiß auch nicht…“ entfuhr Emmet, als er sich gewand um die eigene Achse drehte.
 

„Ja, ist echt schön hier, nicht?“ lächelte der stämmige Football-Star.
 

„Ich bin ja eigentlich ein richtiges Stadtkind. Ich konnte gar nicht schnell genug vom Land verschwinden. Kaum achtzehn und … schwups… weg war ich. Aber das hier ist… Wow. Ein richtiger Wald!“ Emmet lachte ausgelassen.
 

„Ich gehe hier gerne spazieren, wenn ich nachdenken muss. Es ist so… friedlich. Keine Menschen. Nur die Natur. Es tut gut“, bestätigte Drew etwas in sich gekehrter.
 

„Oh schau Mal! Eichhörnchen!“ entfuhr Emmet entzückt und wies ins Geäst.
 

Drew spähte hinüber. „Sie sehen vielleicht ganz nett aus“, meinte er, „sind aber ganz schön zänkische Biester.“
 

„Mmm“, meinte Emmet, „das trifft wahrscheinlich nicht nur für sie zu… Aber was meinst du, wenn du ein Tier wärst, was würdest du sein wollen?“
 

Drew schüttelte zunächst den Kopf, dann überlegte er. „Ich glaube… Ich wäre gern ein Vogel… fliegen zu können wäre schon toll…“
 

„Frei wie ein Vögelchen?“ fragte Emmet.
 

„Ja… ein wenig… der Boden und alles dort hat dann nichts mehr zu bedeuten… und du?“
 

„Ich wäre gern Hauskatze bei Debbie. Ich würde immer ein warmes Plätzchen haben, ständig gekrault werden, mit italienischem Essen vollgestopft werden und müsste mir über meine Figur keine Sorgen machen.“
 

„Das letzte wäre wohl der einzige Zustand zu jetzt…“
 

Emmet lachte: „Stimmt. Und dass Carl mich dann mit ins Bett lassen würde, um zu kuscheln.“
 

„Du willst mit Carl kuscheln?“ fragte Drew amüsiert.
 

„Nicht direkt, obwohl so ein richtiger Bär auch was hat… Aber wem sage ich das…“
 

„Ich bin doch kein Bär! Ich bin ein Vogel, schon vergessen?“
 

„Ein fliegender Bär?“
 

Jetzt musste Drew auch lachen. „Oh Gott, wie sähe das denn aus?“
 

„Auf jeden Fall würden wir dann rohe Steaks ins Futterhäuschen vor Debbs Schlafzimmerfenster stopfen müssen…“
 

„Keine Angst. Ich komme auch ohne einen Fressköder gerne vorbei.“
 

„Möchtest du?“ fragte Emmet.
 

„Was?“
 

„Uns besuchen kommen daheim?“
 

Drew überlegte. „Ich würde Debbie und Carl schon gerne mal wieder sehen… Sie waren damals echt nett zu mir, weißt du, als die ganzen Paparazzi mich belagert haben.“
 

„Das haben sie gerne getan. Sie würden sich bestimmt freuen… Carl wird dich garantiert wegen der letzten Spiele löchern…“
 

„Das ist kein Problem.“
 

„Okay… Dann betrachte dich als eingeladen… Nächste Woche irgendwann?“
 

Drew nickte und betrachtete die schneebedeckten Bäume, die stumm in die Landschaft ragten.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

„Justin! Justin!“
 

„Gus?“ Justin saß auf der Wohnzimmercouch und blätterte in einem Katalog für professionellen Künstlerbedarf, kleine Merkzettel an die Seiten klebend, die etwas Interessantes hergaben. Er hatte den Vormittag über im Atelier gearbeitet, ein wenig an seiner abstrakten Plastik herum gepuzzelt und Firniss auf zwei Leinwänden aufgetragen. Um eins hatte er Gus aus dem Kindergarten abgeholt und sie hatten im Diner zu Mittag gegessen, Debbie einen Besuch abstattend. Zuhause hatte Gus darauf bestanden, draußen im Schnee spielen zu wollen, also hatte Justin ihn in seinen Thermoanzug gestopft, den Brian zähneknirschend heran geschafft hatte. Immerhin war er von Calvin Klein – und nicht von Prada. Gus hätte auch Walmart getragen, etwas, was er sich dringend abgewöhnen sollte, wollte er nicht eines Tages von seinem Vater wegen modischer Verirrungen enterbt werden, dachte Justin in sich hinein grinsend. Brian mochte sich zwar in einigen Punkten auch aus eigenem Entschluss verändert haben – ein Fashion-Victim war und blieb er. Justin konnte sich schon denken, warum – aber was sollte es. Wenn es ihm Spaß brachte… Wenn die Mode Welt die Staatsform einer Diktatur annehmen wollen sollte, würde Brian zu den vordersten Kandidaten gehören… Er selbst hatte nichts gegen gute Kleidung, aber das Label war ihm dabei ziemlich schnurz. Aber die Welt würde schon ganz schön untergehen müssen, bevor sich Brian dieser Meinung anschließen könnte.
 

„Justin!“ kam Gus ins Zimmer gestürzt, eine kleine Matschspur hinter sich her ziehend. Justin warf den Katalog auf den Couchtisch und fing ihn auf, bevor er seine kleinen dreckigen Füße auf den hellen Angora-Teppich setzen konnte. Gus quietschte begeistert und klammerte sich fest. Ergeben ertrug Justin, dass sich die kalten nassen Schuhe jetzt in seine Kehrseite bohrten, um Halt zu finden.
 

„Was ist denn los, Gus?“ fragte er den aufgeregten Jungen.
 

„Komm mit! Ich muss dir etwas zeigen! Du musst mit raus!“
 

Justin musste innerlich lächeln, bemühte sich aber um eine strenge Miene. „Wie heißt das, Gus?“
 

Gus machte kurz ein ratloses Gesicht, dann rief er: „Du musst mit raus – bitte! Bitte! Los! Bitte!“
 

„Naaaa…..?“ machte Justin, nicht locker lassend.
 

Gus musterte ihn jetzt fast beleidigt, dann sagte er: „Bitte, lieber Justin, komm doch mit raus. Ich möchte dir etwas zeigen.“
 

„Gerne, lieber Gus“, antwortete Justin und strich ihm bestätigend übers Haar. Er hätte schwören können, dass der Kleine eine Grimasse gezogen hatte. Da hieß es hart bleiben. Und wenn Gus dachte, er ließe sich weich kochen, dann hatte er sich geirrt. Das hatten schon ganz andere versucht.
 

Er parkte den Jungen neben der Tür, wo er ungeduldig herum hibbelte, und zog sich Schuhe und Jacke über. Kaum war er mit der Hand durch den Ärmel, hatte Gus ihn auch schon geschnappt und zerrte voran, während er sich um einen halbwegs gemessenen Schritt bemühte. Gus steuerte den Bereich vor der Vorderfront an, wo sich wohl irgendwo unter dem Wildwuchs und dem Schnee Blumenbeete befinden mussten. Er deutete stolz lächelnd auf einen Punkt am Boden. Zunächst sah Justin gar nichts, dann zeichnete es sich ab.
 

„Blumen!“ erklärte Gus stolz.
 

„Richtig“, lächelte Justin, „das sind Schneeglöckchen.“
 

„Schneeglöckchen“, wiederholte Gus andachtsvoll und ließ die Information sacken. „Aber ich höre gar nichts?“ fragte er schließlich.
 

„Die läuten auch nicht. Sie wachsen im Schnee und sehen aus wie… nun… kleine Glocken“, erklärte Justin.
 

„Das ist ja Betrug“, stellte Gus fest.
 

„Dafür können die Blumen doch nichts… Menschen haben ihnen diesen Namen gegeben, weil sie sie an diese Dinge erinnert haben“, versuchte Justin die Sache zu klären.
 

„Aha“, meinte Gus, „nennt Papa dich deshalb immer Sonnenschein – obwohl du gar nicht leuchtest und auch nicht am Himmel rumfliegst?“
 

„Äh.. ja… wahrscheinlich…“
 

„Trotzdem unlogisch.“
 

„Die Blumen sind doch dennoch schön, oder?“
 

Gus nickte. Dann fragte er: „Können wir sie pflücken?“
 

„Möchtest du das?“ fragte Justin. „Dann können wir uns drinnen über sie freuen. Aber nur kurz. Denn dann verwelken sie.“
 

Gus schaute ihn mit großen Augen an. „Nein, sie sollen hier bleiben. Aber ist ihnen… nicht kalt?“
 

„Nein. Sie mögen dieses Wetter. Und wir können ja zu ihnen hinaus und uns hier über sie freuen.“
 

„Stimmt!“ Jetzt lächelte Gus wieder. Ein Quietschen war zu hören. Brian schob das Tor zur Auffahrt auf, der altertümliche Zaun hatte keine Fernsteuerung. Kurz darauf parkte er die Corvette auf der Einfahrt und schlängelte sich hinauf. Genau genommen klappte er sich auseinander, das Auto war nicht gerade für Männer seiner Körpergröße maßgeschneidert. Gus hopste auf und nieder und winkte.
 

„Huhu! Papa!“ schrie er.
 

„Nanu?“ fragte Brian und setzte vorsichtig seine Füße auf die Schneedecke, „was treibt ihr denn da?“ Er trat etwas steif zu ihnen hinüber, Justin hätte wetten können, dass seine Zehen schon wieder am Erfrieren waren… unbelehrbar… aber Brian in Landend-Stiefeln… da wahrscheinlich eher nackt…
 

Gus präsentierte stolz seine Entdeckung und Brian blieb nichts anderes übrig, als sich von ihm mit seinen neuesten Erkenntnissen belehren zulassen. Dann zeigte Justin Erbarmen und sagte: „Mir wird ein wenig kalt… Willst du auch mit rein kommen Gus?“
 

„Nein“, sagte der kleine Junge, „ich bleibe noch ein wenig bei den Schneeglöckchen. Dann sind sie nicht so allein.“
 

Gemeinsam traten sie ins Haus, während Gus sich anschickte, um die Blumen Schnee aufzutürmen, um ihnen ein „Zuhause“ zu bauen. Was auch immer die Pflanzen davon halten mochten…
 

Brian schälte sich aus seinem Mantel und konnte es kaum verdecken, wie eilig er es hatte, in die Nähe der nächsten Heizung zu kommen. Während Justin noch seine Schuhe weg stellte, war er bereits Richtung Küche entschwunden, wo er sich, unter dem Vorwand, am Küchentisch seine Verkaufsstatistiken bei einer Tasse Kaffee durchzugehen, an den Heizkörper drängen konnte.
 

Justin folgte ihm, das Offensichtliche ignorierend, und durchstöberte den Kühlschrank nach einem kleinen Snack. „Ich habe Ethan beim Einkaufen getroffen“, sagte er.
 

Brian gab einen Laut von sich, der sich wie ein gleichermaßen Desinteresse wie Verächtlichkeit ausdrückendes „Pfffft“ anhörte.
 

„Ich geh die Tage mit ihm einen Kaffee trinken“, sagte er.
 

„Mmm, ja“, murmelte Brian und wühlte in seinem Aktenberg. „Will Paganini Junior wieder seinen Bogen über deinen Klangkörper streichen?“ fragte er, ohne aufzublicken.
 

„Selbst wenn, würde das wohl keinen Unterschied machen. Er ist kein… schlechter Mensch. Ich schulde ihm nichts. Aber ein paar Worte mit ihm zu wechseln, ist schon okay.“
 

„Wenn du meinst“, sagte Brian und kritzelte unter irgendetwas seine Unterschrift.
 

„Ich wollte es dir nur sagen.“
 

„Hast du ja jetzt... Wo ist dieser dämliche Vertrag…?“
 

„Ja“, seufzte Justin, „habe ich wohl. Ich wollte es dir nur sagen… Es hat nichts mit uns zu tun…“
 

„War das nicht immer mein Spruch?“ erwiderte Brian hart.
 

„Mann, Brian! Du weißt doch, wie ich das meine!“
 

Brian legte den Stift bei Seite und rieb sich die Augen. Ohne Lesebrille war das Aktenwälzen wohl nicht so das reine Vergnügen. „Ja“, sagte er etwas sanfter, „schon okay, Justin.“
 

„Gut“, meinte dieser, Brian fest anschauend.
 

„Und…“
 

„Na, was? Noch mehr Ex-Liebhaber an der Frischfleischtheke getroffen?“
 

„Das musst du gerade sagen… Du hast ja nicht mal vor dem Gemüse halt gemacht! Nein, es geht um Daphne.“
 

„Die glückliche Mama in spe? Darfst du der Patenonkel werden oder was?“
 

„Bisher nicht. Aber…“
 

„Was aber?“ fragte Brian mit noch immer leicht missmutiger Miene.
 

„Ich habe mit ihr telefoniert. Irgendwie… Ich weiß nicht… Irgendwie habe ich ein ganz mieses Gefühl.“
 

„Irgendwas mit dem Baby?“ fragte Brian, jetzt aufmerksam.
 

„Das wohl nicht. Aber sie war total neben der Rolle. Ihr komischer Super-Genie-Prof ist von der Ethik-Komission platt gemacht worden und hat Land gewonnen. Ihr Promotionsprojekt ist zum Teufel. Sie ist ziemlich ausgeflippt, als ich mal angetestet habe, ob das mit dem Baby irgendetwas damit zu tun hat – es ging ja um irgendwelchen Fortpflanzungkram – aber da ist sie total ausgetickt. Und den Vater will sie auch ums Verrecken nicht benennen. Und Hilfe wollte sie auch nicht.“
 

Brian legte nachdenklich den Kopf zur Seite. Dann sagte er: „Du kannst sie nicht zwingen. Wenn sie deine – oder unsere – Hilfe möchte, wird sie sich melden.“
 

„Ja, ich weiß. Aber sie ist meine Freundin. Ich finde es… zum kotzen, dass sie mich nicht lässt.“
 

„Man kann niemanden zwingen.“
 

„Trotzdem Scheiße“, sagte Justin. „Sie heißt übrigens Lilly.“
 

„Wer?“ fragte Brian verwirrt.
 

„Das Baby… Daphnes… Tochter…“
 

„Wie Lilly Monster?“
 

„Mach bloß nicht solche Späße in ihrer Gegenwart!“
 

„Nein danke, dazu erinnere ich mich zu gut an Daphnes letzten tätlichen Angriff.“
 

„Wann war das…? Irgendwann um den Dreh muss sie schwanger geworden sein?“
 

„Ich war’s nicht.“
 

„Schon klar.“
 

„Und was ist mit dir?“
 

„Haha, sehr witzig.“
 

„Naja, du hast sie doch schon einmal…“
 

„Einmal und nie wieder. Und wenn das von daher stammt, wäre das die längste Schwangerschaft der Welt, damit würde sie jede Elefantenkuh schlagen.“
 

„Netter Vergleich.“
 

„Wahrscheinlich kennen wir ihn nicht.“
 

„Bestimmt. Ansonsten wäre er wohl kaum scharf auf Daphne gewesen…“
 

„Oder sone Samenspende von irgendeinem Olympiasieger-Nobelpreisträger?“
 

„Warum denn das, wenn sie uns hat?“
 

„Wohl wahr…“
 

„Hättest du’s gemacht?“ fragte Brian.
 

„Ich weiß nicht“, überlegte Justin, „im Prinzip wohl schon. Wenn auch nicht unbedingt jetzt gleich.“
 

„Mikey hat mich neulich damit genervt.“
 

„Womit?“
 

„Ob wir unsere Familie nicht um mindestens fünf bedürftige Schreihälse aus den Krisenregionen dieser Welt aufstocken wollen.“
 

Justin musste fast lachen bei dem Gedanken daran, wie Mikey das Brian gefragt haben musste – und wie die Reaktion ausgesehen haben dürfte. „Nein, lass mal“, sagte er. „Im Augenblick ist mir Gus vollends genug. Vielleicht ändere ich irgendwann meine Meinung… Haust Du dann ab Richtung Lateinamerika?“
 

„Hätte wenig Sinn – da gibt‘s noch mehr Balgen als hier. Aber warne mich bitte vor, bevor Du hier mit Klein-Anthony aus Trinidad aufkreuzt, damit ich mir vorher eine ordentliche Spritze mit Morphium setzten kann, die mindestens achtzehn Jahre hält.“
 

„Mache ich“, versprach Justin grinsend und gab ihm einen Kuss auf die Schläfe.
 

Brian reckte sich und schlang rückwärtig seine Arme um ihn. „Aber zuerst lösen wir unsere dinglicheren Probleme.“
 

„Die da wären?“ fragte Justin, sich herabbeugend.
 

„Eine mich in deiner Gegenwart immer wieder befallende Enge in meiner Hose – vielleicht könntest du Dir das nachher Mal anschauen, rein aus Vorsicht? Und den guten Lance… Bereit für Phase zwei?“
 

Justin lachte leise: „In beiden Fällen: Ja!“

Showdown im Ambrosio's

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Spaß im Park

XIII. Spaß im Park
 

„Papa! Papa! Wach auf! Papa! Wach auf! Du musst kommen! Papa!“ schrie Gus mit lauter Kinderstimme direkt neben Brians Ohr.
 

„Was? Was?“ schoss Brian aus den Kissen. Er fühlte sich leicht desorientiert. Es war Sonntag, er hatte eine klägliche Hoffnung gehegt, heute etwas länger schlafen zu können als bis sechs. Das war wohl nichts. Elternlos. Und kein Justin da, der mit leiden konnte. Der schnarchte garantiert noch selig auf der breiten Matratze im Loft. Frechheit.
 

„Papa!“ schrie Gus immer noch und zerrte an seinem Oberarm.
 

„Ahhh… Gus… Was ist denn…?“ murmelte er, sich aufrichtend.
 

„Ted und Emmet! Sie kämpfen total laut! Sie haben mich aufgeweckt! Sie schreien! Papa! Bitte! Du musst helfen, sie tun sich noch weh!“ Gus war kurz davor zu heulen.
 

Ächzend rappelte sich Brian hoch. Sechs Uhr und fünf Minuten und schon Massaker im Meerschweinchenkäfig… Er gähnte und zwang sich, auf die Füße zu kommen. Gus schnappte seine Hand und zerrte den noch immer ziemlich willenlosen Brian hinter sich her.
 

Im Kinderzimmer erschallte in der Tat ein infernalisches Geschrei. War das normal für Meerschweinchen? Er hatte keine Ahnung. Justin wüsste das… Oder metzelten die beiden Rosettenmutanten sich gerade in einem endzeitlichen Duell gegenseitig ab…? Und was sollte er da tun? Rein greifen? Bäh… Die bissen ihm wahrscheinlich die Pulsadern durch, welch unwürdiges Ende… Daneben stehen und Wetten abschließen? Den Verlierer mit Rosmarin zum Mittagessen servieren? Beides wohl nicht sehr pädagogisch. Außerdem reichten seine Kochkünste dafür nicht.
 

Er ließ sich auf alle Viere nieder und spähte in den Käfig. Die beiden Pelzviecher waren ineinander verkeilt und quiekten in den höchsten Tönen. Aber nach Kampf sah das eigentlich nicht aus… Ach du Scheiße…
 

„Papa?“ fragte Gus in höchster Anspannung.
 

„Äh… ja…“ brachte Brian hervor, das Szenario immer noch innerlich auswertend.
 

„Du musst was machen!“ forderte Gus.
 

„Also… äh… Gus…“
 

„Sie tun sich weh! Los, Papa!“ feuerte Gus ihn an.
 

„Also Gus“, begann er, „eigentlich kämpfen die gar nicht.“
 

„Was? Aber sie schreien doch so…?“ wunderte sich Gus.
 

„Ja… Aber Du schreist doch auch manchmal, wenn du Spaß hast, oder?“ versuchte Brian sein Glück.
 

„Die haben Spaß? Aber Ted liegt doch voll auf Emmet und hopst auf ihm rum!“ fuhr Gus verständnislos auf.
 

„Jaaaaa… Aber sowas machen erwachsene Leute – keine Kinder – wenn sie Spaß haben wollen…“ Oh Gott, warum er? Und warum, wenn Justin fort war?
 

„Ted und Emmet sind erwachsen?“ fragte Gus.
 

Bei den Originalen hatte er manchmal Zweifel, aber… „Ja, sie sind erwachsen. Meerschweinchen sind viel, viel schneller erwachsen als Menschen. Bei dir dauert das noch ganz, ganz lange!“ Hoffentlich. Wenn Gus mit dreizehn in die Pubertät käme wäre er… zweiundvierzig… oh Gott… und Justin… dreißig… älter als er selbst zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich kennen gelernt hatten…
 

„Aber was machen die denn da?!“ fragte Gus irritiert und richtete seine großen braunen Augen auf Brian. Sein Pyjama überflutete zeitgleich Brians Synapsen mit gefühlten zehntausend breit grinsenden Spongebobs. Er fühlte sich wie Thaddäus. Justin….!?!? dachte Brian verzweifelt.
 

„Äh… sie… äh…“ Gott, ihm fielen so viele Erlklärungen ein, aber keine davon war nur im Entferntesten kindgerecht. „Also… Wenn zwei Lebewesen sich wirklich mögen, sich… lieb haben… – wenn sie erwachsen sind! – dann machen sie das… Wie eine Art Spiel, weißt du? Das bringt ihnen dann Spaß“, versuchte er es.
 

„Aha“, meinte Gus. „Hopst du dann auch auf Justin rum? Oder er auf dir?“
 

„Äh… ja… schon…wohl…“ Justin!!! Wo bist du, wenn man dich braucht! Verdammter Lance, ohne diesen Idioten stände er jetzt nicht allein an der Aufklärer-Front!
 

„Macht ihr deshalb manchmal die Tür zu? Damit ich nicht sehe, wie doof ihr ausseht?“ fragte Gus, logisch schlussfolgernd.
 

„Mmm… ja... manchmal“, gab Brian zu. Von wegen doof…!
 

„Macht ihr dann auch so ein Geschrei?“ wollte Gus wissen.
 

„Also… quieken tun wir nicht…“ Hoffte er zumindest. Nein, war er sich sicher.
 

„Machen das alle Erwachsenen?“ bohrte Gus weiter.
 

„Diejenigen, die wen gefunden haben, mit dem sie das tun können…“
 

„Aha. Dann hopst Opa Russel auf Oma Nathalie rum?“ folgerte Gus.
 

„Wahrscheinlich…“ Das wollte er sich ganz gewiss nicht bildlich vorstellen.
 

„Und Opa Craig und Oma Jennifer…?“
 

Gute Frage. „Vielleicht… Ich weiß nicht… Wie gesagt… Die meisten Leute mögen nicht, wenn man ihnen dabei zuschaut…“ Er nicht unbedingt. Aber die Genannten Gott sei Dank schon.
 

„Oma Joan?“
 

„Nein!“ Schon bei dem Gedanken bekam Brian Würgeanfälle.
 

„Tante Debbie?“
 

„Carl.“
 

„Onkel Michael und Onkel Ben?“
 

„Ja…“
 

„Onkel Ted?“
 

„Hat einen Freund namens Blake.“
 

„Onkel Emmet?“
 

„Keine Ahnung.“
 

„Molly?“
 

„Noch zu jung!“ Hoffte er zumindest – nicht nur für Craig.
 

„James?“
 

„Weiß ich nicht.“
 

„Kommen da die Babys her?“ wollte Gus wissen.
 

„Wie kommst du denn da drauf?“ wollte Brian entgeistert wissen.
 

„Carla im Kindergarten hat gesagt, dass Erwachsene so komische Dinge miteinander machen… und da kommt dann ein Baby bei raus!“
 

„Jaaa… Schon irgendwie…“
 

„Gut!“ meinte Gus. „Machen du und Justin dann bald ein neues Baby?“
 

Brian schluckte. Hilfe!!! „Gus… das geht nicht…“
 

„Warum nicht?!“
 

„Das geht nur mit Mann und Frau… Zwei Männer können kein Baby bekommen…“
 

„Schade“, sagte Gus enttäuscht.
 

„Du hast doch Jenny. Sie ist deine Schwester“, tröstete Brian ihn.
 

„Schon“, meinte Gus. „Aber sie ist ja nie hier. Nicht wie eine richtige Schwester.“
 

„Du besuchst sie doch immer…“
 

„Ja“, sagte Gus, „aber das ist nur Besuch.“
 

„Bist du… traurig deswegen?“ wollte Brian wissen.
 

„Nein. Aber eine richtige Schwester… oder ein Bruder… mit dem ich spielen kann?“
 

Brian seufzte. Die Meerschweinchen waren immer noch eifrig bei der Sache. Bemerkenswerte Kondition, vielleicht lohnte es sich, als Pelzfussel wiedergeboren zu werden. „Es tut mir leid. Aber Justin und ich können keine Kinder bekommen.“ Nicht, dass er verstärkt scharf darauf gewesen wäre. Schon allein der Gedanke…
 

„Das ist aber ungerecht“, befand Gus.
 

„Wahrscheinlich… Aber Gus, wo du gerade von Gerechtigkeit sprichst… Du weißt, dass ich und Justin dem bösen … Mann zeigen wollen, dass er etwas Falsches getan hat?“
 

„Ja“, sagte Gus. „Ihr wollt ihn reinlegen.“
 

„Genau“, lächelte Brian stolz in Hinblick auf die rasche Auffassungsgabe seines Sohnes. „Und du darfst dabei helfen.“
 

„Was soll ich machen?“ fragte Gus eifrig.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

„Echt schon ganz schön abgefahren, dass ihr beide wirklich geheiratet habt!“ meinte Ethan in seinem Kaffee rührend.
 

„Mmm…“ murmelte Justin.
 

„Ich meine… Zusammen sein ist eine Sache… aber gleich heiraten? Mit Ring und allem? Brian erschien mir nicht gerade als der Typ, der auf sowas abfährt?“ bohrte Ethan, immer noch etwas geplättet von der Neuigkeit.
 

„Es ging dabei nicht nur um uns“, stellte Justin klar, „sondern auch um Gus, Brians leiblichen Sohn…“
 

„Ich bin ihm Mal begegnet… auf der Gartenparty“, erinnerte sich Ethan.
 

„Seine Mütter sind… verstorben und haben uns testamentlich das Sorgerecht übertragen“, erklärte Justin.
 

Ethans Augen waren fast rund vor Staunen: „Was… echt? Ihr habt ein Kind? Das ist ja… irgendwie… Glückwunsch! Oder…?“
 

Justin musste Lächeln Angesichts Ethans Verwirrung. „Ich danke dir“, antwortete er.
 

„Mann, das ist ja echt der Hammer… Eine richtige Familie…? Wow… Wie… wie ist das so…?“
 

„Gut“, sagte Justin. „Mag vielleicht nicht jedermanns Sache sein. Aber für uns ist es gut, auch wenn es traurige Ursachen hat.“
 

Ethan lehnte sich zurück: „Ich weiß auch nicht… Ein bisschen beneide ich dich wohl schon… Familie… Wenn ich da an mich denke… Das kann ich mir wohl ziemlich abschminken…“
 

„Naja“, meinte Justin, „du hast dich doch dazu entschlossen, diese Lüge zu leben. Ich kann nur hoffen, dass es das wirklich wert ist.“
 

Ethan senkte den Kopf: „Das kann ich auch nur… Die Musik… Wenn ich spiele, ist alles da. Die Welt ist – komplett…“
 

Justin nickte und nippte an seiner Tasse: „Verstehe ich gut. Wenn ich male, geht es mir nicht anders. Die Frage ist nur: Was ist, wenn man gerade nicht spielt oder malt?“
 

Ethan schluckte: „Im Moment muss es mir das wert sein…“
 

„Aber auf Dauer?“
 

Ethan seufzte: „Ich weiß es nicht. Vielleicht reicht es auch auf Dauer. Was bedeutet dir mehr: Deine Kunst oder deine Familie?“
 

Justin schüttelte den Kopf: „Ich hoffe, mich nie zwischen beiden entscheiden zu müssen. Ohne beides bin ich… wie hast du es formuliert?... nicht komplett. Aber wenn ich wirklich wählen müsste, würde ich mich für Brian und Gus entscheiden. Ohne meine Kunst wäre ich unglücklich. Aber ohne Brian und Gus wäre nicht nur meine Kunst - gar nichts mehr.“
 

„Siehst du“, meinte Ethan. „Die Frage stellt sich mir nicht.“
 

„Sie hat sich dir einmal gestellt, oder? Als du die Wahl hattest zwischen uns und deiner Karriere?“
 

„Nicht so wie dir. Was immer dich und Brian verbindet… Ich weiß nicht… Ich glaube nicht, dass wir das hatten.“
 

Justin schaute in seine Tasse: „Nein, wohl nicht.“
 

„Als ich ihn damals gesehen habe, Brian meine ich – ich glaube, da ist mir irgendwie klar geworden, dass das mit uns nichts werden kann.“
 

„Hattest du so wenig Vertrauen in mich? Klar sieht Brian gut aus, aber…“
 

„Nein, das war es nicht. Du hattest ihn mir ja beschrieben… seine Rumfickerei, seine Unwilligkeit oder Unfähigkeit oder was auch immer sich zu binden… Was du dabei allerdings vergessen hast zu erwähnen war, dass er dich wirklich liebte.“
 

„Das habe ich damals aber durchaus anders gesehen! Wie bist du denn darauf gekommen?“ wollte Justin wissen.
 

„Mag sein, dass du zeitweise die Nase von ihm voll hattest. Und mag sein, dass du es nicht gesehen hast. Aber mir war es irgendwie… klar, obwohl ich es nicht glauben wollte. Du hast ihn abserviert – und ein Typ wie er rennt nach sowas garantiert niemandem hinterher. Dennoch hat er… sich eingemischt…“
 

„Er hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt, dass an Armut nichts Ehrenhaftes sei! Auf mich hat das den Eindruck gemacht, dass er mir nur unter die Nase reiben wollte, wie unrecht ich doch mit meinen Wünschen nach einer vernünftigen Beziehung hatte! Dass er recht hatte – und ich nur ein verblendeter Blödmann sei!“
 

„Ach ja – und wo steht ihr bitte jetzt?“
 

„Es ist ja auch inzwischen eine ganze Weile vergangen…“
 

„Ach Blödsinn. Mag sein, dass er dir auch eins verpuhlen wollte. Aber hätte er sich wirklich die Mühe gemacht, wenn er fertig mit dir gewesen wäre? Wenn du ihm wirklich so scheißegal gewesen wärest, wie du behauptet hast?“
 

Justin dachte nach. „Vielleicht… aber eher unbewusst…“
 

„Und dieser Blick, den er drauf hatte, als du mich mit ihm im Diner getroffen hast! War nicht mal ne Sekunde. Aber da war mir die Sache schon recht klar.“
 

„Und wenn schon… Aber das hätte doch zwischen uns nichts ändern müssen…“
 

„Justin… Brian war nicht der einzige, der diesen Blick drauf hatte. Du magst scheißwütend gewesen sein… aber da war etwas… ich konnte es nicht wirklich fassen… Aber es war da. Und ich konnte gar nichts dagegen machen, obwohl ich es versucht habe… Er war immer irgendwie da…“
 

„Jetzt bin ich noch schuld, dass du mich betrogen hast – oder wie?“ fragte Justin säuerlich.
 

„Nein, das habe ich verbockt. Aber etwas in mir wusste, dass das mit uns auf die Dauer sowieso nicht laufen würde.“
 

Justin lehnte sich zurück und strich sich durchs Haar. Damals war ihm alles so endgültig vorgekommen – war es so offensichtlich gewesen? Aber es stimmte schon, Brian war immer da gewesen. Er hatte sich über ihn geärgert, er hatte ihn vermisst, er hatte gehandelt, auch um Brian zu zeigen, dass er auf dem Holzpfad sei. Wenn Ethan ihn mit irgendeiner romantischen Kleinigkeit überrascht hatte, hatte Justin innerlich gedacht: Siehst du Brian, so geht das, du Idiot! Wenn sie etwas gegessen hatten, hatte er daran denken müssen, was Brian jetzt wohl zu sich nehmen würde und wie er sich wahrscheinlich über irgendetwas mokieren würde. Wenn er sich mit etwas auseinandersetzten musste, hatte er daran denken müssen, was Brians Meinung dazu wohl sein müsste – und manchmal auch, wie Unrecht er wieder damit habe! Und wenn Ethan und er miteinander geschlafen hatten… dann war das nicht Brian gewesen… nicht dieses atemberaubende, völlig kompromisslose Feuer, das, viel zu selten, in eine Zärtlichkeit umschlagen konnte, die wahrhaftig war. Ethan und er… das war eher ein sanftes Köcheln gewesen. Eine Scheibe Brot mit Butter neben einem Silvestermenü am Hof des Zaren… Er hatte gedacht, das müsse so sein… dass es reichen müsse… dass der Preis für das, was Brian ihm gab, einfach zu hoch sei… Und wieder Brian. Brian, der nicht neben ihm im Bett lag, Brian, der um drei Uhr nach Hause kam, den Geruch des Darkrooms oder seines letzten Ficks noch in den Poren, Brian, der die Kaffeemaschine anschaltete…
 

„Verstehst du?“ fragte Ethan. „Du magst darüber den Kopf schütteln, dass ich bereit war, meine Karriere an die erste Stelle zu rücken. Aber es gab auch nichts, was dort stattdessen hätte sein können, auch wenn ich versucht hatte, es mir einzureden. Kann sein, dass ich dich damit belogen habe. Aber ich habe mich selbst auch belogen. Und du dich selbst auch nicht weniger.
 

Justin nickte langsam. „Wahrscheinlich“, sagte er schließlich. „Aber was passiert, wenn du jemanden triffst…?“
 

„Weiß ich nicht. Was auch immer das ist mit dir und deinem – oh Gott – Mann, ich habe so etwas nicht. Nie gehabt. Keine Ahnung, was ich täte. Du etwa?“
 

„Nein… Glaube mir, wenn ich dafür ein brauchbares Gesamtkonzept hätte, hätte ich mir vieles ersparen können.“
 

„Wie mich?“
 

Justin schüttelte den Kopf. „Es ist müßig, darüber nachzudenken. Aber durch dich ist mir einiges klar geworden… Insofern bin ich dir schon dankbar.“
 

„Dass wegrennen nichts hilft?“
 

„Ja. Wenigstens eine Weisheit, die man aus der Sache ziehen kann…“
 

„Wahrscheinlich wie mit meiner Musik… Wenn sie mich hat, dann hat sie mich. Und sie hat mich immer, selbst wenn ich mir noch so sehr die Ohren zustopfe.“
 

„Ja… So ist es wohl….“
 

„Ach, Moment, das hier wollte ich dir noch geben“, sagte Ethan und kramte in seiner Tasche. Er förderte zwei signierte CDs hervor und überreichte sie Justin.
 

Justin nickte anerkennend. „Deine Platten? Wow, ich bin beeindruckt. Und sogar mit Widmung! Die kann ich, wenn du der König der Stargeiger bist, bei Ebay zu Spitzenpreisen verschleudern und mir ein lustiges Leben machen, danke!“
 

Ethan lachte. „Davon bin ich noch weit entfernt. Aber vielleicht magst du mal reinhören?“
 

„Mach ich gerne… Muss nur zusehen, dass Brian mich dabei nicht erwischt.“
 

„Was, wieso das denn?“
 

„Ich musste ihm versprechen, in seiner Gegenwart nie wieder Geigenmusik zu hören…“
 

Ethan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Und du hast echt geglaubt…? Ach was, aber schon auf eine schmeichelhafte Weise durchaus witzig…“
 

„Wie man‘s nimmt.“
 

„Weiß er eigentlich, dass wir uns hier treffen?“ wollte Ethan wissen.
 

„Ja, ich habe es ihm gesagt. Ich könnte das nicht hinter seinem Rücken tun. Es mag ihm nicht unbedingt supertoll gefallen, aber er vertraut mir. Und das kann er auch ohne jeden Zweifel.“
 

„Dann hat sich bei euch ja wirklich so einiges geändert“, konnte Ethan es sich nicht verkneifen zu sagen.
 

„Hat es“, erwiderte Justin nur kurz angebunden.
 

„Auch mit dem Kind…?“
 

„Ja, Gus.“
 

„Ihr seid jetzt… sowas wie seine Eltern?“
 

„Wir sind seine Eltern.“
 

„Schon heftig… Die Fürsorge für ein Kind… Aber es soll ja auch toll sein?“
 

„Ist es auch. Wirklich.“
 

Ethan musterte ihn nachdenklich: „Wir mögen unsere… Geschichte haben. Aber es freut mich, dass es dir gut geht. Erzähl mir doch ein wenig von deinen Bildern, die Artikel darüber waren ja sehr schmeichelhaft…“
 

Der Nachmittag verrann, während sie plauderten. Was ihre Professionen anging, teilten sie Erfahrungen und Vorstellungen, so dass die Zeit wie im Flug verging.
 

Wenn ihre Vorgeschichte nicht wäre, dachte Justin, würde er Ethan zumindest in diesem Bereich durchaus freundschaftlich gegenüber empfinden. Vielleicht konnte er das auch so, es tat gut, über die Kunst mit jemandem zu sprechen, der wusste, wie das war… Ethan mochte sich damals nicht gerade durch charakterliche Standfestigkeit ausgezeichnet haben – aber er selbst war auch nicht ehrlich gewesen, da hatte der andere schon recht…
 

Mochte die Vergangenheit ruhen, solange sie hier saßen.
 

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Gus saß auf der Rückbank der Corvette, ordentlich in seinen schon wieder fast zu kleinen Kindersitz gequetscht. Brian parkte ein und wandte sich zu seinem Sohn um. „Alles klar?“ fragte er grinsend.
 

„Alles klar, Papa!“ bestätigte Gus und kicherte schalkhaft.
 

„Dann Mal los – ich sag’s auch nicht dem Weihnachtsmann!“ versprach Brian.
 

„Den hat doch sowieso nur Coca Cola erfunden“, belehrte ihn Gus hoheitsvoll.
 

Brian hob ihn aus dem Sitz. Die kleinen Spikes verursachten ein leises Knacken auf der Eisdecke.
 

Gus legte seine Hand in Brians, und so traten sie in das spiegelnd verglaste Foyer des vornehmen Hotels.
 

Lance entdeckte Brian sofort. Ein Lächeln erblühte auf seinen Zügen. Er hatte sich ordentlich herausgeputzt, ohne dass es allzu gewollt oder übertrieben ausgesehen hätte. Geschmack hatte er, das musste man ihm zugestehen.
 

Brian erwiderte das Lächeln und trat auf ihn zu. Als Lance Gus entdeckte, gefror sein Gesicht einen winzigen Moment, bevor er es wieder unter Kontrolle hatte.
 

„Lance“, rief Brian freudig aus und reichte ihm die Hand.
 

„Brian“, erwiderte Lance, wieder etwas heiterer aussehend.
 

„Lance, darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen? Das ist Gus!“
 

Lance riss sich zusammen und gab dem kleinen Jungen die Hand, der mit riesigen Augen an ihm hing, dass er eine leichte Gänsehaut verspürte. Kinder waren so… klebrig… wussten einfach nicht, wann sie…
 

„Ich bin Mr. Whinefourt“, stellte er sich vor.
 

Gus kicherte. „Das ist aber ein doofer Name!“ konstatierte er heiter. Bevor Lance sich fassen konnte, ergänzte Gus: „Bist du mein neuer Papa?“
 

Lance schnappte erschreckt nach Luft.
 

„Gus“, lächelte Brian und strich ihm über das Haar, ohne das irgendwie weiter zu kommentieren.
 

„Äh… nein, das wohl nicht… Ich bin nur ein Freund deines Vaters“, würgte Lance hervor.
 

Gus musterte ihn: „Macht nichts. Und Papa braucht keine Freunde. Er hat ja mich.“
 

Brian strahlte: „Ja, du bist mein allerbester Freund.“ Er beugte sich hinab und knuddelte den Jungen. „Nicht wahr“, flüsterte er in Gus‘ Ohr, „du bist Papas allerbester Freund.“
 

Gus kiekste und drückte seinem Vater einen feuchten Schmatzer auf die Wange, während Lance irritiert daneben stand. Warum in Dreiteufelsnamen hatte Brian dieses… Kind mitgebracht?!
 

„Dann wollen wir mal“, beschloss Brian, „bereit für unseren Ausflug, Lance?“
 

„Äh… ja…“ Ausflug? Er hatte mit einer Verabredung in Zweisamkeit gerechnet… Aber dennoch, hier ging es um Brian… Er raffte sich auf. „Wo fahren wir überhaupt hin?“ fragte er vorsichtig.
 

„Überraschung!“ strahlte Brian.
 

Lance ergab sich in sein Schicksal, das Beste hoffend.
 

Brian steuerte die Corvette, Gus wieder im Sitz auf der Rückbank, Lance auf dem Beifahrersitz.
 

„Mir ist langweilig, Papa!“ nörgelte der Kleine von hinten, während er mit enervierender Unregelmäßigkeit von hinten gegen Lances Lehne trat. Lance versuchte Nerven zu bewahren. Am liebsten hätte er den kleinen Stinker ordentlich angefahren – aber er vermutete, dass das bei Brian nicht besonders gut ankommen würde.
 

„Möchtest du etwas hören, Gus?“ fragte Brian.
 

„Jaaaa… Ich will Musik!“ kommandierte Gus.
 

„Okay“, antwortete Brian und schaltete die Anlage ein. Lance blieb beinahe das Herz stehen, als plötzlich Kinderlieder, gesungen von einer kreischigen Sopranstimme, in trommelfellzerreißender Lautstärke durch das Auto wummerten. „Wir tanzen, wir tanzen… wie ne Hode Wanzen…!“ hob die Stimme an und Gus fiel in den höchsten Tönen ein, den Takt seiner Tritte noch steigernd.
 

Das erste, schwor sich Lance, was passierte, wenn er und Brian… Dann musste dieses Kind weg, aber sofort! Er schielte zu Brian hinüber. Er schien den Terror überhaupt nicht mit zu bekommen, sondern lächelte nur liebenswürdig, den kleinen schiefen Zahn hinreißend entblößend.
 

Die Fahrt schien sich endlos hin zu ziehen. Wahrscheinlich war es nur eine halbe Stunde gewesen, aber es hätte auch ein Jahr sein können, bis Lance sich wackelig vom flachen Sitz der Corvette hochstemmte. Zunächst realisierte er nicht, wo er war. Dann überkam ihm erneut Grauen. Das konnte doch nicht…
 

Brian hatte seine Brut entfesselt und schlang jetzt voll überschwänglicher Freude den Arm um Lance Schulter. „Ich liebe diesen Ort!“ flüsterte er ihm heiß ins Ohr, dass Lance Herz begann zu klopfen. Gus an Brians Hand sprang aufgeregt auf und nieder.
 

Ein Erlebnispark. Ein Ort voller grauenhaft ungesunder Nahrungsmittel, nutzlosem Blödsinn wie Achterbahnen und vor allem – Kindern! Er konnte ein vieltöniges helles Kreischen gen Himmel steigen hören, als irgendwo vor ihnen eine Wasserbahn in die Tiefe donnerte.
 

Brian nahm seine Hand und zog ihn und Gus wohlgelaunt zum Eingang. Kaum waren sie drin, hatte Gus auch schon einen Sand mit knallrosa Zuckerwatte ausgemacht. Ehe er es sich versah, drückte ihm Brian eine der grausigen Kalorienbomben in die Hand. „Das erinnert mich immer so an meine Kindheit!“ erklärte er freudig, rupfte ein Stückchen ab und ließ es sich mit verklärtem Blick auf der Zunge zergehen, als erlebe er gerade die höchsten Wonnen dieser Welt. Lance konnte nur starren. „Los, probieren Sie!“ forderte Brian ihn auf. Folgsam biss Lance hinein. Das Zeug war abartig süß und schmeckte künstlich. Seine Zähne protestierten schmerzvoll. Brian lachte ihm erwartungsvoll ins Gesicht. „Und?“ wollte er wissen.
 

„Ganz… lecker…“, zwang sich Lance zu sagen, während er verfolgte, wie Brian ein zweites Stückchen verputzte, nicht weniger spektakulär als das erste.
 

„Huch!“ sagte Brian plötzlich. „Gussi… Pass doch auf… Jetzt ist Mr. Whinefourt ganz dreckig…!“
 

„Tschuldigung“, quetschte Gus mit vollem Mund und rosa verschmierten Gesicht heraus.
 

Lance sah sich hektisch um. Gus hatte seine Zuckerwatte gegen seinen Hintern gelehnt, wo eine ordentliche Ladung kleben geblieben war. Auf seiner maßgeschneiderten Anzugshose. Jetzt sah er aus, als wüchsen ihm am Arsch Federn… Brian spähte auf das Schlamassel und puhlte es pflichtschuldig ab. Die plötzliche Gegenwart von Brians Hand auf seiner Kehrseite ließ seinen Verdruss wieder verpuffen.
 

„Dann wollen wir mal“, beschloss Brian. „Wo möchtest du als erstes rein, Gus?“ fragte er seinen völlig in Zuckerwatte garnierten Sohn.
 

„Wasserbahn!“ schrie Gus.
 

„Welche?“
 

„Die ganz große!“
 

Lance spähte auf das angestrebte Fahrgeschäft. Ihm wurde mulmig… das war wirklich hoch… und voller Wasser… „Ich weiß nicht, ob ich…“, protestierte er.
 

„Ach was, Lance! Sie sind doch ein Mann der Tat! Sie scheuen doch keine Risiken! Und wenn Sie Angst bekommen, dürfen Sie sich auch gerne an mir festhalten!“ zwinkerte Brian ihm zu.
 

Dagegen ließ sich schlecht etwas sagen. Dennoch hatte er das Gefühl, im völlig falschen Film zu sein, als der Sicherheitsbügel sich über ihm schloss. Brian hatte sie in die erste Reihe bugsiert, Gus saß direkt hinter ihnen. Der Zug zog an. Leise knatternd stiegen sie immer höher. Lance wurde mulmig. Brian lächelte leicht zu ihm hinüber und ergriff sanft seine Hand. Dann waren sie oben. Und es war wirklich verflucht hoch. Lance fühlte, wie etwas in ihm sich panisch verkrampfte. Aber es gab kein Entkommen. Kurz hielt die Bahn inne, dann rasten sie abwärts. Er war sich nicht sicher, ob er es geschafft hatte, nicht zu kreischen. Spätestens als eine Woge eiskalten Wassers ihn traf, tat er es auf jeden Fall. Er hatte keine Ahnung, wie er den Rest der Fahrt überstanden hatte. Mit zitternden Knien und tropfnass vor sich hin frierend krabbelte er an der Station aus dem Wagen. Brian triefte nicht weniger als er, nur Gus war fast unbeschadet geblieben. Kein Wunder, sie hatten ja auch alles abgefangen…
 

„Herrlich!“ schwärmte Brian und schüttelte sich lachend, dass die Tropfen nur so flogen.
 

„Nochmal, Papa!“ forderte Gus.
 

„Lass uns doch erst mal alles ausprobieren, bevor wir es wiederholen, okay? Papa und Mr. Whinefourt müssen sich auch zunächst ein wenig abtrocknen…“
 

„Okay.“
 

Alles ausprobieren… was… aber abtrocknen… das hörte sich gut an… er fror wie ein armes Schneiderlein…
 

Sie traten in ein wohlig beheiztes Häuschen, das zur Attraktion gehörte. Es war in zwei Teile, je einer für Männer und für Frauen, unterteilt und bot Handtücher sowie Föhne, um sich und seine Sachen wieder trocken zu bekommen. Ein paar Teenager alberten unter der Aufsicht ihres Lehrers herum, Gus setzte sich auf eine der Bänke. Ohne eine Sekunde zu zögern, entstieg Brian seinen nassen Sachen, warf Jacke, Hemd, Hose, Socken und Schuhe von sich, bis er nur noch in seiner Unterhose da stand. Lance Mund wurde trocken… Die Verpackung hatte nicht gelogen… Brians Körper war wunderschön… schlank, mit genau definierten Muskeln, leicht gebräunt – und was sich da abzeichnete… Und neben ihnen saß sein gelangweilt hin und her wippender Sohn und diese dämlichen High School-Schüler… Verdammter Mist… so konnte er hier nicht aus seinen Klamotten… er verkrümelte sich ein Stückchen und schnappte sich Handtücher und Föhn, Brian aus dem Augenwinkel weiter musternd… oh Gott, er wollte… Brian bedachte ihn halb amüsiert halb verschwörerisch mit einem schnellen Blick… oder? Schaute er nur so…? Warum hier…? Bedeutete ihm das was und wollte, dass Lance daran teil habe…? Aber das hier?! Und das Kind! Brian beugte sich hinab, um seine Beine zu trocknen… oh mein Gott…
 

Etwa zwei Stunden später saßen sie an einem Außenheizkörper vor einem kleinen Parkkaffee. Gus tollte auf dem nahe gelegen Spielplatz mit anderen kreischenden Kindern herum. Lance wusste nicht, wie er den „Super Looper“ oder den „Death Fall“ überlebt hatte, aber anscheinend war er doch noch in der Welt allen Irdischen. Brian hatte ihn immer wieder berührt… nichts Weitreichendes… aber nicht bloß freundschaftlich… Er wurde dieses Bild von Brians halbnacktem Körper einfach nicht los. Genauso wie die Schmerzen, die Gus ihm beschert hatte, als er ihm trotzig mit seinen Spikes gegen das Schienbein getreten hatte, als Lance ihm gesagt hatte, dass er noch zu klein für den „Death Fall“ sei. Brian hatte nur nachlässig gelacht, seinem Sohn über den Kopf gestrichen und gesagt: „Gussi… sowas macht man doch aber nicht…“ Das schien „Gussi“ nicht weiter zu beeindrucken…
 

Brian lächelte entspannt vor sich hin und nippte an einem Becher schwarzen Kaffees. „Ein wunderschöner Tag!“ stellte er fest.
 

„Ja…“, stimmte Lance ihm zu. Einiges ja… vieles andere hingegen eher nein. Aber war das nicht um Brians Willen eher zu vernachlässigen…?
 

„Und es bedeutet mir so viel, dass Gus Sie so gerne hat… Vielleicht sollten wir das mit dem „Sie“ endlich lassen…?“
 

Lance räusperte sich: „Gerne, Brian! Gus mag mich…? Ich hatte eher das Gefühl…“
 

„Ach was. Er ist nur ein wenig… lebendig. Du solltest ihn Mal erleben, wenn er jemanden nicht mag!“
 

Das wollte sich Lance besser nicht vorstellen. Das Blondie den kleinen Satansbraten hatte loswerden wollen, konnte er inzwischen bestens verstehen. Was fand Brian bloß an dem?
 

„Ich liebe ihn so… Gus“, fuhr Brian fort, „mehr als alles andere… Ich könnte nicht leben ohne ihn…“
 

Lance starrte Brian an. Was war das in seinem Blick, wenn er seinen Sohn anschaute…? Aber das würde er nicht ertragen! Brian konnte ihn ja immer besuchen fahren… aber bitte ohne Lance. Vielleicht zu seiner Großmutter… Das würde doch schon reichen?
 

„Was hältst du davon, wenn ich dich übernächste Woche, wenn ich wieder hier bin, überrasche, und ich es dann bin, der unseren Ausflug plant…?“ fragte Lance.
 

„Ich habe eine noch viel bessere Idee. Übernächste Woche ist Gus mit seinen Großeltern ein paar Tage verreist. Es ist so einsam in unserem Haus, wenn er fort ist… Möchtest du mich vielleicht besuchen kommen, dann kann ich dich ein wenig rumführen? Und ich habe einen wirklich erstklassigen Whiskey rein bekommen?“
 

Allein mit Brian in dessen Haus… kein Gus… den Whiskey müsste er auch überleben. „Das wäre mir eine große Freude!“ bestätigte Lance wahrheitsgemäß.

Hüttenzauber

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Eklig wäre untertrieben

X. Eklig wäre untertrieben
 

Brian blätterte die Geschäftsberichte durch. Toronto sah gut aus. Absolut plausibel. Echt. Er lächelte. Die Verträge standen.
 

Gut.
 

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„Du wolltest mich sprechen?“ Michael nippte an seinem Bier. Justin saß ihm gegenüber an einem der etwas versifften Tische im Woody’s und betrachtete ihn verhalten.
 

Justin war… vertraut. So viele Jahre war er jetzt schon… da. Erst wie ein impertinenter, unbelehrbarer Schatten. Dann Brians ständiger Begleiter, den er mit aller Macht wollte, immer und immer wieder… obwohl er streng genommen eigentlich gar nicht sein Typ war. Zu jung. Zu blond. Zu… schmal und zierlich. Sein Stalker. Irgendwann Brians… Freund, obwohl er diese Bezeichnung mied, wie der Teufel das Weihwasser. Kein Anhängsel mehr… Und Justins Augen begannen diesen harten Blick zu zeigen, der keine Widerworte akzeptierte. Und irgendwann… Brian liebte ihn… seit wann…? Lange schon. Auch Brian war keine steinerde Eiche – auch er war gefallen, Justin hatte ihn niedergemäht. Wie auch immer. Und an einen Ort gebracht, wo es für ihn, Michael, keinen Platz mehr gab. Michael musterte ihn. Auf den ersten Blick wirkte er wie das Klischee eines blonden Twinks. Wenn da bloß dieser Blick nicht wäre… der jetzt unverwandt auf ihn gerichtet war.
 

„Ja“, sagte Justin langsam und setzte die Bierflasche an die Lippen. Er fing von überall her Blicke, nicht weniger als Brian. „Du könntest etwas tut… nicht für mich – sondern für Brian. Es ist etwas heikel…“
 

Micheal runzelte die Stirn. „Was meinst du?“ wollte er wissen.
 

„Wir wollen verhindern, dass das, was passiert ist, sich wiederholt.“
 

„Verstehe…“, meinte Michael. „Ihr wisst, wer es war.“ Keine Frage, eine Feststellung.
 

Justin schaute ihn schweigend an.
 

Michael seufzte. „Du wirst es mir auch nicht sagen.“
 

„Das ist etwas zwischen Brian und dir“, meinte Justin nur.
 

„Wir waren so lange Freunde…“, hob Michael an.
 

„Ihr seid es noch.“
 

„Da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher… Er vertraut mir nicht.“
 

„Doch, das tut er.“
 

„Aber nicht in dieser Angelegenheit.“
 

„Nein. Du hast dich einfach ein paar Mal zu oft verplappert. Das Risiko ist zu hoch.“
 

Michael musste schlucken. Ein Teil von ihm wollte Justin die Meinung geigen. So direkt auf den Kopf zugesagt tat es ganz schön weh. Und dann auch noch von Justin… Er riss sich zusammen und tat sein Bestes, sein Temperament zu zügeln. Brian brauchte ihn, seine Hilfe. Und er wusste, dass Brian nicht zögern würde, wenn es sich umgekehrt verhielte. Was hatte seine Mutter gesagt…? Das hier könnte eine Chance sein, die Dinge zu richten… aber es würde niemals wieder sein, wie einst.
 

„Was soll ich machen?“ fragte er Justin.
 

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Das Haus lag weitestgehend in Dunkelheit, alles Leben schien gewichen. Justin war im Loft oder trieb sich irgendwo herum. Gus war mit den Petersons für drei Tage an die See gefahren. Der Kamin im Wohnzimmer war kalt.
 

Brian durchlief die Räume, sorgsam immer wieder das Licht hinter sich löschend. Es hatte einiges an Arbeit gekostet, die Spuren von Justins steter Anwesenheit vorübergehend zu verwischen. Der Schnappschuss von der Hochzeit an der Kühlschranktür. Das Familienbild, das Gus für Justin zu Weihnachten gemalt hatte, im Atelier, das jetzt wie leergefegt aussah. An Justins dämlicher Tanzstange war er schier verzweifelt, bis er das verfickte Ding endlich aus der Verankerung hatte.
 

Es war beinahe sechs Uhr. An der Haustür klingelte es.
 

Brian öffnete.
 

„Guten Abend, Mutter, guten Abend John, kommt doch herein…“, begrüßte er seine Anverwandten übertrieben freundlich.
 

Joan verpasste ihm einen scharfen Blick und schob John vor sich durch die Tür, der „Guten Abend, Onkel Brian“ nuschelte.
 

Die beiden legten ab, während Brian sie eingehend musterte. Joan drückte ihm ihre Taschen in die Hand. Auf seine Mutter war Verlass. Sie trug ein graues Kostüm, ihre Haare wirkten wie eine Stahlkappe, in ihren Ohren leuchteten blasse Perlohrringe. Ihr Gesicht war wie eingefroren. Perfekt. John ließ sich noch optimieren. Die Stöpsel eines MP3-Players, die unter seinem mit dem Emblem irgendeiner Metall-Band bedruckten Kapuzenshirt hinaus lugten, waren immerhin ein Anfang.
 

„John?“
 

„Ja, Onkel Brian…“
 

„Hast du kein Kaugummi?“
 

„Doch… Aber Oma sagte, das sei ungehörig…“
 

„Rein damit! Und schön mit offenem Mund kauen, verstanden?“
 

„Jaaaaa, Onkel Brian.“
 

„Dann zeige ich dir Mal dein Zimmer… Willkommen daheim!“
 

Joan verpasste ihnen einen weiteren Blick, der einen Umweg über die Küche nahe legte, um dort ihre Taschen abzuladen.
 

Gegen acht war alles bereit.
 

Mit vornehmen fünf Minuten Verspätung klingelte Lance an der Eingangstür. Im Haus herrschte völlige Ruhe, nur ein angenehmer Geruch nach Essen drang durch die Luft.
 

Brian strich sich ein letztes Mal durch die Haare und warf einen kritischen Blick in den großen Spiegel neben der Garderobe. Er trug eine enge – aber nicht zu enge – schwarze Hose und dazu ein elegant geschnittenes Seidenhemd in dunklem Bordeaux. Zufrieden grinste er. Er sah zum Anbeißen aus, da bestand kein Zweifel… Er beschwor vor seinem inneren Auge das Bild, wie Gus am Beginn ihres… nun ja… „Urlaubs“ Justin um den Hals gefallen war, und spürte ein Lächeln in sich aufsteigen. Er hielt es fest und öffnete die Tür.
 

„Lance!“
 

„Brian…“ Lance Pupillen hatten sich bei seinem Anblick geweitet, Brian hielt den Blick fest und deutete ihm, sein Heim zu betreten.
 

Brian half seinem Gast formvollendet aus dem Kaschmir-Mantel, nicht ohne - rein versehentlich - kurz seinen Nacken zu berühren. Er hörte, wie Lance kurz schneller einatmete. Ja, mein Lieber… du sollst es wollen… so sehr, dass du meinst, den Verstand zu verlieren, wenn du es nicht bekommst.
 

Brian geleitete Lance ins Wohnzimmer und bot ihm einen Drink an, den dieser dankbar entgegen nahm.
 

„Es riecht hier so wundervoll…“, meinte Lance. „Du hast doch nicht etwa gekocht?“
 

Brian hielt sein Lächeln und schüttelte den Kopf: „Dann würde es hier nicht so gut riechen, ich bin ein grauenvoller Koch. Aber ich habe mich um unser leibliches Wohl gekümmert. Essen, weiß du, ist immer etwas Gemeinschaftliches für mich… Es berührt die Sinne…“
 

„Wie die Austern?“ fragte Lance, der den Anblick des diese schlürfenden Brians nur zu gut erinnerte.
 

„Ja“, stimmte Brian zu. „Aber heute Abend gibt es etwas Besonderes… das kann ich dir versprechen…“
 

„Ich kann es kaum erwarten!“
 

Das glaube ich gern, dachte Brian. Aber wie hieß es so schön? Bedenke gut, was du dir wünschst, denn es könnte in Erfüllung gehen…
 

„Aber zunächst kann ich dich ja ein bisschen herumführen, wenn du magst?“
 

„Gerne. Ich würde sehr gerne sehen, wie du lebst.“
 

Brian trat zu ihm und reichte ihm die Hand zum Aufstehen, ohne sie hinterher loszulassen. Das Haus war riesig, Brian gewährte Einblick in die Räume, die er aktuell nutzte oder die ihm besonders vorzeigbar erschienen. Geordnet, luxuriös, aber dezent, schnörkellos, doch mit einem unverwechselbaren Charakter versehen. Lance konnte nicht umhin, Brians Stilgefühl zu bewundern. Ein weiterer Punkt, die den anderen Mann so passend für ihn machten. Lediglich beim Anblick des weitläufigen Kinderzimmers musste er zucken, auch da sie ein grässliches Geschrei begrüßte, als sie eintraten.
 

„Was… was ist das denn?“ entfuhr ihm.
 

„Ach“, beschwichtigte Brian. „Das sind bloß Ted und Emmet, Gus‘ Meerschweinchen.“ Er zog Lance hinter sich her und nötigte ihn damit, den Viechern überflüssige Aufmerksamkeit zu widmen. Lance wandte rasch wieder die Augen gen Brian, der die Tierchen beseligt anlächelte. „Weißt du“, sagte er, „ich liebe Tiere! Das haben Gus und ich auf jeden Fall gemeinsam. Das Haus ist so groß und der Garten erst… Sobald das Wetter besser wird, werden wir den Laden hier beleben. Es gibt so viele Tiere, die unsere Hilfe brauchen, vernachlässigt, verwahrlost… Ein paar Hunde haben hier schon Platz. Und draußen… der Stall ist auch noch völlig ungenutzt… vielleicht Pferde und Ponys, die ein Gnadenbrot brauchen? Oder ein paar Schafe, dann muss man noch nicht mal mehr Rasen mähen.“ Brian lachte über diesen Witz. Lance starrte auf seinen schiefen Zahn. Es war ihm egal, was Brian redete, wenn er so dabei aussah. Aber ein Zoo… pfui Teufel! Tiere waren zum Essen da, was sollte diese Vermenschlichung? Als hätten sie auch Gefühle… Aber das konnte man ja Brian auch wieder ausreden… Er könnte behaupten, allergisch zu sein… Aber nicht jetzt…
 

„Das hört sich wundervoll an, Brian!“ stimmte Lance zu.
 

„Ja, nicht wahr?“ Wieder so ein Strahlen… „So, jetzt zeige ich dir das Schlafzimmer…“
 

Von unten war ein Bimmeln zu hören.
 

„Was war das denn?“ fragte Lance irritiert.
 

Brian hatte die Hand schon auf der Klinke der Schlafzimmertür, zog sie aber nun zurück. „Später…“ versprach er mit einer Stimme wie ein Hauch, die Lance eine Gänsehaut verpasste. Dann brüllte Brian plötzlich: „Wir kommen schon, Mutter!“
 

Mutter? Mutter? Wie…? Lance entglitten etwas die Züge.
 

„Ach“, sagte Brian, „du musst nicht aufgeregt sein… Ich weiß, vielleicht hätte ich es dir vorher sagen sollen, aber dann wäre die Überraschung ja im Eimer gewesen… Du weißt ja, ich bin ein Familienmensch. Und du…“, er schenkte Lance einen fast verschämten Blick, „stehst mir nahe, deshalb bedeutet es mir viel, wenn du sie kennen lernst – und sie dich! Ich könnte nie mit jemandem…, der sich mit meiner Mutter nicht verträgt! Sie hat auch für uns gekocht… du wirst begeistert sein, unsere Familienspezialitäten!“
 

Lance war hin und her gerissen. Nähe… Bedeutung… das war gut – aber gleich die Mutter? Und was war mit ihrer Zweisamkeit?
 

Er kam nicht recht dazu, sich zu sammeln, da wurde er schon von Brian ins Esszimmer geschoben. Dieser Raum war zuvor noch nie genutzt worden, sie aßen meist in der Küche. Die Einrichtung war funkelnagelneu. Ein geschwungener Esstisch aus hellem, leicht gemasertem Holz, dazu ein Ensemble aus Stühlen im Bauhaus-Stil. Oder waren sie direkt Bauhaus? Die Leuchtkörper, perfekt angepasst. Das Geschirr war von Rosenthal erkannte Lance mit Kennerblick. Das einzig verspielte war ein kleiner Blumenstrauß in der Mitte der Tafel. Gedeckt war für vier Personen. Vier…? War Gus etwa doch hier…?
 

„Lance, darf ich dir vorstellen, meine Mutter, Mrs. Joan Kinney!“
 

„Lance Whinefourt, angenehm, Ma’am“, sagte er höflich und schüttelte der Frau die Hand. Er blickte ihr einnehmend lächelnd ins Gesicht, was seine übliche Wirkung jedoch total verfehlte. Ihre Augen waren eisig und bohrten sich in ihn, ihr Mund war abschätzig nach unten verzogen.
 

„Möge der Herr Ihnen verzeihen, junger Mann“, sagte sie nur.
 

„Äh… ja, danke…?!“ erwiderte Lance etwas verwirrt.
 

„Hol doch bitte John, damit wir mit dem Essen beginnen können“, sagte Joan zu Brian. „Er hat bestimmt wieder diese grässlichen Stöpsel in den Ohren und hört nichts!“
 

„Sicher Mutter“, erwiderte Brian folgsam und entschwand. Lance fand sich mit Joan allein gelassen.
 

Er versuchte es erneut mit einem Lächeln, was sich jedoch als völlig zwecklos erwies. „Es ist schön, Sie kennenlernen zu dürfen, Mrs. Kinney“, versuchte er es.
 

Sie maß ihn erneut mit Blicken. Dann sagte sie: „Es ist besser so. Auf diese Weise kann John sie auch schon einmal kennenlernen.“
 

„John?“ fragte Lance, der allmählich das Gefühl bekam, dass hier irgendetwas deutlich schief lief.
 

„Mein anderer Enkelsohn, Brians Neffe. Er ist vom rechten Pfade abgekommen… Aber wir werden ihm helfen, ganz besonders Brian. Mein Sohn hat die Adoption beantragt, nachdem Johns Eltern so kläglich an ihm versagt haben. Hat Brian Ihnen noch nichts davon erzählt?“
 

„Äh… nein…“, konnte Lance nur hervorbringen. „Vom rechten Pfad…?“
 

„Verwahrloste Kinder tun manchmal schlimme Dinge. Ins Jugendgefängnis hat ihn das gebracht… Diebstahl... Raub… Erpressung… Sie wissen schon… Gut, dass sich Brian seiner annimmt, das ist seine letzte Hoffnung auf Erlösung.“
 

Lance war sprachlos. Hunde, Pferde, Ponys, Schafe und jetzt auch noch ein krimineller Neffe!? Aber er kam nicht dazu, sich zu sammeln, denn in diesem Augenblick betrat ein recht pickeliger Teenager den Raum. Er trug Kleidung, die ihn nach Lance Vorstellung schon aussehen ließ, wie einen Berufsverbrecher, und schmatzte ungepflegt auf einem Kaugummi herum. Er starrte Lance abfällig ins Gesicht und sagte: „Na super, noch so ein Arschficker! Was geht ab, Alter?“
 

„W… wa… was?“ stammelte Lance.
 

„John!“ fuhr Joan dazwischen. „Der Herr sieht es nicht gerne, wenn du solche Wörter benutzt! Entschuldige dich bei Mr. Whinefourt, oder du kannst heute Nacht draußen im Stall schlafen!“
 

John verdrehte die Augen und stopfte seine Hände in die Hosentaschen. „Tut mir echt leid“, sagte er schnodderig und absolut nicht aufrichtig.
 

„Schon gut“, murmelte Lance. Arschficker?! Niemand nannte ihn ungestraft so – diese kleine Ratte würde sich schon noch umsch…
 

„Gut“, meinte Brian, der wieder hinzu getreten war. „Dann lasst uns doch Essen! Lance, setzt dich doch hier hin!“ Brian zog ihm höflich den Stuhl zurück. Die anderen rutschten in ihre Plätze.
 

„Lasst uns beten!“ befahl Joan. Ehe Lance sich versah, hielt er die Hände seiner Nachbarn.
 

„Oh Herr!“ begann Joan. „Wir danken Dir dafür, dass du uns heute hier zusammen geführt hast. Dass du uns Wärme gibst und Speis‘ und Trank! Dass du die Blinden sehend machst, und die Verirrten zurück in die Herde bringst! Wir bitten für all jene, die ein solches Glück nicht miteinander teilen können, wie wir es dank Deiner Gnade das unsrige nennen! Denn wir wissen, wir sind auch nicht ohne Schuld! Habgier und Wollust mögen so manchen aus unserer Runde in Versuchung geführt haben. Wir flehen um deine Vergebung. Lass uns teil haben an deiner Barmherzigkeit und leuchte uns den Pfad! Amen!“
 

„Amen!“ fielen die anderen insbrünstig ein, Lance schaltete eine halbe Sekunde zu spät.
 

„Ich gestehe, oh Herr, mein Herz heute gegen die Not eines armen Bettlers verschlossen zu haben! Nimm meine Reue an und vergib mir!“ führte Joan fort.
 

„Ich gestehe, heute tiefen Zorn verspürt zu haben, als ein Auftrag nicht an Kinnetic, sondern an die Konkurrenz gegangen ist. Der Herr möge mir meine Missgunst vergeben!“ fiel Brian ein.
 

„Okay… Ich habe Dingensda „Arschficker“ genannt… Ist das auch ne Sünde…? Keine Ahnung, egal. Tut mir aber voll leid, oh Herr“, folgte John.
 

Alle Augen richteten sich erwartungsvoll auf Lance. „Äh… Also ich gestehe… Äh… Meiner Sekretärin heute nicht richtig zugehört zu haben, weil ich ihre Liebeskummer-Geschichten langweilig fand…? Vergib mir Herr!“ sog Lance sich aus den Fingern.
 

„Amen!“
 

„Amen!“
 

„Amen!“
 

„Amen!“
 

„Sei doch bitte so gut und hohl die Terrine aus der Küche!“ orderte Joan zu Brian, der sofort aufsprang.
 

John schmatzte auf seinem Kaugummi und bedachte Lance mit einer obszönen Geste, als seine Großmutter kurz nicht hinsah. Lance fühlte sich innerlich leicht gelähmt.
 

Brian stellte die große Suppenschüssel ab, aus der ein merkwürdiger Geruch drang.
 

„Was isn das?“ wollte John wissen.
 

„Omas Spezialsuppe“, erklärte Brian.
 

„Lecker!“ freute sich John. „Warum gibt es sowas Gutes immer nur, wenn wir Besuch haben?“
 

„Weil man seinen Besuch immer mit dem Besten bewirtet, John“, erklärte Brian. „Weil Zuneigung – wie Liebe – nun mal auch durch den Magen geht“, ergänzte er mit einem tiefen Blick auf Lance.
 

Kurze Zeit später starrte Lance irritiert in seinen Suppenteller. Was zur Hölle war das denn…? Und es stank…? Mutig nahm er einen Löffel voll. Oh Gott… das war ja widerlich! Aber er konnte es unmöglich nicht essen.
 

Brian verzog genüsslich das Gesicht. Auch seine Mutter und sein Neffe aßen mit Hingabe.
 

„Ganz köstlich, Mrs. Kinney!“ log er formvollendet. „Was ist es denn?“
 

„Oh“, sagte die Angesprochene emotionslos, „ein altes Familienrezept, noch aus der Zeit der großen irischen Hungersnot in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die auch unsere Vorfahren zur Auswanderung getrieben hat. Algensuppe mit Kutteln.“
 

„Fantastisch! Familientraditionen sollten viel mehr hoch gehalten werden, besonders wenn sie so gut schmecken!“ versuchte Lance zu punkten. Innerlich wollte er kotzen. Kutteln! Das war Pansen! Sowas servierte man vielleicht einem Hund! Himmel, war das Zeug zäh. Und die Algen fühlten sich wie gammeliger Schleim in seiner Kehle an. Er versuchte den Geschmack mit Wasser runter zu spülen, aber es war hoffnungslos.
 

Der nächste Gang sah vielversprechender aus und roch auch besser. Irgendein Eintopf mit Kartoffeln.
 

„Irish Stew?“ fragte er hoffnungsvoll.
 

„Ja“, antwortete Joan, „allerdings auch in unserer Familienvariation.“
 

Lance füllte sich auf. Er erhaschte etwas aus dem Augenwinkel und zwinkerte. Er starrte erneut auf seinen Teller. Es war immer noch da.
 

„Das Stew ist nicht mit Hammel, sondern mit Huhn. Da auch dieses Rezept aus der Notzeit stammt, tue ich traditionell die Teile hinein, die normalerweise nicht verarbeitet werden. Seltsamerweise, denn Sie werden bemerken, wie wohlschmeckend sie sind, besonders in Kombination mit sehr viel Minze. Man kann sagen, dass die Zubereitung dieses Gerichtes mein ganzer Stolz ist!“
 

„Es ist köstlich Mutter!“ lobte Brian begeistert.
 

„Lecker Oma!“ fiel auch John ganz brav ein.
 

Lance schaute zurück auf seinen Teller. Nein, das war wohl doch keine Sinnestäuschung. Da ragte ein Hühnerfuß aus seinem Stew.
 

„Du hast Glück gehabt“, meinte Brian, seinem Blick folgend. „Die Füße sind das Beste!“
 

Das war… das Beste!? Was zur Hölle war denn da noch drin! Wenn er das nicht aß, würde hier Zapfenstreich sein… Brian hatte klar gemacht, dass sein Wohl und Wehe davon abhing. Er linste zu dem anderen hinüber, der gerade mit entzücktem Gesicht auf etwas herum kaute, das wie ein Hühnerherz ausgesehen hatte. Er biss die Zähne zusammen und fing an. Es schmeckte tranig und impertinent nach Minze. Und es war unglaublich fettig, kleine Fettaugen trieben ihn anglotzend an der Oberfläche. Und die Fleischteile waren so zäh, dass ihm beinahe das Gebiss zerbarst. Den Fuß sparte er sich bis zuletzt auf. Gerade wollte er erleichtert aufatmen, dass er das Ekelzeug endlich runter gewürgt hatte, ohne dass die anderen seinen Widerwillen bemerkt hatten, da lud ihm Brian ungefragt einen weiteren von seinem eigenen Teller hinüber.
 

„Warum bekommt der noch einen?“ protestierte John.
 

„Das Beste für den Besuch!“ mahnte Joan.
 

„Genau, hör auf deine Großmutter!“ bestätigte Brian. Dann strahlte er Lance an.
 

„Das… das ist doch nicht nötig, das war doch dein Fuß…“, versuchte dieser sich zu retten.
 

„Keine Widerrede! Du bist der Gast! Du wirst verwöhnt!“ surrte Brian.
 

Lance hatte keine Ahnung, wie er diesen Nachschlag überlebt hatte. Aber irgendwann hatte er es geschafft. Er wollte gar nicht wissen, wie es inzwischen in seinem Magen aussehen mochte. Er wagte schon gar nicht, darüber nachzudenken, was es wohl sein mochte, als John ihm auf Befehl seiner Großmutter unwirsch den Nachtisch vor die Nase knallte. Es sah aus wie Vanille-Pudding, aber eigentlich hatte er die Hoffnung auf etwas Genießbares schon aufgegeben.
 

Er wurde nicht enttäuscht. Nur jahrelange Übung hielt ihn davon ab, sich postwendend zu übergeben. Er hatte nicht geirrt. Es war Vanillepudding. Mit Lachs. Ihm war klar, dass dieser Fisch sehr beliebt in der irischen Küche war. Aber im Pudding! Er hätte ja fast gedacht, dass man ihn hier verarschte, wenn der Rest der Runde diese Scheußlichkeit nicht mit absoluter Begeisterung verdrückte.
 

Er fühlte sich zittrig. Ihm war übel.
 

„Whiskey?“ fragte Brian.
 

„Ja! Bitte!“ war alles, was Lance hervorbringen konnte. Inzwischen war ihm klar, warum die Iren dieses Zeug gern eimerweise in sich hinein schütteten. Anders konnte man diese Küche wohl kaum überleben. Oder sich ausdenken. Wie auch immer.
 

„Hat es Ihnen geschmeckt?“ fragte Joan.
 

„Ganz ausgezeichnet!“ würgte Lance hervor.
 

„War super Oma!“ bestätigte John.
 

„Ja, einfach toll! Ich weiß, dass du stundenlang daran gekocht hast – wir alle danken dir, Mutter!“ meinte Brian.
 

„Kann ich jetzt wieder in mein Zimmer?“ wollte John wissen.
 

„Nichts da, junger Mann!“ fuhr ihn Brian streng an. „Du bist hier, um zu lernen! Und Lance möchte dich schließlich kennen lernen, jetzt, da er ein Teil von uns werden möchte!“
 

Ein Teil von… was? Um Gottes Willen! Er wollte kein Teil dieses… Irrenhauses werden! John formte hinter Brians Rücken erneut das Wort „Arschficker“ stumm mit den Lippen in Lances Richtung.
 

„Gut“, sagte Joan. „Ich habe das Programm ausgesucht. Gehen wir ins Wohnzimmer.“
 

Diese Frau kannte wohl nur Kommandos…
 

„Whiskey?“ fragte Brian.
 

„Ja, bitte!“ konnte Lance nur wiederholen.
 

Stunden später war ihm immer noch schlecht. Das Essen schien sein Körper allmählich verkraftet zu haben, stattdessen war er jetzt völlig betrunken. Der Genuss der „Passion Christi“ von Mel Gibson hatte auch nicht gerade zu seinem Wohlbefinden beigetragen. John hatte jede Gelegenheit genutzt, ihn unbemerkt zu beleidigen. Als ihm schließlich erlaubt wurde, in sein Zimmer zu verschwinden hatte er sich mit einem scheinheiligen Grinsen und den Worten „Gute Nacht, Papa Lance!“ von ihm verabschiedet. Lance hatte ihn in dringendem Tatverdacht, während des Films ständig serienweise stinkende Fürze direkt vor seiner Nase abgelassen zu haben. Eher würde die Hölle zufrieren, bevor er der „Papa“ dieser Missgeburt würde. Oder dieser Rotznase Gus. Allmählich begann er zu begreifen, was Brians blonder Gespiele mit „deine verkackte Familie“ gemeint haben mochte. Joan stand auf und verabschiedete sich, um sich in ihr Zimmer zurück zu ziehen. Wohnte die jetzt auch hier? Inzwischen wunderte ihn gar nichts mehr. Er sah hinüber zu Brian. Dieser lag entspannt ausgestreckt in einem der Sessel und lächelte ihn verträumt an. Er hatte während des Films die oberen Knöpfe seines ihn umspielenden Hemdes gelöst, so dass der obere Teil seiner bronze glänzenden Brust frei lag. Lance musste an den Anblick des fast nackten Brian im Freizeitpark denken. Himmel, war er schön gewesen, begehrenswert… Sein Hirn klinkte kurz aus… Aber dann schaltete es wieder an. Was gab es dazu? Nervtötende Blagen. Ungenießbares Essen. Masochistische Gebete. Ein alterslahmer Streichelzoo. Eine alte Hexe. War es das wert…? Ein Teil von ihm riet zur Vorsicht – oder wollte schreiend davon laufen. Ein anderer Teil jubilierte… Brian wollte ihn… vertraute ihm… Er musste...
 

Er stand auf und trat hinüber zu dem malerisch dahin geworfenem anderen. Er beugte sich herab und legte sanft die Fingerspitzen auf die warme Haut Brians verführerisch entblößter Brust. Brian saß zu ihm hinauf. Seine Augen waren feucht verschleiert, der sinnliche Mund war leicht geöffnet. „Lance…“, sagte er leise.
 

„Brian…“, flüsterte er heiser zurück.
 

Brian umfasste seine tastende Hand und hielt sie fest, hob sie von seiner Haut. „Lance…“, sagte er erneut. Es war etwas Bittendes in seinen Zügen. „Du weißt, dass du mir viel bedeutest?“ fragte er.
 

Lance nickte. Oh bitte… er wollte die Berührung… was war…?
 

„Ich… ich kann das jetzt nicht…“, sagte Brian entschuldigend. „Ich will nicht, dass es… kaputt geht…“
 

„Was?“ fragte Lance, die Augen fest auf Brians Lippen geheftet.
 

„Wir… Dass das mit uns…“, meinte Brian.
 

„Was meinst du?“ flüsterte Lance, in den Anblick versunken.
 

„Ich will das nicht… überstützen. Mit Justin, das war… immer nur Sex, Sex und wieder nur Sex… Ich will nicht, dass es wieder darauf hinaus läuft. Dass wir uns so… erniedrigen… Ich möchte etwas… Wahrhaftiges…“
 

Lance nickte erneut langsam: „Was meinst du?“
 

„Ich will… dass wir es langsam angehen. Nichts überstützen. Uns weiter kennen lernen… Ein paar meiner Familienmitglieder kennst du ja schon, meine Freunde noch gar nicht… Und was ist mit deiner Familie…? Es wäre schön, wenn wir uns… spirituell näher kommen würden… Ich fühle da so eine Verbindung, etwas Unglaubliches… wachsen. Und Sex würde das zu Nichte machen! Ich möchte fürs erste gar nicht… Ich habe mir geschworen… Um das Alte hinter mir zu lassen, neu zu beginnen, frei… und die alten Sünden wieder gut zu machen, vor Gott… dass ich…“ Brian atmete tief durch und schloss die Augen.
 

„Was… was meinst du?“ fragte Lance sanft.
 

„Eine Reinigung… Ich habe es vor Gott geschworen! Ich muss das… ich brauche das… Ich kann jetzt keinen Sex haben, ein Jahr, so lautet mein Deal mit dem großen Schöpfer… Aber das ist auch Zeit, in der etwas anderes wachsen kann… mit uns… wenn du warten kannst?“
 

Ein Jahr?! Spirituelle Nähe?! Deal mit Gott?! Jetzt war es amtlich… Brian hatte ein Rad ab. Es war ja klar gewesen…Da traf er den perfekten Mann – und dann war er irre! Was hatte Blondchen gesagt? Du bist nicht auszuhalten… Oh Gott, das war wirklich nicht auszuhalten. Nie im Leben würde er diesen Zirkus, den Brian seine Familie schimpfte, überleben, wenn er obendrein ihre Nähe nur auf „spiritueller“ Ebene erfahren durfte! Er starrte Brian an. So wunderschön… er wollte, wollte ihn so sehr…
 

„Aber Sex ist doch nichts Schmutziges…“, versuchte er es.
 

„Ich weiß“, meinte Brian. „Aber nach dem, was war, brauche ich das… und ich habe geschworen… Ansonsten sehe ich keine Grundlage… für uns. Ich weiß, das ist viel verlangt…“
 

In der Tat. Zu viel. Die ganze Scheiß-Mühe für die Katz. Lance seufzte. „Ich muss darüber nachdenken“, meinte er. Aber das war gelogen.
 

„Ich verstehe“, meinte Brian und sah ihn warm und dankbar an.
 

„Ich sollte jetzt gehen…“
 

„Bist du sicher? Du kannst auch hier schlafen, einfach nur bei einander liegen…“, lockte Brian.
 

Die Versuchung war groß. Zu groß. Das würde er nicht überleben. Lance schüttelte den Kopf. „Kannst du mir ein Taxi rufen?“ fragte er.
 

„Sicher“, erwiderte Brian.
 

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Brian starrte aus dem Wohnzimmerfenster. Die Rücklichter Lances Taxi waren in der Dunkelheit verschwunden. Ein Luftzug zeigte an, dass jemand in den Raum trat. Das lavendellastige Parfüm verriet ihm wer.
 

„Und?“ wollte Joan wissen.
 

„Perfekt!“ stellte Brian fest. „Und danke für das widerliche Essen.“
 

„Du fandest mein Essen doch sowieso immer widerlich.“
 

„Stimmt. Weil du es mit so viel Zuneigung bereitet hast wie für einen toten Hamster, nicht weil die Zutaten falsch waren. Ausgenommen die Schokoladentorte“
 

„Hast du deshalb immer diesen… Fraß bei den Novotnys in dich hinein gestopft?“
 

„Ja. War zwar meist nur Nudel. Aber das war egal. Aber, Muttilein…“, unterbrach Brian sich selbst und grinste, „dein Fraß mit der geheimen Zutat Rache hat heute wirklich punkten können. Dagegen hätte Debbies Makkaroni-Auflauf nie anstinken können. Das war mit Abstand das Ekelerregenste, das ich je zu mir genommen habe!“
 

„Danke“, meinte Joan nur trocken.
 

„Und dieses Dessert. Hölle, war das… ich weiß auch nicht… eklig wäre untertrieben. Brechreizerregend? Gedärmeumkrempelnd? Toll, einfach toll!“ lobte Brian, fleißig in die Kerbe hauend.
 

„Ich bin ja so geschmeichelt… Hat es denn funktioniert?“
 

„Oh ja! Wie hat es Whinefourt geschafft, nicht auf den Tisch zu kotzen? Also, ich war kurz davor. Respekt. Aber der ist mürbe… glaube mir…“
 

„Was hast du ihm erzählt?“
 

„Dass ich ein Keuschheitsgelübde abgelegt habe… Aber ihn gerne das ganze kommende Jahr rein platonisch ergründen würde…“
 

„Wer glaubt dir denn sowas, bitte?“
 

„Jemand, der mich nicht kennt… Wie du, lange Zeit.“
 

Das stimmte. Brian war in ihrer Gegenwart immer merkwürdig asexuell geblieben. Bis sie ihn mit Justin erwischt hatte. Das war dann nicht mehr so asexuell gewesen…
 

„Und was hast du jetzt vor?“ wollte Joan wissen.
 

„Was wohl? Ich fühle doch so eine innige Verbindung zu ihm… Wie könnte ich ihn da ziehen lassen.“
 

„Brian… Woher hast du das bloß?“
 

„Ich habe bei einer Meisterin gelernt…“
 

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Justin war noch vor dem zweiten Läuten am Telefon.
 

„Brian?“
 

„Ja!“ kam es wohl gelaunt.
 

Justin grinste: „Es ist gut gelaufen.“
 

„Kann man so sage. Bereit für Phase drei?“
 

„Ich bin vorbereitet. Bevor du es sonst wie erfährst: Michael ist mit von der Partie.“
 

„Michael… Aber…“
 

„Keine Panik. Er weiß nur, was er wissen muss. Aber er wird helfen.“
 

„Warum?“
 

„Warum was? Weil er dein Freund ist?“
 

„Wir waren uns nicht besonders grün…“
 

„Euer Bier. Ich springe da garantiert nicht zwischen die Fronten. Aber er will dir helfen – und er wird.“
 

„Mmm… wenn du meinst…“
 

„Es ist sinnvoll.“
 

„Nun gut, du König der Logik… Hoffentlich geht das jetzt rasch über die Bühne.“
 

„Wird schon. Geduld.“
 

„Geduld? Genau das habe ich Lance erzählt. Und das hat ihm wahrscheinlich den Rest gegeben. Ich will mich nicht gedulden. Ich will dich ficken. Und zwar jetzt.“
 

„Wenn dein Schwanz nicht um einige Kilometer zugelegt hat, wird das schwierig.“
 

„Setzt deinen Arsch in Bewegung. Wir treffen uns.“
 

„Äh… ach ja?“
 

„Ich, du, ein siffiges Stundenhotel…?“
 

„So schlimm?“
 

„Ja! Geht es dir etwa besser?“
 

„Naja…“
 

„Lügner!“
 

„Okay! Ich bin schon unterwegs! Wo soll ich hin?!“

Pullover für den Weltfrieden

XI. Pullover für den Weltfrieden
 

Daphne stützte das Gesicht auf den Händen auf. Vor ihr lag das Meer, azurblau mit seichten Wellen vorwärts drängend. Kinder spielten in der Brandung. Der Wind trug ihre Stimmen bruchstückhaft zu ihr.
 

Sie war allein.
 

Sie hatte es sich so ausgesucht.
 

Ja, sie hatte das getan, niemand anderes. Klar, man hatte ihr die Möglichkeit geboten – aber sie hatte ihr erst Form gegeben. Niemand hatte sie gezwungen oder unter Druck gesetzt. Es war eine Idee gewesen. Ihre Idee. Und… es ging. Irgendwie. Sie war selbst überrascht. Damit hatte sie nicht gerechnet, dass es wirklich funktionieren könnte.
 

Man konnte viel in der Theorie aushecken, die Praxis belehrte einen meist etwas Besseren.
 

Aber diesmal nicht.
 

Sie war… wirklich. Lilly. Ihre Tochter. Oder auch nicht.
 

Das Geschlecht… ja… aber der Rest… war nicht von ihr.
 

Weiße Tücher, unachtsam zur Seite gestopft. Perfekt.
 

Sie strich über ihren Bauch. Sie war schon verflucht fett geworden, dabei würde das dicke Ende wortwörtlich noch kommen. Sie rechnete zum tausendsten Male nach. Ende August hatte es begonnen.
 

September – ein Monat. Ein entfernter Gedanke. Das hatte garantiert nicht geklappt…
 

Oktober – zwei Monate. Der Test war positiv gewesen, aber das musste noch lange nichts bedeuten.
 

November – drei Monate. Die frauenärztliche Untersuchung hatte Sicherheit gebracht. Aber sie war noch in der kritischen Phase. Sie glaubte nicht recht daran.
 

Dezember – vier Monate. Die kritische Phase war vorbei. Sie war ungläubig. Ihre Eltern ahnten nichts. Brian hatte es erraten. Sie hatte es Justin gesagt. Wenn er es überhaupt kapiert hatte, er hatte neun Haschkekse intus gehabt. Für jeden Schwangerschaftsmonat einen… wie poetisch.
 

Januar – fünf Monate. Es ging ihr gut. Sie nutzte die Zeit, ihren… Versuch akribisch zu dokumentieren, neben ihrer eigentlichen Arbeit. Manchmal war sie fast sechzehn Stunden am Tag im Labor.
 

Februar – sechs Monate. Oh Gott… dieses Kind würde wirklich geboren werden. Es war nicht mehr irgendein Versuch. Es war ein Mensch. Lilly. Scheiße! Die verkackte Ethik-Komission erwischte sie eiskalt. Keine Freiheit der Forschung mehr in diesem christlichen Land. Marisoll setzte sich ab. Verständlicherweise. Er hatte eigentlich gar nichts gemacht, nur gedacht. Gehandelt hatte sie. Das durfte niemand erfahren! Was würde sonst aus… Lilly? Ein Freak? Ein Forschungsergebnis? Ein gefundenes Fressen für die Regenbogenpresse? Niemals! Sie musste fort, irgendwohin, wo sie in Ruhe nachdenken konnte. Irgendwohin, wo ihr keine Behörden im Nacken saßen… Justin und Barbie begannen zu bohren. Sie konnte es ihnen nicht sagen, obwohl sie nichts mehr ersehnte, als endlich darüber reden zu können. Hilfe… Trost… Aber das ging nicht! Sie musste sicher sein… Lilly beschützen…
 

März – sieben Monate. Sie war in Mexiko. Irgendwie hatte sie Marisoll ausfindig gemacht. Sie hatte es ihm erzählt. Er war fasziniert. Und er war entsetzt. Warum hatte sie das getan, wollte er wissen. Weil es ging? Weil sie… etwas bewirken, etwas sein wollte? Wie dumm. Auf eine ausgesprochen intelligente Art und Weise äußerst dumm. Die Idee hatte die Realität verdrängt. Und jetzt… lebte sie. Wortwörtlich. Lilly war nicht bloß eine Idee. Sie war… Lilly. Ein eigenes Leben. Nicht ihres. Aber sie hatte es geschaffen. Möglich gemacht. Leben…. Sie residierte in einer Urlaubsunterkunft, die normalerweise von Studenten in den Semesterferien heimgesucht wurde. Jetzt trieben sich hier nur ein paar ältere us-amerikanische Ehepaare herum, die mal eine Pause von Florida brauchten. Und sie. Aber ihr Budget neigte sich dem Ende zu. Sie schluckte und griff nach dem Handy.
 

„Willkommen bei Kinnetic, Cynthia Robertson am Telefon. Was können wir für Sie tun?“
 

„Hallo Cynthia…“, Daphne hoffte, dass die andere sich an sie erinnerte. Sie waren sich ein paar Mal begegnet, wenn auch in einem unverbindlichen Rahmen. „Hier ist Daphne, Justins Freundin. Könnte ich Brian sprechen? Es ist dringend!“
 

„Hallo Daphne“, grüßte die andere professionell, „ich stelle dich durch.“ Daphne atmete erleichtert auf. Die Warteschleife dudelte irgendetwas.
 

„Taylor-Kinney?“ kam Brians Stimme.
 

„Hallo Brian… hier ist Daphne…“
 

„Daphne? Justin ist schon total am rotieren, weil du einfach abgedampft bist! Wo zur Hölle steckst du!“
 

„Mexiko… Hör zu Brian, das fällt mir jetzt echt schwer… Aber ich brauche Hilfe…“
 

„Was kann ich tun?“
 

„Ich brauche Geld. Du bekommst es zurück, keine Sorge!“
 

„Daphne – wie fett bist du jetzt genau?“
 

„Ziemlich… wieso…?“
 

„Ich meine, welcher Monat!“
 

„Siebter…“
 

„Du hast jetzt echt andere Sorgen. Und untersteh dich irgendwo als Tellerwäscherin zu arbeiten! Ich habe eine Toilette von Rosenthal und Bettwäsche von Armani und das juckt mich gar nicht! Finanziell meine ich. Also komme bloß nicht auf den Gedanken aus Gründen irgendeines bescheuerten Stolzes, mir ein Darlehen auf zu nötigen. Das hatte ich schon einmal… Ich habe dir Hilfe angeboten und das war ernst gemeint! Nimm die verfluchte Kohle und nie wieder ein Wort darüber. Gib mir deine Kontodaten durch!“ forderte er.
 

Daphne tat wie geheißen.
 

Dann kam es. „Daphne… Du steckst doch irgendwie in der Scheiße! Hast du dir ein Mini-Me geklont oder was?“
 

„Brian…“, antwortete sie gepresst, „darüber kann ich wirklich nicht reden…“
 

„Du willst dein Kind beschützen… Lilly?“ sagte er ihr auf den Kopf zu.
 

Daphne fühlte sich überfahren. „Ja… Woher weißt du…?“
 

„Glaube mir, ich kenne das. Wovor, Daphne?“ fragte er sanft.
 

„Ich will nicht, dass sie vorgeführt wird“, presste sie hervor.
 

„Ich werde jetzt nicht fragen, warum das nötig ist – du allein kennst die Antwort. Aber dir ist schon klar, dass weglaufen nichts bringt? Dass es Menschen gibt, die dir in mehr als finanzieller Hinsicht bereit sind zu helfen – mich eingeschlossen? Und dass du wahrscheinlich Hilfe brauchen wirst, oder willst du allein am Rande irgendwelcher Favelas im Busch deine Leibesfrucht aushusten? Und was dann?“
 

„Brian, ich weiß!“ Sie schluchzte beinahe. „Ich habe echt Scheiße gebaut… Ich dachte, dass es sowieso nicht klappen würde, nur ein Beweis für eine Theorie, ein Test… Aber dann war sie plötzlich da. Sie ist… wirklich! Sie ist ein… ein Mensch! Sie hat einen Namen! Irgendwie hat es sich verselbstständigt…“
 

„Und was wird das dann? Ein super Designer-Baby, das bereits am Tag der Geburt acht Fremdsprachen spricht und mit drei den Nobelpreis gewinnt? Oder eine Kampfmaschine, die auszieht, Tokio zu verwüsten?“
 

„Nein!“ fiel ihm Daphne ins Wort. „Nein… Lilly ist völlig normal… Keine Superkräfte!“
 

„Wo ist dann bitteschön das Problem, wenn du dich nicht anschickst, die Mutti einer Rasse von Übermenschen zu werden? Ach ja, kannst du ja nicht sagen… Aber irgendwann wird es raus kommen, oder?“
 

„Vielleicht…“, antwortete Daphne zögerlich. „Aber es nichts Offensichtliches… Lilly kann ein ganz normales Leben führen, niemand wird je darauf kommen, dass…“ Sie verstummte.
 

Brian runzelte die Stirn. Was zur Hölle hatte Daphne getan? Zunächst brauchte sie Hilfe – aber die war sie nun leider nur recht eingeschränkt bereit zu akzeptieren aus Sorge um ihr Kind. „Daphne“, sagte er schließlich. „Wir sind hier. Was immer es ist, in das du dich da rein geritten hast, wir sind da. Aber ich kann dich auch nicht in einen Sack stecken und zu deinem Glück zwingen. Überlege dir, was du willst und was für… Lilly das Beste ist. Wenn du irgendetwas brauchst, egal was, melde dich gefälligst!“
 

„Mache ich… Danke, Brian!“ erwiderte sie aufrichtig.
 

„Wann geht der Spaß den überhaupt in die Endrunde?“
 

„Was…?“
 

„Wann beschenkst du die Welt mit deinem neuen Erdenbürger der besonderen Art?“
 

April – acht Monate.
 

Mai – neun Monate.
 

„Ende Mai, Anfang Juni ist es soweit.“
 

„Ich vermute Mal, du legst keinen besonderen Wert auf eine Baby-Party?“
 

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Es hatte begonnen zu tauen. Die Rasenfläche des kleinen Parks nahe Jennifers Heim war eine einzige Matschwüste, aus der sich in heiterem Trotz bunte Krokusse erhoben und vom nahenden Frühling kündeten.
 

Sie saßen neben einander auf der Bank und verfolgten eine Schar Meisen, die sich hektisch um einen Futterknödel stritten.
 

Jennifer musterte ihren Ex-Mann aus dem Augenwinkel. Er saß entspannt zurück gelehnt neben ihr. Seine Züge zeigten ein leichtes Lächeln, das keine besondere Ursache außer eines diffusen Wohlbehagens zu haben schien. Sie fühlte es auch. Friedlich. Und gut. Sie saßen hier nicht, weil sie es mussten, sondern weil sie es wollten. Niemand erwartete etwas von ihnen. Und sie selbst… keine hochgestochenen Visionen vom anderen, die nur enttäuscht werden könnten. Bloß sie.
 

Sie waren viel unterwegs gewesen in der letzten Zeit, in Ausstellungen, im Theater, im Kino in Restaurants, die sie beide schon immer hatten ausprobieren wollen – und hatten geredet. Mal über sich, über das Vergangene und das Jetzt, aber meist über Alltägliches, die Arbeit, die Kinder, das Fernsehprogramm. Egal was es war, sie hatten sich amüsiert. Der Druck war fort. Die Vergangenheit konnte ruhen. Und Craig hatte wieder gelacht, so wie er es als junger Mann getan hatte. Sie fühlte sich leicht, beschwingt.
 

Sie hatte es Tucker sagen müssen. Die Enttäuschung auf seinen Zügen hatte weh getan. Aber nicht weh genug, als dass sie es sich hatte anders überlegen können.
 

Craig rutschte an sie heran und nahm ihre Hand. Sie griff zu. Er musterte sie. Nach ihrem Drogen und Hormon bedingtem Ausrutscher war zwischen ihnen nichts mehr gelaufen… Sie waren auf der Hut. Denn es war da, war einmal ausgebrochen und lauerte hinter der Gelöstheit ihres freundschaftlichen Umgangs. Aber wenn sie… dann wäre es wirklich… nicht bloß…
 

Und was dann?
 

Wollte sie das?
 

Wollte er das?
 

Was konnte werden…?
 

Aber war es nicht müßig, sich darüber Gedanken zu machen? Das würden sie dann schon sehen. Mehr als schief gehen konnte es nicht. Und selbst wenn – sie würden damit umgehen können…
 

„Ich muss wieder zurück zur Arbeit“, sagte Craig.
 

„Ich auch“, erwiderte Jennifer. „Craig?“
 

„Ja, Jen?“
 

„Komm doch heute Abend vorbei, ich koche uns was… Molly ist bei einer Freundin über Nacht…“
 

Er starrte sie kurz an. Sein Mund öffnete sich kurz, als wolle er etwas sagen, dann verschloss er ihn wieder. Schließlich sagte er: „Soll ich etwas mitbringen?“
 

„Du kannst dich um das Dessert kümmern“, meinte Jennifer mit undurchdringlichem Blick.
 

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Ted schaute aus dem Küchenfenster in den Vorgarten. Sein, nein, verbesserte er sich, ihr Vorgarten. Ihr Zuhause. Er hatte so etwas schon einmal gehabt – mit Emm. Bevor alles den Bach hinunter gegangen war – und er alles versaut hatte.
 

Blake montierte hinter ihm einen Küchenschrank. Wegen der Inneneinrichtung hatten sie keine Reibungspunkte gehabt, ihr Geschmack ähnelte sich da. Kein grelles Brimbamborium oder überzogener Designer-Kram, schlicht, funktional und sonst nichts.
 

Der Küchenschrank hinter ihm klinkte in die Halterung. Blake klopfte sich das Sägemehl von der Kleidung und trat von hinten zu ihm, die Arme um Ted schlingend, das Kinn auf dessen Schulter stützend.
 

„Ach, verdammt“, stöhnte Ted.
 

„Was?“ flüsterte Blake in sein Ohr, was sich ausgesprochen angenehm anfühlte.
 

„Es taut… Jetzt haben wir auch noch den Garten am Hals. Kein Schnee bedeckt unsere gärtnerische Schande.“
 

„Mmm, das ist doch schön… Wir können Blumen pflanzen… Und Gemüse anbauen, dass die Nachbarn grün werden vor Neid…“
 

„Mach dir da nicht allzu viele Hoffnungen. Ich befürchte, ich habe den schwarzen Daumen, bei mir geht alles ein. Pflanzen hassen mich.“
 

Blake lachte leise. „Mich lieben sie. Ich werde ein gutes Wort für dich bei ihnen einlegen, das verspreche ich. Und wirst sehen, das wird ganz toll.“
 

„Dir fehlt die Natur?“
 

„Ein wenig. Ich bin ja auf dem Land groß geworden. Nicht dass ich es vermisse, jenseits der Zivilisation zu leben. Aber es tut gut, so von Leben umgeben zu sein… sich darum zu kümmern, ihm Form zu geben… Tief in mir drin trage ich wahrscheinlich unwiederruflich die Bauern-Gene meiner Vorfahren mit mir herum.“
 

„Dann tobe dich nach Herzenslust aus. Der Garten gehört ganz dir!“
 

„Oh, nein, nein, das ist doch unser Garten… Das geht doch nicht, dass du daran keinen Anteil hast.“
 

„Ich könnte mich im Liegestuhl sonnen und dir bei der Arbeit zu schauen?“
 

Blake lachte: „Das würde dir so passen! Du wirst sehen, wir finden schon etwas, was dir auch Spaß macht… Wir könnten einen Häcksler kaufen, dann kannst du deine latent aggressive Haltung der Flora gegenüber produktiv umsetzten.“
 

„So ein Riesenteil, das alles zerschrotet und das die Nachbarn in den Wahnsinn treibt? Das wäre in der Tat gar nicht Mal so scheußlich.“
 

„Siehst du. Wir werden das als perfektes Team in einen Gartentraum verwandeln.“
 

Ted nickte und lächelte: „Ja, Gott sei Dank ist die Aufgabe ja überschaubar. Also in Brians und Justins Haut möchte ich da nicht stecken.“
 

„Die werden doch wahrscheinlich einen Gärtner anheuern.“
 

„Ja, Brian mit einer Heckenschere kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, grinste Ted.
 

„Naja, er ist ja nicht gerade arm dran…“
 

„Wenn er zur Heckenschere greift, stehen die Chancen eher auf Arm ab…“
 

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„Hallo, Lance! Schön dass ich dich erwische – ich habe dir ein paar Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, hast du die nicht bekommen? Egal, jetzt habe ich dich ja endlich!“ plauderte Brian heiter in den Telefonhörer. In der anderen Hand dreht der die kleine Tonscheibe mit Gus‘ Handabdruck, die ihren festen Platz auf seinem Schreibtisch bei Kinnetic gefunden hatte.
 

Jahrelang war er mit Typen konfrontiert gewesen, die sich an seine Hacken zu kleben drohte. Seine Technik, selbige abzusägen, hatte er derweilen perfektioniert gehabt. Hatte in einem speziellen Fall auch nichts genützt… aber naja. Auf jeden Fall hatte er von diesem Sonderfall gelernt, wie man absolut impertinent niemals locker ließ.
 

Eine wichtige Regel lautete: Gib einem Aufriss, der droht, mehr sein zu wollen als ein Trick, nie, nie, niemals deine private Telefonnummer…
 

„Äh… ja… hallo Brian…“, kam Lance Stimme aus dem Hörer. War da etwa ein Hauch schwindender Begeisterung zu hören? Nanu? So was…
 

„Ich wollte dir eigentlich nur sagen, was für ein wundervoller Abend das war. Meine Mutter mag dich, und John wird sich bestimmt bald an dich gewöhnen… Gus hat auch nach dir gefragt! Hättest du Lust mit mir und den Kindern am Freitag in der Halle Schlittschuhlaufen zu gehen, wir könnten auch ein paar Schläger mitnehmen für eine Runde Eishockey… Mein anderer Neffe, Jack würde auch gerne mitkommen und dich kennen lernen…? Er ist zwar ein bisschen ruppig, aber beim Eishockey ist das ja durchaus von Vorteil.“
 

„Äh, Brian, es… es tut mir echt leid, aber ich muss übers Wochenende nach New York, Firmenangelegenheiten…“
 

„Ach, wie schade! Vielleicht können wir ja etwas machen, wenn du wieder da bist… Wir werden uns ja ständig sehen wegen der Expansion und der beiden Kampagnen… Es ist wundervoll, wenn Privates und Geschäftliches so perfekt ineinander greift…“
 

„Ja“, erwiderte Lance gedehnt.
 

„Aber erzähl doch, wie war dein Tag?“ fragte Brian.
 

„Ich… also… wir hatten eine Besprechung mit der mittleren Management-Ebene…“
 

„Aha. Und dann?“
 

„Ich war essen…“
 

„Wo?“
 

„Chinesischen Restaurant… Weiß jetzt den Namen nicht… War ganz ordentlich…“
 

„Wusstest du, dass Hühnerfüße in einigen Gegenden Chinas als ausgemachte Delikatesse gelten? Die wissen schon, was gut ist… Aber wie meine Mutter bekommen die das garantiert nicht hin! Du solltest auch mal von ihrem Kalbshirn-Ragout kosten! Eine Legende, einfach unglaublich! Ich kann sie ja mal fragen, vielleicht macht sie es ja das nächste Mal für dich!“
 

„Deine Mutter soll sich bloß nicht so viel Mühe geben nur wegen mir!“
 

„Ach was, das macht sie gern. Wie gesagt, sie hat dich wirklich ins Herz geschlossen! Sie redet den ganzen Tag nur von dir – nicht dass ich gegen dieses Thema etwas einzuwenden hätte…“
 

„Das ist… nett“, erwiderte Lance schwach.
 

„Wann sehen wir uns? Wir müssen noch einiges wegen der Kampagne besprechen, am besten noch bevor du fliegst.“
 

„Am Mittwoch habe ich ein Zeitfenster.“
 

„Mittwoch passt wunderbar. Ich muss Gus vom Kindergarten abholen, aber dann habe ich noch keine Termine. Gus wird sich freuen, dich zu sehen!“
 

„Das ist…“
 

„Eine Selbstverständlichkeit! Du musst wirklich nicht bescheiden sein – du wächst uns allen sehr ans Herz, besonders natürlich mir!“
 

„Ja… Aber ich habe nicht viel Zeit… Habe abends noch einen Termin…“
 

„Schade, aber Pflicht ist Pflicht. Wir haben es ja auch nicht eilig. Wir haben alle Zeit der Welt… ein ganzes Leben lang… da kommt es auf ein paar Tage ja nicht an“, schloss Brian zufrieden. „Das mit dir… das tut so unendlich gut nach der Sache mit Justin…“
 

„Was ist eigentlich mit deinem Ex?“ fing Lance den Ball auf.
 

Brian schnaubte: „Soweit ich es weiß, treibt er sich rum. Hockt jeden Abend im Woody’s und reißt einen Typen nach dem anderen auf… Ekelerregend!“
 

„Ja… wirklich… Ich muss Schluss machen, wir sehen uns Brian…“
 

„Bis Mittwoch, Lance! Ich freue mich jetzt schon!“ verabschiedete sich Brian freudestrahlend.
 

Er legte zufrieden die Hände vor den Bauch. So weit, so gut. Der einzige Haken an der Sache war es, dass Justin und er sich nur heimlich sehen konnten. Das war von Anfang an klar gewesen, dennoch war es beschissen. Aber jedes Treffen bedeutete ein Risiko. Wenn alles gut lief, würde das Elend aber wünschenswerter Weise bald ein Ende haben. Hoffentlich bevor er vor Geilheit zitterig wurde… Die eigene Handarbeit war da nur eine sehr unbefriedigende Alternative.
 

Das Fax auf dem Schreibtisch begann zu rattern. Brian zog die beiden Blätter, eines mit einem… Bild? und eines mit einer kurzen Nachricht in Justins geschwungener Handschrift, zu sich hinüber und starrte kurz verdattert, bis sein Hirn die Formen richtig deutete.
 

Er las den Text.
 

Sehr geehrter Mr. Taylor-Kinney,
 

anbei mein Rechenschaftsbericht für den heutigen Tag sowie eine grafische Dokumentation meiner Qualifikationen.
 

6:00 gepennt
 

7:00 immer noch gepennt
 

8:00 kurz aufgewacht, daran gedacht, dass du schon seit zwei Stunden wach bist, auf die andere Seite gedreht, weiter gepennt
 

9:00 aufgestanden, müde gewesen von so viel Schlaf, Kaffee gekocht, Würstchen gebraten und verputzt
 

10:00 ins Bad gegangen, Zähne geputzt, geduscht, alle vier Backen rasiert
 

11:00 Skizzen gemacht, zwei für ein Gemälde, zwanzigtausend von deinem Schwanz, Frust geschoben
 

12:00 mir einen runter geholt, immer noch frustriert, Gedanken über das Mittagessen gemacht
 

13:00 ins Diner gegangen, mit Debbie gequatscht, Brandon ganz lieb angelächelt
 

14:00 Supermarkt, für eine Person eingekauft, heute keine Granny Smith, sind mir zu sauer
 

15:00 in den Park gegangen, Skizzen von Passanten gemacht, Ausbeute: drei fette Frauen, zwei schwangere Frauen, ein Rehpinscher mit Perlenhalsband, ein altersschwacher Polizist, vier hässliche Kinder mit Hasenzähnen
 

16:00 zurück im Loft, mit Katlin’s telefoniert, das große Tafelgemälde mit den roten und schwarzen Zacken ist für 15.000 weggegangen – juhu
 

17:00 festgestellt, dass Fernseher kaputt, aus Langeweile die Bedienungsanleitung des Faxes studiert
 

17:15 diesen Brief geschrieben, mit nacktem Arsch aufs Fax gesetzt, Start gedrückt
 

Mit der allergrößten Hochachtung
 

J. Taylor-Kinney
 

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
 

„Oma… Ist das ein Haus?“ fragte Jack staunend an der Hand seiner Großmutter.
 

„Ja, Jack. Das ist Onkel Brians Haus – habe ich dir doch erklärt.“
 

„Er… er wohnt hier…? Das ist alles seins?“ entfuhr Jack fassungslos.
 

„Ja, Jack…“
 

„Oh…“
 

Claire hatte überraschend eine Sonderschicht einlegen müssen. Wahrscheinlich sprang sie so begeistert, um bei ihrer neusten Eroberung in spe, ihrem Boss, punkten zu können. Allerdings vertrug sich diese spontane Arbeitswut nicht besonders mit der Tatsache, dass Jacks Grundschule gegen Mittag aus war und niemand bis zum späten Abend bei ihm sein würde. Keine Gesellschaft, kein Essen und wenn etwas war, er fiel oder… Claire hatte bei Joan angerufen und hatte ihr auf den Ohren gelegen. Joan hatte kurzen Prozess gemacht. Sie hatte bei den Eltern eines Klassenkameraden Jacks angerufen, die mit ihr zusammen in der Kirchengruppe waren und hatte sie darum gebeten, ihren Enkel nach der Schule in Green Tree vorbei zu bringen. Sie konnte darauf wetten, dass sie vor Neugierde geplatzt waren, endlich das Domizil zu Augen zu bekommen, dass Joans schwuler Sohn sein eigen nannte. Denen war garantiert der Unterkiefer ausgehakt im Angesicht der Villa Protz und jetzt waren sie garantiert den Rest des Tages damit beschäftigt, es jedem, der es wissen oder nicht wissen wollte, brühwarm unter die Nase zu reiben, welche Maßlosigkeit Brian hier betrieb. Mochten sie das ihrethalben tun und an ihrer Missgunst ersticken – die war nicht weniger Sünde als Hofart…
 

Und nun stand Jack hier, eine kleine magere Gestalt unter einem überdimensionierten Ranzen, den schon sein grobschlächtiger Bruder benutzt hatte. Ob es Brian passen mochte oder nicht – Jack würde heute mit ihr hier bleiben. Sie hatte sich dazu bereit erklärt, während Justins Abwesenheit auf Gus aufzupassen. Nicht rund um die Uhr, aber so, wie es nötig war. Dennoch hatte sie auch noch zwei weitere Enkel, denen sie gleichfalls verpflichtet war.
 

„Komm“, sagte sie und zog den kleinen Jungen hinter sich her hinauf zur schweren hölzernen Haustür. Gus lugte neugierig durch den Spalt.
 

„Huhu!“ rief er bei Jacks Anblick und winkte aufgeregt.
 

Jack schaute ein wenig verängstigt. „Hallo…“, grüßte er zurück.
 

Als sie eintraten und Jack seine Sachen abgelegt hatte, die weite Eingangshalle hektisch mit Blicken abtastend, besann sich Gus seiner Erziehung. Er baute sich vor seinem Cousin auf, an den er, trotz der zwei Jahre Altersunterschied, bereits heran ragte, und strecke in Imitation Brians die rechte Hand aus. Jack starrte ihn irritiert an. „Du musst meine Hand nehmen“, soufflierte Gus. Jack gehorchte mit offenem Mund. „Guten Tag“, sagte Gus, die Hand des anderen eifrig schüttelnd, „ich bin Gus Taylor-Kinney. Herzlich willkommen! Schön, dich kennen zu lernen! Du bist Jack?“ „Ja…“, stotterte der Angesprochene. „Toll!“ meinte Gus. „Wir können ja zusammen spielen nach dem Essen!“ „Ja… okay“, murmelte Jack, der ziemlich überfahren aussah. Joan betrachtete die beiden. Körperhaltung, Auftreten… trotz einer gewissen Familienähnlichkeit konnte man den Kindern sofort ansehen, wer hier der Kommandeur sein würde und wer das Gefolge. Sie seufzte. Jack war ein liebes Kind… sanft, schüchtern, weich… Da war John ganz anders gewesen. Jack konnte man leicht übersehen, das Schicksal teilte er wohl mit seiner Mutter.
 

Sie setzte die Kinder an den Küchentisch und füllte das vorbereitete Essen auf die Teller. Heute keine Hühnerfüße, sondern Fischstäbchen mit Kartoffelbrei, was bei Kindern erfahrungsgemäß immer gut ankam. Ihr persönlich wären die Füße fast lieber gewesen, aber naja.
 

„Gehst du schon zur Schule?“ wollte Gus wissen.
 

„Ja“, antwortete Jack leise, aber inzwischen seinen Cousin mit einer gewissen Neugierde musternd.
 

„Ich komme auch bald in die Schule! In welche Klasse gehst du?“
 

„In die zweite…“
 

„Toll! Kannst du schon lesen?“
 

„Ja.“
 

„Und rechnen?“
 

„Bis zwanzig! Und plus und minus kann ich auch schon!“ berichtete Jack mit einem Anflug von Stolz.
 

„Wie geht das?“ wollte Gus wissen.
 

„Naja… bei plus zählt man die Dinge zusammen, bei minus nimmt man was weg…“
 

„Aha. Wozu braucht man das?“
 

„Beim Einkaufen zum Beispiel. Damit man weiß, was man bezahlen muss und ob man es sich leisten kann.“
 

„Leisten können?“ fragte Gus verwirrt.
 

„Naja, ob man genug Geld hat…“
 

„Aber man kann doch auch mit Karte zahlen“, meinte Gus in Bezug auf seinen eigenen Erfahrungsschatz.
 

„Nicht, wenn man nicht genug Geld auf der Bank hat“, meinte Jack.
 

„Wie…?“ hakte Gus verwirrt nach.
 

Joan stellte das Essen auf den Tisch. „Gus“, sagte sie, „nicht alle Menschen haben so viel Geld wie dein Vater. Die müssen dann darüber nachdenken, was und ob sie etwas kaufen können.“
 

Das musste Gus erst mal sacken lassen. Geld war nie ein Thema für ihn gewesen. Irgendwie war immer alles da gewesen…
 

Joan sprach ein kurzes Tischgebet. Gus hielt den Mund, obwohl ihm anzusehen war, dass ihm die Fragen unter den Nägeln brannten.
 

Kaum war sie fertig, fragte Gus: „Aber was machen denn Menschen mit nicht so viel Geld?“
 

„Sie kaufen Sachen, die billiger sind. Dein Pullover zum Beispiel war so teuer, da hätten ärmere Menschen wahrscheinlich zwanzig von gekauft von demselben Geld.“
 

„Das ist ja total dumm! Warum habe ich denn dann so einen teuren Pullover?“
 

„Weil dein Vater Geld hat. Der teure Pullover ist auch vom Material her besser, er hält länger und ist… flauschiger…“
 

„Und arme Leute haben dann schlechtere Pullover?“
 

„Ja…“
 

„Und wenn sie gar kein Geld haben?“
 

„Dann müssen sie ihre alten Sachen tragen.“
 

„Das ist ja ungerecht!“
 

„Naja, wer Geld hat, hat meistens auch dafür gearbeitet. Dein Vater und Justin arbeiten ja auch, oder?“
 

„Ja… Papa macht Werbung und Justin malt bunte Bilder…“
 

„… die er dann auch verkauft.“
 

„Echt?“ fragte Gus erstaunt.
 

„Ja. Deswegen muss er auch immer wieder nach New York, weil seine Bilder dort verkauft werden.“
 

„Wie viele Pullover wie meinen bekommt man für eins von Justins Gemälden?“
 

Joan besann sich. Was hatte Brian erzählt? Justins Gemälde verkauften sich inzwischen zu von ihrer Warte aus betrachtet Irrsinnspreisen… Sie fand sie… etwas verstörend. Aber sie war auch nicht so blind, dass es ihr entgangen wäre, dass sie irgendwie… außergewöhnlich waren. Eine nicht in Worte kleidbare Kraft schien in ihnen zu vibrieren. „Ich weiß nicht… viele…“, meinte sie.
 

„Und Papa…?“
 

„Der macht mit Kinnetic noch viel mehr Geld. Für euch ist so ein Pullover nicht teuer. Für andere Menschen schon.“
 

„Müssen die dann frieren?“
 

„Manchmal…“
 

„Und Essen? Was ist, wenn sie sich kein Essen leisten können?“
 

„Dann hungern sie“, bemerkte Jack leise.
 

Gus starrte ihn aus großen Augen an. „Aber…“, sagte er, „das geht doch nicht… Dann müssen wir ihnen etwas abgeben…“
 

„Das ist leider nicht so einfach, Gus. Aber wir versuchen es“, schloss Joan die Diskussion.
 

Gus brütete immer noch, als sie die Teller abräumte.
 

Jack rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. „Wollen wir jetzt spielen?“ fragte er schüchtern.
 

Gus kam wieder zu sich und sagte: „Soll ich dir meine Meerschweinchen zeigen? Sie heißen Ted und Emmet und haben sich genauso lieb wie Papa und Justin!“
 

Joan hielt inne. Was sollte das denn schon wieder…? Waren in diesem Haushalt sogar die Kuscheltiere perv… homosexuell? Was auch immer der Schöpfer sich dabei gedacht hatte…
 

„Okay“, meinte Jack und stand auf.
 

„Ich habe auch eine Spielzeugeisenbahn, damit können wir später auch spielen…?“
 

Jacks Augen bekamen einen interessierten Glanz.
 

Die beiden Jungen entschwanden ins obere Stockwerk. Joan räumte die Küche fertig auf, dann schnappte sie sich ihr Buch und verzog sich in einen der Sessel im Wohnzimmer. Die von der Kirchengruppe empfohlene Lektüre eines Bandes mit Überlegungen des Papstes zur Weltlage konnte sie aktuell schlichtweg nicht ertragen. Anna Karenina hingegen hatte sie schon lange Mal lesen gewollt. Sie entfaltete eine von Brians Kaschmir-Decken über ihren Beinen. Mit dem Gegenwert könnte man wahrscheinlich ein ganzes afrikanisches Dorf ein Jahr lang ernähren. Kuschelig war sie trotzdem.
 

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Es war schon recht spät geworden, aber die Whinefourt-Kampagnen mussten voran getrieben werden, wollten sie keine Zeit verlieren. Und das war nicht im Geringsten wünschenswert, dachte Brian mit Blick auf Justins Arsch-Fax. Vielleicht sollte er es rahmen, auf den Kopf stellen, mit einem Spotlight beleuchtet hinter seinen Schreibtisch hängen und behaupten, es handele sich um ein abstraktes Gemälde…? Das würde allerdings seiner Seriosität nicht unbedingt gut tun…
 

Das Telefon mit seiner Privatleitung klingelte. Er schaute auf die Anzeige, dann hob er lächelnd ab.
 

„Hallo, Sonnyboy!“ grüßte er erfreut.
 

„Hallo, Papa!“
 

„Was gibt’s? Ich bin hier bald fertig, dann komme ich nach Hause. Bevor du schlafen gehst, versprochen.“
 

„Okay Papa, wenn du willst… Warum war mein Pulli so teuer?“
 

„Welcher?“ fragte Brian verblüfft.
 

„Der blaue, kuschelige!“
 

„Mmm, weil er von Armani ist…?“
 

„Herr Armani hat den gemacht?“
 

„Äh… er hat ihn sich ausgedacht… oder so… Hergestellt hat ihn wer anders…“
 

„Und was hat er gekostet?“
 

„350 Dollar…“
 

„Jacks Pullover hat nur zehn gekostet!“
 

„Jack?!“ fragte Brian entgeistert.
 

„Oma hat meinen Cousin Jack mitgebracht, weil seine Mutter arbeiten musste und er sonst ganz allein ohne Essen gewesen wäre. Wir haben gespielt, das war lustig. Ich habe immer noch nicht verstanden, warum mein Pullover so viel gekostet hat…?“
 

Brian runzelte die Stirn… Jack… Er kannte den Jungen nicht, war ihm auch immer Wurst gewesen. Schon allein, dass Claire ihn nach ihrem Vater benannt hatte, stieß ihm übel auf. Joan hatte ihn angeschleift… Aber offensichtlich hatte Gus es überstanden, wenn man von seinem plötzlichen Wissensdurst absah. „Weil er aus guten Materialien ist, sehr gute Leute ihn sich ausgedacht haben und er deshalb gut aussieht. Sowas kostet mehr.“
 

„Jacks Pullover ist auch okay. Und was ist mit den Kindern, die überhaupt keinen Pullover haben? Die frieren? Können wir nicht meinen Pullover verkaufen und davon Pullover für alle kaufen?“
 

Ach du Schreck! Gus begann zu bemerken, dass die Welt nicht unbedingt immer fair war. Und suchte nach Lösungswegen… Und wieder kein Justin… Sehnsüchtig sah er auf Justins Qualifikationsbeleg. „Wir können nicht für alle Menschen in der Welt Pullover kaufen, Gus. Dazu sind es viel zu viele. Und viele Menschen brauchen auch keinen Pullover, weil sie in warmen Ländern wohnen… Wenn du aus deinem Pullover herausgewachsen bist, können wir ihn allerdings spenden, damit ihn wer bekommt, der ihn brauchen kann, okay?“ Bei der Armenspeisung in Armani… Irgendwie auch ziemlich geschmacklos…
 

„Okay! Und was ist mit dem Essen? Viele Leute haben kein Essen!“
 

Brian stöhnte innerlich. „Wir können auch da etwas geben… Aber wir allein können nicht allen Menschen helfen, die Hilfe brauchen… Dazu muss jeder etwas tun.“ Super, jetzt musste er sich noch zum Wohltäter aufschwingen… wenn es Gus glücklich machte und ihm bohrende Fragen ersparte…
 

„Gut“, sagte Gus halbwegs zufrieden. „Bis nachher Papa!“
 

„Bis nachher, Sonnyboy.“
 

Er legte auf. Es war fast geschafft, der Aktenberg schrumpfte in sich zusammen. Weiter ging es.
 

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Es war fast elf, als endlich Ruhe einkehrte.
 

Joan hatte ihn gezwungen, Jack nach Hause zu karren. Der Junge tat Brian fast leid. Ein verschüchtertes blasses Etwas, das ihn beinahe bibbernd angestarrt hatte und auch so wirkte, als würde er das ständig bei Begegnung mit der Welt tun. Viel Schneid war da wohl nicht zu erwarten – allerdings hatte er mit seiner Mutter, seinem Bruder und Joan auch nicht gerade das große Los gezogen.
 

Wieder daheim hatte er Gus bereits in seinem heißgeliebten Spongebob-Schlafanzug angetroffen, den er sich unter Justins Ägide selber ausgesucht hatte und der auch eher seinen Preisvorstellungen entsprach. Brian hatte ihm auf seinen Wunsch hin noch ein wenig aus einem der Kinderbücher vorgelesen, die Justin regelmäßig anschleppte. Wo er die bloß immer her hatte? Gab es in der Kinderabteilung der Buchläden eine Sonderecke für „anarchisch“? Seine eigenen Kinderbücher hatten ihn immer mit dick aufgetragener Moral bombardiert und waren nicht die Spur lustig gewesen – oder bunt. Aber diese hier… das nackte Chaos, dass sich an sich selbst erfreute… Wenn Jennifer die Justin gleichfalls hatte angedeihen lassen, war das Ergebnis nicht besonders erstaunlich… oder fand Justin die gut, weil er so war? Auf jeden Fall konnte Brian hier einige Bildungslücken füllen.
 

Das Tagewerk war fast getan.
 

Er griff nach dem Hörer.
 

Nach dem zwanzigsten Klingeln wurde abgenommen.
 

„Ha… hallo…?“ kam Lances verschlafene Stimme. Perfekt.
 

„Hallo Lance…“, flüsterte Brian heiser. „Ich wollte vor dem Einschlafen nur noch einmal deine Stimme hören…“
 

„Das ist schön…“, murmelte Lance ziemlich überrumpelt.
 

„Schlaf schön!“ hauchte Brian. „Und liebe Grüße von Gus“, ergänzte er schnurrend und legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

Bei Gebrauchtware kein Umtausch möglich

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Liebe auf den ersten Fick

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ein gepunkteter Vollidiot

XIV. Ein gepunkteter Vollidiot
 

Justin rutschte innerlich etwas nervös auf dem Leder überzogenem Sessel hin und her. Brian saß etwas ruhiger neben ihm, obwohl Justin instinktiv auch seine Anspannung wahr nahm.
 

Die Direktorin der Grundschule, eine Frau Anfang Vierzig mit ein wenig übertrieben gewelltem, dunkelrot gefärbtem Haar schaute sie undurchdringlich an. Mrs. Sandow.
 

„Nun, meine Sekretärin hat mir einen Mr. Taylor-Kinney in den Terminkalender eingetragen. Wen von Ihnen beiden darf ich denn als solchen begrüßen?“ fragte sie.
 

„Uns beide“, sagte Brian. „Wir sind verheiratet – ist das ein Problem?“ Wenn ja, konnten sie gleich wieder gehen.
 

„Nein“, sagte sie, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. „Das ist kein Problem.“
 

Justin atmete innerlich auf.
 

„Was kann ich für Sie tun?“ fragte Mrs. Sandow.
 

„Wir würden uns gerne um einen Platz für unseren Sohn Gus für die erste Klasse bewerben“, sagte Justin und lächelte sie strahlend – wenn auch etwas aufgesetzt – an.
 

„Gut“, sagte die Lehrerin und kramte einen Notizblock hervor. „Erzählen Sie mir von Gus.“
 

Brian warf ihm einen Blick zu.
 

„Gus ist ein freundlicher, neugieriger, sportlich begeisterter Junge“, erklärte Justin im Brustton der Überzeugung. War er schließlich auch, wenn man von seinem sich anbahnenden fiesen Humor, seinem manchmal leicht entgleisenden Wortschatz und seinem Spongebob-Fetischismus absah. Aber das war für das Alter wahrscheinlich normal…?
 

„Für was interessiert er sich besonders?“ fragte Mrs. Sandow.
 

…für unsere behaarten Genitalien… „Oh, er spielt gerne Fußball, liebt Tiere – er hat zwei Meerschweinchen, um die er sich kümmert – und hat es gern, vorgelesen zu bekommen, weshalb er es auch gar nicht erwarten kann, bald selber lesen zu können. Er ist sehr wissensdurstig…“
 

„Das hört sich doch schon mal sehr vielversprechend an“, meinte Mrs. Sandow. „Was können Sie mir noch Wesentliches über ihn erzählen?“
 

„Er hat“, setzte Brian an, „kürzlich einen schweren Verlust erlitten. Seine beiden Mütter, bei denen er bis dahin lebte, sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Das war sehr… schwer für ihn, für uns alle. Inzwischen geht es ihm wieder gut, aber dennoch ist es eine große Last für ein Kind.“
 

Die Lehrerin nickte verstehend. „Wir würden ihn gerne kennen lernen, um zu schauen, ob er sich hier wohlfühlen könnte und ob er zu uns passt. Es wäre schön, wenn Sie ihn in der nächsten Woche zu uns begleiten könnten, dass er probehalber am Unterricht in einer der ersten Klassen teilnehmen kann? Darüber hinaus legen wir großen Wert darauf, dass sich die Eltern unserer Schüler bei uns engagieren – das dürften Sie unserer Broschüre entnommen haben…?“
 

„Selbstverständlich, Gus wird vor Aufregung außer sich sein“, lächelte Justin. „Und natürlich haben wir uns Gedanken gemacht. Ich arbeite als freischaffender Künstler, und es wäre für mich persönlich eine große Freude, etwas davon an die Kinder weitergeben zu können…?“
 

Mrs. Sandow musterte ihn ausgesprochen interessiert. „Eine Kunstgruppe… das würde ausgezeichnet in unser Profil passen. Trauen Sie sich zu mit Kindern zu arbeiten?“
 

Justin nickte und sagte aufrichtig: „Es wäre etwas ganz Neues für mich. Aber ich würde es sehr gerne versuchen.“
 

„Und Sie Mr. Taylor-Kinney?“ fragte sie an Brian gewandt.
 

„Ich bin selbständig und leite eine Firma, das gibt mir nicht denselben Spielraum, wie mein Mann ihn bieten kann. Aber natürlich würde ich ihre Institution gerne unterstützen. Aber mein Engagement kann eher nur punktueller oder… pekuniärer Natur sein.“
 

„Ich verstehe… Nun, sehen wir doch, wie Gus sich hier einfügt, dann können wir entscheiden, nicht wahr?“
 

Justin und Brian stimmten höflich zu.
 

Als sie durch den hohen, von Spinden gesäumten Gang hinaus gingen, murmelte Brian: „Wie einfach war die Welt doch, als ich noch alles, was ich wollte, per Karte zahlen konnte…“ Aus den Klassenräumen drangen Kinderstimmen.
 

„Mich hast du nie per Karte bezahlt…“, erinnerte ihn Justin.
 

„War ja auch nicht nötig. Du bist auch ganz ohne Salär willig gewesen… Oder habe ich da was missverstanden? Hast du mir deinen Hintern nur hin gehalten, damit ich da den Magnetstreifen durchziehe?“
 

„Psst, Mann! Wir sind in einer Grundschule!“
 

„Ach verfi… oh wie doooof.“
 

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Michael hielt Jenny auf dem Arm, die begeistert strampelte.
 

„Papa…“, brabbelte sie und griff mit ihren winzigen Händen nach seinem Kinn. Ihre Augen waren dunkle Teiche, wie Michaels. Das fein geschnittene Gesicht, das langsam Form bekam, schien sie jedoch eher von ihrer Mutter geerbt zu haben.
 

Brian stand im Eingangsbereich, Gus an der Hand, der, wie im Testament vorgegeben, seine Schwester besucht hatte – obwohl ihn Michaels Actionfiguren langfristig deutlich mehr interessiert hatten. Jenny war nun mal gerade erst im Krabbelalter, da hatten sie und ein Sechsjähriger nicht sonderlich viel zu bereden. Immerhin konnte sie inzwischen schon „Gus“ sagen. Sie lernte verteufelt schnell, täglich purzelten neue Worte aus ihr heraus.
 

Brian musterte Michael aufmerksam. Sein Gesicht wirkte entspannt, was es lange Zeit, während diesen ganzen Ärgers, nicht gewesen war. „Danke, Mikey“, sagte er.
 

„Wofür?“ wollte Michael wissen.
 

„Das du geholfen hast… Es ist gut…“
 

„Eigentlich habe ich gar nicht viel gemacht…“
 

„Aber du hast geholfen, das zählt.“
 

„Habt ihr ihn…“
 

„Platt gemacht? Ja.“
 

„Gut“, meinte Michael.
 

„Ja“, lächelte Brian, „sehr gut.“
 

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Die wummernden Bässe der Anlage in Justins Atelier konnten nicht den Baulärm überdecken, der aus dem Kellergeschoss hinauf drang. Einmal Sauna-Landschaft de duxe bitte… Ein bisschen dekadent war es schon. Sie wollten schließlich nichts im Keller haben, das wie aus einem öffentlichen Hallenbad entsprungen aussah. Drei Kammern, ein kaltes Becken, eine offene Riesendusche, ein Solarium und ein kleiner Indoor-Pool, ausgestattet mit allerlei Schnickschnack, edlen Hölzern und eleganten Fliesen – eher ein kleines privat Spa – danke nochmal, Lance…
 

Er streckte sich. Das Gemälde, diesmal im zivilen Maßstab von einem zu anderthalb Metern nahm Gestalt an. Erst hatte er naturalistisch gezeichnet, Studien aus seinem Skizzenblock nutzend – der alltägliche Wahnsinn, die alltägliche Hässlichkeit, dann die Figuren verzerrt, gestreckt in Anlehnung an Bacon und schließlich das Ganze mit einer weiteren Farbschicht unter Zuhilfenahme des Zufalls – oder des Unbewussten überarbeitet. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Das Normale demaskierte sich, ließ das Verborgene, Irrationale, Grausame und Brutale frei… Er seufzte. Die Feinarbeit strengte ihn noch immer an, dank Hobbs verdammter Attacke – aber andererseits… könnte er so, dies malen, wenn ihm das nicht widerfahren wäre?
 

Justin trat an die breite Fensterfront. Der Mai hatte die Natur in einen wilden Rausch versetzt. Der rückwärtig gelegene Garten erstreckte sich weit und zeigte ein wirres, lebensstrotzendes Dickicht. Nahe an der Rückfront lag eine verwahrloste Terrasse, auf die man durch das selten genutzte Esszimmer gelangte. Daran grenzte der Pool an, der noch immer lediglich als eine Sammelgrube für Unrat diente. Ein draußen gelegener Pool in Pennsylvania zeugte von einem gewissen Optimismus… aber die Sommer waren heiß, wenn auch nicht ewig. Draußen zu liegen, alle Viere auf einer Gartenliege ausgebreitet… und sie könnten Gus das Schwimmen beibringen… er schloss genüsslich die Augen… endlich wich der Winter. Und Brian arbeitete sich voran, in der Ausführung etwas unkoordiniert, aber mit einer herzerfrischenden Freude… der jonglierende junge Mann und der Kontrollfreak in einer Person… Brian missbrauchte ihn gelegentlich wie ein altägyptischer Vorarbeiter beim Pyramidenbau vor sich her peitschend, wenn auch nur im übertragenen Sinne, sobald es um motorisch anspruchsvollere Arbeiten ging. Seufzend betrachtete er den Wildwuchs unter dem Fenster und dachte an die Kettensäge, die Brian vor ein paar Tagen kommentarlos angeschleppt hatte. Er konnte sich schon denken, wer die würde endlose Stunden lang auf Kommando hin schwingen müssen… Aber solange es Brian Freude machte, steckte es irgendwie auch an. Außerdem könnte er aus dem Holz vielleicht auch irgendetwas machen…?
 

Am Vortag war er mit Gus in der Grundschule gewesen. Justin hatte sofort erkannt, wie hingerissen alle von dem kleinen Jungen waren. Gus hatte nicht nur die Schönheit seiner Eltern geerbt, die er wie ein tapsiger Welpe mit sich herum trug, sondern konnte auch mit seiner raschen Auffassungsgabe und seinem natürlichen Charme punkten. Sie würden ihn aufnehmen, da war Justin sich sicher. Er selbst hatte hinten im Klassenzimmer gehockt mit ein paar anderen Eltern, die ihn irritiert musterten, wohl wegen seines arg jungen Aussehens und seiner absolut nicht vorhandenen Ähnlichkeit mit Gus, der ihn konsequent mit „Papa“ angesprochen hatte. Aber Feindseligkeit war nicht zu verspüren gewesen. Gus hatte dagesessen, angespannt wie ein Fuchs beim Kacken, und hatte sich, nachdem er das Prinzip verstanden hatte, wie wild gemeldet, dass er beinahe vom kleinen Kinderstuhl geflogen wäre. Streber… Aber, naja, das waren Brian und er ja wohl auch gewesen, gute Noten kamen nicht von nichts. Und ob die anderen einen deswegen für ätzend hielten, konnte einem wurschtegal sein, es ging ja schließlich nicht um sie. Aber ein Schicksal als Außenseiter schien Gus nicht zu blühen, so interessiert die anderen Kinder ihn gemustert hatten. Gus hatte eine natürliche Führungspersönlichkeit ahnte Justin. Wer dem Kleinen krumm kam, sollte sich warm anziehen. Das schloss wahrscheinlich auch sie mit ein. Oh weh…
 

Und Brian war, nachdem der Lance-Terror endlich hinter ihnen lag und die Trauer, obwohl sie immer irgendwie da sein würde, im Alltagsleben verblasste, wie neu geboren. Natürlich tanzten auf seiner Zunge nach wie vor zynische Bemerkungen, aber sie waren durch eine Zufriedenheit und Heiterkeit relativiert, die Justins Herz überfließen ließ.
 

Das war sein Brian.
 

Sein Partner, sein Geliebter, sein Sex-Spielzeug, sein Kampfgefährte, seine große Liebe – sein bester Freund.
 

Und er wusste, dass Brian das nicht anders sah.
 

Er legte die Stirn an die kühle Fensterscheibe. Sein Haar kitzelte ihn im Nacken, es wäre praktischer, es wieder kurz zu scheren. Aber Brian liebte sein Haar, dafür nahm er ein wenig Gepieke und einen erhöhten Verbrauch an Haarpflegeprodukten gern in Kauf.
 

Ein Schauder durchlief ihn. Was war das…? Die Freude? Irgendwie fühlte er sich ein wenig schwummerig. Er fasste sich an die Stirn. Was war das… bekam er etwa Fieber?
 

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„Taylor Kinney?“
 

„Brian… ich bin’s…“
 

„Was ist los, Justin?“ fragte Brian alarmiert.
 

„Ich glaub‘ ich werde – oder bin – krank… Kannst du Gus vom Kindergarten abholen oder wen organisieren? Ich kann so nicht Auto fahren…“
 

„Sicher, ich kümmere mich darum. Alles klar, Sonnenschein? Soll ich etwas mitbringen?“
 

„Kannst du zur Apotheke…? Irgendwas gegen Fieber…?“
 

„Wie viel hast du?“
 

„38, 9“, krächzte Justin.
 

„Mmm, das ist ganz schön viel… Ich kann hier heute früh Schluss machen, den Rest kann Ted erledigen. Ich rufe Mal den Hausarzt an und komme dann Heim.“
 

„Okay…“, nuschelte Justin etwas weg getreten.
 

Brian legte auf, zog seine Krawatte wieder fest, die er in einem unbeobachteten Augenblick angenehm gelockert hatte, und machte sich auf zu Ted.
 

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Als Brian zu Hause ankam, Gus im Schlepptau, der ihm erzählte, dass Schule viel cooler sei als der lahmarschige Kindergarten, war der Hausarzt bereits im Anmarsch. Brian begrüßte ihn, einen älteren Herr mit einer runden Brille und stahlgrauem Haar, der ihn schon diskret von so manchem peinlichem Wehweh kuriert hatte. Filzläuse waren nun mal echt nicht angenehm… Ein ständiges Übel, wenn man durch die Gegend fickte. Die Syphilis war dagegen allerdings schon noch eine Spur härter gewesen…
 

Justin lag, notdürftig in einen ihm von Brian untergeschobenen Calvin Klein-Schlafanzug gehüllt in die Kissen gewühlt im Bett. Gut, dass sie, Mrs. Lennox kritischen Blick im Hinterkopf, weder Tanzstange noch Sling im Schlafzimmer installiert hatten. Und der Gedanke, dass Gus dergleichen als neuen Abenteuerspielplatz definieren könne, hatte die Sache auch nicht gerade voran gebracht. Aber wie war das mit Justins Stange im Fitness-Raum…? Sowas gab es schließlich auch portabel… Justin im Sling… mmm… aber dann würde er auch darin landen, darauf konnte er Gift nehmen… Momentan sah Justin jedoch nicht danach aus, dass ihm der Sinn nach irgendwelchen Sexperimenten stehen würde. Er glühte fiebrig und war benommen. Seine sonst so ebenmäßige Haut zeigte merkwürdige Rötungen.
 

Brian stand daneben, Gus in sein Zimmer verbannt habend, als der Arzt Fieber maß und Justins Körper beäugte.
 

„Justin…?“ fragte er professionell-sanft. Es war seine Eigenart, seine Patienten prinzipiell mit dem Vornamen anzusprechen. Wahrscheinlich weil man so zu den Kranken in ihrer häuslichen Umgebung besser durchdrang.
 

„Ahhh…?“ murmelte Justin.
 

„Hatten Sie Masern als Kind?“
 

„Nein“, hauchte Justin.
 

„Dann haben Sie sie jetzt. Hatten sie in letzter Zeit Kontakt zu Kindern?“
 

„Ich war mit Gus… in der Grundschule…“, murmelte Justin.
 

„Das könnte es sein…“
 

Brian fragte besorgt: „Was wird mit ihm?“
 

„Wer die Masern als Kind gehabt hat, ist weitestgehend aus der Gefahrenzone. Trifft das auf Sie zu, Brian?“
 

„Ja, ich hatte Masern… Aber was ist mit Justin?“
 

„Kinderkrankheiten wie diese wirken sich viel stärker auf Erwachsene aus… Er hat fast vierzig Grad Fieber, das müssen wir senken. Und der Ausschlag ist dabei, sich auszubreiten. Es wird furchtbar jucken, aber er darf nicht kratzen, sonst werden Narben zurück bleiben. Er braucht Antibiotika und muss regelmäßig mit Salbe eingerieben werden – machen Sie das?“
 

„Sicher…“
 

„Aber er ist jung und in bester körperlicher Verfassung, es wird eine Weile dauern, aber er wird sich erholen. Es ist zu vermuten, dass ihr Kind auch infiziert ist, aber vielleicht bricht es bei ihm nicht aus. Ich werde einen Test machen, solange sollten Sie die beiden wegen der Ansteckungsgefahr voneinander fern halten. Können Sie auf jemanden zurück greifen, der Ihnen hilft?“
 

„Ja… Ich kann Justins Mutter – und meine…. – anrufen.“
 

„Gut. Ihr Partner braucht Wadenwickel, damit das Fieber ein wenig gesenkt wird – wissen Sie, wie das geht?““
 

„Ähhhh… so ungefähr…“
 

„Ich zeige Ihnen, wie das geht, kommen Sie.“
 

Justin hatte ihn gepflegt, als er krank gewesen war, jetzt war er an der Reihe.
 

Wie war das noch gewesen… In guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Gesundheit… Nun, dann mal los.
 

Immerhin konnte er in Justins Hintern Fieber messen, das würde er ihm garantiert nicht ersparen.
 

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Jennifer lag, notdürftig gekleidet, auf dem Sofa, Craig umschlang sie von hinten. Molly war bei einer Sportveranstaltung in der Schule, irgendein Hockey-Turnier. Es war friedlich.
 

„Jenn“, flüsterte Craig.
 

„Mmmm“, murmelte sie nur genüsslich.
 

„Ich liebe dich, Jenn“, sagte Craig.
 

Jennifer machte die Augen auf. Liebte sie Craig…? Oder war das immer noch nur ein Überrest vergangener Zeiten? Das Damals war noch da… aber das hier war neu. Sie hatten sich neu getroffen, und dennoch lebte das Einst. Die Wunden schlossen sich, die guten Seiten begannen wieder zu blühen… Vielleicht war sie auch im Hormonrausch völlig belämmert. Aber der Sex war spitzenklasse. Vertraut und unvertraut, zärtlich und Grenzen sprengend, die sie einst selbst gezogen hatten. Sie fühlte sich… nah. Verstanden. Akzeptiert. War das eine Selbsttäuschung? Nein… Er hatte recht.
 

„Ich dich auch“, flüsterte sie, kaum hörbar, zurück.
 

Sie roch seinen warmen Körper, fühlte die Muskeln, die sie nahe zogen, Craigs Nase, die sich in ihrem Haar vergrub und musste nicht hin schauen, um zu wissen, dass er lächelte.
 

Er war glücklich. Sie auch. Also, was sollte es…
 

Das Telefon schrillte und riss sie aus ihrer trauten Zweisamkeit.
 

„Taylor?“ meldete sie sich entspannt.
 

„Hallo Jennifer, hier ist Brian“, meldete sich ihr Schwiegersohn.
 

„Oh hallo, Brian… Was gibt es…?“
 

„Störe ich gerade? Belebst du gerade eine alte Liebe in der Horizontalen wieder…?“ kam es punktgenau. Verdammter Brian. Es war, als könne er dergleichen riechen.
 

„Brian!“ sagte sie leicht genervt. „Was gibt es?“
 

„Hatte ich doch wieder recht - schöne Grüße an Craig… Justin ist krank.“
 

„Was?! Was hat er?“ fragte Jennifer leicht panisch. Oh Gott, sie hatte immer so eine schreckliche Angst, dass er… krank werden könnte.
 

„Ruhig durchatmen. Wir sind brave Jungs und vergnügen uns nur im Ehebettchen – Details…?“
 

„Nein danke!“
 

„Auf die verzichte ich in deinem Fall auch dankend… wenn es sich denn ausnahmsweise mal vermeiden lässt. Nein, Justin war mit Gus in der Grundschule beim Probelernen und hat sich die Masern eingefangen.“
 

„Stimmt“, sagte Jennifer erleichtert, „die hatte er als Kind nicht.“
 

„Ich wollte nur fragen, ob du es einrichten kannst, nach ihm zu sehen? Ich kann mich von Kinnetic loseisen, aber ich brauche noch einen Tag. Meine Mutter hätte wahrscheinlich Zeit… aber er ist in erster Linie dein Sohn…?“
 

„Unser Sohn“, meinte sie und schaltete den Lautsprecher auf Raumempfang.
 

„Hallo Brian“, sagte Craig, Jennifer von hinten umfangend.
 

„Hallo Schwiegervati – mitbekommen? Der Nachwuchs hat die Masern und muss umsorgt werden.“
 

„Das wird schwer“, meinte Jennifer, „ich bin gerade schrecklich eingespannt, aber ich könnte etwas absagen…“
 

„Lass mal“, sagte Craig, „ich kann das machen, ich habe Zeit. Die Firma läuft auch ohne mich gerade wie am Schnürchen. Es reicht, wenn ich ab und an reinschaue.“
 

„Das würdest du machen?“ fragte Jennifer.
 

„Ich bin gerührt“, bemerkte Brian, wobei die Ernsthaftigkeit seiner Aussage zur Disposition stand.
 

Er wurde ignoriert.
 

„Klar…“ murmelte Craig, Jennifer tief in die Augen schauend. Sie liebte ihn…? Sie liebte ihn…
 

Brian räusperte sich: „Hallo…? Ich bin auch noch da. Bitte keine Schweinereien treibe, solange ich das mithören muss. Und das fängt bei mir bei euch Heten schon bei einem keuschen Küsschen an. Justins Zustand muss überprüft werden, er muss viel trinken und nach Möglichkeit auch was Essen. Der Arzt hat gesagt, wir sollten ihm Baby-Gläschen einflößen, das sei am einfachsten und zugleich nahrhaft – wehe, wenn er das erfährt, wenn er wieder munter wird. Und er braucht Wadenwickel, muss seine Tabletten ein nehmen, eingecremt werden – und vor allem darin gehindert werden, sich zu kratzen, sonst ist sein Teint im Arsch! Zugleich muss Gus von ihm fern gehalten werden, bis sein Testergebnis kommt – und bespaßt. Bekommen Sie das hin, Craig?“
 

„Sicherlich!“ erwiderte Craig leicht beleidigt. Er zog Jennifer an sich und küsste sie.
 

„Ich komme auch vorbei, sobald ich kann“, murmelte sie.
 

„Wundervoll. Schichtwechsel ist morgen um halb Sieben. Ich bin jetzt besser aus der Leitung, bevor meine unschuldigen Ohren Dinge hören, die nicht für sie bestimmt sind…“
 

„Jaaaa…“, gurrte Jennifer, aber meinte Craig.
 

„Ich bin dann da“, flüsterte Craig heiser und machte sich auf Entdeckungstour in Jennifers Dekolleté.
 

„Und ich bin jetzt sowas von weg, um das Ergebnis eurer oder Ihrer innigen Beziehung davon abzuhalten, sich die Haut- danke übrigens für das Erbe - zu ruinieren. Einen angenehmen Abend noch…“
 

„Den haben wir garantiert!“ erwiderte Craig und küsste Jennifer geräuschvoll.
 

Aber Brian hatte schon aufgelegt.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

Brian hielt den fieberheißen Justin in seinen Armen, die Hände um die des anderen geschlungen, damit der sich nicht kratzte. Justins ganzer Körper war mit quälenden Pusteln übersät.
 

„Oh, Brian“, flüsterte er, „was für eine Scheiße…“
 

„Mmm, ganz ruhig, du wirst schon wieder“, murmelte Brian in sein Ohr.
 

„Tut mir leid, dass ich krank bin…“
 

„Bist du bescheuert? Entschuldige dich bloß nicht dafür. Was soll ich denn sagen?“
 

Justin entspannte sich in seinen Armen, obwohl ihm anzumerken war, dass er sich dem Juckreiz folgend am liebsten blutig gekratzt hätte. Aber Brians Griff blieb eisern.
 

„Du weißt, dass ich dich liebe, ich kann gar nicht sagen wie sehr…“, presste Justin aus seinem Delirium hervor.
 

„Ja, ich weiß“, erwiderte Brian. „Ich dich doch auch, du gepunkteter, bescheuerter Vollidiot.“
 

„Warum… warum bin ich ein Idiot?“ fragte Justin schwach.
 

„Weil du mich liebst. Niemand anderes hat das je getan, nicht so, nicht ganz und gar. Dazu muss man wohl ein Idiot sein…“ Dem fieberwahnsinnigen Justin konnte er das sagen.
 

„Schwachkopp… Du bist der Beste… Der Klügste… Der Schönste… Der Liebeswürdigste… überhaupt…“, murmelte Justin kaum hörbar, bevor sein Körper sich leicht streckte und er wieder zurück in schlafende Benommenheit sank.
 

Brian wiegte ihn sanft. Oh Gott… wie war das möglich? Er war glücklich… glücklich…
 

Wenn es Gott doch gab, dann hatte er ihm etwas Besonderes geschickt: Einen gepunkteten, bescheuerten Vollidioten.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

„Emm...“, sagte Drew und runzelte die Brauen. „Es tut mir echt leid… Aber es funktioniert nicht… Ich habe es wirklich versucht.“
 

„Was meinst du?“ fragte Emmet. Sie saßen in Drews luxuriöser Wohnung mit Blick auf den überdachten Innenhof, in dem allerlei exotische Gewächse bunt blühten.
 

“Diese Freundschafts-Sache… Ich will… Ich will mehr von dir…“, murmelte Drew, den Blick erst halb auf Emmet gerichtet, dann niederblickend.
 

„Drew…“, sagte Emmet warm, aber bestimmt.
 

„Ja, ich weiß – Halbheiten kommen für dich nicht in Frage…“
 

Emmet nickte aufrecht.
 

Drew senkte den Kopf.
 

„Drew…“, meinte Emmet, „ich habe dich wirklich sehr, sehr gern. Und ich weiß auch zu schätzen, wie sehr du dich um mich bemühst hast. Aber… für Freunde sind wir zu viel – aber für mehr… da stimmt es nicht, noch nicht… Dein Körper schlägt noch Saltos, will noch erfahren, lernen… und das ist gut so. Du musst deine… Sexualität erst ganz und gar erfahren, bevor du…“
 

„Es ist zu früh“, gab Drew zu.
 

„Ja, das ist es“, meinte Emmet.
 

„Aber… was jetzt… ich will dich… nicht bloß deinen Körper…?“
 

„Zeit. Geduld. Anders geht es nicht.“
 

„Wirst du warten?“
 

„Ich kann es dir nicht versprechen. Aber ich… ich will dich auch, das ist wahr...“
 

„Geduld“, wiederholte Drew wie ein Mantra. „Geduld.“
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………..
 

„Papa…?“
 

Justin sah elendig aus. Er fieberte, sein Gesicht war fahl und verquollen, sein ganzer Körper von Pusteln verunziert. Das verschwitzte Haar stand in alle Richtungen, er sah schrecklich jung und verletzlich aus.
 

„Ist ja gut, Justin“ sagte Craig leise, auf der Bettkante sitzend. Alte Erinnerungen wurden wach… Sein kleiner Junge, der ihm vertraute, der ihn brauchte… Aber dieses Bett… unanständig breit…Obwohl – wenn er da an Jennifer und ihren neu entfachten Hunger dachte…
 

Er fühlte Justins Stirn. Heiß. Er hatte hohes Fieber.
 

„Opa…?“ kam eine Stimme von der Tür.
 

„Was ist, Gus?“
 

„Ich habe Hunger…“
 

„Ich mache uns ein paar Spiegeleier – und für Justin machen wir ein Gläschen warm?“
 

„Okay…“
 

Er schnappte die Handgelenke seines Sohnes, der momentan jenseits aller Zurechnungsfähigkeit war, und schnallte sie mit einem Fesselriemen ans Bett, den Brian ihm für solche Fälle überreicht hatte. Er wollte absolut nicht wissen, wozu das Ding eigentlich diente. Aber dafür, Justin davon abzuhalten, sich die Haut auf zu reißen, eignete es sich vorzüglich.
 

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
 

„Brian…?“ Die Stimme hörte sich so an, als würde sie gerade weinen.
 

„Daphne?“ entfuhr es Brian. „Was ist los? Alles okay?“
 

„Brian… bitte… Ihr müsst kommen, bitte…“
 

„Was… was ist los, Daphne?“ entfuhr es Brian. „Kommt das Baby?“
 

„Ja… ja!!! Scheiße… scheiße, scheiße, scheiße! Ich habe so eine verkackte Angst…“
 

„Wo bist du!?“
 

„Immer noch Mexiko… bitte… ihr müsst kommen…bitte“, jetzt weine Daphne definitiv.
 

„Daphne… das können wir kaum, wenn wir nicht wissen, wohin! Ist jemand bei dir?“
 

„Nein… Ich bin allein… bitte… bitte!!!“ keuchte sie.
 

„Okay – ganz ruhig. Ich komme…“
 

„Justin?“
 

„Justin hat sich die Masern eingefangen. Er hat hohes Fieber und ist nur bedingt ansprechbar. Geschweige denn, dass er dir und… Lilly momentan damit zu nahe kommen sollte.“
 

„Aber du kommst…?!“
 

„Ja! Ich komme! Aber du musst mir schon sagen wohin!“
 

Daphne sagte es ihm.
 

„Wo zum Teufel ist das denn?! Gibt es da wenigstens anständige Ärzte?! Ich werde es schon finden…“
 

„Bitte, beeile dich! Bitteee!!! Die Scheiß-Vorwehen haben schon angefangen. Oh Scheiße!!! Bittee!!!“
 

„Ich bin unterwegs!“ brüllte er fast ins Telefon. „Krieg dich wieder ein! Du bist nicht die erste Frau auf Erden, die ein Baby bekommt! Na gut, vielleicht die erste, die so eins bekommt… Aber ich werde da sein, versprochen! Solange du mich nicht zwingst zu zuschauen, wenn es aus dir raus ploppt!“
 

„Darauf kann ich auch verzichten! Und es „ploppt“ auch nicht heraus – sie wird geboren – scheiße! Scheiße! Das passiert wirklich! Oh Gott! Brian!“
 

„Bin schon so gut wie im Flieger…“
 

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
 

„Taylor, bei Taylor-Kinney“, meldete sich Craig brav, während Gus im Hintergrund seinen Spezial-Milchbrei mit Zimt und Rosinen mampfte und Justin oben im Schlafzimmer mit Bondage-Equipment ruhig gestellt war.
 

„Brian hier, hören Sie, es gibt einen Notfall…“
 

Craig seufzte: „Was denn nun schon wieder…“
 

„Erinnern Sie sich noch an Daphne, Justins Freundin?“
 

„Ja, sicher, sie war immer bei uns, nettes Mädchen, ich dachte immer, dass sie und Justin…“
 

„Tja, das war wohl nichts. Stattdessen haben Sie mich abbekommen – wo bleibt der Jubel? Wie auch immer – Daphne ist im Begriff, ihr erstes Kind zur Welt zu bringen.“ Wenn es denn mal ihres war – und nicht… sonstwas. Der Film „Alien“ stieg unwillkürlich vor seinem inneren Auge auf.
 

„Oh… das wusste ich gar nicht… wie schön…“
 

„Sie ist ganz allein irgendwo am Arsch der Heide in Mexiko, und sie möchte, dass wir kommen.“
 

„Justin ist krank… Wieso Sie…? Was ist mit dem Vater?“
 

„Eine ausgezeichnete Frage. Leider hüllt sie sich in dieser Sache in Schweigen. Und, bevor sie es fragen: Wir sind wirklich schwul, nicht nur so manchmal, zum Spaß! Weiß der Geier, wer der Vater ist. Könnte jeder sein. Aber jeder ist leider nicht auch ihr Freund. Bekommen Sie und Jennifer das mit Justin und Gus hin? Ich rufe auch meine Mutter an, damit Sie auf sie zurückgreifen können. Das Mädchen bekommt ihr Kind völlig allein gelassen…“
 

„Schon gut! Natürlich bekommen wir das hin! Ich habe eine ganze Ladenkette zum Leben erweckt, da werde ich das ja wohl auch noch hin bekommen!“
 

„Wie geht es Justin?“
 

„Etwas besser. Tolles Fesselwerkzeug übrigens, echte Qualitätsarbeit. Wo haben Sie das her?“
 

„Erzähle ich Ihnen beim nächsten Familiendinner… Haben wir natürlich nur gekauft, weil es so gut zur Inneneinrichtung passt…“
 

„Warum auch sonst, Mr. Taylor-Riesendildo-Kinney…“
 

„Darüber ist Gras gewachsen, schon vergessen? Und falls Sie unseren Hausstand nach dergleichen absuchen möchten – der einzige verdächtige Ort ist der Hintern ihres Sohnes, dass sollten Sie beim nächsten Fiebermessen mal überprüfen! Ich habe es satt, als die perverse Sau abgestempelt zu werden, während Klein-Justin natürlich sowas von unschuldig ist. Sie haben ja echt keine Ahnung! Fassen Sie sich doch erst einmal an die eigene Nase! Wie heißt es so schon: wer von euch blabla, der werfe den ersten Stein! Passen Sie jetzt auf meinen Sohn und meinen kranken Mann auf, während ich versuche, einer ziemlich verzweifelten jungen Frau zu helfen, die irgendwo in Mexiko in den Wehen liegt?!
 

„Jaaaaa! Verdammt, ich mach’s ja schon.“
 

„Gut. Ich muss jetzt los, der Flieger wurde aufgerufen.“
 

Brian schaltete das Handy aus. Er hatte einen kleinen Handkoffer dabei mit Klamotten und Waschzeug, die er bei Kinnetic für alle Fälle gebunkert gehabt hatte.
 

Er hielt dem Kontrolleur seinen Ausweis vor die Nase.
 

Auf nach Mexiko.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

So, hier ist erst einmal der Schlusspunkt für diesen Handlungsstrang. Aber keine Panik… und auch keine fauligen Tomaten/Kürbisse/Kühe – es geht natürlich nahtlos weiter. Arbeitstitel: „Das Wunder des Lebens“ – werde am Wochenende wohl schon das erste Kapitel posten können, diesmal wohl eher in kleineren Portionen mit ca. 10 getippten Seiten, so bekommt ihr schneller Nachschub. Ich danke allen aufrichtig für die lieben Worte & die Unterstützung & die Anregungen!!!!!
 

Wie heißt es so schön: Heute ist nicht alle Tage..
 

Weiter geht’s – mit lieben Grüßen!



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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Von:  brandzess
2011-09-22T15:33:26+00:00 22.09.2011 17:33
ich liebe es wenn Brian von Justin als "mein mann" spricht :3 ich liebe es!

kann mir gut vorstellen das die anderen eltern blöd geguckt haben xD aber wie die wohl gegguckt hätten wenn Brian auch noch da gewesen wäre......*grins* aber dafür ist ja noch zeit :D zb bei einem schulfest oder so was wo Brian als großzügiger spender gelobt wird xD

arme Daphne! aber das hat sie jetzt davon sich am arsch der welt versteckt zu haben! sie hätte ja auch in etwas zivilisiertere einöde flüchten können! aber gut das haben wir jetzt davon: dramatische wendung! *dramatische musik*
bin mal gespannt wie das jetzt wird! sehr früh hat sie ja nicht angerufen ich meine die wehen haben angefangen. kay wenn sie glück hat dann ist es nur fehlalarm aber wenn nicht wird das e beschissen knappe sache werden! ob Brian rechtzeitig bei ihr ist?

war Mollys ball eig schon? ich meine Brian und Justin sollten doch ihr kleid aussuchen? haben die das schon oder nicht? (was mir all so einfällt xD)

Emmett ist unmöglich! da bekommt er von einen gutaussehenden, erfolgreichen begehrten jungen sportstar den hof gemacht und sagt nein o.Ô! also ehrlich er soll sich nicht so anstellen! Emm hat nur bindungsängste und mehr nicht! von wegen Drew müsse noch erfahrungen machen! klar er ist ganz neu in der szene aber trotzdem ist es ein bisschen gemein von Emm ihn so zurück zu weisen!

freu mich total auf den nächsten teil :DDD
gvgl brandzess
Von:  brandzess
2011-09-22T14:54:03+00:00 22.09.2011 16:54
mich würde ja mal interessieren was Brian zu Molly sagen würde wenn sie ihn fragen würde! :D
Woltle Justin sich nicht auch irgendwo als Kustlehrer bewerben o.Ô?
Von:  Trollibaer
2011-09-22T06:18:28+00:00 22.09.2011 08:18
Nun, ein Zwischenende.
Ich hatte mir mehr Racheideen gewünscht, Lanci ist zu schnell abseviert worden.
Ein Windelscheißer in dem Dreiergespan Justin, Brain und Gus wäre furchtbar!!!!!!!! Laß die dumme Mutter bloß am leben!!!!!!

Ansonsten freue ich mich auf den nächsten Teil, Emmet auf dem 'ich suche eine Beziehung ...' läßt doch arg an seiner Lebensfreude zweifeln, aber Drew bei Debbie und Carl zu Besuch, das wird doch sicher lustig.

lg
Trollobaer
Von:  chaos-kao
2011-09-21T20:54:18+00:00 21.09.2011 22:54
Du bist echt fies! Der arme Justin! Masern sind böse.
Und ich bin echt gespannt wie es im nächsten Teil mit Daphne weiter gehen wird. Ich sehe es schon kommen, dass Justin und Brian bald auch noch Lilly bei sich aufnehmen *drop*
Lg
Kao
Von:  brandzess
2011-09-20T18:10:06+00:00 20.09.2011 20:10
zuerst mal: ICH WUSSTE ES!!! *triumph*

er wollte Lance die 5Mios aus den rippen leiern :D
zweitens: endlich hab ich es fertig :D (hatte heute moin in der schule schon mal angefangen^^ aber dann war die stunde rum und ich hatte nur die hälfte gelesen xD)
Nochmal zu erstens^^: ich würde sagen das verdient ein "TADAA! mit tusch und paukenschlag :D
das hat Lance jetzt davon sich Brian angeln zu wollen *grins* wirklich filmreif, wie Brian das gespielt hat, aber für Justin ung Gus tut er ja alles! Justin war auch echt überzeiugend in seiner rolle als eingebildeter-run-away-twink xD sehr überzeugend!
wenn ich ehrlich bin klingt das schon wieder nach ende -.- aber das gäbe es ja noch einiges was noch nicht geklärt ist :D
tolle Kapi!
gvlg brandzess
Von:  chaos-kao
2011-09-19T20:39:14+00:00 19.09.2011 22:39
Brian ist soooooo böse! Und einfach nur genial! Ich liebe es einfach! xDDD Lance könnte einem fast schon Leid tun, wäre er nicht so ein Idiot. Gegen Brian und Justin zusammen kommt einfach keiner an xDDD
Lg
Kao
Von:  brandzess
2011-09-16T15:29:38+00:00 16.09.2011 17:29
Brian art färbt schon auf Gus ab xD er begrüßt jack wie einen Geschäftspartner und nicht wie seinen Cousin xD
War klar das Daph überfordert ist! sie hat das ganze nicht bis zum schluß durchdacht und das hat sie jetzt davon! aber gut, mal sehen was draus wird.....
Lance scheint genervt zu sein xD sehr gut! brian stalked ihn ja auch regelrecht^^ und wie lance versucht hat sich aus dem treffe raus zu winden xD
Von:  chaos-kao
2011-09-15T23:17:40+00:00 16.09.2011 01:17
Brian ist der perfekte Folterer xDDD Lance wird am Ende auf dem Zahnfleisch davon kriechen xDDDD Und ich bin echt gespannt, was Lilly für Besonderheiten haben wird ^^
Lg
Kao
Von:  brandzess
2011-09-14T20:42:32+00:00 14.09.2011 22:42
alter! ich musste vom hören ja fast schon kotzen! aber das hat mir den hunger gründlich vertriben (wenigstens ein gutes xD)
das mit dem keuschheitsgürtel x'D alter was für ein himmelschreiender unsinn!
John hat uns doch an gute alte zeiten erinnert!
Joan:"der herr möge ihnen verzeihen!" was für eine geile begrüßung!
der abend war echt filmreif!
Justin und Brian könnten es ja auch mal mit telefonsex probieren......
freu mich total auf Phase 3 und was Michael damit zutun hat (ich erinner nur an Ben:"könntest du bitte aufhören dich so aufzuregen?!"
Michael:"Ich bin zur hälfte Italiener und zur hälfte Draque-queen, mich aufzuregen liegt mit irgendwie im blut!"......also verspricht es spannend zu werden :D)
(mir ist was eingefallen xD
Phase 1: Anheizen!
Phase 2: Drama! Drama! Drama!
Phase 3: ???)
Von:  brandzess
2011-09-14T13:50:09+00:00 14.09.2011 15:50
Gus ist geil xD
tja jetzt kommt er langsam in das alter in dem ein Kind sowas fragt^^ aber diesmal hatte Brian ja Justin zu unterstützung. und Brian bekommt wegen Micheal auch ins gewissen geredet.....obwol das jetzt auch sehr gut ihm chaos enden könnte xD Biran versucht Micheal was klar zu machen und Micheal versucht Brian was klar zu machen und dann checken beide nicht was der andere will! xD
bin total auf die Rache an Lance gespannt *böse grins*



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