Boku wa shiritai aisurutte donna koto von Kirihara_Kayare ================================================================================ Kapitel 3: Futatsu no Yume -------------------------- Alles, was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe (Elias Canetti) Fye schaute aus dem Fenster, das über seinem weichen Bett lag. Seinen linken Arm stützte er auf dem Fensterbrett und seine Finger strichen gedankenverloren über das kalte Glas. Nachdem er beim Gasthaus angekommen war, hat er sich sofort in einem der drei vorbereiteten Zimmer verkrochen. Er hat sich eingesperrt und auch, als Kurogane genervt an seiner Tür klopfte und Shaolan ihm ein höffliches ‘Gute Nacht’ durch die Tür zurief, schwieg er. Er war vollkommen in seiner kleinen Gedankenwelt verloren. Er weiß nicht, wieso, aber Ryo bewegte ihn dazu, an den ‘echten’ Fye zu denken und sich selbst wieder bewusst zu werden, dass er doch ‘nur’ Yuui ist. Dieser Blick, mit dem Ryo ihn ansah, dieses ganze Getue, dass sie niemanden in ihre Nähe lassen, in ihr Herz blicken lassen wollte. War er nicht auch so, oder zumindest so ähnlich, gewesen? Hatte er nicht auch versucht, die Menschen in seiner Umgebung so gut wie möglich auf Abstand zu halten? Ja, in diesem Moment, an dem er gedankenverloren über das kalte Glas strich und mit seinen hellblauen Augen die Sterne einfing, war er nicht Fye. Er war ganz und gar Yuui. Ryo hatte nur kurz und unruhig geschlafen. Jetzt saß sie auf der umlaufenden Terrasse ihres Hauses. Ihr Blick hing an den Sternen. Sie musste unwillkürlich an Fyes strahlendblaue Augen denken, als sie so in den Sternenhimmel sah. Seine Augen waren ebenso unergründlich für sie, wie die fernen Sterne, die doch so nah wirkten, als ob man sich nur nach ihnen strecken müsste, um sie greifen zu können. Die Stille der Nacht machte ihr so sehr zu schaffen wie schon lange nicht mehr. Das letzte Mal war ihr die Stille so zuwider gewesen, als sie vor drei Jahren in dieses einsame, leere Haus nahe dem Tempel gezogen war. Aber nach der letzten Nacht, in der sie kaum geschlafen hatte, weil ihr Haus mit so viel Leben, mit solch unterschiedlichen Lebensgeschichten und vor allem mit einem so tiefgründigen, nicht zu durchschauenden Geheimnis gefüllt waren, erdrückte diese Stille und Einsamkeit sie einmal mehr. Sie versuchte, sich einzureden, dass Fye und die anderen doch bald wieder gehen würden. Aber es gelang ihr nicht. Sie hatte es an seiner Stimme gehört, an seinem Blick erkannt, auch wenn sie nicht in seiner Seele lesen konnte. Er würde nicht aufgeben. Und wieder hallten seine letzten Worte durch ihren Kopf. “Du bist nicht allein, Ryo-chan.” Aber wo war ihr Freund, der sie so lange warten ließ? Würde er sein Versprechen nicht halten? Würde sie ihre Freunde nie wiedersehen? Sie erinnerte sich nicht mal mehr an ihre Freunde, an ihre Eltern, an ihre Heimat. Und doch, an diesen einen Wunsch, diesen Traum erinnerte sie sich. Und dann, wenn er endlich erfüllt wäre, würde sie den vereinbarten Preis zahlen. Einen Preis, den sie gerne zahlte, wenn es um dieses Gefühl ging, nicht mehr alleine zu sein. Yuui war Yuui. Der Junge mit dem Namen Yuui, der er gewesen war, bevor er Fye D. Flourite wurde. Ganz und gar Yuui. Und Fye? Fye war der Junge, der an seiner Seite war, immer und überall. Bevor sie eingeschlossen, bevor sie getrennt wurden. Und in seinem Kopf dachte er in diesem Moment, dass das alles nur ein Traum gewesen ist. Er merkte, dass sein Vater sie nicht mochte, dass er Fye und ihn als Unglücksbringer ansah. Aber noch waren sie nicht getrennt, Yuui und sein geliebter Zwillingsbruder Fye. Und insgeheim schwor er sich, dass man sie niemals trennen können würde. Er war Nacht in Valeria und die Zwillinge hatten sich in ihr gemeinsames Zimmer verkrochen. Ja, es war klein, eng und karg eingerichtet, aber nur durch die Anwesenheit des jeweils anderen fühlten sie sich wohl. Fye kuschelte sich an seinen Bruder Yuui. Yuui kuschelte sich an Fye. Und durch das kleine Fenster beobachteten sie die Sterne, die hoch über ihnen am Himmelszelt funkelten. “Yuui?” Fyes Stimme verlor sich fast in der Stille, so leise war das eine Wort, dieser eine Name geflüstert. Und Yuui sah mit sanften Augen auf seinen Bruder. “Ja?” , gab er als Antwort zurück, um Fye zu verstehen zu geben, dass er zuhörte. “Du lässt mich nie alleine, nicht wahr, Yuui?” Sorge klang in Fyes Stimme mit. Aber Yuui schloss Fye nur fest in seine Arme. “Niemals lasse ich dich alleine, Fye. Genau, wie du mich nie alleine lassen würdest.” “Danke, Yuui...” Bald schlief Fye in Yuuis Armen ein. Und Yuui sah wieder auf zu den Sternen. Das war irgendwie das, was er sich immer gewünscht hatte. Und doch. Gerade in diesem Moment fühlte es sich so falsch an. War da irgendwas, was er übersehen, vergessen hatte? Aber er wollte nicht daran denken. Nicht wahrhaben, dass er selbst wusste, dass das alles nur ein schöner Traum war. Und so drückte er Fyes kleinen, zerbrechlichen Körper noch etwas mehr an sich und schlief auch bald an. Ryo lachte. Sie lachte freudig und ehrlich. Das Lachen war nicht gekünstelt, nicht aufgesetzt. Und doch brannte ihr Herz. Ihr Verstand war zu nüchtern, als dass sie nicht erkennen könnte, dass alles um sie herum nur ein Traum war. Ein Traum, der längst vergangen, längst gelebt war. Eine Erinnerung, die keine Erinnerung hätte sein sollen, hätte sein dürfen. Und doch war sie da. Und doch lachte sie. Lachte sie und ließ sich von Yuhin durch das Schloss jagen, am Flusslauf entlang, über die Brücke, bis sie mit dem Rücken am Tor stand und ihm schwer atmend entgegensah. Yuhin näherte sich auf wenige Schritte. Er hatte nur eine Hakama an, sein Oberkörper war nass. Nicht nur vom Schwitzen, auch vom Wasser des Flusses, mit dem Ryo ihn bespritzt hatte. Seine wuscheligen, kinnlangen, bläulich schimmernden Haare wehten im sanften Frühlingswind. “Das bekommst du zurück, Hoshitaka!” , rief er spielerisch. “Dafür musst du mich erst fangen, Prinz Yuhin.” , gab sie selbstgefällig zurück. Sie schlug eine Finte nach links und sprang dann nach rechts, um über das Kiesbett laufend zu entkommen. Yuhin hatte sich veralbern lassen, war erst ein paar Schritte in die andere Richtung gerannt und wirbelte nun wütend herum, um ihr nachzusprinten. “Warte, Hoshitaka!” , schrie er im Laufen. “Ich denk nicht dran.” , rief Ryo zurück. Lachen und Schreien erfüllte die Luft. Und all das war von der Außenwelt abgeschnitten. Ryo fühlte sich geborgen, sicher, nicht mehr... einsam. Sie erreichte als erstes den großen Garten, in dem die Königin sich mit ihrer Schwester unterhielt. Die Königin, Yuhins Mutter, war eine schlanke, wunderschöne Frau, mit langem, silbrig glänzenden Haaren. Ihre fahlgrünen Augen legten sich auf Ryo, als diese vorbeilief und ihr zuwinkte. Die Schwester der Königin, pummelig und mit dunklen Haaren und Augen, war eine Frau, die sich nicht viel daraus machte, dass ihre geliebte Schwester die Königin des Landes war. Sie hatte eine kleine Gaststube in der Hauptstadt eröffnet und Ryo aufgenommen, als diese auf einmal vor ihrer Haustür gehockt hatte. Blutverschmiert und total verwirrt. Auch sie sah lächelnd zu Ryo. In dem Moment stolperte Ryo, viel der Länge nach ins weiche, grüne Gras, das die selbe Farbe wie die Augen der Königin hat, und blieb erschöpft keuchend und schwitzend liegen. “Hab ich dich.” Yuhin hatte sie eingeholt, stand über ihr und sah auf sie herab. Er packte sie um die Hüfte, die Arme mit in seinem Griff. Sie versuchte strampelnd, sich aus dem Griff zu befreien. Sie kreischte spielerisch und lachte doch weiter. Yuhin lachte auch. Er trat mit ihr an den Fluss. “Willst du da rein?” Seine Stimme erklang ganz nahe an ihrem Ohr und sie schüttelte lachend den Kopf. “Okay, aber ich schmeiße dich trotzdem rein.” , meinte Yuhin grinsend. “Nein, nein!” Lachend und strampelnd wollte sie sich aus dem Griff des Prinzen befreien, doch es gelang ihr nicht. Und im nächsten Moment umschlang sie das Wasser, obwohl der Griff sich nicht gelöst hatte. Erst im Wasser ließ Yuhin sie los. Als sie beide mit ihren Köpfen die Oberfläche durchbrachen und zum Ufer sahen, stand dort die lächelnde Königin. “Mama!” , rief Yuhin entsetzt. “Yuki-ou?” , fügte Ryo verwundert an. Doch ihre feurigroten Augen verloren ich in den tiefgrünen Augen der Königin, die ihr verschmitzt zuzwinkerte. Ryo lachte, tauchte, nachdem sie tief Luft geholt hatte, ab und schwamm ein Stück unter Wasser. Ja, das alles war ein Traum, eine Erinnerung, an Zeiten, die sie längst hatte vergessen wollen. Aber manchmal war es schön, sich daran zu erinnern. Denn sie hatte das Gefühl, nie alleine sein zu müssen. Nie ohne die Menschen, die sie liebt. Bis sie merkte, dass ihr Herz nach anderen Menschen Sehnsucht hatte. Menschen, die nicht in dieser Welt existierten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 'Ich bin kein Philosoph, keine Gläubige, kein gar nichts... Ich bin nur ich...' Das habe ich gedacht, als ich dieses Kapitel geschrieben habe und mir dachte, dass das Zitat von Canetti hier einfach passt. Denn es ist das, was ein Traum macht. Auch bei Fye und Ryo. Ich weiß, dass diese 'Fußnoten' eh nie jemand liest, aber wenn doch: Ich bin ehrlich froh, dass ich TRC geguckt und gelesen habe. Sonst gäbe es jetzt diese Geshcichte nciht! Und das fänd ich traurig. Nciht, dass ich mich selbst loben möchte. Sondern dass ich durch diese Geschichte erkenne, wie sehr ich doch an meine Grenzen stoßen kann. Ich hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen! Eure Kirihara_Kayare Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)