Situationen von Phase (FF-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Arabella ------------------- Arabella "Ich habe mit Sicherheit nicht vor mich irgendwie mit dieser Arabella zu verloben!", fuhr Johnny seine Eltern an. Es war sonst nicht seine Art seine Mutter und seinen Vater anzuschreien, aber im Moment machte ihn ihr Verhalten einfach nur wütend. Was fiel ihnen überhaupt ein?! Mark McGregor - Johnnys Vater - warf ihm einen mahnenden Blick zu. Wie immer war er der Ansicht, dass man alles auch im ruhigen, sachlichen Tonfall klären konnte. Wie er ausgerechnet Marian, eine heißblütige, temperamentvolle Frau, heiraten konnte, war vielen damals ein Rätsel gewesen. "Johnny, wir machen uns Sorgen um dich", meinte Marian beschwichtigend - sie kannte diese Art von Wutausbruch von Johnny, immerhin hatte sie ihn groß gezogen - und blickte ihn eine Zeit lang schweigend an, ehe sie fortfuhr, "Es ist nunmal eine Tatsache, dass du dir vor lauter Beybladen gar keine Zeit nimmst, dich mit Mädchen zu treffen..." Johnny zuckte zusammen. Das stimmte so nicht. Er hatte eine Freundin, Rika - er hatte seinen Eltern nur noch nicht von ihr erzählt. Und das, obwohl er schon fast zwei Jahre mit ihr zusammen war. Der Grund hierfür war einfach, dass er sich nicht sicher gewesen war, ob seine Eltern sie akzeptierten. Okay, er musste zugeben, dass das eine Lüge war. Sein eigentliches Problem war sein Bruder William. Vom Charakter her war er Enrico tatsächlich sehr ähnlich; aber im Gegensatz zu diesem schreckte er nicht vor der Freundin seines besten Freundes oder gar seines Bruder zurück. Und jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, ob Rika ihn wirklich wegen William verlassen würde, plagten ihn die Selbstzweifel, die er sonst immer mit seinem Temperament überdeckte. "...oder mit Jungs." Für einen kurzen Moment starrte Johnny seine Mutter fassungslos an und wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Dachten seine Eltern etwa, dass er schwul war?! "Auf jeden Fall... es ist ja keine richtige Verlobung. Es ist nur so eine Art Probebeziehung. Und Arabella ist ein wirklich sehr liebes und umgängliches Mädchen." Johnny erhob sich aus dem Sessel, in dem er bis eben noch gesessen hatte: "Das mag ja sein, aber es geht nicht!" Seine Eltern warfen sich einen kurzen Blick zu. "Nein, ich bin auch nicht schwul!", platzte es aus ihm heraus und er stierte die Beide böse an. "Es ist einfach so, dass... ich schon eine Freundin habe", während er das sagte, wurde er immer leiser und kratzte sich verlegen am Kinn. Zu seinem Erstaunen wirkten seine Eltern nicht einmal überrascht. "Wie heißt sie?", fragte sein Vater. "Rika." Marian streckte Johnny das schnurlose Telefon entgegen, das dieser verwirrt annahm, "Sie ist am Telefon." Dem jungen Schotten klappte förmlich das Kinn hinunter, als ihm schlagartig klar wurde, dass seine Eltern wiedereinmal einem ihrer Lieblingshobbies nachgegangen waren: Ihre Söhne durch verdrehte Tatsachen ärgern, wenn diese nicht die Wahrheit sagten oder etwas verschwiegen. Beleidigt biss er sich auf die Unterlippe. Arabella gab es vermutlich dann auch nicht. Wieso fiel er nur jedes Mal wieder auf die Masche seiner Eltern herein? Mit einem letzten und höchstgekränkten Blick auf seine Eltern wollte er aus dem Raum hinaus gehen, um mit Rika in Ruhe telefonieren zu können, als sein Vater meinte: "Arabella wartet in deinem Zimmer auf dich." Mit einem genervten Blick über seine Schulter - er wusste jetzt nicht, ob das ein Scherz oder tatsächlich ernst gemeint war - trat er aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Während er das Telefonat mit Rika begann und ihr gleich von dem Vorfall mit seinen Eltern erzählte, konnte er es nicht verhindern, dass er eilig zu seinem Zimmer rannte. Denn als McGregor war ihm eine gewisse Neugierde angeboren; und so wollte er jetzt wissen, ob in seinem Zimmer tatsächlich ein Mädchen auf ihn wartete. Doch als er sein Zimmer betrat, war dort nichts außergewöhnliches. Fast enttäuscht - aufgrund der Tatsache, dass sein Vater ihn hereingelegt hatte - ging er zu seinem riesigen Himmelbett, als er ein leises Klingeln wahrnahm und auf einmal einen stechenden Schmerz in seinem Fuß spürte. Als er an sich herabsah, saß dort - in seinen Fuß gekrallt - ein kleines Kätzchen. Arabella. Johnny seufzte und für einen kurzen Moment vergaß er, dass er Rika am Telefon hatte. "Na, das scheint wohl eher eine Langzeitbeziehung zu werden", murmelte er und packte das Kätzchen vorsichtig mit einer Hand, um es mit zum Bett zu nehmen. Eines musste er seinen Eltern lassen: zumindest wussten sie, wie sie von ihren Missetaten geschickt wieder ablenken konnten... ~*~ Kapitel 2: Vertrauensbruch -------------------------- Vertrauensbruch Widerwillig und missmutig saß Johnny mit angezogenen Beinen, um die er seine Hände geschlungen hatte, auf dem Fensterbrett und starrte nach draußen. Es dämmerte inzwischen und es würde wohl nicht mehr lange dauern, ehe es vollkommen dunkel war. Er selbst befand sich im hell erleuchteten Esszimmer von Roberts Burg und hoffte nun inständig, dass die anderen ihn schon längst wieder vergessen hatten. Der Grund, warum er hier war, war sein Benehmen in den letzten Wochen; Nachdem er Enrico dabei erwischt hatte, wie dieser in seinem Tagebuch gelesen hatte, hatte er diesen förmlich aus seinem Haus gejagt und danach auf stur gestellt. Das hieß, er hatte jegliche Kontaktaufnahmen ignoriert und gar nicht mehr reagiert. Nun, zumindest, bis sich gestern Robert gemeldet hatte und gesagt hatte, er würde ihn höchstpersönlich in hohem Bogen aus dem Team werfen, wenn er sich weiterhin so wie ein kleines Kind aufführe und die Sache mit Enrico nicht bald ordentlich kläre. So viel dazu. Er hatte keine Lust aus dem Team zu fliegen, hatte aber auch keine Lust mit Enrico irgendetwas zu besprechen. Es mochte vielleicht lächerlich sein, aber für ihn persönlich war es ein großer Vertrauensbruch, wenn Enrico einfach seine geheimen Tagebucheinträge las, in denen er alle seine Gedanken des Tages niedergeschrieben hatte und deutlich bewies, dass er nicht das arrogante Großmaul war, das er immer vorgab zu sein, sondern stattdessen von extremen Selbstzweifeln gequält wurde. Das musste absolut nicht jeder wissen! Mit einem genervten Seufzen schloss er die Augen. Robert hatte ihm gesagt, er solle sich auf neutralem Boden - sprich, bei Robert selbst - mit Enrico treffen und alles durchsprechen, wobei Johnny sich sicher war, dass die anderen wussten, was Enrico getan hatte und ihn auch dementsprechend zersägt hatten. Zumindest hoffte er das. Es war das Mindeste, was sie hätten tun können, um ihm einen Gefallen zu tun. Auf der anderen Seite kannte er Roberts und Olivers Einstellung nur zu gut: Sich nicht mehr in die Dinge und Streitigkeiten anderer Leute einzumischen, als unbedingt nötig war. Tatsächlich ging im nächsten Moment die Tür auf und Johnny fuhr - etwas erschrocken, immerhin war er bis eben tief in seinen Gedanken gewesen - herum, nur um festzustellen, dass ebendort Enrico stand. Schlagartig fühlte Johnny, wie sich eine ungeheuere Wut in ihm gegen den Italiener aufstaute und er musste das Gefühl unterdrücken, aufzuspringen und den Raum zu verlassen. Hinzu kam, dass er sich selbst so schlechte Gedanken machte, dass er böse dreinblickte, wodurch er innerlich stark verkrampfte. Warum hatte ihn denn niemand irgendwie psychisch darauf vorbereiten können? "Bevor du wieder abhaust, Johnny. Ich werde mich nicht bei dir entschuldigen", der Schotte wollte gerade etwas bösartiges sagen, als Enrico fortfuhr, "Ich entschuldige mich nicht für etwas, das ich nicht getan habe. Klar, ich hatte dein Tagebuch in der Hand. Aber ich habe es nicht gelesen. Ich kann nichts dazu, wenn du es in deiner Bibliothek lagerst und ich es deshalb für eines der Bücher halte. Aber mir zu unterstellen, ich hätte es gelesen, obwohl dein ach so liebes Tagebuch mit einem Zahlenschloss versehen ist, finde ich schon ein bisschen eine Frechheit. Weißt du eigentlich, was für einen Schock ich hatte, als du mich wütend brüllend durch dein Schloss gejagt hast? Ich dachte mir rutscht das Herz in die Hose. Dann wollte ich die Umstände klären und du hast auf stur geschalten. Also, ich denke, der Einzige, der sich entschuldigen sollte, das bist du!" Johnny blinzelte kurz und starrte Enrico entsetzt an - und zwar nicht aufgrund der Tatsache, dass Enrico eben alles ohne einmal zu atmen gesagt zu haben schien, sondern aufgrund dessen, dass er eigentlich soweit hätte mitdenken müssen. Nun, so war eben alles wieder wie immer. Er dachte nicht mit, beschuldigte andere und durfte dann am Ende sehen, wie er alles wieder gerade bog. So war das eben als Johnny McGregor... ~*~ Kapitel 3: Teufelspakt ---------------------- Teufelspakt Er, Johnny McGregor, der Gladiator von Glasgow, hatte in seinem Leben nur eine Sache, von der er wirklich besessen war: Robert im Schach zu besiegen. Es war ihm wichtig in vielen Dingen als Profi bis Meister zu zählen und die Tatsache, dass er immer und immer wieder gegen seinen Freund und Teamkollegen Robert verlor, zehrte an seinem Selbstwertgefühl, ja es machte ihn sogar fast wahnsinnig. Eines Tages brachte seine Mutter ein Mitbringsel von einer Reise mit, eine Kette, in die sonderbare Zeichen eingraviert waren. Als er in dieser Nacht erschrocken aufwachte, stand vor ihm eine Gestalt, die von roten, lodernden Flammen umgeben war. "Ich sehe, dass da etwas tief in deinem Herzen schlummert. Ein Sehnen nach etwas, dass du niemals von selbst erreichen kannst. Ich werde dir helfen, ich werde dir dein Ziel zu greifen geben. Aber dafür musst du mir etwas als Gegenleistung geben..." Schläfrig und in der festen Überzeugung, dass alles nur ein Traum war, stimmte Johnny zu. Robert war in den letzten Wochen nicht entgangen, wie frustriert Johnny aufgrund der Tatsache war, dass er regelmäßig gegen ihn im Schach verlor. Obwohl es eigentlich gegen seine Prinzipien war, beschloss er, Johnny zumindest ein einziges Mal die Chance zu geben, zu gewinnen. Als es dann zum nächsten Schachspiel kam, war Johnny außerordentlich gut bei der Sache und obwohl es Robert reizte fair gegen ihn zu spielen, erinnerte er sich immer wieder an seinen Vorsatz nicht zu gewinnen. Und so verlor er. Johnny entging das falsche Spiel jedoch nicht und er war wütend auf Robert. Dieser wiederum konnte sein falsches Spiel schlecht zugeben, da Johnny sonst auf ewig und einen Tag sauer auf ihn gewesen wäre. So stritt er es ab und es kam zu einem Streit zwischen den Beiden. Doch was während dieses Gespräches geschah, war so unglaublich, dass Robert sich auf ewig daran erinnern würde: der Schotte verwandelte sich vor seinen Augen in eine... Schottin! Und wenn sie nicht gestorben sind, haben sie geheiratet und sind glücklich bis ans Ende aller Tage. ~*~ Kapitel 4: Geheimnisse ---------------------- Geheimnisse Johnny hatte sich schon den ganzen Tag über seltsam verhalten, aber als er sein Mittagessen nicht einmal anrührte, war sich Robert endgültig sicher, dass etwas überhaupt nicht in Ordnung war und er nahm sich vor, mit dem Schotten zu reden. Kurz darauf bot sich ihm auch tatsächlich eine passende Gelegenheit: Oliver und Enrico wollten in die Stadt gehen um sich mit ein paar Mädchen zu treffen. So würde er Johnny alleine erwischen und sie könnten ungestört unter vier Augen miteinander reden. Gerade als er in seiner Bibliothek sitzend noch darüber nachdachte, wie er Johnny dazu bringen konnte, ihm sein Herz auszuschütten, stand plötzlich ebendieser in der Tür und sah mit leicht verstörtem Blick zu ihm herüber. "Kann ich mal mit dir reden?" Verwirrt blinzelnd - Johnny war noch nie von selbst mit einem Problem zu ihm gekommen - deutete Robert dem Schotten an, sich ihm gegenüber zu setzen. Bevor Robert auch nur irgendetwas sagen konnte, fuhr Johnny fort. "Hör zu. Ich habe ein Problem. Ein großes Problem", er presste seine Lippen aufeinander und zögerte einen Moment, "Aber irgendwann demnächst weiß es sowieso die ganze Welt, daher... ich sag's dir lieber gleich. Und... äh... vielleicht weißt du ja eine Lösung, bevor Schlimmeres passiert." Das machte Robert neugierig. Auf der anderen Seite war Johnny dafür bekannt, dass er aus einer Mücke gerne einmal einen Elefanten machte. Das Beste war einfach abzuwarten und zuzuhören. Er lehnte sich zurück. "Du weißt doch, dass...", er zögerte und ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen, "Mister Tompson." Robert starrte ihn im ersten Moment entgeistert an, ehe er anfing zu grinsen: Mister Tompson war Johnnys uraltes Pferde-Kuscheltier, das er zu seinem ersten Geburtstag geschenkt bekommen hatte; nachts benutzte er es immer als Kopfkissen. Robert empfand es als eine kindiche Seite an Johnny, die er wohl in Kauf nehmen musste, und hatte es deshalb nie wirklich hinterfragt. "Was ist denn mit... Mister Tompson?" Johnny wirkte jetzt noch verstörter. "Sie haben ihn...", meinte er und schluckte hart. Robert blinzelte. "Wer hat ihn?" "Enrico und Oliver. Sie haben ihn mir gestohlen und drohen damit, die Geschichte an die Presse zu verfüttern, also, dass ich noch mit Kuscheltieren schlafe und so... und außerdem wollen sie ihn dann bei eBay versteigern..." "Und was bringt das ihnen?" Johnnys Blick verdüsterte sich. "Blackmail. Erpressung. Nenn' es wie du willst. Jetzt haben sie mich schon die ganzen letzten Tage dazu gezwungen irgendwelche seltsamen Sachen zu machen. Ich habe keine Lust mehr... Kannst du nicht mal mit ihnen reden?" Robert wollte gar nicht wissen, was diese seltsamen Sachen waren und bestätigte Johnny, dass er in jedem Fall ein Gespräch mit den Beiden führen würde - auch wenn er Johnnys Vorliebe für hässliche, alte Kuschelpferde immer noch nicht teilte, geschweige denn verstand. Nach der Unterhaltung mit Johnny ging er auf sein Zimmer und dachte nochmal darüber nach, was ihm der junge Schotte gesagt hatte. Eine Sache ging ihm nicht aus dem Kopf: Weder Oliver noch Enrico hatten Zutritt zu Johnnys Zimmer gehabt und sie hatten auch gar keine Möglichkeit gehabt herauszufinden, dass Johnny mit Kuscheltieren schlief. Er selbst wusste es aus Kindheitstagen und der Tatsache, dass er regelmäßig mit Johnny das Zimmer teilte, sofern sie im Team unterwegs waren. Auf einmal kam ihm eine Idee und er eilte zu Johnnys Zimmer. Als er klopfte, machte nach ein paar Minuten ebendieser auf, wobei er so aussah, als sei er gerade unter der Dusche gewesen. "Was ist?", murrte er und tropfte mürrisch den Teppich voll. "Hast du schon mal unter deinem Bett nachgesehen?" "Hm? Was?" "Na, erinnerst du dich nicht mehr an das Sommercamp, als du mir die Hölle heiß gemacht hast und dein blödes Stofftier - sorry - im Endeffekt unter deinem Bett gelegen hatte?!", Johnny guckte ihn verdutzt an und schüttelte den Kopf. Robert seufzte und ging zum Bett. "Und wie ich dich kenne, war das Kuscheltier weg und du bist sofort zu Enrico gerannt und hast ihm gesagt, er soll die Mister Tompson zurück geben. Als er verdutzt geguckt hat, hast du ihn darauf aufmerksam gemacht, dass du das Pferdekuscheltier meinst. Nicht wahr?" Johnny starrte ihn an und sein Blick verriet, dass es wohl genauso gewesen sein musste. Er selbst wusste, dass Enrico und Oliver für so ziemlich jeden Streich zu haben waren. Robert bückte sich und entdeckte sofort das alte Pferd. Seufzend zog er es hervor; der entsetzte Blick des Schotten entging ihm nicht. Er wollte wirklich nicht wissen, zu was Enrico und Oliver ihn gezwungen hatten - obwohl sie das Stofftier nicht mal angefasst hatten. ~*~ Kapitel 5: Der Geburtstag ------------------------- Der Geburtstag Seufzend saß Johnny in seinem Zimmer. Unten im Festsaal war die Feier zu seinem achtzehnten Geburtstag in vollem Gange; Seine Eltern hatten etliche Leute eingeladen, unter anderem auch sämtliche BBA-Beybladeteams. Doch er selbst saß nur frustriert hier auf seinem Fensterbrett. Er hatte sich zumindest sehen lassen und wenn er nicht mehr da war, würde das bei der masse an Menschen niemandem auffallen. Das Letzte, was er sich gewünscht hatte, war eine riesige Party mit über zweihundert Leuten gewesen. Wenn er ehrlich war, hatte er einfach nur im kleinen Familienkreis sitzen wollen. Einfach nur umgeben von Verwandten und seinen Eltern, die an diesem einen Tag im Jahr nur für ihn alleine da waren. Es klang vielleicht etwas dämlich, aber ihm war es nicht wichtig, sich mit möglichst vielen Leuten zu betrinken, er wollte einfach das Gefühl von Familie haben, dass er als kleiner Junge vor allem an seinem Geburtstag gehabt hatte. Nun, bis zu seinem sechsten Lebensjahr, als das Einladen von diversen Leuten - auf seinen eigenen Wunsch hin - begonnen hatte. Er seufzte. Schade, dass diese Zeit der Geborgenheit so schnell vorübergegangen war. Hätte er es doch nur mehr zu schätzen gewusst. ~*~ Kapitel 6: Der Traum vom Verlorenen ----------------------------------- Der Traum vom Verlorenen Ihm war es bisher immer wie ein Spiel vorgekommen. Ein Spiel mit dem Feuer. Es war riskant gewesen und umso mehr hatte er es geliebt. Das Risiko, erwischt zu werden. Liebe war wohl niemals wirklich im Spiel gewesen. Nun, zumindest hatte er das geglaubt. Das Zimmer war dunkel und Johnny saß frustriert und nachdenklich zusammengekauert auf dem roten Teppichfußboden seines Zimmers. Er fühlte sich im Moment einfach nur leer und am liebsten hätte er wohl einfach nur noch geheult. Und all seine miese Laune hatte nur einen Grund: Robert. Nun, sie hatten eine Beziehung gehabt. Zumindest, wenn man das so nennen konnte. Alles hatte lediglich darin bestanden, dass sie Sex miteinander gehabt hatten, mit Liebe hatte es - zumindest anfangs und für Johnny - nichts zu tun gehabt. Gewusst hatte niemand etwas, genauso wenig, wie es irgendjemand auch nur geahnt hatte. Und dann... ja, dann wollte Robert mehr. Aber wozu mehr? War es nicht so in Ordnung, wie es gewesen war? Musste etwas geändert werden? Er wollte mehr. Das hieß: eine echte Beziehung und vor allem kein Verstecken. Wieso Robert auf einmal damit kam, war ihm rätselhaft. Für ihn selbst war es immer mehr ein Spiel, vielleicht gerade einmal ein Zeitvertreib gewesen - auch wenn er diesem äußerst gerne nachging. Aber etwas Ernstes? Vermutlich hatte er Robert von Anfang an falsch verstanden gehabt. Für ihn war es vermutlich weit aus mehr gewesen. Vermutlich... Schon alleine die Tatsache, dass jemand an ihn derartige Forderungen stellte, hatte Johnny dazu veranlasst trotzig alles abzuschlagen. Folge: Trennung. Im ersten Moment war es ihm egal gewesen. Aber nun... Er vermisste Robert und wenn er darüber nachdachte, hatte er die gemeinsame Zeit genossen, sie war angenehm gewesen und hatten ihm eine Art Ausgleich gegeben. Und nun... gab es das nicht mehr. Vielleicht sollte er Robert einfach anrufen und ihm sagen, dass es ihm Leid täte und dass er bereit war die Forderungen zu erfüllen. Aber war er das? Er wollte nicht, dass irgendein Mensch erfuhr, dass er etwas mit einem anderen Mann hatte und wenn er daran dachte, vor Enrico oder Oliver zugeben zu müssen, dass er seit fast einem Jahr regelmäßig mit Robert schlief... Es war nichts, was er bereit war zu tun, nur um vielleicht etwas zurückzuerhalten, nach dem er sich sehnte. Seufzend lehnte er sich soweit zurück, bis er mit dem Rücken auf dem Boden lag. Was bedeutete Robert ihm eigentlich? Er war nicht bereit für ihn irgendetwas aufzugeben und dennoch war er ihm zu wichtig um es nicht zu tun. Die gemeinsame Zeit war etwas, das er nicht wollte, aber trotzdem ersehnte. Erschöpft schloss er seine Augen. Ein lautes Klopfen ließ ihn erschrocken zusammenzucken und als er sich müde über die Augen rieb, musste er feststellen, dass Robert direkt vor ihm stand und ihn verwundert anblinzelte. Der Schotte setzte sich auf. "Hast du die ganze Zeit auf dem Boden geschlafen?" "Nein. Das heißt... ja. Vermutlich schon", Johnny runzelte die Stirn, fuhr sich durch die Haare und seufzte dann erleichtert. Robert setzte sich neben ihn und fasste dann seine Hand, "Hast du darüber nachgedacht?" Ein Nicken Johnnys folgte und ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Manchmal war es gut, dass nicht alle Träume der Realität entsprachen... ~*~ Kapitel 7: Heimreise -------------------- Heimreise Nachdenklich blickte Johnny aus dem Fenster des ICE, der ihn zurück nach Glasgow bringen sollte. Fast drei Wochen war er von zu Hause weggewesen, bei seiner Tante, die in einem kleinen englischen Dorf, fünfzig Kilometer von London entfernt, lebte. Dort war alles irgendwie eine andere Welt. Es war englisch und edel gewesen, obwohl es eine recht ländliche Umgebung gewesen war. Er hatte relativ viel Zeit im Freien und vor allem in der Natur verbracht, was für ihn ungewöhnlich war - er war nun einmal eines dieser Großstadtkinder, das für gewöhnlich seine Zeit damit verbrachte, im Haus vor dem Computer zu sitzen oder nachts durch die Straßen der Stadt zu ziehen und bis zum nächsten Morgen mit ein paar Kumpels zu feiern. Obwohl recht wenig geschehen war, waren die einundzwanzig Tage dennoch viel zu schnell vorbei gegangen. Sie waren erholsam gewesen und Johnny hatte sich seit Jahren nicht mehr so ausgeglichen gefühlt. Und was Nora anging... Gedankenversunken lächelte er seine Spiegelung auf der Scheibe an. ...er würde ihr sicher schreiben. ~*~ Kapitel 8: Rache auf Umwegen ---------------------------- Rache auf Umwegen Genervt blickte Johnny auf seinen Bildschirm, als er die Internetsite des "Offiziellen Fanclubs des Gladiator of Glasgow" betrachtete. Wieder einmal hatte es die Site geschafft, von der Trennung von seiner Freundin zu erfahren, noch bevor er es selbst gewusst hatte. Sammy hatte Schluss gemacht - wieso wusste er selbst nicht so genau - und er hatte es über seine Fanpage erfahren. Zuerst hatte er es, mal wieder, für einen schlechten Scherz gehalten, bis er auf seinem Handy gesehen hatte, dass er eine neue Nachricht erhalten hatte. Eine SMS von Sammy mit den Worten: "Es ist aus." Tatsächlich hatte es ihn diesmal nicht wirklich schockiert, dass Sammy per SMS mit ihm Schluss gemacht hatte. Seine letzten fünf Freundinnen hatten es nach jeweils drei Wochen Beziehung ähnlich gehandhabt. Da es die Homepage immer vor allen anderen wusste, musste wohl eine Person hinter den Newsupdates (sie trug den Usernamen "Pink_Passion" - dieser Name brachte ihn auf eine düstere Vermutung) stecken, die auch etwas mit seinem Freundinnenverschleiß der letzten Monate zu tun hatte. Neugierig klickte er sich durch die Impressums- und Mitarbeiterseiten, bis er schließlich tatsächlich das fand, was er gesucht hatte. Pink_Passions realer Name war kein anderer als... Sarah Grey. Seine Ex mit dem Pinkfimmel - die letzte Freundin, mit der er Schluss gemacht hatte. Manipulationen und Rache. Er hasste sowas... ~*~ Kapitel 9: Ziele ---------------- Ziele Keuchend zwang Johnny sich dazu die letzten zweihundert Meter der Strecke zu laufen. Die Sonne brannte ihm in sein Genick und brachte ihn dazu, dass ihm der Sportunterricht, den er sonst mit Leichtigkeit hinter sich brachte, etliches an Mühe kostete. Nur noch hundert Meter... Tatsächlich liebte er das kühle, nasse Wetter Großbritaniens, aber mit einer herabbrennenden Sonne konnte er nicht viel anfangen. Vor allem nicht, wenn er dazu gezwungen war, eine schier unendlich lange Strecke zu laufen, die einfach kein Ende nehmen wollte. Es war schlichtweg anstrengend. Nur noch fünfzig Meter! Er schleppte sich zielstrebig weiter. Bald hatte er es geschafft! Nur noch ein paar Schritte trennten ihn von seinem Ziel und er war überaus dankbar, dass die Tortur in Kürze vorbei sein würde... Erschöpft kam er kurz hinter der Ziellinie zum Stehen und war erleichtert, dass er die Strecke endlich hinter sich gebracht hatte. "Was ist denn das? McGregor, weiter! Es fehlen noch zwei Runden!" Entsetzt starrte Johnny seinen Lehrer an. Gott, wie er es hasste... ~*~ Kapitel 10: Die Zeit verändert... --------------------------------- Die Zeit verändert... Der Aufstieg war anstrengend gewesen, doch umso mehr freute sich Johnny bereits auf die Aussicht, die er haben würde. Er erinnerte sich an den überwältigenden Anblick, den er vor mehr als sieben Jahren recht häufig genossen hatte. Sie hatten sich jede Woche mindestens einmal hier getroffen und hatten über allerlei Dinge gesprochen, über die sie unter den Augen und Ohren der Internatslehrer niemals gesprochen hätten. Ja, es war eine unbeschwerte und schöne Zeit gewesen. Doch nun, nun war er erwachsen. Die Zeiten hatten sich geändert und anstatt der großartigen Aussicht, auf die er sich während des Aufstieges gefreut hatte, blickte er nun auf eine Baustelle hinab. Maschinen holzten den Wald ab, um neue Fläche für das boomende Industriegebiet zu schaffen. Seufzend setzte er sich auf einen der größeren Steinbrocken. "Du hast es also nicht vergessen..." Johnnys Lippen umspielten ein Lächeln, doch er drehte sich nicht um. "Ich hatte es ja versprochen." Er lauschte den Schritten, wie sie langsam näher kamen, bis sich letztendlich zwei Arme um ihn legten und ihn von hinten umarmten. Tessas Körper wirkte eigenartig kalt auf ihn. Er wirkte nicht mehr so wärmend wie früher einmal. "Ich liebe dich, Johnny McGregor." "Ich weiß." Obwohl er es gerne gesagt hätte, brachte er es nicht über sich, Tessa zu gestehen, dass sie ihm immer noch viel bedeutete. Es war ein Teil seines Lebens, mit dem er abgeschlossen hatte. Es war schmerzhaft gewesen, er hatte es verdrängt und er wollte nicht, dass alte Wunden wieder aufbrachen. Warum war er überhaupt gekommen? Das alles hier war schon lange nicht mehr sein Leben. Er gehörte hier nicht mehr hin. Und Tessa würde das begreifen müssen... ~*~ Kapitel 11: Freundschaft ------------------------ Freundschaft Johnny saß auf seinem Stuhl in dem kleinen Eiscafé in einer der vielen Seitenstraßen Roms und seufzte leise. Nach etlichen Wochen, in denen er Enrico nun nicht gesehen hatte, hatte er seinen alten Freund einen Besuch abstatten wollen - dieser war auch recht erfreut darüber gewesen - der jedoch soweit ausgeartet war, dass Johnny einfach nur gelangweilt dasaß, während Enrico schlichtweg damit beschäftigt war, mit einem Haufen Mädchen, die sich um ihn geschart hatten, zu flirten. Zumindest wusste er jetzt wieder, warum er es vermieden hatte, mit Enrico etwas zu unternehmen: Es wurde immer langweilig, weil Enrico sich nun einmal lieber mit dem anderen Geschlecht, egal wie fremd ihm die Mädchen waren, beschäftigte, als mit einem guten Freund, den er schon seit Jahren kannte. "Ich geh' dann mal", murmelte Johnny, wobei es ihm vorkam, als spräche er mit sich selbst, da Enrico keinerlei Reaktion zeigte, es wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen hatte. Johnny stand auf und ging demonstrativ weg. Immer noch keine Reaktion von Enrico. Er seufzte, zog sein Handy aus der Tasche und als die Frage kam "Wollen Sie diese Nummer wirklich aus ihrem Telefonbuch löschen?" bestätigte er. Einen Freund, der sich nicht um einen kümmerte, war kein Freund. Und zu behaupten, dass es mit Enrico einmal anders gewesen war, wäre eine glatte Lüge gewesen... ~*~ Kapitel 12: Freundinnen und andere Probleme ------------------------------------------- Freundinnen und andere Probleme "Johnny. Wer ist das?", Sandras Stimme klang gezwungen freundlich, als sie von Lara, die ihn böse anstierte, zu ihm sah und zurück. Nun, es war jetzt wohl der falsche Zeitpunkt um zuzugeben, dass er über die Erkenntnis seiner neuen Liebe vollkommen vergessen hatte, mit seiner alten Beziehung Schluss zu machen. Seit immerhin fast 3 Wochen. Johnny biss sich auf die Unterlippe und dachte angestrengt nach, wie er die Situation am besten lösen konnte, ohne dass eine der Beiden - oder gar Beide gleichzeitig - wie bösartige, hungrige Hyänen über ihn herfielen. "Ähm..." "Sie hat dich 'Johnny-Schatz' genannt!" "Ähm..." "Ich bin seine Freundin!", brauste Lara auf und funkelte ihr weibliches Gegenüber bösartig an. "Ähm..." "Pah! Ich bin Johnnys Freundin, nur dass das klar ist: Wir sind jetzt schon seit fast drei Wochen zusammen!" "Ähm..." "Johnny und ich sind jetzt schon seit zwei Monaten zusammen!" "Ähm..." Die Gesichter beider Mädchen wandten sich schlagartig zu ihm hinüber und Johnny duckte sich unwillkührlich, da er das Gefühl verspürte, in der Vorstellung der Beiden gerade zerstückelt zu werden. "Ähm... Hört mal zu Mädels... ähm..." "Er ist NICHT mit dir zusammen!", fing Lara wiederum an und ignorierte komplett Johnnys Einwand. "Hey, Mädels, ich..." Entsetzt musste Johnny feststellen, dass die beiden Mädchen es nicht darauf anlegten, dass er das Problem löste: sie wollten sich lieber gegenseitig etwas vorwerfen, für das keiner von beiden etwas konnte: Johnnys Feigheit. Nach einigen Minuten, in denen er noch dem Streitgespräch der Beiden folgte, stand er auf, bezahlte die Rechnung und ging. Die Mädchen nahmen so oder so keine Notiz von ihm. Am Abend würde er wohl mit Beiden per SMS Schluss machen. ~*~ Kapitel 13: Die Liebe meines Lebens?! ------------------------------------- Die Liebe meines Lebens?! Endlich hatte er einmal Ruhe. Erleichtert atmete Johnny aus und blickte sich nocheinmal vorsichtig um, ob Sally auch wirklich nicht in der Nähe war. Am Anfang hatte er es gar nicht wirklich bemerkt, wie sehr die Kleine an ihm klebte. Später hatte er es unheimlich süß gefunden. Und jetzt... jetzt fand er es einfach nur noch furchtbar nervig. Keinen Schritt konnt er gehen, ohne von ihr verfolgt zu werden. Es war schon stressig genug, sie davon zu überzeugen, dass er kurz auf die Toilette musste und in ein paar Minten wieder kam. Nur diesmal war er nicht wiedergekommen. Er war aus dem Toilettenfenster gestiegen und hatte das Weite gesucht. Seufzend und etwas mitleidig dachte er an Enrico zurück, den er davon überzeugt hatte, dass er zuerst in die Toilette müsse und der nun vor verschlossener Badezimmertür stand - mit niemandem, der wirklich dringend auf's Klo musste. Johnny hatte sich schon mehrmals überlegt, ob er Sally nicht einfach verlassen sollte. Doch... Er zögerte. Er war sich sicher, dass sie zu der schlimmsten Sorte Stalker gehören würde; und er war sich nicht sicher, ob er das Überleben würde. Vielleicht konnte er vor Gericht eine Verfügung gegen sie erwirken...? "Johnny! Hier bist du!", begeistert, aber zu seinem Erstaunen nicht wirklich wütend, hastete Sally auf ihn zu, "Hast du mich erschreckt, als du plötzlich weg warst!" Sie strahlte ihn an und Johnny fragte sich, wie sie es wohl verkraften würde, wenn er ihr sagen würde, dass er sie jetzt schon seit einigen Wochen nicht mehr leiden konnte... ~*~ Kapitel 14: Schullektüre ------------------------ Schullektüre "Du... Johnny?" Genervt blickte der junge Schotte von seinem Buch auf und suchte Blickkontakt mit dem bösen Wesen, das ihn gerade vom Lesen abhielt: die eigene, kleine, gerade einmal sechs Jahre alte Schwester Mary. "Spiel mit mir!" Durchdringend starrte Johnny seine Schwester an, als wolle er sie rösten, doch als diese darauf kein bisschen reagierte, hob er sein Buch wieder und las einfach weiter. "Du... Johnny?" "Ja?" "Spielst du mit mir?" Am Besten gar nicht zuhören, schoss es Johnny durch den Kopf und er kämpfte sich tapfer weiter durch seine Englischlektüre. "Johnny...!" Seine kleine Schwester fing an, nervös vor ihm auf und ab zu gehen und entschied sich dann, dass es wohl durchaus effektiver war, Johnny direkt zu nerven. So begann sie damit, mit ihren Händen direkt vor seinen Augen herumzufuchteln. "Verflucht, Mary! Hör' auf, ich habe zu tun!" Die kleine Schwester hielt schlagartig inne und blickte ihren älteren Bruder stur an. Vermutlich waren es einfach die McGregor-Gene, die dafür sorgten, dass absolut jedes, aber auch wirklich jedes, Familienmitglied der McGregors so wahnsinnig dickköpfig war. Johnny hatte nicht die Nerven sich um Mary zu kümmern, genausowenig, wie er Lust hatte die Lektüre zu lesen. "Was liest du da? Lies mir was vor!" Nun, vielleicht konnte man ja doch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. "Okay, du Nervensäge. Aber danach geht es ins Bett." "Aber... es ist erst vier Uhr!" Johnny zuckte mit den Schultern und Mary biss sich auf die Unterlippe. "Okay", meinte sie und hoppste begeistert auf seinen Schoß, "Was liest du mir vor?" "Du kennst nicht zufällig schon das Stück "Romeo and Juliet" von Shakespeare...?" ~*~ Kapitel 15: Strike ------------------ Strike So langsam wurde es wirklich knapp. Und das war schlecht, denn er hasste es zu verlieren. Gereizt warf Johnny einen kurzen Blick auf den Punktestand auf dem kleinen Gerät oberhalb der Bowlingbahn. Er selbst hatte bisher nur mickrige Punktzahlen zustande gebracht und wenn er es jetzt nicht fertig brachte, einen Strike nach dem anderen hinzulegen, dann wäre das Spiel für ihn gelaufen. Aber er war ein McGregor und es lag nicht in der Natur der McGregors sich geschlagen zu geben, geschweige denn zu verlieren. Es sei denn beim Schach. Das war die absolute Ausnahme. Während Enrico sich mit Oliver unterhielt und ein paar Scherze darüber machte, dass der junge Schotte gerade den Kürzeren zu ziehen schien, war Robert kurz etwas zum Trinken holen gegangen. Johnny musste zugeben, dass er die von Enrico eingeführten wöchentlichen "Männerabende" - wie der Italiener es nannte - hasste, da Enrico immer irgendetwas als Thema auswählte, von dem er wusste, dass er Johnny damit aufziehen konnte, oder von dem er dies einfach vermutete. Mit höchster Konzentration checkte Johnny die Entfernung von seinem Bowlingball zu den zehn Pins, als Enrico und Oliver in gackerndes Gelächter über irgendetwas - das vermutlich mit ihm zu tun hatte - ausbrachen. Ein giftiger Blick über seine Schulter war Johnnys einzige Reaktion, ehe er sich wieder seiner Aufgabe zuwandte alle zehn Pins auf einmal zu erwischen. Als Robert mit den Getränken zurückkam, war das Erste was er sah Oliver und Enrico, die entsetzt und wie zwei Häufchen Elend Johnny anstarrten, der gerade zu seinem dritten Wurf ausholte - und wiederum einen Strike erzielte. Enrico musste ihm also 30 Punkte - einen Turkey - eintragen. Wenn das so weiter ging, würde der Schotte innerhalb der letzten drei Runden seinen gesamten Rückstand aufholen... und gewinnen. ~*~ Kapitel 16: Aufräumarbeiten --------------------------- Aufräumarbeiten Genervt blickte Johnny auf den Haufen Krimskrams, der seinen gesamten Zimmerboden bedeckte und es ihm nun unmöglich machte seinen Kleiderschrank ohne größere Schwierigkeiten zu öffnen. Nachdem er sich darüber klar wurde, dass sich die Situation durch seinen mürrischen Gesichtsausdruck tatsächlich nicht änderte, ließ er sich seufzend auf den Boden plumpsen und machte sich daran, das Chaos auf seinem Zimmerboden zu beseitigen. Wenn er ehrlich war, dann war ihm die Unordnung schon längere Zeit ein Ärgernis gewesen, aber nun, da er sich absolut nicht mehr bewegen konnte, war es wohl an der Zeit, wieder etwas aufzuräumen. Gelangweilt griff er nach dem erstbesten Gegenstand: ein hässlicher kleiner Eselschlüsselanhänger. Schmerzhaft verzog der junge Schotte sein Gesicht, als er sich daran erinnerte, dass er dieses unzumutbare Ding von Enrico zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Mit einem abwertenden Blick warf er das seltsame Teil in eine Ecke seines Zimmers. Er würde sich später darum kümmern. Als nächstes hatte er ein Buch in der Hand. Und er seufzte ebenfalls entgeistert auf, als er den Titel sah: "Wie ich mein Temperament besser unter Kontrolle halte". Seine Exfreundin Terry hatte es ihm zur Trennung geschenkt. Wiederum warf er den Gegenstand in die Masse zurück, aus der er es geholt hatte. Zielsicher erwischte er auch diesmal ein Etwas aus der Menge, das er sicher nicht haben wollte: Ein Hemd, das Robert ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Das er selbst aber potthässlich fand und sicher niemals tragen würde. Auch das Kleidungsstück landete am anderen Ende des Raumes, ebenso wie die nächsten fünf Dinge, die Johnny in die Hand bekam und ebenfalls als unwürdig ansah, um weggeräumt zu werden. Als er wieder etwas in die Ecke pfefferte seuzte er ergeben. Wenn er so weiter machte, dann konnte das noch Tage dauern... ~*~ Kapitel 17: Der Hosentaschen-Robert ----------------------------------- Der Hosentaschen-Robert So laut er konnte, knallte Johnny die Tür von Roberts Schachzimmer hinter sich zu. Er hatte bereits mehrere Stunden gewartet und war nun mehr als genervt, dass sich sein Freund einfach nicht blicken ließ. Deshalb hatte er auch kurzerhand beschlossen, selbst nach Robert zu suchen, und so war er nun letzten Endes hier gelandet - Im Schachzimmer. Doch auch hier war Fehlanzeige und gerade, als er sich abwenden und in das nächste Zimmer stürmen wollte, fiel sein Blick auf den Tisch, auf dem, neben dem Schachbrett, eine kleine, robertähnliche Puppe lag. Ein Grinsen huschte ihm über das Gesicht, als er auf das fixierte Objekt zusteuerte und es in die Hand nahm. "So, so. Hier bist du also. Ich habe mich schon gefragt, wo du die ganze Zeit gesteckt hast. Und wer durfte die ganze Zeit warten?" Er hockerte sich vor den Tisch und bewegte die Puppe, als würde sie sich untertänigst vor ihm verneigen, während er mit seiner Stimme Robert imitierte. "Es tut mir wahnsinnig Leid, Johnny! Wie konnte ich dich nur warten lassen! Ich verspreche dir, sowas kommt nie wieder vor!" "Das hast du schon öfters gesagt." "Aber niemals versprochen!" "Das stimmt, aber...-" "Bereits mein Ur-Ur-Ur-Ur-..." "Hör auf damit! Das will doch wirklich keiner hören. Wer interessiert sich schon für deine Familiengeschichte?!" "Johnny, du bist viel zu oberflächlich! Du solltest den Wert der Geschichte erkennen! Eben wegen solch einer negativen Einstellung geraten alte Geschichten in Vergessenheit und wiederholen sich solche Fehler immer wieder." Johnny hielt kurz inne. "Hast du Lust eine Runde zu bladen?" "Nein, niemals im Leben! Nicht gegen dich, ich hätte doch keine Chance!" "Also das ist doch mal eine Überraschung. Seit wann siehst du ein, dass ich der bessere und talentiertere Blader bin." "Seitdem Kühe fliegen können", Roberts tiefe Stimme riss Johnny schlagartig aus seinem Spiel und er fuhr herum. Verzweifelt versuchte er das Püppchen hinter seinem Rücken zu verstecken und er bedachte Robert, der ihm nun mit nassen Haaren und mit einem Handtuch um die Hüften, gegenüber stand, mit einem bösen Blick, frei nach dem Motto 'Angriff ist die beste Verteidigung'. "Weißt du eigentlich, wie lange ich schon auf dich gewartet habe?" "Soll ich deinen Fans sagen, dass du mit Puppen spielst oder willst du das lieber selbst tun?" "...äh..." "Nun, da du unser allwöchentliches Gespräch bereits mit dir selbst geführt hast... kannst du ja eigentlich bereits wieder gehen, oder?" Johnny wusste, dass Robert es keineswegs böse meinte und sich lediglich einmal wieder daran ergötzen wollte, dass er ihm sogar im Wortgefecht überlegen war. Gott, wie er das hasste... "..." Okay. Sein Plan hatte dennoch nicht funktioniert. Dann musste er eben anders von dem Thema ablenken. "Wieso wirfst du mir vor, dass ich mit Puppen spiele? Das Teil gehört immerhin dir!" Robert hob eine Augenbraue. "Die hat mir ein Fan geschenkt. Du kannst sie gerne behalten, um öfters mit ihr zu reden. So gesprächig bin ich nämlich nicht zu Puppen." ...Okay, das hatte auch nicht geholfen. Themenwechsel, Themenwechsel...! "Wollen wir eine Runde Bladen?" Während er sich in seinem Lieblingssessel niederließ warf Robert dem Schotten einen skeptischen Blick zu. "Ich habe doch sowieso keine Chance gegen dich." ...Ach, verdammt... ~*~ Kapitel 18: Hier kommt Mary! ---------------------------- Hier kommt Mary! Hastig rannte Johnny die Treppen hinab - eben hatte es an der Tür geklingelt und seine Eltern waren über das Wochenende verreist. Der Dienerschaft hatte er frei gegeben und somit waren er, Robert, Enrico und Oliver zur Zeit die Einzigen, die sich in seinem Schloss aufhielten. Geradezu stürmisch riss er die Tür auf; davor stand ein Mädchen, das er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Doch sie war wunderschön. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch seine Stimme versagte ihm vollkommen. Das Mädchen kicherte, stellte ihr Gepäck ab, streckte ihm die Hand entgegen und lächelte ihn an. "Hallo! Ich bin Mary Penny Sandra-Sophie Clara Louise Mandy Mayer... Ich bin siebzehn Jahre alt und komme aus Australien. Deshalb habe ich auch meinen Lieblingskoala Pummel mitgebracht", sie deutete auf eine Tiertransportbox neben sich, "In jedem Fall werde ich von grausamen Männern in schwarz verfolgt, die mich umbringen wollen... dürfte ich wohl hier übernachten?" Immer noch sprachlos ob der Schönheit und des Liebreizes seines Gegenübers nickte Johnny langsam und ließ sie in das haus hinein. Als sie nach ihrem Gepäck griff, winkte er ab und schnappte es sich, damit er ihr beim Tragen helfen konnte. Wiederum kicherte sie. "Du bist sehr charmant und wirklich außergewöhnlich lieb... Vielen Dank!" Johnny lief rot an und starrte sie an, als sei er endgültig ihrem Bann verfallen. "Willst du... willst du mich heiraten?", fragte er immer noch völlig perplex und Mary quietschte vor Freude glücklich auf. "Aber natürlich möchte ich das, mein Schatz!" In dem Augenblick, als sie ihm einen Kuss geben wollte, kamen Robert, Enrico und Oliver die Treppe hinunter. "Was ist denn hier los? Wir haben jemanden schreien gehört und dachten es sei etwas passiert...", stellte Oliver erstaunt fest und Robert blickte skeptisch drein: "Wer ist dieses Mädchen?" Johnny schüttelte seinen Kopf, um sich aus seiner Trance zu befreien. "Ihr Name ist Mary Penny Sandra-Sophie Clara Louise Mandy Mayer... Sie ist siebzehn Jahre alt und kommt aus Australien. Deshalb hat sie auch ihren Lieblingskoala Pummel mitgebracht", er deutete auf eine Tiertransportbox neben sich, "In jedem Fall wird sie von grausamen Männern in schwarz verfolgt, die sie umbringen wollen... Deshalb will sie hier übernachten." Robert und Enrico klappte förmlich das Kinn herunter. Johnnys Tonfall hatte wahnsinnig verliebt geklungen und die Geschichte die er erzählt hatte, konnte schlichtweg nicht der Realität entspringen. "Seit wann kennst du sie?", hakte Robert nach. "Seit heute", meinte Johnny stirnrunzelnd, "Genauer gesagt seit gerade eben." Er blinzelte verwirrt, als würde er gerade wieder zu sich kommen, doch in dem Moment warf sich Mary an seinen Arm und presste ihren äußerst schönen, wohlgeformten Körper an ihn. Johnnys Blick wandelte sich augenblicklich wieder. "Ja, und ich das nicht toll? Wir wollen heiraten!", schrie Mary begeistert mit ihrer glockenhellen Stimme und der Wind, der durch die noch geöffnete Zimmertür hereindrang, spielte mit ihren langen, goldenen Haaren. Sie wirkte geradezu engelsgleich. Wenn nur etwas nicht verdammt faul an der Sache wäre. Sie alle drei wussten, dass Johnny erst vor drei Monaten seit Jahren wieder einmal eine Beziehung eingegangen war und ihm sehr viel an diesem Mädchen lag. Wieso sollte er all das auf einmal hinwerfen? ...und wieso sollte er jemanden heiraten wollen, den er gerade erst kennengelernt hatte? "Johnny, kann ich bitte kurz unter vier Augen mit dir reden?", murmelte Robert mit geradezu düsterem Blick. Der junge Schotte wollte sich gerade zu ihm hin bewegen, als Mary ihn festhielt. "Schaaaaaaatzi... Du hast doch keine Geheimnisse vor mir, oder?", meinte sie und ihr Gesichtsausdruck glich dem eines kleinen Hündchens, das einen lieb anbettelte. Oliver und Enrico tauschten einen entsetzten Blick. "Ja, klar. Ich... habe keine Geheimnisse vor dir. Niemals in meinem Leben. Dazu liebe ich dich viel zu sehr... Es... es stört dich doch nicht, wenn sie mitkommt, oder Robert?" Der Deutsche hätte Johnny in diesem Moment am liebsten gepackt und ordentlich durchgeschüttelt. Er blickte sich um. Zu viele Zeugen... "Mir egal", meinte er dann scharf und seufzte ergeben, ehe er sich an Oliver und Enrico wandte: "Könnt ihr bitte das Gepäck unseres lieben Gastes nach oben bringen?" Was genau Johnny und Mary gerade machten, wussten Enrico, Oliver und Robert nicht und in diesem Augenblick war es ihnen auch relativ egal - ersteinmal mussten sie einen Plan haben, wie sie die Beiden auseinander brachten. Aus diesem Grund saßen sie nun schon seit zehn Minuten beisammen im Kaminzimmer von Johnnys Schloss und überlegten, wie sie die Situation lösen konnten. "Ich sage euch, das geht nicht mit rechten Dingen zu", murmelte Oliver mit verschwörerisch-düsterer Stimme. "Womöglich hat sie Johnny hypnotisiert?", gab Enrico zu bedenken und Robert nickte: "Etwas in diese Richtung vermute ich." "Und wie sollen wir ihn da wieder herausholen?", wollte Oliver wissen, Roberts Blick wurde noch finsterer: "Wir können das nicht, aber ich kenne eine Person, die das kann..." Es war ein leichtes gewesen Johnnys Handy zu besorgen - er hatte es in seinem Zimmer liegen lassen, als er mit Mary losgegangen war, ihr sein Schloss zu zeigen. "Okay. Ich werde ihr jetzt eine SMS schreiben. Sie kommt bestimmt." Hastig tippte Robert eine Nachricht ein und verschickte sie. "Was hast du geschrieben?", fragte Enrico und wunderte sich darüber, wie wenig Robert geschrieben hatte. Dieser blickte blinzelnd auf. "Ich habe geschrieben 'Es ist aus. Johnny'." Oliver starrte den Deutschen an. "Oh mein Gott, was hast du getan? Johnny wird uns umbringen!" Enrico bedachte ihn düster. "Nein, wird er nicht. Aber sie wird es mit Sicherheit tun. Ihr wisst, dass sie eine absolute Kratzbürste ist, wenn es nicht nach ihr geht. Sie wird uns in Stücke hauen, weil sie der Ansicht ist, wir hätten etwas damit zu tun." "...haben wir ja auch. Oder etwa nicht? Aber sie wird zuerst Johnny den Gar aus machen. Und dieser wird sich dadurch vielleicht wieder bewusst, dass er bereits vergeben ist." "Hättest du nicht einfach schreiben können 'Kommst du kurz vorbei?' oder so?" "Zum Einen ist es jetzt dafür zu spät, mein lieber Oliver, zum Anderen weißt du wie sie ist - wenn sie keinen Grund zum Kämpfen sieht, kämpft sie auch nicht. Wäre sie her gekommen und hätte gesehen, dass Johnny eine andere hat, wäre sie gegangen und hätte mit ihm Schluss gemacht. Da somit aber er Schluss gemacht hat, wird sie es kaum auf sich sitzen lassen. Sie wird Mary die Augen so lange auskratzen, bis Johnny wieder zu ihr zurückkommt, damit sie ihn selbst abservieren kann." "Auf Deutsch, du hast soeben die Beziehung deines besten Freundes versaut. So oder so", stellte Enrico fest und hob eine Augenbraue. "Das ist nun wirklich jetzt nicht das Problem!", murrte Robert. Sie wurden in ihrem Gespräch unterbrochen, als es an der Tür sturmklingelte. Da sie wussten, dass Johnny mit anderen Dingen beschäftigt war, eilten sie selbst hinunter um das Wesen, das sie heraufbeschworen hatten, in das Schloss zu lassen. Enrico zögerte kurz, ehe er die Tür langsam öffnete - da wurde sie schlagartig aufgestoßen und der Italiener konnte nur knapp verhindern, dass er sie mit voller Wucht gegen die Nase geknallt bekam. Als sie nach draußen blickten, stand dort milde und freundlich lächelnd Dria - Johnnys Freundin. "Hallo Jungs", meinte sie geradezu gelassen, "Ist Johnny da?" Robert nickte stumm und deutete auf die Bibliothek, von der er wusste, dass Johnny sich momentan dort aufhielt. Er wagte es nicht irgendetwas zu sagen, in der Sorge, er könnte damit die Wut und den Zorn auf sich selbst lenken. "Vielen Dank." Stumm blickten sie dem Mädchen hinterher und hofften, dass sie Johnny nicht allzu weh tat. Es wäre schlecht, wenn er an der Weltmeisterschaft in einem Monat aufgrund von diversen Brüchen nicht teilnehmen könnte und sich somit die Chancen ihres Teams auf Sieg verkleinerten. Die Tür zur Bibliothek - normalerweise Drias Lieblingsraum - flog mit einem lauten Knall auf und Dria trat in den Raum. Es herrschte kurz Stille und Enrico, Oliver und Robert wagten es, ihr langsam mit einem gewissen Sicherheitsabstand zu folgen. Gerade als sie den Türrahmen erreicht hatten, hörten sie wildes Gezicke zwischen Mary und Dria - und Johnnys fast panischen Ausruf "Dria!". Als sie in das Zimmer lugten, konnten sie sehen, wie Johnny sich entsetzt gegen ein Bücherregal presste und dem Faustkampf der beiden Mädchen zusah. Der Kampf wirkte sehr unangenehm, zumal Dria einen klaren Vorteil hatte: sie hatte kurze Haare und nutzte selbst immer wieder die Gelegenheit, Mary an den Haaren zu ziehen. Auf schmerzhafteste Weise. "Oh Gott! Dria, nicht!", schrie Johnny gerade noch in dem Augenblick, als Dria Mary aus dem geöffneten Fenster stieß - doch zu ihrem Missfallen befanden sie sich im Erdgeschoss. Sie konnte nur noch sehen, wie das Mädchen über den Rasen ängstlich davon rannte. In diesem Moment wurde dem Schotten klar, dass er besser nicht Gerufen hätte. Denn das hatte die Aufmerksamkeit des bösartigen Tieres im Raum nun auf ihn gelenkt. "So, so... du willst also mit mir Schluss machen?", erkundigte sie sich mit einem bösartigen Grinsen im Gesicht und Johnny schüttelte nur panisch den Kopf. "Nein, will ich nicht!" Nun, Enrico, Oliver und Robert tat ihr Freund in dem Moment furchtbar Leid - aber so hatten sie ihn wenigstens vor der Hochzeit mit einem seltsamen Mädchen bewahrt. So leise sie konnten schlichen sie sich von der Tür weg, in Richtung Treppe. "Wieso hast du mir denn dann eine SMS geschrieben?" "Ich habe dir keine SMS geschrieben!" Autsch. Das klang schmerzhaft. Vermutlich verdrehte Dria ihm gerade die Hand hinter dem Rücken oder noch etwas schlimmeres. "Ich habe mein Handy gar nicht bei mir!", Johnnys Stimme klang nun mehr nach einem gepeinigten Kreischen, als nach ihm selbst. "Ah, ja?" Robert erstarrte, als ihm bewusst wurde, dass er es war, der das Handy in der Tasche hatte und exakt in dem Moment als er das dachte, begann das Handy zu klingeln. "Oh mein Gott!", schrie Oliver hysterisch auf. "Lauft um euer Leben!", brüllte Robert. "Äh... tut mir echt Leid, Jungs", murmelte Johnny leicht verlegen und blickte Oliver, Enrico und Robert an. Gut, Dria hatte sie nicht erwischt, da sie durch einen Geheimgang auf den Dachboden gelangt waren - dennoch hatten sie dort einen geschlagenen Tag zubringen müssen. Und sie würden sich in Zukunft auch weiterhin vor Dria in acht nehmen müssen. "Schon okay", meinte Enrico beiläufig, "Und wie geht es dir?" "Na ja, nachdem ich ihr diesen blöden Koalabär Pummel geschenkt habe, war auch alles wieder einigermaßen vergessen. Zumindest wenn man von meinem blauen Auge und den Schmerzen in meiner Schulter absieht. Ja, sie hat mir die Schulter ausgerenkt. Na und? Hört auf so dämlich zu gucken." Er verschrenkte die Arme vor seiner Brust und schob sein Kinn leicht vor. Keiner der Drei konnte wirklich verstehen, warum genau Johnny mit Dria zusammenblieb. Das Mädchen war manchmal wirklich schlichtweg gefährlich. Auf der anderen Seite konnte Robert sich gut vortsllen, dass wenn sie wegen etwas stritten, bei dem sich keiner von beiden schuldig fühlte, sie durchaus beide aufeinander einprügelten. "Das war es nicht was wir meinten. Wie sieht es mit deiner Beziehung zu Mary aus?" Der Schotte zuckte zusammen und blickte sich nervös um. "Erwähnt ja nicht mehr diesen Namen! Dria bringt mich um, wenn sie ihn nochmal hört..." "Also alles wieder beim Alten." "...ja, so könnte man es sagen..." Und so nahm das Leben weiterhin seinen gewohnten Gang. ~*~ Kapitel 19: Jahresrückblick --------------------------- Jahresrückblick Mit einem leisen Seufzen ließ sich Johnny vorsichtig auf das Hausdach der Villa seiner Familie fallen. Es war vielleicht nicht der sicherste, aber es war wohl der schönste Ort, der ihm einfiel. Die Sicht war einfach nur überwältigend, da man ziemlich weit über das Land hinweg sehen konnte. Umso herrlicher was es, am Silvesterabend dem Feuerwerk zuzusehen. Johnny konnte sich glücklich schätzen, dass seine Eltern über den Jahreswechsel verreist waren, und die Dienerschaft frei hatte - er hatte das ganze Anwesen für sich alleine und niemand würde ihm eine Strafpredigt darüber halten, wie gefährlich es doch war, auf das Hausdach zu klettern. Er wurde fast ein wenig wehleidig, wenn er daran dachte, dass wieder ein Jahr vorbei war, dass zwar ebenso ein neues kam, dass aber auch alles, was geschehen war, nun endgültig in die Kategorie "alter Hut" gesteckt werden musste. Ein Lächeln spiegelte sich auf seinen Lippen wieder, als er an die Weihnachtsfeier bei Robert dachte, bei der sie den ganzen Tag nichts anderes getan hatten, als sinnlose Kinderspiele zu spielen, die Robert beim Aufräumen auf seinem Dachboden gefunden hatte. Selten hatten sie so viel gelacht - vor allem nicht nach ihrer Niederlage im Kampf gegen die BladeBreakers. Aber was machte es schon? Sie trainierten nun öfter gemeinsam, wenn auch jeder von ihnen es dennoch bevorzugte, für sich zu kämpfen, und hatten sich seitdem sichtlich verbessert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie so weit waren, die BladeBreakers platt zu machen. Mit einem Seufzen stellte Johnny fest, dass er sich schon wieder maßlos selbst überschätzte. Aber wenigstens erkannte er inzwischen seine Fehler. Es gab ja auch Leute, die nie etwas lernten - aber inzwischen war er wohl so ziemlich auf einem guten Weg. Er hatte es vor ein paar Tagen sogar fast geschafft Robert Schachmatt zu setzen - auch wenn es im Endeffekt nur zu einem Remis gekommen war. Okay, das hatte eben rein gar nichts mit seiner zuvorigen Überlegung zu tun gehabt. Nun ja, vielleicht ein kleines bisschen... Immer noch sausten Raketen in die Höhe und erhellten den Nachthimmel, der inzwischen schon ziemlich in Rauch eingehüllt war und Johnny ließ sich in eine fast liegende Position zurücksinken. Manchmal war das Leben doch gar nicht so schlecht... ~*~ Kapitel 20: 16.Dezember ----------------------- 16.Dezember Anfangs hatte er den Behauptungen des Verkäufers, dass das Buch etwas besonderes sei, nicht geglaubt. Er hatte es gekauft, weil ihm der Einband gefallen hatte. Die Seiten des Buches waren schlicht weiß gewesen und an sich wirkte das Buch auch nicht außergewöhnlich. Der Verkäufer hatte gesagt, dass es ein verzaubertes Buch sei und dass alles, was man auf die Seiten schrieb, wahr wurde. Nun, zum Einen hatte er nicht an Magie geglaubt, zum anderen hatte sich ihm die Frage aufgedrängt, warum der Verkäufer es nicht selbst verwendete, wenn das so ein großartiges Buch war. Doch am Ende hatte er der Versuchung nicht widerstehen können und hatte es ausprobiert: Er hatte einfach irgendetwas hineingeschrieben und tatsächlich kam am nächsten Tag ein kleines Paket für ihn an, indem sich sein Handy befunden hatte, dass er vor drei Monaten verloren hatte. Zwar hatte ihn dieses Ereignis schwer beeindruckt, aber da er sich immer noch nicht sicher war, ob es sich nicht vielleicht doch um einen Zufall gehandelt hatte, versuchte er es abermals und als er am nächsten Tag die Zeitung las, musste er feststellen, dass es sich bei dem Buch wirklich um ein magisches Buch handelte. Er hatte Claude, den er noch nie wirklich hatte leiden können, und von dem er wusste, dass er regelmäßig an den Billiardmeisterschaften teilnahm und diese auch noch häufig gewann, verlieren lassen. Und zwar, indem dieser alle Kugeln des Gegners aus dem Spielfeld verbannte anstatt seiner eigenen. Erfreut über seinen Besitz setzte er seine Einträge fort; Emily gestand Michael ihre Liebe, mit der sie Eddy seit Jahren immer wieder zugejammert hatte, Steve wurde in eines der bekanntesten Footballteams aufgenommen und Max schaffte es nach etlichen Versuchen endlich an der Universität aufgenommen zu werden, an die er so gerne wollte. Eddy erwischte sich immer wieder dabei, wie er kurz davor das Buch zu missbrauchen, indem er Leute, die er nicht mochte, sehr schlecht wegkommen ließ, aber er konnte es meist am Ende doch noch unterdrücken, wenn auch nur mit viel Mühe. An diesem 16. Dezember jedoch hatte er wirklich das Gefühl, es jemandem heimzahlen zu müssen. Brooklyn, einer der schrecklichsten Menschen, die er kannte, hatte ihn furchtbar bloß gestellt; und das auch noch in Anwesenheit seiner heimlichen Liebe. Eddy benutzte das Buch oft, um anderen zu helfen, selten aus Eigennutz, schon gar nicht, um jemanden dazu zu bringen ihn zu lieben, aber die Tatsache, dass er ihn ausgerechnet vor ihr blamiert hatte, brachte ihn furchtbar in Rage. Als er nach Hause kam, setzte er sich auf sein Bett und öffnete das unterste Fach seines Nachttisches, um das Büchlein herauszuholen. Dieser Brooklyn würde seine Tat noch furchtbar bereuen... Was sollte ihm wohl wiederfahren? Am besten er wählte einen Ort aus, der bei ihm in der Nähe war und eine Uhrzeit die möglichst bald war; und sie sollte auch kommen, damit sie sah was für eine lachhafte Figur Brooklyn doch war! Hm. Am Besten war es wohl auf dem Marktplatz und zwar in... zwei Stunden, damit er vorher noch Gelegenheit hatte sich auf das kommende Ereignis genügend vorzubereiten. Ungeduldig stand Eddy vor einem der Schaufenster und wartete darauf, dass endlich Brooklyn erschien. Seine Liebe war schon seit einigen Minuten da und bummelte über den Weihnachtsmarkt und er stand die ganze Zeit einfach nur da und wartete. Tatsächlich erschien Brooklyn, nachdem drei weitere Minuten vergangen waren, auf dem Markplatz und stolzierte in seiner typischen Art herum. Pah, sollte er nur, in kürzester Zeit würde ihm sowieso der Spaß vergehen, dann würde er sich einmal selbst so richtig blamieren! Und tatsächlich war Brooklyn so dämlich, über seine eigenen Füße zu stolpern und direkt in einem der Weihnachtsmarktstände zu stürzen, wobei fast die Hälfte der Ware mit einem lauten Scheppern zu Boden ging. Da lag er nun quer über den Warentisch und blickte verwirrt um sich, während die Leute um ihn herum anfingen zu tuscheln. Eddy grinste. Das geschah diesem Großmaul doch recht! Brooklyns Gesicht rötete sich und etwas verstört richtete er sich auf und entschuldigte sich beim Verkäufer und versprach alle zerstörten Waren zu ersetzen. Als Eddy sich gerade wieder von dem Geschehen abwenden wollte, eilte seine Liebe auf Brooklyn zu und er verharrte in seiner Position, um zu beobachten, was geschah. Sie redete einen kurzen Moment lang auf Brooklyn ein und Eddy hätte nur zu gerne gewusst, über was sie sprachen; nachdem jedoch Brooklyn sie in den Arm nahm, wollte er es gar nicht mehr wissen, da ihm klar wurde, was er da gerade angestellt hatte. Anstatt, dass seine Liebe sich über Brooklyn lustig machte, war sie besorgt, anstatt ihn zu hassen... hatte sie ihn wohl schon die ganze Zeit geliebt. Zumindest schloss er das aus dem Kuss, in den die Beiden nun tief versunken waren. Fassungslos drehte sich Eddy weg von dem Bild, das sich ihm nun bot und missmutig steckte er seine Hände in seine Manteltaschen. Das nächste Mal würde er Brooklyn dran kriegen... ~*~ Kapitel 21: 17.Dezember ----------------------- 17.Dezember Lächelnd saß ich an meinem Schreibtisch, an dem ich mich gerade angefangen hatte, mich durch ein paar dicke Akten hindurch zu arbeiteten, und starrte verträumt in die Luft. Heute hatte ich einen interessanten Mann kennen gelernt: Er war freundlich und höflich gewesen und kam mir irgendwie besonders vor. Er war kräftig und muskulös und ein ganzes Stück größer als ich, aber obwohl er äußerlich recht grob wirkte, hatte er allem Anschein nach doch einen sehr sanften Kern. Spencer war sein Name und er hatte mich darum gebeten, mich heute Abend mit ihm zu treffen, und obwohl ich sonst immer recht zurückhaltend war und mich eher selten mit wildfremden Menschen verabredete, hatte ich zugesagt. Warum wusste ich nicht. Es war einfach so über mich gekommen, wahrscheinlich weil er mir so unheimlich sympathisch vorgekommen war und ich den dritten Advent nicht alleine verbringen wollte. „Hey, träum' nicht vor dich hin“, raunte auf einmal jemand, ich zuckte zusammen und warf Max, der mir gegenüber saß, einen entschuldigenden Blick zu. Dieser seufzte, während er einen Zettel ausfüllte, den ein Mitarbeiter ihm gereicht hatte. „Julia, du bist heute irgendwie seltsam drauf. Viel unkonzentrierter als sonst. Was ist los mit dir?“ Ich lächelte ihm kurz zu, ehe ich begann einen Bericht zu überfliegen. „Nichts, nichts. Ich bin in Ordnung.“ „So?“, fragte er und seine Stimme klang dabei so, als ob er eine Vermutung hätte, was mit mir los sei. „Jaaaaaa...“, murmelte ich und versuchte die Röte in meinem Gesicht zu verdecken, indem ich meinen Blick meinem Computer zuwandte und etwas eintippte. „Ich frage mich nur...“, begann Max und ich wusste, dass ich sicher nicht sonderlich gut aus dem Gespräch wegkam. Ich arbeitete seit etlichen Jahren mit Max zusammen und wir kannten uns gegenseitig recht gut und waren inzwischen auch befreundet. Max setzte ein übertrieben nachdenkliches Gesicht auf. „Wer war nur dieser Kerl, mit dem ich dich heute Morgen gesehen habe?“ Verstört starrte ich auf den Bildschirm. Warum war ich nur so verflucht leicht zu durchschauen? „Haben Sie den Bericht schon fertig?“, unterbrach Goki, ein weiterer der Angestellten unser Gespräch und ich war dankbar über diese Ablenkung. „Ja, warten Sie, ich suche ihn kurz heraus.“ Ich wusste, dass ich heute Morgen irgendeinen Ordner darüber gelegt hatte, die Frage war nur: welchen Ordner? „Da ist er mit drin“, half Max mir und deutete auf einen Stapel von Akten. Eilig kramte ich den Bericht heraus und übergab ihn Goki. Dieser marschierte mit einem leisen „Danke“ davon. „Also... wie heißt der Typ?“, erkundigte sich mein Gegenüber erneut. „Du gibst wohl nie auf“, murmelte ich genervt und blickte ihn kurz ernst an, „Er heißt Spencer und ist erst seit kurzem in der Stadt. Er hat gesagt, dass er hier etwas Wichtiges zu erledigen hätte... und heute Abend will er mit mir Essen gehen.“ Bewundernd hob Max seine Augenbrauen. „Wow, ich habe noch keinen Mann getroffen, der es geschafft hat, dich zu überzeugen, dass du mit ihm ausgehst.“ „Für alles gibt es ein erstes Mal“, grinste ich ihn an und vertiefte mich wieder in meine Arbeit. Ein lautes Donnern riss mich jedoch aus meiner Konzentration und ich blickte entsetzt auf; auch Max wirkte überrascht. Ehe ich auch nur den Mund aufmachen konnte, um etwas zu sagen, brach die Decke ein. Schlagartig musste ich an einen Terroranschlag denken; ich arbeitete immerhin in einem der wichtigsten Handelsgebäude Deutschlands! Erschüttert blickte ich mich um, sah Max vor mir am Boden liegen und eilte zu ihm hin um ihm zu helfen; Er war von einem der herabstürzenden Deckenfragmente am Kopf getroffen worden. Er war tot. Verwirrt und völlig mit der Situation überfordert taumelte ich ein paar Schritte rückwärts und starrte auf Max. Schlecht gelaunt ging Spencer durch die Innenstadt. Er hatte eine Stunde gewartet und Julia war nicht erschienen. Dabei hatte er so gehofft, dass sie kommen würde. Warum wusste er nicht genau, aber er hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt; allerdings hatte er noch seinen Job erfüllen müssen, sonst hätte er sie sofort zum Essen eingeladen. Aber anscheinend hatte sie die Verabredung vergessen. In der Ferne hörte er immer noch die Sirenen von Feuerwehr und Polizei, die verzweifelt versuchten, noch Überlebende zu bergen. Seine Tat war inzwischen fünf Stunden her; er hatte den Auftrag direkt vom Chef seiner Organisation bekommen. Er konnte von Glück reden, dass er einer der besten Leute dieser Terrororganisation war; so musste er keine Selbstmordanschläge verüben. Mit Sprengstoff und Waffen kannte er sich sehr gut aus, daher war es für ihn kein Problem gewesen die Bomben überall im Handelsgebäude zu verteilen, ohne dass er auffiel. In einem Fernsehgeräte-Geschäft liefen auf den Fernsehern die Berichte über den Anschlag und Bilder vom Unfallort wurden gezeigt. Spencer hatte schon so viele Leute in die Luft gejagt, es störte ihn nicht, dass heute mehr als dreitausend Menschen den Tod gefunden hatten; das war ja immerhin der Sinn seiner Arbeit gewesen. Und die Bilder schockierten ihn auch nicht. Seit seine Eltern, als er vielleicht neun Jahre alt gewesen war, vor seinen Augen in die Luft geflogen waren, hatte ihn nichts mehr aus der Bahn geworfen. Und seitdem hatte er auch niemanden mehr geliebt. Julia war seit langem die erste Frau gewesen, in die er sich verliebt hatte, die ihm seit ihrem Treffen nicht mehr aus dem Kopf ging. Nun, zumindest würde er noch etwas in dieser Stadt bleiben; vielleicht traf er ja doch irgendwann noch einmal Julia wieder. ~*~ Kapitel 22: 19.Dezember ----------------------- 19.Dezember Erschöpft lag Ian im Schnee. Ihm war kalt und er konnte sich kaum bewegen, viel zu kraftlos war er. Hätte ihm am Morgen irgendjemand gesagt, dass es ihm am Abend so schlecht gehen würde, hätte er ihn wohl ausgelacht und für verrückt gehalten; aber nun, da er hier bewegungsunfähig und überanstrengt lag, hätte er sich gewünscht, dass ihn irgendjemand gewarnt hätte. Nun, das alles hatte er sich wohl selbst eingebrockt: Durch seine kalte und rücksichtslose Art hatte er alle seine Freunde vergrault und sich jede Menge Feinde gemacht. Bisher war er immer der Ansicht gewesen, dass Freunde etwas nutzloses und unbrauchbares waren. Sie hingen ständig an einem dran und man musste Rücksicht auf sie nehmen. Jetzt, da er hier frierend lag, wünschte er sich einen Menschen, der sich um ihn Sorgen machte und ihn fand. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es so jemanden gab, war sehr gering. Als er heute Mittag, trotz des recht starken Schneefalls, aus dem Haus gegangen war, hatte er nicht damit gerechnet, dass er in einer der vielen Nebenstraßen ausgerechnet Crusher mit seiner Gang treffen würde. Crusher war ein neunzehn Jahre alter Junge, der die Schule frühzeitig abgebrochen hatte, da er sich um seine kleine Schwester Monica hatte kümmern müssen. Seitdem hasste er alle Leute, die die Chance hatten, weiterhin auf die Schule zu gehen. Unter anderem eben Ian, mit dem er drei Jahre lang in einer Klasse gewesen war und der auch sonst schulisch immer bessere Noten gehabt hatte. Die ‚rechte Hand’ Crushers war Miguel. Der Kerl war mit allen Wassern gewaschen und schaffte es Leute hereinzulegen, ohne dass die auch nur daran dachten, dass sie über’s Ohr gehauen wurden und da er es so geschickt anstellte, hatte ihm bisher auch keiner etwas nachweisen können. Ansonsten gab es da noch drei seltsame Jungs, deren Namen er noch nie gehört hatte. Wahrscheinlich hatten sie gar keine. Sie waren alle drei muskulös und recht groß, wirkten aber auf der anderen Seite her auch ziemlich dumm. Warum sie ihn letzten Endes fast zu Tode geprügelt hatten, wusste er nicht. Allem Anschein nach war ihnen langweilig gewesen und sie hatten nichts besseres zu tun gehabt oder sie waren wütend auf ihn, weil sie in der Zeitung gelesen hatte, dass er ein Stipendium für eine der besten Universitäten erhalten hatte. Nun ja, ob sie wirklich lesen konnten wusste er nicht, daher ging er von Ersterem aus. „Hey, du.“ Er versuchte mühsam seinen Blick etwas zu heben und erkannte etwas verschwommen die Umrisse zweier Personen. Ob er sie kannte oder nicht konnte er nicht erkennen. „Der schaut ziemlich tot aus“, hörte er eine Stimme murmeln, „Am besten wir nehmen ihn mit.“ Kurzes Schweigen folgte. „Ich kenne dich jetzt schon etliche Jahre und ich hätte trotzdem nicht von dir gedacht, dass du wildfremde Leute mit zu dir nach Hause nimmst. Wäre es nicht besser die Polizei oder einen Krankenwagen zu rufen?“ Kräftige Hände packten ihn an den Schultern und zogen ihn in die Höhe. „Nein, ist schon in Ordnung. Ich wohne gleich um die Ecke...“ Als Ian langsam wieder zu sich kam, spürte er eine angenehme Wärme, die ihn umgab und auch sonst fühlte er sich nicht mehr ganz so ausgelaugt. Äußerst vorsichtig schlug er seine Augen auf und blickte sich etwas um. Er lag in zwei Decken gewickelt auf einem Sofa in einem erhellten Raum. Neben der Couch stand ein Tisch, auf dem drei Tassen und eine Kanne, in der irgendeine roten Flüssigkeit war, standen. „Na, aufgewacht?“, vernahm er plötzlich eine Stimme und er zuckte leicht zusammen. Er setzte sich etwas auf und drehte sich zur Quelle der Stimme um. Im Türrahmen stand ein braunhaariger Junge, der vielleicht etwas jünger als er war und zudem eine, seiner Meinung nach, etwas zu große Brille trug, und ihn etwas skeptisch musterte. „Wo bin ich hier?“, murmelte Ian und versuchte die peinliche Röte in seinem Gesicht zu verstecken. Erst jetzt stellte er fest, dass er nicht mehr seine Kleidung, sondern stattdessen einen ihm völlig unbekannten Pyjama trug. Der Junge schnaubte leise. „Das hier ist Spencers Haus. Er und ich haben dich auf der Straße gefunden und...“ „Ja, ich weiß“, unterbrach Ian ihn. „Ich erinnere mich daran.“ Ein genervter Blick folgte. „Spencer ist kurz rausgegangen, wollte noch was besorgen. Hast du Durst? Willst du etwas trinken? Spencer hat Tee gemacht.“ Ein kurzes verlegenes Nicken folgte. „Na, so schüchtern kenne ich dich ja gar nicht.“ Erschrocken drehte sich Ian um und riss überrascht die Augen auf: „Spencer!“ „Du schaust ja aus, als hättest du einen Geist gesehen. Hat Kenny nicht erzählt, dass ich hier wohne?“ „Doch, habe ich“, murrte Kenny gereizt und schüttete ein bisschen Tee in Ians Tasse, „Nur ist er ein genauso guter Zuhörer wie du es bist.“ „Ich dachte... ich dachte du bist in Russland!“, fiel Ian Kenny ins Wort. „War ich auch“, erklärte Spencer und lächelte, während er zwei Einkaufstüten auf einen Stuhl in der Nähe der Tür stellte. „Und wie ich sehe hast du dich seither hier sehr gut... äh... eingelebt?“ Ian lief rot an. „Das war... das hatte einen anderen Grund.“ Spencer wank ab. „Schon okay, ich weiß schon, dass du nichts dafür konntest. Zumindest denke ich das...“ „Seit wann bist du hier?“, fragte Ian, um vom Thema abzulenken und Spencer runzelte nachdenklich die Stirn. „Seit ein paar Tagen.“ „Hättest ruhig anrufen können...“ Ein Schulterzucken folgte: „Wäre langweilig gewesen.“ Er trat ein paar Schritte auf das Sofa zu, beugte sich herab und gab Ian einen Kuss auf den Mund. „Die Hauptsache ist doch, dass ich jetzt wieder da bin... nicht wahr?“ Verstört beobachtete Kenny die Szene. „Moment mal. Ihr kennt euch.... und ihr seid schwul?“ Spencer blickte ihn kurz etwas schuldbewusst an. „Was ist daran so schlimm?“ „Ich... Ich bin nur etwas überrascht...“, murmelte Kenny. „Also, woher kennt ihr beiden euch? Ich dachte Spencer sei zum ersten Mal hier in Japan...?“ „Bin ich auch“, verteidigte sich Spencer. „Ian hat früher in Russland gelebt, ehe seine Eltern weggezogen sin. Wir waren damals seit zwei Monaten zusammen und es war ein ziemlich schwerer Abschied.“ „Und wann war das?“ „Vor drei Jahren.“ Kenny warf ihnen einen anerkennenden Blick zu. „Und da seid ihr die ganze Zeit über auch weiterhin zusammengeblieben?“ „Wir lieben uns“, murrte Ian, als ob es die natürlichste und logischste Antwort der Welt sei. „Es ist ja nicht so, dass wir keinen Kontakt gehabt hätten...“, antwortete Spencer und überging Ians Bemerkung. „Wir haben uns ja regelmäßig Briefe geschrieben.“ „Ah! Und das Geschenk, dass du vorgestern für deinen ‚Bekannten’ gekauft hast, dass ist für ihn?“ Ian warf Spencer einen neugierigen Blick zu, dieser hatte eine ungewöhnlich rotgefärbte Nasenspitze, so wie er sie immer hatte, wenn ihm etwas peinlich war. „Was für ein Geschenk?“ „Das wirst du schon noch sehen...“ „Und wann?“ „Weihnachten natürlich.“ ~*~ Kapitel 23: 21.Dezember ----------------------- 21.Dezember Verwirrt runzelte Tala die Stirn. Eben war Mariam doch noch direkt hinter ihm gewesen! Und von diesem seltsamen Führer war auch keine Spur zu sehen. Mr. Dickenson hatte die Beyblader auf eine Reise eingeladen mit Führung durch eine Tropfsteinhöhle. Jede Gruppe hatte 2 Führer erhalten. Er war mit Ozuma, Garland, Mariam, Johnny, Claude, Julia und Crusher in einer Gruppe gelandet und während einer der beiden Führer sie hervorragend durch die Höhle führte und ihnen alles erklärte, war der andere die ganze Zeit bei Mariam gewesen und hatte auf sie eingeredet, doch nun waren beide verschwunden. Es wäre gelogen gewesen, wenn Tala behauptet hätte, dass er sich keine Sorgen um das Mädchen machte, zumal er ihre Art irgendwie mochte, auch wenn sie vielen unangenehm war. „Hey, Ozuma“, murmelte er seinem Vordermann zu, der sich genervt umwandte. „Was ist denn?“ „Wo ist Mariam?“, erkundigte sich Tala und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Keine Ahnung“, kam prompt die Antwort und Tala seufzte besorgt, „Wahrscheinlich musste sie auf die Toilette oder sie ist etwas zurückgeblieben, weil sie sich alles noch mal in Ruhe ansehen wollte...“ Obwohl Ozumas Erklärungen plausibel klangen, zweifelte Tala daran. Er hatte so ein ungutes Gefühl bei der Sache. Langsam ließ er sich immer mehr zurückfallen, bis er letzten Endes die Gruppe nicht mehr sehen konnte und lief eilig den Weg zurück. Warum er das tat, wusste er selbst nicht so genau; aber vielleicht würde er es erfahren, wenn er Mariam und den Typen gefunden hatte. Bisher hatte er zumindest seinem Gefühl immer trauen können. Als sie langsam durch die Höhle gelaufen waren, war ihm der Weg wesentlich kürzer vorgekommen, doch nun da er rannte merkte er, was für eine lange Strecke sie bereits hinter sich gebracht hatten. Ein spitzer Schrei aus dem Nichts zog seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich und er überlegte wenige Sekunden, woher der Schrei gekommen war; Er erwischte sich dabei, wie er anfing in Gedanken über das Echo zu fluchen und riss sich dann zusammen, lieber wieder nach Mariam zu suchen. Er wählte den linken Weg. „Hören Sie auf! Ich warne Sie!“ Anscheinend war er auf dem richtigen Weg, denn die Stimmen wurden lauter. „Na, na, Kleine... Jetzt hab’ dich nicht so...“ Eine kurze Pause folgte und Tala beschleunigte in übler Vorahnung seinen Schritt. Tatsächlich konnte er plötzlich zwei Personen erkennen. Der Reiseführer presste Mariam gegen die Höhlenwand und hielt ihr eine Schusswaffe an den Bauch. „Hey!“, rief Tala aufgebracht, ohne überhaupt mitzubekommen, dass er es tat. Es war ein reiner Reflex gewesen und ebenso, wie Tala unbewusst reagiert hatte, handelte nun auch sein Gegenüber, indem er die Waffe herumriss und auf Tala schoss, der im nächsten Moment laut aufschrie und seine Hand gegen seine Schulter presste. Mariam nutzte die Gelegenheit und trat dem Mann die Waffe aus der Hand, die mit einem lauten Scheppern neben Tala, der inzwischen auf die Knie gesunken war, zu Boden ging. Nach einem gezielten Schlag in den Bauchbereich krümmte sich der Übeltäter und nach einem Schlag in sein Genick brach er auf dem Boden zusammen. Tala bekam das alles nicht wirklich mit, sondern war zu sehr damit beschäftigt seine Hand auf die sehr stark schmerzende und blutende Stelle zu pressen. Er knirschte mit den Zähnen, als Mariam auf ihn zukam und ihn besorgt anblickte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ja, geht schon...“, nuschelte Tala und beobachtete, wie Mariam nach ihrem Handy griff. „Scheiße, kein Empfang....“, murmelte sie genervt. „Warum hast du den Kerl nicht gleich niedergeschlagen?“, fragte Tala leicht verärgert, wobei seine Stimme immer noch leicht vor Schmerz bebte. „Ich hatte keine Gelegenheit dazu“, meinte Mariam entschuldigend, wobei sie sich etwas verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Dann half sie Tala beim Aufstehen. „Geht es?“, erkundigte sie sich besorgt, als er zusammenzuckte. Ein gezwungenes Nicken folgte und Mariam legte sich den Arm der gesunden Schulter über ihren Rücken, um den Russen besser stützen zu können. Sie liefen eine Weile; zu ihrem Glück war der Eingang, durch den sie hineingekommen waren, nicht allzu weit entfernt. „Danke...“, sagte Mariam nach einer Weile und blickte Tala von der Seite her an. „Ich weiß nicht, ob ich mich befreien hätte können, wenn du nicht da gewesen wärst.“ Tala lächelte sie sanft an. „Schon okay. Nur das nächste Mal such dir bitte jemanden aus, der keine Schusswaffe bei sich trägt...“ ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)