Alles nach Plan von Terrormopf ================================================================================ Kapitel 9: Planung ------------------ „Matthis…“ Alex hielt inne. Er schien nach Worten zu suchen. „Der Handball wichtiger als alles andere? Wichtiger als du?“ Matthis antwortete nicht. „Wie kommst du denn auf den Trichter?“ Erneut keine Antwort. Matthis wusste einfach nicht, wie er das erklären sollte. Stille herrschte im Raum. Er spürte Alex‘ Blick auf sich, wagte es nicht aufzusehen, als er sich schließlich doch dazu durchrang zu murmeln: „Aber es ist doch so… der Handball ist für dich immer Thema Nummer eins. Es gab nie was Wichtigeres für dich.“ „Willst du mich eigentlich verarschen? Natürlich is mir Handball wichtig. Aber es ist mir doch nicht wichtiger als du! Gott, Matthis, was denkst du denn von mir?“ „Die Frage ist ja wohl: Was denkst du jetzt von mir?“ Er blickte beschämt auf seine Finger, die er unsicher ineinander verhakte. Er wurde nervös, als Alex nichts sagte. Die Stimmung hing schwer im Zimmer, drückte auf sie; Matthis merkte, wie er Kopfschmerzen bekam. Es würde ihn nicht wundern, hinge über seinem Kopf eine dicke, schwarze Gewitterwolke. Das änderte sich allerdings, als er spürte, dass Alex seine warme Hand auf seine eigenen kalten, feuchten Hände legte und endlich sagte: „Was soll ich jetzt von dir denken? Soll ich dich jetzt verurteilen? Du hast nach deinem Gewissen gehandelt. Und letztendlich bin ich an der Situation Schuld, weil ich dir ja wohl nicht genug gezeigt hab, dass ich dich liebe… zumindest mehr als Handball.“ Nun endlich sah Matthis auf und lächelte schwach. „Also verzeihst du mir?“, fragte er. „Da gibt‘s wohl wenig zu verzeihen, Schatz… und um Henrik musst du dir auch nicht mehr lange Gedanken machen…“ „Was…“ Matthis unterbrach sich. Er dachte an den Tag zurück, als sie gemeinsam Die Physiker gelesen hatten. „Wenn du es wolltest, würde ich für dich jeden erdrosseln.“ Matthis schluckte und blickte in Alex‘ regungsloses Gesicht. Sollte er etwas sagen? Nun kam wieder mehr Leben in Alex. Er lächelte, bleckte die Zähne und setzte sich breitbeinig auf Matthis‘ Schoß. Der legte erstaunt die Arme um ihn, ließ es zu, dass Alex seinem Gesicht ganz nahe kam. Er berührte sanft Matthis‘ Lippen mit den eigenen, streifte dann über seine Wangen bis zu seinen Ohren. Und er flüsterte: „Ich liebe dich.“ Matthis konnte es nicht erwidern, stattdessen legte er seinen Kopf auf Alex‘ Schulter, streichelte ihm den Rücken rauf und runter und fragte: „Denkst du wirklich das ist eine gute Idee?“ „Ich weiß nicht wovon du redest“, behauptete Alex. Er übte Druck auf Matthis‘ Oberkörper aus, sodass der hintenüber kippte und er auf ihm drauf lag. „Morgen ist Dienstag, wir haben Schule und ich muss noch arbeiten, wir sollten jetzt schlafen…“ „Alex, ich mein‘s ernst!“ „Und ich mein‘s auch ernst, wir sollten jetzt wirklich schlafen!“ Er drückte seinem Freund noch mal einen Kuss auf die Lippen und rollte sich von ihm runter. Matthis gab es auf. Vielleicht hatte er die ganze Sache ja doch nur falsch interpretiert… Er hoffte es. Also zog er sich die Brille aus, wünschte Alex eine gute Nacht und schloss die Augen, als sein Freund das Licht ausknipste. Aber schlafen würde er wohl all zu bald nicht können. Es ging ihm in letzter Zeit oft so, dass er viel zu lange hellwach im Bett lag. Stundenlang. Normalerweise schmuste er sich immer irgendwann an Alex – wenn er sich sicher war, dass der schlief – dann ging es. Aber heute musste er das nicht, denn Alex legte seine Arme um ihn, drückte sich an ihn und fragte leise: „Ich weiß, is ne blöde Frage, aber wie geht‘s dir?“ „Wach…“ „Wirklich, Matthis. Wenn du mich brauchst, bin ich für dich da. Das weißt du, Schatz?“ Matthis nickte nur und drehte sich in Alex‘ Armen um, barg sein Gesicht an dessen Brust, atmete tief durch. Da war wieder dieser angenehme Geruch. Ganz und gar Alex. Er spürte, wie er aufs Haupt geküsst wurde, hatte die Augen geschlossen. Es war vorbei. Er musste sich keine Gedanken mehr darum machen. Aber warum jagten sie trotzdem noch durch seinen Kopf? Am nächsten Tag bei der Arbeit wunderte sich Luka über Alex. Von ihm kamen keinerlei Provokationen, er sprach ihn kaum an, nur hin und wieder traf ihn ein nachdenklicher Blick. Eigentlich war er mit der Situation recht zufrieden, wenn Alex ihn ausnahmsweise mal in Frieden ließ. Aber – wie erwartet – hielt das Schweigen nicht all zu lange, denn als sie gemeinsam hinterm Tresen standen, musterte Alex ihn noch mal einen Moment, dann sagte er: „Kann ich dich mal was fragen? Zu dem Abend in Leustetten…“ Wär ja zu schön gewesen, hätte Alex mal die paar Stunden die Fresse halten und ihn in Ruhe lassen können. „Weiß nich, ob du kannst… Normalerweise bist du ja gut drin mich zu nerven… ob ich dann allerdings Bock hab dir zu antworten is noch mal ne andere Geschichte.“ „Ich will mich nur mal normal mit dir unterhalten, jetzt stell dich nich an!“, fuhr Alex ihn daraufhin an und Luka seufzte genervt, hob abwartend die Augenbrauen, stützte sich mit einer Hand am Tresen ab. „Also du hattest in Leustetten doch ne kleine Auseinandersetzung mit Henrik, oder?“ „Hast du doch wohl mitbekommen…“ „Worum genau ging‘s da?“ „Geht dich genau wie Matthis n Scheiß an.“ „Sei doch nich immer gleich so pissig, ich frag ja nur.“ Alex hob abwehrend die Hände. „Aber um ehrlich zu sein, hat sich das schon sehr eindeutig angehört, wenn man zwei und zwei zusammenzählen kann…“ „Wenn‘s so eindeutig ist, warum fragst du mich dann noch?“ Er nahm sich genervt den Lappen aus der Spüle und wischte über die Anrichte. „Weil ich wissen will, ob es wirklich so war. Du hast die Mannschaft nicht wegen Matthis und mir verlassen, oder?“ Luka warf ihm einen finsteren Blick zu. „Also nicht nur…“, korrigierte er sich. „Und wenn‘s so wäre?“, fragte Luka, seine Laune sank weiter in Richtung Untergeschoss. „Hat dich Henrik angemacht?“ Luka warf auf die Frage hin den Lappen in die Spüle und wollte gehen, doch Alex griff blitzschnell nach seinem Handgelenk, hielt ihn fest. „Mann, Luka, das haben doch alle gemerkt…“ Alex log. „Hätteste mal mit uns geredet, wir hätten doch was tun können…“ Luka lachte. „Ausgerechnet du? Henrik is ja wohl der wichtigste Mensch in deinem Leben – als Mannschaftsass – für dich is Handball doch alles.“ „Also stimmt es wirklich?“, fragte Alex und Luka fiel erst jetzt auf, dass er nicht geleugnet hatte. Und jetzt dementieren brachte nichts mehr. Also sah er seinem Gegenüber fest in die Augen und knurrte: „Ich hab dir schon mal gesagt, dass dich das nix angeht und jetzt lass mich endlich in Ruhe!“ Alex ließ ihn wirklich los. Luka ging daraufhin noch einmal durchs Café, kümmerte sich um seine Gäste. Alex‘ kaltes Lächeln im Nacken spürte er nicht. Als sie im Training waren, sprachen weder Matthis noch Alex ein Wort mit Henrik. Alex hatte Matthis auch eingebläut keinem nur ein Sterbenswörtchen von der ganzen Sache zu erzählen, nicht einmal David. Sie ignorierten ihn geflissentlich. Rollte sein Ball in ihre Richtung, gingen sie ihm galant aus dem Weg. Kam Henrik dann an ihnen vorbei und warf ihnen ein paar motzige Worte entgegen, hörten sie ihn gar nicht. Nicht einmal als er sich ihnen direkt gegenüberstellte und Matthis fragte, ob er ihm seine Wasserflasche reichen könnte, drehten sie sich schlicht zur Seite, unterbrachen ihr Gespräch nicht. Obwohl Alex im Ignorieren eindeutig besser war als Matthis. Dem fiel es erheblich schwerer Henrik so rabiat zu übergehen. Aber Alex‘ Plan ging auf. Irgendwann kam Robert, der sich mit Henrik warmgemacht hatte, zu ihnen und fragte: „Was is‘n eigentlich los mit euch? Ihr habt heut noch kein Wort mit Henrik gewechselt. Ihr habt ihn nicht mal begrüßt, sonst wart ihr doch relativ dicke mit ihm. Is was passiert?“ Matthis blickte sorgenvoll zu seinem Freund, erkannte ein Blitzen in dessen Augen. Doch nur einen Augenblick später hatte Alex wieder eine ernste Miene aufgesetzt und fragte Robert erstaunt: „Hast du‘s nicht mitbekommen?“ Matthis hielt die Luft an. Hatte nicht Alex ihm noch gestern gesagt er solle niemandem etwas erzählen? Würde er es jetzt der ganzen Mannschaft auf die Nase binden? Er spürte wie seine Ohren heiß wurden vor Scham. Aber Alex fuhr unbeirrt fort: „Gestern hat Luka mir was erzählt… also ich hab‘s mir schon lang gedacht, aber…“ Er legte eine Künstlerpause ein, in der Robert die Stirn kraus zog und Alex verwundert musterte, bis er schließlich fragte: „Was hat denn Luka damit zu tun?“ „Naja, wie gesagt ich hab‘s schon länger vermutet… Aber eigentlich sollt ich‘s nich erzählen.“ „Jetzt hast du schon angefangen. Ich werd‘s auch keinem sagen“, sprach Robert – das größte Lästermaul der Mannschaft. „Is dir nie aufgefallen, dass Henrik Luka gegenüber immer irgendwie anzüglich war? Ich mein, er hat ihn manchmal schon ziemlich angemacht…“ „Hä?“ Robert sprach Matthis aus der Seele. „Nee, is mir nie aufgefallen. Ehrlich jetzt?“ „Mann, warum sollt ich so was erfinden, he? Luka is gar nich wegen Matthis und mir aus der Mannschaft gegangen, er is wegen Henrik gegangen. Du warst doch in Leustetten auch da!“ „Ja schon, aber ich dachte die wären einfach nur besoffen aneinander geraten.“ „Ich hab Luka nochmal danach gefragt und irgendwann hat er mir dann erzählt, dass Henrik ihn wirklich angemacht hat. Beziehungsweise er ist sogar übergriffig geworden.“ „Ach was! Echt jetzt?“ Matthis schwieg. War dem wirklich so oder dachte Alex sich das ganze jetzt einfach nur aus? Er prellte mit dem Ball um sich raushalten zu können, lauschte aber angespannt dem Gespräch. Und Alex fuhr auch gleich fort, indem er antwortete: „Ja! Was denkst du warum Luka noch so nen Hals auf Henrik hat?“ Er unterstrich seine Worte mit der entsprechenden Geste. „Ich mein, mir ist schon damals aufgefallen, dass Luka sich immer von Henrik fern halten wollte, aber der is ihm ja doch immer ziemlich auf die Pelle gerückt.“ „Jetzt wo du‘s sagst…“ Robert überlegte. „Ich dacht immer die beiden seien halt recht dicke. Scheiße, Mann! Warum hat‘n Luka nie mit uns geredet? Krass ey! Das hätt ich Henrik echt nicht zugetraut. Ich mein, dass der n ziemlicher Arsch sein kann, wissen wir ja alle, aber so was…“ „Eben.“ Matthis war das Grinsen nicht entgangen, das über Alex‘ Gesicht gehuscht war. „Aber du darfst das echt keinem erzählen.“ „Nee, keine Sorge, werd ich nicht.“ Noch einen weiteren Moment standen sie beieinander und schwiegen, bis der Trainer die kurze Pause für beendet erklärte. Als sie beide nach dem Training bei Alex zuhause geduscht im Zimmer saßen, fragte Matthis irgendwann: „Warum setzt du solche Gerüchte in die Welt?“ „Ist kein Gerücht“, antwortete Alex schlicht, sah nicht vom Laptop auf. Er schrieb etwas. „Dann stimmt es also?“ Matthis wusste nicht was er davon halten sollte. Also war er nicht der erste gewesen mit dem Henrik dieses Spiel getrieben hatte? Alex nickte nur, tippte weiterhin eifrig auf der Tastatur. „Was schreibst du da eigentlich?“, fragte Matthis schließlich, er fühlte sich irgendwie nicht ganz ernst genommen. Also kniete er sich hinter seinen Freund, blickte ihm über die Schulter und begann zu lesen: „Hey David, hab mich noch mal mit Matthis unterhalten. Ich schreib dir jetzt, damit du weißt, dass du komplett falsch lagst. Er hatte nichts mit Henrik. Find‘s immer noch nicht sehr prickelnd, dass du ihm so was zutraust. Aber deshalb schreib ich dir nicht, sondern damit du weißt, was wirklich abging. Und zwar hat er mitbekommen, dass Luka die Mannschaft nicht wegen ihm und mir verlassen hat, sondern wegen Henrik, weil der sich ziemlich an ihn rangeschmissen hat. Deshalb hat er so oft noch mit Henrik geredet, weil er wollte, dass der sich bei Luka entschuldigt. Ich hab keine Ahnung wie er das rausbekommen hat, aber er hat nicht mal mir was erzählt, ich hab‘s nur durch Luka rausbekommen, als ich den neulich bei der Arbeit ein bischen ausgequetscht hab… Und dann hat mir Matthis erzählt, dass er nicht wollte, dass alle es mitbekommen, weil Luka das – verständlicherweise – nicht unbedingt wollte und du kennst ja Matthis. Also ich hoff, das ist jetzt klargestellt und du kannst wieder normal mit Matthis umgehen. Grüße, Alex“ „Was soll das?“, fragte Matthis, noch kurz bevor Alex auf „Senden“ drücken konnte. Der hielt inne, drehte sich zu seinem Freund um und fauchte: „Jetzt reg dich nich künstlich auf!“ „Was soll das, Alex? Ich will nicht, dass du meinen besten Freund belügst und wieso machst du das überhaupt? Wieso erzählst du es allen? Du hast doch eben selbst geschrieben, dass es Luka wahrscheinlich nicht recht ist, wenn es alle wissen!“ „Und das nervt dich mehr als dass dein bester Freund dir unterstellt hat, dass du mir fremdgehst?“ Er drückte auf Senden noch ehe Matthis irgendwas unternehmen konnte. „Alex! Was soll der Mist! Halt dich doch bitte da raus! Das ist meine Angelegenheit!“ Er war wütend. „Nein ist es nicht.“ Alex wirkte wieder ganz ruhig. Er loggte sich aus, klappte den Rechner zu. „Es ist definitiv nicht mehr deine Angelegenheit. Solange das lief war es deine Sache, seit ich davon weiß und das beendet ist, ist es meine. Und ich will, dass es dabei bleibt.“ „Aber…“, wollte Matthis noch sagen, doch Alex fuhr ihm grob über den Mund: „Nichts ,Aber‘! Du kannst dich ja gern selbst einloggen und David dann die Wahrheit erzählen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob er das genauso akzeptieren wird wie ich. Es steht dir frei ob du ihm noch schreibst. Das ist dann wieder deine Sache. Aber ich an deiner Stelle würd‘s mir gut überlegen.“ Als sie das Licht gelöscht hatten und zusammen im Bett lagen, konnte Matthis wieder nicht schlafen. Und er meinte an Alex‘ Atemzügen erkennen zu können, dass es dem nicht anders ging. Also legte er sich auf die Seite, seinem Freund zugewandt. „Was hast du vor, Alex?“, fragte er leise, blickte in die Dunkelheit. „Du solltest schlafen“, kam die ruhige Antwort von Alex. „Ich kann aber nicht. Ich find‘s nicht in Ordnung, was du da tust.“ „Du weißt doch noch nicht mal was ich tue.“ „Nicht wirklich, nein. Aber ich hoffe, dass du es dafür um so besser weißt. Und ich kann sagen, dass auch wenn ich nicht weiß, was du bezweckst, ich deine Mittel nicht gutheißen kann.“ „Sprich nicht so geschwollen und jetzt schlaf endlich, morgen ist Schule.“ Alex legte seinen Arm um Matthis und rückte näher zu ihm, küsste sein Haupt. Der Zweck heiligt die Mittel, Alex war ein Fürsprecher dieser Redensart. Matthis ganz und gar nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)