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The Mentalist - What you shouldn't do is the most exciting

For childrens sake
von

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Die Entschiedung

Als Junior Agent Grace van Pelt mit klopfendem Herzen die Augen öffnete, musste sie sich erst mal orientieren. Sie drehte sich im Bett und sah das fahle Licht, welches zum Fenster herein fiel.
 

Nun erinnerte sie sich! Sie war in Santiago de Compostela - in Europa, besser gesagt in Spanien.
 

Sie knipste das Licht auf dem Nachttisch an und setzte sich, darüber nachdenkend was sie geweckt hatte, auf. Ein trauriger Seufzer trat über ihre Lippen als ihr der Grund bewusst wurde – WAYNE! Sie hatte erneut von ihm geträumt!
 

Langsam und leise setzte sie die Füße auf den Boden neben dem Bett ehe ihr einfiel, dass sie alleine im Raum war. Dieser Gedanke schien so absurd und ungewohnt, dass sie sich zum Bett umblickte.
 

Die letzten zwei Monate hatte die junge Amerikanerin auf einer Pilgerwanderung und somit in einer Gruppe verbracht. Sie versuchte die Gründe für die Reise auf die Seite zu schieben, doch zumindest der eine hatte sich mal wieder in ihren Kopf eingebrannt. Ihr Ex-Freund und Kollege!
 

Grace strich sich das rötliche Haar aus der Stirn und ging zum Fenster, welches sie öffnete um die spanische Nachtluft in das Zimmer zu lassen. Die Reise hier her war anstrengend gewesen, doch in der Gruppe hatten sich Freundschaften gebildet, beziehungsweise jeder hatte sein Ziel in dieser Zeit verfolgen können. Grace hatte, zwar nicht am Stück, über die Hälfte der Zeit geschwiegen, da sie einfach nachdenken musste – doch leider hatte sie das nicht weitergebracht. Sie hatte noch immer keine Ahnung, wie sie es mit Wayne Rigsby handhaben sollte, wenn sie zurück in Kalifornien sein würde. Sie blickte auf ihre Armbanduhr und rechnete kurz nach. In Sacramento war nun gegen zehn Uhr am Abend.
 

Sie fuhr sich kurz mit der Hand durch das Gesicht, ging dann zu ihrem Rucksack und holte dort ihr Handy und das Ladegerät heraus. Den ganzen Jakobsweg hatte Grace dieses Teil nicht aus ihrer Tasche geholt, obwohl sie teilweise die Möglichkeit gehabt hätten zu telefonieren. Sie steckte das Handy an die Steckdose und schaltete es an. Vielleicht würde Agent Hightower das Team ja früher zurückholen? Als das Mobilphone sich hochgefahren hatte, gab die Rothaarige ihren Pin ein und wartete dann geduldig bis das Handy Empfang hatte.
 

Sie wusste nicht, womit sie gerechnet hatte – doch ganz sicher nicht damit. Sie hatte das Gerät auf den Nachttisch gelegt und sich wieder ans Fenster gestellt. Plötzlich fing es an zu klingeln und sie lief schnell zurück, wusste sie doch nicht wie dick hier die Wände waren. Sie brachte das technische Präzisionswerk zum Schweigen und starrte verdutzt auf das Display.
 

Sie scrollte die Liste der Anrufe nach unten. „Verdammt“, murmelte sie und ließ sich auf die Matratze fallen. Dort stand 569 Anrufe von Wayne . Ansonsten hatte sie in ihrer Abwesenheit nur wenige Anrufe von ihrer ‚Familie‘ bekommen. Sie hatten sie zwar mal versucht zu erreichen, doch vermutlich verstanden, dass sie ihre Ruhe brauchte. Zum Teufel, wieso konnte Wayne das nicht verstehen?!?

Eine Weile stand sie bewegungslos im Zimmer und starrte einfach nur vor sich hin. Waynes letzter Anruf war vor einer halben Stunde erfolgt – würde er nochmal anrufen? Dann kam eine SMS, sie hatte einige Mailbox-Nachrichten.
 

Ihr Finger zitterte etwas, als sie dem Handy den Befehl gab ihre gespeicherten Anrufe abzurufen. Es waren acht gespeicherte Nachrichten und sie hörte alle in Ruhe an. Lisbon, ihre beste Freundin und Chefin hatte sie angerufen, fragte wie es ihr ginge und, dass sie sich immer melden könne, wenn etwas war. Chos Anruf sagte dasselbe aus und er sagte ihr außerdem viele Grüße von seiner Freundin. Dann kam der erste Anruf von Wayne. Er schien enttäuscht, sprach nur auf die Box, dass sie sich melden sollte – der Anruf war in den ersten paar Tagen auf ihrer Reise erfolgt. Ein Anruf von Jane hörte Grace sehr distanziert an, da sie vermutete er würde versuchen sie irgendwie zu beeinflussen, doch das tat er nicht. Er sagte ihr, dass sie sich Zeit nehmen sollte und, dass sie schon das Richtige tun würde. Die restlichen Anrufe waren von Wayne. Es war eigentlich immer dieselbe Nachricht. Sie solle sich bei ihm melden, er wolle reden, könne das so nicht weiterlaufen lassen. Sein Gemütszustand änderte sich jedoch mit den Anrufen, erst wurde er zunehmen aggressiver doch der Zusatz beim letzten Anruf war, dass er sich langsam ernsthafte Sorgen um sie mache.
 

Verwirrt warf die junge Frau das Handy auf die Bettdecke. Verdammt, was sollte sie machen?!? Wayne war ihr wichtig, aber es war verboten!!! Sie waren nicht berechtigt eine Beziehung zu führen, außer einer der beiden würde die Einheit verlassen, und das war nicht möglich.
 

Sie griff sich das Handy und wählte, nach längerem Zögern, seine Nummer.

Der Erklärungsversuch

Ein Blitz zuckte über den Himmel und Wayne Rigsby zählte die wenigen Sekunden ehe der Donner krachte. Durch die Schwingung in der Luft schien der Sitz unter ihm zu erzittern. Durch den Regenschleier welcher nun von Himmel prasselte, lugte der CBI – Mitarbeiter zum Haus in dem seine Kollegin Grace van Pelt wohnte. Er saß schon seit vielen Stunden hier, das Auto hatte sich unter den stechenden Strahlen der Sonne in eine Sauna verwandelt, doch dies war ihm egal. Er trug Shorts und ein Top, welches an der Seite eine geringe Luftzufuhr zuließ.
 

Nun hatte er das Fenster einen kleinen Spalt heruntergelassen, natürlich nur so viel, dass es nicht ins Wageninnere regnen konnte.
 

Sein Handy lag auf dem Sitz neben ihm und schwieg. Vorhin hatte er kurz mit Cho telefoniert welcher sich nach seinem Befinden erkundigt, jedoch nicht wirklich Zeit gehabt hatte, dem verliebten ‚Bruder‘ zuzuhören, beziehungsweise sein Beruhigungsversuch war ins Nichts gelaufen. Egal WER oder WAS! Nichts und niemand konnte ihn in dieser Situation beruhigen! Die Einzige die hierzu in der Lage gewesen wäre, war eben diejenige die er nicht erreichen konnte.
 

Nicht mehr wissend, wie viele Anrufe er in den Wochen seit der Suspendierung an sie gerichtet hatte, vermutete es, dass es viele waren. Nun observierte er seit Tagen ihr Haus. Nein! Er war nicht zum Stalker mutiert, sondern machte sich schlicht und ergreifend Sorgen um Grace – schließlich war diese vor zwei Monaten, am Tag nach der vorläufigen Suspendierung des Teams, einfach verschwunden und seither für niemanden zu erreichen. Was, wenn sie jemand entführt hatte? Eigentlich war es vollkommener Schwachsinn dies zu glauben, doch Agent Rigsby hatte schon Unglaublicheres erlebt.
 

Ein Donner, gefolgt vom Klingeln seines Handys, riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Puls beschleunigte sich als er die Melodie des Klingeltons registrierte. Ohne nachschauen zu müssen, nahm er das Gespräch entgegen. Er schwieg in die Verbindung, denn das letztes was er wollte, war es, dass er der Anruferin nun Vorwürfe machen würde.
 

„Wayne?“, drang eine raue und doch warme Stimme an sein Ohr. Dann Stille. „Wayne, bist du dran?“, fragte die Person am anderen Ende der Leitung. Gerne hätte er geschwiegen um einfach nur ihre, für ihn so liebliche Stimme, zu hören, doch das konnte er nun wirklich nicht bringen, weshalb er sich räusperte und dann meldete. „Ach, das ist ja eine ganze Fremde am Apparat“, murmelte er in den Hörer. Er klang kälter als er es vorgehabt hatte, doch nun war es ebenso. Sollte sie ruhig merken wie sehr sie ihn verletzt hatte. Die emotionale Kälte ließ die Rothaarige, mit der die Verbindung bestand, erschaudern. So kannte sie Wayne gar nicht. „Ist alles okay bei dir?“, fragte sie vorsichtig und war doch schon auf eine Antwort gefasst. „Mir geht’s bestens“, gab der andere patzig zurück. „Entschuldige, dass ich nachfrage“, erwiderte Grade irritiert, „ich dachte, ich solle mich bei dir melden“. Schon wurde sie von ihm unterbrochen. „Du hättest dich schon vor zwei Monaten melden sollen!“, antwortete er aufgebracht. „Warum zum Teufel rufst du erst jetzt an?“. Es folgten einige Momente der Stille. Wayne wollte eine Antwort! Doch Grace fragte sich, ob sie sich rechtfertigen musste. Sie kam zu dem Schluss es ihm zu sagen – schließlich musste die Beziehung arbeitstauglich bleiben. Und eigentlich wollte sie ihm doch erzählen! Es war ihr sehnlichster Wunsch ihm zu erzählen wie es ihr in der letzten Zeit ergangen war! Sie zog die Beine an den Körper, atmete tief ein und begann dann zu sprechen. „Ich konnte mich nicht melden“, versuchte sie zu erklären. „Ich bin in Spanien und habe erst von ein paar Minuten gesehen, dass ihr angerufen habt“. Sie hörte im Hintergrund der Verbindung ein Donnergrollen und zog die Augenbrauen zusammen. „Wayne, wo bist du?“, wollte sie wissen, denn sie war sich sicher, dass man in einem Gebäude nicht so viel von dem Unwetter, welches in Kalifornien zu toben schien, mitbekommen würde.
 

„Was machst du in Spanien?“, fragte der Dunkelhaarige erstaunt. „Ich bin den Jakobsweg gelaufen“, gab sie nur zurück. Da sie befürchtete er würde die Frage wo er sei übergehen, forschte sie erneut nach. Er seufzte auf ihre wiederholte Frage hin, antwortete dann jedoch wahrheitsgemäß. „Vor deinem Haus“, gab er kleinlaut zu. „Was?“, entfuhr es ihr, während sie sich ruckartig aufsetzte, und man die Überraschung in ihrem Gesicht nicht übersehen konnte. „Du bist vor meinem Haus? Was um Gottes Willen tust du da?“. Sie klang unbeherrscht, was Wayne zur Weißglut brachte. „Was ich hier mache?!?“, zischte er. „Ich warte auf dich, hoffe, dass dich nicht irgendein Perverser in die Finger bekommen hat. Wie kannst du mir das nur antun und einfach verschwinden? Ist es für dich neuerdings so unerträglich in meiner Nähe zu sein?!?“. Dass er nun schrie, fiel ihm erst gar nicht auf, und auch die Ungerechtigkeit seiner Worte. Am anderen Ende der Leitung war es still geworden. Die Hand über die Augen gelegt, versuchte Grace die Fassung zu wahren. Sie durfte jetzt nicht unfair werden. Beide lauschten der Stille und dem Atem des anderen ehe sie sich äußerte. „Ich fliege übermorgen zurück“, erklärte sie sachlich und distanzierte sich emotional. „Wenn du möchtest, rufe ich dich an, wenn ich in Sacramento gelandet bin, dann können wir reden und die nötigsten Dinge klären“. Mit ‚nötigste Dinge‘ meinte sie vor allem, wie die beiden in Zukunft im Dienst miteinander umgehen würden. „Du solltest nun zu dir fahren und schlafen gehen“, schlug sie leise vor. Von ihm kam nur ein Brummen, was sie als „Ja“ auffasste. „Gute Nacht, Wayne“, murmelte sie in den Hörer und legte auf, nachdem von ihm keine Reaktion gekommen war. Der Agent realisierte erst beim Klicken, dass sie aufgelegt hatte. Kein Wunder, dass sie aufgelegt hatte! Er hatte sich schließlich wieder furchtbar verhalten! Dass sie jedoch gesagt hatte, sie würde sich nach der Landung melden, freute ihn Insgeheim und er fuhr sich mit der Hand über die Augen, in welchen sich Tränen gebildet hatten.
 

Knapp 5000 Meilen entfernt saß Grace auf dem Bett der Pension und weinte. Sie konnte den Gefühlsausbruch nicht zurückhalten, denn ihr tat weh, was Wayne gesagt hatte. Konnte er wirklich glauben sie fände es in seiner Nähe unerträglich? Kopfschüttelnd schloss sie die Augen und versuchte wieder einzuschlafen, was ihr allerdings nicht gelang. Wayne hingegen war mittlerweile nach Hause gefahren und dort übermannte ihn die Müdigkeit, weshalb er sich bis auf die Unterhose auszog und ins Bett fiel.
 

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Das Unwetter, welches seit gut einer Stunde über der Stadt wütete, schien kein Ende zu nehmen. Patrick Jane und Teresa Lisbon lagen bäuchlings nebeneinander auf dem Boden und sahen dem Gewitter dabei zu, wie es sich über ihnen ausließ.
 

Bei einem besonders lauten Donnerschlag zuckte Patrick impulsiv zusammen, weshalb sich Teresas Mundwinkel leicht hoben und sie kurz über seinen Oberarm strich. „Keine Sorge, hier sind wir sicher“, lächelte sie und ihre Augen strahlten. Das musste Patrick selbst am besten wissen – schließlich waren sie in seinem Haus. „Jaja, darum geht’s auch gar nicht“, erklärte der Blonde kopfschüttelnd. „Gefährlich wird’s erst, wenn es eine Woche so stürmt“. Bei dieser Bemerkung zwinkerte er ihr zu.
 

Sie hatten die Lichter gelöscht, doch durch das ständige Zucken der Blitze konnten die beiden sich trotzdem sehen. „Weißt du, was ich mich frage?“, kam es schließlich von ihr und sie blickte ihn an. „Nein, weiß ich nicht – schließlich bin ich kein Hellseher“, grinste er zurück. „Naja, du weißt es vermutlich trotzdem“. Das stimmte! Der Mentalist bemerkte, dass Teresa von Tag zu Tag nachdenklicher wurde. Für diesen Zustand gab es zwei mögliche Ursachen. Da er die eine momentan nicht ansprechen wollte, nickte er nur. „Du fragst dich, wo Grace ist“, erklärte er sachlich, doch eigentlich war dies kein Geheimnis. Es gab wohl niemanden der Einheit, der sich grade nicht fragte, wo sie steckte. „Was, wenn ihr doch etwas passiert ist?“, fragte seine Chefin plötzlich und starrte ihn an. „Sei nicht albern“, ermahnte er sie. „Grace ist nichts passiert – wenn dem so wäre, dann wüssten wir es bereits!“. Skeptisch blickte die Dunkelhaarige ihn an. „Es gibt Leute, die sind Jahre lang verschwunden“, gab sie zurück, wurde allerdings schnell von ihm unterbrochen. „Die sind dann aber meistens am Leben und verstecken sich“, gab er zu bedenken und sie legte etwas beruhigt den Kopf wieder auf die Arme. „Ich bin mir sicher, dass es ihr – wo auch immer sie sich gerade aufhält – gut geht“, verstärkte er seine Aussage.
 

Nachdenklich sah er aus dem Fenster und als Teresa das bemerkte, fragte sie sich wo seine Gedanken waren. Innerlich seufzte sie, denn sie dachte an die Nacht vor einigen Wochen zurück, in welcher sie miteinander geschlafen hatten. Seither war das Verhältnis nicht unbedingt schlechter, aber es war durchaus komisch. Auch jetzt, in diesem Moment in welchem sie in seinem Haus auf dem Boden lagen. Sie war hier! Hier hatte das Schicksal vor einigen Jahren auf ihren Kollegen eingeprügelt, was ihn heute noch immer blockierte. Sie hatte versucht mit ihm darüber zu reden, doch er blockte ab. Sie hatte Red Johns blutigen Smiley schon mehr als einmal in ihren Fällen gesehen, doch ihn hier gesehen zu haben, die Präsenz zu spüren, dass war schon etwas anderes. Einen Tatort konnte sie für gewöhnlich verlassen, doch hier war sie ein Gast, und sie wollte bei ihm sein. Sie drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke, dachte eine ganze Weile nach, ehe sie zu sprechen begann. „Wenn wir zurück ins Büro müssen, wird alles wieder anders sein“, murmelte sie wehmütig und sah leicht zu ihm. Sie wusste, dass es für ihn ein Problem war, und auch nun senkte er wieder den Kopf. „Was ist los mit dir Patrick?“, wollte sie wissen, doch er schüttelte nur den Kopf. „Ich kann darüber nun nicht reden“. Er hatte leise gesprochen, beinahe als ob das Gespräch darüber in diesem Haus nicht angebracht war. Nein, die gemeinsame Nacht hatte in ihrem Haus stattgefunden, und somit hatte er hier vielleicht mehr Schuldgefühle? Ihr war klar, dass nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt war, das mit ihm zu besprechen, doch irgendwann würde sie um das Reden nicht mehr herumkommen.
 

Agent Lisbon fragte sich vor allem, wie es funktionieren sollte, wenn sie doch irgendwo diejenige gewesen war, die Wayne und Grace voneinander getrennt hatte, obwohl sie wusste, wie viel beide einander bedeuteten. „Du bist nicht schuld daran, dass die beiden sich trennen mussten“, flüsterte Patrick, welcher sie nun wieder musternd anblickte. „Darüber habe ich grade gar nicht nachgedacht“, versuchte sie abzublocken, doch er lächelte, und sein Lächeln war warm. „Okay, doch daran habe ich gedacht, aber du sagtest grade, dass du darüber nicht reden willst“. Als er ihr in die Augen schaute, wurde ihm sehr warm ums Herz. Er wusste nicht was es war, dass er an dieser Frau so begehrte, und vielleicht war es auch ganz gut, dass er davon grade keine Ahnung hatte, denn er war genug damit beschäftigt diese Gefühle seiner verstorbenen Frau gegenüber zu ‚vertreten‘. „Ist aber ja egal. Hauptsache ist, dass du nicht schuld bist, denn Agent Hightower setzte die beiden unter Druck“, versuchte er sie zu entlasten. „Und letzten Endes war es Grace‘ Entscheidung, sich von Wayne zu trennen“. Lisbon stöhnte auf. „Ihr Männer könnt solche Idioten sein“, lachte sie und knuffte ihm gegen die Schulter. „Du weißt genau, dass Grace sich getrennt hat, weil sie nicht wollte, dass unsere Einheit kaputt geht und jemand neues dazukommt. Wir sind schließlich eine ‚Familie‘, und vermutlich auch die ihre“.
 

„Ich weiß“, gab Jane nur zu und kam wieder zum Nachdenken. Grace hatte eine dunkle Vergangenheit, sie hatte zwar nichts selbst getan, doch irgendwas hatte sie in ihrer Kindheit oder Jugend entrückt, weshalb sie in manchen Bereichen deutlich gehemmt wirkte. Sie sperrte sich dagegen dieses Trauma zu bearbeiten, weshalb Jane vermutete, dass sie unter Umständen gar nicht wusste, dass ihr etwas widerfahren war. Oder sie war tatsächlich so gut im Verdrängen, dass sie nicht daran denken musste. Aber nein, das konnte nun wirklich nicht sein, war Grace doch eine der mitfühlendsten Personen die er kannte.

Feeling Home?

Als das Flugzeug in Sacramento auf dem Rollfeld aufkam, atmete Grace erleichtert aus. Der Flug hatte lange gedauert und war recht turbulent gewesen, weshalb sie kaum hatte schlafen können. Ein Blick auf ihre analoge Funkuhr machte ihr klar, dass das Flugzeug zwei Stunden Verspätung hatte, obwohl sie an allen Flughäfen, zuletzt in Washington D.C., pünktlich gestartet waren. Da sie nun wieder in ihrer „gewohnten“ Zeitzone war, jedoch letzte Nacht noch nach spanischer Zeit geschlafen hatte und früh aufgestanden war, steckte ihr die Entkräftung ziemlich in den Knochen. Ohnehin war sie seit der 2 – Monatswanderung nach Compostela nicht mehr so kräftig. Sie war schmaler geworden, was vermutlich einfach nur den Grund hatte, dass sie viel gelaufen waren und tagsüber trotzdem nur wenig gegessen hatten.
 

Bevor der Jumbojet in Washington D.C. in die Lüfte gegangen war, hatte sie Wayne angerufen und vorgeschlagen, dass er sie vom Flughafen abholte, sie gemeinsam etwas essen gingen und redeten. Er hatte eingewilligt, doch würde er noch immer warten?
 

Die letzten beiden Tage hatte die junge Agentin viel Zeit damit verbracht sich zu überlegen, was sie ihm sagen würde. Sie würde ihm klarmachen müssen, dass sie eine Basis finden mussten auf welcher sie im Büro miteinander agieren konnten, sich jedoch nichtmehr außerhalb des CBI-Gebäudes trafen.
 

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Er trank gerade den letzten Schluck seines Kaffees, als endlich ein Gong ertönte und die Ankunft der Maschine aus Washington D.C. verkündete. Es war mittlerweile nach zehn Uhr. Zwei Mal hatte Rigsby im Restaurant angerufen um den Tisch neu zu reservieren. Beim zweiten Anruf hatte die Bedienung schon recht unwillig geklungen, weshalb er froh war, dass er kein drittes Mal die Nerven der Frau strapazieren musste. Langsam erhob er sich und ging zum Exit der Flughalle in welcher seine frühere Freundin ankommen und ihr Gepäck entgegennehmen würde.
 

Den Nachmittag hatte Wayne mit Cho und Kathi verbracht und die drei hatten jede Menge Spaß, auch wenn seine Gedanken ab und zu abgeschweift waren. Er hatte außerdem kurz mit Jane telefoniert, anschließend noch mit seiner Chefin und beide freuten sich, dass Grace sich endlich gemeldet hatte.
 

Die elektronische Tür ging auf, um nach und nach die Passagiere des Fluges L208Z nach draußen zu lassen. Die Tür schloss sich nach einigen Minuten wieder und der dunkelhaarige Agent sah sich verwirrt um. War Grace schon herausgekommen und er hatte sie nicht gesehen? Die Antwort war ein definitives NEIN! Ihr rotes, langes Haar würde er nirgends übersehen und so blieb er weiter stehen.
 

Beim Einfall, dass sie vielleicht versucht hatte etwas zu schmuggeln, musste er grinsten, denn das war die paradoxeste Idee, die er jemals gehabt hatte! Grace konnte das gesamte Handbuch der Polizeiregeln auswendig, dazu sämtliche Rechtsartikel – da würde sie wohl kaum versucht haben etwas zu schmuggeln.

Seine Geduld wurde schließlich belohnt als sich die Tür ein weiteres Mal öffnete und sie durch diese kam. Im ersten Augenblick erschrak er, denn sie war dünner geworden, wirkte blass und hatte Ringe unter den Augen.
 

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Mit strahlenden Augen sah er Kathi an, als er vor ihr auf dem Boden kniete und ihr die Schachtel mit dem Ring hinhielt. Es war ein Silberring mit einem kleinen, blauen Topas, recht unauffällig, jedoch schön. Aber Cho hatte eben diesen Verlobungsring ausgesucht da er gut zu ihren Augen passte. „Cho, ist das dein Ernst?“, fragte Kathi mit erstickter Stimme. Er nickte nur und lächelte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn innig. Dann fingen beide plötzlich an zu lachen.
 

„Warum lachst du, Liebling?“, keuchte die Blonde und sah in seine Augen. „Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie wir uns kennenlernten, und du?“, antwortete er und gab die Frage somit zurück. „Ebenso“, lächelte sie.
 

Es war wahrlich eine kuriose Geschichte, wie Cho und seine jetzige Verlobte sich kennengelernt hatten. Sie war quasi der Lockvogel in einem Mordfall gewesen, hatte davon aber nichts gewusst. Cho hatte als Undercover mit ihr geflirtet und sie schließlich in ein Hotelzimmer entführt, wo er ihr in seiner rationalen Art jedoch den wahren Hintergrund der Szene erklärte. Die junge Kellnerin war daraufhin in Tränen ausgebrochen und er hatte sie aus reiner Höflichkeit getröstet – doch in dieser kurzen Zeit hatte sich etwas geändert und er hatte sie danach noch öfter angerufen um sich schließlich mit ihr zu verabreden. Als sie sich trafen, hatten sie und Paul Fricke sich mittlerweile wieder getrennt, da es in ihrer Beziehung einfach nicht funktionierte. Er sah ständig irgendwelchen anderen Frauen hinterher und sie konnte das einerseits nicht ertragen, dachte andererseits aber auch oft an Cho. Außerdem konnte sie Paul nicht mehr richtig vertrauen, und so hatten sie sich – in gegenseitigem Einverständnis – getrennt. Das erste „Date“ war etwas unbeholfen, doch beide spürten, dass vom Anderen Gefühle da waren und so trafen sie sich erneut und immer wieder, ehe sie schließlich den Schritt gingen und eine Beziehung begannen.
 

Sie waren nun beinahe ein Jahr zusammen und heute war der Tag an dem sie sich kennengelernt hatten. „Ich würde mir nur wünschen, dass Wayne und Grace dieses Glück nicht verwehrt bleibt“, meinte der sonst so distanziert wirkende Asiate. Kathi wusste, dass ihr Freund keine Familie hatte und diese durch das CBI-Team ersetzt wurde, und sie wusste auch, dass Wayne quasi sein Bruder war. „Ich glaube er hofft einfach darauf, dass Grace die Regeln außer Acht lässt und wieder mit ihm zusammen ist“, seufzte er und wollte gerade zum Weitersprechen ansetzten, als Kathi ihm ins Wort fiel. „Ihr wisst beide genau, wieso Grace sich von ihm getrennt hat! Sie will nicht, dass euer Team sich verändert – sie denkt altruistisch, denkt zu ‚euren‘ Gunsten“. Er sah sie beinahe mitleidig an. „Schatz, du weißt genau, dass seit der Trennung der beiden ALLES schief geht in unserer Einheit!“. „Vielleicht ist das aber auch nur eine self-fulfilling prophecy?“, äußerte sie den Gedanken, auf welchen er nur noch mit Schulterzucken antwortete, da der Kellner in diesem Moment die Vorspeise brachte.
 

*****
 

„Du bist ja noch da“, stellte die Rothaarige fest, als sie die Ankunftshalle verließ und ihn entdeckte. „Wäre es dir lieber, wenn ich nicht da wäre?“. Diese Frage verneinte sie kopfschüttelnd. „Tut mir leid, dass ich so unhöflich bin, aber irgendwelche Idioten haben meinen Rucksack ins falsche Flugzeug gepackt – deswegen hat es grade auch so lange gedauert. Ich musste nämlich ewig warten, bis mir mal einer sagen konnte, wo mein Gepäck abgeblieben ist!“. Erst jetzt, da sie es erwähnte, bemerkte er, dass sie nur ihre Handtasche bei sich trug. „Sind denn wichtige Dinge in deinem Rucksack?“, wollte er wissen und beide setzten sich ohne Absprache in Bewegung um zu seinem Auto zu gehen.
 

Grace sah sich um und gewahrte einige Pärchen die sich in den Armen lagen und küssten. Sie schloss kurz die brennenden Augen, lief weiter und antwortete ihm schließlich, dass sie alles wichtige zum Glück immer direkt bei sich trug.
 

Schweigend gingen sie weiter nebeneinander her – es war kein peinliches Schweigen. Zwischen ihnen lag eine knisternde Spannung, die beinahe hörbar wurde. Beide wollten etwas sagen, wussten jedoch nicht wie sie es ausdrücken sollten.
 

Nach einiger Zeit kamen sie bei Waynes Chevrolet Captiva an, Grace setzte sich auf den Beifahrersitz und er startete den Motor. Er hatte sich zurückhalten müssen um sie nicht zu umarmen. Bisher hatte sie ihm nicht in die Augen gesehen, was er als schlechtes Zeichen deutete und sich nun auf die Fahrt konzentrierte.
 

Draußen war es mittlerweile dämmrig geworden und Grace beobachtete die Lichter der Stadt, welche sie nun längere Zeit nicht gesehen hatte. Ein Gähnen unterdrückend, rieb sie über ihre Hände. Es würde keinen Sinn haben, jetzt im Auto ein Gespräch anzufangen - dafür war das Thema zu heikel.
 

An einer Ampel konnte sie sich allerdings nicht mehr zurückhalten und legte ihre Hand auf die seine. Etwas verdutzt blickte er sie an, doch ein Leuchten lag in seinen Augen. Sie mochte ihn also doch noch! Er hielt den Mund, genoss den Moment und fuhr dann wieder, während er weiter ihre Hand spürte – Automatik war doch etwas Tolles. „Ich habe uns einen Tisch beim Italiener bestellt“, meinte er ruhig, als seine Augen auf die nächste rote Ampel gerichtet waren. „Hm“, machte Grace nur und als er zu Seite blickte, merkte er, dass sie die Augen geschlossen hatte. Sie fühlte sich also wohl und vertraute ihm. „Oder soll ich dich direkt nach Hause bringen?“, fragte er rücksichtsvoll. „Nein nein, bloß nicht“, widersprach sie augenblicklich. „Wenn ich meinem Jetlag jetzt nachgebe, hängt er mir nach. Ich werde also nach unserer Zeitrechnung ins Bett und zwar noch nicht jetzt!“. Ihr Wunsch sei mir Befehl, señora”, grinste er und trat aufs Gaspedal. Er fuhr vorsichtig da er wusste, wie sehr Grace es hasste, wenn jemand anders als sie fuhr.
 

“Wir sind da, du Schlafmütze”, murmelte er, nachdem er das Fahrzeug auf dem Parkplatz des Restaurants zum Stehen gebracht hatte. Grace öffnete verwirrt die Augen, da sie scheinbar wirklich für einige Minuten eingeschlafen war. “Okay”, gähnte sie und stieg aus.
 

Gemeinsam betraten sie die Gaststätte, wurden zu einem Tisch gebracht, bekamen die Speisekarten und bestellten sofort das Essen. Keiner von beiden musste lange nachdenken, denn sie nahmen ihre Lieblingsgerichte. “Ich hätte gerne eine Calzone und ein Glas Zarafa Sauvignon Blanc”, orderte Wayne und Grace lächelte ihm zu, bestellte dann eine Maracuja – Schorle und Tagliatelle mit Pesto.

Der Kellner verließ sie um die Bestellung an die Küche weiterzuleiten und das frühere Pärchen sah sich erst um und dann an. “Wie war es in Spanien?”, fragte Wayne unverfänglich und zum ersten Mal an diesem Abend sah die andere in seine Augen.
 

“Warm”, gab sie erst kurz angebunden zurück, ehe sie sich doch zu einer ausschweifenderen Antwort hinreißen ließ. “Also, es war warm, anstregend aber trotzdem schön. Gestartet sind wir ja in Saint Jean Pied du Port, in Frankreich. Von dort aus sind wir erst den Französischen Teil gelaufen, welchen ich schöner fand und sind schließlich über die Grenze und dann durch Spanien. Der franzözische Teil des Weges war allerdings recht kurz”. Er lächelte sie an. “Wie lange warst du jetzt dort?”, wollte er wissen. “Ich bin am Tag nach der Suspendierung spontan mit einem Last Minute Flug nach Paris. Von dort dann mit dem Bus zu dem Startort um da erstmal einige Stunden geschlafen”.
 

Der Kellner kam mit den Getränken zurück und Grace und Wayne stießen kurz an – auf die weitere Zusammenarbeit, oder was auch immer – und tranken dann beide einige Schlucke. “Gelaufen sind wir 37 Tage, dann waren wir noch einige Tage in Santiago de Compostela”, verschaffte sie ihm kurz einen zeitlichen Überblick. Der Dunkelhaarige hatte die Augen vor Überraschung weit geöffnet. “Das ist ja echt lange”, erwiderte er und nickte anerkennend mit dem Kopf. “Wie viel seid ihr dann durchschnittlich gelaufen?”. Sie zuckte erst die Schulter und dachte schließlich nach. “Ich weiß nicht, wie viel es wirklich war, aber ich weiß, dass die längste Tagesetappe knapp 28 Meilen waren. Am Anfang sind wir natürlich nicht so viel gelaufen, quasi hatten wir erst einmal eine ‘Aufwärmphase’. In der ersten Woche sind wir pro Tag durchschnittlich circa 15 Meilen gelaufen. Kam manchmal auch sehr auf das Wetter an, und natürlich auf die Strecke”.
 

“Das hört sich wirklich gut an”, lächelte Wayne und er sah in den Augen seiner Kollegin eine Zufriedenheit die ihn irgendwie auch glücklich machte. Obwohl er extrem sauer auf sie gewesen war, dass sie sich nicht gemeldet hatte. Aber, dass zumidnest SIE eine gute Zeit gehabt hatte, beruhigte ihn enorm. “Hat es dir gut getan?”, fragte er vorsichtig nach und wartete geduldig auf ihre Antwort, welche jedoch durch den Kellner herausgezögert wurde, der Pizza und Pasta brachte. “Guten Appetit”, wünschte die Rothaarige und wickelte gekonnt die langen Nudeln auf die Gabel. Wayne hätte hierfür vermutlich einen Löffel gebraucht, doch Grace hatte ihm oft genug gesagt, dass es für Italiener eine Beleidigung war, wenn man einen Löffel dazu benutzte. Sie steckte sich die erste Gabel voll Nudeln in den Mund und schloss genüsslich die Augen, als sich der Geschmack des Pesto in ihrem Mund ausbreitete. “Ey, wir haben die ganze Zeit nichts so gutes gegessen”, murmelte sie. “Also es war jetzt nicht so, dass das Essen schlecht war, aber es war einfach anders. Und naja, wir haben halt tagsüber meist nur Obst, Gemüse und Brot gegessen und dann am Abend haben wir dann meist gekocht, aber eben auch dann erst spät. Und meistens war ich dann schon so müde, dass ich meinen Magen nicht dazu überreden konnte noch großartig etwas aufzunehmen”, schilderte sie. “Du hast auch abgenommen, kann das sein?”, fragte er sanft und sah seine Ex-Freundin an, welche etwas nickte. “Ja, stimmt schon. Aber jetzt bin ich wieder hier und kann essen”, lachte sie und warf den Kopf leicht in den Nacken. Wayne liebte es, wenn sie das tat. Diese Bewegung war so elegant auch jetzt, obwohl man ihr anmerkte, dass sie eine lange Zeit im Flugzeug verbracht hatte. “Aber du hast auch Farbe bekommen”, fügte er hinzu und sie sah kurz auf ihre Arme. “Ich glaube, das hätte so ziemlich jeder, denn so viel Sonne wie wir in dieser Zeit hatten. Und wir waren ja wirklich immer draußen, nur nachts nicht”. Sie sah zu ihm, ihr Blick war weich und ihre Lippen so sinnlich wie immer. Rigsby musste sich zwingen mit seinen Gedanken beim Gesprächsthema zu bleiben und schnitt eine Stück von seiner Pizza ab. “Möchtest du mal probieren?”, fragte er und hob ihr seinen Teller hin.Mit der freien Hand winkte sie ab und trag einen Schluck ihres Saftes. “Nein danke, ich habe hier mit den Nudeln echt genug um meinen Magen zu füllen”, klärte sie ihn auf. “Bin grade nicht mehr so viel gewöhnt”. Sie zwinkerte ihm kurz zu, und aß dann weiter.
 

Etwas beunruhigt nahm er diese Erklärung hin, aber was sollte er auch tun. Sie am ersten Abend an dem sie zurück war gleich bevormunden? Das war sicherlich nicht die richtige Lösung. “Wie war deine Zeit hier?”, fragte sie schließlich und sah etwas betreten auf die Tischdecke. “Ich weiß, dass ich dir die Zeit versaut habe, und es tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe”. Er seufzte, hatte gehofft, dass er darüber heute Abend nicht sprechen musste, aber scheinbar blieb ihm das nicht erspart. “Hör zu Grace, ich kann nicht sagen, dass ich nicht sauer gewesen wäre – aber die Hauptsache ist doch, dass dir im Endeffekt nichts zugestoßen ist, dafür bin ich sehr dankbar”, meinte er etwas unbeholfen, und musste immer wieder ansetzten. “Nur... ich hatte... hatte eben nicht gedacht, dass du so plötzlich weg bist... Ich hab auch einfach an mir gezweifelt”. Er ließ den Kopf hängen und starrte auf seine Finger.
 

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„Liebling, ich hatte euch nicht kritisieren wollen“, entschuldigte sie sich und sah in seine Augen. „Ich weiß, dass ihr eine schwere Zeit hattet“. Er trank einen Schluck ehe er antwortete. „Darum geht es nicht, Kathi. Es geht darum, dass ich nicht weiß wie es weitergehen soll. Ich hoffe, dass den beiden die lange Trennung gut getan hat. Aber so wie Wayne sich die letzten Wochen verhielt hat das gar nichts gebracht. Und von Grace Seite her, weiß ich nicht. Er wollte sie heute Abend ja vom Flughafen abholen. Keine Ahnung was da jetzt ist“. Er sah auf die Tischdecke und zeichnete eine der Verzierungen mit dem Finger nach. „Unsere Aufklärungsquote war seit der Zusammenstellung des Teams nie so mies, und trotz Streitereien und Unstimmigkeiten haben wir es geschafft – doch das hier… hat alles aus den Fugen gebracht, und natürlich macht mich das besorgt“.
 

Er seufzte und die Blonde Freundin sah ihn liebevoll an. „Aber vielleicht ist es grade das, was ich gesagt habe? Vielleicht wird eben das irgendwie erwartet, dass es nichtmehr funktioniert – vielleicht ist es deswegen verboten?“. Er schüttelte heftig den Kopf. „Nein, es geht vor allem auch darum, dass die Leistungen in einem Fall anscheinend geschwächt werden, wenn romantische Affären zwischen den Mitgliedern der Einheit bestehen. Aus Angst um den anderen, oder solche Dinge. Aber Wayne und Grace haben eigentlich grade in dieser gemeinsamen Zeit super zusammengearbeitet – klar waren sie besonders auf die Sicherheit des anderen fixiert, aber es war nicht so, dass die anderen deswegen in Gefahr gewesen wären. Ich finde, ob jetzt eine romantische Affäre, oder eine so gute Beziehung wie zwischen mir und Wayne ist egal. Ob ich jemanden schütze, weil ich ihn als meinen besten Freund oder Bruder ansehe, oder aber als meinen Partner – das kommt für mich, in meiner Logik aufs Gleiche raus“. Sie zuckte etwas die Schultern. „Das kann natürlich sein, da habe ich natürlich keine Erfahrung. Aber kamen die beiden denn überhaupt in so eine Gefahrsituation? Also, ich meine, dass etwas Schlimmes, beziehungsweise Gefährliches passiert wäre?“. Da musste Kimball nicht lange überlegen, denn es hatte sich tatsächlich eine solche Situation abgespielt. Es war eigentlich eine ganz normale Befragung gewesen, sie hatten an Türen nach Hinweisen gefragt, zusammen mit einem Kollegen einer anderen Einheit. Grace war dabei von einer Frau angeschossen worden, hatte jedoch zum Glück ihre kugelsichere Weste getragen. Im ersten Moment waren natürlich alle wie versteinert, aber dann hatten Wayne und der andere Kollege die Verfolgung der Frau aufgenommen, versucht sie festzunehmen und Wayne hatte sie schließlich erschießen müssen. „Selbst in heftigen Reaktionen, denken beide logisch und nicht unbedingt im Beziehungsrahmen – wie gesagt, Wayne würde bei uns anderen genauso reagieren und Grace auch“. Mit dieser Aussage hatte der asiatische Agent recht, denn die Einheit schützte jedes ihrer Mitglieder.
 

Nach einiger Zeit verließen sie das Restaurant und fuhren zu Cho nach Hause. Bisher hatte Kathi meist am Wochenende bei ihm gelebt, da sie unter der Woche noch immer in dem Hotel arbeitete in welchem das Team damals ermittelt hatte. Der Mann hoffte, dass sie nun vielleicht ganz zu ihm ziehen und hier in Sacramento eine Arbeitsstelle finden würde, denn sie liebte ihre Arbeit, dass wusste er.
 

Sie betraten das Haus, er legte die Schlüssel in die Schale auf dem kleinen Tisch neben der Tür und ging in die Küche um eine Flasche Wein zu öffnen, um mit ihr auf die Verlobung anzustoßen. „Du hast eine Nachricht auf deinem Anrufbeantworter“, rief Kathi aus dem Wohnzimmer wo Telefon und Anrufbeantworter auf seinem kleinen Arbeitstisch standen. „Dann hör es ab, ist ohnehin vermutlich nur jemand aus der Einheit!“. Mit zwei Gläsern und einer Flasche Rotwein ging er ins Wohnzimmer und hörte die Nachricht schließlich auch noch. Es war Teresa, die nachfragte ob Cho wusste, wie Grace gelandet war. „Tut mir leid, aber ich glaube ich muss sie kurz anrufen – ich will Wayne und Grace jetzt nicht stören“, meinte er ruhig und wählte die Nummer seiner Chefin auf dem Handy. „Ja, Cho? Hast du meinen Anruf gehört?“, fragte sie und im Hintergrund konnte Cho Meeresrauschen hören. „Ja, ich habe deinen Anruf gehört, Lisbon. Aber ich weiß es nicht. Mein letzter Stand war, dass ihr Flug wohl einiges an Verspätung hatte, weshalb Wayne auf sie gewartet hat. Und jetzt, weiß ich nicht. Keine Ahnung ob sie wirklich noch essen gegangen sind, oder ob sie gleich nach Hause wollte.
 

Hm“, machte es am anderen Ende der Leitung. „Was?“, fragte er nach und wartete auf eine Antwort. „Wo bist du?“. “Am Strand“, gab sie wahrheitsgemäß zu, ohne allerdings zu sagen, dass sie bei Jane war. “Ich mache mir schon die ganze Zeit Gedanken wegen den beiden, frage mich ob ich nicht nochmal mit Agent Hightower reden soll, denn ich kann es nicht verstehen – schließlich arbeiteten die beiden so gut zusammen“. Cho lachte kurz sarkastisch auf. „Das habe ich zu Kathi heute Abend auch gesagt“, erklärte er. „Naja, ich kann dir Beschied sagen, wenn ich etwas höre – aber ich vermute mal, dass Grace sich ohnehin bei dir melden wird“. Ja, vermutlich würde das so sein. „Okay, vielen Dank Cho und liebe Grüße an Kathi“, meinte sie und legte auf, nachdem auch Kimball sich verabschiedet hatte.
 

„Hast du ihr nichts von unserer Verlobung sagen wollen?“, fragte seine Freundin und grinste, denn meistens hatte Cho Gründe um etwas nicht zu tun. „Ich will diesen Zustand noch etwas anonym genießen“, murmelte er, zog sie zu sich und küsste sie sanft. „Oder ist das nicht in deinem Sinne?“, fragte er etwas zögerlich aber sie schüttelte den Kopf. „Das ist perfekt!“, gab sie zu.
 

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„Wieso an dir gezweifelt?“, fragte sie obwohl sie die Antwort schon wusste. „Du weißt genau, dass es nicht so viel mit dir zu tun hatte, dass ich weg gegangen bin“. Sie sah in seine Augen, welche Sehnsucht und Schmerz beherbergten. „Du weißt, dass wir diese Beziehung nicht führen dürfen!“. Eigentlich hatte sie gehofft zu diesem Teil der Thematik an diesem ersten Abend nicht zu kommen, doch nun war sie eben da. „Wayne, wir dürfen keine Beziehung führen, da wir sonst nicht in einer Einheit bleiben können – das wissen wir beide. Und wir wissen auch, dass das Team am besten arbeitet, wenn wir alle zusammen sind“. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch sie erhob die Hand. „Ich bin noch nicht fertig. Ich will alles für die Erhaltung der Einheit tun, wie sie jetzt ist. Mit Lisbon, Jane, Cho, dir und mir. Ich will nicht, dass sich das ändert. Und wenn wir weiterhin eine Beziehung führen, musst entweder du gehen, oder ich. Und das ist nicht gut für die Einheit“. Seufzend schloss sie ihre Rede und trank einen Schluck.
 

„Du weißt genau, dass es jetzt nicht mehr so ist!“, gab er zurück. „Du weißt, dass wir nicht mehr gut arbeiten, und das ist der Grund für unsere Suspendierung! Und das wissen wir – und davor dürfen wir uns nicht sperren!“. Er atmete heftig. Hatte Grace ihren Verstand vor der Wahrheit verschlossen? „Wenn wir so weiterarbeiten, dann gibt es unsere Einheit vermutlich bald nicht mehr – denn dann werden wir aufgelöst! Gott Grace, denk doch mal darüber nach!“.
 

Nun wurde sie wütend und funkelte ihn an. „Wayne, was glaubst du, was ich die letzten Wochen getan habe? Denkst du, ich bin den Weg aus reinem Spaß gelaufen? Nein! Besinnung! Und zwar nicht auf meine Religion, wie es eigentlich mal geplant war, sondern darauf, wie wir es schaffen sollen! Mir gefällt das auch nicht – glaubst du etwa, dass ich gut damit klar kommen, dass wir nicht mehr zusammen sind?!? Das ich dich zwar täglich sehe, aber die nicht mehr berühren darf?“. Tränen standen in ihren Augen, als sie den Satz beendete, doch sie sah schnell auf die Tischdecke. „Vielleicht brauchen wir einfach etwas Zeit uns wieder daran zu gewöhnen, wie es nun wirklich ist!“, gab sie zu bedenken. „Vielleicht sollten wir noch mal ganz von Vorne anfangen“.
 

Er biss sich auf die Unterlippe und schüttelte leicht den Kopf, als sie sprach. „Wie wollen wir von vorne anfangen? In unseren Köpfen sind die Bilder unserer gemeinsamen Stunden – unsere Körper sehnen sich nacheinander! Ich kann das nicht ignorieren. Es schmerzt, und ich fühle mich wie ein Drogenabhängiger auf Entzug!“. Das war keine Übertreibung. Die Trennung der beiden schmerzte ihn tatsächlich auch körperlich und dagegen konnte er nichts tun. Er wusste nicht, wie er ohne sie leben sollte. Und er dachte ernsthaft darüber nach, dass wenn sie auf ihrem Standpunkt bestehen würde, die Einheit aus diesem Grund zu verlassen. Doch das wollte er ihr nun nicht sagen, da sie sich sonst vielleicht unter Druck gesetzt fühlte und das wollte er nicht.
 

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Sie legte auf und sah zu Jane hinüber, welcher aufs Meer starrte. „Was ist los?“, fragte sie und folgte seinem Blick, konnte am Horizont jedoch nichts entdecken. „Nichts, es ist alles in Ordnung“, gab er leise zurück und sah sie an. „Irgendwelche Nachrichten?“. Sie schüttelte den Kopf. „Cho hat noch nichts von Wayne gehört – scheinbar ist Grace’s Flug zu spät angekommen, und vielleicht sind sie momentan noch essen“. Er zog sein Handy aus der Jacket-Tasche und klappte es auf. „Du wirst sie jetzt nicht anrufen!“, meinte Teresa scharf und griff nach dem Handy, welches er jedoch so weit nach oben hob, dass sie es nicht fassen konnte. „Wieso denn nicht?“, wollte er wissen und sah in ihre Augen.
 

Sie stand nahe bei ihm und die Vorderseiten ihrer Körper berührten sich fast. „Sie ist seit kurzer Zeit wieder hier, und ich glaube, dass die zwei einiges zu klären haben – und da brauchst du deine Meinung jetzt nicht dazu abgeben!“, ermahnte sie ihn. „Wenn du schon im CBI nicht auf mich hörst, dann tu es bitte wenigstens im Privaten“. Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und er ließ den Arm sinken. „Ja, zum Glück sind die 2 ½ Monate bald vorbei, dann muss ich nicht mehr auf dich hören“, stichelte er und setzte sich wieder. Sie stand noch vor ihm und blickte ihn nachdenklich an.

„Und wie soll es mit uns weitergehen?“. Sie versuchte in seine Augen zu schauen, doch er wich ihrem Blick aus. Mit jedem Tag der verstrich, rückte ihre Wiedereinsetzung näher und somit konnte sie sich jetzt davor nichtmehr verstecken. „Was wird mit uns sein Patrick?“, fragte sie ruhig und legte die Hand auf seine Schulter, wo diese jedoch nicht lange verweilte, weil der Sonderberater der Einheit aufstand und an das Geländer der Pergola trat. Sie folgte ihm, stellte sich ruhig neben ihn und wartete darauf, dass er etwas sagte – doch er schwieg.
 

„Wir müssen darüber reden!“, fauchte sie schließlich und ihre Augen funkelten. „Es kann einfach nicht sein, dass du dazu keine Meinung vertrittst! War ich nur ein Urlaubsflirt für dich?!?“. Sie wusste, dass sie ungerecht wurde und ihn unter Umständen auch verletzte, aber dies schien ihr die einzige Möglichkeit ich aus der Reserve zu locken.
 

Erschrocken und verletzt sah er sie nun an. „Glaubst du das wirklich?“, fragte er enttäuscht. Er schluckte hart und lehnte sich rücklings gegen das Geländer. „Du weißt genau, was mich beschäftigt!“, gab er ihr zu denken. „Was willst du, dass ich sage? Willst du, dass ich sage, ich sei mit dir zusammen? Denn eigentlich ist das glaube ich die Definition für das, was zwischen uns läuft. Wir haben keine Minute unserer freien Zeit getrennt verbracht, und“, er unterbrach sich selbst, da er sich kaum traute, es auszusprechen. „Und wir haben miteinander geschlafen!“. Jetzt war es raus. Eigentlich unterschied die beiden wirklich nichts von einem Pärchen. Nur eben wieder unter dem Punkt, dass sie eigentlich keine Beziehung führen durften. Und er wusste, dass sie darüber reden mussten! „Wieso können wir es nicht einfach laufen lassen?“, fragte er leise und starrte auf seine Zehnspitzen.
 

Sie hob sein Kinn an und streichelte über seine Wange. „Ich würde es gerne einfach weiter laufen lassen“, gab sie zu. „Aber wie halten wir es mit unserer Beziehung, wenn wir in der Arbeit sind?“. Sie seufzte. „Denn für mich gelten die Regeln ebenso wie für Wayne und Grace!“. Sie wuschelte sich durchs Haar und starrte aufs Meer.
 

Sie wusste wirklich nicht, wie er zu ihr stand. Er kam ihr mit einer Definition, aber wie waren seine Gefühle? Eigentlich zählten grade nämlich nur diese. Sie wusste, was sie wollte – nur fragte sie sich, wie sie es machen sollten! Auch wenn Jane ihr die Arbeit manchmal beinahe unmöglich machte, hielt sie große Stücke auf ihn, und wusste, was er leisten konnte, beziehungsweise wusste sie, was sie ihm verdankte. Und sie verzieh ihm sowieso schon immer sehr viel, da sie sich in ihn verliebt hatte – schon vor längerer Zeit. Doch gezeigt hatte sie es eigentlich nie, weshalb es für ihn auch ziemlich überraschend war, oder zumindest hatte er so getan. Denn eigentlich war er ja derjenige, dem nichts verborgen blieb!
 

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Sie schob den Teller von sich, welchen sie noch immer nicht geleert hatte, und starrte in ihr Glas. Sie konnte nicht glauben, dass sie hier mit ihrem Kollegen und früheren Freund saß und sie sich stritten. Das durfte doch wirklich nicht wahr sein. Warf er ihr etwas vor?!? Nein, eigentlich tat er das nicht, aber was erwartete er von ihr?

„Was ist los?“, fragte er nun wieder ruhig und sah die Rothaarige an, als diese ihr Essen von sich schob. „Hast du keinen Hunger mehr?“. Sie schüttelte den Kopf. „Mir ist der Appetit vergangen“, konterte sie und sah auf ihre Armbanduhr. „Ich glaube auch, dass ich jetzt dann ins Bett sollte, es ist schon kurz nach Mitternacht“.
 

Rigsby hatte gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war, und war erstaunt, als sie die Uhrzeit nannte. „Ich zahl kurz, dann bringe ich dich nach Hause!“, meinte er schnell und hob die Hand, damit ein Kellner kam um zu kassieren. „Lass mich das machen“, meinte sie, stand auf ging direkt an die Theke und zahlte dort. „Ich nehme ein Taxi, sie haben mir gerade eines bestellt!“, erklärte sie, als sie wieder am Tisch war.
 

Sie sah nun wirklich müde aus, und Wayne wollte keine weitere Diskussion vom Zaun brechen. „Darf ich wenigstens mit dir auf das Taxi warten?“, fragte er als sie draußen in der kühlen Nachtluft standen. Sie sprach nicht, sondern nickte nur.
 

Als das bestellte Fahrzeug ankam, stieg Grace mit einer kurzen, distanzierten Verabschiedung ein, und der Fahrer gab Gas. Sie sah kurz zurück zu Wayne, der wie ein begossener Pudel am Straßenrand stand. Dann zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer, doch noch ehe die Person am anderen Ende abgenommen hatte, legte sie auf und starrte einfach nur aus dem Fenster. Sie kamen vor ihrem Haus an, sie zahlte den Fahrer, ging zur Haustür und schloss auf. Die Post, welche während ihrer Abwesenheit angekommen war, lag auf dem Teppich hinter der Tür. Zum Glück waren es nicht zu viele Briefe gewesen, und nichts Überraschendes. Sie warf alles in der Küche auf den Tresen und ging ins Wohnzimmer, wo alles genau so aussah wie vor zwei Monaten.
 

Sie war wieder in ihrem Haus, doch zu Hause fühlte sie sich hier schon länger nicht mehr – eigentlich seit der Trennung von Wayne. Sie fühlte sich hier einfach nur alleine! Und nicht wie in einem zuhause. Wieder traten Tränen in ihre Augen, sie ging ins Badezimmer, putzte sich weinend die Zähne, wusch sich das Gesicht und ging dann ins Schlafzimmer, wo das Bett, welches für eine Person viel zu groß war, auf sie wartete.
 

Langsam kroch sie unter die Decke, nachdem sie die Tagesdecke entfernt hatte. Morgen würde sie erst einmal einen Putztag einlegen und sobald ihr Rucksack aus den Versenkungen des Flughafens wieder aufgetaucht war, würde sie waschen. Sie wurde schläfrig und kurz bevor sie einschlief, klingelte ihr Handy. Doch es war sehr leise eingestellt und sie ignorierte es einfach und ließ sich in den Schlaf gleiten.

Die Arbeit ruft

Als ihr Handy klingelte, schreckte Agent Lisbon aus dem Schlaf. Sie sah blinzelnd auf das Display und drehte sich fluchend zu Patrick um, der neben ihr lag und nahm den Anruf schließlich flüsternd entgegen.
 

“Ja?“, fragte sie noch leicht verschlafen und wusste schon jetzt, dass nach dem Beenden des Anrufes nicht mehr an Schlaf zu denken war. „Agent Lisbon? Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt Sie und Ihr Team früher als nötig aus der Suspendierung zu holen“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, „aber leider sehe ich mich dazu gezwungen. Wir haben einen Fall bekommen, mit dessen Bearbeitung wir nicht warten können! Ich erwarte Sie alle in zwei Stunden im Büro!“, befahl Agent Hightower und legte ohne eine Antwort abzuwarten auf.
 

„Shit!“, murmelte die Dunkelhaarige, drehte sich zu ihrem Freund und weckte ihn sanft. „Patrick, wir müssen ins Büro. Hightower hat angerufen!“. Sie setzte sich auf, fuhr sich durchs Haar und wählte Chos Nummer. Als er abhob, erklärte sie ihm, was war, und dass er Rigsby anrufen solle. Sie selbst tippte Grace’s Nummer in die Tastatur des Telefons und wartete. „Komm schon Grace, geh ran!“, murmelte sie, doch die andere tat ihr diesen Gefallen nicht.
 

Teresa sprang auf, ging ins Bad, welches dem Schlafzimmer angeschlossen war und putzte sich die Zähne. Währenddessen rief sie immer wieder bei Grace an, welche jedoch trotzdem nicht abnahm. War bei ihrer rothaarigen Kollegin alles in Ordnung?
 

Sie wählte eine andere Nummer und dieses Mal ging jemand an den Apparat. „Rigsby, hast du gestern Grace vom Flughafen abgeholt? Ist bei ihr alles in Ordnung?“, forschte sie nach, während sie in ihre Jeans schlüpfte. Jane war mittlerweile auch aufgestanden, kämmte seine Haare und putze die Zähne. Er sah verschlafen aus, und Lisbon fragte sich, ob er noch immer so schlecht schlief, auch wenn sie bei ihm war. „Grace ist mit dem Taxi nach Hause gefahren – vom Restaurant aus!“. Er klang besorgt. „Wieso, was ist, kannst du sie nicht erreichen?“. “Sie geht nicht an ihr Handy!“, informierte ihn Lisbon. Er atmete etwas hektisch ein. „Ich fahre auf dem Weg ins Büro bei ihr vorbei, und schaue, ob alles okay ist – ich bringe sie dann mit!“. Mit diesen Worten legte er auf.
 

Weiche Lippen berührten ihren Nacken, nachdem sie die Bluse über die Schultern geworfen und angefangen hatte, diese zuzuknöpfen. Sie war überrascht und sah mit einem fragenden Blick zu Patrick, als sie sich umdrehte. Er sah sie verwundert an. „Was?“, fragte er, „darf ich dich jetzt nicht mehr küssen?“. Als Antwort drückte sie ihm die Lippen auf den Mund und küsste ihn liebevoll. „Doch hier darfst du das alles, nur eben halt im Büro nicht“, erinnerte sie ihn. „Weiß schon, Verbot und so!“, lachte er.
 

Dies war die erste direkte Aktion seinerseits gewesen, ohne dass sie es im Vornherein darauf angelegt hätte. In ihr breitete sich Wärme aus, und sie fühlte sich wohl. Jetzt hätte die Suspendierung doch länger dauern können, so dachte sie als sie gemeinsam das Haus am Meer verließen und zu Janes Auto gingen. Sie fragte sich, wann sie das nächste Mal hierher kommen würde und sah auf das Haus zurück.
 

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Rasend schnell zog er sich nun, nachdem er Lisbon‘s Anruf bekommen hatte an. Sie sollten schnell im Büro sein, doch er fragte sich, wie Jane das machen sollte. Wobei – der dunkelhaarige Agent kannte die Fahrweise des CBI- Beraters. Und demnach zu schließen, würde der Blonde es sicherlich rechtzeitig schaffen.
 

Wayne ging nach draußen, sah auf seine Uhr und stieg in den Wagen. Er hatte keine Ahnung, was in diese frühen Morgenstunden so wichtig war, dass man sie aus der Suspendierung holte, denn es war gerade mal vier Uhr in der Früh. Viel geschlafen hatte der Agent nicht, denn seine Gedanken an den gestrigen Abend wollten nicht versiegen, und so hatte er ständig über sich und Grace nachgedacht. Sollte er vielleicht wirklich die Einheit wechseln? So konnte es doch wirklich nicht mehr weitergehen! Er fuhr los, und rief vom Auto aus selbst noch einige Male bei Grace an. Doch sie ging nicht ran, und es war beinahe so, als ob das Gerät überhaupt nicht eingeschaltet wäre. Das war nun wirklich nicht ihre Art, und er machte sich erneut Sorgen. Sie war ja schließlich nicht wieder in Spanien – wo konnte sie sonst sein?
 

Er gab Gas und stand nach einigen Minuten vor ihrer Haustür, wo er den Motor stoppte und zur Tür ging. Im Haus brannte kein Licht, was um diese Uhrzeit nur wenig verwunderlich war. Nochmal versuchte er es auf ihrem Handy, doch im Haus und am anderen Ende der Leitung blieb alles still. Er klingelte Sturm an der Tür, doch im Haus hörte er nichts. Er konnte ja nicht ahnen, dass seine Ex-Freundin diese am Abend zu vor, beziehungsweise kurz bevor sie ins Bett gegangen war, abgeschaltet hatte, damit nicht der Postbote, oder irgendwelche vermaledeiten Vertreter sie aus dem Schlaf klingeln würden. Nervös umstrich er das Haus, auf der Suche nach einem geöffneten Fenster, oder auch nur dem kleinsten Anzeichen darauf, dass Grace gestern zu Hause angekommen war.
 

Schließlich sah er durch den Briefschlitz, musste jedoch bedauerlicher Weise feststellen, dass das nicht viel brachte. Auf diese Weise konnte er nicht erkennen, ob die Post vom Fussboden aufgehoben worden war, oder nicht. Beinahe wollte er sich schonwieder zurückziehen, als sein Blick auf die kleine Handtasche fiel, welche Grace am gestrigen Abend bei sich gehabt hatte – sie war also irgendwann gestern hier angekommen, und unter Umständen auch noch immer hier. Aber warum reagierte sie nicht? Hatte sie vielleicht Probleme mit ihrem Kreislauf gehabt und war zusammengebrochen? In Waynes Kopf spielten sich die verrücktesten Szenarien ab, und er musste sich bemühe ruhig Blut zu bewahren.
 

Als er erneut sein Handy aus der Tasche zog, stießen seine Finger gegen ein Ledernes Etui und er lächelte unwillkürlich. Das war die Lösung! Oder nein, besser doch nicht, Grace würde ausflippen! Trotz dieses warnenden Gedankens zog er das Mäppchen hervor und öffnete es. In der schwachen Straßenbeleuchtung funkelte etwas Silbernes auf, als er zwei längliche Werkzeuge herausnahm. Mit den Dietrichen in der Hand, ging er vor der Haustür in die Hocke und fing an, an dem Schloss herumzufuhrwerken. Dieses gab schließlich klickend nach und im selben Moment schoss ihm durch den Kopf, dass Grace, als eine äußerst vorsichtige Person sich vor einigen Wochen eine Sicherheitskette an der Tür hatte anbringen lassen.
 

Also öffnete er die Tür nur einen Spalt breit und sah nach, ob die Kette hing. Er wollte schließlich nicht, dass der Alarm losging. Er wusste noch, dass er Grace beinahe ausgelacht hatte, weil das System leicht zu knacken war – und das war nun seine Rettung, denn er konnte mit einem Kreuzdreher die Schrauben lösen, und so die Hauptsicherung abdrehen. Als er das geschafft hatte, betrat er das Haus. Hoffentlich würde Grace nicht ausrasten, wenn er gleich in ihrem Schlafzimmer stand.
 

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Auch Cho hatte seinen Nachtschlaf unterbrechen, sich von seiner Verlobten verabschieden und zur Arbeit fahren müssen. Es war schade, denn der Anruf hatte eine sehr schöne Nacht mit Kathi zerstört und er hatte auf asiatisch vor sich hin geflucht als er ins Auto gestiegen war. Nun fuhr er den Highway entlang und trank einen Kaffee to go. Eigentlich mochte das der junge Asiate überhaupt nicht – aber anders wäre er nun sicherlich nicht fahrtüchtig gewesen.
 

Er wählte über die Freisprechanlage Waynes Nummer und rief diesen an. “Bist du schon im Büro?“, fragte er als sein bester Freund an den Apparat ging. „Nein, ich bin grade in einer dummen Situation und melde mich später bei dir!“, gab dieser nur zurück und legte auf.
 

Cho runzelte etwas die Stirn und fragte sich, was Wayne mit einer dummen Situation wohl meinte, aber ihm kam kein Einfall, weshalb er das Radio einschaltete und, lauter als es eigentlich für ihn üblich war, Musik hörte.
 

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Der braunhaarige CBI-Agent war beinahe an die Decke gegangen, als das Handy in seiner Hosentasche leise anfing zu klingeln. Beinahe erwartete er, dass es Grace war, doch der Klingelton war der Falsche. Schnell beendete er das Gespräch mit Cho, denn es war nun wirklich nicht nötig, dass Grace ihn in dieser Situation fand.
 

Auf Zehenspitzen schlich er in das Schlafzimmer der Rothaarigen und seufzte erleichtert auf, als er sie im Bett liegen sah. Ihr langes Haar war wie so oft nachts wild um ihren Kopf geschlungen. Scheinbar hatte sie unruhig geschlafen, da das gesamte Bett zerwühlt war.
 

Nur, wie sollte er sie nun wecken? Ohne sie zu erschrecken? Er entdeckte ihr Handy auf dem Nachttisch. Wieso hatte sie es also nicht gehört? Sie drehte sich zu ihm um, er erschrak heftig und wich an die Wand zurück, doch dann sah er, dass sie noch immer ruhig atmete und ihre Augen geschlossen hatte.
 

Er stieß einen leisen Fluch aus, und ging einen Schritt auf Grace Bett zu, kniete sich daneben auf den Boden und tippte seiner Kollegin auf das Handgelenk. Diese reagierte jedoch nicht, weshalb er anfing zu flüstern. „Grace“, sagte er leise und tippte weiter gegen ihr Handgelenk. Keine Reaktion von ihr. „Grace“, sagte er nun etwas lauter und fasste sie an der Schulter. Dass sie auch hierauf nicht reagierte, machte ihn nachdenklich, denn eigentlich hatte sie keinen sonderlich tiefen Schlaf. Hatte sie etwas genommen? Schlaftabletten? Nichts deutete darauf hin.
 

Zögernd fasste er sie bei den Schulter und schüttelte sie leicht, während er wieder ihren Namen sprach und langsam kam Leben in den Körper der im Bett Liegenden. Langsam öffnete sie die Augen, blickte im ersten Moment natürlich gar nicht, was war, schrak dann jedoch ganz auf und schrie.
 

„Grace, beruhig dich, es bin nur ich!“, meinte er hastig, trat vom Bett zurück und in den Schein der Straßenlaterne. „Also, beruhig dich, bitte!“, sagte er erneut und sie knipste das Nachttischlämpchen an. „Wayne?“ flüsterte sie und starrte ihn an. „Was machst du hier?“, antwortete sie schon wesentlich wacher und schüttelte empört den Kopf.
 

„Sei mir nicht böse Grace, ich hatte keine andere Wahl!“, versuchte er sich zu erklären, doch da war sie schon aufgesprungen. „Bist du eingebrochen?!?“, schrie sie ihn unvermittelt an, sodass er stotternd antwortete. „J-j-a!“. Er zog etwas die Schultern hoch. „Und warum bitte?“, wollte sie wissen und versuchte sich zurückzuhalten. Erstens störte sie, dass er einfach ins Haus eingedrungen war, und der andere Punkt war, sie im Schlaf so zu erschrecken – und das in ihrem eigenen Haus!
 

Er räusperte sich. „Wir konnten dich auf deinem Handy nicht erreichen, es ist ausgeschalten!“, grummelte er. „Red keinen Stuss Wayne, mein Handy ist immer an!“, meinte sie und griff nach dem Gerät auf dem Nachttisch, welches zu ihrer Verwunderung wirklich aus war. Sie schaltete es an, jedoch leuchtete nur ein Zeichen auf, dass der Akku sehr schwach war. „Scheiße!“, murmelte sie. „Was ist los?“, wollte er wissen trat einen winzigen Schritt auf sie zu, nur aus Sorge. „Mein Akku ist leer. Und ob du es glauben willst, oder nicht. Mein Ladegerät ist das einzige wichtige Ding, was in meinem Rucksack steckte. Heißt, ich kann es nicht aufladen“. Sie fuhr sich genervt durchs Haar, als ihr etwas einfiel. „Du sagtest, ihr konntet mich nicht erreichen. Wer denn, und warum?“.
 

Er sah ihr dabei zu, wie sie zu einem alten Lehnsessel ging, welchen sie meistens als Kleiderablage nutzte, und sie dort ihre Jeans anzog. Dann ging sie zum Schrank und holte eine frische Bluse heraus. „Also, Wayne, wieso bist du hier? Wieso Anrufe?“, fragte sie und zog ihr Schlafanzugoberteil hinter einem Paravent aus, ihren BH an und die Bluse darüber. „Cho hat mich angerufen, nachdem Lisbon ihm telefonisch mitgeteilt hat, dass Hightower uns früher aus der Suspendierung holt – aus welchen Gründen auch immer. Teresa hat versucht dich anzurufen, aber du bist nicht an dein Telefon gegangen. Sie hat sich Gedanken gemacht und mich darum gebeten kurz hier vorbei zu fahren. Und… naja, da du auf mein Rufen nicht reagiert, die Klingel ausgeschalten und kein funktionierendes Handy hast, musste ich deine Tür leider mit einem Dietrich öffnen und die Türkette abmontieren“, erklärte er. „Es ist übrigens wirklich sehr leicht, diese weg zu bekommen!“.
 

Mit einem Ausdruck von Überraschung im Gesicht kam sie hinter der Stellwand hervor. „Wieso hast du nicht einfach ein Fenster eingeschlagen, oder die Tür eingerannt?“, fragte sie etwas irritiert und ging ins Badezimmer, wo sie sich die Zähne putze. „Ich wollte dich nicht erschrecken“, erklärte Wayne etwas verlegen und sah sie im Spiegel an. „Deswegen war ich auch grade so leise, aber du hast mal richtig tief geschlafen – ansonsten hättest du mich vermutlich auch schon beim ‚Einbrechen‘ gehört“.
 

Sie spuckte die Zahnpasta aus, spülte ihren Mund und nickte ihm dann lächelnd zu. War das nun ein mitleidiges Lächeln, oder ein liebevolles Lächeln, so fragte er sich, während er Lisbons Kurzwahltaste eingab und ihr mitteilte, dass bei Grace alles in Ordnung war, und er sie mit ins Büro bringen würde.
 

Als er auflegte, war er verwirrt. „Was ist los?“, fragte Grace und sah ihn eindringlich an. „Du siehst so nachdenklich aus?“. Sie nahm ihre Handtasche und auch ihr Handy und steckte dieses aus purer Gewohnheit in ihre Hosentasche. Als sie die Treppe nach unten gingen, dachte er laut über etwas nach. Sie verstand den Zusammenhang allerdings nicht, weshalb sie erst ruhig zur Kaffeemaschine ging und diese anschaltete. Gott sei Dank, hatte sie diese am Abend zuvor noch gefüllt. Sie holte zwei Kaffeebecher aus dem Schrank und etwas Zucker. „ich habe leider keine Milch“, erklärte sie. Eigentlich war das ja nur zu klar, da sie erst am gestrigen Abend zurückgekehrt und deshalb noch nicht einkaufen gewesen war. „Kein Problem“, gab er zurück und lächelte als sie ihm schließlich den Kaffee zuschob und einen Teller mit Keksen, von denen sie wusste, dass er sie total liebte.
 

„Hast du gut geschlafen?“, kam es von ihr und er nickte. „Du auch?“, fragte er zurück und aß einen Keks ehe er an seinem etwas zu starken Kaffee nippte. „Ich habe erst vor drei Tagen wieder Kaffee getrunken!“, lachte die Rothaarige und er sah ihn verdutzt an. „Auf der Pilgerreise gab es nur Tee – geht auch, aber manchmal hat man das Gefühl nicht richtig wach zu sein“, gab sie lachend zu.
 

Heute Morgen sah sie schon viel besser aus, als gestern Abend so dachte er.

„Okay, lass uns lieber los gehen, damit wir Hightower nicht gleich am ersten Tag wieder verärgern!“, grinste Wayne schließlich mit einem Blick auf seine Uhr, nachdem Grace sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank geholt hatte.
 

Sie fuhren zusammen in Waynes Captiva zum Hauptquartier des California Bureau of Investigation , parkten dort auf dem Parkplatz und betraten das Gebäude. Sie holten sich einen vorläufigen Besucherausweis und kamen schließlich in ihrem alten Büro an. Verlegen lächelte Grace ihrem Ex-Freund zu, ging zu ihrem Schreibtisch und fuhr ihren PC hoch. Wie hatte sie das vermisst! Ihren Arbeitsplatz!
 

Als sie gerade ihren Schreibtisch wieder mit ihren Arbeitsutensilien belud und wie immer dabei überaus ordentlich war, legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie sah auf, erkannte Cho und grinste. „Wow, du bist ja richtig braun geworden!“, lachte sie und umarmte ihn herzlich. Er drückte sie kurz an sich und musterte sie dann etwas. „Du bist etwas brauner und etwas dünner geworden!“, gab er zurück und Grace war sich in diesem Moment nicht sicher, ob seine Anmerkung zu ihrer Figur nun positiv oder negativ war. Sie hatte allerdings nicht die Gelegenheit danach zu fragen, denn Rigsby kam mit einer Tasse Tee zurück und so begrüßten sich die beiden ‚Brüder‘ ausgiebig.
 

Nach einigen Minuten trafen schließlich auch Lisbon und Jane ein, beide gemeinsam und Grace fragte sich plötzlich, wie das zu Stande kam. Sie hatte angenommen, dass ihre beste Freundin bereits oben bei ihrer obersten Chefin war und mit dieser den neuesten Fall besprach, doch hier kam sie zusammen mit Patrick angelaufen.
 

Grace und Lisbon umarmten sich liebevoll, hatten sie sich doch eine ganze Weile nicht gesehen. Sie sprachen nicht, das würden sie sich für später aufbewahren. Ohnehin hatte Teresa einige ungemütlich Fragen für Grace, und das konnte in Kürze nun doch nicht geregelt werden, außerdem drängte Patrick auch darauf, Grace kurz zu begrüßen. Als er sie fragend anblickte, kniff sie die Augen zusammen. „Halt jetzt bloß deinen Mund!“, sagte sie impulsiv, obwohl sie gar nicht wusste, was er dachte. Leicht beleidigt löste er sich von ihr und ging zu seinem Arbeitstisch, wo auch sein Sofa stand, auf welches er sich sofort legte. „Ohoh, Denker am Arbeiten!“, scherzte Rigsby, riss sich allerdings sofort zusammen als alle im Team das sehr vertraute dumpfe Geräusch der metallenen Wendeltreppe vernahmen, welches von der oberen Etage des Büros nach unten führte.
 

Agent Hightower trug einen Karton mit sich, welchen sie auf den großen Versammlungstisch des Büros stellte. „Guten Morgen!“, begrüßte sie alle wie immer recht steif, lüftete dann den Deckel und förderte 4 große braune Versandtaschen, so wie einen kleinen Briefumschlag zu Tage, auf welchem jeweils ein Name des Teams stand. Alle wussten, dass sich in diesen Umschlägen ihre CBI-Identität verbarg. In Jane’s Fall war es nur die Karte, welche ihn als Berater des CBI auswies, doch bei den anderen befand sich in dem Umschlag ebenso die Dienstwaffe.
 

Ein Seufzen ging durch die Runde als alle Agenten wieder mit ihren Ausrüstungen bestückt waren, und Lisbon lächelte alle aufmunternd an.

„Genug der Familienvereinigung!“, unterbrach Agent Madeleine Hightower die Situation. „Ich habe sie aus gutem Grund früher wieder hierher bestellt!“. Sie zog einen weiteren Gegenstand aus der Kiste. Es war eine Fallakte, welche sie auf den Tisch legte.
 

Auf dem Deckel des braunen Papiers war das Emblem des Büros zu sehen, und das Formblatt sagte aus, dass es sich um den Fall Cordelia Creed handelte.

„Creed… Creed“, dachte Wayne laut, als Grace ihn unterbrach. „Sie ist die Tochter dieses Gouverneur-Anwärters“, meinte sie sachlich. „Hier steht, dass sie entführt wurde“. Die Rothaarige Agentin blätterte die Akte schnell durch, machte sich einige Notizen und gab sie dann an ihre Kollegen weiter. Als alle einen Blick in den Fall geworfen hatten, sah Lisbon verwirrt auf. „Und warum werden wir da nun eingeschaltet?“. Hightower zuckte die Schultern. „Scheinbar ist der Vater mit der Leistung der Polizei und des FBI nicht zufrieden!“, erklärte sie. „Außerdem ist es ohnehin unser Zuständigkeitsbereich. Alleine vom geografischen Sinne her“. Das war logisch!
 

„Es wurde bisher keine Lösegeldforderung gestellt?“, wollte Cho wissen und blätterte erneut in den Unterlagen. „Das Kind ist seit drei Tagen vermisst und von den Kidnappern hat man bisher nichts gehört? Das ist aber sehr unüblich bei Kindesentführung!“.
 

„Genau das ist vermutlich der Grund, wieso uns der Fall überhaupt übergeben wurde. Es sind einige Dinge, die nicht klar sind. Außerdem weiß man nicht, ob durch diesen Fall eventuell in die Staatssicherheit eingegriffen wird, da es unter Umständen um eine politisch motivierte Handlung ist. Fakt ist, dass das Kind schon länger verschwunden und keine Lösegeldforderung oder ähnliches gestellt worden ist. Wir müssen also graben, nach Motiven – welche es vermutlich zuhauf gibt, nach möglichen Tätern, Verbindungen, und so weiter. Ihr wisst ja, was ihr zu tun habt“.
 

Sie stand von ihrem Stuhl auf, verließ das Büro und war nach einigen Augenblicken Geklappers ihrer Schuhe, scheinbar in ihrem Zimmer verschwunden, weshalb sich die Anspannung nun etwas löste. „Na super. Wenn die lokale Polizei es schon einige Zeit versaut hat, dürfen wir den Fall übernehmen. Wenn dem Kind was passiert ist, sind wir schuld“, grummelte Wayne und Grace grinste ihn an. „Und ich dachte, du hättest dich gebessert!“. Er wollte etwas darauf erwidern, doch Lisbon hielt ihn mit einem Handzeichen zurück und fing an zu sprechen.
 

„Wir checken noch einmal alle Informationen die in diese Fallakte zu finden sind! Für die Datensachen bist wie immer du zuständig, Grace!“. Die Rothaarige nickte und schrieb sich schnell einige Informationen auf, die sie überprüfen wollte. „Wayne und Cho, ihr kümmert euch um die Forensik, versucht alles herauszufinden und schaut euch notfalls den Tatort noch einmal an“. Auch diese Einteilung wurde mit einem Kopfnicken der beiden Männer bedacht und schließlich blieben nur noch Lisbon und Jane übrig. „Falls du nicht gleich wieder schlafen willst Patrick, würde ich dich bitten deinen Hintern von der Couch hochzubekommen und mit mir noch einmal zur Familie des Mädchens zu fahren. Ich bin mir sicher, dass Her Gouverneur alles in die Wege leiten wird um sein süßes Töchterlein zurückzubekommen!“.
 

Patrick stand auf, streckte sich in seiner unnachahmlichen Art, strich dann sein Jackett glatt und zeigte ihr, dass sie gehen konnte. Als sie am Aufzug waren, sah er sie an. „Mein Wagen, oder der CBI-Wagen?“, fragte er und sie grinste, während sie in ihrer Hosentasche nach etwas fischte. Sie zog einen schwarzen Schlüsselbund hervor. „Ist das Antwort genug?“, grinste sie und die beiden betraten den Fahrstuhl. Als die Türen sich geschlossen hatten, sah sie ihn an. „Was denkst du wegen Rigs und van Pelt?“, wollte sie von ihm wissen, doch er schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, die beiden versuche wirklich das Geschehene hinter sich zu lassen. Ich kann nur hoffen, dass es nicht irgendwann ein furchtbares Donnerwetter deswegen gibt“.
 

„Du erwartest eine Komplikation deswegen?“, versuchte sie in Erfahrung zu bekommen und er nickte. „Grace ist auf jeden Fall emotional noch nicht darüber hinweg, und auch Rigs… nein, er ist noch nicht wieder hergestellt“. Sie seufzte ehe sie sprach. „Am liebsten wäre es mir ja, wenn ich den beiden sagen könnte, sie sollten auf die Regeln scheißen!“, fluchte sie. „Ich meine, ich weiß auch nicht, wie ich das zwischen uns beiden grade vertreten soll. Okay, es weiß niemand, das ist schon mal ein Unterschied, und auch, dass wir uns in der Öffentlichkeit zurückhalten können… Aber trotzdem, wir sind trotz alle dem auch in einem Team, in einer Einheit. Und eigentlich ist es nichts anderes!“.
 

„Da muss ich dir aber widersprechen meine Liebe!“, konterte er und strich schnell eine Strähne aus ihrem Gesicht, ehe sich die Tür öffnete und sie ausstiegen. Erst im Auto sprach er weiter. „Ich meine, du bist der Chef, ich bin nur ein Berater. Heißt, in den heißen Situationen, weshalb Rigs und Grace nicht zusammen sein sollen, weil sie scheinbar nicht rational handeln können, wenn ein anderer in Gefahr ist – in diese Situation kommen wir nicht zu sehr. Denn ich bin NIE bewaffnet“. Damit hatte Jane zwar recht, doch es ändert nichts, und das machte ihm Teresa auch klar als sie vom Parkplatz des Büros rollten. „Okay, konzentrieren wir uns auf den Fall. Du hast die Akte gesehen!“, meinte sie. „Schon irgendwelche Vermutungen?“. Er schnalzte etwas mit der Zunge. „Ts,ts,ts“, machte er und sah sie von der Seite her an. „Langsam solltest du mich aber besser kennen. Papier ist geduldig. Aus ihm kann ich nicht lesen. Ich brauche einen Mensch mir gegenüber, der mir seine Fehler aufzeigt, der mir Gefühle offenbart, und mir seine Abgründe vorweist. Wenn auch manchmal sehr unfreiwillig. Aber so ist das eben. Nur weil ich eine Fallakte gelesen habe, heißt es nicht, dass ich den Fall lösen kann, denn das meiste lerne ich von den Verdächtigen selbst“.
 

„Du hast ja recht!“, gab sie entschuldigend zurück. „Aber naja… Hightower muss ziemlich Druck bekommen haben, damit sie uns verfrüht zurückholt. Sie hat mir gegenüber am Telefon auch erwähnt, dass sie es bedauern würde. Kandidiert dieser Creed eigentlich zum ersten Mal für den Posten des Gouverneurs, oder war das schon öfters der Fall?“. „Woher soll ich das wissen?“, erwiderte Patrick und sah aus dem Fenster. „Politiker sind so unehrliche Wesen, dass es mir nicht gut tut in ihrer Umgebung zu verweilen. Zu viel negative Energie!“.
 

Kopfschüttelnd fuhr Lisbon weiter, während sie das Navigationssystem zu dem Haus der geschädigten Familie leitete.
 

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Grace hatte sich sofort hinter die Tastatur geklemmt und angefangen im Dunkeln nach etwas Licht zu forschen. Sie ging noch einmal alle Informationen durch, welche die Polizei bereits gecheckt hatte, fand aber nichts Neues. Dann griff sie nach der DVD die in der Akte gelegen war, schob diese in das Laufwerk des Computers und wartete darauf, dass sie die Dateien zu Gesicht bekam.
 

Sie öffnete den Ordner und fand eine Reihe von Überwachungsvideos. Sie stutzte und dachte kurz nach. Hatte sie beim Lesen der Akte etwas übersehen, oder war darin nichts von der Überprüfung der Videos gestanden?
 

Schulterzuckend öffnete sie die erste Datei und ließ das Gespeicherte ablaufen. Offenbar handelte es sich bei den Aufzeichnungen um die Überwachung des Grundstücks der Creeds und Grace schaltete auf schnellere Abspielung, denn sie hatte nun keinen Nerv sich das im Langsamen anzuschauen.
 

Ihr fiel auf, dass ein Wagen lange vor dem Haus der Creeds parkte und schließlich beinahe ohne Pause von einem anderen abgelöst wurde, weshalb sie stutze. Was war das? Hatte jemand einfach so das Haus der Familie beobachtet? Mit der Zoomfunktion vergrößerte sie die Nummernschilder der Autos, schrieb die Kennzeichen auf und gab diese in den Computer ein.
 

Beide Wagen waren auf Privatmänner gemeldet und sie suchte in der Datenbank nach ihnen. „Heureka!“, murmelte sie als der PC die Ergebnisse ausspuckte und sie schnell die Nummer von Lisbon eingab.
 

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Teresa Lisbon und Patrick Jane waren gerade ausgestiegen, als das Handy der Chefin klingelte. „Ja, van Pelt?“, fragte sie in den Apparat und hörte ihrer Kollegin zu. „Fragt die Eltern von Cordelia mal, ob ihnen die Namen John Taylor und Yusuf Özelic etwas sagen!“, meinte Grace. „Laut Überwachungskamera haben diese beiden Herren am Tag der Entführung nämlich Stunden lang das Gebäude observiert! Scheinbar hat die Polizei vergessen sich die Überwachungsvideos anzusehen – ich werde mich also dahinterklemmen, vielleicht liefern sie noch mehr Hinweise, oder sogar den Täter!“. Als sie aufgelegt hatte, läutete Patrick an dem großen schmiedeeisernen Tor und nachdem sie ihre Ausweise vor die Kamera gehalten hatte, wurde ihnen der Zutritt gewährt.
 

Sie liefen eine lange Einfahrt entlang und Patrick grunzte etwas vor sich hin. „Du benimmst dich bitte“, meinte Lisbon ehe sie von einem Bediensteten des Hauses eingelassen und in das großräumige Wohnzimmer gebracht wurden. „Ich kann es nicht brauchen, wenn Leute so viel Geld haben und nicht auf die Gedanken kommen auch nur ein Zehntel davon abzugeben!“, grummelte Jane flüsternd, hielt dann allerdings erst einmal seinen Mund, als das Ehepaar Creed eintrat.
 

Teresa stellte sich und Jane kurz vor, erklärte dem Ehepaar, dass es ihnen zugetragen wurde, denn Fall zu übernehmen, und dass es ihr leid täte, sie allerdings nochmal Fragen stellen musste. „Wir wissen, dass sie bereits den Kollegen bei der Polizei sehr viele Fragen beantwortet haben, aber selbst wenn ich jetzt Fragen wiederhole, bitte ich Sie, diese nochmals zu beantworten“.
 

Jane beobachtete indessen die beiden Erwachsenen, die auf dem Sofa gegenüber saßen. Beide schienen sehr gefasst, und er fragte sich, woran das lag. Zumindest bei Mrs. Creed konnte er den Grund dafür sehen, denn ihre Augen hatten einen starren Ausdruck. Offensichtlich stand sie unter Beruhigungsmitteln, weshalb vermutlich auch ihr Mann die meisten von Lisbons Fragen beantwortete.
 

„Sie werden unsere kleine Tochter finden?“, weinte Mrs. Creed dann jedoch plötzlich und schien alle Fassung verloren zu haben. Lisbon sah die Frau mit großem Mitleid an, und als Mr. Creed seine Frau in den Arm nehmen wollte, entfernte diese sich von ihm. „Wir tun natürlich unser bestmöglichstes!“, antwortete die Agentin und fragte sich, was sie der verstörten Frau sagen sollte.
 

Patrick beobachtete die Situation noch einige Augenblicke, ehe er sprach. „Viel schneller würde es allerdings gehen, wenn Sie uns einfach sagen würden, wo sich ihre Tochter befindet, Mr. Creed!“, sagte er und sah den Mann ihm gegenüber unverwandt an. „Was?“, fragte dieser irritiert und funkelte Patrick an. „Ach kommen Sie schon!“, meint der Berater und schüttelte abgeneigt den Kopf, „Wenigstens Ihrer Frau hätten Sie den Gefallen tun können und ihr sagen, dass Ihre Tochter in Sicherheit ist, denn so ist es doch, oder?“.

Das Mienenspiel des Politikers veränderte sich mit einem Mal und er stand auf. „Ich glaube, wir haben genug gesprochen!“, sagte er scharf und auch Lisbon erhob sich. „Es tut mir leid, aber das haben nicht Sie zu entscheiden! Patrick, wir treffen uns draußen!“. Der Blonde hatte den Wink verstanden und verließ mit langsamen Schritten das Haus, während er sich alles genau ansah. Irgendwas störte ihn daran, wie sich Creed verhalten hatte, doch er wusste nicht genau was. Die Ruhe, welche er ausgestrahlt hatte, hatte garantiert nichts mit guten Nerven zu tun, oder dem Gottvertrauen, dass seinem Töchterchen nichts geschehen war.
 

„Sagen ihnen die Namen John Taylor und Yusuf Özelic etwas?“, fragte Lisbon nun das Ehepaar. Sie hatte sich wieder gesetzt und sah die beiden mit ernstem Blick an. Kurzes Schweigen, was sie als Überlegen deutete und schließlich ein Kopfschütteln von beiden. „Wieso, was haben diese beiden denn damit zu tun?“, fragte der Politiker und sah sie an. „Das wissen wir nicht, aber meine Kollegin hat herausgefunden, dass beide wohl über einen längeren Zeitraum ihr Haus beobachtet haben“.

Stille!

„Das war vorerst alles“, sagte die dunkelhaarige Agentin, erhob und verabschiedete sich von den Eheleuten, ehe sie nach draußen zu ihrem Wagen ging, an welchen gelehnt Jane stand.

„Bist du noch ganz bei Trost?“, fragte sie leicht angriffslustig und sah ihn an. „Ich habe doch gesagt, du sollst dich zusammenreißen!“. Er hob die Augenbrauen. „Ich habe nur gesagt, was Wahrheit ist!“, erklärte der Blonde und setzte sich auf den Beifahrersitz. „Creed weiß genau wo seine Tochter ist, vielleicht benutzt er diese Entführung als negative Publicity. Auf jeden Fall setzte er seine Frau lieber unter Drogen als ihr zu sagen, dass dem Kind nichts geschehen wird – und das nur aus Feigheit, dass sie ihn verraten könnte!“.

„Das mag ja sein, mein Lieber. Aber es geht nun einmal nicht, dass du hergehst und einfach irgendwelche Leute beschuldigst, ohne dass wir auch nur den geringsten Anhaltspunkt haben!“, erwiderte sie und startete den Motor. „Übrigens kennen die beiden die Personen nicht, nach denen mich Grace fragen ließ“, verkündete sie ihm.
 

„Ganz ehrlich? Es hätte mich gewundert, wenn sie diese beiden gekannt hätten!“, gab er zurück und blickte sie von der Seite her an. „Mr. Creed war wegen irgendwas unehrlich zu uns – ich weiß nicht wieso!“. Er dachte nach, und der einzige Grund dafür war eben, dass dieser genau wusste, was mit seiner Tochter geschehen war.
 

„Du kannst ihn trotzdem nicht einfach so angehen!“, meinte sie und wählte über die Freisprecheinrichtung die Nummer von Grace’s Bürotelefon. Diese war beinahe augenblicklich am Apparat. „Ja?“, fragte sie und lauschte Lisbons Worten. „War Jane dabei, als du sie fragtest?“, wollte sie wissen doch ihre Chefin verneinte. „Das hättest du allerdings mal tun sollen!“, gab die Rothaarige zurück. „Ich habe die Namen auch an Wayne und Kimball weitergegeben. Sie werden schauen, ob in der Forensik etwas auf diese beiden hinweist. Übrigens werden auch sie nochmal das Haus der Familie durchsuchen!“. Lisbon nickte, antwortete allerdings laut. „Wir sind schon auf dem Weg zurück ins Büro. Die beiden werden mich hier also nicht antreffen“. Sie legte schließlich auf, und fuhr konzentriert weiter. Janes Schweigen vom Beifahrersitz war ihr etwas ungeheuer und sie schielte zu ihm.
 

„Was?“, fragte sie und es war alles um ihm zu signalisieren, dass sie ein offenes Ohr für ihn hatte.

„Ich bin mir einfach nicht sicher, wie ich mit diesem… diesem Menschen umgehen soll“, gab er zurück und sah auf seine Hände. „Er verheimlicht uns irgendwas, und ich hoffe doch sehr, dass Wayne und Cho herausfinden, was es ist“. Sie gab ein Geräusch von sich, was eventuell Zustimmung signalisiert und er blickte sie an.
 

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Wayne und Cho waren gerade auf dem Weg zu den Creeds als Grace auf Waynes Handy anrief und ihm sagte, sie sollten die Familie erneut nach den beiden unbekannten Männern fragen und dann genau auf die Reaktion des Ehepaares achten. Sie betonte, dass dies wichtig sei und er versprach ihr daran zu denken.
 

Gerne hätte er etwas privater mit ihr geredet, doch obwohl Cho ihm viel bedeutete, konnte er das diesem gegenüber einfach nicht tun, denn schließlich war es verboten – so wie sie es am Abend zu betont hatte!

Als sie auf das Grundstück der Creeds fuhren, kam ihnen Lisbons Wagen entgegen.

Der größere der beiden Agenten zog sein Handy aus der Tasche und überlegte kurz, ob er seine Chefin nach den Ergebnissen fragen sollte, doch dann überlegte er es sich anders.
 

„Wie war eigentlich dein Abend mit Grace?“, versuchte Cho nebenbei herauszufinden und Wayne stöhnte auf.

„Ich glaube, dass das gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist, um darüber zu reden“, gab er schließlich zurück.

„Also war es nicht gut“, schlussfolgerte der Asiate und blickte seitlich zu seinem Freund. Er konnte nicht anders, wollte einfach wissen, was zwischen den beiden nun abgelaufen, beziehungsweise was geredet worden war.

Wayne wusste, dass er Cho früher oder später erzählen würde, was gewesen war – also warum nicht gleich mit der Erklärung beginnen?
 

„Wir hatten eine Auseinandersetzung!“, gestand der Braunhaarige schließlich und starrte aus dem Wagen. „Ich fragte sie, wie es mit uns weitergehen soll, und naja… sie ist ziemlich ausgetickt!“.

„Das tut mir leid“, meinte Cho in seinem üblichen Tonfall und wer ihn nicht kannte, würde wohl denken, dass es ironisch gemeint war, doch Cho meinte es durchaus ernst. „Und hat sie dir gesagt, wo sie war?“, lautete die nächste Frage des Asiaten, woraufhin Wayne zu erzählen begann.

„Du weißt, dass sie nicht wegen dir gegangen ist!“, versuche Cho seinem Freund nochmal zu erklären, als sie aus dem Auto aussteigen und zum Haus gingen.
 

Nach kurzem Klingeln wurde ihnen die Tür geöffnet und sie zeigten ihre Marken, woraufhin sie kurze Zeit später ins Haus gelassen wurden.

Wie zuvor ihre Kollegen wurden die beiden Agenten in das Wohnzimmer gebracht, und warteten kurz bis der Herr des Hauses zu ihnen kam. „Meine Frau hat sich etwas hingelegt“; meinte er entschuldigend und sah die beiden Männer an. „Das verstehen wir“, gab Cho zurück. „Wir wollten Sie auch nur darum bitten, dass wir uns noch einmal das Haus und die Umgebung ansehen dürfen, vor allem aber das Zimmer der kleinen Cordelia. Wir haben den Fall übertragen bekommen, und müssen aber alles selbst noch einmal sehen“.
 

Der Politiker nickte und führte sie die Treppen nach oben zum Zimmer seiner kleinen Tochter. „Sie müssen nicht mit nach drinnen kommen, wenn Sie nicht können“, gestand Wayne ihm zu und ein scheinbar dankbares Nicken kam von dem Mann. „Achso, kennen sie zwei Herren? Sie heißen John Taylor und Yusuf Özelic“, erfragte Wayne und sah dem Mann direkt ins Gesicht. Er war nicht Jane, und vielleicht entging ihm etwas, aber dieser Mann schien die beiden wirklich nicht zu kennen, denn er verzog nur verwirrt das Gesicht und antwortete dann. „Ihre Kollegen haben mich das doch auch schon gefragt, und meine Frau kennt auch niemanden mit diesem Namen“, meinte er niedergeschlagen und ließ den Kopf hängen. „Es war nur eine Frage, Mister“, erklärte Agent Rigsby, ehe er mit Kimball das Kinderzimmer betrat.

Erste Erfolge?

Mr. Creed hatte sich umgedreht und war die Treppe wieder nach unten gegangen, nachdem Cho und Rigsby die Türe des Mädchenzimmers hinter sich geschlossen hatten.

„Diese Farbe gehört sich verboten!“, grummelte der frisch Verlobte, als er etwas die Augen zusammenkniff. Alles, aber auch wirklich alles in diesem Zimmer schien irgendwo einen Hauch Pink zu haben, und wenn es nur der kleinste Farbklecks war.

„Beeilen wir uns lieber mit der Durchsuchung, sonst laufen wir ernsthaft Gefahr an Augenkrebs zu erkranken“, scherzte Rigsby und zog sich Handschuhe an.

„Die Polizei wird hier ohnehin schon die meisten Spuren zerstört haben“, fügte er hinzu und schüttelte wieder den Kopf darüber, dass ihnen erst nach Tagen der Fall zugetragen wurde. „Das soll verstehen wer will“, erwiderte Cho und sah unter das Bett.

Sie durchkämmten den Raum feinsäuberlich und schließlich öffnete Wayne eine Tür.

Er hatte gedacht, dass das Mädchen vielleicht ein eigenes Bad besaß, was er schon übertrieben gefunden hätte, doch was er nun erblickte, verstörte ihn beinahe. „Ich glaub es einfach nicht“, sagte er baff und knipste das Licht in dem begehbaren Kleiderschrank an.

„Schau dir das an!“, meinte er. „Wie alt ist das Kind? Sie hat einen Raum für ihre Klamotten!“. Cho kam zu ihm und sah in den Raum. „Klamotten, genau das, was wir brauchen!“, meinte er und lachte. Dann sah er sich schnell alles an. „Es fehlt nichts hier drin, also würde ich zumindest sagen, es hängt ja alles total voll“.

Beide Männer wussten aus der Akte, dass Cordelia gerade mal fünf Jahre alt war, und dieser Reichtum musste das Kind erschlagen, denn es war einfach zu viel.

„Ich kann sowas absolut nicht nachvollziehen!“, meinte Wayne stöhnend und verließ den Raum. Grace hatte, als erwachsene Frau, einen Kleiderschrank in den nicht einmal ein Viertel der Anziehsachen dieses Kindes gepasst hätte. „Wir müssen den Vater fragen, ob etwas fehlt, denn wir können das nicht feststellen!“, meinte er ehe er die Zimmertür öffnet.

Dann blickte er nochmal zurück in den Raum. „Wären wir gleich hier gewesen, wüssten wir jetzt, ob etwas fehlt oder nicht. Mittlerweile wurde hier sicherlich schon aufgeräumt“. Er hatte damit recht, denn das Zimmer war nicht versiegelt worden, und die Putzfrauen hatten alle Räume am gestrigen Tag gesäubert, wie Wayne und Cho nun erfuhren, da sie den Vater des Entführten Kindes darüber befragten.

Mit wenigen Ergebnissen und daher relativ schlecht gelaunt, verließen die beiden Agenten das Haus.

„Lass uns zurück ins Büro fahren, vielleicht hat Grace ja noch etwas Neues, oder aber auch die beiden anderen!“, schlug Wayne vor.

Im Auto fing Cho erneut mit dem Thema an, welches sie vorhin wegen der Ermittlung unterbrochen hatten. Er wiederholte seinen letzten Satz und blickte von der Seite zu seinem Mitfahrer. „Du weißt, dass sie nicht wegen dir gegangen ist!“.

Der große Agent seufzte und sah wieder zum Fenster hinaus. Wieso konnte Cho das Thema nicht ruhen lassen? Es reichte schon, dass es ohnehin vermutlich nicht lange dauern würde, bis Jane sich in die ganze Angelegenheit einmischte.

„Cho… sie hat mir auch gesagt, dass sie nicht wegen mir gegangen sei. Aber wieso denn sonst?“, er sah fragend zu seinem Kollegen. „Wieso denn sonst? Schließlich ist Sacramento eine halbwegs große Stadt in einem großen Bundesstaat einer noch größeren Nation. Aber nein, sie geht nach Spanien! Sie geht nach Europa. Wieso? Damit sie ein Meer von mir trennt?“. Er schüttelte etwas den Kopf. „Sie hat gesagt, dass sie gegangen ist, weil sie nachdenken musste – über UNS! Und dann ist sie letzten Endes doch wegen mir gegangen!“.

Die Schlussfolgerung war nicht ganz falsch, doch Wayne bezog die Sache zu sehr auf seinen eigenen Charakter und weniger auf Grace’s Gefühle für ihn, so wusste der Asiate, doch nun hielt er den Mund. Er wollte den anderen nicht zurechtweisen, und außerdem wusste er, dass das gar keinen Sinn gemacht hätte, denn Wayne konnte durchaus stur sein.

Im Büro angekommen, fanden sie nur Jane, jedoch weder Grace noch Teresa vor.

„Wo sind denn die zwei Grazien?“, fragte Kimball durchaus ernst und Patrick zeigte nur mit dem Finger in Richtung von Lisbon’s Büro.
 

*****
 

Lisbon saß an ihrem Schreibtisch und Grace ihr gegenüber. Die Distanz zwischen beiden Frauen bezog sich nicht nur aufs Räumliche, sondern auch auf ihre Umgangsweise.

Zwar hatten sie sich vorhin warm und herzlich begrüßt, doch davon war nun nichts mehr zu spüren.

„Wie konntest du mir das nur antun?“, fragte Teresa Grace zum ungefähr vierten Mal innerhalb der letzten Minuten. Die rothaarige Agentin sah auf. „Super, fängst du damit nun auch schon an? Das gleich durfte ich mir von Wayne anhören“, maulte sie und starrte Lisbon an.

„Wieso versteht ihr nicht, dass ich einfach raus musste? Ich kam einfach nicht mit dem Gedanken klar hier zwei, naja fast drei Monate unbeschäftigt rumzusitzen!“.

„Du tust ja gerade so, als ob du ein totaler Workaholic wärst, der ohne Arbeit nicht kann“, gab Lisbon etwas sarkastisch zurück.

„Jetzt hör aber auf“, wehrte Grace sich sofort. „Darum ging es nicht! Ich brauchte einfach Abstand um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, um einfach zu verstehen… und zu vergessen“.

„Ja, im vergessen bist du große Klasse“. Auf diesen Kommentar von Lisbon hin, stand Grace auf.

„Wenn du mir bloß Vorwürfe machst, dann müssen wir das Gespräch leider beenden, denn ich glaube wir haben grade wichtigeres zu tun, und können uns darüber auch später noch verworten!“.

Sie hatte bereits die Hand auf der Türklinke, als Lisbon sie zurückhielt. „Ich wollte dir ganz sicher keine Vorwürfe machen, Grace. Doch du bist wie eine Tochter für mich. Du bist meine beste Freundin – und ich dachte, dass es für dich genau so wäre“. Sie seufzte etwas und ihre Miene war ruhig und ernst. „Ich habe mir Sorgen gemacht, und mich gefragt, ob ich etwas hätte anders machen sollen! Und als du nicht auf meinen Anruf reagiert hast, dachte ich mir, dass du deine Ruhe willst. Doch irgendwann war ich so angespannt, dass ich nichts mehr genießen konnte. Und jetzt bist du wieder hier und… Und ich war einfach irgendwie plötzlich wütend!“. Lisbon hatte Grace in die Augen geblickt und senkte nun betreten den Kopf.

Nachdem ihre Chefin den Monolog geschlossen hatte, ließ Grace sich auf einen der Tornett-Stühle sinken und seufzte auf. „Natürlich ist es für mich auch so. Du bist die einzige weibliche Person der ich wirklich vertraue“, gab sie zu. „Aber verstehe doch bitte… ich hatte mein Handy nicht an, weil ich einfach… naja, ich war schonmal weg… und da dachte ich eben, dass es dumm wäre mich selbst damit zu belasten, dass ich euch hier zurückgelassen habe!“. Sie blickte auf. „Verstehst du was ich meine? Stell dir mal vor, was gewesen wäre wenn ich auf der Reise mein Handy angemacht hätte und eure Anrufe gehört – ich hätte sofort den nächsten Fliegern nehmen und zurückkommen wollen. Was aber sowieso nicht gegangen wäre, da ich irgendwo in der französischen, beziehungsweise spanischen Pampa umherlief und versuchte mich auf mein Leben, meinen Ex und vor allem auf die künftige Zusammenarbeit mit ihm zu konzentrieren, wo ich die Reise eigentlich machen wollte, um mich auf meinen Glauben zu besinnen“.

Nun standen der Rothaarigen beinahe Tränen in den Augen und sie war heftiger geworden, je länger sie gesprochen hatte. „Ihr denkt also, ich hatte einen wundervollen Urlaub? Dann denkt das weiter!“.

Ohne ein weiteres Wort ging sie nach draußen, lief mit gesenktem Kopf an den drei Männern vorbei und in Richtung der Damentoiletten, wo sie einige Minuten brauchte, ehe sie sich wieder gefasst hatte.
 

*****
 

Lisbon hatte ihr irritiert hinterher gesehen. Grace war noch immer völlig überspannt, doch war es die Schuld der Einheit, dass es der jüngsten Agentin so ging?

Sie durchschritt die Tür ihres Büros, langsam als Grace vor ihr und ging zu den Männern ihrer Truppe.

„Kann mir einer von euch sagen, wo zum Kuckuck sie die ganze Zeit gesteckt hat?“, wollte sie wissen. Cho der mittlerweile Bescheid wusste, sagte „Spanien“, und bestätigte somit Teresa ‚Verdacht‘, schließlich hatte Grace ihr schon oft genug davon vorgeschwärmt, dass sie diesen Jakobsweg einmal laufen wollte, hatte ihr alle Informationen gezeigt, welche sie gesammelt hatte, und nun hatte sie sich diesen Traum offensichtlich erfüllt – doch scheinbar nicht mit dem gewünschten Ziel.

Lisbon schüttelte den Kopf und sah dann zu Rigs und Cho. „Zurück zum Fall“, mahnte sie sich und die Kollegen, als auch Grace scheinbar völlig normal um die Ecke kam und sich an ihren Schreibtisch setzte. „Habt ihr beiden noch etwas bei Creed herausgefunden?“, wollte sie wissen und sah kurz zu Patrick, welcher Grace eindringlich anblickte. Kaum merklich schüttelte die Schwarzhaarige den Kopf und er sah sie verstehend an. Jane wollte eigentlich wissen, was mit Grace los war, doch zumindest jetzt würde er den Wunsch seiner Chefin respektieren und die Kollegin in Ruhe lassen.

„Nein Boss – nichts Neues. Außer, dass wir festgestellt haben, dass der Kleiderschrank der Kleinen begehbar und viel zu groß und voll für ein Mädchen ihres Alters ist, da sie ja ohnehin ständig wächst“, erklärte Rigsby und warf der innig Geliebten immer wieder Blicke zu, welche er versuchte unauffällig zu halten. Cho fuhr an seiner Stelle fort. „Außerdem sagt der Vater, dass aus dem Schrank nichts fehlen würde – abgesehen von der Wäsche die sich in der Reinigung befindet. Die Putzkolonne die das Haus reinigt war leider vor uns und nach der Polizei da, heißt was die Polizei nicht gefunden hat, finden wir ganz sicher auch nicht mehr. Wir sitzen quasi auf dem Trockenen“.

„Nein tun wir nicht!“, warf Jane ein und grinste. „Wir wissen doch genau, dass Creed lügt“, erklärte er als er die Gesichter der anderen sah.

„Jane bitte“, versuchte es Lisbon ehe er sie unterbrach. „Nein, nix bitte. Der Mann hat Dreck am Stecken“, erwiderte er. „So wie vermutlich jeder andere Politiker auch!“, warf Grace ein.

Alle sahen sie an. „Was?!? Ist doch so“, meinte sie schulterzuckend und sah wieder auf den Computerbildschirm. „Ich habe allerdings etwas ziemlich Interessantes herausgefunden“, grinste sie und blickte auf.

„Wieso sagst du das nicht eher?“, wollte Teresa wissen und blickte sie an. „Du hast nicht danach gefragt“, gab Grace frech zurück und tippte etwas in die Tastatur.

„Die beiden Herren nach denen ich euch fragen ließ, existieren in keiner Datenbank“, offenbarte sie. „Deswegen habe ich euch doppelt fragen lassen. Es gibt sie nicht – sie sind quasi Phantome. Es gibt Autokennzeichen die auf sie registriert sind, doch sonst finde ich sie nirgends“. Sie blickte wieder kurz auf den Bildschirm. „Und dann habe ich festgestellt, dass man die Nummernschilder umdrehen kann, also die Zahlen und Buchstaben quasi auch auf dem Kopf einen Sinn ergeben. Dabei bin ich auf zwei andere Namen gestoßen“.

Sie gab einen weiteren Befehl in das Speichergerät ein, und der Drucker am Tisch nebenan fing an zu surren und spuckte schließlich zwei Blätter aus, auf welchen man Bilder und Steckbriefe sehen konnte.

„Mustafa Ardin – 34 Jahre alt – amerikanischer Staatsbürger seit zwei Jahren – ist momentan auf Bewährung draußen und ein ziemlich schwerer Junge“, meinte sie und gab den Zettel weiter.

Mit „schwerer Junge“ hatte sie nicht gemeint, dass er viel wog, sondern dass er so einiges auf dem Kerbholz hatte, was die anderen nun sahen. „Das Komische: Egal was er getan hat, er hat immer Bewährungs- oder Geldstrafen bekommen. Ansonsten hat er glaube ich mal ein oder zwei Wochen im Knast verbracht, da die Hintergründe nicht klar waren“, meinte Grace und ging dann zu dem anderen Mann über.

„Nochmal so ein Kandidat“, kündigte sie an. „Randolf Dare – ebenfalls 34 Jahre alt – von Geburt amerikanischer Staatsbürger – ist grade ausnahmsweise mal nicht auf Bewehrung, wobei die Liste der Verbrechen die er begangen hat auch nicht gerade kürzer ist“, meinte sie mit ironischem Unterton.

Cho der die Blätter als Erster bekommen hatte, schien offensichtlich überrascht. „Wie schaffen die das? Eine Bewährungsstrafe auf Mord zu bekommen?“, stieß Cho hervor und sah ihn die Runde, merkte allerdings schnell an den Gesichtern, dass keiner darauf eine sinnvolle Antwort parat hatte.

„Auf jeden Fall haben beide zusammen schon ziemlich viel Scheiße gebaut, und waren komischerweise auch mehr als einmal in denselben Fall verwickelt“, erklärte sie.

„Ich habe die Adressen der beiden herausgesucht und würde sagen, wir“, sie unterbrach sich, „Entschuldigung Lisbon, deine Entscheidung“, nuschelte sie.

„Grace, das war wirklich gute Arbeit, also sag was du denkst!“. Die Rothaarige grinste. „Ich hätte vorgeschlagen, wir machen einen Parallelangriff, heißt wir stürmen die Häuser in derselben Sekunde. Denn vielleicht sind die beiden besser miteinander vernetzt als wir zu ahnen glauben“.

Der Vorschlag wurde angenommen und Lisbon teilte die Zugriffsgruppen ein. Cho und Grace sollten die Leitung der einen Gruppe übernehmen, und Wayne würde mit ihr kommen, ebenso wie Patrick. Sie forderte außerdem Verstärkung an, und schließlich trennten sich die Teams an den Fahrzeugen auf dem Parkplatz des Gebäudes. Alle hatten die zugeordneten Adressen und sie blieben über Funk in Kontakt.

Als sie im Auto waren, stellte Cho das Funkgerät jedoch auf leise ehe er losfuhr. Er wollte mit Grace reden, musste mit ihr reden. Es war seine Pflicht als guter Freund und Bruder!

Die Rothaarige starrte geradeaus aus dem Fenster und er räusperte sich, ehe er zu sprechen begann.

„Wie war dein Urlaub?“, forschte er nach und bremste, da die Ampel vor ihnen auf rot schaltete.

Grace seufzte leise, da sie eigentlich nicht auch noch mit ihm darüber reden wollte, und sah dann jedoch von ihren Händen auf.

„Sagen wir so, es war nicht wirklich ein Urlaub“, erklärte sie. Scheinbar hatte niemand verstanden, dass sie gegangen war, weil sie denken musste… Urlaub – ppff!

„Es war okay, und es war schön die Natur so zu sehen“, fügte sie dann hinzu, doch somit war ihr Reisebericht – zumindest für den Moment – beendet. „Wie war deine freie Zeit? Wie geht’s es Kathi?“, erkundigte sie sich schließlich freundlich, denn eigentlich hatte sie ja nichts gegen Cho. Es war ihr nur einfach lästig, dass alle fragten. Die Auseinandersetzung mit Lisbon hatte sie doch fertiger gemacht, als sie sich eingestehen wollte.

„Ich glaube, wir sollten wieder auf lauter schalten“, meinte Grace dann um von der Situation abzulenken und drehte am Regler des Funkgerätes.

Cho entging nicht, dass das Küken des Teams erneut Tränen in den Augen hatte, doch was sollte er tun – scheinbar wollte sie nicht sprechen! Und er wollte sie auch nicht mit seinem Gerede vollsülzen, weshalb er froh war, als es in der Übertragungsanlage zu rauschen begann.

„Hey ihr zwei, alles klar bei euch?“, fragte Lisbons Stimme. Cho nahm das Gerät zur Hand und antwortete. „Die Polizisten, die euch Deckung geben, werden kurz nach euch eintreffen“, erklärte sie. „Da wir es doch mit zwei harten Gangstern zu tun haben, denke ich, dass es besser ist wenn diese vorher wirklich nichts von unserem Vorhaben absehen können!“.

Cho nickte, und Grace antwortete. „Also, der Zugriff verläuft parallel?“, hakte sie nochmal nach und von Teresa kam ein zustimmendes „Hm“.

„Ich möchte zu gerne wissen, welche Anwälte hinter diesen Typen stehen“, überlegte Grace laut. Daraufhin meldete Jane sich zu Wort. „Grace, das ist doch klar. Irgendwelche Top-Anwälte, die einen Haufen Geld kosten“. Grace wollte entgegnen, dass die beiden nicht den Eindruck machten, als ob sie viel Geld hatte, doch Lisbon unterbrach sie. „Wir sind da!“.
 

*****
 

Alle drei CBI-Leute starrten auf die Baracke die vor ihnen stand. „Genau das Richtige für so ‘nen Dauerbesucher im Knast!“, grunzte Rigsby und Patrick entging nicht, dass sich der Dunkelhaarige kurz über die Augen fuhr. Er hatte auch bemerkt, dass Wayne zusammengezuckt war, als er Graces Stimme aus dem Funkgerät gehört hatte.

Doch er tat Lisbon den Gefallen – zumindest jetzt – er würde sich NICHT einmischen! Es war eine Sache zwischen Wayne und Grace, auch wenn der Berater befürchtete, dass es so nicht lange gut gehen würde.

Wayne liebte Grace, und sie ihn definitiv auch.

Vielleicht dachte Patrick auch nur, dass beide gut zusammenpassten, weil er wusste, dass Wayne Grace wirklich beschützte? Vielleicht war da wieder sein Vaterinstinkt, der sich irgendwie und unbeabsichtigter Weise auf die junge Agentin übertragen hatte.

Doch er riss sich von dem Gedanken weg, musste nun voll da sein. „Ich bleibe am Besten im Wagen“, erklärte er einsichtig und seine Chefin sah ihn teils verwirrt teils belustigt an. „Ja, es wird vielleicht das Beste sein, wenn du hier ausharrst, bis die Gefahr vorüber ist. Dann kannst du den Bösen ja ärgern“.

Sie musste den Reflex unterdrücken sich gegen die Stirn zu schlagen, denn natürlich sprang ihr ‚Lover‘ sofort darauf an. „Echt, darf ich?“, fragte er und sie sah ihn strengen Blickes an. „Müssen wir das jedes Mal von Neuem durchkauen?“, fragte sie leidend und zum ersten Mal an diesem Tag, und eigentlich seit Wochen, schlich sich ein Grinsen auf Waynes Lippen, als er von Jane zu Lisbon sah.
 

*****
 

Auch Cho und Grace waren mittlerweile am Haus des Verdächtigen angekommen, ihnen bot sich allerdings ein völlig anderes Bild. Es war ein Reihenhaus in einer sauberen Vorstadt-Siedlung und Grace kratzte sich kurz hinter dem Ohr.

„Glaubst du, wir kommen da gut rein?“, wollte sie wissen und zeigte zur Tür. „Wir können ja auch an der Tür klingeln, vielleicht lässt uns der Kerl ja rein“, scherzte Cho und sah mit Vergnügen, dass sie lächelte.

„Also, ich würde sagen wir steigen langsam mal aus, und sehen uns die Gegend an, ohne unsere Westen“, schlug sie vor. „Keiner wird ein junges Paar verdächtigen, welches sich eine Siedlung mit leerstehenden Häusern ansieht“. Zum Glück war das Funkgerät in diesem Moment nicht auf Übertragung eingeschalten, denn sonst wäre Wayne im anderen Wagen vermutlich ausgetickt wäre.

Beide Agenten steigen aus und sahen sich um, liefen etwas die Straße entlang und die junge Agentin dachte nach. Wieder hatte Wayne sich in ihre Gedanken geschlichen und sie schaffte es nicht seinen beinahe gequälten Gesichtsausdruck vom Vorabend aus ihrem Kopf zu bekommen.

Aus diesem Grund fing sie plötzlich an zu sprechen. „Cho, ich weiß, dass Wayne“, „Grace du brauchst nicht mit mir reden, wenn du nicht willst“, unterbrach Cho sie und hatte ihr eine Hand auf die verschränkten Arme gelegt. „Ich weiß, dass ihr beiden mehr füreinander empfindet als ihr euch eingesteht“, erklärte er. „Doch ich befürchte, dass es keine andere Lösung als die der Konfrontation gibt!“. Mit ernsten Augen blickte er sie an, doch da sie den Kopf gesenkt hatte, hob er ihr Kinn kurz an. „Hey, mach dir keine Vorwürfe“, schalt er sie leicht. „Irgendwie kann ich deine Entscheidung gut nachvollziehen, vor allem jetzt, da Kathi und ich“, er unterbrach sich und war nun selbst daran den Blick gen Boden zu senken.

„Jetzt, da was?“, wollte Grace, deren Neugierde geweckt schien, wissen. „Nichts, ich meine nur… Ich würde vermutlich ebenso alles tun um in ihrer Nähe bleiben zu können, auch wenn das hieße, dass ich mich von ihr trennen müsste“.

Er hoffte, dass sie es auf sich beruhen ließ und hatte Glück, denn Grace schwieg und ging etwas die Straße entlang, ehe sie sich per Mini-Funkgerät bei den anderen erkundigte, ob bei diesen die Verstärkung schon angekommen sei. Sie Frage wurde verneint und Lisbon, versprach, dass sie sich melden würde, sobald sich dieser Zustand änderte. Ebenso sollten es Grace und Cho tun.

Nach dieser kurzen Kontaktaufnahme, war das Zweierteam wieder sich selbst überlassen und zwischen beiden Agenten stand ein Schweigen, welches Grace schließlich brach.

„War Wayne sehr schlimm drauf in der Zeit?“, fragte sie und sah ihren Kollegen schuldbewusst an.

„Was heißt ‚schlimm‘“, antwortete Cho, „wir waren halt zusammen weg. Also er, Kathi und ich. Vielleicht waren wir beide ihm auch einfach zu stressig – außerdem weiß ich ja, dass er unter anderen Umständen anders drauf gewesen wäre“. Dies war kein Vorwurf von Seitens des Asiaten, denn schließlich hatte er genau gewusst, worauf er sich einließ, wenn er mit dem verliebten Wayne seine Freizeit verbringen würde. Er wollte gerade etwas sagen, als Grace, welche lautlos geseufzt hatte, ihm zuvor kam. „Es tut mir leid, dass ihr ihn so habt ertragen müssen“, murmelte sie. „Und ich denke nicht, dass es an euch lag“, sagte die Rothaarige und fügte in Gedanken hinzu, dass es ja wohl am Ehesten ihre Schuld war.

„Naja, nicht direkt an uns, sondern eben an der Gesamtsituation“, setzte ihr Gesprächspartner entgegen und sie zuckte die Schulter zur Bestätigung. Vermutlich hatte er recht, aber dann war es letzten Endes doch wieder IHRE Schuld!

Sie blickte zum Haus zurück und entdeckte ein großes, ziviles Polizeifahrzeug, worauf sie Cho mit einer kaum sichtbaren Handbewegung aufmerksam machte.

Gemeinsam gingen sie zurück zum Wagen, wo sie sich die Westen überzogen, während Grace Lisbon Bescheid anpeilte und durchgab, dass die Verstärkung da sei. In eben diesem Moment erreichte auch das zweite Team die Verstärkung, und nun klinkten sich alle in die Verbindung durch die Funkgeräte ein, sodass jeder alle wichtigen Dinge mitbekam.

Schließlich waren alle bereit und Lisbon gab das Startsignal zum Einsatz.

Beide Gruppen schlichen zur Haustür, beziehungsweise verteilten sich um diese, sodass alle möglichen Fluchtwege versperrt wurden. Dann klopfte es an beiden Türen. Beide Männer sollte die Möglichkeit bekommen, sich freiwillig zu stellen, doch aus beiden Häusern hörte man nichts.

„Zugriff!“, kommandierte Lisbon und Wayne versetzte der Tür einen Tritt, während er von ihr gedeckt wurde.

Cho und van Pelt taten das Gleiche und beide Teams fielen in die Häuser ein.

„Mr. Dare?“, rief Grace und ging mit erhobener Waffe und Marke in das Haus. Ein erneuter Versuch, doch wieder bekam sie keine Antwort. Sie blickte um die Ecke in die Küche und betrat den Raum. „Küche gesichert!“, meldete sie ihrem Team und bekam von Cho und den Polizisten die Rückmeldung dass alle anderen Räume ebenfalls gesichert waren.
 

*****
 

„Mr. Ardin?“, schrie Lisbon gegen die viel zu laute Musik an, welche im Haus herrschte. Scheinbar hatte der Inhaber die Wände schallisoliert, denn nach draußen war kaum ein Ton gedrungen. Der Verdächtige schien nichts zu hören und die beiden Agenten sicherten mit ihrem Team die Räume, ehe sie ihn im Wohnzimmer fanden.

Schon im Flur war Lisbon aufgefallen, dass der Einrichtungsstil und der äußere Zustand des ‚Hauses‘ nicht zusammenpassen.

Im Wohnzimmer bestätigte sich dieser Eindruck nun, als sie den Verdächtigen von einem riesigen Flachbild-Fernseher mit hochtechnisierter Soundanlage sahen.

Er saß mit dem Rücken zu ihnen und neben ihm auf der Couch lag eine Pistole, auch welche Rigs seine Chefin mit einem kurzen Fingerzeig aufmerksam machte. Dann ging er auf die Knie und robbte zu der Sammelsteckdose, an welcher scheinbar TV und Soundanlage angeschlossen waren.

Grinsend hob er den Daumen, ehe er mit einem kurzen Ruck den Stecker aus seiner Buchse zog und das Rockkonzert, welches bisher aus den Lautsprechern gedröhnt hatte, somit zum ersterben brachte.

Ardins Hand zuckte in Richtung seiner Pistole, doch Lisbon warnte ihn mit ruhiger Stimme. „Mr. Ardin, wir sind vom CBI und wollen mit Ihnen reden“.

Knurrend antwortete der andere. „Ich will aber nicht mit euch reden! Wie könnt ihr es eigentlich wagen, einfach mein Haus zu betreten? Das ist Privateigentum!“.

Nun trat Wayne an ihn heran und lächelte. Es war beinahe ein Grinsen als er anfing zu sprechen. „Ich glaube, dass wir das Recht sehr wohl haben. Vor allem bei solchen Kerlen wie Ihnen!“. Wayne blieb beim „Sie“, einfach nur um den anderen nicht zu provozieren. Er sprach über das Strafregister des gebürtigen Türken, dessen Augen nun funkelten. „Rassist!“, zischte der Umzingelte zwischen den Zähnen hervor und wollte Rigsby schon an die Gurgel gehen, doch da hatte ihn Lisbon schon den Arm auf den Rücken gedreht.

„Sie sind wegen versuchten Angriffs auf einen Beamten vorläufig festgenommen!“.

Mustafa Ardin verzog schmerzvoll das Gesicht, wobei noch immer Wut in seinen Augen stand.

In diesem Moment hörten Teresa und Wayne Graces Stimme durch die In-Ears ihrer Funkgeräte. „Der Vogel ist ausgeflogen, Dare ist nicht zu Hause!“, gab sie durch.

„Macht nichts Grace“, antwortete Wayne erleichtert darüber, dass eine erneute Gefahrensituation vorüber war und es ihr und Cho scheinbar gut ging. Er wollte sich nicht ausmalen, was war, wenn ihr irgendwann etwas passieren würde. „Wir haben Ardin, vielleicht singt der ja!“.

Teresa hatte den Blick ihres Mitarbeiters gesehen, weshalb sie ihr Funkgerät abstellte und zu ihm hinüber ging, nachdem sie Ardin einem Polizisten übergeben hatte. „Es wird alles wieder werden – lass ihr Zeit!“, meinte sie sanft lächelnd und hoffte, dass ich Worte wahr würden.

„Wir treffen uns im Büro“, gab Wayne an ihrer Stelle durch und beendete somit die Verbindung, ehe er gemeinsam mit seiner Chefin, dem Festgenommenen und den Polizisten das Haus verließ.
 

*****
 

Zurück im Büro wurde Ardin in einen Verhörraum gebracht und dort von einem Polizisten überwacht, solange sich das Team zu einer kurzen Besprechung um den großen Tisch versammelte.

„Soll ich eine Fahndung nach Dare rausschicken?“, wollte Grace wissen, doch Teresa schüttelte den Kopf. „Wir reden erstmal mit Ardin, vielleicht weiß er etwas über den Verbleib seines Kumpanen. Wenn er nichts sagt, können wir noch immer anfangen zu suchen, denn vor uns ist Dare nicht geflüchtet, sonst hätte Ardin garantiert nicht ruhig auf seinem Sofa gesessen“.

Dann dachte die Dunkelhaarige kurz nach. „Du und Wayne ihr macht die Vernehmung“, meinte sie an Grace gewandt. „Jane, du schaust erstmal zu, lässt die beiden aber vorerst in Ruhe die Befragung durchführen. Und dann könnt ihr euch ja kurz treffen, und du gibst deine Meinung ab“.

Bei der Einteilung blickten sie beinahe jeder der Einheit irritiert an. Nun, da sie Patrick quasi gesagt hatte, dass er sich benehmen sollte, blickte er sie etwas finster an. Sie wusste, dass alle diese Einteilung für nicht gut hielt. Doch in einem Punkt hatte Hightower recht. Wenn die beiden nicht gemeinsam arbeiten konnte, egal ob als Paar oder getrennt, so würden sie nicht in einer Einheit bleiben können.

Natürlich versprach sich Lisbon davon auch, dass beide etwas Zeit zusammen hatten, in einer Situation in der sie zusammenhalten sollten, vielleicht würde ihnen das helfen?!? Sie unterbrach ihre Gedanken schließlich und fuhr fort.

„Cho, du holst die Akten, von den Fällen in welche Ardin und Dare gemeinsam verwickelt waren – vielleicht finden wir da ja irgendeinen Hinweis!“.

Der Asiate nickte und verließ sofort das Büro, nachdem er sich von den anderen verabschiedet hatte.

Als Grace sich in Richtung des Verhörraums aufmachte, folgte ihr Wayne augenblicklich, doch Jane blieb bei Lisbon stehen. „Was machst du denn da?“, versuchte er herauszufinden und blickte dabei dem einstigen Paar hinterher.

„Lass das mal meine Sorge sein“, antwortete Lisbon ihm und ging zu ihrem Büro. „Geh mit ihnen, sonst verpasst du etwas“, grinste sie und schloss die Tür hinter sich.

Die Befragung

Die Tür des Verhörzimmers fiel hinter ihnen ins Schloss, nachdem sie den Raum betreten hatten.

Der Verdächtige saß auf einem Stuhl und hatte die Hände hinter dem Rücken mit Handschellen gefesselt, welche der Polizist nun löste ehe er vor das Zimmer ging um zu warten.

Grace und Wayne nahmen sich zwei Stühle und stellten sie am Tisch auf, doch nur Wayne setzte sich. Etwas fragend sah er kurz zu Grace, ehe er Ardins Akte aufschlug.

Der Festgenommene sah auf dem Foto der Akte wesentlich wilder und unberechenbarer aus, als in Wirklichkeit, wie Wayne nun feststellte.

Der Türke hatte einen dunklen Teint, schwarzes Haar und dunkle Augen. Man sah ihm durchaus an, dass er kein gebürtiger Amerikaner war. Außerdem trug er ein Tasbih, die Gebetsketten welche im Islam gängig waren. Die seine war wie es schien aus schwarzen Perlen.

An einer Kette um den Hals trug er einen Anhänger, welcher ebenso typisch für die Türkei war. Das Nazar, das blaue Auge, welches man in vielen Touristenorten als Souvenir bekommen konnte. Es sollte den bösen Blick abwenden, was auch immer das sein sollte.

Rigs räusperte sich. „So Mister Ardin“, fing er an. „Wollen Sie uns vielleicht sagen, was Sie über den Verbleib von Randolf Dare wissen?“. Er blickte den Mann ihm gegenüber an, und wusste quasi schon die Antwort.

„Von wem?“, meinte der Gefragte natürlich und Grace sah ihn mit festem Blick an.

„Mr. Ardin, machen Sie das nicht kompliziert. Wir wissen, dass Sie und Dare Verbindung zueinander haben. Wir wissen, dass Sie in mehr als einem Fall gemeinsam gearbeitet haben, und dann verurteilt wurden!“, sagte sie tadelnd. „Also, wo ist Dare!?“.

Sie war zum Tisch gegangen, hatte die Hände auf die Tischplatte gelegt und verlagerte ihr Gewicht nach Vorne, sodass ihr Körper auf ihren Armen ruhte und sie nach vorne gebeugt dastand.

„Wir haben zwei Möglichkeiten, entweder wir klären das schnell, und Sie sind wieder raus hier, oder Sie bleiben für einige Nächte bei uns. Ihre Entscheidung“, sagte sie ernst und blickte ihm direkt in die Augen.

Er starrte zurück und Wayne erinnerte sich mit einem Anflug von Panik daran, dass Ardin vorhin versucht hatte ihn anzugreifen, als es ihm zu doof wurde.

Er wusste zu gut, dass Grace oft bei Befragungen auf Konfrontation setzte, und hielt sich deswegen zurück.

„Was wird mir eigentlich vorgeworfen?“, wollte Ardin schließlich wissen und Jane bemerkte hinter der Scheibe, dass es das erste Mal überhaupt war, dass der Verdächtige nach dem Tatbestand fragte.

„Was Ihnen vorgeworfen wird?“, fragte Grace mit großen Augen und lächelte etwas. „Können Sie es sich denn nicht vorstellen?“.

Der Dunkelhaarige schwieg, und nun schaltete sich Wayne ein. „Wollen Sie etwa behaupte, dass Sie in der letzten Zeit nichts Falsches getan haben?“, fragte er und sah den anderen etwas ungläubig an.

Ardin zuckte die Schultern zur Antwort, als es an der Scheibe klopfte.

Grace nickte mit dem Kopf in Richtung der Tür und beide Agenten bewegten sich nach draußen, nachdem Wayne Ardin wieder Handschellen angelegt hatte. „Laufen Sie nicht weg“, grinste er und folgte seiner Kollegin.

Im Nebenraum wartete auf der anderen Seite der Scheibe Patrick auf die beiden.

„Was denkst du?“, fragte Wayne sofort und Patrick sah ihn unverwandt an.

„Ich gebe die Frage an euch zurück“, meinte Patrick, der versuchte Teile seiner mentalistischen Fähigkeiten dem Team zu zeigen, sodass sie nicht immer auf ihn angewiesen waren – einfach nur für den Fall des Falles.

Grace dachte kurz nach, und sah dann durch die Scheibe zu Ardin. „Ich denke, dass er uns anlügt“, äußerte sie.

„Wie kommst du drauf?“, wollte Jane wissen und Wayne sah ihn überrascht an.

„Naja, er weicht meinen Fragen aus, schafft es nicht mich anzusehen“, erklärte Grace.

„Das ist eine gute Feststellung, meine Liebe“, lächelte Patrick.

„Aber ich denke, dass er euch nicht anlügt. Zumindest nicht in allen Bereichen. Mag sein, dass er weiß wo Dare ist, beziehungsweise er weiß es garantiert! Aber Im Punkto illegaler Sachen in der letzten Zeit… er sagt die Wahrheit! Ich habe ihn genauestens beobachtet, und er hat keine Regung von Schuld gezeigt. Ich glaube, dass er zwar weiß wo Dare steckt, aber dass er nichts mit Cordelias sogenannter Entführung zu tun hat“.

„Heißt, wir sollen ihn laufen lassen?“, fragte Wayne und sah Patrick an, als ob dieser nicht mehr alle Latten am Zaun hätte.

„Ardin ist ein Killer, glaubst du ihm fällt es schwer uns anzulügen?“.

Grace sah zu ihrem Ex-Freund und schüttelte den Kopf. „Uns schon, aber Jane kann er nichts vormachen. Die Sache ist nur die, dass die Fakten nicht lügen und Ardin war vor Creeds Haus“.

„Ach komm schon Grace, das hat nichts damit zu tun, dass er Patrick nicht belügen kann, sondern damit, dass er wieder seinen Kopf durchsetzen will und das Hirngespinst, dass das kleine Mädchen Opfer von negativer Publicity wurde!“.

Grace sah ihre beiden Kollegen etwas finster an. „Also, wir brauchen uns jetzt nicht streiten“, stellte sie fest. „Fakt ist, Ardin war vor dem Haus, und danach werde ich ihn nun auch fragen! Das Dumme, als ich mir grade die Überwachungsbänder nochmal angesehen habe, wurde mir klar, dass ich nicht weiß, ob wirklich Ardin und Dare hinterm Steuer der Fahrzeuge saßen“, legte sie offen und schaute ziemlich verlegen drein.

„Wie meinst du das?“, wollte Rigs wissen und sah die Rothaarige fragend an. Diese blickte auf.

„Wenn du diese beiden Bilder anschaust, die ich rausgezogen habe“, sie überreichte ihm zwei Farbkopien, „ dann wird dir auffallen, dass die Sonnenblenden so nach unten geklappt sind, dass man nur den Abschnitt zwischen unterem Brustkorb und Kinn sieht – bei beiden!“.

„Das ist doch Absicht!“, gab Wayne zurück und sie sah ihn an. „Das mag schon sein, wir müssen aber auch die Möglichkeit ins Auge fassen, dass es eben Absicht ist, weil es NICHT die beiden sind!“. Sie war nun heftiger geworden.

Wollte Wayne nicht verstehen, was sie sagte?

„Wow, wow, jetzt beruhigt euch mal und befragt Ardin!“, meinte Jane beschwichtigend, woraufhin Grace sich umdrehte und zurück in den Nebenraum ging.

Das konnte ja vielleicht was werden, dachte Rigsby und folgte Grace sehr ruhig.

Diese war nun jedoch so aufgebracht, dass sie Ardin anherrschte.

„Was haben Sie vor dem Haus der Creeds gemacht?“, fragte sie laut und klatschte ihm energisch die Kopie hin, welche sie Wayne und Jane gezeigt hatte.

„Sie können gar nicht wissen, ob ich das bin!“, gab Mustafa locker zurück, nachdem er keine fünf Sekunden auf das Bild gesehen hatte.

„Und warum nicht?“, wollte Grace wissen. Ihre Augen funkelten, und Wayne wusste, dass sie ausrasten würde, wenn der Befragte nun nicht langsam mit der Sprache rausrückte.

„Weil man auf dem Bild nichts sehen kann, damit bekommen Sie vor keinem Gericht der Welt etwas durch!“, lachte er höhnisch.

„Glauben Sie bloß nicht, dass Sie damit durchkommen!“, murrte Grace und stand plötzlich auf, holte den Polizeibeamten herein und bat diesen darum, Ardin in eine Zelle zu bringen. „Vielleicht überlegen Sie es sich ja noch mal, wenn Sie eine Nacht hier verbracht haben!“, lächelte sie jetzt wieder völlig zuvorkommend. Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort den Raum und Wayne hatte Mühe mitzukommen.
 

„Und jetzt?“, wollte er wissen und sie blieb abrupt stehen ehe sie sich zu hm umwandte.

„Musst du wie eine Klette an mir hängen?“, wollte sie wissen und kniff dabei die Augen etwas zusammen.

Er nahm sofort Abstand. „Nein, aber ich wollte wissen, was du jetzt vorhast!“. Sie stöhnte auf.

„Ich werde versuchen etwas zu finden, womit wir Ardin festnageln können! Ist doch logisch!“.

Sie war ihm gegenüber deutlich kühl, ganz anders als am Morgen. Was war geschehen?

Er trennte sich von ihr als sie sich am Schreibtisch setzte und sofort begann etwas in ihre Tastatur zu tippen.

Dann ging er zu Cho der mit einigen Mappen am großen Besprechungstisch saß, und nicht gerade glücklich aussah. Scheinbar hatte er die Akten tatsächlich bekommen, so wie Lisbon es ihm aufgetragen hatte.

„Brauchst du Hilfe?“, wollte Wayne wissen, mittlerweile irgendwie deutlich verunsichert.

Cho sah ihn verwirrt an. „Äh, ja klar?! Denkst du, ich les das hier alles alleine durch? Da bin ich ja an Weihnachten noch nicht fertig!“, lachte er.

Als Wayne sich setzte, grinste er. „Außerdem haben wir noch immer ein Gespräch offen!“, meinte er, doch als Wayne das hörte, stand er sofort wieder auf.

„Nein, bleib sitzen Mann!“, meinte Cho schnell. „Wenn du nicht reden willst… nur eure kleine Auseinandersetzung eben hat man bis hierher mitbekommen“, erklärte er schulterzuckend.

„Ich weiß einfach nicht, was mit der abgeht! Sie ist so… verändert“, antwortete Wayne und sah über die Schulter zu Grace. „Sie ist unglaublich zickig und launisch“.

Plötzlich wurde er blass. „Geht’s dir gut, Kumpel?“, wollte Kimball wissen und er sah Wayne besorgt an. Dieser starrte vor sich hin und schien angestrengt über etwas nachzudenken.

„Cho, ab dem wievielten Monat sieht man bei einer Frau, ob sie schwanger ist?“, fragte er im Flüsterton und Cho fiel die Kinnlade herunter.

„Sag jetzt nicht, dass ihr nicht“, begann er, doch unterbrach als Lisbon neben ihnen auftauchte.
 

„Na, habt ihr beiden schon was gefunden?“. Beide Agenten schüttelten den Kopf.

„Wie ist die Vernehmung gelaufen?“, fragte sie dann. „Wayne hatte seine Sprache wiedergefunden und berichtete genau, was gesprochen worden war.

„Hm… das ist ja nicht gerade viel“, erwiderte Teresa etwas enttäuscht.

„Naja, Grace meinte jetzt, sie sucht was um ihn festzunageln – was genau sie damit meint, weiß ich nicht!“.

Lisbon zog eine Braue hoch und sah von ihm zu ihrer Freundin. Irgendwas war vorgefallen, doch sie würde nicht danach fragen. Beide hatten eine gewisse Zeit um mit der Situation klarzukommen, und wenn es nicht klappen würde, musste sie die Konsequenzen ziehen – ob es ihr passte oder nicht.

„Er hat also nix gesagt wegen Dare?“, wollte sie wissen und er schüttelte den Kopf.

„Heureka“, tönte es von Grace und Lisbon ging zu ihr hin. „Was hast du gefunden?“, wollte sie wissen und sah auf den Bildschirm von Graces Computer. Sie war froh mit Grace eine solche Spezialistin auf dem Gebiet der Elektronik zu haben, denn sie selbst war mit den neusten Datenspeicherungsgeräten oft sehr verfeindet.

„Es war doch Ardin!“, meinte Grace laut. „Der glaubt wohl, er kann mich verarschen!“, schimpfte sie und öffnete einige Fenster auf dem Bildschirm.

„Das sind die Überwachungskameras an denen jeder vorbei muss, wenn er zum Haus der Creeds will. Manche sind an der Einfahrt zu dem Wohngebiet in dem das Haus steht, und manche aber auch an Ampeln an der Zufahrtsstraße“. Sie grinste zufrieden.

„Auf diesem Bild erkennt man Mustafa Ardin durchs Seitenfenster ganz genau!“.

Sie vergrößerte das Bild, und tatsächlich! Der Mann der hinter dem Steuer saß, war eindeutig der, den sie vor einigen Minuten befragt hatten.

„Okay, drucken wir die Bilder aus, und holen ihn nochmal ins Verhör. Und dann nehmen wir ihn nochmal wegen Dare in die Mangel! Und dieses Mal muss er uns etwas sagen, oder willst du nach ihm auch noch suchen, Grace?“.

Die Rothaarige schüttelte den Kopf. „Ich will, dass Ardin seinen Mund aufmacht“, meinte sie.

Lisbon bemerkte nun zum ersten Mal, dass Grace viel gereizter war als vor ihrer Suspendierung. Was war denn los?

„Okay, wir beiden machen die Vernehmung, und ihr zwei“, sie schaute zu Wayne und Cho, “ihr schaut weiter die Akten durch. Jane kommt mit!“.

Keiner widersprach, und so rief Lisbon an, dass Ardin zurückgebracht werden sollte, was schon nach wenigen Minuten der Fall war.

„Ach ne, nicht Sie schon wieder!“, meinte der Türke genervt. „Jetzt dachte ich, da kommt mal ne wirklich heiße Schnitte“. Er gab sich betont lässig und Lisbon verdrehte ebenso genervt wie er die Augen.

„Ach glauben Sie mir, ich hab auch schon Schönere verhört“, gab sie nur zurück und überließ damit Grace das Wort, welche sich nun gegenüber von Ardin setzte.

„Sie haben vorhin gesagt, dass Sie das in dem Wagen nicht wären, doch wir haben den Beweis. Sie sind von mindestens drei Kameras aufgenommen worden, als Sie zum Anwesen der Creeds gefahren sind. Also, wo ist Cordelia und wo ist ihr Komplize Dare?“.

„Ich weiß, dass Sie von dem kleinen Mädchen sprechen, stand ja in allen Zeitungen. Ich weiß nur das, was die Medien herausgegeben habe, sonst habe ich keine Ahnung! Ich hab damit nichts zu tun!“, wehrte sich Ardin plötzlich nicht mehr cool und lässig, sondern scheinbar ehrlich. Doch dieser Eindruck wechselte sofort wieder. „Und selbst wenn ich wüsste, wo Ran grade ist würde ich euch nichts sagen! Und jetzt will ich meinen Anwalt sprechen, weil Sie glauben mir ja ohnehin nicht!“.

Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und sah an die Wand. Alle seine Sinne hatten auf stur geschaltet, und sowohl Lisbon als auch Grace sahen ein, dass sie aus ihm nichts mehr herausbringen würden.

Frustriert verließen beide den Raum.

„Ich glaube wir sollten für heute Schluss machen!“, meinte Lisbon als sie wieder im Großraumbüro stand.

„Lasst uns doch wo zusammen etwas essen gehen, und wir sprechen die Fakten nochmal durch!“, schlug Jane vor und sah in die Runde.

Lisbon sah ihn irritiert an, doch verstand.

Im allerersten Fall, welchen das Team in dieser Aufstellung gemeinsam gelöst hatte, waren sie gemeinsam essen gewesen, da sie in einer anderen Stadt ermittelt und deswegen im Hotel gewohnt hatten. An dem Abend hatte Jane Grace nicht nur prophezeit, dass es keine Menschen gab die Verbindung zu irgendwelchen parapsychologischen Kräften hatten, sondern dass diese Leute eben das taten, was er tat, sondern auch, dass Wayne auf Grace stand. Natürlich war dieser das zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr verborgen, jedoch hatte er beide damit quasi enttarnt, und der Abend war etwas kühl beendet worden.

Wollte er eben daran wieder anknüpfen um die beiden wieder zusammen zu bringen, oder wollte er einfach nur mit allen einen schönen Abend haben?

„Also, was ist?“, fragte er drängend. „Ich kenne da ein ganz nettes, chinesisches Restaurant“, grinste er. Cho lachte auf als Wayne antwortete. „Das ist die beste Idee des Tages, ich habe Hunger!“.

Die fünf setzten sich in Bewegung und gingen zum Fahrstuhl. „Fahren wir alle zusammen, oder getrennt?“, eruierte die Chefin. „Naja, wenn wir alle zusammen fahren, müssen wir halt zurück später“; gab Cho zu bedenken.

„Okay, dann fahren wir halb/halb“, meinte Lisbon.

„Ich fahr mit dem CBI-Wagen, Grace fährt mit mir“. Sie blickte ihre Freundin an, und duldete keine Widerrede. „Jane, du nimmst vermutlich dein Auto und ihr zwei Jungs, was macht ihr?“.

Die beiden Agenten waren sich ohne Worte darüber einig geworden, dass sie mit Waynes Wagen fahren würden, denn Lisbon hatte grad vorhin ein wichtiges Gespräch unterbrochen. „Wir fahren zusammen“.

Auf dem Parkplatz trennte sich die Gruppe und machte aus, dass sie mit Jane im Convoi fahren würden.

Lisbon hatte aus dem Grund ein eigenes Auto nehmen wollen, dass es nicht so auffiel, dass sie später mit Patrick nach Hause fuhr, denn die anderen durften von ihrer Beziehung nichts wissen – zumindest nicht momentan.

Grace war erleichtert, als ihre Chefin und Freundin mit ihr über unverfängliche Sachen sprach und nicht mehr auf den Streit vom Mittag ansprach.

Derweil ging es im Wagen bei Cho und Wayne nicht ganz so ruhig zu.
 

Der Asiate sah seinen Freund an, welcher fast am Verzweifeln war.

„Wayne, sag mir jetzt bitte nicht, dass du das denkst, was ich denke, dass du denkst!“, meinte er.

„Willst du mich noch mehr verwirren?“, fragte Wayne und starrte auf die Straße vor sich.

Beide Männer atmeten tief durch.

„Wenn ich das denke… dann würde ich denken, dass du vermutest Grace sei schwanger!?“.

Ein Neuanfang?

Betretenes Schweigen machte sich im einen der Fahrzeuge breit.

„Wayne, bitte überleg ob das überhaupt sein kann!“, gab Cho zu bedenken. Sein Mitarbeiter sah ihn entnervt von der Seite her an, kurz davor auszurasten. „Was glaubst du, das ich grade tue?!?“, fuhr er seinen Partner an und starrte dann wieder nach vorne durch die Windschutzscheibe um dem vor ihm fahrenden Auto nicht im Kofferraum zu parken.

„Entschuldigung“, brummte Wayne und seufzte. „Nein, also eigentlich nimmt sie die Pille und wir haben immer doppelt verhütet!“, dachte er laut.

Außer die eine Nacht, in der beide etwas zu viel getrunken hatten und übereinander hergefallen waren. Da hatten sie kein Kondom benutzt! Aber konnte es das gewesen sein?!? WENN sie überhaupt schwanger war!

„Nein, aber zurück zu meiner Frage, ab wann sieht man das?“, er verzog etwas das Gesicht beim Nachdenken.

Cho zuckte die Schultern. „Ich glaube, dass das sehr vom Körperbau der Mutter und der Größe und Lage des Kindes abhängt“, äußerte er sein Wissen. „Das bringt uns also gar nichts!“, schlussfolgerte Wayne und ließ etwas den Kopf hängen.
 

*****
 

Als sie am Restaurant ankamen, parkten sie in einer Reihe nebeneinander und stiegen aus.

Grace grinste, denn es war einer dieser kleinen Schuppen. Sie wusste, dass Jane sowas ziemlich schätze, weil er es gerne hatte, wenn sie Ruhe hatten.

Das Restaurant hieß ‚Shanghai Gardens‘ und sah von außen doch sehr unscheinbar aus. Der Eindruck veränderte sich jedoch, sobald das Team durch die Tür getreten war.

„Ein Tisch für fünf Personen“, bat Jane die lächelnde Frau, die ihnen sofort entgegeneilte. Sie wurden zu einem runden Tisch mit drehbarer Mittelplatte geführt, setzten sich und bekamen die Speisekarte.

„Oh man, da brauche ich ja Jahre bis ich dir durchgelesen habe“, kicherte Grace die zwischen Cho und Lisbon saß. „Falls du nicht weiterkommst, entscheide ich für dich“, gab der Mentalist zurück und alle am Tisch lachten. „Eigentlich sollten wir das wirklich mal machen, dass du für uns bestellst“; meinte Wayne, doch Patrick wehrte ab. „Nein danke, sonst bleibe ich nachher auf der Rechnung hocken, wenn es euch nicht schmeckt!“.

Am Tisch kehrte nun Ruhe ein, während alle die Speisekarten durchschauten.

Schließlich bestellten sie bei der Frau von vorhin die Getränke und Vorspeisen um sich somit Zeit zur Entscheidung zu verschaffen.

Schließlich kam die Bedienung mit einem Servierwagen voller Geschirr wieder.

Sie verteilte die Getränke und stellte jedem eine der Peking-Suppen hin.

Die beiden Platten mit gemischten Vorspeisen stellte sie auf die Mittelplatte, sodass jeder diese erreichen konnte. Dann nahm sie die restliche Bestellung auf.

Grace musste grinsen, als sie Waynes Bestellung hörte. Er hatte sich wirklich nicht verändert – und sie hatte tatsächlich geglaubt, dass sie ihn an Gemüse gewöhnt hatte! Doch nun wurde er eines besseren belehrt, da er sich die ‚Familienplatte‘ bestellte, auf der Meeresfrüchte, Hühnchen- und Schweinefleisch gemischt waren.

Cho und Patrick hatten dasselbe bestellt. Rindfleisch mit Bambus und Pilzen, wurde für sie aufgeschrieben, ehe Teresa Chow Mein mit Shrimps bestellte, was ein Gericht mit gebratenen Nudeln war.

Als letzte war Grace an der Weile. Sie hatte lange nachgedacht und sich schließlich für ein vegetarisches Gericht mit Tofu entschieden. „Ich bekomme das Süß-saure Tofu“; lächelte sie der Bedienung zu die nickte und schließlich ihren Tisch verließ.

„Guten Appetit“; wünschte Patrick und begann seine Suppe zu verspeisen. Die anderen taten es ihm gleich.

Bald war eine Diskussion über den Fall entbrannt, obwohl keiner von ihnen das geplant hatte.

Patrick kam erneut mit seinem Argument, dass Creed genau Bescheid wüsste, doch Lisbon wies ihn darauf hin, dass sie hierfür keinen Anhaltspunkt hatten.

„Genau Jane, wir müssen uns an die Fakten halten“, nickte Wayne eindringlich. Er hatte keine Lust sich schon wieder von Grace anfahren zu lassen. „Wie finden wir Dare?“, stellte er die Frage in den Raum und sah, dass seine Kollegen allesamt die Schultern zuckten. „Ich hatte mir eigentlich eine Antwort erwartet!“, lachte er und trank einen Schluck Bier.

Grace machte ein nachdenkliches Gesicht und Lisbon fragte sie, was denn los war. Die Rothaarige seufzte etwas und fing dann an zu sprechen. „Ich weiß, ich war diejenige die meinte, dass wir uns an Fakten halten müssen, und nur an Fakten. Doch was ist, wenn Patrick recht hat? Dann können wir Ardin und Dare bearbeiten so viel wir wollen, wenn wir den zweiten überhaupt finden“. Patrick nickte seiner jungen Kollegin grinsend und dankbar zu.

„Und wie hast du dir das vorgestellt?“, fragte Lisbon. Cho, der bisher geschwiegen hatte, schaltete sich nun in das Gespräch ein, nachdem er mit den Stäbchen gekonnt ein Wantan aus der Suppe gefischt hatte. Diese Teigtaschen waren Bestandteil der Vorspeisenplatte, und der Asiate bevorzugte sie warm, weshalb er sie kurz in seiner scharfen Suppe aufwärmen ließ.

„Naja, ist doch ganz einfach“, meinte er und kaute hinter vorgehaltener Hand. Als er geschluckt hatte, fuhr er fort, denn die anderen sahen ihn doch etwas verwirrt an.

„Wir machen daraus einen Undercover-Einsatz“, erklärte er schlicht.

„Dann bin ich wohl die Einzige, die das Undercover mimen kann“, gab Grace von sich.

Wayne schien davon überhaupt nicht begeistert. „Gibt es nicht auch noch eine andere Möglichkeit?“, fragte er etwas drängend und sah hilfesuchend zu seiner Chefin die allerdings Chos Idee überhaupt nicht so schlecht fand. „Wir müssten Grace quasi als Hausangestellte irgendwie zu den Creeds bekommen – nur wie?!?“.

Sie durften auf keinem Fall jemandem sagen, wer Grace war, denn bisher hatten sie niemanden von der Verdächtigenliste gestrichen, abgesehen von den Eltern.

„Ich bräuchte irgendeinen Kontaktmann, aber ich weiß auch nicht wie wir das anstellen können“, überlegte die Junioragentin nun laut.

„Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, herauszufinden ob Creed da wirklich mit drinsteckt“, meinte Rigs eindringlich. Wenn Grace als Undercover ermitteln würde, wäre sie in Gefahr! Und das wollte er nicht!

„Hey, ich bekomme das schon hin!“, meinte sie und sah ihn ziemlich mitleidig an. „Wayne, ich bin keine zwölf mehr! Und wenn es dazu beiträgt herauszufinden, ob Cordelia von ihrem Vater aus dem Weg geräumt wurde, oder ob sie wirklich in den Fängen von Verbrechern ist, dann nehm ich eventuelle Gefahren gerne in Kauf!“.

„Ah, da kommt unser Essen“, atmete Patrick auf und grinste, als die asiatische Kellnerin an ihren Tisch zurückkehrte. „Klasse, ich habe Hunger!“.

Grace starrte Wayne noch immer an, beschloss dann aber, es ruhen zu lassen. Ihr Verhalten war irgendwo gespielt. Sie wollte Rigsby davon abbringen sie weiterhin zu lieben, indem sie sich ihm gegenüber schlecht verhielt und ihn so gut es ging wie Luft zu behandeln.

Es tat ihr selbst furchtbar weh, denn eigentlich fand sie es wirklich süß, dass er sich solche Gedanken um sie machte. Und sie wusste, dass die Gefühle auf beiden Seiten genauso da waren, wie es vor der Suspendierung gewesen war, doch sie konnten und DURFTEN daran nicht anknüpfen.

Innerlich seufzte sie auf, als sie an der Reihe war sich Reis zu nehmen und somit aus ihren Gedanken gerissen wurde. Sie tat sich etwas auf den Teller und bediente sich dann an ihrer Hauptspeise.

Das Essen war köstlich und Grace war sich sicher, dass die Einheit nun öfters hier Essen würde, denn bisher hatten sie kein Stammlokal gehabt, und dieses hier war nicht allzu weit von ihrer Arbeitsstelle entfernt.

Das Team unterhielt sich nun über weniger entzündliche Themen und als sie fertig gegessen hatten, waren eigentlich alle ziemlich gut gelaunt.

Patrick und Cho teilten sich die Rechnung und Lisbon kündigte an, dass sie alle am nächsten Morgen um 7.30Uhr im Büro haben wollte.

Sie verließen das Restaurant. „Soll ich dich nach Hause fahren?“, fragte Lisbon Grace, doch diese schüttelte ihren Kopf.

Sie hatte in der vergangenen Stunde darüber nachgedacht, was sie tun sollte – wegen Wayne.

„Rigs wird mich sicherlich gut zu Hause abliefern, nimm du lieber Cho mit!“, meinte Grace und sah den Asiaten eindringlich an. Dieser hatte gar nicht vorgehabt zu protestieren und grinste seinen Freund nur kurz an, ehe er ihnen eine gute Nacht wünschte und zu Lisbon ins Auto stieg.

Lisbon und Patrick hatten ausgemacht, dass er zu ihr nach Hause kommen sollte, denn sie fand es nicht gut, wenn er jetzt wieder zu sich fahren würde.

Außerdem würde es niemand bemerken, dass er bei ihr war.

Grace war versorgt und Wayne würde sie sicher nach Hause bringen.
 

*****
 

Stille herrschte im Auto des zweitjüngsten Agenten, als dieser losfuhr. Weder er noch Grace hatten bisher auch nur ein Wort gesagt, nachdem sie eingestiegen waren.

Doch nun hielt er es nicht mehr aus. „Wieso gehst du mich ständig so an?“, wollte er wissen und sie blickte überrascht zu ihm. Offensichtlich hatte sie diese Frage nicht erwartet.

„Was?“, fragte sie verwirrt. „Ich will wissen, warum du mich erst angreifst und jetzt einfach mit mir mitfährst, ohne dass wir vorher was ausgemacht haben“, verdeutliche er seine Aussage.

„Ich wusste nicht, dass es ein Problem für dich ist“, gab sie verlegen zurück. „Ich dachte, du würdest dich freuen“.

Beide starrten durch die Windschutzscheibe auf die Straße vor sich, als Wayne nach weiteren Minuten des Schweigens in Graces Wohngebiet einbog.

Wayne hielt vor der Einfahrt zu Grace Haus und stoppte den Motor.

„Möchtest du noch mit reinkommen? Auf ‘nen Tee?“, fragte sie zuvorkommend. Er dachte einige Sekunden nach und nickte dann, weshalb sie gemeinsam ausstiegen.

Sie gingen ins Haus, wo Grace den Teekessel aufsetzte und kurz nach oben ging um sich etwas Bequemeres anzuziehen.

Als sie zurückkam, hatte Wayne bereits Tee aufgegossen und es duftete nach Rooibos-Orange. Sie liebte diesen Duft und stellte mit einem Grinsen fest, dass Wayne sich einige der Kekse genehmigt hatte, welche noch vom Morgen auf dem Tisch gestanden hatte. „Hast du etwa schonwieder Hunger?“, fragte sie und sah ihn an.

Die Verliebtheit in ihrem Inneren flammte wieder auf, und sie fühlte sich so fies. Ihn dazu zu bringen sie nach Hause zu fahren, ihn auf einen Tee einzuladen… seine Wünsche jedoch nicht zu erfüllen.

Lange hatte sie darüber nachgedacht, wie sie es ihm sagen sollte – sie musste es ihm sagen, denn würde es vielleicht ewig so weitergehen wie jetzt.

Sie setzte gerade an um zu sprechen, als es an der Tür läutete, weshalb sie von ihm wegging und öffnete.

Davor stand ein Mann in einem braunen Anzug, mit Sonnenbrille und Schildmütze. Grace erschrak, doch dann sprach der Mann sie an. „Ich glaube, dass ich Ihnen das hier abgeben soll, Miss“, sagte er mit leichtem Akzent.

Der Mann war Mexikaner, so vermutete Grace und als sie auf den Boden sah, entdeckte sie ihren Rucksack. „Ach, Sie sind von der Fluggesellschaft“, lachte sie und er nickte.

„Ich brauche eine Unterschrift von Ihnen, damit ich den Erhalt des Gepäckstücks beweisen kann“. Er hielt ihr eine Kladde mit einem Schrieb hin, welchen sie kurz überflog und dann unterschrieb.

Wayne kam in den Flur um nachzusehen, was war und sie lächelte ihm zu. „Mein Gepäck ist grade gekommen. Setzt dich schon mal hin, ich komme gleich“.

Beruhigt ging er zurück ins Wohnzimmer und wartete dort auf seine Ex-Freundin. Er musste sie unbedingt fragen, wegen seines Verdachtes!
 

*****
 

Geduldig wartete Patrick vor dem Haus von Lisbon, da sie Cho noch heimfuhr.

Er dachte über den Tag nach, über die Entführung und über die Sache zwischen Rigs und Pelt.

Er wusste, dass beide vielleicht nur einen kleinen Anstoß brauchen würden um sich über ihre Gefühle klar zu werden.

Ein bisschen dachte er daran, dass er vielleicht etwas inszenieren sollte, sodass beiden wieder klar wurde, dass sie sich liebten, doch er wusste, dass seine Beziehung zu Lisbon dann auf dem Spiel stand, da er versprochen hatte nichts zu unternehmen.

Eine ganze Weile dachte er über den Vorschlag mit dem Undercover nach, eigentlich war das gar keine allzu dumme Idee. Nur wie sollten sie das machen?

Patrick hatte ein persönliches Interesse daran, dass der Fall schnell beendet wurde, egal ob das Kind nun in Gefahr war, oder nicht. Er fühlte sich durch Cordelia an seine kleine Tochter erinnert, und das bescherte ihm Unbehagen.

Langsam driftete er in seine Erinnerung ab, sah wieder einmal den Zettel an der Tür zum Schlafzimmer von sich und seiner Frau. Seine Hände begannen zu zittern, als er die Worte des Briefes im Geiste wieder durchging und er sich schließlich zwang in Gedanken die Tür zu öffnen.

Wieder sah er das Grauen, was ihn drinnen erwartete – der überdimensionale Smiley mit Blut an die Wand gemalt, darunter das Ehebett, die Laken mit Blut durchtränkt. Die Zehennägel seiner Frau, die Red John mit Blut lackiert hatte.

Der zweite Teil der Erinnerung führte ihn ins Zimmer nebenan, nur eine leicht angelehnte Wand trennte die beiden Räume. Er öffnete die Tür und sah auch hier mit Entsetzen, was geschehen war.

Nur mühsam und unter Qualen entzog sich Jane der Erinnerung um wieder in der Realität anzukommen. Es war jetzt schon über neun Jahre her, dass der Serienkiller Red John seine Frau und sein Kind umgebracht hatten, weil er ihn angeblich bloßgestellt hatte – vor der Öffentlichkeit.

Patrick hatte den Fehler gemacht in einer Talkshow über ihn zu reden, und der andere hatte sich gerächt.

In der Zwischenzeit war viel passiert und in vielen Fällen hatte Red John wieder eine Rolle gespielt. Der Sonderberater des CBI seufzte und öffnete die Wagentür, als endlich Lisbons schwarzer Wagen auf den Parkplatz vor dem Haus rollte.

Sie war momentan seine Insel, sein Rettungsring, oder eben das woran er sich festklammern konnte.

In den Ferien hatten sie versuch ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, da Lisbon durch diese doch noch sehr gehemmt schien, doch sie merkten schnell, dass es bei ihm nicht anders war.

Er ging zu ihr hin, lächelte sie an, behielt seine Hände jedoch noch bei sich, da er nicht wissen konnte, ob nicht vielleicht doch irgendjemand sie beobachtete.

Gemeinsam gingen beide nach drinnen, und als Lisbon ihre Jacke auf einen Kleiderbügel gehängt hatte, schloss er sie in seine Arme. Das konnte ja etwas werden! Heute hatte er gemerkt, wie sehr es ihm nach den 2 Monaten fehlte, sie bei sich zu haben. Beziehungsweise wie schwer es ihm viel, ihr gegenüber keine Gefühle zu zeigen, oder eben kaum.

„Ich hab dich vermisst“, lächelte er und sie knuffte ihm gegen den Bauch. „Wir waren doch gar nicht getrennt“, entgegnete sie, nahm ihn bei der Hand und brachte ihn zum Sofa.

Es war das erste Mal, seit sie nach ihrer gemeinsamen Nacht hier war. „Möchtest du was trinken?“, fragte sie und er grinste.

„Hast du einen ordentlichen Weißwein im Kühlschrank?“, wollte er wissen.

Da sie es nicht wusste, ging sie zu dem Gerät, öffnete die Tür und nickte dann. „Ob er ordentlich ist, weiß ich nicht, es war ein Geschenk“.

Sie nahm die Flasche heraus und gab sie, gemeinsam mit zwei Stielgläsern Patrick, welcher den Wein gekonnt entkorkte und eingoss.

Dann stand er auf, lief zu ihr und grinste.

„Auf uns“, meinte er nur und ehe sie erwidern konnte, küsste er sie auf den Mund.

Schüchtern lächelnd, wie ein kleiner Schuljunge, zwinkerte er ihr zu und nippte dann an seinem Wein.

„Der Wein ist lecker. Vielleicht einen Hauch zu trocken, aber eigentlich ganz gut, dann trinkt man nicht so viel davon“, lachte er und sie grinste nur. „Du alter Optimist“, meinte sie.

Keiner der Einheit wusste so wirklich, was in Janes Kopf manchmal vor sich ging. In Momenten in denen er wie versteinert dasaß, vor sich hinstarrte und nicht reagierte, bis er dann aus einer Trance zu erwachen schien.

Zwar hatten alle erfahren was mit Patricks Familie geschehen war, doch sie dachten er sei darüber hinweg, spätestens zumindest seit dem Fall in dem sie mit Sophie Miller zusammengearbeitet hatten, welche seine Psychaterin gewesen war, nachdem er in eine geschlossene Anstalt eingewiesen worden war, da man befürchtete, er habe durch den Schock über den Tod von Frau und Kind, den Verstand verloren. Sophie hatte ihm geholfen aus dem Gröbsten herauszukommen, doch dann war er aus der Klinik raus und hatte erneut angefangen mit dem CBI zu arbeiten, wobei er sich nun ganz darauf konzentrierte.

Gemeinsam setzten sie sich aufs Sofa. Wie frisch Verliebte hielten sie Händchen und sahen sich immer wieder tief in die Augen.

„Wie ging es dir heute?“, fragte Jane. Er war derjenige der immer viele Fragen stellte, der immer wissen wollte, was andere dachten.

„Naja, ich hatte es mir nicht ganz so problematisch vorgestellt“, äußerte sie sich. „Ich hatte gedacht, dass es friedlicher sei, aber ich habe mich getäuscht und das macht mir ein wirklich komisches Gefühl“, erklärte sie.

„Ich habe das Gefühl, dass mit Grace irgendwas nicht stimmt, sie scheint mir so anders – auch die Situation in meinem Büro!“. Sie weihte Jane kurz in das ein, was im Büro gesprochen worden war. Dieser nickte verstehend.

„Ja, Grace ist… ich finde irgendwie emotionaler!“, drückte er sich aus. „Ich finde kein besseres Wort dafür. Auch heute Mittag bei der Vernehmung. Es war eine kleine Sache, und kurz schien es so, als ob Grace Rigsbys Kompetenz in Frage stellen würde. Sie war total ausfallend, und auch dem Festgenommenen gegenüber sehr unbeherrscht. Allerdings nur einige Minuten, dann war alles wie normal!“.

Natürlich hatte Jane auch die Auseinandersetzung zwischen der Rothaarigen und ihrem Ex mitbekommen, doch Lisbon unterbrach ihn, als er grade ansetzten wollte zu erzählen.

„Was war eigentlich der Zweck des heutigen Abends?“, wollte sie wissen und lächelte ihn an.

Er grinste breit und frech zurück. „Darf ich meine Freunde denn nicht mehr zum Abendessen einladen?“, wollte er wissen und sie schüttelte lachend den Kopf.

„Ich weiß, dass du da einen anderen Gedanken bei hattest, also welchen?“. Sie ließ keine Widerrede zu und schließlich seufzte er.

„Naja, ich wollte einfach mit euch Abendessen und in einer neutralen Umgebung über den Fall sprechen“, lächelte er und zog sie zu sich.

„Ich meine, dass hat doch auch super geklappt?!?“, kicherte er in einen Kuss, welchen sich Lisbon von seinen Lippen stahl. „Hm, hätte schlechter laufen können“, gab sie zu und spielte mit einer seiner goldblonden Locken.

„Du Goldlöckchen“, kicherte sie.

„Was wolltest du vorhin eigentlich noch sagen?“, fragte sie und er dachte kurz nach, während er sie verträumt ansah.

„Hab ich vergessen“; zwinkerte er ihr zu und zog sie in seine Arme. Während er sie küsste fuhr er mit der Hand unter ihr T-Shirt.

Er dachte nicht weiter nach, sondern ließ seinen Wünschen freien Lauf, ebenso wie sie.

Sie fielen beinahe übereinander her, und schließlich lagen sie beide nackt und heftig atmend nebeneinander auf dem Boden von Lisbons Wohnzimmer.

Sie hatten es wieder getan – sie hatten miteinander geschlafen, und dieses Mal war Jane seiner Gefühle ziemlich sicher.

„Ich liebe dich“, flüsterte er in ihr Ohr, ehe er ihre Wange küsste.
 

*****
 

Cho hatte die Haustür aufgeschlossen und war von einem Duft empfangen worden.

Es roch nach frisch gebackenem Kuchen und er ging langsam in die Küche, wo er von hinten an Kathi herantrat die gerade eine Schokoglasur über einen Mamorkuchen fließen ließ.

„Das riecht ja unglaublich lecker“, murmelte er und hielt den Finger unter den Fluss der Schokolade.

Genüsslich leckte er ihn ab und hinterließ dann einen schokoladigen Kuss auf Kathis Hals.

„Wie war dein Tag?“, wollte er wissen und sie lachte.

„Ereignislos“, gab sie zurück und er blickte sich in der Wohnung um.

„Scheint mir eher so, als ob du heute einen großen Sieg errungen hättest, meine Liebe“, stichelte er, denn in der Wohnung war es so sauber wie schon lange nicht mehr. Cho war nicht gerade das was man unordentlich nannte, allerdings war er auch nicht der Ordentlichste.

Manchmal ließ er Dinge einfach liegen und dann hatte er auch lange keine Lust sie wegzuräumen.

Außerdem hatte sich während des Urlaubs einiges an Staub angesammelt, doch nun konnten die Verlobten wieder einatmen ohne einen Niesanfall zu bekommen.

„Mein Tag war einfach…“, er schüttelte den Kopf und sie sah ihn mitleidig an. „War nicht gut?“, fragte sie und reichte ihm ein Glas Wasser, welches er in großen Schlucken leerte.

„Naja, nicht gut… das kann man nicht mal sagen, doch es setzt irgendwie das von vor der Suspendierung fort – wenn nicht sogar schlimmer“.

Sie zog die Augenbrauen hoch.

„Grace und Wayne?“, fragte sie und er nickte nur. „So schlimm?“.

Cho antwortete nicht, sondern blieb mit seinen Gedanken bei sich.

Wo würde das nur hinführen?!?
 

*****
 

„Wayne, ich schmeiß noch eben die Wäsche in die Waschmaschine, dann bin ich wieder bei dir“, rief Grace zur Tür herein.

Er antwortete grunzend und blieb einfach sitzen.

Nach wenigen Minuten kam sie mit glänzenden Augen und etwas nach Waschpulver riechend ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich auf dem Sofa neben ihm niederließ und ihn anblickte.

„Es tut mir leid, dass ich dich heute so angegangen habe, aber“, sie schluckte und sah dann weg.

„Aber?“, hakte Wayne nach und schloss dann die Augen ehe er weitersprach. „Bist du schwanger?“, wollte er wissen und sie drehte ihm ruckartig den Kopf zu, sah ihn kurz ungläubig an und bekam dann einen Lachanfall.

„Was?!?“, fragte Wayne und blickte die Rothaarige an, welche sich im Sofa festkrallte, als habe sie die Befürchtung, gleich den Halt zu verlieren.

Nachdem sie sich die Tränen des Lachens aus den Augenwinkeln gewischt hatte, sah sie ihn an.

„Wie kommst du denn auf die Idee?“, wollte sie wissen und blickte ihn liebevoll an.

Er zuckte die Schultern. „Naja, dein Verhalten und… naja, unser kleines Missgeschick!“.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts passiert – ansonsten hätte ich glaube ich den Anstand besessen dir zu sagen, dass du Vater wirst. Denn dann hätte sich unser Problem erledigt. Wenn ich schwanger wäre, würde ich aus der Einheit austreten, denn mein Kind würde ich niemals gefährden“.

Etwas konfus sah er schon drein und es tat ihr beinahe leid. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte sie schuldbewusst, doch er schüttelte den Kopf.

„Ich weiß grade einfach nicht was ich denken soll“, gestand er. „Ich meine, ob ich erleichtert sein soll, dass du nicht schwanger bist, oder ob ich traurig sein soll“.

Er hatte die Arme verschränkt, was er öfters tat um stärker zu wirken.

In dieser Situation jedoch wirkte dies als größter Widerspruch überhaupt. Er sprach über Gefühle, und tat dies.

Grace legte ihm sanft die Hand auf den Oberschenkel.

„Ich glaube, dass wir vorerst froh sein sollten, dass ich nicht schwanger bin“, schlug sie vor und sah in seine Augen.

„Weißt du Wayne, ich habe dich wirklich noch immer sehr, sehr gerne“, hauchte sie und kam ihm etwas näher.

„Und es tut mir leid, dass ich grade so zickig bin – nur ich versuche irgendwie damit umzugehen, dass ich dir gegenüber meine Gefühle nicht mehr äußern darf!“.

Der Agent wusste, was sie meinte und nickte verstehend. „Du brauchst dich nicht zu erklären, Grace. Und auch nicht zu rechtfertigen. Es geht mir nur um dich! Und wir hatten darüber geredet was sein würde, wenn wir zusammengeblieben wären. Die Möglichkeit steht noch immer!“.

Erst vor zwei Tagen hatte sich der Bekannte gemeldet über welchen er das Jobangebot bekommen hatte, nun war wieder eine Stelle frei. „Wir haben noch immer die Möglichkeit uns zu entscheiden“.

Kurz erklärte er ihr, was er damit meinte doch sie schüttelte abwehrend den Kopf.

„Nein Wayne“, sagte sie bestimmt und legte ihm die Hand gegen die Brust, „lass uns doch einfach Zeit“, bat sie und kam ihm nun näher.

Er blickte sie an und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei sie ihr Gesicht gegen seine warme Handinnenfläche drückte.

Dann blickte er auf, er merkte, dass es schon recht spät war und erhob sich.

„Schlaf doch hier“, meinte sie sanft und stand ebenfalls auf. „Du kannst hier auf dem Sofa schlafen, es ist recht gemütlich!“.

Er nickte und sah sie dankend an.

Lächelnd ging sie aus dem Wohnzimmer, lief die Treppe nach oben und kam schließlich mit einem Kissen und einer Decke wieder zu ihm zurück ins Wohnzimmer.

Nachdem sie seine Schlafstätte hingerichtet hatte, stand sie vor ihm und sah in seine Augen.

„Gute Nacht Wayne“, flüsterte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

Als er diesen erwidern wollte, drehte sie sich von ihm weg und verließ das Zimmer.

Weitere Ungereimtheiten

Die Nacht war bei allen Einheitsmitgliedern recht ruhig gewesen. Patrick und Lisbon waren schließlich in ihr Bett umgezogen und dort aneinander gekuschelt eingeschlafen.

Cho und Kathi hatten noch eine ganze Weile über Wayne und Grace gesprochen, waren allerdings auf kein neues Ergebnis gekommen. Er hatte es nicht geschafft ihr von seinem und Waynes Verdacht zu erzählen – sie würde es schließlich früh genug erfahren, falls dem so war.

Wayne war lange Zeit wach gelegen und hatte über Grace nachgedacht, ebenso war es ihr umgekehrt ergangen, doch es trennte sie ein Stockwerk und zumindest er war schließlich friedlich eingeschlafen.

Am Morgen stand die Rothaarige sehr früh auf, verließ das Haus und ging einkaufen.

Das war eine Sache die sie an den USA liebte – man konnte einkaufen gehen, wann auch immer man wollte. In Spanien hatte sie zum ersten Mal so etwas wie wirkliche Ladenöffnungszeiten kennengelernt, was sie teils doch etwas aus der Fassung gebracht hatte.

Es war viertel nach vier als sie den Supermarkt betrat und viertel vor fünf als sie ihn mit vollem Einkaufswagen wieder verließ. Sie hatte nicht nur Essen fürs Frühstück geholt, da sie auch ihre Vorratskammer mal wieder aufrüsten wollte, diese war vor der Suspendierung nämlich ziemlich leer gegangen.

Grace fuhr nach Hause, räumte die Einkäufe weg, stellte sich dann unter die Dusche und ging schließlich bekleidet mit Jogginghose und T-Shirt in die Küche, wo sie das Frühstück richtete.

Sie machte Rühreier und Speck, außerdem Toast und Tee und nachdem sie alles auf dem Tisch platziert hatte, betrat sie leise das Wohnzimmer und ging zum Sofa.

„Wayne, wach auf“, flüsterte sie und fuhr ihm sanft durch das Haar. „Ich habe Frühstück gemacht, und wir müssen auch bald ins Büro“.

Als sie sich kurz vorbeugte um zu sehen, ob er die Augen aufbrachte, fielen ihre nassen Haare in sein Gesicht und er sah zu ihr auf.

Wieso musste sie so wunderschön sein? Und das schon am frühen Morgen?!?

Er setzte sich auf dem Sofa auf und nickte nur. „Ich komme sofort, Grace“, sagte er und stand dann auf um sich im Bad einige Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.

Dann ging er zurück in die Küche und musste sich zusammenreißen um sie nicht von hinten um die Taille zu fassen, sie zu sich zu ziehen und dann zu küssen.

Wie sehr er sich wünschte ihre Lippen endlich wieder auf seinen zu spüren!

Doch das würde wohl nie wieder geschehen! Er hatte die Hoffnung irgendwie verloren, obwohl sie immer wieder Dinge tat, die diese wieder aufleben ließen.

In der Küche sah er, was sie zum Frühstück gerichtet hatte. „Wer soll das denn essen?“, scherzte er und sie lachte laut. „Och, es kommen noch ein paar Leute“, stichelte sie und grinsend setzte Wayne sich hin.

Sie fingen stumm an zu essen, doch dann sah er auf, als er sich gerade einem gebutterten Stückchen Toast zuwenden wollte.

„Du weißt, dass ich dich nicht bevormunden will, oder?“, sagte er leise und blickte sie an.

Grace dachte einige Augenblicke nach, während sie an ihrem Rührei kaute. Sie schluckte und sah dann hoch, während sie ihren Kaffeebecher zwischen die Hände nahm.

„Ich weiß es Wayne, doch so wie du dich grade verhältst… dein Verhalten zeigt mir einfach was anderes!“.

Das musste er wohl so hinnehmen und dachte weiter nach. „Ich will einfach nicht, dass dir etwas geschieht“, erwiderte er wieder und sie sah in seine Augen.

„Wayne, bitte wir haben darüber redet, oder? Wir werden versuchen einfach nur Kollegen zu sein“, begann sie, doch wurde von ihm unterbrochen. „Grace, du hast dich gestern Abend selbst schon dagegen gewendet“, murmelte er und sah sie an.

Sie wusste, dass er damit recht hatte, doch wirklich zugeben konnte sie das nicht. „Ich wollte einfach nicht, dass du noch fährst“, redete sie sich heraus und er sah sie skeptisch an.

„Wer’s glaubt wird selig und wer’s nicht glaubt, kommt auch in den Himmel“, murmelte er und widmete sich wieder seinem Essen.

„Wayne, akzeptier es einfach“, gab sie zurück. „Ich werde diesen Undercover – Job annehmen, und ich werde das überleben. Glaubst du ich geh gleich beim ersten Mal drauf? Hältst du so wenig von mir?“. Sie wusste nicht, ob sie von seiner Besorgtheit geschmeichelt sein sollte, oder ob es sie einfach ärgerte.

„Dann nimm den Job an, wenn du dir so sicher bist. Echt, manchmal bist du wirklich naiv!“, stieß er hervor.

„Wieso bin ich jetzt naiv?“, wollte sie wissen und legte ihre Serviette weg. Sein Verhalten ließ ihr wirklich den Appetit vergehen. Sie hatte ihr Croissant doch gerade erst angefangen!

Er sah sie an und antwortete dann auf ihre Frage. „Weil du noch nie einen solchen Job gemacht hast – nicht wirklich!“, versuchte er sie zum Nachdenken zu bringen. „Mein erster Undercover - Job war mit jemand anderem zusammen, der bereits viel Erfahrung hatte. Man ist manchmal einfach überfordert!“.

Er hielt seinen nächsten Gedanken zurück. Er wusste nicht, ob Grace einer solchen Herausforderung gerade gewachsen war. Sie schien so zerbrechlich, irgendwie entrückt und verwirrt. Und eben nicht wirklich stabil.

„Ehrlich Grace, wir wollen dich alle nicht verlieren“, sagte er sanft, doch sie starrte ihn an.

„Merkst du eigentlich noch was?“, fragte sie wieder deutlich aufgebracht – er schwieg. „DU willst mich nicht verlieren, die anderen haben gestern nichts gegen die Idee gesagt. Und wie ich schon erwähnte, wenn wir dadurch das Leben des Kindes retten, gehe ich gerne ein Risiko ein!“.

„Auch wenn deines dafür draufgeht?“, fragte er nun gereizt zurück. „Grace, verdammte Scheiße! Ich liebe dich! Mir tut es verdammt weh, dass wir nicht mehr normal miteinander reden können!“. Er schmiss seine Serviette auf den Tisch. „Kannst du dir vielleicht denken, dass ich auch manchmal bisschen drüber nachdenke, dass ich nicht will, dass sich was ändert?!? Und dazu gehört aber auch, dass nicht jemand aus der Einheit rausfällt, weil er seinen Kopf durchsetzten muss!“.

Sie legte den Kopf schief und schwieg. Dann stand sie auf, nahm ihren Teller und räumte diesen in die Spülmaschine, nachdem sie das Croissant in eine Tüte verpackte. Er sollte die Tränen nicht sehen, die ihr über die Wangen liefen und ehe sie sich wieder zu ihm wandte, wischte sie diese unauffällig mit dem Handrücken weg.

„Wayne, denkst du nicht, dass auch du dir etwas in den Kopf gesetzt hast und das durchsetzten willst?“. Sie ging zurück zum Tisch und blickte ihn noch immer stehend an. „Weißt du, du willst unbedingt durchsetzten, dass ich diesen Job nicht mache. Es kann ihn kein anderer machen! Creed kennt euch alle! Denk doch mal nach!“.

Wayne fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Grace konnte nicht umhin einen kurzen Blick auf seinen unglaublichen Oberkörper zu werfen, denn ihr Ex-Freund trug kein Oberteil und die Muskeln an seinem Bauch zeichneten sich deutlich ab.

Er war einfach so perfekt!

Innerlich seufzte die Rothaarige und versuchte wieder zum Thema zurückzukommen, doch sie hatte den Faden verloren und musste eine ganze Weile nachdenken, um diesen wieder aufzunehmen. „Egal, was du tun wirst, selbst wenn du mit deinem Kopf unterm Arm auf Händen durch die Straßen läufst, ich werde diesen Job machen. Denn ich habe mir geschworen, dass ich alles Mögliche tun werde um ein Menschenleben zu retten – und ein Kinderleben zählt doppelt!“.

„Ich werde dich nicht umstimmen können, das sehe ich“, meinte Wayne nur starr und stand auf.

„Ich ziehe mich an, solltest du auch tun, oder dich eben fertig machen. Wir müssen los, Hightower steigt uns aufs Dach, wenn wir zu spät sind!“.

Ohne ein weiteres Wort verließ er die Küche, sammelte im Wohnzimmer seine Kleidung zusammen und machte sich daran diese anzuziehen.

Grace stand eine ganze Weile am selben Fleck, doch löste sich schließlich aus ihrer Starre und ging nach oben ins Schlafzimmer. Kurz setzte sie sich auf ihr Bett und fuhr mit der Hand über die unberührte Seite. Nie wieder würde er dort liegen!

Schließlich machte sie ihr Haar mit einem Haarband zurück und sah nochmal kurz in den Spiegel. Sie sah aus wie jeden Tag, abgesehen davon, dass ihre Augen grade ziemlich rot waren. Grace beeilte sich die Treppe runterzukommen, nachdem sie einen Blick auf ihren Wecker geworfen hatte.

„Wayne, wir müssen los“, rief sie ins Wohnzimmer, während sie sich ihre Schuhe anzog.

Als er nicht reagierte, ging sie durch die Küche in den Wohnraum und sah dort ihren Arbeitskollegen sitzen. Normalerweise war dieser sehr gefasst, doch was sie nun sah, tat ihr wirklich weh.

Wayne saß auf dem Sofa, hatte sich noch nicht angezogen, jedoch das Gesicht in die Hände gestützt. Er weinte, dass konnte sie sehen, auch wenn man nichts hörte.

Sie ging vor ihm in die Hocke und hob sein Kinn an. „Es wird alles wieder werden!“, flüsterte sie mit Nachdruck und strich mit beiden Daumen seine Tränen fort, wobei sie ihm tief in seine Augen sah.

Wayne räusperte sich und stand dann auf ohne etwas zu sagen. Er hatte nicht gewollt, dass Grace das mitbekam, doch nun war es eben so! Sie würde immer seine große Liebe bleiben, ob sie das wollte oder nicht!

Gemeinsam verließen beide das Haus der Agentin, nachdem er sich angezogen hatte, und während sich hinter sich abschloss, klingelte das Handy ihres früheren Freundes. Dieser ging nach kurzem Zögern dran.

„Gut Cho, ich bringe Grace mit. Wir sehen uns gleich im Büro“, hörte die Rothaarige nur, während sie einstieg.

„Was ist denn los?“, wollte sie wissen noch ehe er den Motor startete. Nun waren sie wieder ganz auf der Arbeitsebene und das funktionierte scheinbar besser als gedacht, denn er antwortete ohne Umschweife, dass die Entführer sich bei Creed gemeldet hätten.

„Cho und ich sollen zu der Familie, ich setzte dich vorher im Büro ab, Lisbon will dich wegen des Undercovers sprechen“, erklärte er sachlich.

Den Rest der Fahrt schwiegen beide, und auf dem Parkplatz des CBI stieg Grace aus.

„Ich komme noch kurz mit nach oben, das habe ich so mit Cho ausgemacht“; meinte der große Agent und beide betraten gemeinsam das Gebäude.

Im Büro angekommen, wurden beide grinsend von Jane in Empfang genommen, doch ehe er etwas fragen konnte, war Grace in Lisbons Büro verschwunden, und Wayne steuerte auf Cho zu.

„Nehmt mich mit“, bat Patrick die beiden und der Asiate nickte. Er war etwas erschüttert davon, dass Grace so Abstand zu ihm hielt, und dass auch Wayne kaum mehr mit ihm sprach. Er wusste, dass beide befürchteten, er würde etwas sagen – doch er wollte doch einfach nur helfen!

Auf der Fahrt zu Creed versuchte Jane also herauszufinden, was heute Nacht geschehen war, doch Wayne reagierte nicht.

„Was will Lisbon mit Grace besprechen?“, fragte er stattdessen und sah zu Cho, der als Stellvertretender Teamleiter vermutlich etwas wusste.

Cho tat zuerst so, als ob er die Frage überhört hätte, doch dann blickte er zu Wayne, ehe er anfing zu sprechen. „Lisbon hat über Kontakte herausgefunden, dass Creed eine Party gibt, in zwei Tagen. Es fehlt noch Personal – wir wollen Grace als Bedienung einschleusen. Das ist die beste Möglichkeit, damit sie sich etwas im Haus umsehen kann, ohne aufzufallen“.

„Als Bedienung?“, fragte der andere ungläubig, „Grace hat in dem Metier doch gar keine Erfahrung. Kann das nicht fürchterlich schief gehen?“. Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Teresa lässt sie voll ins offene Messer laufen und ich soll dabei zusehen!“, zischte er und Patricks Reaktion war ungeahnt. „Hey, lass Teresa aus dem Spiel, okay? Sie ist nur unsere Chefin, Grace entscheidet schon selbst was sie tut, und was sie kann!“.

Cho und Wayne sahen sich an, ehe der Asiate durch den Rückspiegel zu dem Berater sah. „Ist ja gut, Jane!“, meinte er grinsend. Er wusste, dass der andere etwas für seine Chefin empfand – was heißt ‚wusste‘, er ahnte es eher. Dass zwischen den beiden allerdings schon viel mehr lief, malte er sich nicht aus.

„Hör zu Wayne“, meinte der Asiate nun. „Es ist momentan unsere einzige Chance etwas in Erfahrung zu bringen. Zumindest mal in die Richtung, die wir mittlerweile nicht mehr ausschließen. Zwar haben sich jetzt die Entführer gemeldet, doch es hat eigentlich zu lange gedauert. Wenn es um Geld ginge, hätten die sicherlich keine fünf Tage Zeit gelassen – das ist Fakt. Und wir brauchen nun einmal eine Möglichkeit, dass wir irgendwie etwas ermitteln. Und das ist momentan die einzige Lösung! Und Grace hat das richtig gesehen – sie ist die Einzige für den Job!“.

Er atmete aus, und fuhr dann fort. „Und du kannst dich querstellen – aber Grace wird das durchziehen. Und so gut solltest du sie kennen!“.

Nun hatte er Wayne mal die Meinung gesagt, dieser saß stumm neben ihm und sah betroffen einfach geradeaus.

„Ich glaube echt, wir brauchen eine Gruppentherapie“, witzelte Jane als Kimball gerade zu den Creeds einbog.
 

*****
 

Lisbon sah Grace fragend an, als diese ins Büro kam, die Tür hinter sich zumachte, die Augen schloss und den Kopf schüttelte.

„Geht’s dir gut?“, wollte sie wissen und die Rothaarige nahm seufzend vor ihrem Schreibtisch Platz.

„Passt schon“, gab diese zurück und blickte ihre Freundin an. „Also, was hast du für mich? Cho meinte, dass du mich sprechen willst!“.

Die Chefin sah sie etwas ungläubig an, ging dann allerdings nicht mehr auf das Thema ein und nahm einen Zettel zur Hand.

„Ich habe einen Job für dich organisiert, damit du zu Creed reinkommst – beziehungsweise einen Tipp. Du musst dort nur noch anrufen. Creed schmeißt in einigen Tagen eine Party, trotz des Verschwindens seiner kleinen Tochter. Es hat wohl irgendwas mit den Wahlen zu tun. Sie haben noch nicht genug Personal“, sagte sie und legte den Zettel vor ihrer Kollegin wieder auf den Tisch. Grace sah kurz darauf.

„Catering und Bedienung?“, fragte sie etwas ungläubig und sah dabei nicht viel überzeugter aus, als ihr früherer Freund, als er von dem Plan erfuhr. Dann jedoch dachte die junge Agentin nach und willigte schließlich ein.

„Weiß irgendwer dort, wer ich bin?“, fragte sie und Lisbon schüttelte daraufhin den Kopf. „Du wirst auch mit einer falschen Identität dort hingehen. Ich werde diese bei Hightower anfordern. Wir haben da ja welche im Vorrat“.

„Muss das alles so kompliziert sein?“, fragte Grace und lehnte sich zurück. „Ich meine, mit der Identität und so“. Lisbon zuckte die Schultern. „Wayne würde mich lynchen, wenn ich dir nicht alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen zu Verfügung stelle“, erwiderte die Angesprochene.

„Bleib mir bitte mit ihm weg, okay?“, fragte Grace schnell und blickte auf.

„Wieso Grace?“, wollte ihre Freundin wissen. „Wieso sollte ich mit ihm weg bleiben, du siehst ihn hier ständig und du wirst ihn auch nicht los werden – und wenn du in dich rein hörst, dann willst du das auch gar nicht!“. Die Dunkelhaarige legte etwas den Kopf schief. „Oder liege ich mit dieser Annahme nicht mehr richtig?“, wollte sie wissen.

Grace starrte auf ihre Hände und sah dann hoch. „Nein, du hast recht“, gab sie leise zu. „Aber ich darf es nicht. Die Gefühle haben hier nichts zu suchen. Draußen vielleicht, ja – aber nicht hier. Hier sind sie absolut unpassend!“. Sie dachte kurz nach und schüttelte dann traurig den Kopf.

„Wayne war mein erster Freund, und ich dachte, er sei der Richtige“, flüsterte sie.

„Was lässt dich daran zweifeln, dass er es ist?“, erfragte Teresa, woraufhin sie einen verzweifelten Blick zu sehen bekam. „Ich darf nicht mit ihm zusammen sein, das ist ein Problem“, meinte das Team-Küken sarkastisch.

„Es ist solange ein Problem, solange ihr euch daran haltet!“, sagte Teresa und hatte damit ausgesprochen was sie dachte.

„Was?!?“, fragte Grace und blickte ihre Chefin beinahe verständnislos an.
 

*****
 

Der Rest des Teams hatte mittlerweile bei den Creeds Einlass erhalten und stand nun im Arbeitszimmer des Politikers.

Vor ihnen lag ein Brief auf dem Tisch, dieser war von den Erpressern. Mittlerweile hatte Cho ihn eingetütet und alle drei Ermittler starrten darauf.

Der Text besagte, dass es der Kleinen gut gehe und ihr nichts geschehen würde, solange die Anweisungen befolgt würden. Es ginge nicht um Geld, sondern darum, dass Creed es publik machen sollte, dass Cordelia verschwunden war.

Die Entführer waren sich ihrer Sache scheinbar sehr sicher, denn sie hatten die Eltern aufgefordert die Polizei ruhig einzuschalten, da es ohnehin keine Spuren gäbe.

„Wann kam der Brief an?“, wollte Wayne wissen und besah sich nun den Umschlag. Die Schriftexperten würden mit diesem Schreiben nicht viel anfangen können, denn alles war entweder aus Zeitungen ausgeschnitten, oder mit der Schreibmaschine gedruckt worden.

Die Briefmarke würde ebenso wenig Hinweise auf den Absender geben, da es eine der neuen war, welche nicht mehr angeleckt werden mussten – also null forensische Beweise!

„Der Brief muss heute Nacht gekommen sein“, erklärte der Vater des entführten Kindes. „Als unsere Hausbedienstete heute Morgen die Zeitung hereinholte, war der Brief im Briefkasten – das müsste so gegen sechs Uhr gewesen sein“.

„Werden sie die Forderung des Entführers ernst nehmen und es offiziell machen, dass Ihre Tochter weg ist?“, fragte Patrick und sah dem Vater dabei genau ins Gesicht. Dieser verzog keine Meine, und schien nachzudenken. „Die Medien haben ohnehin bereits Gerüchte in die Welt gesetzt, nachdem die Polizei hier mehr als ein Mal war“, erklärte der Mann schließlich. „Und ehrlich, wird er meinem Kind etwas tue, wenn ich das was die Öffentlichkeit denkt, bestätigt?“.

Jane grinste einfach und entfernte sich von dem Politiker. Dieser war ein geübter Lügner, doch ihm konnte er nichts vormachen!

Creed sah wieder auf den Brief und hatte plötzlich einen ungeahnten Gefühlsausbruch. „Dieser Dreckskerl!“, schrie er und sprang auf.

Der Mentalist drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Was ist?“, fragte er und sah den anderen ruhig an.

„Irgendjemand will versuchen mich zu zwingen von der Wahl zurückzutreten“, zischte der Geschädigte und Wayne hob den Kopf. „Wie kommen Sie denn darauf?“, wollte er wissen. „Gab es schon irgendwelche Drohungen, beziehungsweise Forderungen des Erpressers?“.

Nun schüttelte der Mann einfach den Kopf. „Aber ist das nicht offensichtlich? Worum soll es denn sonst gehen, wenn nicht um Geld?!?“.

„Es kann für eine Entführung viele Gründe geben, Mr. Creed“, meinte Cho sachlich.

„Wir werden das Schriftstück mit uns nehmen, draußen am Briefkasten schauen wir noch nach Fingerabdrücken“, erklärte er als der Herr des Hauses sie zur Tür geleitete.

„Wenn der Entführer erneute Forderungen stellt, melden Sie sich bei uns, ehe Sie etwas machen“, schärfte Wayne dem Politiker ein.

Dann verließen sie die Villa und schnell machte sich Wayne daran mit Pulver und Pinsel den Briefkasten nach Fingerabdrücken abzusuchen.

„Nichts Verwertbares“, grummelte er als er schließlich zurück zum Auto kam.

„Ab ins Büro, vielleicht hilft uns der Brief ja doch weiter“.
 

*****
 

Im Büro angekommen, brachte Cho das Dokument ins Labor, damit dort doch nochmal darüber geschaut wurde. Manchmal gab es versteckte Dinge, die man auf den ersten Blick und ohne spezielle Geräte nicht sah.

Wayne und Patrick gingen schon hoch ins Büro, wo sie Teresa auf Patricks Couch sitzen sahen, und Grace scheinbar am Telefonhörer hing.

Als die beiden durch den Durchgang an ihrem Schreibtisch traten, legte sie die Finger an die Lippen um ihnen zu signalisieren, dass sie still sein sollten.

„Ja, Mr. Palmer“, meinte sie und nickte mit dem Kopf.

Patrick zeigte auf Grace und sah dann fragend zu Lisbon, jene jedoch schüttelte nur den Kopf.

„Ich habe mir den Ort und die Zeit aufgeschrieben, auch die Kleiderordnung. Danke für die Chance“, sagte Grace und verdrehte die Augen. Scheinbar ging ihr der Telefonpartner deutlich auf die Nerven.

„Ja, Ihnen auch! Bis übermorgen“.

Sie legte auf und sah zu den anderen, mittlerweile hatte sich auch ihr letzter Kollege zu ihnen gesellt.

„Kein Wunder, dass der niemanden zum Arbeiten findet – der redet einem ja ‘nen Klotz ans Bein. Aber gut, ich habe den Job! Muss ja nur dieses eine Mal sein“, grinste sie und sah in die Runde, jedoch nur flüchtig zu Wayne. Als dieser anfing zu sprechen, blieben seine Augen auf ihm Ruhe.

„Wird auch die einzige Möglichkeit sein – der Brief ist nämlich nicht sonderlich aufschlussreich“, erwiderte er und erzählte dann in Kurzform was bei den Creeds vorgefallen war.

„Wir haben den Brief in die Forensik, mal schauen, ob sie was finden, allerdings bezweifel ich es ziemlich. Patrick, hast du eigentlich eine neue Erkenntnis über den Herrn bekommen?“, wollte er wissen und fing an mit seinem Minibasketball Körbe zu werfen.

Patrick der neben Lisbon auf der Couch saß, schüttelte den Kopf. „Nichts. Abgesehen vielleicht davon, dass ich nun noch weniger an seine Unschuld glaube“.

„Umso besser, dass es nur zwei Tage bis zu dieser Party sind, wobei… solange seine Tochter irgendwo ist, wo er es weiß, dürfte ihr ja nichts passieren, also zumindest nicht, wenn unsere Vermutung stimmt“, gab sie zurück und Wayne drehte sich zu ihr um.

„Unsere Vermutung?!?“, fragte er etwas sarkastisch, und zeigte dann auf Patrick. „Seine Vermutung, Grace – und ihr glaubt sie!“.

„Hey, Jane hat bisher bei wenigen Dingen falsch gelegen, und nur weil es zwischen uns grade nicht so läuft wie es dir in den Kram passt, musst du das nicht an ihm auslassen, das ist absolut nicht fair“.

Der Mentalist nickte zur Bestätigung dessen mit dem Kopf, und Wayne war knallrot geworden, denn bisher hatten die beiden noch nicht vor ihren Freunden über die momentane Lage gesprochen.

„Und wir haben das heute Morgen ausdiskutiert – ich werde tun, was ich für richtig halte, und der Undercover gehört nun mal dazu!“. Erneut blickte sie ihn giftig an, und er wich ein kleines Stück vor ihr zurück.

Lisbon wollte die Situation unterbrechen, doch ihr Freund hielt sie mit einer Handbewegung zurück.

Hier war der Ort, an dem die Beziehung angefangen hatte, ebenso wie sie hier geendet hatte. Und sie sollten das jetzt und hier ausdiskutieren! Denn sonst würde es in einer anderen Situation schwierig werden.

Doch Wayne unterbrach die Situation ohnehin. „Chef, was gibt’s noch zu tun?“, wollte er wissen und sah zu Lisbon, welche nun doch aufstand.

„Es ist folgendermaßen! Wir müssen bezüglich des Schriftstücks abwarten, daher würde ich sagen, wir reden nochmal mit Ardin. Er hat in der ganzen Sache wirklich einen Komplizen, und da müssen wir irgendwie an Informationen kommen“.

„Irgendwie?“, fragte Patrick und grinste. „Nein, nicht irgendwie, sondern auf eindeutig legale Art und Weise!“, verbesserte sie sich und Cho grinste zu Patrick, welcher sich nun auf der Couch ausstreckte. „Dann bin ich dabei ja falsch“, grummelte er und schloss die Augen.

„Beleidigte Leberwurst“, grinste die Dunkelhaarige Senioragentin und blickte dann ihre anderen Mitarbeiter an.

„Grace, ich würde vorschlagen, dass du dir nun Zeit lässt und möglichst viel übers Bedienen lernst, also theoretisch. Vielleicht würde sich ja auch jemand zur Verfügung stellen, damit du richtig üben kannst“, lachte sie und Grace nickte.

„Wayne und Cho, ich führt das Verhör, ich bin im Nebenraum. Versucht einfach noch mal rauszubekommen, wo Dare steckte – und vor allem, was die beiden mit der ganzen Sache zu tun haben. Und natürlich, wo Cordelia ist“.

Ein Grunzen kam vom Sofa her und sie drehte sich aus der Hüfte raus zu Patrick um. „Was gibt’s da wieder zu meckern?“, fragte sie und er hob die Hände in die Luft. „Ihr habt es noch immer nicht verstanden“, fing an. „Ardin verschweigt uns etwas, aber auf keinen Fall den Aufenthaltsort des Mädchens. Er weiß es nicht!“.

„Das werden wir ja sehen“, erwiderte Wayne angriffslustig, und Grace ging ihm aus dem Weg, als er an ihr vorbei in den Gang ging.
 

*****
 

Nach ungefähr zehn Minuten des Wartens, wurde Ardin in den Verhörraum gebracht. Er sah genervt aus, und setzte sich nur höchst widerwillig auf den, für ihn bestimmten Platz.

Noch ehe Cho oder Wayne etwas sagen konnten, öffnete er den Mund und sprach. „Ich habe euren Kolleginnen schon zwei Mal gesagt, dass ich keine Ahnung habe, wo dieses Kind steckt – und bei Dare… ich würden es euch nicht sagen, wenn mein Leben von abhinge“.

Er grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und ich werde nichts weiter sagen, da ich meinen Anwalt noch nicht erreicht habe“, sagte er zum Abschluss.

„Tja, Pech wenn man so viel aufm Kerbholz hat, dass einem niemand mehr den Arsch retten will“, zischte Wayne und stand auf. Seine Miene war wütend geworden und Cho der seinen Freund schon in solchen Situationen erlebt hatte, stand auf und drängte diesen nach draußen.

„Lass dich doch von so einem nicht provozieren, Mann“, beschwichtigte der Asiate und Lisbon kam mit den Händen in den Hosentaschen auf den Gang. „Hm, das war wohl unsere kürzeste Befragung ever“.

Gemeinsam gingen die drei wieder ins Hauptbüro, wo Patrick für Lisbon die Worte beinahe originalgetreu wiederholte.

„Lisbon, ich glaube ich gehe in einige Lokale und schaue mir mal an, wie die Leute da bedienen“, grinste Grace. „Es ist vielleicht besser das zu sehen, als es nur zu lesen. Außerdem kommt ihr hier grade glaube ich ohne mich zu Recht, da es ohnehin wenig, beziehungsweise nichts zu tun gibt“.

„Grace, ich habe eine bessere Idee“, grinste Cho und sah zu seiner Kollegin. „Ruf Kathi an, sie wird dir garantiert mit Rat und Tat zur Seite stehen! Sie hat grade sowieso frei, und von ihr kannst du einiges lernen“.

„Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin“, schimpfte Grace mit sich selbst und lächelte Cho dankbar zu, während sie die Nummer der Blonden in ihr Handy eintippte.

Mit der Absprache, dass Grace morgen nur herkommen würde um ihre neue ID-Karte abzuholen, und ansonsten aber lernen würde, verabschiedete sich das Team voneinander, wobei nur die Rothaarige das Büro verließ um sich am abgesprochenen Ort mit Chos Verlobten zu treffen.

Insgeheim war sie wirklich froh, dass sie von Wayne wegkam, weil es einfach schmerzte ihn so zu sehen!

Als sie in ein Taxi stieg, dachte sie das erste Mal darüber nach, dass Wayne vielleicht recht hatte, und sie einfach nur zu ehrgeizig war – war sie vielleicht wirklich in Gefahr?

Zwischen Ohmacht und Wahrheit

Zwei Tage später dann war es so weit. Der Abend der Party war gekommen und Grace stand in schwarzer Hose, weißer Bluse und mit hochgesteckten Haaren vor dem Spiegel der Damentoilette im Büro.

Die Nervosität war ihr nicht auf den ersten Blick anzusehen, doch sie spürte diese deutlich und hoffte, dass es nachher vorübergehen würde.

Langsam ging sie nach draußen und zu ihren Kollegen.

„Na, wie seh ich aus?“, fragte sie etwas zögernd und grinste verlegen.

„Ich würde sagen wie eine Kellnerin“, gab Kathi zurück, die gemeinsam mit der CBI-Agentin die Kleidung gekauft hatte. „Mach dir keine Sorgen, meine Liebe da würde sogar ich drauf reinfallen“.

„Dann muss es ja gut gehen“, gab Wayne einigermaßen distanziert von sich und wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu.

Er und Grace hatten seit der letzten Auseinandersetzung kein Wort mehr gewechselt, und langsam war er es leid immer wieder den ersten Schritt zu machen. Sie sah verdammt heiß aus in ihrem Kellnerinnen – Outfit, doch das wusste sie vermutlich ohnehin.

Wayne musste seine ganze Disziplin zusammennehmen, damit er ihr nicht wieder sagte, dass sie vorsichtig sein sollte – sie war alt genug!

Grace atmete einmal tief ein und aus, und grinste ihre Chefin dann an. „Ich mache mich auf die Socken, und werde mich morgen früh rechtzeitig hier melde“, lächelte sie und fügte in Gedanken hinzu, dass sie hoffte die Party würde nicht allzu lange dauern.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend verabschiedete sie sich also von ihren Kollegen und ging nach draußen, wo auf dem Parkplatz der Mini stand, welchen Hightower für diesen Anlass gemietet hatte, da es zu auffällig gewesen wäre mit dem Captiva vorzufahren.

Der Wagen war wendig und schnell und so schaffte es die rothaarige Agentin trotz des Feierabendverkehrs überaus pünktlich am Veranstaltungsort zu sein.

In der Hosentasche hatte sie eine superflache Kamera, mit welcher sie eventuelle Beweise fotografieren sollte, falls sie welche fand.

Mr. Palmer der Manager des Catering – Service war bereits da und teilte die Bedienungen ein – und Grace hatte sogar Glück, denn sie war nicht für die Getränkebedienung während des Hauptganges eingeteilt.

Von Cho und Wayne wusste sie, in welchem Teil des Hauses sich das Arbeitszimmer des Politikers befand, und sie würde genau daran immer wieder an diesem Abend vorbeikommen.

Als der Empfang um 20 Uhr begann, hatten die Bedienungen alle Hände voll zu tun, und Grace wusste, dass sie erst während des Dinners die Möglichkeit haben würde in die privaten Zimmer von Creed zu kommen – nur musste sie sich noch überlegen, wie.
 

*****
 

Wayne warf einen ungeduldigen Blick auf seine Armbanduhr und trommelte weiterhin mit seinen Fingern auf den Tisch. Die Unruhe, welche er verspürte, breitete sich zwar im Raum aus, sodass auch der Rest des Teams und Kathi nicht davon verschont blieben, doch irgendwie schaffte es jeder für sich nicht zu sehr mitreißen zu lassen.

Irgendwie schienen alle in Gedanken versunken und Cho brach schließlich das Schweigen indem er sich räusperte.

Die Anderen sahen auf und zu ihrem Kollegen hin, welcher unter dem Tisch nach Kathis Hand gegriffen hatte. „Wir wollten euch etwas sagen“, meinte er verlegen. „Und eigentlich wollten wir es auch tun, wenn alle da sind – doch ich glaube, dass momentan irgendwie der richtige Moment ist“, lächelte er in die Runde.

Selbst Wayne war nun aufmerksam. Er sah seinen besten Freund fragenden Blickes an, und überlegte was dieser und Kathi ihnen zu sagen hatten. „Bist du schwanger?“, fragte er frei heraus und wurde im nächsten Augenblick total verlegen rot. „Entschuldige bitte“, murmelte er und sah weg.

„Ist schon okay“, kicherte die Blonde und sah dann kurz zu ihrem Freund. „Wir haben uns verlobt“, sprach sie dann frei aus und Lisbon klappte voller Erstaunen die Kinnlade nach unten.

„Wann?“, wollte sie wissen und blickte die beiden an. „Da vergesse ich glatt meine Manieren“, schimpfte sie sich, stand auf und reichte beiden die Hände ehe sie sie umarmte. „Das ist ja toll!“.

Er würde also der erste sein, der offiziell eine Verbindung mit einer Partnerin einging – bei den anderen würde es nicht ganz so leicht sein.

Auch Patrick und Wayne gratulierten den Verlobten und dann ging die Fragerei natürlich los. Wann es passiert sei, wann sie planten zu heiraten, und schließlich stellte Lisbon die alles entscheidende Frage. „Wirst du aber weiterhin in Sacramento bleiben?“, wandte sie sich an Cho. Sie hatte Bedenken, dass dieser aufgrund der Verlobung das CBI verlassen würde, doch diese Angst räumte Kathi sofort aus.

„Ich habe meinen alten Job gekündigt und hier in der Stadt etwas Neues gefunden. Ich glaube, dass es so das Beste ist“. Nicht nur, weil Cho dann nicht aus der Einheit musste, sondern weil sie auf diese Art auch die Möglichkeit hatte, endlich aus dem Hotel herauszukommen, in dem die Romanzen mit Paul stattgefunden hatten. Sie wollte ihn nun ganz vergessen, denn sie war glücklich mit ihren Liebsten, und da mussten Gedanken an den Ex wirklich nicht reinfunken – und sie konnte nun einfach nichts dagegen tun. Paul hatte sich nicht verändert und schlich noch immer in dem Hotel herum.

Sie hatte mit Cho darüber geredet, und ihm gesagt, dass es ihr unangenehm war. Gegen alle Erwartungen hatte der Asiate vollkommen ruhig reagiert, es wäre einleuchtend, hatte er gesagt. Und somit hatten beide ihr Schicksal besiegelt. Hier in Sacramento würden sie gemeinsam leben, und vielleicht sogar eine Familie gründen.

Ein Grinsen trat auf Kathis Gesicht als sie wieder daran dachte, und sie küsste Cho verhalten auf die Backe. „Für die Hochzeit ist eigentlich noch gar nichts geplant“, erklärte sie dann schließlich und lehnte sich an ihren Freund. „Wir hatten erst ein wenig warten wollen – deswegen haben wir es euch auch nicht gleich auf die Nase gebunden. Und jetzt wollen wir einfach etwas warten, bis wir entscheiden wann und wo die nächste Station kommt“.

Das darauf folgende Gespräch ging in verschiedene Richtungen.

Lisbon und Kathi diskutierten über Hochzeitsmode und Traumhochzeiten, während die Männer über eher allgemeine Dinge wie Veranstaltungsort und vor allem das Menü sprachen.

Die Zeit verging und sogar Wayne konnte bei seiner Sorge um Grace etwas runterfahren.
 

*****
 

Die Rothaarige hatte hingegen als Olivia Henriks gerade alle Hände voll zu tun. Zwischen den Tischen hin und her rennend, entschied sie, dass es wohl das Beste sein würde, wenn sie ihre Eroberungsaktion während des Hauptganges machte.

Schließlich war die Vorspeise gelaufen und ein Teil der Bedienungen, auch Grace, hatten somit Pause und gingen in die Küche.

Sie stellte ihr Tablett ziemlich geräuschvoll auf eine Theke und legte die Hände über das Gesicht, während sie laut aufseufzte.

„Geht’s dir nicht gut?“, fragte eine ihrer männlichen Kollegen und Grace schüttelte nur leicht den Kopf.

„Kann ich dir irgendwas bringen?“, wollte er wissen, doch in diesem Moment kippte sie dem Südländer entgegen und er fing sie schnell auf.

„Olivia?“, fragte er nachdem er auf ihre Namensschild geschaut hatte und tätschelte ihr leicht die Wange. Er bemerkte, dass sie flach atmete, und legte sie auf dem Boden ab, um ihr die Beine etwas hoch zu lagern.

Mittlerweile waren auch schon andere aus der Küche herbeigeeilt und irgendjemand rief, dass sie einen Notarzt holen musste, doch in diesem Moment blickte die Agentin verwirrt blinzelnd auf, und krächzte etwas.

Sie wusste nicht wo sie war – oder zumindest tat sie so! Es lief perfekt! Sie musste die anderen nur dazu bringen, dass sie in einen Nebenraum gebracht wurde.

„Was ist passiert?“, fragte sie und der Kellner welcher sie aufgefangen hatte, erklärte ihr, dass sie ohnmächtig geworden sei.

Grace legte sich mit ihrem ganzen schauspielerischen Talent ins Zeug und sah verlegen drein ehe sie rot wurde. Als sie scheinbar erst jetzt die Unruhe wahrnahm versuchte sie aufzustehen, doch schwankte, so dass ihr ‘Retter‘ sie stützen musste.

„Das ist nur ein Migräneanfall – ich muss einfach für einige Zeit in einen ruhigen Raum. Am besten wo ich das hier alles nicht mitbekommen“.

Jemand hatte Creed informiert, denn dieser tauchte plötzlich hinter ihr auf und legte ihr die Hand auf die Schulter.

„Wir haben hier einen kleinen Salon, dort können Sie sich auf dem Sofa ausruhen“, erklärte er freundlich und Grace war beinahe überrascht – sie hatte ihn anders eingeschätzt.

Immer noch die Schwache spielend ließ sie sich von dem Politiker und ihrem Kellner-Kollegen zu dem Raum helfen und legte sich dort aufs Sofa.

„Es muss einfach alles dunkel und ruhig sein. Für wenige Minuten, dann geht es mir wieder gut“, flüsterte sie und schloss die Augen.

Carlos, der Kellner, erwiderte noch irgendwas, doch sie tat so, als ob sie eingeschlafen sei und beide Herren verließen den Raum.

Kaum war die Türe hinter ihnen zu, öffnete sie die Augen in der Dunkelheit. Auf dem Weg zum Sofa hatte sie durch die halb geschlossenen Augenlider einen Plan des Raumes in sich verankert – sie wusste also, wo Tische und Stühle standen.

Sie wartete drei Minuten ab, schlich dann immer noch im Dunkeln zur Tür und legte das Ohr dagegen. Draußen war niemand mehr und so öffnete sie die Tür, lugte nach draußen und erst als sie auch visuell gesichert hatte, dass sie alleine war, schlich sie nach draußen, schloss die Tür wieder hinter sich und tippelte auf Zehenspitzen hinüber zu Creeds Arbeitszimmer.

Auch dort war niemand, zum Glück.

Grace lief zum Schreibtisch und ließ den Schein der kleinen Taschenlampe darüber huschen. „Mist“, murmelte sie und ihr wurde wieder bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, wonach sie überhaupt suchte.

Vorsichtig öffnete sie eine der Schreibtischschubladen, durchsuchte diese systematisch und schnell, entdeckte jedoch nichts Interessantes.

Doch dann, im untersten Schub der Aktenablage entdeckte sie einen Umschlag.

Sie war bereits wieder aufgestanden, stand mit dem Rücken zur Tür und zog den Umschlag nun heran, sie holte den Inhalt heraus und war verdutzt.

Es handelte sich scheinbar um eine Tabelle in der die Beliebtheit der Politiker eingetragen war, unter anderem natürlich auch die von Creed – er stand jedoch weiter unten auf der Liste.

Was hatte das zu bedeuten? Behielt Jane recht und der Politiker hatte seine Tochter aus Werbezwecken verschwinden lassen?

Die Agentin war so vertieft in ihre Gedanken, dass sie weder hörte noch sah, dass sich die Tür einen Spalt öffnete und sich dann wieder schloss.

Jemand hatte den Raum betreten, und dieser Jemand wusste nun, dass sie nicht einfach eine Bedienung war, sondern eine Spionin.

Sie hatte gerade die Kamera aus der Hosentasche geholt und der erste Blitz lichtete die Dokumente ab, als Grace das Gefühl des Unwohlseins bemerkt, und bereits in diesem Moment einen harten Schlaf auf die hintere Schädeldecke bekam, woraufhin sie – dieses Mal wirklich – in sich zusammenbrach und nichts mehr um sich herum wahrnahm.
 

*****
 

Wayne schrak hoch und starrte um sich. Hatte sein Handy geklingelt?

Er griff nach dem kleinen Gerät, doch da war nichts. Er hatte von Grace geträumt. War sie schon zu Hause? Hatte sie etwas herausgefunden?

Er tippte ihre Nummer ein, brach den Vorgang allerdings ab, als ihm klar wurde, was er tat.

Genau das wollte sie nicht! Sie wollte nicht, dass er sich übertriebene Sorgen um sie machte. In wenigen Stunden würde er sie sehen, und dann würde sie dem Team vielleicht wichtige Erkenntnisse liefern können.

Mit dieser Ausrede beruhige er seinen rastlosen Geist und legte sich wieder in die Kissen – doch Schlaf fand er keinen mehr und so blieb er wach bis am Morgen sein Wecker klingelte.

Searching for truth

Als er am Morgen ins Büro kam, bemerkte Wayne schnell, dass etwas nicht stimmte.

Grace, welche eigentlich immer die Erste war, saß nicht auf ihrem Platz, war aber auch nicht in der Küche oder bei Lisbon im Büro – außerdem schien seine Chefin ihm die ersten Minuten aus dem Weg zu gehen.

Doch dann kam Cho mit einem eingetüteten Dokument zur Tür herein und die Stimmung erreichte den Tiefpunkt.

„Auch an diesem Brief nichts!“, grummelte er und ließ sich an seinem Schreibtisch auf den Stuhl fallen.

„Was ist los?“, fragte Wayne und in diesem Moment traten Lisbon und Jane zu den beiden Agenten.

„Weiß ich was nicht, was ihr anderen wisst?!?“, fragte er nun irritiert und sah vom einen zum Anderen bis Patrick das Wort ergriff. Dieser konnte sich gut vorstellen, dass Wayne komplett ausrasten würde, wenn er erfuhr was geschehen war.

„Rigsby, sieh mich an“, sagte er langsam und wartete bis dieser ihm in die Augen blickte.

„Wir wurden vorhin durch Agent Hightower informiert, dass ein Brief eingegangen wäre, der an unsere Einheit gerichtet war“. Er setzte kurz ab und entschied sich schließlich dazu das alles sehr kurz zu machen. „Grace wurde entführt, offensichtlich ist sie irgendwas auf die Spur gekommen“, unterbreitete er dem Braunhaarigen, welcher daraufhin wie von der Tarantel gestochen aufsprang.

„Was?!?“, entfuhr es ihm und er starrte die anderen an. „Wieso erfahre ich erst jetzt“, „Wir hatten erst überlegt dich anzurufen, fanden es für deine Gesundheit allerdings besser, wenn du erst hier erfährst was geschehen ist“, unterbrach sie ihn verlegen. „Wir wollten dich nicht gefährden, und wir konnten uns denken, dass du aufgebracht bist“.

„AUFGEBRACHT?“, schrie Wayne und fing an auf und ab zu laufen. „Verdammt! Ich hab ihr gesagt, dass die Sache zu heiß ist – ich habs euch allen gesagt!“. Er funkelte sie an.

„Wieso glaubt mir eigentlich keiner?!?“.

Kimball sah seinen besten Freund an und gab ihm dann den Entführerbrief.

„Wir glauben dir sehr wohl, nur Grace ist nicht aufgeflogen. Es war offensichtlich ein Zufall, das schreibt der Entführer. Er schreibt, dass es klug von uns war so etwas zu planen, nur dass er sie eben erwischt hätte – und ebenso wie bei Cordelia will er, dass wir die Sache publik machen“.

In diesem Moment kam Agent Hightower zu ihnen und sah Rigsby streng an. „Hören Sie auf hier herum zu poltern“, verlangte sie und er starrte sie so böse an, als ob sie davon tot umfallen würde, doch sie ließ sich nicht beeindrucken.

„Vielleicht ist es besser, wenn ich Sie alle“, doch schon wurde sie unterbrochen.

Allerdings unerwarteter Weise von Cho, welcher ihr nun sagte, dass sie es nicht wagen sollte sie von dem Fall abzuziehen, denn dann würden sie alle nicht herausfinden, ob es so mit der Einheit weiterging. Die Situation wie sie nun war, war eine die alles auf den Prüfstand brachte.

Das jemand aus ihrer Einheit verschwand war nicht sehr häufig, und grade bei Grace war eben schon die Sache zwischen ihr und Wayne, und die Unstimmigkeiten der letzten Tage…

Cho hatte ernst und mit fester Stimme gesprochen und scheinbar hatte Madeleine keine Lust ihm zu widersprechen, doch sie seufzte etwas, ehe sie weitersprach.

„Wir haben eine Suchmeldung nach Agent van Pelt herausgegeben, in der wir allerdings weiterhin nach Olivia Henriks suchen“.

Wayne ballte die Fäuste bei dem Versuch ruhig zu bleiben und Patrick schien seine Gedanken zu lesen.

„Aus welchem Grund halten wir ihren Namen weiterhin verdeckt? Wenn der Entführer sie festhält hat er längst herausgefunden wer sie wirklich ist, sonst hätte er uns nicht kontaktieren können. Wird es ihn unter Umständen nicht wütender machen, wenn wir ihn in der Öffentlichkeit verspotten?“. Er schluckte unmerklich, denn in diesem Moment musste er wieder an Red John denken. Ihn hatte er im Fernsehen quasi enthüllt und das hatte dem Killer nicht gefallen, und so mussten seine Frau und seine Tochter sterben.

Er starrte zu Boden ehe er wieder zu seiner obersten Vorgesetzten blickte.

„Ich habe keine Ahnung, was in Sie alle gefahren ist“, meinte diese nun und sah etwas verkrampft aus. „Wir können natürlich auch nach ihrer wahren Identität suchen, nur dann erinnert sich vielleicht niemand an sie“, erneut wurde sie unterbrochen.

„Natürlich erinnert sich jemand an sie, schließlich bleibt ihr Aussehen im Gedächtnis hängen und nicht der Name. Wenn wir also ein Bild in die Suchmeldung einbauen, so wird sie jeder erkennen“, sagte Wayne und ging wortlos zu seinem Schreibtisch, öffnete die oberste Schublade und zog ein Foto von Grace heraus.

Dieses war während ihrer Beziehung entstanden und darauf sah man seine Ex-Freundin in die Kamera lächeln, das rote Haar schimmerte im Sonnenlicht und sie trug eine Sonnenbrille mit der sie das Haar nach hinten gehalten hatte.

„Wir geben dieses Bild an alle TV-Sender weiter, sie sollen es mit einblenden. Man sieht ihre Haare, ihr Lächeln und ihre Augen. Wer sie gesehen hat, der wird sie nicht vergessen!“, sagte er entschieden.

Lisbon hatte in diesem Moment starke Bedenken, dass ihre Chefin zu belehren anfangen würde, weil Wayne das Bild noch immer bei sich hatte, doch zu ihrem Erstaunen hielt die Dunkelhäutige den Mund und nahm das Bild stumm entgegen.

„In Ordnung – aber das geht auf Ihre Verantwortung“, erinnerte sie Wayne.

„Ich weiß“, erwiderte dieser, „doch ich könnte mich schon ohnehin sonst was, weil ich sie nicht davon abgehalten habe diesen Job zu machen – ich hab gewusst, dass es schief geht!“.

In seinem Kopf verdrehten sich Schuldgefühle mit Wut über ihre Starrköpfigkeit, doch eigentlich war doch das ein Teil an ihr, welchen er liebte. Kurz schloss er die Augen und rief sich die ruhige Stimme seiner Ex-Freundin ins Gedächtnis. Sie würde ihm sagen, dass er sich keine Gedanken machen solle, doch genau das tat er!

Er machte sich verdammte Vorwürfe, weil er sie hatte gehen lassen – nicht nur in der Situation mit dem Job…

Hightower verabschiedete sich von dem Team und ging nach oben um sämtliche TV- und Radiosender über Grace Verschwinden zu informieren und ihnen das eingescannte Foto von ihr zukommen zu lassen.
 

*****
 

Dunkelheit, Stille und ein Gefühl der Taubheit und Bewegungslosigkeit hatte Grace in seinen Klauen gehalten und nur langsam schaffte sie es sich an die Oberfläche dieses Zustandes zu kämpfen.

Das Erste was sie wahrnahm war Kinderlachen, dann eine männliche Stimme und schließlich eine Tür die sich schloss und die Kinderstimme wurde abgedämpft. Vorsichtig versuchte sie sich zu bewegen und wandte sich somit erst ihrer rechten Hand zu und merkte mit Erleichterung, dass sie diese bewegen konnte, ebenso wie die linke.

Nun bewegte sie langsam den Oberkörper und als sie zu den Schultern kam, stöhnte sie unwillkürlich auf.

„Bleiben Sie ruhig liegen“, hörte die Rothaarige nun die Stimme von grade eben. Der Mann schien ganz in ihrer Nähe zu sein und nach dem wie er sie ansprach, kannten sie sich nicht – was tat er also bei ihr? Wo war sie überhaupt!?

Sie öffnete die Augen und merkte, dass es um sie herum sehr dunkel war, sie sah nur einen leichten Schatten neben sich.

Ein beinahe hünenhafter Mann schien neben ihr auf einem Stuhl zu sitzen.

„Wer sind Sie?“, brachte sie hervor, doch ihre Zunge schien ihr nicht zu gehorchen und ihre Kehle war staubtrocken.

Ihre Frage wurde nicht beantwortet, sondern der Fremde setzte ihr ein Glas an die Lippen und sie trank ohne sich zu wehren – es war ohnehin nur Wasser, so hoffte zumindest.

„Wie fühlen Sie sich?“, kam nun eine Gegenfrage und sie musste kurz etwas nachspüren bevor sie antwortete.

„Ich fühle mich wie ein gerupftes Huhn“, murmelte sie. Langsam nahm sie den Pochenden Schmerz in ihrem Kopf wahr, ebenso wie das leichte Schwindelgefühl und eine dumpfe Übelkeit. Sie äußerte verlegen ihre Beschwerden und wiederholte nun ihre Frage.

„Sie sind aber auch dickköpfig“, erwiderte er und sie konnte hören, dass er leise lachte.

„Mein Name ist Randolf. Und Sie heißen Olivia, stimmts?“, fragte er, denn schließlich war er von dem Schild an ihrer Bluse ausgegangen.

„Olivia? Wie kommen Sie denn darauf?“, fragte Grace und dachte einige Minuten still nach bis ihr wieder einfiel was in den letzten Minuten geschehen war, an welche sie sich erinnern konnte und somit stieg Panik in ihr auf. Der Mann der bei ihr war, musste der sein, der sie niedergeschlagen hatte.

Sie rappelte sich auf, stand schneller auf ihren Beinen, als er hatte schauen können, doch diese gaben auch sehr schnell unter ihr nach und er fing sie auf, ehe sie zu Boden fiel.

„Nicht so hastig“, meinte er sanft. „Was haben Sie denn?“, wollte er wissen und konnte sie irgendwie beinahe denken, was im Kopf der jungen Frau vorging. „Ich bin nicht der, für den Sie mich halten!“, erklärte er vorsichtig, doch sie wehrte sich gegen ihn.

„Lassen Sie mich das selbst entscheiden!“, keifte sie, doch merkte schnell, dass es keinen Sinn hatte sich gegen ihn zu wehren, außerdem tat er ihr ja auch nichts. „ich will ihr Gesicht sehen!“, murmelte sie.

„Wenn ich das Licht anmache, kann es sein, dass Sie starke Kopfschmerzen bekommen. Wer sie hergebracht hat, scheint Ihnen kräftig was auf den Kopf gegeben zu haben“.

Grace traten Tränen in die Augen und sie rutschte so weit von dem Mann weg, wie es nur ging. Ihre Gefühle schienen sich zu spalten.

Einerseits hatte sie eine irre Angst, dass er ihr etwas tat – doch hätte er es nicht längst tun können?

Ebenso die Sache, dass ihr Gefühl genau wusste, wer er war – doch ihr Verstand wollte das nicht wahrhaben.

Er war der Mann den sie gesucht, aber nicht angetroffen hatte, er war derjenige dessen Aufenthaltsort sein Komplize nicht preisgeben wollte.

Das Kinderlachen musste von Cordelia stammen, doch das konnte sie nicht wissen, weshalb sie danach fragte. Sein brummen war ein „Ja“ und sie verspannte sich noch mehr.

In diesem Moment klopfte es an die Tür und diese öffnete sich einen Spalt.

„Randolf, brauchen Sie oder Olivia etwas?“, fragte eine Frauenstimme mit leichtem Akzent, während Grace etwas versuchte zu erkennen, doch das Schmerzgewitter welches in ihrem Kopf anfing, sobald das Licht ihre Netzhaut berührte, zwang sie dazu, ihre Augen zu schließen.

„Ich wollte nämlich kurz die Kleine baden, und falls sie bei Olivia bleiben wollten“, erklärte die Stimme.

„Olivia ist wach“, erwiderte Randolf, und sagte der Frau dann, dass sie später vielleicht eine Schmerztablette brauchen würde, aber momentan alles in Ordnung sei.

Die Kommunikation verlief äußerst freundlich und irgendwie machte das alles keinen Sinn.

Cordelia schien hier vollkommen umsorgt zu sein, und wer war diese Frau? Und erneut die Frage: Wo war sie?!?

Als sie sich aufrichtete, wurde ihr schwarz vor Augen, doch sie strengte ihre Muskeln an, und nach kurzem Warten ging es wieder.

„Ich muss zur Toilette“, nuschelte sie und ihr wurde klar, dass sie es alleine nicht schaffen würde und sie wusste auch nicht, ob die Zeit noch reichte, denn der Brechreiz war kaum mehr zu unterdrücken.

Mister Unbekannt schien verstanden zu haben und hob sie hoch, ohne noch etwas zu sagen.

Als sie im Bad war und er das Licht im Zimmer anknipste, damit die Verletzte nicht zu viel Helligkeit abbekam, sah er wie blass sie geworden war.

„Ist Ihnen schlecht?“, fragte er nach und sie nickte vorsichtig, woraufhin er sie zur Toilette brachte, und dort sanft auf dem Boden absetzte.

„Wollen Sie kurz versuche ob es stark schmerzt, wenn Sie die Augen öffnen?“, wollte er wissen und sie tat was er vorgeschlagen hatte, doch das Licht war trotz abgedimmert Helligkeit zu extrem und sie legte die Hand vor die Augen.

Er überlegte kurz, was er tun sollte… Wenn ihr schlecht war und sie sich übergeben musste, wollte er eigentlich nicht dabei sein, denn vielleicht war es ihr unangenehm? Doch wenn sie Hilfe brauchen würde, und davon ging er aus, dann musste er hier sein.

Er sah in den Schrank über dem Waschbecken und fand Haargummis, mit welchen er ihr Haar zurückband, nachdem er es angekündigt hatte – nur locker natürlich, denn dort wo das Haar nun in seinen Pferdeschwanz zusammenlief, war die Verletzung.

Wieder ärgerte er sich ungemein darüber, dass der andere offensichtlich so stark zugeschlagen hatte, und dass er selbst nicht wusste, wer dieser jemand war!

Seine Gedanken wurden jedoch davon abgelenkt, dass die Rothaarige neben ihm deutlich unruhig wurde und etwas fahrig mit geschlossenen Augen durch die Gegend fuchtelte.

Sie hatte die Lippen zusammengepresst, und er wusste was er tun musste.

Er klappte Klodeckel und Klobrille nach oben, und half der anderen sich etwas über die Schüssel zu bewegen, ehe sie sich erbrach. Sanft strich er mit der flachen Hand über ihren Rücken und redete flüsternd auf sie ein, wie ein Vater auf sein krankes Kind.

In dem ganzen Chaos bemerkte Grace wie sanft Randolf zu ihr war. Konnte er der sein, den sie gesucht hatten?

War er der mehrfach wegen Mord Angeklagte, der aber immer wieder davongekommen war? Wieso lebten Cordelia und sie dann überhaupt noch? Er war ein Killer, also wieso sollte er ihr hier beistehen, und das Kind zum Lachen bringen?
 

*****
 

Wie jeden Tag, hatte Toni als erstes seinen Fernseher angeschaltet und war dann durch die Wohnung gelaufen, teilweise Dinge wegräumend oder auf der Suche nach bestimmten Sachen.

Nachdem er sich eine Portion French Toast mit Ahornsirup und Obstsalat, sowie einen Latte Macchiato gemacht hatte, setzte er sich mit seinem Frühstück vor die Mattscheibe und schaute die Nachrichten.

An einem Stück Birne hätte er sich schließlich beinahe verschluckt, als er plötzlich das Bild der jungen Kellnerin sah, welche gestern auf der Party bei Creed zusammengebrochen war – es war eine Suchmeldung, jedoch passte der Name nicht. Die Polizei bat um Hinweise, und eine Nummer wurde eingeblendet.

Er griff ohne zu Zögern nach seinem Handy und wählte die angegebene Nummer, wodurch er mit einer Polizeizentrale verbunden wurde.

Das CBI – Team hatte den Polizisten gesagt, dass nur Leute mit konkreten Hinweisen auf Olivia Jenkins, beziehungsweise die Party bei Creed zu ihnen weitergeleitet werden sollten. Toni, der natürlich erwähnte, dass er sie gestern dort gesehen hatte, bekam die Adresse des CBI-Büros und wurde darum gebeten möglichst schnell dort hinzufahren, was er auch tat, nachdem er schnell in ein T-Shirt geschlüpft war, seine Jeans hatte er schließlich schon getragen.

Nach einer knappen dreiviertel Stunde Fahrt kam er bei der genannten Adresse an und bekam einen Besucherausweis, mit welchem er in das Büro des Teams kam, welches nach Olivia suchte – oder Grace, wie auch immer sie nun hieß!
 

*****
 

Wayne saß zusammengesunken an seinem Tisch, als das Telefon klingelte. Er nahm beinahe lustlos ab, wurde dann jedoch sofort lebendig, als der Polizist am anderen Ende der Leitung ihm sagte, dass ein Zeuge Grace gesehen habe und in geraumer Zeit im Büro auftauchen würde um eine Aussage zu machen.

Er legte auf, und lief zu Lisbon.

„Es gibt einen Hinweis auf Grace“, meinte er etwas atemlos und blickte seine Chefin an.

„Der Zeuge wird bald hier sein, ich werde es Hightower sagen“, meinte er doch Teresa hielt ihn zurück.

„Ich werde es Madeleine sagen“, meinte sie nur fest und er nickte. „Das ist nicht böse gemeint Wayne, nur bist du momentan sehr angespannt was die ganze Situation angeht, was ich auch gut verstehen kann, doch unter Umständen wirst du ausfallend wenn sie nicht ganz so reagiert, wie du willst – und davor will ich uns alle schützen“. Die letzten Worte hatte sie mit einem sanften Lächeln ausgesprochen und fuhr ihm kurz mit der Hand über den Arm.

„Ich bin mir sicher, dass alles wieder in Ordnung kommen wird – das kann ich dir nur immer wieder sagen, Wayne“, erklärte sie und ging dann mit ihm nach draußen.

„Du und Cho, überlegt euch, was wir nachher mit Ardin reden – denn jetzt ist es ja offensichtlich. Oder zumindest kommen immer mehr Dinge die darauf schließen lassen, dass die beiden damit zu tun haben“.

Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen, lief die Wendeltreppe nach oben, die Galerie entlang und hielt schließlich vor Hightowers Bürotür an, welche halb offen stand.

Die Dunkelhäutige saß an ihrem Schreibtisch und hielt das Foto von Grace in der Hand.

Waynes Reaktion in dieser Situation zeigte ihr vieles und sie fragte sich, was sie tun sollte. Eigentlich wäre es nur zu sehr ihr Recht, dass sie nun wirklich einen Schlussstrich zog und einen der beiden Agenten entließ – doch etwas in ihr sträubte sich dagegen.

Sie wusste, dass sie streng zu den beiden gewesen war, und sie wusste auch, dass man ihr nicht angesehen hatte, wie leid es ihr eigentlich tat, denn Grace und Wayne waren ein nettes Paar, und gute Kollegen – oder zumindest waren sie es gewesen, ehe sie es verpfuscht hatte.

Ihre Gedanken wurden von einem Klopfen unterbrochen und sie hob den Kopf.

„Ah Lisbon, kommen Sie herein“, meinte sie einladend und wies die andere an, die Tür hinter sich zu schließen.

„Irgendwelche Neuigkeiten?“, wollte sie wissen und bot Lisbon den Stuhl an, auf welchen diese sich auch setzte.

„Wir haben einen Zeugen, der erstens wusste, dass Grace Olivia hieß und der wohl auf der Party bedient hat – er kommt hierher“, berichtete sie schnell.

„Gut, das ist doch immerhin mal ein Fortschritt, dann sind wir gespannt, was er uns erzählt. Sie sollten auch noch einmal mit Ardin sprechen, denn ich will wissen, was er und sein Komplize vorhaben“.

Teresa nickte. „Genau das hatte ich meinem Team grade auch gesagt“, meinte sie lächelnd.

Sie dachte kurz darüber nach, ob sie Hightower auf grade ansprechen sollte, doch sie ließ es bleiben und erhob sich. „Ich werde Ihnen nachher sagen, was sich ergeben hat“, meinte sie und verließ das Büro nachdem die Chefin dies mit einem Kopfnicken abgesegnet hatte.
 

*****
 

Etwas verwirrt sah er sich in dem Büroraum um und ging schließlich zu einem blonden Mann hin, der auf einem braunen Ledersofa lag. Etwas zögernd sprach er diesen an.

„Entschuldigen Sie?“, meinte er freundlich und der Blonde öffnete die Augen.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte Jane als er sich erst aufsetzte und dann ganz ins Stehen kam um den Mann genauer anzusehen.

„Ich bin hier wegen Olivia – äh, ich meine natürlich Grace. Ich soll zu Agent Teresa Lisbon“, antwortete Toni und der Mentalist lächelte ihn an.

„Meine Name ist Patrick Jane, ich bin Sonderberater der Einheit“, grinste er und rief dann nach Lisbon, welche aus ihrem Zimmer kam. Cho und Rigsby hatte sie im Schlepptau, hatten die drei doch gerade die Vorgehensweise wegen des Verhörs besprochen.

Lisbon stellte sich und die anderen vor. „Ich heiße Toni Farell“, erklärte der Italiener und sah die anderen offen an.

„Also, was können Sie uns sagen, Toni?“, meinte Wayne drängens und in der Hoffnung, dass es den anderen nicht störte, dass er ihn beim Vornamen nannte, was allerdings nicht der Fall zu sein schien.

„Also, ich habe Olivia Henriks, oder eben Grace“, er unterbrach sich kurz und fing einen neuen Satz an. „Wie heißt die Dame denn jetzt? Grace, oder Olivia – ich bin verwirrt“, erklärte er.

Wayne bestätigte ihren richtigen Namen und so setzte der Italiener erneut an.

„Also, ich habe Grace gestern bei Creed auf dieser Hausparty getroffen – sie war in meiner Bedienungsgruppe, das heißt wir hatten Pause während des Hauptganges. Wir sind also nach dem Servieren des Hauptganges in die Küche um dort die anderen nötigen Dinge zu tun. Dort hatte sie allerdings einen Zusammenbruch – sie meinte, dass sie einen Migräneanfall hätte und deswegen Ruhe und Dunkelheit bräuchte. Creed und ich haben sie dann in einen Saloon gebracht, und dort hat sie sich hingelegt und sofort geschlafen“, erzählte er nun.

Lisbon war nicht entgangen, dass Wayne zusammenzuckte, als Toni davon erzählte, dass Grace zusammengebrochen sei. Doch sie ging nicht näher darauf ein, darüber würden sie später sprechen.

Sie warf einen kurzen Blick zu Jane und dieser sah ziemlich zufrieden aus.

„War das das letzte Mal, dass Sie sie gesehen haben, und wenn ja, wann war das?“, wollte Cho nun wissen und hatte einen Notizblock hervorgeholt.

Der andere dachte kurz nach. „Warten Sie, ich will nichts durcheinanderwerfen… Der Zeitplan war sehr straff. Der Zusammenbruch müsste zwischen 21.35 Uhr und 21.50 gewesen sein. Also um es stärker einzugrenzen“, er dachte nach und ließ sich den Abend nochmal bildhaft vor den Augen ablaufen. Wie viel Uhr war es gewesen, als er mit Creed in die Küche zurückging wo dieser verkündet hatte, dass es keinen Grund zur Sorge gäbe und es der jungen Kellnerin wohl bald wieder besser ginge?

„Es war 21.48Uhr als wir zurück in die Küche sind, also zurückgerechnet muss sie so um 21.38 Uhr zusammengebrochen sein. Denn ich weiß noch, dass wir einige Minuten noch in der Küche waren, bis sie wieder wach wurde und Mister Creed uns eben gesagt hat, wo sie hin kann. Also pi mal Daumen wird 21.46 Uhr der letzte Zeitpunkt gewesen sein, an dem ich Grace gesehen habe, denn als ich nach der Nachspeise, das war so gegen 22.45 Uhr nach ihr sehen wollte, weil sie nicht zurückgekommen war, da war sie verschwunden“, erklärte er.

Das Team hatte ihm aufmerksam zugehört.

„Was heißt, sie war verschwunden?“, wollte Patrick wissen und sah dem anderen in die Augen.

„Naja, verschwunden eben – sie war nicht mehr in dem Raum, aber eben auch nicht in der Küche, auf den Bedienstetentoiletten, oder unter den Gästen. Ihr leuchtendes Haar hat man ja von Weitem gesehen, ich hätte sie in der Menge wiedergefunden“.

„Wieso war es Ihnen so wichtig sie wiederzufinden?“, fragte Wayne beschützerisch und beinahe etwas eifersüchtig.

Erst wollte Lisbon dem Zeugen sagen, dass er darauf nicht antworten musste, doch sie ließ es, denn es war eigentlich eine gute Frage – wieso war dieser so fixiert darauf gewesen sie zu finden?

„Ist ein wenig persönlich“, meinte er und wuschelte sich durchs Haar. „Die Kurzfassung: Meine kleine Schwester hatte früher häufige, sich steigernde Migräneanfälle. Hieß, dass der erste vielleicht nicht so schlimm war, diese sich aber steigerten. Naja, nachdem Grace erwähnte, dass es eben ein Anfall sei, machte ich mir Sorgen und fragte mich, ob es vielleicht falsch war sie alleine zu lassen, denn meine Schwester hat sich bei einem ihrer Migräneanfälle durch einen Kreislaufzusammenbruch das Genick gebrochen. Ich habe einfach nach Grace gesucht, weil ich mir Sorgen machte – doch als ich sie nirgends fand und auch ihre Tasche nichtmehr in ihrem Küchenfach lag, dachte ich, dass sie nach Hause gefahren sei – oder eben zu einem Arzt“.

Patrick nickte verstehend, der Mann sagte die Wahrheit. Er hatte sich einfach nur Sorgen um Grace gemacht, da er selbst etwas erlebt hatte was damit zusammenhing.

„Wieso suchen Sie eigentlich nach ihr? Hat sie etwas angestellt?“, wollte Toni doch etwas neugierig wissen.

Alle schwiegen, doch plötzlich stand Agent Hightower in der Tür und sah den Verhörten an.

„Sie ist ein Mitglied dieser Einheit und seit gestern Abend verschwunden. Wir wollen einfach rekonstruieren können, was geschehen ist“, sagte sie ernst und das war alles was sie an Auskunft gab.

„Es wäre sehr nett, wenn Sie uns ihre Telefonnummer hinterlassen könnten, damit wir Sie im Falle von neuen Fragen noch einmal Kontaktieren können“, erklärte sie schließlich.

„Und wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann rufen Sie Agent Lisbon an, sie wird Ihnen Ihre Nummer geben“.

Mit diesen Worten verließ die Vorgesetzte den Raum wieder und ging zurück in ihr Büro, sie hatte alles mitbekommen und fragte sich nun, wo sie weitermachen sollten.

Das Team hingegen verabschiedete sich von dem Zeugen, Cho geleitete ihn zum Aufzug und die anderen saßen nachdenklich am Tisch.

„Er sagt auf jeden Fall die Wahrheit“, erklärte Patrick und sowohl Lisbon als auch Wayne glaubten ihm.

Als Cho zurückkam, begann Teresa zu sprechen. „Wayne und Patrick, ihr fahrt erneut zu Creed. Redet mit ihm und hört euch seine Version der ganzen Sache an“, forderte sie und beide stand eilends auf, und verließen das Büro.

„Wir beiden“, sie sah zu Cho, „werden Ardin erneut in die Zangen nehmen – irgendwann muss er ja nachgeben. Wir sollten ihm die Entführerbriefe zeigen, vielleicht fällt ihm dann ja etwas ein“.
 

*****
 

Besorgt saß er neben ihrem Bett, kontrollierte immer wieder ihren Puls und legte ihr kalte Tücher auf die Stirn.

Nachdem Olivia sich übergeben hatte, war sie ohnmächtig geworden und er hatte sie ins Bett gebracht. Nun schlief sie seit einigen Stunden. Hatte sie Schaden an dem Schlag genommen? Sie hatte ihn gefragt, wieso er sie Olivia nannte… doch an Cordelia konnte sie sich erinnern, und offensichtlich hatte sie auch in irgendeiner Weise eine Ahnung wer er war – oder war dies vielleicht ebenso durch den Schlag entstanden?

Sie brummte etwas und drehte sich im Bett, sodass er im schwachen Schein der Kerzen ihr Gesicht sehen konnte. Ihre Augenlider zitterten etwas, als sie vorsichtig blinzelte.

„Au“, brachte sie hervor und legte die Hand über die Augen.

„Immer noch so lichtempfindlich?“, fragte Randolf nach und stellte ein Buch vor die Kerze, sodass das Licht nicht direkt auf sie fiel. „Sie sollten vielleicht etwas essen und dann eine Schmerztablette nehmen, vielleicht wird es dann besser“.

Er sah trotz der Dunkelheit, dass die Rothaarige ein fragendes Gesicht machte.

„Olivia, haben Sie mich gehört?“, fragte er da sie nicht wirklich reagierte, doch nun sah sie in seine Richtung.

„Ich heiße nicht Olivia, mein Name ist Grace“, antwortete sie schließlich. „Und noch einmal meine Frage, wer sind Sie?“. Sie konnte ihn auch jetzt bei Kerzenlicht noch nicht richtig erkennen und vorhin im Bad hatte sie die Augen geschlossen gehabt.

„Ist das Absicht, dass sie kein richtiges Licht anmachen?“, hakte sie nach und er antwortete wie vorhin, dass sie dadurch vielleicht noch stärkere Kopfschmerzen bekommen würde.

Randolf wollte etwas erwidern, doch in dem Moment ging langsam die Tür auf, Grace hörte ein Tippeln und sah dann wie ein zierliches, blondes Mädchen auf Randolfs kletterte. Das Kind musste Cordelia sein – zumindest nahm Grace das in der Dunkelheit an.

„Kommst du heute gar nicht mit mir spielen?“, fragte das kleine Mädchen mit beinahe beleidigter Stimme und Randolf strich ihr offensichtlich durchs Haar. „Delia, ich hab dir doch gesagt, dass ich auf die Meerjungfrau aufpassen muss, weil es ihr nicht so gut geht“, erklärte er.

„Du hast außerdem doch Cida, spielt sie nicht mit dir?“, fragte er und die Kleine schüttelte den Kopf.

„Sie schläft, weil eigentlich muss sie mittags ja nicht mit mir spielen, also wenn ich zu Hause bin. Da ist sie immer nur morgens da“. Das war kindliche Logik! „Aber die Meerjungfrau ist doch wieder wach“, wisperte das Mädchen schließlich und zeigte auf Grace, welche nun verstand was los war.

Rötliches, langes Haar – in der Fantasie eines Kindes, welches vielleicht sogar ‘Arielle die kleine Meerjungfrau‘ kannte, lag es nahe sie Meerjungfrau zu nennen.

„Und sie kann doch auch mitspielen“, schlug Cordelia vor, doch schon hörte Grace von draußen eine Frauenstimme.

„Cordi, wo bist du?“, rief diese und fluchte dann auf Spanisch vor sich hin.

„Sie ist hier Cida“, rief Randolf wobei es in Graces Ohren anfing zu klingeln und sie das Gesicht verzog.

Ein weiteres Mal öffnete sich die Tür und die Frau von heute Morgen kam herein. Das wurde Grace nun doch zu viel und sie verkroch sich unter der Decke.

Zu viele Stimmen, zu viel Licht und die Kopfschmerzen, das war keine gute Mischung.

Sie konnte die Gedämpften Stimmen noch immer hören und bekam mit, dass die Kinderfrau Cordelia wieder mitnahm und der Mann ihr gesagt hatte, sie solle eine Suppe für Grace machen und ein Sandwich, damit sie etwas aß um hinterher eine Schmerztablette nehmen zu können.

„Sie können wieder hervorkommen, wenn Sie wollen“, kicherte er als sich die Tür scheinbar wieder geschlossen hatte.

Die Agentin tat wie ihr geheißen und lehnte sich gegen das Bettende.

„Sie sind Randolf Dare, stimmt das?“, fragte sie denn als sie kurz sein Gesicht gesehen hatte, war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen. Doch da ihr Gehirn grade ohnehin komische Dinge tat, konnte sie sich dem nicht sicher sein und würde somit auf seine Bestätigung warte. Bereits vorhin, oder wann das gewesen war, als sie zum ersten Mal wach wurde, hatte ihr ein Gefühl gesagt, dass er es sein musste, weshalb sie seine Sanftheit vermutlich auch so überrascht hatte.

Randolf hatte genickt, bestätigte ihre Frage jedoch auch verbal.

„Sie sind also tatsächlich in die Entführung verwickelt“, meinte Grace dann weiterhin ruhig. Vielleicht war das auch der offensichtlichen Gehirnerschütterung zuzuschreiben, dass sie in dieser Situation unglaublich ruhig blieb, obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass sie eigentlich eine total Panik vor diesem Typen haben sollte.

„Verwickelt ja, nur vermutlich nicht auf die Art und Weise die Sie denken“, konterte er.

„Dann erklären Sie es mir vielleicht, damit ich verstehe!?“, schlug sie vor und sah ihn im Halbdunkeln an.
 

*****
 

„Wenn dieser Arsch Grace was antut, bringe ich ihn um – wer auch immer es jetzt ist!“, zürnte Wayne.

Er saß auf dem Beifahrersitz von Janes Auto und starrte auf seine angezogenen Beine.

Patrick reagierte erst nicht und lachte dann. „Du musst noch viel lernen, Wayne“, meinte er tadelnd und der Braunhaarige sah ihn komplett verwirrt an. „Kannst du mir das kurz bitte erklären?“, wollte er wissen und Jane nickte.

„Wenn Grace da halbwegs heil rauskommt und du den Kerl umbringst, dann wirst du garantiert keine gemeinsame Zukunft mit ihr haben“, brachte er Wayne zum Nachdenken.

Seufzend gab dieser zu, dass Jane ja recht habe, aber es ihn trotzdem verrückt mache, dass er nicht wusste, was mit Grace war.

„Wir werden es hoffentlich bald herausfinden!“, erklärte der Mentalist und parkte vor dem Anwesen der Creeds. „Hoffentlich muss ich diesen Palast nicht noch öfters sehen, sonst werde ich aggressiv“, zischte er und die beiden betraten das Gelände.

Wie schon die letzten beiden Male wurden sie von Creed im Wohnzimmer empfangen, doch im Vergleich zu den letzten Malen wirkte er heute wesentlich ungehaltener.

„Was gibt es denn heute schon wieder? Haben Sie etwas Neues wegen unserer Tochter?“, wollte er wissen doch Wayne schüttelte den Kopf.

„Erinnern Sie sich an die junge Dame gestern Abend, die bedient hat und dann in der Küche zusammenbrach?“, wollte Patrick wissen und zeigte dabei mit der Hand auf den Politiker.

Dieser schien verwirrt. „Äh, ja Sie meinen Olivia. Der jungen Frau ist schlecht geworden, sie meinte sie habe einen Migräneanfall…“, fing er an und auch der Rest der Geschichte deckte sich mit der von Toni Farell.

Creed hatte Olivia nicht mehr gesehen, nachdem er sie in das Zimmer gebracht hatte.

„Können wir bitte alle Orte noch mal sehen, wo Grace sich aufgehalten hat?“, wollte Wayne wissen.

„Wer ist Grace?“, fragte Creed verwirrt. „Ich dachte sie suchen nach Olivia“.

„Jetzt kannst du es ihm auch sagen“, murmelte Patrick Wayne zu. „Würden Sie uns die Räume einfach kurz zeigen, dann erklären wir es Ihnen“, schlug der Mentalist vor.

Sie liefen die verschiedenen Räume ab in welchen Grace sich aufgehalten hatte, Wayne und Patrick erklärten hierbei, dass Grace eine ihrer Kolleginnen war die sich die ganze Situation angeschaut hatte.

Creed reagierte überraschend gelassen, doch was konnten sie ihm auch nachweisen?!?

Nachdem der Agent und der Sonderberater alles gesehen hatten, verabschiedeten sie sich und verließen das Haus.

Wayne zog sein Handy heraus und rief Lisbon im Büro an, um ihr zu sagen, dass sie nichts von Graces Sachen gefunden hatte. War dies nun ein gutes, oder ein schlechtes Zeichen?
 

*****
 

Randolf hatte darauf bestanden erst dann zu reden, wenn Graces Kopfschmerzen zurückgegangen waren und so wartete die Rothaarige nun auf die Wirkung der Schmerztablette und als diese endlich einsetzte, sah sie den Mann ihr gegenüber auffordernd an.

„So, schießen Sie los, ich bin ganz Ohr“, meinte sie beinahe etwas sarkastisch da sie noch immer nicht wusste, wie sie ihn einordnen musste.

„Beantworten Sie mir zuerst meine Fragen?“, bat Randolf und Grace zuckte mit den Schultern.

„Meinetwegen, zwar weiß ich nicht wozu das gut sein soll…“. Sie seufzte und hörte ihm dann zu.

„Wer sind Sie? Wo waren Sie gestern, bevor Sie hier hergebracht wurden? Woher wissen Sie meinen Namen? Und warum bringen Sie mich mit der Entführung in Verbindung?“.

„Das sind aber ziemlich heikle Fragen, finden Sie nicht?“, äußerte Grace, dachte dann jedoch nach. Irgendwas in ihr sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte und auch vertrauen musste – wieso auch immer.

Also begann sie zu sprechen. „Mein Name ist Grace van Pelt. Bevor ich gestern hierher kam, habe ich bei den Creeds auf eine Dinnerparty Kellnerin gespielt. Ähm, was noch… Achso, woher ich Ihren Namen weiß, muss wohl daran liegen, dass Sie ein unglaubliches Strafregister haben!“, endete sie und starrte ihn an. „Jetzt zu Ihnen!“, sagte sie doch wurde unterbrochen.

„Sie haben meine letzte Frage nicht beantwortet: Wieso bringen Sie mich mit der Entführung in Verbindung?“. „ Sind Sie immer so anstrengend?“, fragte Grace zurück und sah ihn frech an, entschied dann jedoch, dass es vielleicht besser war, wenn sie ihn nicht reizte, sondern seine Frage beantwortete, schließlich wusste sie ich nicht einzuschätzen.

„Wieso ich Sie damit in Verbindung bringe?!? Ich bin CBI-Agentin und uns wurde der Fall von Cordelia zugetragen. Sie und ihr Kumpane Mustafa Ardin waren beide auf einem Video zu sehen, welches von einer Überwachungskamera gemacht wurde. Und sagen Sie jetzt nicht, ich könne nicht sicher sein, dass Sie das sind – hat Ihr Kumpel auch schon versucht, jetzt sitzt er auf jeden Fall in Untersuchungshaft“.

Okay, die Gehirnerschütterung beeinträchtigte eindeutig ihr Denkvermögen!

Was zum Teufel tat sie das?!?

Sie konnte doch nicht einem der Hauptverdächtigen die gesamte Geschichte unterbreiten!

Zu ihrem Erstaunen lachte Randolf als sie geendete hatte. „Lachen Sie mich aus, oder was?“ fragte sie.

„Nein, nein“, meinte er hastig und beruhigte sich.

„Nun Ihre Fragen“, schlug er vor und sie sah ihn irritiert an. „Na los, Sie haben doch Fragen, oder?“. Grace nickte und überlegte dann kurz, was genau sie ihn fragen wollte.

„Was haben Sie vor dem Haus der Creeds gemacht, wieso halten Sie Cordelia hier fest? Welche Rolle spielt Ardin in der ganzen Geschichte?!?“.

Nun dachte er kurz nach, und sprach dann. „Was ich Ihnen gerne sagen würde, würden Sie mir ohnehin nicht glauben“, erklärte er. „Also zu Ihren Fragen: Ich habe das Haus nicht beobachtet, es ist ein schönes Gelände und es gibt viel zu sehen. Zu Cordelia: Ich halte sie hier nicht fest – es gibt keine andere Lösung. Und zu Ardin, keine Ahnung“.

Grace zog beide Augenbrauen nach oben, „Sie wollen doch wohl nicht, dass ich diesen Blödsinn schlucke?!?“. Sie war etwas ärgerlich geworden und er schüttelte den Kopf.

„Nutzen Sie ihren Kopf!“, entgegnete er plötzlich hart.

„Denken Sie an eine Sache, über welche Sie gestolpert sein müssten!“, forderte er sie auf. „Bloß nicht zu viel Information“, stichelte die Rothaarige und versuchte in ihrem Kopf zusammenzukratzen, was sie in den letzten Tagen alles über den Fall herausgefunden hatte.

Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen – es musste ein Geistesblitz gewesen sein, doch plötzlich fiel ihr ein, dass sie anfangs nach Namen hatte fragen lassen die scheinbar nicht existierten.

„Sie sind John Taylor?!?“, fragte sie und das Grinsen auf seinem Gesicht zeigte ihr, dass sie recht hatte. „Wieso sagen Sie mir das nicht einfach?!?“, wollte sie wissen und er zuckte die Schultern. „Ich musste wissen, wie viel Sie wissen“, fing er an, wurde dann aber sofort von Grace unterbrochen. „Aber warten Sie mal – als ich nach Ihnen und Mr. Özelic gesucht habe, fand ich nichts! Als würden Sie nicht existieren, deswegen kam mir die Idee die Nummernschilder auf den Kopf zu stellen. Wer sind Sie?!? Es muss doch einen Grund haben, dass nicht einmal das CBI einen Einblick in Ihre Akte hat, dafür aber jede Menge Missetaten auf Ihre Alias – Person gehen“.

Grace verstand die Welt nicht mehr, und der Mann ihr gegenüber konnte das gut verstehen. „Woran denken sie, wenn sie sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen lassen?!?“, fragte er, denn sie musste es selbst herausfinden. Sie war in keinem Verhör, in einer solchen Situation würde er seine Identität unter gewissen Voraussetzungen preisgeben dürfen – doch nicht hier. „Strengen Sie Ihren Kopf an. Sie sind clever genug um dahinter zu kommen!“.

Sie legte das Kinn in die Handfläche und dachte nach. Wieso sollte jemand zwei Identitäten haben, bei der einen nicht mal einen Strafzettel für Falschparken und bei der anderen sogar Morde am Hals? Und wieso konnte er nicht einfach mit der Erklärung herausrücken?

„Wieso gibt es von Ihnen keine Akte?“, dachte sie laut und hatte plötzlich eine Idee. „Okay, das ist jetzt total albern, aber ich habe grade gedacht, dass sie vielleicht eine Art James Bond sind, so Lizenz zum Töten und so, aber… wieso? Sind sie auch ein Agent?“. Würde er ihr überhaupt Antworten geben? Sie sah ihn an, und er sprach zwar nicht, doch er nickte. „Sie sind Agent?“, wieder ein Nicken.

„Na super, da haben sich ja wieder alle Dinge überschnitten“. Sie dachte weiter. Welche Behörde würde so sehr auf Geheimhaltung setzten? „Woher kommen Sie? Vom CIA, dem FBI, oder vom Justizministerium?“, wollte sie wissen. Andere Instanzen die so versessen auf ein Alias wären, fielen ihr nicht ein.

Er klatschte in die Hände. „Ja, was jetzt? Welche der Behörden?!?“, fragte er und sie dachte kurz nach. „Eigentlich würde nur Justizministerium passen, nach dem was ich gesehen habe“, schloss sie und meinte damit die Liste.

„Sie haben es erfasst“, meinte er nur und grinste sie stolz an, woraufhin sie ihn sarkastisch anblickte. „Das bringt uns beiden viel“, murmelte Grace mit ironischem Unterton, „meine Kollegen drehen Ardin durch die Mangel, und der sagt vermutlich kein Wort“.

An diesem Punkt der Ermittlung war sie also die Einzige der die Wahr Identität der beiden vermeintlichen Schwerverbrecher bekannt war.

To be free ot not to be free - that's the question

Cho sah, wie seine Vorgesetzte kopfschüttelnd den Anruf von Rigsby beendete. „Keine Erkenntnis?“, fragte er betroffen und stand von seinem Stuhl auf.

Teresa sah ihn an und ihr Blick sprach Bände. Er konnte erkennen, wie groß ihre Sorge um Grace war und dies traf auch auf ihn zu, doch noch konnte er sich emotional distanzieren.

„Lass uns nochmal mit Ardin reden, vielleicht sagt er ja wirklich was – zumindest hoffe ich das!“, trieb der Asiate an.

Als Lisbon nicht so wirklich Anstalten machte sich irgendwie vom Fleck zu rühren, ging er zu ihr hin und strich ihr über den Oberarm. „Hey, Grace wird es schon hinbekommen“, versuchte er sie aufzumuntern, doch sie wehrte ab. „Das ist nicht das Problem“, äußerte sie und sah seinen fragenden Blick. „Ich habe das Gefühl, dass wir total in die falsche Richtung rennen und wir uns auf Jane verlassen sollten“.

Nun sah Cho sie ziemlich mitleidig an. „Hattest du nicht gesagt, dass es Schwachsinn ist, dass Creed seine Tochter aus dem Weg schafft?“. Hierauf hin nickte die Agentin.

„Und jetzt?!?“, hakte er nach und sie zuckte die Schultern. „Das ist nur ein Gefühl!“, erwiderte sie und setzte sich in Bewegung, um Ardin erneut zu verhören.
 

*****
 

Zum frühen Abend hin wagten Grace und Randolf den Versuch, dass sie aufstand und einige Schritte durch den Raum lief.

„Wie soll ich Sie jetzt eigentlich ansprechen?“, fragte Grace ihn plötzlich und sah ihn an. „John oder Randolf?“.

Er hatte den Arm um ihre Taille gelegt um sie zu stützen, denn schon kurz nach dem Aufstehen war sie gefährlich geschwankt.

„Da Cordi nicht weiß, wer ich bin, ebenso wenig auch Cida, so wäre es mir und dem Justizministerium doch lieber wenn Sie bei meinem Covernamen bleiben könnten“, lächelte er ehe er die Frage zurückgab.

„Als erstes würde es mich freuen, wenn Sie mich duzen würden“, erklärte dir Rothaarige, denn seit sie seine Erklärung gehört hatte, vertraute sie ihm wirklich.

Alles was er erzählt hatte, machte Sinn. Natürlich waren da noch viele weitere Fragen in ihrem Kopf. Zum Beispiel die, wieso er hier war.

„Nennen Sie mich der Einfachheit halber weiterhin Olivia – falls ich nicht reagieren sollte, müssen Sie mich eben doppelt ansprechen“, grinste sie, klammerte sich dann jedoch an ihm fest, da sie ihren Kopf scheinbar zu schnell gedreht hatte um ihm ins Gesicht zu sehen, und ihr so wieder schwindelig geworden war.

„Langsam, langsam“, warnte Randolf und fasste sie leicht bei den Oberarmen um zu verhindern, dass sie umkippte und führte sie dann wieder zum Bett. Ihr Kreislauf war scheinbar wirklich noch sehr instabil, und er machte sich große Gedanken. Er wusste, dass der Schlag erst einen Tag her war – doch trotzdem! Eigentlich hätte sich ein Arzt den Kopf ansehen müssen, eine Aufnahme des Gehirns hätte gemacht werden sollen, einfach nur um abzuklären, dass nichts Schlimmeres geschehen war. Doch nichts von alldem war erfolgt!

Als sie wieder auf dem Bett saß, drängte er sie dazu etwas zu trinken und sich schließlich wieder hinzulegen, ehe er weitersprach. „Also, das duzen gilt dann aber bitte für beide Seiten – ich komme mir sonst immer so schrecklich alt vor“, grinste er und legte ihr wieder einen kühlen Lappen auf die Stirn und über die Augen, nachdem er sie aufgefordert hatte diese zu schließen.

„Okay, ich werde dich duzen, auch wenn es mir etwas gegen den Strich geht“, erwiderte sie und er fragte sich wieso, doch die Antwort folgte prompt. „Ich bin generell so, dass ich Leute sieze die älter sind als ich – das ist meine Erziehung!“, erklärte sie leise.

Dass sie so leise sprach hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass sie wieder Kopfschmerzen bekam. Er stand sanft auf und legte ihre Beine etwas hoch.

„Möchtest du noch eine Tablette nehmen und dann schlafen?“, fragte er und hoffte beinahe, dass sie einwilligen würde, doch er hatte sich denken können, dass sie das nicht tun würde.

„Ich check eines nicht“, begann Grace zu sprechen. „Was tust du hier? Bist du ‚Entführer‘, oder was bist du – welche Rolle spielst du in dieser Sache?!?“.

„Olivia, das ist jetzt zu viel Information! Du brauchst Ruhe! Das kann ich dir morgen immer noch sagen, wenn es dir etwas besser geht!“, schlug er vor und sie zog etwas den Waschlappen von den Augen.

„Schau mich nicht so mitleidig an – ich werde es schon überleben!“, stöhnte sie etwas. „Doch eine Schmerztablette wäre vielleicht noch mal gut, ehe es wieder ganz schlimm wird“.

Er holte ihr etwas zu trinken aus der Küche, eine Kleinigkeit zu Essen und eine Tablette und nachdem sie ihr kleines Abendessen langsam zu sich genommen hatte, schluckte sie das Medikament.

„Ich bleibe noch hier bis du schläfst, und dann werde ich mich mal noch etwas unserer kleinen Prinzessin annehmen – sie will immer, dass ich ihr am Abend eine Gute-Nacht-Geschichte lese. Scheinbar kann ich das besser als Cida“.

Ein weiteres Mal wollte Grace fragen, was er eigentlich hier tat, doch sie merkte plötzlich, dass die Verletzung sie doch sehr mitgenommen hatte und sie somit langsam eindämmerte.

Der letzte an den sie an diesem Tag dachte, ehe sie ganz einschlief, war Wayne! Sie liebte ihn, und er sie – wieso also musste es so kompliziert sein?!?
 

*****
 

Lisbon hatte sich bei der Begrüßung des Verdächtigen einigermaßen zurückgehalten und starrte ich nun fuchsteufelswild an. „Wissen Sie, weshalb mein männlicher Kollege hier bei mir ist und nicht meine rothaarige Freundin?“, zischte sie ihn an und Ardin sah zu ihr auf. Sein Blick wirkte fragend und er schien ernsthaft darüber nachzudenken.

„Ist sie krank, wenn ja dann tut es mir leid, ich würde nämlich auch lieber sie sehen als ihn!“. Er deutete auf Cho und verschränkte dann wieder die Arme, zuckte jedoch heftig zusammen als der Asiate mit beiden Händen auf den Tisch schlug und ihn anbrüllte. „Wir wissen nicht, wo sie ist, da ihr ‚Kollege‘ sie offensichtlich entführt hat!“.

Cho war das Verhalten des Festgenommenen ohnehin auf die Nerven gegangen, die Sache mit Grace machte ihm allerdings so zu schaffen, dass sogar er seine Gefühle zeigte.

Lisbon nahm nun den zweiten Entführerbrief aus der Mappe und legte ihn Ardin vor die Nase. Zur Überraschung der beiden Agenten nahm dieser das Dokument in die Hand und begann aufmerksam zu lesen.

In Mustafas Gehirn begann ein Gedankenmarathon. Die Druckschrift der Nachricht hatte sich in seinem Kopf eingebrannt, denn er kannte sie nur zu gut aus einem ähnlichen, beziehungsweise identischen Schreiben.

Was sollte das hier?

„Verdammt“, murmelte der gebürtige Türke und atmete heftig ein.

„Ja, ‚verdammt‘ können Sie gerne sagen, denn langsam kommen wir Ihnen und Ihrem Drecksfreund auf die Schliche!“, knurrte Cho und seine Augen funkelten.

„Sie verstehen NICHTS!“, gab Ardin zurück und Lisbon zog die Augenbrauen nach oben.

„Ach, wir verstehen also nichts?“, grinste sie sarkastisch. „Sie und Dare treiben ein fieses Spiel! Erst entführen Sie Cordelia, dann taucht Dare unter, sodass wir ihn nicht finden und Sie halten hier den Kopf hin, während er Ihr gemeinsames Spielchen vorantreibt – was soll das?!? Was ist Ihr Ziel?“.

„Beruhig dich!“, flüsterte Cho dem klar geworden war, wie laut Lisbon gesprochen hatte. „Hören Sie zu, Lady!“, forderte Ardin nun und sah Teresa fixiert an. Am liebsten hätte er seine Deckung über den Haufen geworfen, doch dafür war es einfach noch zu früh – da musste schon anderes kommen!

„Wenn ich Ihnen sage, dass Sie NICHTS verstehen, dann tue ich dies nicht unbegründet! Wenn Sie also etwas erfahren wollen, suchen Sie weiter – verdienen Sie sich ihre Informationen!“.

Mustafa, beziehungsweise Yusuf hatte stets den Aggressiven und Harten gespielt, wenn er und sein Kollege uns Fadenkreuz einer Ermittlung geraten waren. Von der Rechtlage her wusste er genau, dass das CBI ihn laufen lassen musste, denn ihre Beweise waren zu schwach und die Verknüpfungen die sie anstellten, würden vor Gericht nicht lange bestehen.

„Ganz ehrlich, Sie sind doch nur deswegen so zickig, weil Sie mir nichts nachweisen können und mich spätestens in zwei Tagen raus lassen müssen – und das gefällt überhaupt nicht!“. Er hatte deutlich gesprochen und sah beide Ermittler herausfordernd an.

Schnell sah er jedoch ein, dass es unklug gewesen war, dass er sie provoziert hatte, denn Cho zeigte plötzlich eine blitzschnelle Reaktion und drehte ihm den Arm fest auf den Rücken. „Hör zu du Arschloch“, zischte er, „ wenn Grace oder Cordelia etwas passiert, dann bist du dran!“.

„Die Botschaft ist angekommen!“, presste der Verdächtige hervor, „ aber ich brauche nicht weiterzusprechen, da Sie mir ohnehin nicht glauben.“

Der Asiate setzte zu einem Konter an, doch seine Chefin hielt ihn zurück. „Lass gut sein, Cho“, bemerkte sie. „Irgendwann wird er begreifen, dass er kooperieren muss! Und er ist es ohnehin nicht wert die Dienstmarke zu riskieren!“.

Sie ging zur Tür, winkte einen Polizeibeamten herbei und ließ diesen Ardin mitnehmen, nachdem Cho von ihm abgelassen hatte.

„Dieser arrogante Arsch. Wer glaubt er eigentlich, dass er ist?“, brachte Kimball hervor und Lisbon steckte die Hände in die Hosentaschen, ehe sie die Schultern gen Hals zog. „Ich habe keine Ahnung!“, seufzte sie.
 

*****
 

Er sah dem CBI-Agenten und dem absolut komischen Sonderberater hinterher, als diese das Grundstück verließen und das Tor sich hinter ihnen schloss.

Creed war unruhig geworden. Die Hände in den Hosentaschen waren schwitzig und seine Finger fanden keine Ruhe. Entschlossen lief er zu seinem Arbeitszimmer, teilte einem Hausmädchen mit, dass er von niemand, nicht einmal von seiner Frau gestört werden wollte und schloss die Flügeltüren hinter sich.

Er tat etwas, was er längst hätte tun sollen! Creed wählte eine Nummer auf seinem Telefon und während er darauf wartete, dass der Angerufene abnahm, drehte er die kleine Kamera in seinen Händen, welche er am Morgen hier gefunden hatte.

Die wenigen Bilder die er auf der Speicherkarte gefunden hatte, waren prekär und vor allem ziemlich belastend – sein Rückschluss musste also stimmen!

Endlich nahm am anderen Ende jemand ab. „Was gibt’s?“, fragte dieser und klang ziemlich überrascht. „Die Polizei, beziehungsweise das CBI war gerade schon wieder hier – eine ihrer Mitarbeiterinnen ist verschwunden. Erinnerst du dich an die rothaarige Kellnerin von gestern?“. Ein kurzes Zögern und dann ein „Ja“.

„Sie ist die Verschwundene!“. Keine Reaktion am anderen Ende… „Hast du etwas damit zu tun?“, fragte der Politiker schließlich offen, doch auch darauf bekam er keine Antwort – zumindest nicht in den ersten Sekunden. Doch dann – „Wie kommst du darauf?“, fragte der andere Mann.

Der Unbekannte hatte seine Sprechblockade offenbar überwunden und seine Stimme klang rau und forschend.

„Es war erst mal nur eine Frage!“, erwiderte Creed, „und ich komme deshalb darauf, weil ich heute etwas gefunden habe, was vermutlich ihr gehört und für uns beide recht unschön hätte werden können – und somit ist die Verbindung doch klar!“.

Creeds Gesprächspartner stand in seiner Wohnung und fuhr sich durch das schwarze Haar. Wut stieg in ihm auf!

Er hatte die Kamera vergessen!

Diese war unter das Schreibpult gerutscht, als die Rothaarige nach dem zweiten heftigen Schlaf auf den Hinterkopf endlich zusammengebrochen war. Daraufhin hatte er zu viel damit zu tun gehabt die junge Frau zu seinen anderen ‚Gefangenen‘ zu bringen.

Was waren die auch alle so neugierig?

Der Ermittler des Justizministeriums hatte nur deswegen gesehen, dass Cida Cordelia wegbrachte, weil er ständig vor dem Haus stand und sie beschattete – und so hatte er ihn mit Hilfe einer List in einen Hinterhalt gelockt und entführt. Es war ohnehin schon schwierig genug gewesen Creed davon zu überzeugen, dass er Cida sagen musste, dass Cordi in Gefahr, damit diese sie wegbrachte!

Und dann war auch noch diese Olivia aufgetaucht – mit ihr hatte er nicht gerechnet gehabt!

Nicht auszudenken war aber, was gewesen wäre, wenn er die beiden männlichen Agenten am Tag vorher nicht bis zum CBI-Quartier verfolgt, dort Wache gehalten und sie so mit der Rothaarigen gesehen hätte!

„Bist du noch dran?!“, tönte es aus der Leitung und er brummte zur Bestätigung.

„Ist die junge Dame bei Delia?“, wollte der Vater des ‚entführten‘ Mädchens wissen.

Natürlich war diese bei Cordelia, doch dies würde er dem Politiker nicht sagen!

„Ich habe gar nicht gesagt, dass ich sie habe“, erwiderte er nur steif und legte auf.

William Creed starrte entgeistert den Hörer an, als er das Klicke vernahm, welches signalisierte, dass der andere das Telefonat beendet hatte.

Was sollte das Ganze?

Er wusste zuvor, worum es ging – als es nur darum ging seine Tochter wegzuschaffen! Doch nun verstand er die Handlungen des anderen nicht mehr.

Was würde dieser mit der jungen Agentin machen? Dass nicht nur diese, sondern auch ein anderen Mensch sich in seiner ‚Gewalt‘ befanden, konnte der Politiker nicht ahnen.
 

*****
 

Ardin saß in seiner Zelle und starrte an die Wand. Es war nicht das erste Mal, dass er im Knast saß, doch das erste Mal zu einem Zeitpunkt an dem er hätte draußen sein müssen um seinem Kollegen zu helfen!

Gedankenverloren rieb er seinen schmerzenden Arm. Vielleicht hätte er doch mal lieber die Masche von Dare probieren und den Sympathischen spielen sollen?!? Doch das war einfach nicht so sehr seine Art, zumindest nicht als der, den er vorgab zu sein!

Seine Gedanken schweiften ab zu dem Tag an dem er den Brief in seinem Briefkasten vorgefunden hatte. Jemand war verdammt gut informiert, wusste seine private Adresse, aber auch, dass er mit Dare zusammenarbeitete.

Wenn er hier doch nur schnell rauskäme, dann könnte er weiter ermitteln und vielleicht auch herausfinden wo Randolf, und vermutlich auch diese Grace sich aufhielten – oder eben festgehalten wurden.

Er selbst hatte keine Ahnung, wieso sein Kollege überhaupt entführt worden war. Natürlich hätte er jetzt die Möglichkeit gehabt es dem CBI zu sagen, doch das Justizministerium hatte sich entschieden die Entführung unter Verschluss zu halten. Und zumindest momentan würde er sich noch daran halten!

Er fragte sich ohnehin, wann das Justizministerium darauf kommen würde, ihm zu helfen – oder ob sie es überhaupt merken würden.
 

*****
 

Noch an diesem Abend traf sich das Team um zu entscheiden, wie es weitergehen würde. Wayne war außer sich und dafür, Creed ins Büro zu bringen und so lange einem Kreuzverhör zu unterziehen, bis dieser gestehen würde. Doch Teresa war dagegen. „Wayne, der Kerl hat die Medien hinter sich, und wir wollen daraus nun wirklich keine zu öffentliche Sache machen. Ich bin ebenfalls ernstlich besorgt, da in beiden Entführungsfällen nur der Brief und nichts anderes gekommen ist. Ich verstehe nämlich einfach nicht, welches Ziel der Entführer verfolgt!“.

Cho, der bisher recht ruhig am seinem mexikanischen Essen herum gemümmelt hatte, sah nun zu seinen Kollegen. „Was, wenn wir Ardin frei lassen und ihm einfach folgen?“, schlug er vor.

„Mann, du glaubst doch wohl nicht echt, dass der so dumm ist und uns zu Dare führt, oder?“, fragte Wayne aggressiv und legte das Besteck beiseite. Er hatte keinen Hunger, solang er nicht wusste, was mit Grace war.

„Wayne hat einerseits recht, nur andererseits können wir Ardin auch nicht mehr lange festhalten. War er vorhin im Verhör zu uns sagte, stimmt. Wir haben keine Beweise – zumindest nichts Handfestes! Und rein theoretisch könnten wir dann eben das machen, nämlich ihn zu verfolgen. Ich habe leider keine idiotensichere Idee“, gestand sie und löste sich aus ihrem Stuhl.

„Wenn wir nur wüssten, wenn wir nur einen Anhaltspunkt darauf hätten, wo sie ist!“, grummelte Wayne wieder vor sich hin.

Nun schaltete sich auch endlich Jane ein, der bisher eher still dagesessen hatte – eigentlich ganz gegen seine Person.

„Wisst ihr, was komisch ist?“, fragte er und die andere blickte ihn an.

„Nein, tun wir nicht, aber du wirst es uns hoffentlich bald sagen“, entgegnete Cho und Patrick nickte.

„Die Briefe sind von derselben Maschine gedruckt, der Text beinahe identisch. Und doch gibt es eine Sache die sich unterscheidet!“. „In dem Schreiben?“, fragte Lisbon verwirrt und Jane schüttelte den Kopf. „Nein, nicht in dem Schreiben. Creed weiß eindeutig wo seine Tochter steckt – als wir heute allerdings nach Grace fragten, hatte er keine Ahnung. Und das war nicht gespielt – er hatte einfach schlicht keine Ahnung von ihrem Verschwinden!“.

„Das bringt uns doch gar nichts!“, stöhnte Rigsby auf und erhob sich um durch den Raum zu laufen. Draußen war es bereits dunkel und er fragte sich wieder mit Bangen wo seine Ex-Freundin steckte. Wenn sie wieder da war, würde er sie nochmals darauf ansprechen. Und wenn das mit der Beziehung definitiv keine Option mehr für sie war, so würde er die Einheit verlassen. Diesen Entschluss hatte er am Mittag gefasst, als er und Jane von Creed zurückgefahren waren.
 

*****
 

Erst zwei Tage später gab es für die Einheit eine Wende in ihrer Ermittlung. Durch fehlende Beweise waren sie nun wirklich gezwungen Ardin laufen zu lassen, doch sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie ihn verfolgen und überwachen würden, wo auch immer er hinging.

Wayne war in diesen Tagen noch mieser drauf als während der Suspendierung und gestern hatte es zwischen ihm und Teresa ordentlich gekracht – eigentlich hatte es sich nur um eine Kleinigkeit gehandelt, doch Rigsby war total an die Decke gegangen. Cho hatte sich schließlich zwischen die beiden gestellt, weil er befürchtete, dass Rigsby auf sie losgehen würde.

Zum Glück hatte Agent Hightower keinen Wind davon bekommen, sonst wäre Rigsby vermutlich gleich wieder im Zwangsurlaub gewesen.

Nun am Morgen hatten sich die Wogen geglättet und die vier Einheitsmitglieder saßen gemeinsam am Besprechungstisch. „Also, ich werde Ardin in die Freiheit entlassen, und ihr beiden werdet ihn beschatten!“, ordnete die Chefin an woraufhin Cho und Rigsby nickten.

Beide Agenten hatten sich darauf geeinigt, dass Cho fahren würde, denn Wayne war momentan wirklich zu emotional.

„Wir gehen schon nach unten zum Auto, dann können wir sofort die Verfolgung aufnehmen, wenn er die Tür verlässt“, erklärte Cho und verließ mit Wayne zusammen das Büro. „Wie fühlst du dich?“, fragte er und war sich nicht sicher ob Wayne Lust hatte über seine Gefühle zu sprechen, doch zu seinem Erstaunen fing der andere sofort das Reden an.

„Es ging mir schon mal besser, und ehrlich ich wäre so froh, wenn ich wüsste, dass es Grace gut geht“, erklärte er leise. „Ich mache mir einfach Sorgen, weil ich nicht weiß, ob ich sie wiedersehe und - nein lass mich zu Ende sprechen - und ich weiß, dass es hinterher unter Umständen sehr unangenehm werden wird“.

Nun sah Cho ihn verdattert an. „Wieso unangenehm?“, forschte er nach und sah Rigsby genau an. „Rigs, was hast du vor?“.

Der andere hatte den Kopf gesenkt und starrte zu Boden. Als Die Aufzugtür aufging, hatte er noch immer nicht gesprochen und auch im Auto sagte er nichts mehr dazu, obgleich er noch massig Zeit gehabt hätte, ehe der Verdächtige auf freiem Fuß war.
 

*****
 

Die Nacht war nicht gerade erholsam gewesen und als am Morgen die Tür aufging, hatte sie die Augen geschlossen gehalten, da sie vermutete es sei Randolf, der nur nachsah ob sie noch schlief.

Die Tür schloss sich auch wieder, doch wenige Sekunden später bewegte sich die Matratze unter ihrem Körper. Langsam öffnete sie die Augen, versuchte in der Dunkelheit etwas zu sehen und nach kurzer Zeit hatten sich ihre Augen an das fahle Licht gewöhnt, sodass sei einen Schatten erkennen konnte.

„Olivia, bist du wach?“, fragte eine zarte Stimme und Grace brummte zur Antwort. „Darf ich zu dir unter die Decke kommen?“, wollte Cordelia wissen, und ohne eine Antwort hob Grace die Decke hoch, sodass das Mädchen darunter schlüpfen konnte.

„Hast du gut geschlafen?“, wollte die Agentin wissen und drehte sich leicht dem Mädchen zu um diesem zu signalisieren, dass sie es wahrnahm.

Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Grace Kopfschmerzen wurden nicht besser und sie hatte eigentlich nur herumgelegen, ab und an mal ein wenig mit Cordelia fern gesehen, aber ansonsten nichts gemacht.

Auch Schwindel und Übelkeit waren geblieben und mehr als einmal hatte Randolf Cida darum gebeten einen Arzt zu konsultieren. Bis gestern hatte Grace den Zusammenhang in dieser Geschichte nicht verstanden, doch nun wusste sie, was Sache war. Nämlich, dass Randolf ebenso wie sie entführt worden war, und dass Cida mit Cordi nur hier war, weil Mr. Creed ihr gesagt hatte, dass das Mädchen in Gefahr war. Cida, das Kindermädchen sah nun in jedem Mitwisser Gefahr, deswegen war sie so versessen darauf, dass alle im Haus blieben, und vor allem, dass niemand hier her kam!

„Ich habe von einem verzauberten Ozean geträumt“, erzählte die Kleine und Grace musste grinsen. „Was war an dem Ozean denn verzaubert?“, fragte sie nach und stellte sich in diesem Moment eine Unterwasserwelt vor. Das Mädchen erzählte von sprechenden Fischen, wundervollen Pflanzen und einem Schatz. „Und weißt du was?“, fragte Delia sie schließlich und kicherte, „Du warst auch da, mit ganz vielen anderen Meermenschen“.

Cordelia Creed hatte wirklich eine unglaubliche Fantasie, und ein noch größeres Talent, wie Grace gestern mit Verwunderung feststellen musste, als das fünfjährige Mädchen ihr ein Burgfräulein in einem Drachenturm gemalt hatte. Die Linienführung der Umrisse war klar, und sie zeichnete detailierte Gesichter – sogar an dem Drachen hatte sie keine Kleinigkeit vergessen. Die Hautschuppen waren einzeln gemalt, in verschiedenen, grünen Farbtönen. Das Bild stand nun auf Graces Nachttisch und gestern Abend bevor sie das Licht gelöscht hatte, hatte sie noch einen Blick darauf geworfen.

„Wie geht es eigentlich deinem Kopf?“, fragte das Kind und Grace lächelte sie im Dunkeln leicht an. „Es geht eigentlich, er tut etwas weh“, erklärte sie. „Aber eigentlich sollten die Schmerzen doch weggehen, du schläfst doch ganz viel“, empörte sich das Mädchen. „Wenn meine Mama Kopfweh hat, dann legt sie sich hin und ich muss leise sein. Und dann geht es aber meistens am Abend schon wieder“.

„Das sind leider sehr hartnäckige Kopfschmerzen“, teilte Grace mit. Eine weitere Eigenschaft des Mädchens war es, dass sie sich mit ihren jungen Jahren schon sehr gewählt und ausschweifend ausdrücken konnte, was die Rothaarige zwar beeindruckend fand, aber darauf zurückführte, dass in deren Elternhaus vermutlich auf eine säuberliche und angebrachte Sprache mehr als in anderen Häusern geachtet wurde.

Als beide Cidas Stimme vernahmen, seufzte Cordelia laut auf. „Immer ruft sie nach mir“, offenbarte sie sich Grace und klang dabei richtig genervt. „Kommst du heute zum Frühstücken raus?“ wollte Delia wissen und Grace konnte hören, dass sie einen quengelnden Ton aus ihrer Stimme verbannte um die Große nicht zu bedrängen.

„Ich sollte meinem Kopf erst die Möglichkeit geben, richtig wach zu werden“, erklärte ihr die Agentin und spürte an ihrer Schulter wie das Mädchen nickte, ehe sie aufstand, vom Bett hüpfte und zur Tür lief. „Ich sage Randolf, dass er dir nachher das Frühstück wieder ans Bett bringen soll“, giggelte sie ehe sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Langsam machte sich Grace ans Aufstehen, blieb jedoch einige Augenblicke auf dem Bettrand sitzen, bis sie nicht mehr das Gefühl hatte, ihr Körper würde Achterbahn fahren und stellte sich dann hin. Einige Schritte lief sie vor dem Bett hin und her, bis sie sich traute zum Bad zu laufen.

Es war die erste Nacht gewesen, die Randolf sie unbewacht gelassen hatte, er war ständig bei ihr gewesen – bis gestern Abend. Zwar hatte er immer wieder gesagt, dass er weggehen würde, doch Delia hatte ihr verraten, dass er nie zu ihr gekommen war und nur Cida bei ihr war.

Sie war nun auf der Toilette gewesen und hatte sich langsam die Zähne geputzt wobei sie auf dem Badewannenrand gesessen hatte und hatte sich vorsichtig die Haare gekämmt.

Sie musste unbedingt duschen, fühlte sie sich doch wie eine Stinkmorchel. Später würde sie Dare darum bitten, dass er vielleicht vor dem Badezimmer wartete, während sie sich frisch machte.

Nun war auf den Weg zurück zum Bett, sie wollte sich wieder hinlegen und einfach schlafen! Doch im Türrahmen des Badezimmers blieb sie plötzlich stehen. Ein ekliges Gefühl breitete sich in ihr aus: Sie hatte den Eindruck, dass die Wände näher kamen, sie nicht mehr genug Luft zum Atmen hatte und gleichzeitig ihre Lungen zum Platzen voll waren, sie aber nicht ausatmen konnte. Panisch versuchte sie ruhig zu bleiben, versuchte das Karussell aus ihrem Kopf zu vertreiben oder das Rauschen in ihren Ohren zu beseitigen. Doch alles half nicht und ehe sie daran dachte nach Randolf zu rufen oder auch nur irgendetwas anderes hatte unternehmen können, knickten ihre Knie ein und sie schlug der Länge nach auf dem Boden auf.

Noch war sie wach, doch ihr Körper schien ihr nicht mehr zu gehorchen und sie schaffte es nicht sich zu orientieren. Auch spürte sie den Schmerz des Aufpralles nicht, denn ihr Kopf war nun das Zentrum des Schmerzes. Es war beinahe, als ob jemand versuchte mit einer stumpfen Axt ihren Schädel zu spalten, grelle Flecken tanzten vor ihren Augen, sie hatte das Bedürfnis sich erneut zu übergeben und nach Sekunden, die ihr wie Minuten vorgekommen waren, gab sie sich geschlagen und ließ sich in das Schwarz der Bewusstlosigkeit hinab gleiten.
 

*****
 

Die letzte Nacht in der Zelle hatte er voller Erwartung im wachen Zustand verbracht. Er konnte sich gut denken, dass die Agenten ihn heute verfolgen würden, sobald er das Hauptgebäude verließ, und eine ganze Weile hatte er darüber nachgesinnt, dass er sie abschütteln musste – doch wieso überhaupt? Wenn er ihnen zeigte, dass er nichts Unrechtes tat? Ach verdammt nochmal! Darum ging es doch gar nicht! Er hatte schließlich nichts verbrochen.

Ardin wusste, dass er sich schnell würde bei seinen Vorgesetzten melden müssen und eigentlich würde ihn sein erster Weg dorthin führen, doch dann hätte er es den Agenten doch auch gleich sagen können? Wenn er sie jetzt direkt zu ihnen führen würde, welchen Sinn hatte dann die ganze Lügerei gehabt?

Er hatte noch immer keinen Plan gefasst, als ein Polizeibeamter ihn abholte und zur Ausgabe seiner persönlichen Gegenstände brachte, wo auch die Agentin und ein Blondschopf standen. Den Mann hatte Ardin noch nie gesehen, doch dieser kannte ihn. Jane hatte sich dem Verdächtigen kein einziges Mal gezeigt, obwohl er bei allen Verhören, abgesehen vom letzten dabei gewesen war.

„Wir werden uns sicherlich bald wiedersehen“, prophezeite Lisbon doch Ardin schüttelte nur den Kopf. „Sie kriegen mich nicht dran!“, grinste er frech und zog den Reißverschluss seiner dünnen Jacke zu. „Dafür müssen Sie wirklich früher aufstehen!“.

Patrick und seine Chefin geleiteten ihn zum Ausgang, wo er sie nochmals frech ansah, dann jedoch einen unglaublich freundlichen Abgang hinlegte. „Vielleicht sieht man sich ja doch irgendwann mal wieder – muss ja nicht zu bald sein. Passen Sie bis dahin gut auf sich auf“. Jane bemerkte ein kurzes Flackern in Ardins Blick und ein Innehalten, beinahe so, als ob der Verdächtige noch etwas hatte sagen wollen, doch dann reichte er ihnen nur still die Hand und machte sich durch die Tür davon.

„Komischer Zeitgenosse!“, meinte Lisbon und sah dann noch kurz zum Auto von Cho und Wayne. „Hoffentlich schaffen die zwei es, ihn gut zu verfolgen“, erklärte sie angespannt und Jane fing mit einer Hand an ihr den Nacken zu massieren. „Ich werde den Gedanken nicht los, dass Ardin uns was sagen wollte“, eröffnete er und sie blickte ihn an. „Ja, das ist definitiv! Er wollte uns nicht sagen, wo Dare ist“. Sie blickte verwirrt drein.

„Also Patrick, das ist ja wohl ein offenes Geheimnis, oder?“. Was wollte er ihr damit nun sagen?!? „Ich meinte doch nicht während der Verhöre, sondern jetzt!“, erklärte der Berater sofort. „Ich hatte das Gefühl, dass er gerade etwas sagen wollte und es sich dann aber anders überlegt hat“, meinte er selbst etwas konfus. „Naja, Cho und Wayne nehmen die Beschattung erst mal auf, und dann werden wir ja sehen was er so verzapft!“, äußerte Lisbon und beide gingen zum Aufzug. Als sie wieder nach oben fuhren, lehnte sie sich kurz gegen ihn – nur kurz allerdings, da auch der Fahrstuhl videoüberwacht war.

„Ich mache mir ernsthafte Sorgen wegen Grace, auch wenn es bisher keine Anzeichen darauf gibt, dass dies nötig wäre“, teilte sie ihre Gedanken mit und Patrick blickte sie an. „Wir machen uns einfach alle Sorgen, das ist es. Deswegen seid ihr beiden gestern auch so explodiert – aber hey, ist doch kein Wunder. Wir sind alle angespannt. Und wenn einer aus der Einheit angegriffen wird, ist es ja ohnehin immer wieder so, dass wir bedenken haben, dass das noch weitere Folgen mit sich bringt“.

Er dachte an die Sache mit Dan und daran, dass Grace dabei völlig unnütz in Gefahr gekommen war. In ihm zog sich alles zusammen. Eigentlich hatte er schon viel zu oft das Leben seiner Kollegen riskiert um seine Ziele zu erreichen – okay oft war übertrieben, schließlich waren sich alle darüber bewusst, dass der Job nicht ungefährlich war. Aber unter dem Gesichtspunkt das er eben bereits das Leben seiner Familie auf dem Gewissen hatte…

Der Mentalist senkte den Blick gen Boden und der Ausdruck in seinen Augen verriet Schmerz. Teresa hatte in diesem Moment allerdings nicht zu ihm geschaut, und als beide gemeinsam ausstiegen hatten die Augen des Blonden sich wieder neutralisiert.

„Was machen wir beiden jetzt?“, wollte er erfahren und sie zuckte etwas die Schultern. „Am besten hier sitzen und darauf warten, dass Cho und Wayne sich melden“. Gemeinsam gingen sie zu Janes Couch und setzten sich nebeneinander darauf.

„Ich kann mir einfach noch immer keinen Reim auf die Situation machen“, dachte die Chefin der Einheit laut und Jane nickte zur Bestätigung. „Irgendwie macht das alles nicht so wirklich Sinn. Entweder wir haben etwas übersehen, oder was auch immer… Vielleicht haben wir aber auch einfach noch nicht das Ausmaß der Dinge verstanden?“, schlug er nun vor und sie wusste nichts Besseres als die Achseln zu zucken.
 

*****
 

Als er zur Tür herausgetreten war, hatte er erst tief eingeatmet, beinahe als wenn die Luft in der Zelle extrem schlecht gewesen wäre und war dann in ein Taxi gestiegen und in Richtung Stadt gefahren. Cho und Wayne waren dem Fahrzeug gefolgt ohne den geringsten Anhaltspunkt zu haben, wo es hinwollte, doch dann hatte dieses plötzlich an einer Transit-Station angehalten.

„Mir schwant Böses!“, zischte Wayne, der sich bereits abgeschnallt hatte und Cho suchte sofort nach einem Parkplatz, fand jedoch keinen. Währenddessen hatte Ardin den Taxifahrer bereits bezahlt und lief zum Eingang.

„Alter, wir haben keine Zeit zum Parkplatz suchen, bleib stehen und hau die Warnblinke rein!“, forderte Wayne und wartete nur ab, bis das Fahrzeug stand, ehe er die Tür aufriss und raussprang, um das Auto rannte und dabei fast von einem Auto erfasst worden wäre, dessen Fahrer nun wie verrückt hupte und Wayne eine sehr rüde Geste zeigte. „Vollidiot!“, schrie Rigsby nur, rannte dann jedoch weiter. Nach wenigen Metern war auch Cho auf seiner Höhe.

Beide zogen ihre Dienstmarken heraus und rannten zur Schranke. Ardin hatte diese bereits passiert. Zu Waynes Entsetzten, stand an den Bahnsteigen bereits ein Zug, welcher in wenigen Sekunden vermutlich abfahren würde. Ardin stieg ein, und drehte sich dabei grinsend um. Kurz winkte er den beiden Männern zu und verschwand in der Menschenmasse in der Bahn. Cho drängte sich nun durch die Wartenden an der Schranke, hielt der Kassiererin seinen Ausweis vor die Nase und schon waren die beiden Agenten durch.

So schnell es ging, rannten sie zu dem Zug, dessen Türen noch offen standen. „Hast du einen Überblick wo dieser Arsch ist?“, rief Wayne doch Cho verneinte die Frage.

Was als nächstes folgte, würde sich schon nach wenigen Sekunden als großer Fehler erweisen, denn Cho und Wayne stiegen beide an der gleichen Tür ein, anstatt zwei nebeneinanderliegende Türen zu wählen.

Wayne sah sich schnell in der Menge um. „Er ist da drüben!“, rief er, doch bereits hatte er begriffen. „Cho, schnell raus, das ist eine Falle!“, befahl er seinem Kollegen, doch in diesem Moment schloss sich hinter dem Asiaten die Tür. Obwohl er wiederholt auf den Türöffner drückte, blieb das Schloss zu.

Der Verdächtige hingegen war in der Lichtschranke der eigenen Tür stehen geblieben und sprang nun nach draußen auf den Bahnsteig, wonach sich nach wenigen Sekunden seine Fluchttür schloss. „Verdammt, er hat uns reingelegt!“, fluchte Wayne. Eigentlich hatten es sich beide denken können! „Er hat uns mit einem der ältesten Tricks der Welt verarscht!“.

Die Bahn fuhr an, und die beiden Agenten standen wie die begossenen Pudel im Inneren, während Ardin ihnen von draußen winkte.

Und jetzt...

Er streckte sich und fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, ehe er die Augen öffnete. Randolf setzte sich auf und warf dabei einen kurzen Blick zur Uhr – 10.23 Uhr! Er hatte die ganze Nacht durchgeschlafen, denn die Nächte vorher waren nicht so angenehm gewesen. Als er auf Olivia aufgepasst hatte, war er ständig in einem nicht unbedingt dauerhaft bequemen Sessel gehangen, und das war den ohnehin verspannten Muskeln nicht gerade gut bekommen.

Langsam stand er auf, öffnete die Fenster und sah nach draußen. Genervt stöhnte er auf! Sie saßen hier noch immer fest! Mitten in einem Wald! Er hatte bis jetzt nicht begriffen, was das alles sollte, doch hoffte er, dass er es irgendwann rausbekommen würde. Möglichst bald, denn er wollte, dass die Rothaarige sich einem Arzt vorstellte, der sich ihre Verletzungen ansah.

Randolf ging ins Badezimmer, duschte sich schnell und ging dann mit noch nassem Haar nach draußen. „Guten Morgen die Damen“, meinte er freundlich und sah sich irritiert im Wohnzimmer um.

„Wo ist denn Olivia?“, wollte er wissen, da diese nicht auf dem Sofa lag, wie er es für diese Uhrzeit vermutet hatte. „Sie schläft vermutlich, Cordi hat sie heute Morgen ziemlich früh geweckt“, erklärte Cida und stellte dem Mitarbeiter des Justizministeriums Pfannenkuchen mit Ahornsirup und einen großen Becher Kaffee mit Haselnussgeschmack hin.

„Wenn du gefrühstückt hast, kannst du sie ja wecken, das wollte ich nicht tun, da Cordi heute auch so aufsässig war, und ich nicht wollte, dass Olivia deswegen vielleicht wieder Kopfschmerzen bekommt“, sagte das schwarzhaarige Kindermädchen und gesellte sich wieder zu ihrer Hauptbeschäftigung. Sie hatte mit Cordelia ein Puzzle angefangen, doch die Fünfjährige war heute so wild, dass sie sie kaum bändigen konnte.

Der blonde Wirbelwind rannte durch den ganzen Raum und konnte es nicht unterlassen ab und an ein Jauchzen von sich zu geben. „Delia, bitte! Denk an Olivia, sie muss noch ein bisschen schlafen, damit sie bald mit dir spielen kann!“, bat die Angestellte und lief hinter der Kleinen her.

„Cida, ich werde gleich mit Delia spielen, könntest du Gr… ich meine Olivia etwas zu essen machen?“, bat er und die Schwarzhaarige nickte.

Schließlich hatte er aufgegessen und Cordelia lag schon auf der Lauer, weshalb er anfing mit ihr herumzualbern, und dieses Spiel wurde auch erst gestoppt, als Cida mit einem Tablett auftauchte. „Kümmer dich mal um Olivia, ich übernehm Cordi wieder“, lächelte sie.

Er nickte, nahm das Tablett und ging langsam zum Zimmer. Er klopfte leise, doch als sie nicht von drinnen antwortete, trat er ein und schloss die Tür hinter sich.

Schon im ersten Moment fiel ihm auf, dass das Licht im Badezimmer an war, doch er dachte, dass Grace sich darin befand.

„Guten Morgen Olivia“, meinte er mit leicht erhobener Stimme. „Ich bring dir dein Frühstück, soll ich draußen warten?“. Er hatte das Tablett abgestellt und drehte sich nun um. Sie antwortete nicht und er fragte sich, ob alles in Ordnung war. „Olivia, geht’s dir gut?“, forschte er nach, doch wieder keine Antwort.

Nun kam es ihm wirklich komisch vor und er machte sich auf den Weg Richtung Badezimmer, wobei er nach drei Schritten – nun in einem anderen Blickwinkel – sah, dass die Rothaarige mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag.

„Grace?!“, sprach er sie nun bei ihrem richtigen Namen an, und kniete sich hastig neben sie. „Grace, kannst du mich hören?!?“. Er schüttelte sie sanft aber trotzdem bestimmt an den Schultern, doch sie rührte sich nicht.

„Verdammt!“, murmelte er und drehte sie leicht zu sich. Er konnte sehen, dass nun auch noch eine Beule ihre Stirn zierte. „Nun reicht’s aber wirklich!“, murmelte er und hob Grace vorsichtig hoch, wobei er hoffte, dass sie sich nicht noch mehr verletzt hatte, als er grade sehen konnte. Er legte sie aufs Bett und lagerte ihren Oberkörper so, dass sie sich nicht an ihrem Erbrochenen würde verschlucken können, falls sie sich übergeben musste und er draußen war. Er musste unbedingt mit Cida reden, und da diese nicht mit herein konnte, da Cordi sonst gesehen hätte, was los war… Er musste raus und sie alleine lassen.

„Ich bin gleich wieder bei dir!“, flüsterte er und legte ihr einen kühlen Lappen auf die Stirn ehe er das Zimmer verließ.
 

*****
 

Eine ganze Weile hatte Ardin der Bahn hinterher gesehen, ehe er sich beinahe reumütig aus dem Bahnhof bewegte.

Er ließ sich zum Hauptbüro des Justizministeriums bringen, wo er sich mit seinem Vorgesetzten anlegte. Der Türke erbat das Recht seine Deckung zu lüften und dem CBI bei der Suche zu helfen, doch seine Bitte wurde abgelehnt.

Es waren einige sehr unhöfliche Worte gefallen ehe er das Büro ziemlich aggressiv wieder verließ. Es hatte nichts gebracht, dass er in der Zelle verharrt hatte!!! Wieso hatte er den Agenten nicht einfach verraten, was er wusste? Vermutlich einfach aus dem Grund, weil er sonst nie etwas tat, was vorher nicht zumindest mit seinem Partner abgeklärt worden war.

Mustafa seufzte und blieb einige Augenblicke unschlüssig an der Straße stehen. Was sollte er jetzt tun? Erneut rief er auf Randolfs Handy an, doch natürlich ging niemand ran, wie auch??? Randolf war schließlich ebenso in den Fängen der Entführer wie diese Grace.

Schließlich winkte er einem Taxi zu, steig ein und ließ sich zur Adresse seines Kollegen fahren. Dort war natürlich niemand zu Hause, doch Ardin wusste wie er in das Haus kam, ohne dass die Alarmanlage anspringen würde.

Als er im Inneren stand, atmete er kurz durch und durchsuchte die Räume. Er wusste selbst nicht genau, wonach er suchte, doch irgendeinen Hinweis musste er doch darauf haben, wann Dare verschwunden war! Denn er vermutete, dass die oder der Entführer sich einen Zeitpuffer gelassen hatte, damit man ihm nicht zu schnell auf die Spuren kam. Bei Cordelia hatte er das ja scheinbar getan, doch bei der CBI-Agentin hatte er schon am nächsten Morgen den Brief geschickt.

Nach Ardins Annahme, hatte es aber bei Randolf auch nicht allzu lange gedauert, doch er konnte sich nicht sicher sein, da sein Vorgesetzter ihn zu etwas anderem beordert hatte und er somit in der Zeit nicht mit Dare in Kontakt stand.

So ein Mist, das hatte auch ausgerechnet in diesen Tagen geschehen müssen! Ardin wäre sonst ja gar nicht von seinem Wachposten gewichen!

Er saß in der Küche und überlegte, was er tun sollte. Zu Creed gehen, diesen bedrohen und dadurch wieder verhaftet werden, damit er es den Agenten doch sagen konnte? Auf eigene Faust alleine ermitteln? Oder sich doch einfach gegen den Wunsch seines Büros durchsetzten und mit dem CBI zusammenarbeiten?

Er konnte sich einfach nicht entscheiden! Dare hätte vermutlich gewusst, was zu tun gewesen wäre! Oder dieser hätte sich vermutlich einfach durchgesetzt!

Ardin verharrte und dachte nach. Er war sich sicher, dass die beiden Agenten die er in der Bahn losgeworden war, zu ihm fahren und dort auf ihn warten würden. Sollte er ihnen den Gefallen tun? Doch was sollten sie schon machen – er hatte nichts Widerrechtliches getan, und somit würden sie ihn nicht festnehmen können.

Er konnte sich einfach nicht entscheiden, und legte sich schließlich ausgestreckt aufs Sofa, ganz in der Hoffnung vielleicht einen Geistesblitz zu haben.
 

*****
 

Es hatte lange gedauert, bis Cho und Rigsby sich in den Vordersten Teil des Zuges durchgedrängt hatten um dort mit dem Fahrer zu sprechen, welche sie anfangs abwehren wollte, doch als Cho ihm sagte, dass er ihn wegen Behinderung der Justiz verhaften würde, ging alles ganz schnell. Der Fahrer legte einen außerplanmäßigen Halt ein und ließ die beiden Agenten raus, woraufhin diese am Stadtrand von Sacramento standen und nicht wussten, wie sie vorankommen sollten.

Cho zog grummelnd sein Handy aus der Tasche und rief Lisbon an, welche sich ein Lachen nicht hätte verkneifen können, wäre die Situation nicht doch relativ ernst gewesen. „Chef, was sollen wir machen?“, wollte der Asiate wissen und sie ordnete ihm an, dass sie sich ein Taxi nehmen und dorthin zurückfahren sollten, wo das Auto stand um dann ins Büro zu kommen.

Der Schwarzhaarige legte wieder auf und sah seinen besten Freund an. „Alles klar?“, fragte er als er Waynes Gesichtsausdruck sah. Dieser war eine Mischung aus Verstörung und Wut. „Nein, nichts ist klar!“, brach es aus dem zweitjüngsten Agenten heraus. „Ich meine, hast du mal nachgezählt, wie lange Grace jetzt schon weg ist? Und auch das kleine Mädchen – es kann doch verdammt noch mal nicht sein, dass niemand sie gesehen hat?!? Und Ardin, wieso hätte er abhauen sollen, wenn er nichts gewusst hätte? Ich hab es mir schon fast gedacht! Er ist jetzt sicher auf dem Weg zu seinem Komplizen, und lacht sich ins Fäustchen, dass wir zu blöd waren um eine Information aus ihm rauszubekommen!“.

Cho sah Wayne an und seufzte. „Rigs, ich bin mir sicher, dass es Grace gut geht“, meinte er und hoffte inständig, dass das der Wahrheit entsprach. Doch auch er wusste nicht mehr, was sie tun sollten und so ertappte er sich bei dem Gedanken, dass es vielleicht die beste Möglichkeit wäre, Creed auf den Kopf zuzusagen, dass ihnen seine Kenntnis über den Verbleib seiner Tochter bewusst war.

„Wayne, wir machen es jetzt so, wir lassen uns von einem Taxi zu unserem Auto fahren, gehen ins Büro und versuchen Lisbon davon zu überzeugen, dass wir mit Creed reden müssen, denn wenn Jane wirklich Recht hat, ist er unsere einzige Chance“. Wayne nickte und beide liefen schweigen nebeneinander her, bis sie auf der nächsten, stärker befahrenen Straße endlich ein Taxi erwischten, welches nicht besetzt war, oder sie ignorierte.

Der Straßenverkehr war um diese Uhrzeit wirklich die Hölle, und das Taxi brauchte ewig bis es am Ausgangspunkt der Agenten ankam, wo gerade ein Abschleppwagen dabei war, Chos Wagen mitzunehmen.

Der Asiate stieß einen Fluch aus, und sprang aus dem Taxi, Wayne zahlte schnell und eilte dann seinem Kollegen zur Hilfe, welcher sich schon heftig mit dem Idioten vom Abschleppdienst angelegt hatte.

„Hören Sie zu, entweder Sie setzen das Auto jetzt wieder ab, oder wir verklagen sie wegen Behinderung der Justiz!“, versuchte der Asiate es wie schon vorher bei dem Bahnfahrer, doch dieser Idiot vor ihnen ließ sich dadurch nicht beeindrucken, obgleich beide Agenten ihm ihre Ausweise unter die Nase hielten.

„Sie können ihr Auto nicht über zwei Stunden so mies geparkt stehen lassen, ob sie nun von der Bullerei sind, oder nicht!“. Wayne musste sich sehr zusammenreißen, als der Mann ihnen gegenüber sie beleidigte. „Wir sind keine Polizisten, sondern Ermittler und wir brauchen unseren Wagen um nach einem Verdächtigen zu suchen, welcher uns hier abgehängt hatte – das war auch der Grund weshalb unser Wagen hier so lange stand! Es war nicht geplant gewesen!“.

„Es ist Ihr eigenes Problem, wenn Sie ihre Zeugen nicht im Griff haben, aber ich habe meine Befehle! Und meine Aufgabe ist es diesen Wagen abzuschleppen, weil er im Absoluten Halteverbot steht, und das schon sehr lange Zeit! Also lassen Sie mich endlich meine Arbeit machen! Sonst zeige ich Sie an und zwar wegen Belästigung!“.

Er drehte sich von beiden Männern weg, und gab seinem Mitarbeiter weitere Anweisungen, was dieser tun sollte.

„Dieser arrogante Riesenarsch!“, wütete Wayne, doch Cho gebot ihm Einhalt. „Es hat keinen Sinn jetzt auf ihn zu fluchen, denn eigentlich hat er vollkommen recht – wir müssen etwas finden, womit wir ihn überzeugen!“. Er dachte angestrengt nach und ihm fiel schließlich ein, was den Mann eventuell dazu bringen könnte, seine Meinung zu ändern.

„Entschuldigen Sie!“, meinte er und der Arbeiter drehte sich sichtlich genervt um. „Was wollen Sie denn noch immer hier? Ich habe Ihnen doch laut und deutlich gesagt, dass Sie Ihr Auto dort abholen können, wo wir es jetzt hinbringen. Dann zahlen Sie schön ihre Gebühr, und dann können Sie ihren geliebten Wagen wieder haben. Aber tun Sie mir und sich einen Gefallen und hauen jetzt ab, sonst hole ich die Polizei!“.

Er drehte sich wieder weg, doch Cho ließ dieses Mal nicht locker. „Ich will keinen Streit mit Ihnen, auch wenn Sie denken, ich würde es darauf anlegen. Aber derjenige, den wir suchen, hat vielleicht etwas mit der Entführung von Cordelia Creed zu tun, und das hat mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas mit Staatssicherheit zu tun!“, flunkerte Cho sehr überzeugend zusammen.

„Wenn wir also nicht schnell unseren Wagen bekommen und diesen Typen finden, kann es gefährlich werden – und zwar für uns alle!“. Er sah gespielt betroffen drein und sah an der Miene des Mannes, dass dieser langsam anfing ihm zu glauben.

„Wir zahlen Ihnen hier und jetzt die Gebühr, und dann geben Sie uns den Wagen, damit wir hier schnell wegkommen, okay?!“, bat er und nach kurzem Überlegen, was man dem Herrn an der gerunzelten Stirn ansehen konnte, willigte dieser ein, woraufhin Cho seinen Geldbeutel aus der Hosentasche zog und dem Mann 100 Dollar in die Hand drückte. „Behalten Sie den Rest, und vielen Dank!“.

Der Mann starrte einige Augenblicke ungläubig auf seine Hand, gab seinem Kollegen dann aber das Zeichen, den Wagen wieder runterzulassen. Cho grinste Wayne zu und beide stellten sich an den Straßenrand, bis ihr Auto mit allen Rädern wieder auf dem Boden war.

Wayne setzte sich ans Steuer und gab Gas. Cho hätte ihn davon abhalten können, wenn er hätte wollen, doch ihm war klar, dass sie sowieso bald im nächsten Stauknoten hängen würde, was nach wenigen Minuten Fahrt auch tatsächlich der Fall war.

„Oh verdammter Mist! Was soll das denn jetzt hier?!?“, schrie Wayne auf und ballerte mit seinen Fäusten auf das Lenkrad, wobei er einige Male auf die Hupe kam, weshalb Cho ihn am Ärmel festhielt. „Beruhig dich bitte“, meinte er eindringlich und sah seinen Freund von der Seite her an. Ihm war selbst nicht klar, wieso Ardin vor ihnen geflohen war, und auch in seinem Verständnis konnte es nichts Gutes heißen, doch daran war nun momentan nichts zu ändern. „Es ist wie es ist – die Vergangenheit können wir nun nicht ändern, also lass uns nach vorne blicken!“.

Wenn Blicke hätten töten können, so wäre Chos bester Freund wohl zum Mörder geworden, als er den Asiaten nun scharf ansah, sich einen Kommentar jedoch verkniff. Das durfte doch alles nicht wahr sein!!!
 

*****
 

Schwer atmend und verschwitzt stand er an das Geländer seines Balkons gelehnt. Nach Creeds Anruf vor zwei Tagen war er unruhig geworden. Er mochte es nicht, wenn er unruhig war, und deswegen war er auch heute wieder auf das Laufband gegangen.

Der Schwarzhaarige hatte erst gedacht, dass sein Plan ins Schwanken geriet, denn Creed hatte offensichtlich verstanden, dass er für das Verschwinden dieser Olivia verantwortlich war. Doch dann hatte er nachgedacht und bemerkt, dass Creed nichts gegen ihn in der Hand hatte, außer einer Kamera mit Aufnahmen, die ihn selbst stark belasten würden – also somit war er sicher! Der Politiker würde sich nun seine Chancen nicht zerstören. Nicht jetzt, da er kurz davor war zum Gouverneur gewählt zu werden!

Dieser Gedanke und die Bewegung hatten ihn nun etwas beruhigt und er fragte sich wie er es weiter angehen sollte. Cida war mit Cordelia und den beiden anderen in einer Hütte im Wald, weit ab von irgendwelcher Zivilisation, und somit würde von ihnen keine Gefahr drohen, denn er hatte darauf bestanden, dass das Kindermädchen kein Handy mit sich nehmen würde.

Er beschloss, dass er heute am Mittag losfahren, einkaufen und dann gegen Einbruch der Dunkelheit zu ihnen fahren würde – denn verhungern wollte er sie schließlich nicht lassen, und außerdem hatte er Cordelia versprochen, dass er sie besuchen würde, wenn schon ihr Papa nicht vorbeikommen konnte.

Der Mann lachte auf, und befreiter atmend stellte er sich im Bad unter die Dusche, ließ das kalte Wasser über seinen Körper laufen und pfiff ein Liedchen vor sich hin.

Das lief alles doch fast noch besser als geplant!
 

*****
 

Randolf lief aus Olivias Zimmer und ging schnell ins Wohnzimmer, wo Cida mit Cordelia ein Puzzle machte. Er warf ihr einen drängenden Blick zu, woraufhin sie Cordelia aufforderte kurz alleine weiterzuspielen, und dann mit dem Ermittler in die Küche ging.

„Was ist los?“, fragte sie und sah den Mann ihr gegenüber an, welcher deutlich nervös und vor allem ratlos wirkte. „Olivia ist zusammengebrochen, hat sich noch mal den Kopf gestoßen und ist jetzt wieder bewusstlos. Sie liegt in ihrem Zimmer auf dem Bett, aber wir müssen einen Arzt anrufen! Sie braucht Hilfe!“.

Die Schwarzhaarige seufzte auf und sah auf die Arbeitsfläche, welche zwischen ihr und Randolf war. „Wie sollen wir einen Arzt anrufen? Ich habe kein Handy“, sagte sie leise und blickte nun auf und direkt in seine Augen. „Glaubst du, dass es sehr schlimm ist bei ihr?“, fragte sie und Dare nickte. „Wir dürfen nicht mehr zögern – ich glaube, dass sie sonst schwere Gehirnschäden davontragen kann. Erst der Schlag, jetzt der Sturz! Das ist zu viel!“.

Das Kindermädchen seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, wie ich dir oder ihr helfen kann“, gab sie bestürzt zu. „Ich habe keinen Plan wo wir sind, ebenso wenig wie du, und ich habe kein Handy“, sie stoppte. „Der Mann der uns herbrachte meinte, dass es gefährlich sei, wenn wir ein Mobiltelefon hätten, dann könnte man uns über GPS finden!“.

Dare schüttelte den Kopf. Scheinbar war genau das der Plan des ‚Entführers‘ gewesen! Sie völlig in der Einsamkeit auszusetzen. „Und wenn ich in den nächsten Ort laufe“, fing er an, doch Cida unterbrach ihn. „Der nächste Ort ist weit weg!“, meinte sie bedrückt. „Wir sind über eine halbe Stunde gefahren, nachdem wir den letzten Ort gesehen haben. Und du wirst ihn nicht finden, es gibt keinen offiziellen Weg und ich kann den Weg nicht beschreiben, da der nicht einfach grade aus geht, sondern oft abbiegt!“.

Langsam drang die Erkenntnis in Randolfs Gehirn ein. Sie waren hier Gefangen in der Freiheit!

Wenn er nun loslaufen, und sich verlaufen würde, wäre Grace nicht geholfen! Eine andere Lösung musste her! Irgendwann würde der Typ der sie hergebracht hatte, doch wieder kommen. „Du sagst, es gibt keine Möglichkeit zu ihm Kontakt aufzunehmen?“, fragte er und die andere nickte mit dem Kopf. „Aber das Essen müsste doch bald knapp werden, immerhin sind wir jetzt zu viert, und ihr seid schon eine ganze Weile hier, oder?!“. Die andere nickte wieder und sprach dann. „Heute oder morgen wird er herkommen und uns frisches Essen bringen, dass hat er gesagt. Er hat versprochen uns zu versorgen, damit wir bloß nicht in Gefahr kommen, gesehen zu werden!“.

Offensichtlich hatte die Frau nicht verstanden worum es ging! Es war niemals darum gegangen Cordelia vor irgendjemandem zu schützen! Es war die ganze Zeit ein Spiel gewesen, er und Grace waren in das Spiel hineingeraten ohne eingeplant zu sein, und wurden deswegen aus dem Weg geschafft! Nur, dass der Entführer bei ihm sanfter vorgegangen war, als bei der Rothaarigen!

„Dann bleibt uns wohl nichts anderes als zu warten!“, seufzte Randolf und ging schweren Schrittes zurück zu Grace, welche noch immer bewusstlos auf dem Bett lag. „Es tut mir leid, dass ich dich alleine gelassen habe“, flüsterte er und feuchtete das Tuch für ihre Stirn erneut an, ehe er das Zimmer wieder sehr stark verdunkelte.

Wenn sie aufwachte, würde sie sicherlich wieder Kopfschmerzen haben. Was sollten sie denn nur tun? Sie hatten bald keine Schmerztabletten mehr und er hoffte, dass ein Wunder geschehen würde, auch wenn er eigentlich kein gläubiger Mensch war. Wieso hatte er in diese Situation kommen müssen? Darauf fand er jedoch schnell eine Antwort. Wer hätte sich bitte um Grace kümmern sollen, wenn er nicht hier wäre?!?

Die Rothaarige lag immer noch reglos da. Es war nun kurz vor 13 Uhr. Wie lange war sie schon bewusstlos? Er konnte es nicht wirklich einschätzen, doch sein Gefühl sagte ihm, dass es nicht gut war, dass sie schon so lange nicht zu sich kam. Ein Seufzen entfloh seiner Brust und er blickte wieder zum Bett.
 

*****
 

Er hatte noch lange gezögert, sich dann jedoch entschieden, dass er beim besten Willen nicht mit dem Gewissen leben konnte, welches er haben würde, wenn er nun seine Informationen hinter dem Berg hielt! William hielt die Kamera in der Hand, die er gefunden hatte, und zog sich schließlich seinen Mantel über.

Sein Entschluss war gefasst! Er würde den Agenten alles sagen, was er wusste. Wo seine Tochter war, und dass er glaubte, dass sich Grace ebenso dort befand. Es war ihm klar, dass dies seinen politischen Tod bedeuten würde, doch er war niemals gewillt gewesen jemanden wirklich seiner Freiheit zu berauben, und dies war in Graces Fall geschehen. Von Dare ahnte er ja noch immer nichts, und somit ließ er sich mit dem Vorsatz zum CBI fahren, dass er ihnen sagen würde, wo sich Cida, Cordelia und Grace aufhielten, und natürlich auch, wie sie dort hinkommen würden.

Der Politiker konnte ja nicht wissen, dass der Drahtzieher der ganzen Geschichte heute selbst zu den Verschollenen fahren würde, und somit ein Zusammenstoß zwischen ihm und dem CBI unabwendbar war.
 

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Ardin hatte lange Zeit überlegt und schließlich beschlossen, dass er den Spieß umdrehen und die CBI-Leute beschatten würde. Somit würde er mitbekommen, was diese taten. Natürlich war ihm klar, dass er in der Unterzahl war, und ein deutliches Problem hatte, wenn sich die nun verbleibenden Agenten trennen würden, doch da würde er dann gefühlsmäßig entscheiden müssen.

Er nahm seine Schlüssel und ging nach draußen, wo er ein Taxi zu sich winkte und sich zu der Garage fahren ließ in der sein Auto geparkt war, denn in der Siedlung in der er lebte, konnte er seinen Geschäftswagen unmöglich stehen lassen.

Als er bei der Garage ankam, zahlte er, sprang aus dem Auto und stieg in seinen Jeep. Es war ein Grand Cherokee in schwarz, und Ardin war stolz auf diesen Wagen. Er ließ den Motor an und fuhr los, ließ sich von seinem Navigationssystem, welches up-to-date war um die Stauzonen herumleiten und kam am CBI an, als er den Wagen vor sich erkannte. Das mussten die beiden Agenten sein, die er vorhin in die Bahn gelockt hatte. Diese fuhren mit ihrem Auto auf den Parkplatz des CBIs und er notierte sich schnell das Nummernschild, denn es konnte schließlich sein, dass mehrere Mitglieder der Einheiten diesen Wagentyp fuhren.

Nun hieß es warten und Ardin wurde aus seinen Gedanken gerissen, als vor seinem Auto plötzlich ein Mann zur Pforte des CBIs lief. Das war Creed! Was machte der denn hier? Hatten die Ermittler ihn noch einmal zu einer Befragung einbestellt? Der Politiker schien kurz mit dem Pförtner zu reden und wurde dann ins Gebäude durchgelassen.

Ardin wuschelte sich durch das Haar und blickte auf seine Armbanduhr. Wenn sich nicht bald etwas ereignen würde, musste er eine Nachtschicht einlegen, was ohnehin nicht anders gehen würde. Doch wo konnte er seinen Partner suchen? Vielleicht war Creed der Schlüssel, doch was würde er dann hier tun? Sich stellen? Eine Aussage machen? Ardin war Pessimist und glaubte nur wenig an das Gute im Menschen, weshalb er auch nicht glauben konnte, dass Creed wirklich deswegen hier war.

Er zog ein Buch aus dem Handschuhfach hervor und begann mit einem Auge zu lesen, die Konzentration des anderen Auges jedoch lag auf der Ausfahrt des CBI-Parkplatzes. Dieses Können hatte er in den letzten Jahren beim Justizministerium perfektioniert, er konnte wirklich lesen und gleichzeitig bekam er mit, was geschah, und in diesem Fall war dafür nur ein Punkt zu beobachten.
 

*****
 

Wayne und Cho hatten sich am Besprechungstisch niedergelassen, wo Patrick ihnen Tee und etwas zu essen hingestellt hatte. Es war eigentlich nicht die Art des Beraters andere zu bedienen, doch er wusste, dass beide Agenten sich wohl schwere Vorwürfe machen würden, den Verdächtigen aus den Augen verloren zu haben. Wayne jedoch beachtete weder Tee noch Essen und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Seine Chefin sah ihn besorgt an, und begann dann zu sprechen.

„Es ist nicht eure Schuld! Ardin wollte verschwinden und er hat es geschafft – nur eben früher als wir es dachten. Wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir es weiterlaufen lassen!“, sagte sie eindringlich und sah ihre Einheit an.

Wayne schlug mit der Faust auf den Tisch. „Doch Teresa, es ist verdammt unsere Schuld, dass wir diesen Idioten überhaupt freigelassen haben!“. Nun schaltete sich Jane ein. „Wayne, du weißt genau, dass wir keine andere Wahl hatten – die Rechtslage war so, dass wir ihn laufen lassen mussten!“, erklärte er ruhig. Immer noch weigerte sich sein Verstand zu glauben, dass Ardin wirklich etwas mit der Entführung zu tun hatte – seine Fähigkeiten sagten ihm anderes. Doch das konnte er seinen Kollegen nicht näherbringen. Sie würden es nicht verstehen.

Eine ganze Weile versuchte Lisbon den aufgebrachten Agenten zu beruhigen, ehe sie jedoch vom Klingeln des Telefons gestört wurde. Der Entfernung wegen, wählte sie Waynes Apparat, meldete sich mit ihrem Namen und ihr Gesichtsausdruck nahm plötzlich eine Verwunderung an, die vom Team nicht gedeutet werden konnte. Als sie auflegte, starrte sie entgeistert den Telefonhörer an, und sah dann zu den Männern.

„Das war der Besuchereingang… William Creed ist hier und möchte mit uns sprechen!“, sagte sie sachlich jedoch sehr geplättet. „Okay, da das hier kein Verhör wird, werden wir hier am Tisch mit ihm sprechen. Ich werde nach unten fahren und ihn abholen – und du“, sie wandte sich an Wayne, „du beruhigst dich, bis ich wieder hier oben bin. Denn ich will nicht, dass du Creed gegenüber ausrastest!“. Sie sah den Braunhaarigen ernst an, welcher nickte und verschwand dann aus dem Büro.

In Gedanken malte sie sich auf dem Weg nach unten aus, was Creed ihnen wohl gleich erzählen würde, und als sie unten an der Pforte den Politiker stehen sah, ging sie freundlich lächelnd auf ihn zu. „Guten Tag, Mr. Creed“, begrüßte sie ihn und schüttelte kurz seine Hand. „Kommen Sie doch mit“, bat sie und er folgte ihr zum Aufzug. Auch ohne mentalistische Fähigkeiten spürte Lisbon wie angespannt der Mann war, und im Aufzug herrschte eine bedrückende Stille, die der Senior Agent jedoch aushielt. Im Büro angekommen, führte sie ihn zum großen Besprechungstisch und bot ihm einen Platz und etwas zu trinken an.

Der Mann setzte sich zwar, lehnte das Getränk aber dankend ab. „Ich will gleich zur Sache kommen!“, meinte er und seine Stimme zitterte leicht. Erst jetzt fiel der Dunkelhaarigen auf, dass er bisher kein Wort gesprochen hatte.

„Ich habe hier etwas, was vermutlich Ihnen, beziehungsweise Ihrer Kollegin gehört“, murmelte er und zog die Kamera aus der Jackentasche. Die Irritation darüber, dass er im Besitz von Graces Kamera war, spürte er deutlich und sank etwas in sich zusammen. „Ihre Agentin hat am Abend des Empfanges etwas gefunden, was sie nicht hätte finden dürfen“, erklärte er. „Zumindest die wenigen Bilder die auf der Speicherkarte der Kamera sind, lassen darauf schließen“. Er schluckte und fragte sich, wie er weitersprechen sollte.

Jane sah den Mann währenddessen ruhig an. „Und jetzt sind Sie gekommen um uns zu sagen, wo Grace sich befindet – richtig?“, wollte er wissen und war in dieser Frage überraschenderweise von niemandem unterbrochen worden. Der Politiker sah auf, blickte Patrick direkt in die Augen und im ersten Moment konnte man vermuten, dass er sich über die infame Frage des Sonderberaters empören würde – doch dann nickte er. „Genau so ist es, Mister Jane!“, gab er zu. „Ich weiß, dass es meine Pflicht gewesen wäre, Sie gleich zu informieren… dass es überhaupt nicht erst okay war, so zu tun, als ob meine Tochter entführt worden wäre“, erklärte er. „Doch… ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat!“.

Es hatte einen Grund gehabt, dass Creed diesem Plan zugestimmt hatte. Er selbst hatte nämlich Drohbriefe erhalten, dass Cordi etwas geschehen würde. Sein Manager hatte daraufhin vorgeschlagen, dass es am besten sein würde, Cordelia in Sicherheit und sie mit Cida irgendwo unterzubringen. Er hatte sich schon am Morgen nach dem Empfang gefragt, ob der andere etwas damit zu tun hatte, denn es war alles so komisch gewesen – auch das Telefonat mit ihm.

„Ich habe nichts gesagt, da ich dachte, Sie würden darauf kommen, beziehungsweise… ich konnte mir nicht sicher sein, dass es wirklich damit zusammenhängt… doch jetzt bin ich es! Und ich bin bereit eine Strafe zu verbüßen, wenn sie mir auferlegt wird!“. Mit diesen Sätzen schien der Mann um einige Jahre gealtert und sank in seinem Stuhl zusammen.

Wayne war so überrascht von der Rede des Politikers gewesen, dass er ganz vergessen hatte diesen anzufauchen und auch jetzt war seine Stimme eher ruhig, wenn auch fordernd. „Verraten Sie uns, wer hinter der Idee steckt, ihre Tochter wegzubringen? Wer ist ihr Manager? Wissen Sie, wo die Frauen sich befinden?“. Diese Fragen stellte Graces Ex-Freund und war nun sehr aufgeregt. Die Aussicht, dass er Grace vielleicht schon in Kürze in seine Arme schließen konnte, beflügelte ihn und er wollte alles wissen.

Creed hatte ihn angesehen und nickte nun. „Mein Manager heißt Jared Linkon“, erklärte der Mann und beschrieb den anderen. „Er ist circa so groß wie Sie, Rigsby. Er hat schwarzes, etwas längeres Haar und trägt eine Hornbrille. Er ist ein Jahr jünger als ich, ziemlich schlank und hat ein ziemlich bubenhaftes Gesicht. Ich vermute, dass Sie ihn schon einem in irgendeiner Nachrichtensendung gesehen haben“, fügte er hinzu und lehnte sich zurück.

„Linkon war früher mein Studienkollege und ich hatte oft das Gefühl, dass es ihm schwer viel, dass ich mehr Erfolg hatte als er. Doch dann wurden wir Partner, nachdem ich ihn darum bat mich zu Managen. Cordelias Leben wurde während des Wahlkampfes bedroht und ich wollte die Polizei nicht einschalten um einen Medienpulk zu umgehen. Die Medien hätten es so hingestellt, als ob ich nach Publicity suchen würde. Jared brachte Cordelia und Cida schließlich weg und erst dachte ich, dass es okay sei. Dann allerdings kamen sie, und mein Manager verlor bereits zum ersten Mal den Verstand. Er meinte, dass wir nun, da das CBI eingeschaltet war eine öffentliche Suchaktion starten konnten. Wir wollten es so aussehen lassen, als seien das Kindermädchen und meine Tochter von irgendeinem Spinner verschleppt und schließlich wieder freigelassen worden“.

Er setzte ab und dachte nach. „Könnte ich vielleicht doch ein Glas Wasser bekommen?“, bat er und Cho stand auf um etwas zu trinken zu holen. Als der blonde Politiker schließlich einige Schlucke getrunken hatte, sprach er weiter. „Ich habe schon an diesem Punkt keinen Sinn mehr gesehen in dieser Aktion, war aber schon zu tief in dem Schlamassel drin, als dass ich einfach hätte aussteigen können. Linkon und ich hatten Daten erworben die eigentlich illegal waren, beziehungsweise wir sind illegal in den Besitz dieser gekommen. Es ging um Wahlergebnisse und Jared wollte es unbedingt schaffen mich nach vorne in die Liste zu bringen – er wollte diese irgendwie fälschen und zu diesem Zweck hatte er sie auf meinen Computer gezogen, dort einiges gehackt und mir schließlich die Listen ausgedruckt. Grace muss diese Listen gefunden haben, denn sie hat sie fotografiert. Doch der Fotoapparat lag bei mir im Arbeitszimmer, deswegen vermutete ich, dass sie nicht freiwillig gegangen, sondern gegangen worden war. Als Sie dann bei mir auftauchten und erzählten, dass Ihre Kollegin weg sei, habe ich zuerst nicht begriffen, doch schnell kam mir der Gedanke, dass Jared dahinter stecken musste. Ich habe ihn darauf angesprochen, doch er wollte nichts sagen. Beziehungsweise denke ich, dass sein Schweigen das beste Geständnis war, welches ich bekommen konnte!“.

Mit diesen Worten hatte Creed seine Ausführung beendet, setzte dann jedoch wieder an. „Und wo sie sind, kann ich Ihnen sagen, am besten geben sie mir eine Landkarte, damit ich es einzeichnen kann“, erklärte er und Wayne ging voller Enthusiasmus und organisierte eine Karte, legte diese dann auf den Tisch und der Blonde beugte sich darüber. „Sie sind ungefähr hier“, meinte er und zeigte auf einen kleinen Ort auf der Karte. „Willow Creek und von dort aus sind es noch circa dreißig Meilen nach Nordwesten. Dort habe ich eine Hütte und in dieser sind die drei untergebracht“, erklärte er und sah in die Runde.

„Am besten wird es sein, wenn sie in Eureka auf dem Flugplatz landen und von dort aus mit dem Auto weiterfahren. Denn von hier aus braucht man zu lange und von Eureka nach Willow Creek sind es knapp fünfzig Minuten und dann nochmal ungefähr dreißig. Auf jeden Fall sind Sie schneller als von hier aus mit dem Auto zu fahren, wie es Linkon mit Cordelia und Cida gemacht hat. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen meinen Privatjet zur Verfügung“.

Ihm ging es nicht darum, Eindruck zu schinden, oder irgendwie den Anschein zu erwecken, dass er etwas gutmachen wollte, doch er hatte viel Scheiß gebaut und nun war es seine Pflicht den Agenten zu helfen. Die Schwarzhaarige jedoch schüttelte den Kopf. „Wir haben unseren eigenen Jet und wie sagte sie heißt der Ort – Eureka?“, fragte sie nach und er nickte. „Na dann Leute, das würde Grace doch gefallen. Eureka – Heureka… ist doch fast dasselbe“, meinte sie und lächelte nun.

„Mr. Creed bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung und geben sie meinem Kollegen Cho die genauen Koordinaten ihrer Waldhütte, sodass wir diese problemlos finden können! Und bitte verlassen Sie die Stadt nicht!“.

Sie ging vom Tisch weg und lief schnell die Treppe nach oben, da Hightower unbedingt davon erfahren musste, was sie eben gehört hatten. Die dunkelhäutige Chefin saß in ihrem Büro und Lisbon trat schnell ein, denn sie brannte darauf zu wissen, was die andere zu den neuen Erkenntnissen sagen würde. Sie schilderte kurz die Situation und ihre Vorgesetzte hörte ihr ruhig zu, nahm dann das Telefon zur Hand und organisierte einen CBI-Jet für das Team, damit dieses in wenigen Stunden fliegen konnte. Niemand wusste, ob Jared Linkon nicht vielleicht doch eine brutale Ader hatte und die ‚Gefangenen‘ folterte, oder gar vorhatte sie umzubringen.

„Ich denke, dass ich Ihnen keine Vorschriften zu machen brauche. Sie wissen, was Sie zu tun haben! Und wegen Creed, er wird sich verantworten müssen – auf welche Art und Weise auch immer“, erklärte sie und schickte Lisbon mit der Information aus dem Büro, dass der Jet in knapp zwei Stunden am Flugplatz starten würde.

Die Senior Agentin kam wieder nach unten ins Büro wo sie wieder auf Creed traf, welcher nun sichtlich erleichtert schien. „Sie sind sich hoffentlich darüber im Klaren, dass es für sie noch ein Nachspiel haben wird“, sagte sie, als sie ihn zum Aufzug brachte und er nickte. „Ich habe Ihnen doch schon vorhin gesagt, mir ist es wichtiger, dass die Wahrheit nun ans Tageslicht kommt. Ich finde es nur beinahe erbärmlich von mir selbst, dass ich zu dieser Überzeugung überhaupt so lange brauchte und Ihren Kollegen nicht gleich meinen Verdacht mitgeteilt hatte!“.

Im Aufzug schwieg Lisbon und sprach erst wieder als sie zur Tür gingen, welche auf den Parkplatz führte. „Immerhin haben Sie die Kurve bekommen und uns doch noch mitgeteilt, was Sie wissen. Das wird sich sicherlich strafmildernd auswirken. Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir Cordelia und Cida haben“, erklärte sie, verabschiedete sich dann von ihm und ging wieder nach drinnen, wo sie ins Büro hoch fuhr und dem Team den Ablaufplan mitteilte. „Ich denke, dass wir Jared immer noch schnappen können, es momentan aber wichtig ist, dass wir nach den dreien suchen. Und dafür brauchen wir alle! Creed hat mir übrigens noch gesagt, dass Linkon momentan in Sacramento ist“, gab sie diese Information weiter.

„Wir packen jetzt die nötigsten Sachen zusammen und machen uns dann auf den Weg zum Flugplatz“, gab sie die Anweisung und brauchte fast nichts mehr zu sagen. Das Team arbeitete wie von alleine! Cho klemmte sich ans Telefon und organisiert, dass sie einen Geländewagen bekommen würden, sobald sie landeten. Wayne suchte die Ausrüstung zusammen, unter anderem ein spezielles Navigationssystem, welches er nochmals am PC updatete, damit sie auch wirklich nicht in die Irre geleitet wurden und Patrick ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Er hatte sich erst einen Tee gekocht und dann auf die Couch gelegt, wo er nun mit geschlossenen Augen nachdachte.

Creed hatte nun gestanden, somit hatte er also recht gehabt. Er versuchte die Fakten neu zu sortieren. Creed hatte nichts von Ardin oder Dare gesagt und der Drahtzieher hinter der Geschichte war sein Manager gewesen. Was hatten die beiden Ganoven also mit der Sache zu tun? Wieso waren sie bei dem Haus des Politikers gewesen, wieso hatten sie es überwacht?!? Im Augenblick konnte er sich darauf wirklich keinen Reim machen und starrte deswegen an die Decke, als Lisbon zu ihm kam.

„Kommst du mit?“, fragte sie und sah ihn forschend an. Kurz griff er nach ihrer Hand und zog sich hoch, eine wirklich unverfängliche Geste und trotzdem hatte er sie somit berühren können. Nun stand er ihr gegenüber. „Ich bin froh, wenn das hier rum ist und wir hier wieder den normalen Alltag haben“, flüsterte er und sah sie liebevoll an. Seinen Blick hatte sie erwidert, wusste aber genau, dass es unter Umständen noch wirklich Probleme geben konnte, wenn es raus kam, dass sie ein Paar waren. Aus genau diesem Grund trat sie auch jetzt vor ihm zurück und sah ihn lächelnd an, ehe sie einen Blick zur Uhr warf.

„So Leute, wir können los!“, meinte sie nun auffordernd und nahm ihre Tasche vom Stuhl. Wayne war aufgesprungen und sah sie mit glänzenden Augen an. Nicht nur er war froh, dass sie nun endlich eine Spur hatten! Man konnte ihm ansehen, dass er es kaum mehr aushielt, denn er steuerte zielstrebig auf den Aufzug zu und wartete nur ungeduldig auf seine Kollegen. „Macht schon Leute, sonst fliegt der Jet ohne uns“, scherzte er und hielt die Tür offen bis das gesamte Team im Lift stand und sie nach unten fahren konnten.

Lisbon hatte sich durchgesetzt und kletterte auf den Sessel hinter dem Steuer. Sie fuhr vorsichtig vom Parkplatz und wenn einer der Agenten richtig geschaut hätte, wäre ihnen aufgefallen, dass ihnen schon nach wenigen Metern ein Jeep folgte. Doch niemand dachte daran, dass sie verfolgt werden könnten und voller Optimismus machten sie sich auf den Weg zum Flugplatz um ihrer verschollenen Partnerin und den beiden anderen ‚Entführten‘- von der Entführung Dares wussten sie ja noch immer nichts -endlich etwas näher zu kommen.

Der Fall entwickelt sich

Jared Linkon hatte sich in den Fahrersitz seines Wagens zurückgelehnt und raste auf der CA-299 in Richtung Willow Creek, hatte das Fenster heruntergelassen und ließ das Radio auf voller Lautstärke laufen. Das letzte Album der Foo Fighters wurde abgespielt und nun setzte sich der Mann eine Sonnenbrille auf. Den Einkauf für Cida, Cordelia, Randolf Dare und Olivia, beziehungsweise Grace, hatte er bereits getätigt und die vollen Taschen mit Lebensmitteln lagen im Kofferraum des Wagens.

Ein Blick auf sein Navigationssystem sagte ihm, dass es gegen Spätnachmittag ging und er fuhr etwas ruhiger. Er wollte schließlich erst im Dunkeln an der Waldhütte ankommen, die Reserven kurz abgeben und dann zurückfahren. Niemand würde bemerken, dass er weg gewesen war! Ein fieses Lachen drang aus seiner Kehle, doch er unterband es schnell. Noch war sein Plan nicht vollendet! Erst wenn Creed so weit war, dass er gestehen würde und bis dahin würde er seine eigenen Spuren verwischt haben! Er wollte Williams Leben zerstören, denn dieser hatte das bekommen, was eigentlich ihm gehörte! Ein Ansehen als Politiker!

Creeds Ansehen würde zerstört sein, wenn herauskam, dass ER zu seinen Gunsten Listen gefälscht hatte und auch noch seine Tochter verschwinden ließ um in die Schlagzeilen zu gelangen. Das war der Plan! Der erste Schritt war gewesen, dass die Listen auf Creeds PC landeten und da der Politiker nicht viel Ahnung von Computern hatte, war es dem Manager nicht schwergefallen die Dateien durch einen leichten Trick so zu verbergen, dass man diese sofort finden würde, wenn man danach suchte.

Er hatte nur ein Problem, mit welchem er NICHT gerechnet hatte! Und das waren Dare und diese Olivia. Sie waren ihm in die Quere gekommen, und nun?!?

Die Erkenntnis darüber, was er mit beiden tun würde, kam über ihn wie eine Vision. Es würde nur eine Möglichkeit geben, dass er nicht in Gefahr kam von jemandem vor Gericht angeklagt zu werden! Cida konnte ihn nicht verraten, da sie gar nicht begriffen hatte, dass es eine Entführung war. Die kleine Cordelia war noch so jung, dass sie als Zeugin vor Gericht nicht zählte, außerdem war er ihr gegenüber stets lieb und freundlich gewesen. Und Creed, der würde garantiert genug damit zu tun haben, seinen eigenen Arsch zu retten! Somit waren wirklich nur die beiden Agenten eine Gefahr und diese würde er beseitigen. Er bremste ab, hielt auf dem Seitenstreifen der Fahrbahn und stieg aus. Weit und breit war kein Auto zu sehen, dafür war er schon zu weit gefahren und schließlich führte die Straße einen ins Nirgendwo!

Er stieg aus, lief nach hinten und öffnete den Deckel des Kofferraums, schob die Tüten beiseite und hob dann den Teppichboden nach oben, sodass unter diesem ein Fach sichtbar wurde, welches der Schwarzhaarige nun öffnete und eine Walther P99 zu Tage förderte. Früher hatte er Aggression und Gewalt verabscheut, doch er hatte gelernt, dass man ohne diese nicht weit kam. Friede war etwas für Weicheier, oder besser gesagt für diejenigen die nicht verstanden, was wirklich die Welt regierte – nämlich MACHT!

Und Macht konnte er nur mit Waffengewalt bekommen. In dem Koffer den er geöffnet hatte, lagen ein Schalldämpfer und mehrere Ersatzmagazine für seine Pistole, welche er nun ebenfalls herausnahm und in den Taschen seines Anzuges verschwinden ließ. Er hatte wieder einen Plan! Nämlich den, die beiden Agenten einfach zu erschießen und dann in den Trinity River zu werfen. Alle Flüsse endeten irgendwann im Meer und somit würde man die beiden wohl niemals finden.

Diese neue Idee beruhigte ihn, weshalb er die Pistole mit nach vorne nahm, sie mit dem anderen Zubehör im Handschuhfach verstaute und dann weiterfuhr.

Dieser neue Plan – das Wissen, dass ihn niemand würde verraten können – machte ihn ruhig und er fuhr weiter seinem Ziel entgegen. Er wähnte sich in Sicherheit, konnte er doch nicht wissen, dass Creed bereits gestanden hatte und das CBI ihm demnach bereits auf der Spur war!
 

*****
 

Seine Nackenhaare stellten sich auf, als Wayne ein erneuter Adrenalinschub überkam. „Kannst du nicht etwas schneller fahren?“, fragte er Lisbon drängend und sie schüttelte den Kopf ehe sie an einer Ampel hielt. „Nein, das kann ich nicht Rigsby. Und außerdem hätte es gar keinen Sinn sich zu verrennen, da wir die Starterlaubnis ohnehin nicht früher bekommen!“, erinnerte sie ihn und er seufzte hörbar. „Wir wissen alle, dass du dringend zu Grace willst, und glaub mir du bist nicht der Einzige der erleichtert sein wird, wenn sie wohlbehalten wieder bei uns ist!“.

Zu diesem Kommentar schüttelte Wayne nur den Kopf. „Ihr versteht das nicht!“, murmelte er leise, jedoch so, dass alle im Wagen es mitbekamen. „Ich habe ihr gesagt, dass sie es nicht schaffen wird… Und es ist ihr was zugestoßen“, erklärte er. „Außerdem haben wir gar nichts von ihr gehört, seit mittlerweile vier Tagen. Ich habe einfach kein gutes Gefühl!“. Cho sah seinen besten Freund etwas betroffen an. „Wayne, ihr wird schon nichts passiert sein!“, versuchte er diesen zu beschwichtigen, doch der Großgewachsene fuhr sich nur durchs Haar und starrte dann wieder aus dem Fenster.

Patrick hatte sich vorne neben seiner Liebsten auf dem Beifahrersitz platziert und hatte sich leicht zu den beiden Agenten im hinteren Teil des Wagens umgedreht. „Rigsby, jetzt bleib mal ganz rational. Grace ist eine erwachsene Frau. Selbst wenn du ihr gesagt hast, dass sie es nicht schafft – sie hat sich entschieden es trotzdem zu versuchen. Sie hat ihren eigenen Kopf, und das solltest du eigentlich am allerbesten von uns allen wissen! Sie ist das Risiko eingegangen, weil sie das Mädchen retten wollte und wenn ihr etwas passiert ist, dann nimmt sie das sicherlich hin, denn sie war sich dessen bewusst“.

Wayne wollte ihm Konter bieten, doch Lisbon unterbrach ihn. „Leute, es bringt nichts sich darüber zu streiten!“, gab sie zu bedenken. „Wenn etwas passiert ist – was ich nicht glaube – so wird sie damit klarkommen, da bin ich mir ganz sicher. Und sie wird niemandem die Schuld geben!“. Die Dunkelhaarige warf einen Blick in den Rückspiegel und sah durch diesen ihren Kollegen an. Als sie jedoch einmal richtig hinsah, bemerkte sie, dass noch immer der gleiche Wagen hinter ihr fuhr wie schon einige Minuten vorher. Eine Gedankenlawine löste sich in ihrem Kopf. Sie wurden verfolgt! Nur von wem?!? Wer sollte sie verfolgen? Um sicher zu sein, dass es wirklich kein Zufall war, bog sie an der nächsten Kreuzung ab, worauf hin das Navigationssystem sie freundlich darauf hinwies, dass sie wenden musste. „Teresa, was machst du denn?“, fragte Jane irritiert und sah seine Chefin an, diese fuhr allerdings stetig geradeaus und warf immer wieder einen Blick in den Rückspiegel. Der Wagen war noch immer hinter ihnen, doch sie konnte den Fahrer nicht erkennen, da die Sonnenblenden nach unten geklappt waren.

Im Wagen hinter den Agenten fluchte Ardin auf Türkisch, als die Chefin des Teams in eine Sackgasse abbog. Ihm war klar, was das hieß! Sie hatte bemerkt, dass er hinter ihnen war, denn sie war relativ abrupt abgebogen. Doch nun fuhren beide Wagen ans Ende der Straße wo sie eine Wendeplatte befand und er tat einfach so, als ob er ein Haus suchen würde. Nebenher zog er sich schnell eine Baseballkappe auf, an welcher eine Perücke befestigt war. Sie durften ihn nicht erkennen! Er wollte wissen, wo sie hinfuhren!

Er wusste nicht, was Agent Lisbon dachte, auf jeden Fall fuhr sie einfach weiter, wieder aus der Sackgasse heraus und schließlich in Richtung des Flugplatzes. „Verdammt!“, entfuhr es ihm, als er kombinierte. Die Agenten wollten irgendwo hinfliegen… na dann war sein Plan zum Scheitern verurteilt. Denn in einem Flugzeug konnte er ihnen schließlich nicht folgen… MIST!

Einige Augenblicke starrte er nur geradeaus und fuhr recht mechanisch, ehe ihm bewusst wurde, dass er nun keine andere Wahl mehr hatte – er musste seine Deckung aufgeben und den Agenten sagen was er wusste – oder eben NICHT wusste! Dann kam ihm der nächste Gedanke! Er musste die Agenten irgendwie davon abhalten auf den Flugplatz zu gelangen, denn dieser war Privat und er würde nicht eingelassen, da er sich nicht ausweisen und sagen konnte, dass er einen Flug gebucht hatte. Nun saß er in der Scheiße! Was sollte er tun?!?

Während der Agent des Justizministeriums nachdachte, wie er das Team blockierte um mit ihnen zu reden, überlegte Lisbon laut, wie sie das Fahrzeug hinter ihnen am besten abhängen konnte. Wayne bekam, dank der Frage einen Lachanfall. „Lisbon, du weißt genau, dass wir ihn hier nicht mehr abhängen können, das hättest du schon in der Stadt machen müssen!“, stichelte er und merkte nicht, wie gemein es von ihm war, seine Chefin so zu recht zu weisen. „Hey, lass Lisbon in Frieden“, entgegnete Jane und blickte seine Freundin von der Seite her an. Diese hatte jedoch gar nicht aufgenommen, was Wayne gesagt hatte. „Ich habe einen Vorschlag“, meinte der Blonde schließlich und grinste. „Wir halten einfach an, du stellst das Auto quer auf die Straße und wir fragen ihn oder sie, was er oder sie will!“.

Teresa sah nun zu Patrick und im ersten Moment lag Mitleid in ihrem Gesichtsausdruck, ehe sie eine Vollbremsung hinlegte und das Steuer herumriss. „Beste Idee des Tages, Jane!“, gab sie zurück, zog ihre Pistole und sprang aus dem Auto. „Ist die verrückt geworden?“, stieß Wayne hervor, der sich erst kurz von dem Schreck erholen musste dann allerdings ebenfalls aus dem Wagen sprang und Lisbon Rückendeckung gab. Cho folgte ihm.

„Steigen Sie aus und halten Sie Ihre Hände verschränkt hinter dem Kopf!“, forderte der Asiate und zu ihrer Überraschung öffnete sich die Wagentür tatsächlich.

„Nicht schießen!“, sagte Ardin mit ruhiger Stimme und zog die Kappe vom Kopf. „Schießen Sie nicht, ich zeig Ihnen meine Marke!“. „Nein, lass Sie die Hände oben, Mr. Ardin!“, befahl Lisbon. Sie traute diesem Typ nicht. Was tat er hier?!? Eben diese Frage stellte Wayne in diesem Moment. „Lassen Sie mich meine Marke zeigen, dann können wir die Waffen wegstecken und wie zivilisierte Menschen reden!“, entgegnete der Türke und wirkte entspannt. Die Situation würde sich gut auflösen, daran glaubte er.

„Wir können Ihnen aber nicht trauen!“, zischte Cho, doch Jane war aus dem Wagen gehüpft und kam zu ihnen. „Lasst ihn machen, ich will wissen, ob ich mit meinem Verdacht recht habe!“. Lisbons Blick sagte deutlich aus, dass er vermutlich den Verstand verloren hatte, doch dann sah sie wieder zu Ardin. „Teresa, wir müssen unseren Flug erwischen, und wenn wir uns hier ewig mit ihm aufhalten, dann verpassen wir ihn!“, gab der Mentalist ihr zu bedenken und sie nickte schließlich. „Okay, aber machen Sie ganz langsam! Eine falsche Bewegung und wir werden schießen!“.

Ardin hielt den Blickkontakt zu den Agenten und ließ langsam die Arme sinken. „Ich werde jetzt kurz nach hinten greifen, denn dort ist meine Marke befestigt!“. Er merkte, dass es selbst für ihn eine Ausnahmesituation war und seine Hände zitterten leicht, doch er schaffte es seine Marke vom Gürtel zu lösen und unter dem Hemd hervorzuziehen. „Ich bin nicht bewaffnet!“, erklärte er und hob die glänzende Marke vor sich ins Licht. „Wenn Sie mich lassen, zeige ich Ihnen die Marke aus der Nähe, damit Sie wissen, dass ich nicht Lüge!“.

Von Patrick kam plötzlich ein Stöhnen und alle in der Situation Anwesenden sahen ihn irritiert an. „Er ist ein Undercoveragent“, kam es von dem Gedankenakrobaten und er schüttelte den Kopf. „Kommen Sie her!“. „Nein! Bleiben Sie stehen!“, schrie Lisbon mit immer noch erhobener Waffe. „Wann lernst du es Jane? Ich gebe hier die Befehle!“, zischte sie. Man merkte, wie stark die Chefin angespannt war. „Wer sind Sie?“, fragte sie nun den Verdächtigen. „Mein Name ist Yusuf Öszelic! Mein Deckname ist Mustafa Ardin! Ich bin Ermittler des Justizministeriums und suche meinen verschollenen Partner, John Taylor alias Randolf Dare!“.

Die drei CBI-Agenten sahen ihn erst etwas ungläubig an, doch dann ließen sie nach und nach langsam die Waffen sinken. „Ich konnte Ihnen nicht sagen, wer ich bin, da ich eigentlich einen unsichtbaren Maulkorb vor dem Mund trage. Ich dürfte es Ihnen eigentlich noch immer nicht sagen, doch ich vermute, dass Miss van Pelt und Ran sich in derselben Gefangenschaft befinden“. Nun traute er sich einige Schritte auf die Einheit zuzugehen. „Bitte vertrauen Sie mir, und nehmen Sie mich mit! Ich suche mittlerweile seit dem Tag von Cordis Verschwinden nach meinem Partner und ich weiß einfach nicht mehr, wo ich ihn noch suchen sollte! Sie scheinen eine Spur zu haben und ich möchte mit Ihnen zusammenarbeiten“. Er war bei der Gruppe von Agenten angekommen und sah diese nun einzeln nacheinander an. Hier draußen und nachdem sie die Waffen hatten sinken lassen, sahen sie eigentlich ganz nett aus. Er hielt ihnen seine Marke unter die Nase und nachdem alle diese genauestens unter die Lupe genommen hatten, entspannte sich die Situation.

„Und wir dachten, Sie haben Dreck am Stecken“, grummelte Cho und sah den fremden Agenten an, welcher unvermittelt anfing zu grinsen. „Vermutlich hätte ich von mir dasselbe geglaubt“, gab er offen zu und dachte dann kurz nach.

„Also, die Situation war folgende: Dare und ich haben Creed beobachtet, da das Justizministerium einen anonymen Hinweis bekommen hatte, dass er in illegale Dinge verwickelt sei. Worum es genau geht darf ich Ihnen allerdings jetzt nicht sagen. Hauptsache ist, wir haben das Haus beobachtet, immer im Wechsel und sind ihm gefolgt, sobald er das Haus verließ. An dem Tag als Cordelia entführt wurde, war es dann allerdings so, dass ich für Dare nicht erreichbar war, weil ich etwas anderes übernehmen musste. Normalerweise telefonierten wir immer abends um uns gegenseitig mitzuteilen, was vorgefallen war, doch an eben diesem Abend rief Dare nicht an. Und er ging nicht ans Handy, so oft ich ihn auch anrief. Da wusste ich, dass etwas geschehen sein musste. Ich fuhr zu ihm nach Hause, doch auch dort war niemand. Die Tage bis sie mich festnahmen, habe ich beinahe Tag und Nacht nach ihm gesucht, ihn ständig angerufen und irgendwie versucht Kontakt zu ihm zu bekommen – doch nichts. Als Sie mich und ihn dann mit der Entführung in Verbindung brachten, weil unsere Autos vor dem Haus gestanden hatten, schien es mir das Beste auf stur zu schalten, denn wie gesagt, mir war nicht gestattet meine Tarnung zu lüften. Das war auch der Grund, wieso ich Sie beiden“, er zeigte auf Cho und Wayne, „ dann abgehängt habe. Ich musste ins Justizministerium um dort festzustellen, ob vielleicht auch Dare für einen anderen Job gebraucht wurde, doch sie sagten, dass er noch immer an der Creed-Sache dran sei. Es gab eine Auseinandersetzung und mir wurde verboten mich zu ‚outen‘, doch als ich grade bemerkte, dass ich Sie nicht komplett verfolgen kann, da Sie offensichtlich das Flugzeug nehmen wollen, musste ich irgendwie mit Ihnen reden. Und ihre Chefin sah das offensichtlich genauso“.

Er schloss seinen Bericht und lächelte Lisbon zu, die ihn nun wirklich erstaunt anschaute. „Achso, und bitte entschuldigen Sie alle, was ich Ihnen gegenüber in den Verhören äußerste. Das ist meine Masche und… naja, eigentlich bin ich ganz anders. Also wie gesagt, Entschuldigung!“. Er blickte in die Runde. „Entschuldigung angenommen“, sagte Lisbon und ein Lächeln breitete sich auf Ardins Gesicht aus.

Cho sah etwas verlegen drein, als er anfing zu sprechen. „Es tut auch mir leid, dass ich Ihnen den Arm auf den Rücken gedreht habe, aber Sie haben mich in diesem Moment wirklich aggressiv gemacht mit Ihrem Verhalten“. Der türkischstämmige Agent nickte und grinste. „Es war schon in Ordnung, schließlich habe ich Sie auch mit so ziemlich vielen Wörtern bedacht!“, gab er zu. „Aber nun zu Ihrem Plan, und was hat Creed vorhin bei Ihnen gesucht?“, wollte er wissen und alle sahen Lisbon an. Niemand der Einheit wollte etwas sagen, was die Chefin eventuell nicht preisgeben wollte, doch sie begann zu erzählen, teilte dem anderen alles mit, was sie wussten, vor allem das, was Creed ihnen am Morgen gestanden hatte. „Der Tipp den Sie bekommen haben, hat also vermutlich wirklich gestimmt!“, schloss sie die kurze Berichtserstattung und warf dann einen Blick zur Uhr. „Leute, wir müssen weiter. Mr. Ardin, wenn sie mitkommen wollen, fahren Sie hinter uns auf den Flugplatz und lassen Ihr Auto dann dort – nur wir haben nicht mehr allzu viel Zeit!“, erklärte sie und alle nickten, woraufhin Ardin den Agenten ein „Bis gleich“, entgegenbrachte und alle wieder in ihre Autos stiegen.

„Das ist ja echt unglaublich“, murmelte Wayne als er einstieg. „Wenn das Justizministerium nicht so verbohrt auf seine Regeln pochen würde, dann hätten wir vielleicht schon viel eher eine Ahnung gehabt, was vorgefallen ist!“. Lisbon die nun wieder hinter dem Steuer saß, zuckte die Schultern. „Hätten wir ihm zugehört, dann hätten wir den Braten vielleicht schon viel eher gerochen!“, gestand sie und die drei Männer sahen verwirrt drein. „Cho, erinnerst du dich an das Verhör nach Graces Verschwinden?“, wollte sie wissen und er nickte. „Ardin hat gemeint, dass wir rein gar nichts verstehen würden, als wir ihm Vorwürfe machten! Und er hatte recht, wir haben ihn nicht verstanden und wir haben es nicht kapiert!“, klärte sie nun die beiden anderen auf. „Da hast du recht Teresa, aber wer hätte diesen Braten denn bitte riechen sollen?“, wollte er wissen und dieses Mal nickte sie mit dem Kopf. Sie hatte noch etwas antworten wollen, doch die Schranken des Flugplatzes erschienen vor ihnen und somit drosselte sie die Geschwindigkeit des Wagens bis sie zum Stehen kam. Ein Wachmann ging auf das Auto zu und Lisbon hielt ihm ihren Ausweis hin. „Wir haben einen Flug nach Willow Creek gebucht, der Wagen hinter uns gehört zu uns! Wir sind nun doch zu fünft“, erklärte sie und der Wachmann gab über eine Überwachsungskamera ein Zeichen, woraufhin sich das Rolltor wie von Geisterhand öffnete.

Die beiden Autos fuhren hindurch und parkten, ehe die Insassen ausstiegen und sich gemeinsam in Richtung des zugewiesenen Jets aufmachten. „Was habt ihr jetzt eigentlich vor?“, fragte Ardin als sich alle in einen Flugzeugsessel gesetzt hatten und sah in die Runde.

„Naja, unser Plan ist in Willow Creek einen Wagen zu nehmen und mit Hilfe des Navigationssystems und der von Creed gegebenen Koordinaten die Waldhütte zu finden in der die vier untergebracht sind. Wir werden sie befreien und mit zurücknehmen, dann suchen wir nach Linkon“. Ardin hatte zugehört und dachte nach. „Was, wenn er uns irgendwie in die Quere kommt?“, fragte er aus einem Gefühl heraus und sie anderen sahen ihn verwundert aus. „Naja, ist ja nur, dass wir einfach alle Möglichkeiten durchgegangen sind!“, verteidigte er sich und in diesem Moment kam eine Durchsage des Piloten, dass sie nun starten würden und informierte sie über die Zeit. Es war 16.30 und sie würden etwas mehr als eine Stunde fliegen.

Alle schnallten sich an und waren während des Starts still. Wayne sah aus dem Fenster und vor seinem inneren Auge tauchte Grace auf. Was sie grade wohl machte? Die Vorstellung der Agenten, wie es den vieren in der Waldhütte ging, war grundlegend absolut die Falsche. Alle dachten, dass diese dort unbeweglich festgehalten wurden, eingesperrt in kleine Räume auch wenn Creed versichert hatte, dass es in der Hütte kaum möglich sei. Doch wie die Situation in der Hütte gerade wirklich war, konnte sich auch niemand vorstellen.
 

*****
 

Randolf schrak hoch, als er ein leises Stöhnen hörte und musste sich kurz darauf besinnen wo er sich befand. Als es ihm klar wurde, warf er einen Blick auf seine Uhr. Es war schon später Nachmittag und er musste drei bis vier Stunden geschlafen haben. „Grace?!“, fragte er und von ihr kam nur ein erneutes Stöhnen. Sie war also wach. Er ging zum Bett und blickte sie an, sie hatte die Augen leicht geöffnet, schien aber komplett orientierungslos. „Wie geht’s dir?“, wollte er wissen doch dann sah er die Tränen, die über ihr Gesicht liefen. „Hey, es wird alles in Ordnung, du wirst sehen. Bald ist das vorbei!“, flüsterte er und strich sanft eine der Tränen weg. Und was ihm in diesem Moment klar wurde, traf ihn wie einen Blitz! Er hatte sich in die junge, rothaarige Agentin verliebt! Er schluckte hart und musste kurz blinzeln ehe er seine Frage wiederholte.

Sie lag wie vom Donner gerührt da, als sie spürte wie ein Mann zu ihr kam und auf sie einredete – und sie dann auch noch anfasste!!! Die junge Agentin hatte die Augen zusammengekniffen und versuchte sich darüber klar zu werden, was sie machen sollte. Die Schmerzen in ihrem Kopf allerdings hinderten sie stark daran. Das Denken fiel ihr so schwer, dass sie schließlich versuchte sich irgendwie zu bewegen, doch auch das klappte nicht so, wie es sollte.

Nun stieg Panik in ihr auf. „Wieso tut mein Kopf so weh?“, fragte sie wie ein kleines Kind und versuchte sich irgendwie von ihm wegzubewegen. „Wegen der Verletzung, Grace“, erklärte er und ihm schwante Schlimmes, als ihre nächste Frage kam. „Welche Verletzung? Wer sind Sie, und wo bin ich?“, fragte sie und hatte nun die Augen geöffnet, jedoch nur für einen kleinen Moment, denn es schmerzte zu sehr, weshalb sie die Augen wieder schloss.

„Wer sind Sie?“, fragte sie erneut und er musste schlucken. Sie hatte Amnesie! Diese war wohl durch den zweiten Sturz ausgelöst wurden. „Grace, kannst du dich daran erinnern, wo du bist?“, fragte er und hoffte so sehr darauf, dass sie mit „Ja“ antworten würde – „Nein“, antwortete die Rothaarige jedoch und er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Das durfte jetzt doch wirklich nicht wahr sein?!?

„Was ist das letzte an das du dich erinnern kannst?!?“, fragte er, denn er musste herausfinden wie weit die Amnesie zurückreichte. Rein theoretisch hätte sie sich an ihn erinnern müssen! Doch offensichtlich tat sie es nicht. „Versuch dich zu erinnern. Was ist das letzte, woran du dich erinnerst?!“, drängte er nun nochmal. „Verdammt, ich versuche es ja schon!“, keifte sie plötzlich und er erschrak etwas. „Sie haben mir meine Frage aber noch immer nicht beantwortet!“. Er legte wieder ein kaltes Tuch auf ihre Stirn, welches sie jedoch sofort wegnahm. „Wer sind SIE?!?“.

Er wollte nicht, dass sie sich noch mehr aufregte und fing deswegen an zu sprechen. „Mein Name ist Randolf Dare!“, sagte er und hielt sie fest, als sie vor ihm zurückschreckte. „Ich bin Undercoveragent des Justizministeriums! Mein richtiger Name ist John Taylor“. Das galt nicht als Aufgeben seiner Tarnung, denn eigentlich wusste sie doch, wer er war! Sie hatte es nur vergessen! „Wir sind hier, weil wir aus dem Weg geräumt wurden – Cordelia Creed! Klingelt etwas?“, forschte er nach, doch sie kämpfte noch immer gegen ihn an.

„Grace, wenn du dich nicht beruhigst, dann werden deine Schmerzen nur noch schlimmer. Bitte beruhige dich! Ich tu dir nichts – hier tut dir niemand etwas!“. Er hatte sie nun, da sie tobte bei den Schultern gefasst und redete auf sie ein. „Hör zu Grace, erinnerst du dich daran, wer du bist?“. Plötzlich hielt sie inne und öffnete doch die Augen. „Natürlich weiß ich, wer ich bin. Mein Name ist Grace van Pelt, ich bin Junioragentin des CBI und… oh mein Gott!“, murmelte sie plötzlich. „Wie geht es Cordelia?“, fragte sie verwirrt, denn sie hatte kombiniert, dass sie sich offensichtlich am selben Ort wie das entführte Mädchen befanden. Er war froh, dass sie soweit scheinbar wieder bei sich war. „Keine Sorge, Cordi geht es gut. Erinnerst du dich daran, dass du bei Creed einen Undercoverauftrag hattest?“, wollte er wissen, schließlich hatte sie ihm davon erzählt.

„Natürlich erinnere ich mich daran, ich bin schließlich nicht verrückt – doch wo bin ich hier?“, wollte sie als Gegenleistung wissen und er sah sie an. „Du bist nicht verrückt, Grace. Darum geht es nicht, aber du hast scheinbar Amnesie“, versuchte er ihr sanft beizubringen. „Wieso habe ich Amnesie?“, wollte sie wissen und sah ihn dann plötzlich erschrocken an. „Sollte ich Sie kennen?“, wollte sie wissen und er nickte. „Ja, wir sind hier zusammen in einem Wald! Du hast mich für den Entführer gehalten! Bitte versuche dich zu erinnern!“, flehte er. Anscheinend erinnerte sich ihr Gehirn doch an irgendwas, denn dieses Mal hatte sie auf ihn nicht so geschockt reagiert.

Grace seufzte und schloss nun wieder die Augen. „Ich fühle mich gar nicht gut“, gab sie zu und legte sich nun wieder hin, wobei sie sich die Stirn hielt. „Das ist auch kein Wunder. Erst verpasst dir dieses Arschloch einen Schlag auf den Hinterkopf und heute bist du wohl umgekippt und hast dir den Kopf erneut gestoßen“, erklärte er und legte nun den Lappen doch wieder auf ihre Stirn. Dieses Mal beließ sie diesen auch dort und seufzte. „Welches Arschloch? Creed?“, fragte sie und versuchte sich zu erinnern. „Was fehlt mir denn an Erinnerungen?“ wollte sie wissen, doch auf diese Frage hin fing Randolf an zu lachen. „Ich glaube, diese Frage kann dir niemand beantworten. Das wirst du erst wieder wissen, wenn du dich erinnerst. Und nein, ich meine nicht Creed, sondern den Typ der dich hergebracht hat. Creed hat damit weniger zu tun, als du und deine Einheit dachten!“, klärte er sie auf.

Sie stöhnte und kniff die Augen zusammen. „Was ist los, ist dir schlecht?“, wollte er wissen und sie nickte. „Aber es geht grade so. Ich habe nur das Gefühl, dass mein ganzer Körper weh tut“, erwiderte sie. Die Schmerzen die sie empfand waren teilweise real, andererseits allerdings auch Schmerzstrahlungen ihrer starken Kopfschmerzen.

„Grace, versuch einfach zu schlafen!“, erklärte er. „Und wenn du aufwachst, wird es dir sicherlich schon besser gehen!“. Er sah, wie sie nur leicht mit dem Kopf nickte. Dass sie einige Augenblicke später jedoch wirklich wieder schlief, deutete er nicht gerade als gutes Zeichen. Es musste schleunigst etwas geschehen, denn sonst würde sie unter Umständen sterben!
 

*****
 

Gegen 18 Uhr hatte er Willow Creek passiert und war, nun geleitet vom Navigationssystem, in Richtung von Creeds Hütte gefahren. Unterwegs hatte er zwei Mal kurz Pause gemacht. Einmal um zur Toilette zu gehen und beim zweiten Mal hatte der Hunger ihn dazu gezwungen anzuhalten. Er hatte sich an einer Tankstelle Fritten und Chicken-Nuggets gekauft, ebenso wie eine Cola und war dann weitegefahren. Er merkte, dass er langsam müde wurde, doch jetzt war es nicht mehr weit. Doch er wusste, dass er auch später noch Energie brauche würde und so nahm er eine Schachtel aus dem Handschuhfach. Diese enthielt Koffein-Tabletten, er löste zwei aus der Blisterpackung und spülte sie mit etwas Cola hinunter. Er wusste nur zu gut, dass diese Tabletten ihm dabei halfen, wach zu bleiben, dass hatten sie schon getan, als er die Rothaarige in das Versteck gebracht hatte.

Ihm fiel ein, dass er dringend noch ein paar Spuren bei Creed platzieren musste, unter anderem das Beruhigungsmittel welches er Olivia gespritzt hatte, um sie hierher zu bringen. Erst hatte er sie nur mit einem Schlag auf den Kopf außer Gefecht gesetzt, doch ihm war klar gewesen, dass dies nicht ewig anhalten würde. Die USA waren schon ein witziges Land! Man bekam Betäubungsmittel leichter als er gedacht hatte. Er konzentrierte sich wieder auf den Weg und langsam wurde es dämmrig. Es war perfekt! Der Plan ging auf!

Knapp eine Stunde später erreichte er endlich die Hütte, aus deren Fenstern ihm Licht entgegen strahlte. Eigentlich sah das doch ganz heimisch aus und er grinste fies. Niemand, aber auch niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er dort drinnen Leute ‚gefangen‘ hielt!

Die Pistole steckte er hinten in den Bund seiner Hose und zog das Hemd darüber, sodass niemand diese entdecken würde. Dann öffnete er die Hecktür, holte die Einkäufe heraus und trug diese die Stufen nach oben zur Haustür. Er öffnete diese, schließlich war nicht abgeschlossen und trat ein.

„Hallo, ich bin da!“, rief er, beinahe als würde er nach einem langen Arbeitstag nach Hause zu Frau und Kind zurückkehren. Cordelia sah um die Ecke und als sie ihn erkannte, rannte sie auf ihn zu. „Hast du Papa mitgebracht?“, fragte sie und sah ihn mit erwartungsvollen Augen an. „Leider nein, Liebes“, entgegnete er und stellte die Einkäufe ab um sie zu umarmen. „Irgendwann kommt er dich besuchen“, versprach Linkon und ging dann mit Cordelia und den Einkäufen in die Küche. Cida nahm ihm die Tüten ab und legte sie auf die Arbeitsfläche, während Cordelia weiter um Jared herumlief. „Der Meerjungfrau geht es nicht gut“, erzählte sie ihm und er sah erst das blonde Mädchen an und dann zu Cida. Diese nickte und schien darüber nachzudenken, ob sie etwas sagen sollte – doch sie ließ es bleiben.

„Ist sie im Schlafzimmer? Ist Randolf bei ihr?“, fragte er und ging in Richtung des genannten Zimmers. Erneut ein Kopfnicken von Cida, woraufhin er leise die Tür öffnete und in das Zimmer trat. Er merkte, wie unruhig er war und er musste sich schleunigst etwas überlegen!

Randolf saß neben der jungen Frau auf dem Bett und hielt ihre Hand. „Wie geht es ihr?“, hörte man Jareds Stimme im Raum und der Undercoveragent drehte sich überrascht zu ihm um. Er sprang auf und lief auf den Entführer zu. Linkon war darauf nicht vorbereitet gewesen und sah sich im nächsten Moment mit dem Rücken gegen die Tür gedrückt.

„Wie es ihr geht? Sie hat vermutlich eine schwere Gehirnerschütterung, vielleicht sogar Hirnblutungen und du fragst, wie es ihr geht?!?“, zischte Dare ihn an, während er ihn mit den Armen an der Tür festhielt. Creeds Manager sah ihn geschockt an. „Das habe ich nicht gewusst!“, wehrte er sich. „DU hättest es aber gewusst, wenn du uns ein verdammtes Handy dagelassen hättest!“, entgegnete Dare ihm, dann zog er sich jedoch zurück. „Sie muss dringend in ein Krankenhaus, sonst hast du bald einen Mord am Hals, und das ist nicht das, was du willst!“. Er sprach Jared bewusst mit „du“ an, und den anderen schien es nicht zu stören.

Dieser dachte angespannt nach und ging dann langsam zum Bett um den Puls der Rothaarigen zu messen. Dieser schien sehr schwach und nicht regelmäßig zu sein. Er schloss kurz die Augen und sah Dare dann an. „Ich werde sie in ein Krankenhaus bringen!“, erklärte er dem anderen. „Eigentlich war der Sinn euch hier herzubringen der gewesen, dass Cordi geschützt ist – doch das will ich nicht riskieren“, fügte er hinzu.

„Ich werde mitkommen!“, sagte Randolf sofort, doch Jared schüttelte den Kopf. „Nein, du musst hier bleiben und auf Cordelia und Cida aufpassen. Ich bringe Olivia in ein Krankenhaus und komme dann nochmal wieder um euch Bescheid zugeben, was mit ihr ist, okay?“. Er konnte Dare jetzt nicht dabei brauchen, denn er hatte verstanden, dass das Schicksal ihm hiermit die Möglichkeit bat, sich zumindest einen der beiden Agenten jetzt vom Hals zu schaffen!

Randolf war von Jareds Versprechen nicht wirklich überzeugt – doch welche Möglichkeit hatte er? Je länger er mit ihm diskutierte, desto höher wurde die Gefahr für Grace. „Okay, aber bitte komm danach nochmal her und sag uns, wie es ihr geht!“, bat er den Schwarzhaarigen, welcher nickte. „Mach dir keine Sorgen, es wird sicherlich alles gut – ihr wird’s gut gehen!“. Auf jeden Fall würde sie keine Schmerzen mehr haben, wenn er sie erschossen hatte! Dass das Schicksal ihm so half, zeigte ihm, dass sein Vorhaben richtig war und er grinste in sich hinein.

Creeds Zukunft war zerstört, und er würde endlich befreit sein von seinem Minderwertigkeitsgefühl!

„Ich bringe Olivia nach draußen, vielleicht füllst du ihr noch etwas zu trinken ein, falls sie aufwacht, wir brauchen ein wenig bis zum nächsten Krankenhaus!“, meinte er ruhig und Randolf nickte. Er verließ das Zimmer und nun war Jared mit der Junioragentin alleine.

„Zu schade, dass du deine Nase in dieser Sache drin hattest“, flüsterte er und strich ihr über Stirn und Wange. Wenn sie wach gewesen wäre, hätte Grace diese Berührung sicherlich abgewehrt, doch sie war gefangen unter einem Schleier aus Schmerzen und dadurch verursachte Ohnmacht. „Ich werde dir helfen!“, lächelte er dann.

Er schlug die Bettdecke zurück und hob die Rothaarige hoch. Sie war nicht grade leicht, doch ihr Körperbau verriet ihm, dass sie schlichtweg einfach viele Muskeln hatte - was man als Agent auch brauchte. Sie war sportlich und eigentlich war es wirklich schade um sie, doch er konnte ihr nicht helfen. In diese Situation hatte sie sich selbst gebracht! Und sie musste jetzt die Konsequenzen dafür tragen!

Im Flur kam ihm Dare entgegen, Cida war mit Cordelia im Wohnzimmer, dass diese nicht sah, wie es Grace wirklich ging. Er wollte der Kleinen keine Angst machen und würde ihr deswegen erst später sagen, dass Jared mit ihr ins Krankenhaus gefahren war. Nun half er dem anderen dabei, Olivia nach draußen und in den Wagen zu bringen. Als die Rothaarige gesichert auf der Rückbank lag, hielt Dare Linkon hart am Arm fest.

„Ich verlasse mich auf dich, wenn ihr irgendwas passiert – dann bist du dran!“, presste er hervor und der Schwarzhaarige nickte wieder. Dann ließ Randolf ihn einsteigen und sah dem davonfahrenden Wagen nach. Linkon hingegen tippte etwas in sein Navigationssystem ein, welches ihn nun zu einer Stelle bringen sollte, wo er Olivia loswerden konnte.

Into the woods

Der Flug war erstaunlich schnell vorbeigegangen und als sie in Willow Creek ankamen, hatten sie ihren Wagen bekommen, mit welchem sie bereits ziemlich nahe an Creeds Hütte waren – zumindest sagte ihnen das ihr Navigationssystem. Im Wageninneren herrschte, wie schon vorhin im Flugzeug, Stille. Jeder dachte darüber nach, was sie wohl vorfinden würden.

Plötzlich riss Lisbon das Steuer herum, als ihnen an einer Wegkreuzung ein Wagen entgegenkam, kurz abbremste und dann auf den dritten Weg abbog. Er fuhr schnell, doch die Agentin hatte gesehen, wer am Steuer saß. Doch nicht nur sie, sondern auch die anderen hatten begriffen!

„Verdammt, was macht der hier?“, brachte Wayne hervor, als Lisbon zurücksetzte und Linkon hinterherfuhr. „Ich hab keinen Plan, Rigs – doch ich vermute mal glatt, dass er seine Gefangenen besucht hat!“, gab Teresa zurück und folgte dem Auto. Sie konzentrierte sich, doch plötzlich hinter einer Kurve schien Linkons Wagen verschwunden. Das konnte doch nicht sein! „Spielst du mit uns Verstecken?“, fragte Lisbon leise und kniff die Augen zusammen um etwas zu erkennen.
 

*****
 

Jared war der Fahrtroute seines Navigationssystems gefolgt, welches ihn ein kleines Stück den Weg zurückloste, dann aber abbiegen ließ. Er war mit den Gedanken dabei, zu planen wie er das mit Olivia (für ihn hieß sie noch immer so) nun machen sollte, als er beinahe mit einem Jeep zusammengestoßen wäre. Schnell lenkte er nach links, denn in seinem Gehirn spielten die Nerven ‚Fang die Synapse‘ und im Bruchteil von Sekunden wurde ihm klar, wer da am Steuer des Wagens saß. Es war die Dunkelhaarige Agentin, Lisbon oder wie sie hieß! Sie waren ihm also auf die Spur gekommen! Wie das?!?

Er warf immer wieder Blicke in den Rückspiegel. Sie waren hinter ihm. Er überlegte, was er tun sollte, als er scharf links einen kleinen Weg entdeckte in welchen er mit einigem Schwung einbog. Zum Glück war er angeschnallt, doch trotzdem schleuderte es ihn etwas herum, und von der Rückbank hört er ein gepresstes Stöhnen – Olivia war aufgewacht.

Die Rothaarige wusste nicht wie ihr geschah. Sie hatte natürlich gemerkt, dass jemand sie hochgehoben hatte und dass der Untergrund nun vibrierte – doch sie hatte es nicht zuordnen können. Nun, da sie herumgeschleudert wurde, spürte sie die Schmerzen wieder und regte sich langsam. „Wo bin ich?“, fragte sie und öffnete die Augen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Hatte sie etwas erwartet?!? Vielleicht einen Krankenwagen?!? Als jedoch keine Antwort auf ihre Frage kam, setzte sie sich langsam auf und stellte fest, dass es tatsächlich ein Wagen war, in dem sie sich befand – allerdings garantiert kein Krankenwagen. Doch wer war der Fahrer?!?

„Wer sind Sie?“, fragte sie, doch erneut kam keine Antwort. „Wo bringen Sie mich hin?“. Auch auf diese Nachforschung folgte Schweigen und Grace lief ein Schauer über den Rücken. Das hier war nicht gut – GAR NICHT gut!

Als sie nachdachte, kam ein Name in ihr Gedächtnis. „Randolf, sind Sie es?“, versuchte sie erneut und wurde nun leicht ausfällig, als der Fahrer noch immer nicht antwortete. „Verdammt, reden Sie mit mir!“, verlangte sie, doch zur Antwort bremste der Fahrer nur scharf ab, sprang aus dem Wagen und im nächsten Moment merkte die Agentin, wie sie aus dem Wageninneren gezerrt wurde. „Hey, nur weil ich wissen will, wer Sie sind, brauchen Sie nicht gleich so grob zu werden!“, schimpfte sie, erkannte in der Dunkelheit der Nacht jedoch nicht, wer da bei ihr war. Randolf vermutlich nicht, denn vorhin war er so vorsichtig mit ihr umgegangen und jetzt so zu ihr zu sein, würde doch keinen Sinn machen. Außerdem war dieser Mann offensichtlich kleiner und drahtiger als Randolf. Nicht so muskulös.

Jared Linkon hatte das Fahrzeug gestoppt, nachdem ihm bewusst geworden war, dass die Verfolgungsjagd mit den Autos ewig dauern würde und er darauf einfach keine Lust hatte. Nun schleppte er Grace mit sich, konnte nur Umrisse erkennen, da er natürlich keine Taschenlampe hatte, versuchte jedoch trotzdem irgendwie weiter ins Dickicht der Bäume vorzudringen.

Lisbon hatte das Auto zum Stehen gebracht und sah ihre Kollegen an. „Wir müssen jetzt schnellstens diesen Kerl finden, er ist ja immerhin weit genug von Creeds Hütte weg und kann somit den anderen nichts tun“. Sie konnte ja nicht wissen, dass er Grace in seiner Gewalt hatte und diese, obwohl sie verletzt war, mit sich schleppte. „Wir teilen uns auf, keine Taschenlampen, denn ich vermute, dass er bewaffnet ist und mit Licht wären wir ein leichtes Ziel für ihn“. Die anderen nickten, Wayne fummelte reichlich nervös an seiner Pistole herum. Er wollte zu Grace, doch vorher mussten sie diesen ‚Irren‘ einfangen, damit dieser ihnen nicht bei der Geiselbefreiung in die Quere kam. Deswegen musste er mit seinem Kopf nun auch komplett hier sein und sah zu Lisbon. „Am besten ist es, wenn wir alle getrennt gehen, dann können wir ihn einkreisen!“. Kurz wurde abgesprochen, wer welche Richtung übernahm, Ardin blieb jedoch bei Patrick im Auto und die anderen stiegen schnell aus. Sie verteilten sich und schon bald konnte Wayne seine beiden Kollegen nicht mehr sehen. Er hörte das Rascheln der Blätter im leichten Wind und ab und zu einen knackenden Ast irgendwo in seiner Nähe. Jedes Mal zuckte er zusammen, konnte sich allerdings denken, dass es nur Teresa oder Cho sein konnten. Linkon vermutete er irgendwo schräg vor sich in der Dunkelheit und war überrascht, als er sich selbst plötzlich auf einer Lichtung fand, welche vom Mond beschienen wurde. Er kniff die Augen zusammen da er am Rande der Lichtung eine Bewegung wahrnahm. War dort jemand?!? Seine Augen hatten sich noch nicht komplett an die Dunkelheit gewöhnt, und er versuchte rauszufinden, wo die beiden anderen waren. Doch keine Chance! Er konnte es nicht erkennen und plötzlich hörte er, dass der Verfolgte mit jemandem zu reden schien. Grace Ex-Freund bewegte sich langsam am Rand der Lichtung entlang auf Jared zu und erkannte plötzlich, als der Mond hinter den leichten Wolken hervortrat, dass jemand bei diesem war und mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stellte er fest, dass die Person dünn und einigermaßen groß war. In seinem Inneren entstand ein Bild und plötzlich wusste er, dass Grace bei dem Entführer war. Wayne sackte das Blut aus dem Gesicht und er versuchte die Nerven zu behalten. Das Team hatte natürlich nicht die nötigen Vorbereitungen treffen können, da sie zu überrascht von Linkons Anwesenheit gewesen waren. Aus diesem Grund war sich Wayne jetzt nicht mehr sicher, wo die beiden anderen sich befanden und das machte ihm Angst, denn er konnte sich auch nicht bemerkbar machen, ohne dass der Entführer es mitbekommen hätte. Als er endlich näher an den beiden dran war, hörte er Grace Stimme und erschrak. Seine Ex-Freundin klang sehr schwach und schien irgendwie auf den Mann einzureden, doch scheinbar ignorierte dieser sie.

Grace hatte nicht wirklich eine Ahnung wo sie sich befanden – im Wald… okay! Aber in welchem Wald und wer war der Kerl bei ihr? Wieso hatte er sie aus dem Auto geholt und war nicht weitergefahren? Ihr Kopf schmerzte und auch die hellen Lichtflecken schienen wieder da zu sein, obwohl es um sie herum ja total finster war. Der Mann war mittlerweile stehen geblieben und schien sich verkrampft auf etwas zu konzentrieren. „Was machen wir hier?“, fragte sie und spürte plötzlich etwas, was ihr bisher entgangen war – etwas Kaltes und Hartes drückte gegen ihre rechte Seite und in ihre Rippen. „Was wollen Sie von mir?“. Als Antwort kam von ihm ein Zischen und sie zitterte leicht, doch dann sprach er plötzlich. Leise und flüsternd zwar, aber immerhin. „Eigentlich hatte ich dich auf eine andere Art und Weise um die Ecke bringen wollen, du warst zu neugierig!“, erklärte er und kicherte irre. „Naja, deine Kollegen sind mir allerdings in die Quere gekommen und deswegen nehme ich dich jetzt als Geisel, du wirst mein Ticket in die Freiheit sein!“. Nun begriff Grace, obwohl sie eine Kopfverletzung hatte. Zwar war sie bisher nicht in eine solche Situation gekommen, doch ihre Kombinationsgabe schaltete sich ein und sie wusste, was der Gegenstand an ihrem Körper war. Linkon drückte einen Pistolenlauf gegen ihre Seite und er würde abdrücken, wenn ihm jemand zu nahe kam. Offensichtlich hatte der andere noch etwas sagen wollen, doch Grace hörte in diesem Moment das Knacken eines Astes. Sie wollten ihren Kopf der Geräuschquelle zuwenden, doch ihr Entführer war schneller und drehte sich mitsamt ihr in eben diese Richtung. Er benutzte sie als Schutzschild und sie begriff wie gefährlich die Situation war. Wenn sie einen Fehler machen würde, wäre es um sie geschehen. Dann würde sie Wayne nie wieder sagen können, dass sie ihn liebte.

„Können Sie mich nicht runter lassen?“, wollte die junge Agentin wissen, denn bald konnte sie nicht mehr stehen. „Ich fühle mich nicht gut!“, erklärte sie als er keine Anstalten machte. „Glaubst du etwa, ich setzte mich mit dir hin? Du bist meine Sicherheit und wenn du dich nicht zusammenreißt, dann wird dir das noch leidtun!“. Dass er ihr drohte, machte ihr Gefühl nicht besser, und flehend hoffte sie auf Rettung. Waynes Anwesenheit konnte sie nicht ahnen und momentan auch nicht fühlen. Sie war zu kaputt, zu müde, zu ängstlich. Ihr Herz raste und sie spürte, dass der Mann hinter ihr seine Hand gegen ihren Hals gedrückt hatte. Nicht so fest, dass es ihr die Luft abschnürte, jedoch empfand sie es als äußerst unangenehm. Jetzt liefen Tränen über ihre Wange, als sie ihn anflehte. „Lassen Sie mich hinsetzen. Ich kann nicht mehr stehen!“, wisperte sie woraufhin der Manager den Griff um ihren Hals etwas verstärkte. „Streng dich an! Ich weiß, dass du stehen bleiben kannst, wenn du willst! Und ich weiß, dass du willst! Denn weißt du was?!? Deine Freunde sind hier! Deine Kollegen, sie werden dich schon retten kommen, und dann wird meine Stunde schlagen. Sie werden mir dabei helfen, dass ich das Land verlassen kann und vielleicht… vielleicht lasse ich dich ja gehen, oder ich nehme dich mit! Du bist eine schöne Frau. Du bist intelligent, manchmal vielleicht ein wenig zu intelligent. Du hast schauspielerisches Talent, das muss man dir lassen!“. Ein raues Kichern erklang an ihrem Ohr und erneut überlief sie eine Gänsehaut.

Ihre Einheit war hier? Wayne war hier?!? Waren sie vielleicht ganz in der Nähe? Die Hoffnung die sie hegte war wahr, denn mittlerweile hatten sich auch Cho und Lisbon zur Lichtung vorgearbeitet wo sie ebenso wie Wayne einen Blick auf die Situation hatten. „Ich würde vorschlagen, dass du nach deinen Freunden rufst, denn sonst finden sie und vielleicht nie und schließlich möchte ich nicht, dass du dir eine Erkältung holst“. Dieser Kerl hatte doch wirklich einen Dachschaden! Er wollte nicht, dass sie sich eine Erkältung holte?!? Er nahm sie als Geisel und wollte nicht, dass sie sich eine Erkältung holte?!? Sein erneutes Kichern signalisierte der jungen Agentin, dass er es nicht ernst gemeint hatte. „Glauben Sie mir, ich bezweifle, dass meine Gesundheit Sie großartig interessiert“, gab sie zurück und schluckte dann. „Wie soll ich sie denn bitte rufen? Außerdem wissen wir gar nicht, ob sie wirklich hier sind. Ich meine, wir sind in einem Wald und da gibt es sicherlich genug Platz um sich auszubreiten und zu verlaufen“. Die Nachricht, dass die anderen da waren, hatte eine große Menge Adrenalin durch ihren Körper gepumpt, weshalb sie nun die Körperliche Erschöpfung kaum mehr spürte. Sie dachte fieberhaft darüber nach, wie sie die anderen auf sich aufmerksam machen konnte, ohne dass er begriff. Sie war mit ihrer Überlegung noch nicht weit gekommen, als Jared erst anfing zu sprechen und ihr dann blitzschnell den Arm auf dem Rücken verdrehte, ihn solange verbog bis sie vor Schmerzen aufschrie. „Sie sind hier, denn sie waren auf dem Weg zu Creed. Sie erkannte und verfolgten mich! Ich glaube so werden sie am schnellsten herkommen, um dir zu helfen! Du bist ein Huhn in Not ist dir das schon aufgefallen? Und auch sie werden dich nicht retten können!“. Er hatte nun so laut gesprochen, dass er Graces Schmerzenslaute überdeckt hatte. Wayne konnte nun nicht mehr zusehen, und trat aus dem Schatten der Bäume hervor.

„Nimm deine dreckigen Finger von ihr!“, zischte Grace Ex-Freund und Lisbon sog Luft durch die zusammengepressten Lippen. War dieser sich nicht bewusst, was geschehen konnte, wenn Jared nun die Kontrolle über sich verlor? Aus ihrem Blickwinkel hatte sie eine freie Sicht auf die rechte Hand des Entführers und sah somit die Schusswaffe. Wayne hatte diese offenbar nicht bemerkt und war deswegen so unvorsichtig.

„Schön, dass einer von euch endlich zu mir gekommen ist!“, grinste Linkon und blickte zu dem anderen. „Wo hast du deine Kollegen gelassen? Wolltet ihr nicht gemeinsam euer jüngstes Mitglied wieder in eure Mitte nehmen?“, fragte er und Wayne schüttelte den Kopf. „Die anderen haben mich nur raus gelassen und sind zur Hütte gefahren. Sie hatten gehofft dort Grace zu finden, doch da sie hier ist“, log er und verzog dabei keine Miene. Grace war sich sicher, dass alle hier waren und auch Linkon schien diese Geschichte nicht ganz zu schlucken. „Willst du mir weiß machen, dass du alleine bist? Das glaube ich dir nicht. Wo sind die andern?!?“, forderte er zu wissen und ruckte nochmals an Grace Arm. Doch diese hatte nun alle Muskeln ihres Körpers angespannt und schwor sich nicht mehr zu schreien. Sie brachte die anderen damit in Gefahr! „Wenn Rigs sagt, dass er alleine ist, dann ist er das auch!“, keuchte sie und versuchte ihren früheren Freund anzuvisieren. Sie wusste, dass Jared mit seiner Vermutung recht hatte, doch sie hielt es für besser einfach mitzuspielen. „Sie können meinem Kollegen alles anvertrauen, auch ihren Plan. Er wird Ihnen helfen. Er wird mit unserer Chefin reden und dann sind sie in wenigen Stunden ein freier Mann!“. Sie versuchte ihn davon zu überzeugen, dass er mit Rigsby reden würde. Sie brauchten Zeit! Damit Cho und Lisbon herkommen konnten! Die beiden Ersehnten blieben noch immer im Dunkeln. Cho versuchte die Entfernung zu Grace und ihrem Entführer abzuschätzen, doch kam nicht darauf. Es war einfach zu weit weg. Da es im Wald jedoch still war, konnte er das Gespräch der drei jedoch problemlos verfolgen. „Ich bin Ihr Mann, ich werde Ihnen bei allem behilflich sein!“, versprach Wayne gerade und Cho sah auf einmal wie sich ein Schatten hinter Jared bewegte. Es konnte, nein es musste seine Chefin sein. Er hoffte es so sehr, auch wenn er keinen vernünftigen Ausgang der Situation finden konnte.

„Ich will einen Hubschrauber, noch vor dem Morgengrauen! Der Hubschrauber soll hier in der Nähe auf einer großen Lichtung landen. Darin erwarte ich eine Reisetasche voller Geld – mindestens 2 Millionen Dollar. Wenn ich mich über die Grenze abgesetzt habe, schicke ich ihre Kollegin hier vielleicht zurück, oder aber sie wird mir dort das Leben versüßen. Das entscheide ich spontan und glauben sie bloß nicht, dass Sie mich reinlegen können!“, stellte der Manager seine Forderungen und blickte zu Wayne, welcher ihn anstarrte. Der Agent hatte gesehen, dass Lisbon nun ganz in ihrer Nähe war und wollte nun versuchen, Jared einfach so gut wie möglich abzulenken. „Es ist möglich, dass wir Ihre Forderung erfüllen, auch wenn ich das grade nicht verstehe. Ihnen ging es doch nicht um das Geld, sonst hätten Sie Cordelia Creed entführt und eine Lösegeldforderung gestellt!?“, antwortete der Braunhaarige und hielt es für besser so zu tun, als habe Creed nicht mit ihnen geredet. Der Erpresser schien einige Augenblicke zu überlegen ehe er wieder zum Sprechen ansetzte. „Bisher hatte ich nicht die Absicht an Geld zu kommen, doch wenn sich mir so bereitwillig die Möglichkeit liefert an welches ranzukommen – da sage ich nicht nein! Und diese Sahneschnitte hier ist ein echter Bonus!“, fügte er grinsend hinzu. Grace wehrte sich leicht gegen den Druck seiner rechten Hand. Sie merkte, dass sie die Panik nicht mehr lange würde zurückhalten können, dazu war ihr Körper zu erschöpft. Wo waren die beiden anderen?!? Sie mussten doch hier sein, oder hatte Wayne gar nicht geblufft und er war tatsächlich alleine hier? Wenn ja, so war er wirklich total verrückt! Sie wollte gerade etwas sagen, als der Mann in ihrem Rücken den Kopf schieflegte. „Wobei… wenn du wirklich allein bist, dann kenne ich eine viel leichtere Lösung für die ganze Sache!“, grinste er und blickte nun mit konzentriertem Blick zu Wayne. „Ich bring euch beide um, dann kann nur noch dieser andere Kerl gegen mich aussagen und die Sache ist gelaufen, außerdem werde ich dann ohnehin über alle Berge verschwunden sein!“. Mit diesen Worten richtete er die Pistole mit einer raschen Bewegung auf Rigsby, wobei er die Rothaarige vor sich sehr kurz außer Acht ließ. Grace welche nicht beabsichtigte diesen Verrückten auf Wayne schießen zu lassen zog mit dem linken Arm voll durch und rammte diesen in Jareds linken Rippenbogen, sodass dieser zusammenzuckte und sie verschreckt losließ. Dabei löste sich allerdings auch ein Schuss aus der Waffe und Rigsby warf sich schnell zur Seite. Er hörte wie das Geschoss knapp an seinem Kopf vorbeiflog und blickte auf. Er blieb liegen, denn er hatte das Gefühl, dass es besser war so zu tun, als sei er getroffen. Jared der vor Wut überkochte drehte sich Grace zu die zu Boden gesunken war. „Was denkst du dir eigentlich wer du bist?“, zischte er und richtete die Waffe nun auf sie. „Du bist ein wirklich undankbares Ding! Einige Schönheiten der Welt wollte ich dir noch zeigen, doch du hast verspielt! Dann bringe ich dich eben hier um! Es wird aussehen wie ein Beziehungsdrama, du hast zuerst auf ihn geschossen und dir dann selbst eine Kugel in den Kopf gejagt!“. Wayne sah mit Entsetzen, dass Grace nun ebenfalls mit der Waffe bedroht wurde, doch nun war Lisbon in Linkons Rücken.

„Lassen Sie die Waffe fallen, Mr. Linkon!“, drängte sie ihn und richtete ihre Pistole direkt auf seinen Rücken. „Ich wusste doch, dass der Kerl mich angelogen hat“, lachte der Schwarzhaarige, machte jedoch keine Anstalten die Pistole wegzulegen. „Wieso sollte ich die Waffe fallen lassen? Sie bedrohen mich doch ebenso!“, gab er zurück. „Gleiches Recht für alle! Und Grace war nicht brav, deswegen muss ich sie disziplinieren. Außerdem habe ich keine Verwendung mehr für sie!“. Wayne hatte die Hände zu Fäusten geballt, sah von seinem Platz aus, dass Linkon nach wie vor mit der Pistole auf seine Freundin zielte, weshalb die Hand des Agenten nun langsam zu seiner Waffe wanderte die er eben nicht aus dem Halfter genommen hatte um Linkon nicht zu drohen. „Mr. Linkon hören Sie“, versuchte Lisbon es erneut, doch der andere fing an ein Lied zu pfeifen und setzte den Lauf der Pistole nun direkt an Grace Schläfe.

Im Bruchteil einer Sekunde krachten drei Schüsse! Der Erste traf, ebenso wie der zweite und auch der dritte verfehlte sein Ziel nicht. Die drei Agenten hatten in derselben Sekunde verstanden, dass sie Grace nur retten konnten indem sie den anderen töteten. Chos Schuss war der erste gewesen. Er hatte sich soweit an die Situation herangeschlichen, dass er sicher sein konnte weder Grace noch Teresa zu treffen. Der Schuss hatte Linkons Schulter getroffen, doch nur kurz danach durchbohrte ein anderer Linkons Hals und ein andere seinen Oberkörper. Der Entführer hatte vor Verwunderung die Waffe fallen lassen, spürte dann den Schmerz und ließ von Grace ab. Diese fiel ins Gras der Lichtung und Jared schlug neben ihr auf. Sie sah zu ihm und erkannte im Mondlicht, dass er tot war. Sofort war Lisbon bei ihrer Freundin, wurde jedoch von Wayne weggestoßen welcher sich zu Grace beugte und sie umarmte. Sie konnte die Umarmung nicht erwidern, sondern hing in seinem Arm. Tränen liefen über ihr Gesicht und sie hatte ihren Kopf einfach gegen seine Schulter gelegt.

„Ist alles okay bei dir?“, fragte er doch sie konnte nicht antworten – klammerte sich nur zitternd an ihn. Er blickte hilfesuchend zu Cho, doch der Asiate telefonierte bereits mit der nächsten Polizeistation. Jemand musste den Tatort sichern und dazu waren sie jetzt selbst nicht geeignet, außerdem hatten sie nicht das nötige Werkzeug. „Chief, eine Sache noch, bitte rufen sie einen Krankenwagen – wir haben hier eine Patientin“. Er hatte Graces Weinen gehört und wollte, dass sich ein Arzt um sie kümmerte. Noch wusste keiner der drei, wie schlecht es ihrer Kollegin schon vor der Sache im Wald gegangen war.

Happy End mit Hindernissen

Sie hing in Waynes Armen und schaffte es kaum sich zu beruhigen. Ihr Kopf schmerzte und ihr Körper zitterte vor Angst und Anstrengung des Vorangegangen. Sie spürte die Hand ihres Ex-Freundes an ihrem Kreuz, merkte dass er ihr den Rücke streichelte und hörte schließlich seine Stimme, die in dieser Situation so beruhigend und sanft wirkte, wie ein leise Melodie – ein Schlaflied, oder einfach nur etwas Beruhigendes.

Dann kam Lisbon… Grace hörte die Stimme ihrer Chefin… Ihrer besten Freundin! Diese schien irgendwas mit Wayne zu besprechen. Sie hörte die Namen Cordelia und Ardin und bewegte sich nun leicht. Sie versuchte unter dem Schleier aus Benommenheit ein klares Wort zu fassen und nur ganz langsam quälten sich die Sprachfetzen durch ihren Stimmapparat. „Cordelia ist noch da wo ich vorher war!“, nuschelte sie und wusste nicht, dass das grade relativ sinnfrei war! „Ich glaube es geht ihr gut – zumindest wollte mir das dieser Mann weiß machen!“, fügte sie hinzu.

„Welcher Mann, Grace?“, wollte Wayne wissen und blickte sie an. Er merkte wie blass sie war. Sie sah wirklich nicht gut aus – lag es tatsächlich nur an dem Schock? „Ich weiß nicht, wie er heißt!“, flüsterte sie gequält. „Ich kann mich nicht daran erinnern – so wie an fast nichts. Aber er hatte etwas von Cordelia gesagt… er ist der, den wir gesucht haben – einer dieser beiden Mörder… Die mit so viel Dreck am Stecken!“. Wayne sah zu seiner früheren Freundin und dann seine Chefin an.

Sein Blick sprach Bände. Was war nur mit Grace los? Normalerweise merkte die Rothaarige sich doch die kleinsten Kleinigkeiten – und jetzt konnte sie sich an Fallakten oder einen Namen nicht erinnern? „Redest du von Randolf?“, wollte Lisbon wissen die versuchte in dem Gewirr aus Erzählungen einen sinnvollen Zusammenhang herauszufinden.

„Ich weiß nicht, wie er heißt“, schüttelte Grace den Kopf. „Ich glaube, er hatte gesagt er hieße Randolf! Er… Aber er ist der Täter!“.

Lisbon stutze… „Grace, was ist denn los mit dir?“, fragte sie sanft doch da brach die jüngere Agentin wieder in Tränen aus, brachte keinen Ton mehr hervor und Wayne drückte sie fest an sich, was sie – wie er feststellte – scheinbar gerne zuließ.

Seine Chefin jedoch machte ein sehr irritiertes Gesicht und er selbst zog die Schultern hoch. „Ich gehe zurück zum Auto und fahre mit Ardin und Patrick zur Waldhütte. Wir holen dich ab – außerdem dürfte die Polizei auch gleich hier sein, ebenso wie der Krankenwagen für Grace! Cho bleibt bei euch!“, erklärte sie, Wayne nickte bloß und sie lief davon, sprach kurz mit Cho und war dann verschwunden. Der Asiate trat zu seinem Freund und sah Grace dann kurz besorgt an. „Kann ich euch alleine lassen? Dann würde ich vor zur Straße gehen! Irgendwer muss die Polizisten und Sanitäter ja herführen! Wenn ich nach dir rufe, gib mir mit der Taschenlampe Lichtzeichen!“. Wieder ein Nicken von Wayne und auch der Asiate verschwand, nachdem er eine Taschenlampe neben den beiden auf den Boden gelegt hatte.
 

*****
 

Als Lisbon zum Auto zurückkam, standen Ardin und Patrick davor. Der Blonde lief auf sie zu und nahm sie in den Arm. „Gott sei Dank, ist dir nichts passiert – wo sind die beiden Jungs?“, fragte er und sah ihr besorgtes Gesicht. „Ist… ist einem von ihnen was passiert?“ stotterte er.

Er und der türkischstämmige Agent hatten die Schüsse gehört und waren seither extrem angespannt. Lisbon schüttelte den Kopf. „Den beiden geht es gut. Grace weniger. Sie wurde zwar nicht getroffen, aber irgendwas stimmt nicht mit ihr!“.

„Was ist mit Grace? Häh? Brauche Imput!“, brachte Jane hervor, doch seine Chefin lief an ihm vorbei, stieg in das Auto und startete den Motor. Der Blonde und Ardin sprangen in den Wagen. „Was ist los?“, wollte der Ermittler des Justizministeriums wissen und blickte durch den Rückspiegel die Dunkelhaarige an, die nun das Auto wendete. „Wir müssen in die Waldhütte – ich weiß nicht, ob dort alles klar ist!“, gab Lisbon zu. „Grace hat lauter komisches Zeug geredet – sie ist total verwirrt. Linkon hatte sie in seiner Gewalt… Das hatten wir natürlich nicht geahnt als wir anfingen ihn zu verfolgen… Er hat gedroht sie umzubringen, hat auf Wayne geschossen, aber ihn nicht getroffen… Wir hatten keine andere Wahl und mussten ihn erschießen!“, gab sie einen kurzen Bericht ab und an der Kreuzung, an welcher sie zuvor auf den Jeep des Entführers gestoßen waren, trafen sie nun auf einen Wagen der örtlichen Polizei, die mit Lichtsignal aber ohne Sirene durch den Wald fuhren.
 

Lisbon bog nach rechts ab und knapp zehn Minuten später standen sie endlich vor der Waldhütte. Auf der Treppe davor saß eine Gestalt die in den Himmel zu blicken schien und sich erhob als die Scheinwerferlichter ihr in die Augen leuchteten.

Lisbon hatte schon die Hände an ihrer Waffe, doch Ardin hielt sie zurück. „Das ist Randolf!“, sagte er bestimmt und stieß die Tür auf. „Ran, ich bin es – mit einigen Ermittlern des CBI!“, rief er und der andere sprang die Treppe herunter und kam sofort zum Auto. Sorge stand in seinem Gesicht und er sah seinen Partner an. „Ich glaube, ich habe einen riesen Fehler begangen!“, fing er sofort an. „Ich habe Linkon mit Grace davonfahren lassen – er meinte, er wolle sie in ein Krankenhaus bringen! Ich war so voller Sorge, dass ich ihm glaube – ich IDIOT! Aber er will sie aus dem Weg schaffen! Also vermute ich, denn wir passten ihm nicht ins Konzept! Vermutlich wollte er mich irgendwie auch noch um die Ecke bringen!“. Die Erkenntnis hatte ihn mit solcher Macht überrollt, kurz nachdem der Schwarzhaarige mit der anderen Geisel verschwunden war, dass er geschrien hatte. „Wir müssen nach ihm suchen, sonst“, doch hier wurde der Agent unterbrochen. „Mister Dare, wir haben Grace gefunden! Sie ist in Sicherheit und ihr geht es gut. Linkon ist tot – wir mussten ihn erschießen, weil er sie bedrohte! Aber wieso wollte er Grace ins Krankenhaus bringen?“, wollte sie wissen und nun schwang Panik in ihrer Stimme mit. In Kurzform aber doch sehr präzise erläuterte der andere die Situation und den Zustand Grace‘.

„Deswegen war sie vorhin so daneben!“, kombinierte Teresa, nachdem Randolf von Graces scheinbarer Amnesie berichtete. „Sie braucht dringend einen Arzt!“, kam es erneut von dem Mann und Lisbon redete auf ihn ein. „Es wird mittlerweile hoffentlich jemand da sein, der sich um sie kümmert!“, erwiderte Lisbon und Jane ergänzte sie. „Aber keine Sorge, ihr Freund ist bei ihr!“, meinte er, denn dem Mentalisten war nicht entgangen, dass der fremde Ermittler offensichtlich Gefühle für die Rothaarige hegte. Ob er das Wort ‚Freund‘ allerdings gewählt hatte um den anderen in seine Schranken zu weisen, oder weil er es einfach irgendwie immer noch gewohnt war, wusste er nicht.
 

Gerade wollte die Leiterin des Teams etwas fragen, als die Tür der Hütte auf ging und eine Frau den Kopf herausstreckte. „Randolf, ist alles klar?“, fragte sie und er lachte.

„Ja, es ist alles gut – hol Cordi, es geht nach Hause!“. Die scheinbar Schwarzhaarige schien zwar nicht ganz zu verstehen, dass konnte Lisbon im Lichtschein der aus der Hütte fiel, erkennen. Aber sie ging ohne groß nachzufragen und kam nur wenige Augenblicke später mit einem kleinen Mädchen zurück. „Wo ist die Meerjungfrau?“, wollte das blonde Kind wissen und Lisbon lächelte als sie den Zusammenhang verstand.

„Sie bekommt Hilfe!“, lächelte Randolf und Cordelia klatschte in die Hände. „Wurde aber auch Zeit!“, meinte sie und klang dabei sehr erwachsen.

Patrick stellte sich ihr vor und hob sie dann in den Wagen. „Wir fahren wieder dahin, wo wir grade gestartet sind, dann können ein paar Polizisten Cordelia und Cida mit in die Stadt nehmen und wir fahren dann hinterher – aber ich will erst nach Grace sehen!“, meinte Lisbon und alle stiegen ein.

Randolf entspannte sich, als der Wagen von der Hütte wegfuhr auch wenn seine Gedanken etwas trübselig waren. Er hatte den Hinweis darauf, dass Grace einen Freund hatte, aufgenommen und war deswegen ziemlich daneben. Okay – eigentlich hätte er sich das doch denken können, oder?!?
 

Sie kamen an der Stelle an, wo Jareds Wagen noch immer in dem kleinen Weg stand. Mittlerweile war die Dunkelheit durchbrochen von hellen Scheinwerfern und den Blaulichtern der Einsatzwägen. Mit Erleichterung stellte Lisbon fest, dass mittlerweile auch ein Krankenwagen vor Ort war.

„Bleiben Sie mit dem Kind im Auto, bis ich Sie hole!“, wies sie Cida an und diese nickte.

Die anderen vier stiegen aus und gerade kamen Sanitäter mit einer Trage aus dem Gestrüpp. Wayne lief neben ihnen her, hielt in einer Hand eine Handlampe und mit der anderen Grace‘ Hand. Die Erstversorgung hatten die Sanitäter nicht im Wald machen können und liefen schnell zu ihrem Fahrzeug, wo Grace verstaut wurde und Wayne trotz Proteste der Sanitäter nicht von der Seite seiner Ex-Freundin wich.

„Es muss ihnen jemand sagen, dass sie Amnesie hat! Und vermutlich eine gehörige Gehirnerschütterung!“, meinte Dare und klopfte gegen die Tür, woraufhin einer der Sanis öffnete und mit Dare zu reden begann. Offensichtlich verstand der andere und nickte. Bisher waren alle Beteiligten von einem schweren Schock ausgegangen – doch nun war Eile geboten. Wenn die Rothaarige eventuell eine schwere Kopfverletzung hatte, dann musste schleunigst etwas unternommen werden!

Als der Krankenwagen davonfuhr, kam Cho auf sie zu.

„Die Kollegen von hier kümmern sich um Linkons Überreste. Eine Pension in der Stadt hat einige Betten für uns organisiert – wo ist Wayne?“, fragte er und Patrick erklärte kurz. „Okay, wir können auch ins Krankenhaus“, meinte er dann. „Wir sollten aber Cida und Cordelia in der Pension abliefern!“, meinte Randolf daraufhin. „Also eigentlich geht es ihnen nämlich gut – Grace war von uns die Einzige, die es richtig abbekommen hat“, erklärte er und seufzte. Er machte sich noch immer Vorwürfe, dass er ihr nicht hatte helfen können. „Ein ziviles Polizeifahrzeug wird gleich herkommen und die beiden abholen, wir brauchen uns nicht um sie zu kümmern!“, erklärte Cho und blickte in die Runde. „Cordelia soll nicht erschreckt werden!“.

Nach einigen Minuten war der Einsatzwagen da – Lisbon hatte noch ihre Aussage zu Protokoll gegeben und Cida war mit Cordelia vom CBI-Wagen in das andere Auto umgestiegen.

„Was ist denn eigentlich genau passiert in der Hütte?“, wollte Lisbon verwirrt wissen als Patrick sie auf den Beifahrersitz bugsierte und selbst auf der Fahrerseite einstieg. Teresa war heute schon genug gefahren und sie war müde und angespannt wegen Grace!

Randolf seufzte im Hinteren des Wagens hörbar auf, fing jedoch an zu erzählen, als Patrick den Motor startete und losfuhr.

Er erzählte, wie er selbst in die ganze Sache hineingeraten war – erzählte von der vermeintlichen Entführung Cordelias, wie Grace vor einigen Tagen von Linkon zu ihnen gebracht worden war, dass zu dem Zeitpunkt jedoch noch keiner der Beteiligten wusste, dass Grace nicht nur betäubt worden war, sondern auch einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte. Er erzählte von den folgenden Tagen, von Grace Zustand und ihrem zweiten Zusammenbruch und der darauffolgenden Amnesie. Und er erzählte auch davon, wie Linkon heute am frühen Abend bei ihnen aufgetaucht war und eingewilligt hatte, Grace in ein Krankenhaus zu bringen. Hier brach er ab und fuhr sich durchs Haar. „Ich war so in Sorge, dass ich nicht geschalten habe“, wiederholte er sich und Patrick baute den Blickkontakt zu ihm auf. „Sie hätten nichts tun können – was Sie konnten, haben Sie getan. Und dafür sind wir Ihnen sehr dankbar!“, äußerte der Blonde und Lisbon nickte zur Bestätigung. Die Teamchefin war während Randolfs Erzählung immer weiter in den Sitz gerutscht und hatte sich schließlich die Haare gerauft. Jane blickte sie beruhigend an, doch es half nicht wirklich.

Eine ganze Weile herrschte im Wagen eine bedrückende Stille, ehe Randolf wieder das Wort ergriff. „Der Himmel muss Sie geschickt haben!“, lächelte er. „Das war einfach das perfekte Timing!“. Cho nickte. „Ja, wenn wir uns um zehn Minuten verpasst hätte… nicht auszudenken, was dann gewesen wäre!“, stimmte er zu und wieder verfielen alle in Schweigen, welches anhielt bis die Fünf Ermittler am Krankenhaus ankamen, wo sie ausstiegen und an der Anmeldung nach Grace fragten. Doch dort wusste man noch nichts von ihr.

„Vermutlich ist sie noch nicht in ein Zimmer verlegt worden, sondern noch in der Ambulanz – um dort hinzukommen, gehen Sie hier wieder zur Tür raus und rechts rum. Die zwei großen Glastüren – es ist nicht zu verfehlen!“, erklärte die Frau an der Rezeption und alle verließen das Krankenhaus wieder um zum ihnen genannten Ort zu gehen. Dort trafen sie auf Wayne, welcher in der Ecke stehend vor sich hin starrte. „Hey, gibt’s schon was Neues?“, fragte seine Chefin und der großgewachsene schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist!“, meinte er traurig und hielt den Kopf gesenkt.
 

Nun fiel Jane ein, dass der Dunkelhaarige ja noch gar nichts von Randolf’s Vermutung wusste und wollte gerade etwas sagen, als die Türen der Station aufgingen und ein Arzt herauskam, direkt auf die Gruppe zu. „Gute Abend, mein Name ist Dr. Dreight“, stellte er sich vor und lächelte die Anwesenden an. „Kann mir einer von Ihnen sagen, was mit Miss van Pelt geschehen ist? Sie redet nicht mit uns, beziehungsweise kann sich scheinbar nicht erinnern!“, erklärte er und Wayne sah daraufhin ziemlich irritiert aus, doch noch ehe er antworten konnte, sprach Dare. „Sie hat mindestens einen Schlag auf den Kopf bekommen – bereits vor ein paar Tagen. Wir waren gefangen, deswegen konnten wir nicht herkommen. Die Kopfschmerzen gingen nicht mehr weg und dann ist sie einmal bewusstlos geworden als sie allein war und stieß sich vermutlich erneut den Kopf!“, fasste er schnell zusammen.

Der Arzt sah ihn aufmerksam an. „Okay, die Sanitäter konnten mir nur irgendetwas von einer vermeintlichen Gehirnerschütterung sagen. Wir werden ein CT von ihrem Schädel machen und sehen, was dabei herauskommt. Da das allerdings etwas dauert und sie so unruhig ist, werden wir ihr ein Beruhigungsmittel spritzen. Ich schlage vor, Sie gehen nach Hause und kommen morgen Früh her - dann geht es ihr vielleicht schon besser und sie braucht jetzt Ruhe!“, erklärte er.

„Ich gehe hier nicht weg!“, meinte Wayne stur und sah den Arzt an. „Ich würde gerne bei ihr bleiben – ich hoffe, dass ich sie beruhigen kann!“, sagte er leise und der Mediziner blickte ihn an. „Sind Sie ihr Mann? Oder ihr Verlobter?“. Wayne schüttelte auf beide Fragen hin den Kopf. „Gibt es Verwandte?“, wollte der Arzt nun wissen und darauf antwortete Libson.

„Nein, sie hat keine Familie – ihre Familie sind quasi wir!“. Der Arzt machte ein Ich-verstehe-Gesicht und nickte mit dem Kopf. „Wenn Sie jemand fragt, dann sind Sie mit der jungen Dame verlobt, okay?“, meinte er eindringlich und blickte Wayne tief in die Augen. Dessen Miene hellte sich etwas auf und er nickte ehe der Arzt sich wegdrehte und von ihnen weg ging.

„Sollen wir hier warten?“, fragte Cho und Wayne schüttelte den Kopf. „Wo wollt ihr denn sonst hin?“, fragte Wayne, der ja noch nichts von der Pension wusste, über diese aber sofort in Kenntnis gesetzt wurde. „Dann geht dort hin. Schlaft euch aus, ich bleibe bei Grace. Und wenn es etwas Wichtiges gibt, dann melde ich mich bei euch!“, sagte er bestimmt. Keiner der Einheit protestierte und auch Ardin und Dare hatten verstanden, dass es keinen Sinn haben würde etwas dagegen zu sagen. So verabschiedeten sich die Gehenden von Wayne und als diese aus dem Krankenhaus draußen waren, betrat er die Ambulanz und ließ sich von einer der Schwestern zu Grace bringen die müde und ziemlich daneben im Bett lag.

Vorsichtig setzte er sich auf die Matratze, hob sie liebevoll zu sich, sodass sie in seinen Armen einschlafen konnte.
 

*****
 

Die Nacht war sehr kurz gewesen, denn nachdem sie in der Pension angekommen waren, hatten sie noch eine ganze Weile geredet und waren erst in den frühen Morgenstunden ins Bett gegangen. Am nächsten Morgen hatte Lisbon es kaum abwarten können, bis alle im kleinen Essensraum der Pension gefrühstückt hatten. Sie wollte wissen, wie es Grace ging! Vielleicht wäre sie etwas ruhiger gewesen, wenn sie mit dem Ex-Freund der Freundin telefoniert hätte…

Wayne hatte sein Handy zwar an, ging aber nicht ran, und hatte auch keine SMS geschickt. Daher vermutete sie, dass soweit alles okay war, doch sie wollte Grace endlich sehen! Wollte ihre Freundin in den Arm nehmen und einfach für diese da sein! Falls diese das überhaupt wünschte?!?

Und sie wollte nach Hause! Sie wollte unter vier Augen mit Patrick reden können, wollte ihn anfassen dürfen! Nicht so wie jetzt da sie Abstand zu ihm wahren musste! Doch hier musste sie sich noch zurückhalten! Sie konnte nicht alle Regeln über den Haufen werfen – nicht solange Wayne und Grace sich so zurückhielten!

Teresa drängte die anderen zur Eile und schon bald waren sie auf dem Weg zu dem kleinen Krankenhaus, wobei Jane unbedingt noch Blumen besorgen musste. Dieses Mal nannte ihnen die Dame am Empfang eine Zimmernummer und erklärte erneut den Weg und als sie dort ankamen, klopfte Lisbon sachte an die Tür.

Als keine Antwort kam, drückte Patrick diese vorsichtig auf und war irritiert, dass die Tür des Kleiderschranks offensichtlich den Weg versperrte.

„Guten Morgen“, sagte der Mentalist mit weicher Stimme, doch auch hierauf reagierte niemand. Waren die beiden vielleicht grade irgendwie draußen, oder bei einer Untersuchung?

Er versuchte die Schranktür zuzumachen, doch seine Finger glitten durch etwas Feuchtes und als er die Hand zurückzog waren die Fingerspitzen dieser voller Blut!

Jane starrte panisch seine Hand an und sog die Luft ein, drückte die Tür dann aber langsam auf, sodass die Schranktür besser zu sehen war – auf dieser prangte ein mit Blut gemalter Smiley – der Smiley Red John’s!

Das Blut glänzte noch an einigen Stellen und lief an der Schranktür hinab, vor allem von den Augen ausgehend, wodurch es beinahe so wirkte, als ob der Smiley weinen würde. Das perfekt gezogene Gesicht – welches der Einheit nur zu bekannt war - wurde nur an der Stelle unterbrochen, wo Patrick mit seinen Fingern durch das Blut gefahren war.

Cho hatte hinter ihnen die Luft angehalten – er war erstarrte, ebenso wie Lisbon und Jane. Sie alle wussten nur zu gut, was dieses Zeichen bedeutete… Keiner von ihnen wollte wirklich sehen, was sie in dem Krankenzimmer erwartete, doch langsam schwang die Zimmertür auf.

Wie von Zauberhand klappte der Schrank nun zu und gab den drei Besuchern freien Blick auf das Geschehene.
 

Diese Szene wirkte so bizarr, beinahe gestellt!

Wayne war als Mann wieder im Weg gewesen. Red John hatte ihn schnell getötet und dann in einen Stuhl bugsiert, von welchem aus der Tote zu seiner Freundin starrte. Ein großes Messer ragte aus seinem Brustkorb und hatte sich wohl direkt durch sein Herz gebohrt. Bei der Rothaarigen jedoch hatte sich Red John viel Zeit gelassen.

Grace lag auf dem Bett von welchem das Blut auf den Boden tropfte, wo es sich in einer Lache sammelte. Sie war bis auf die Unterwäsche entkleidet und ihr Körper war übersäht von Messerstichen aus welchen das Blut hervorquoll. Lisbon konnte von ihrem Standpunkt an der Tür sehen, dass Red John nicht nur Grace Zehen- und Fingernägel mit ihrem eigenen Blut lackiert hatte, sondern auch ihre Lippen mit diesem eingefärbte. Ihr langes Haar war um ihren Kopf gebreitet wie ein Lichtkranz. Grace’ Kopf war in Waynes Richtung gedreht und Lisbon ahnte, dass ihre Freundin Wayne die ganze Zeit angestarrt hatte, während Red John sie vergewaltigte und schließlich abgeschlachtet hatte.

Noch standen Teresa, Patrick und Cho an der Tür, doch der Asiate lief langsam in den Raum, während Jane schwer atmend an der Tür stehen blieb. Der Schock und die Verzweiflung, ebenso wie die Wut waren ihm ins Gesicht geschrieben! Lisbon wollte ebenfalls in den Raum, doch er hielt sie fest. Er hatte ihr Handgelenk mit solcher Kraft umklammert, dass es sie schmerzte und sie ihn anflehte, loszulassen. Doch er schüttelte den Kopf. „Sonst werde ich dich auch noch verlieren!“, würgte er hervor, doch Lisbon wehrte sich weiter gegen seine Umklammerung und schaffte es schließlich, sich von ihm loszureißen.

Sie ging langsam auf das Bett zu – nun schien Patrick ihr doch zu folgen. Nur langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen, hatte jedoch das Gefühl, dass der Weg zum Bett nicht endete… Doch irgendwann schaffte sie es… Sie zitterte, als sie nach Grace‘ Hand griff, welche über den Bettrand hing. Sie war kalt und Lisbon legte den Arm an die Seite der Rothaarigen, deren Gesicht nun wächsern wirkte… Kein Leben war mehr in ihrer Freundin.

Mit einer beinahe mechanischen Bewegung fuhr sie mit ihrer Hand über Grace’ Gesicht und blickte hinüber zu Wayne, neben welchem Cho ungläubig stand und sich an den Gardinen festzuhalten schien. Er starrte mit einem deutlichen Ausdruck von Panik auf die Situation, sein Blick flog zwischen den beiden Leichen hin und her…

Teresa zitterte noch immer am ganzen Körper, doch nun wurde dieser zusätzlich von Schluchzern geschüttelt. Sie hatten nicht genug aufgepasst! Red John war hier gewesen… ganz in ihrer Nähe! Wieder mal hatte er scheinbar die beste Einsicht in ihr Handeln gehabt! Wieder mal, hatte es keine Anzeichen darauf gegeben, dass er sie verfolgte! Lisbon schluckte hart… Sie hatten Grace aus Linkons Fängen befreit um sie keinen Tag später hier so vorzufinden… Vergewaltigt und ermordet!

Sie spürte, dass Patrick hinter ihr stand und versuchte die Fassung zu wahren, ihr die Hände auf die Schultern legte, doch dort blieben diese nicht lange, denn Teresa wehrte sich! Sie kämpfte so lange mit Patrick, der beschwichtigend auf sie einredete, bis sie zu Boden fiel! Sie landete in der Blutlache, doch es störte sie nicht! In ihren Ohren rauschte es und sie spürte, wie der Schmerz sie zerriss. Sie hatte zwei weitere Familienmitglieder verloren!

Der Schrei der aus ihrer Kehle drang, ging durch Mark und Bein. Sie konnte sich nicht zurückhalten! Sie fühlte sich so verletzt, so schuldig… Dieser Mix aus Gefühlen machte sie fertig.
 

Sie spürte den Schmerz des Aufpralls nicht, da sie zu benommen war. Sie hörte ein Rascheln und dann wieder Patricks sanfte Stimme. Doch in dieser war keine Verzweiflung, höchstens Besorgnis! „Teresa, Teresa beruhige dich doch! Es ist doch alles gut!“, flüsterte er und strich ihr über das Haar, nachdem er sie in seine Arme gezogen hatte.

„Nein! Nichts ist gut! Sie sind tot – er hat sie gefunden! Wir hätten besser auf sie aufpassen sollen!“, schrie sie und schlug immer noch um sich.

„Liebling, niemand ist tot. Grace ist in Sicherheit und Wayne ist bei ihr – die beiden sind im Krankenhaus!“, erinnerte er sie. „Nein, sie sind nicht in Sicherheit – Red John hat sie im Krankenhaus ermordet!“.

Zur Verwunderung der Dunkelhaarigen zog Patrick nicht wie üblich die Luft ein, wenn man den Namen des Serienmörders erwähnte, sondern lachte leise. „Schatz, das war alles nur ein Traum!“, redete er auf sie ein. „Nein, das war alles echt!“, wehrte sie sich wie ein kleines Kind. Sie hatte nicht gecheckt, dass sie sich nicht im Krankenhaus befanden, sondern sie in der Pension waren und sie gerade auf dem Boden neben ihrem Bett lag, aus welchem sie gefallen war, weil sie im Traum um sich getreten hatte.

„Es war nicht echt – nur die Ängste aus deinem Unterbewusstsein! Beide leben – soll ich es dir beweisen?“, wollte er wissen und für einen kurzen Moment wusste sie nicht, was sie antworten sollte. Dann jedoch nickte sie und Patrick nahm sein Handy vom Nachttisch und wählte Rigsbys Nummer, welcher beinahe augenblicklich dran ging. Patrick hatte auf laut gestellt und begrüßte den Agenten kurz. „Guten Morgen, Wayne – tut mir leid, dass ich euch wecke, aber Teresa hatte einen furchtbaren Traum!“. Er klang nicht süffisant, wie man es vielleicht erwartet hätte, sondern er klang aufrichtig. „Sie will dich und Grace hören, damit sie noch ein wenig schlafen kann, ehe wir euch in ein paar Stunden wieder terrorisieren!“. Wayne hatte zugehört und man hörte ihn nun leise mit Grace reden. „Teresa?“, hörte man schließlich die schwache Stimme der Rothaarigen. „Teresa, uns geht es gut – mach dir keine Sorgen. Ich habe grade keine Schmerzen mehr!“. Dann hörte man wieder Rigsby. „Chef, du weißt doch, wer an Grace ran will, muss an mir vorbei – und das lasse ich nicht zu“.

„Das wissen wir, Wayne!“, antwortete Patrick und merkte, dass Teresa sich in seinen Armen etwas entspannte. „Ach und wenn ich euch grade schon an der Strippe habe“, meinte Wayne und schien etwas zu flüstern, „Bringt morgen früh einige Ausmalbilder und Buntstifte mit – Grace scheint dank der Beruhigungsmittel ihre Kindheit wiederentdeckt zu haben!“. Ein leichtes Lachen, welches so frei klang erklang in der Leitung. „In Ordnung, werden wir tun! Wir sehen uns also in einigen Stunden – gute Besserung an Grace und erholt euch auch etwas!“.

Mit diesen Worten legte er auf und dann das Handy wieder an seinen Platz zurück. „Siehst du, es ist alles gut!“, murmelte er und hob Lisbon zurück aufs Bett.

„Es war alles so verdammt realistisch!“, flüsterte ihr und nun rannen Tränen über ihre Wangen. „Ja, Träume sind ein wahrliches Phänomen, das bis heute keiner verstanden hat!“, gab er zu. „Doch jetzt versuche noch etwas zu schlafen – wir sind alle ausgepowert und morgen wirst du Grace sehen!“.

Es dauerte noch über eine Stunde, bis Lisbon wieder einschlief, doch immerhin fand wenigstens sie in dieser Nacht noch etwas Schlaf. Patrick hingegen schlug sie mal wieder mit den Dämonen seiner Erinnerung herum. Zwar hatte Teresa nicht wirklich etwas von ihrem Traum erzählt, doch in seiner Fantasie hatte sich eine Lawine ausgelöst und als die Sonne aufging, stand er auf, zog sich an, verließ das Zimmer und ging spazieren.

Breaking News

Als sie erwachte, musste sie sich orientieren, und versuchte langsam sich hochzudrücken. Doch sobald die Rothaarige etwas ihre Schultern anspannte, durchzuckte ein Schmerz ihren Kopf und sie kniff die Augen zusammen.

Einigen Augenblicke dauerte es, bis sie diese wieder öffnen konnte. Wo war sie? Definitiv nicht bei sich zu Hause, denn da roch es anders… Langsam sah sie sich um und noch ehe sie den Zugang in ihrem Handrücken entdeckt hatte, spürte sie ihn.

Zugang… weiße Wände… dieser Geruch… Sie musste wohl im Krankenhaus sein! Nur langsam kamen in ihr Erinnerungsfetzen der letzten Nacht hoch und sie drehte vorsichtig den Kopf um nicht erneut eine Schmerzattacke zu riskieren.

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als das Bild auf ihre Netzhaut traf. Wayne hatte sich sehr umständlich in einem Sessel zusammengefaltet und schlief. Sein Kopf ruhte auf der Rückenlehne und beinahe kam sich die junge Agentin schuldig vor. Wegen ihr saß er da so zusammengekrümmt. Sie versuchte gerade nochmal sich aufzusetzen, als eine Frau im weißen Kittel hereinkam. Sie lief auf sie zu und sprach sie flüsternd an. Wie sie sich fühle… Darüber musste Grace erstmal nachdenken. „Ich glaube, dass es geht – aber ich habe Schmerzen“, gab sie zu und die andere nickte.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, wollte die Agentin wissen und die Pflegerin warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Vielleicht vier Stunden. Sie waren lange wach, denn die Schmerzmittel haben Sie hochgepusht. Versuchen Sie noch etwas zu schlafen. Ich gebe Ihnen nochmal was gegen die Schmerzen“. „A propos Schmerzen“, murmelte die im Bett Liegende. „Was ist eigentlich passiert?“. Sie konnte sich nur dunkel erinnern. Die Schwester räusperte sich leicht und sah verlegen drein. „Vielleicht sollten Sie das später lieber ihren Verlobten fragen!“, meinte sie und lächelte. Doch Grace machte ein so verwirrtes Gesicht, dass sie selbst ganz aus dem Konzept geriet. „Welcher Verlobte?“, wollte die Patientin wissen und die Schwester zeigte auf Wayne, woraufhin Grace leicht lachte. „Er ist nicht mein Verlobter – wir waren zwar mal zusammen, aber sind es nicht mehr… Arbeitsbedingungen“, erklärte sie. Diese Erklärung nahm die Schwester natürlich nicht ernst. Sie dachte, dass Grace durch die Amnesie sicherlich auch die Verlobung vergessen hätte. „Keine Sorge meine Liebe, Ihr Gedächtnis kommt sicherlich zurück“, lächelte sie und strich Grace kurz mütterlich über die Wange. „Ich bleibe da, bis Sie wieder schlafen und deswegen sollten Sie lieber schnellstens damit anfangen!“. Eigentlich hatte die Rothaarige widersprechen wollen, ihr sei nicht nach Schlaf zumute, doch recht schnell merkte sie, dass noch immer bleierne Müdigkeit auf ihre Augenlider drückte. Sie gab dem Drang nach und war schon bald eingeschlafen.
 

*****
 

„Jetzt beeil dich aber, Patrick!“, drängte Lisbon und sah ihren Freund an. Auch wenn sie sich fragte, ob sie wirklich ins Krankenhaus wollte… Der Traum der Nacht steckte noch immer in ihren Knochen! Zumal sich bisher alle Handlungsabläufe ungefähr geglichen hatten!

Sie hatten gefrühstückt und waren nun, auf dem Weg zum Krankenhaus, an einem Blumenladen hängengeblieben. Offensichtlich dachte der Blondgelockte, dass ein Strauß frischer Blumen der Genesung des jüngsten Teammitgliedes zuträglich sei. Teresa hatte aus Angst vor Verspottung nicht erzählt, was sie gerade jetzt bewegte und sie schluckte ihre Angst hinunter, während sie dem Mentalisten dabei zusah, wie er die Pflanzen bezahlte und sie gemeinsam zum Auto gingen.

Cho saß hinterm Steuer, denn der Asiate schien der Einzige zu sein, der in der Nacht einen einigermaßen ruhigen Schlaf gehabt hatte. Ardin und Dare hatten sich durch die Pensionsleiterin entschuldigen lassen – doch noch in der Nacht waren sie zurück nach Sacramento zitiert worden, baten allerdings um Meldung wie es Grace ging.
 

Nach einigen Minuten waren die Agenten am Krankenhaus, und weiterhin lief es so wie in Lisbons Traum. Die Schwester am Empfang nannte ihnen eine Zimmernummer und nur wenige Minuten später standen sie davor und klopften. Die Teamchefin hielt den Atmen an, als Cho die Tür aufdrückte – doch das Bild in ihrem Kopf bestätigte sich nicht.

Ganz im Gegenteil! Wayne saß bei Grace auf der Bettkante und versuchte diese anscheinend grade zum Frühstücken zu motivieren. „Hey ich drei?“, grinste Grace die Eintreffenden an. „Sagt Wayne mal er soll mich in Ruhe lassen – ich habe keinen Appetit“, meinte sie und sah flehend zu Lisbon. Diese kam auf sie zu und nahm sie in den Arm. „Ich bin so glücklich, dass es dir gut geht“, flüsterte sie und Grace antwortete ihr murmelnd. „Hab ich nen Sprung in der Schüssel, oder liege ich richtig in der Annahme, dass Wayne nicht mein Verlobter ist?“, fragte sie und sah die Dunkelhaarige an. „Du hast recht“, antwortete diese und wusste nicht, ob sie lächeln oder traurig dreinschauen sollte. „Dann bin ich ja beruhigt“, gab Grace nur zurück und legte sich wieder in die Kissen. Sie fühlte sich tatsächlich noch sehr erschlagen.

„Wir haben dir Blumen mitgebracht!“, grinste Jane und legte diese auf die Bettdecke. „Die Schwester wird sicherlich eine Vase bringen. Wie fühlst du dich?“. Er sah, dass die Rothaarige noch immer sehr blass war und offensichtlich auch wirklich nicht bei Kräften. Doch sie dachte über ihre Antwort nach, ehe sie sprach. „Ehrlich gesagt habe ich mich schon mal besser gefühlt“, gab sie zu. „Und wenn ich eine Ahnung hätte, was geschehen ist… Wayne wollte mir Nichts erzählen“. Leicht trotzig sah sie zu dem Mann zu ihrer Seite, der Schultern und Augenbrauen hob.

„Was sollte ich denn tun? Ihr alles sagen?!?“. Die Chefin des Teams schüttelte den Kopf. „Nein, es ist schon okay so, Wayne“, meinte sie sanft und ließ ihren Blick dann wieder auf der Patientin ruhen. „Du solltest jetzt etwas essen – und dann können wir anfangen deine Erinnerung wieder aufzubauen!“, lächelte Patrick und Lisbon war in dem Moment nicht die Einzige, die in Gedanken flehte, dass er Graces Gedächtnis nicht durch Hypnose wieder aufbauen wollte. „Lass sie bloß mit deinem Psychoscheiß in Ruhe!“, knurrte Wayne und der Blonde sah ihn etwas beleidigt an – schwieg allerdings. Denn alle Anwesenden wussten, dass Streit wohl das Letzte war, was Grace brauchen konnte.
 

In die Stille brachen ein Arzt und eine Krankenschwester. Sie wollte eigentlich nur die Frühstückstabletts abräumen, doch als sie das von Grace sah, schüttelte sie den Kopf. „Also so geht das nicht, meine Liebe“, meinte sie streng. „Sie müssen etwas essen, sonst bekommen Sie mit den Medikamenten große Probleme!“. „Meine Rede“, murmelte Wayne nur und sah den Arzt an. Diesem Mann hatte er zu verdanken, dass er dauerhaft und über Nacht bei Grace bleiben durfte und er hielt große Stücke auf ihn.

„Miss van Pelt, soweit wir informiert sind, konnten Sie die letzten Tage gar nichts essen, oder haben es nicht bei sich behalten“, meinte der Mediziner sachlich. „Ihr Körper braucht Nährstoffe um sich regenerieren zu können! Mal ganz davon abgesehen, dass Sie doch sicherlich wissen wollen was in den letzten Tagen geschehen ist. Auch um Ihr Erinnerungsvermögen wieder herzustellen, brauche Sie Energie – also essen Sie!“. Er hatte die Brille abgenommen und blickte sie sanft an.

Offenbar schien sie dieser Blick auf eine bizarre Art zu brechen, denn Grace nahm schweigend das Besteck und begann das Müsli mit Joghurt und Obstsalat zu löffeln – sehr still allerdings! Und ohne nochmals aufzublicken.
 

Patrick war sehr darüber verwundert und wollte eigentlich zu gerne wissen, was der Auslöser dieser eigenartigen Reaktion war! Doch auch hier nahm er sich wieder zurück und rief sich ins Gedächtnis, dass sie unbedingt Ruhe brauchte. „So ist’s gut“, kommentierte die Schwester und sah zufrieden drein, während Wayne – ganz den Verlobten spielend – liebevoll über den Rücken seiner Ex-Freundin strich.

Wie alle Einheitsmitglieder feststellten, ließ Grace sich diese Nähe gefallen und es war beinahe so als habe sie Ahnung von dem Verwirrspiel, welches ablief damit der Mann neben ihr hier bleiben durfte. „Bringen Sie das Tablett einfach raus, wenn sie fertig ist“, bat die Schwester und Lisbon versprach ihr dies zu tun.

Als die Dame nach draußen gegangen war, grinste der Arzt und wandte sich an die Anwesenden. „Wir haben gestern Abend, beziehungsweise heute Nacht noch einige Tests gemacht. Ihre Gehirnerschütterung ist wie vermutet mittelgradig, allerdings tendierend zu hochgradig. Die Amnesie ist dadurch zu begründen und wir hoffen, dass diese mit dem Abklingen der Verletzung ebenfalls zurückgeht“. „Was heißt das für Grace?“, wollte Patrick sofort wissen. Er war wegen des gesundheitlichen Zustandes des Teamkükens sehr besorgt und konnte das nur unter großen Mühen verbergen. Der Arzt nickte leicht mit dem Kopf und antwortete dann. „Naja, es heißt, dass uns nichts Anderes bleibt als abzuwarten. Die Amnesie ist selektiv – das ist schon mal gut!“.

„Gut?!“, fragte Wayne der aufgestanden war und den Arzt ungläubig anblickte. „Ja, Mr. Rigsby, gut! Stellen Sie sich mal vor, dass sie unter Umständen nicht einmal mehr ihren Namen wüsste“, gab der Mann zu bedenken und versuche Wayne dadurch zu beschwichtigen. Grace gab ein Glucksen von sich und blickte nun doch auf. „Nehmen Sie es ihm nicht übel, Doc“, grinste sie. „Er ist nur total außer sich, da ich offenbar vergessen habe, dass er mein Verlobter ist!“. Bei diesen Worten zwinkerte sie dem Mediziner zu und griff nach Waynes Hand. Wieso sollte sie eigentlich so tun als würde sie dies nicht wirklich glauben?!? Ein Blick zu ihrer Chefin sagte ihr, dass diese ihr nicht widersprechen würde. Wayne hingegen sah verwirrt drein, weshalb sie liebevoll seine Hand drückte und mit dem Daumen über seinen Handrücken strich.

Es schien beinahe so, als wolle er etwas sagen, doch Wayne überlegte es sich anders und genoss einfach die Berührungen der Rothaarigen. „Also, heißt wir versuchen Grace einfach so viel Ruhe wie möglich einzuräumen und geben ihr Gedankenanstöße?“, wollte er wissen und zog eine Augenbraue hoch. „Ja und nein“, kam es von ihrem Arzt und er verlagerte das Gewicht seines Kopfes auf die andere Seite. „Am besten wird es sein, wenn Sie ihr erzählen was vorgefallen ist – wie Sie es wissen. Und vielleicht fällt ihre ‚Version‘ ihr dann wieder ein. Vielleicht bringen die Erzählungen Bilde in ihr hoch!“.

Grace wollte schon fast etwas entgegnen, doch sie verkniff es sich und starrte in ihr Frühstück. „Ich kann nicht mehr“, meinte sie und schob das Tablett von sich weg. Der Arzt seufzte und sah sie dann an. „Naja, dann essen Sie eben zum Mittagessen mehr – auf jeden Fall brauchen Sie Nahrung“. Er sah sie nun streng an, und wieder fiel Jane auf, dass Grace dem Blick auswich. Stattdessen schien sie über eine Frage nachzudenken, welche sie allerdings erst stellte, als der Mediziner schon fast an der Tür war, denn er hatte sich verabschiedete um auch noch den anderen Patienten einen Besuch abzustatten. Er drehte sich nochmal zu ihr um und zuckte die Schultern. „Wie lange werde ich denn hier bleiben müssen?“. „Das kommt ganz auf Sie an, Miss“, antwortete er lediglich und verließ den Raum.

Grace fühlte sich von dieser Antwort ziemlich überrumpelt und sah auf die Bettdecke… Doch dann fing sie sich, ehe sie in eine deprimierte Stimmung verfiel und sah auf. „Also – würde einer von euch jetzt endlich die Freundlichkeit besitzen mir zu erklären, was vorgefallen ist?!?“.

Ihre Stimme klang etwas ungehalten und die Mitglieder sahen sich untereinander an. Wayne entzog sich mit einem leichten Kopfschütteln, welches die Rothaarige nicht sah. Auch der Asiate entschied sich dagegen und selbst Jane hielt den Mund. „Na super, jetzt darf ich, oder wie?“, fragte Lisbon die Männer und schüttelte den Kopf.

Sie setzte sich zu Grace auf die Bettdecke und nahm deren Hand.

Kurz dachte sie nach, seufzte und begann dann zu erzählen.
 

Sie erzählte davon wie sie das Entführerschreiben bekommen hatte und, dass im Anschluss plötzlich alles so unsicher schien.

Davon, dass Creed nicht beteiligt gewesen war und hier meldete sich Grace zum ersten Mal zu Wort, denn bisher hatte sie gespannt zugehört – beinahe als habe sie tatsächlich nie etwas davon erlebt.

„Du sagst, Creed hatte damit nichts zu tun“, begann sie und runzelte etwas die Stirn. „Waren wir denn davon wirklich ausgegangen, schließlich wurde seine Tochter mit mir gefangen gehalten“. Die Junioragentin stöhnte auf. „Grace, was hast du?“, wollte Wayne besorgt wissen und hatte seine Hand schnell wieder schützend auf ihren Rücken gelegt. „Ist dir wieder schlecht?“.

Doch Grace schüttelte den Kopf. „Nein – es ist alles okay! Mir geht’s gut! Das ergibt nur alles keinen Sinn! Mir scheinen wichtige Bestandteile zu fehlen… eben die die meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen könnten!“. Nun wirkte sie gereizt und verzweifelt. Diesen Eindruck unterstrich sie damit, dass sie sich mit einer fahrigen Geste durch das Haar wuschelte.

„Dann lass Teresa weitererzählen und vielleicht wird es für dich dann leichter“, schlug Patrick vor und zu seiner Erleichterung nickte die Rothaarige. Also besann sich Lisbon darauf, was sie als Letztes erzählt hatte und fuhr fort. „Wir hatten ja Ardin und Dare in Verdacht, aber“, doch hier wurde sie erneut von Grace unterbrochen – dieses Mal aber sehr abrupt.

Die Rothaarige hatte die Hand erhoben und die Augen zusammengekniffen.

Was war denn jetzt?!?
 

Das Gehirn der jungen Frau hatte bei Erwähnung beider Namen ein Warnsignal gegeben – doch sie konnte nicht zuordnen, wieso das geschehen war! Dass sie diejenige war die beide ausfindig gemacht hatte, brachte sie nicht mehr auf die Reihe.

Sie biss sich auf die Unterlippe und plötzlich flammte zu dem zweiten Namen ein Gesicht in ihrer bildlichen Erinnerung auf.

„Kann ich weitererzählen?“, wollte die dunkelhaarige Agentin wissen, die es langsam sehr mühsam fand. Wieso ließen sie die Männer auch wieder alleine und konnten nicht selbst erzählen?!? Wieso war sie einfach immer die Dumme?!? Okay, sie war die Chefin – aber Cho war ihr Stellvertreter… wieso erzählte er nicht?!

Auf die Frage ob Lisbon weitererzählen konnte, hatte das Teamküken den Kopf geschüttelt. „Ich versuche rauszufinden wie ich an die offensichtlich vorhandenen Infos in meinem Kopf komme!“. Sie war wirklich verstört… Und die Ursache war klar, denn offensichtlich gelang dieses Vorhaben nicht!

„Hielten wir diese zwei Kerle für kriminell und die Entführer, oder wie?“, wollte sie erfahren und alle nickten, was sie nicht unbedingt aufklärte. „Aber nach eurer Reaktion zu schließen sind sie das nicht“, stellte sie nun fest und ein erneutes Nicken ging durch die Runde.

Die Teamjüngste grübelte wieder einige Augenblicke still nach und währenddessen schwiegen auch die anderen, denn niemand wollte sie dabei unterbrechen, beziehungsweise stören. „Boah ey!“, stieß sie hervor. „Das macht ja den Hund in der Pfanne verrückt! Gehe ich richtig in der Annahme, dass ich das eigentlich alles wissen sollte?!?“.
 

Nun ergriff Jane das Wort. „Naja, sagen wir mal so: Du hast es schon mal gewusst!“.

Dare hatte den Agenten noch gestern Nacht die ganze Geschichte erzählt und somit hatten alle Ahnung von dem was in der Waldhütte von statten gegangen war – allerdings nur aus zweiter Hand.

„Ich will mein Gedächtnis zurück!“, maulte die Rothaarige und der Mentalist grinste sie an. „Es gäbe da eine Möglichkeit und zufällig“, doch weiter kam er nicht, denn Wayne war aufgesprungen und sah höchst angriffslustig drein. „Lass sie bloß damit in Ruhe und rühr sie nicht an!“, verteidigte er seine Ex-Freundin von welcher nun ein Kichern kam. „Wayne, alle in diesem Raum wissen, dass das mit uns beiden als Paar nur ein Plan ist. Aber du brauchst so privat das Schauspiel nicht voranzutreiben!“. Tadelnd blickte sie ihn an und sah dann zu Teresa, die etwas nachdenklich wirkte. Tatsächlich dachte die Frau darüber nach, ob der Versuch einer Hypnose nicht wirklich die Lösung war – schließlich hatte Jane schon des Öfteren bei Amnesie-Patienten Erfolg gehabt!

Und dieses Mal war es ja nicht mal illegal! Sie brauchten ja kein Geständnis, sondern Grace wollte lediglich ihre Erinnerungen wieder. Daran konnte sie nichts Verwerfliches entdecken! Aufgrund dieser Überlegung drückte sie nun sanft Graces Arm und sah diese an.

„Meinst du, dass Patrick dir vielleicht doch helfen könnte?“, sprach sie aus und erntete dafür ein „Bist du bescheuert?“, von Wayne.
 

„Schatz – beruhig dich!“, meinte Grace sanft und erst nach mehreren Sekunden wurde ihr klar, wie sie ihn gerade betitelt hatte. Sie lief rot an und obwohl es nicht direkt ‚ernst‘ gemeint war, schien Wayne sich davon etwas beschwichtigen zu lassen.

Van Pelt spürte das warme Gefühl in ihrem Körper1 Das Verlangen ihn endlich wieder so nennen zu können… bei ihm sein zu können! Ohne diesen Abstand! Es zu dürfen!!!

Doch eigentlich war ihr klar, dass diese Zeit vorüber war – zumindest war sie sich dessen sicher!

„Nun gut!“, exklamierte sie schließlich und atmete tief durch. „Aber Jane ich warne dich! Die anderen werden hier bleiben! Und wenn du auch nur einen Schritt zu weit gehst, dann“, „dann bekommst du es mit mir zu tun!“, beendete Wayne ihren Satz und war nun wieder an ihrer Seite. Er würde sie nun sicher nicht alleine lassen!

Ihre Worte… ihr ‚Versprecher‘… Es hatte seine Gefühle wieder aufkeimen lassen und er wusste nicht, wie er diese steuern sollte!

Sie lächelte ihn sanft an und hatte einige Momente nur Augen für ihn – bis Teresa ihren Platz für den Mentalisten frei machte und dieser sich auf die Bettkante setzte.
 

„Gib mir bitte deine Hand und schau mich dann an!“. Grace tat wie ihr geheißen und sah ihm in die Augen.

Mittlerweile hatten eigentlich alle Teammitglieder schonmal eine Person gesehen die in Trance war – das auch nicht unbedingt durch Patricks Tun aber keiner von ihnen war erstaunt als die Rothaarige nach einigen Minuten mit starrem Blick auf dem Bett saß und offenbar nur noch Janes Stimme wahrnahm, wobei diese auch die einzige Stimme war, die zu ihr sprach. Und diese Stimme klang warm und einladend!

„Grace, stell dir vor, deine Erinnerungen sind wie ein Film und du kannst mit der Fernbedienung genau an den Punkt fahren an welchem du sein willst. Ebenso ist es dir möglich gewisse Situationen zu stoppen oder zu verlangsam“. Sie nickte schweigend und sah noch immer geradeaus. Bis hierher war ja wirklich alles okay!

Doch dann wandte Patrick sich im Flüsterton an die anderen Teammitglieder.

„Wundert euch nicht, dass ich etwas vor der ganzen Geschichte beginne – muss sein!“, erklärte er den anderen und trotzdem sah Wayne ihn bereits äußerst kritisch an, doch Jane ignorierte das gekonnt und fuhr in der Hypnose fort.
 

„Also Grace. Gehe in deiner Erinnerung bitte bis zu dem Tag zurück an dem du wieder aus Spanien gekommen bist!“, forderte er sie auf und erhob die flache Hand als Rigsby einschreiten wollte.

„Das ist nur zu eurem Besten!“, meinte er nun mit vielsagendem Blick und Cho hielt Wayne hinten am T-Shirt fest, damit der Großgewachsene nicht einfach auf Jane losgehen konnte.

Doch der Agent versuchte eher an das Gewissen und die Vernunft seiner Chefin zu appellieren – oder zumindest tat er den verzweifelten Versuch. „Lisbon, halte ihn davon ab!“, flehte Wayne, welcher nun zu verstehen glaubte, was abging. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch die Antwort seiner Chefin war ein schlichtes Nein und ein damit verbundenes, nochmals betonendes Kopfschütteln. Schließlich war das hier keine Vernehmung, wie sie sich schon vorhin klargemacht hatte. Diese Überlegung verbalisierte sie und sprach weiter. „Es geht doch nur darum herauszufinden, was an Erinnerungen noch in ihrem Kopf da ist!“.

Denn wenn sie gleich feststellen würden, dass das alles nicht durch eine Blockade verursacht war, sondern die Rothaarige wirklich nicht erinnern konnte und die Informationen gelöscht waren… dann konnten sie einfach fortfahren!

Dann würde Grace lernen müssen mit dieser Erinnerungslücke zu leben und umzugehen, aber es würde weitergehen!

Deswegen gab sie ihrem Geliebten nun ein Zeichen, damit er weitermachte.
 

„Wie sind deine Gefühle, wenn du an diesen Tag denkst?“, hakte Patrick wieder in die Hypnose ein und der Gesichtsausdruck der jungen Frau wurde verlegen. Sie druckste herum, bis sie die richtigen Worte gefunden zu habe schien. „ich habe Angst… Angst, dass es mit dem Team nicht klappt“, murmelte sie nun. „Wieso?“, fragte Lisbon nun selbst verwirrt nach.

Doch ihre beste Freundin sah sie nicht an, starrte einfach geradeaus. Trotz der Hypnose schien sie zu merken, dass die Antwort auf Janes Frage auf ein Tabuthema stieß… Und als ihr nächster Satz fiel, wussten vor allem Lisbon und Jane, wieso sie so gezögert hatte!

„Naja… wegen Hightower… und der ganzen Sache“. Sie unterbrach sich selbst und Jane wollte schon fast nachfragen, als sie weitersprach. „Ich meine… ein Team… Fünf Mitglieder… davon vier verliebt…“.

Sie seufzte auf und schluckte, dabei traten Tränen in ihre Augen. „Vier Personen die sich gegenseitig alles bedeuten… und es ist den Leuten auf den Führungsposten doch ohnehin ein Dorn im Auge, dass wir und quasi gegenseitig die Familien ersetzen! Also fünf Personen, wenn man den Familienaspekt nimmt“.
 

Alle Einheitsmitglieder starrten sich gegenseitig an. Sie waren wie vom Donner gerührt!

Diese Hypnose war wirklich nicht zu verachten! Die Rothaarige hatte endlich aussprechen können, was sie schon lange gedacht hat!

Natürlich war das nicht der Sinn der Sache gewesen… Doch nun war es eben so!

Cho und Wayne sahen Grace an und dann sich gegenseitig. Ihnen beiden waren zwei Verliebte klar – die anderen beiden des Teams sahen sich nun ertappt an.

Die Rothaarige hatte es gewusst?!? Sie hatte nichts gesagt, aber hatte es gewusst? Hatte es einfach so hingenommen, dass sie sich von Wayne trennen musste, ihre Chefin aber mit einem anderen Teamkollegen ebenso eine Beziehung führte?

Erneut stand ein Schweigen im Raum und Cho unterbrach es schließlich.

Er hatte kombiniert und auch Wayne war – so konnte man es an seinem Gesichtsausdruck ablesen – beim richtigen Schluss gelandet.

„Wieso habt ihr nie was gesagt?“, fragte der Asiate und sah seine Chefin und den Berater an.

Beide zuckten die Schultern und Lisbon wandte sich sogar leicht ab. Grace befand sich noch immer in Trance und Patrick entschied sie wieder zurückkommen zu lassen.

„Ich glaube, dass wir vorerst über dieses Thema sprechen sollten, ehe wir ihre Erinnerung komplett zurückholen. Vielleicht ist das Sinn der ganzen Situation“.

Er seufzte und als die Rothaarige schließlich mit den Augen blinzelte und sich umsah, wobei sie fragend die Augenbrauen in die Höhe zog, setzte der Blonde sich auf einen Stuhl neben dem Bett. „Ist alles okay?“, fragte Grace nun ihrerseits, denn die Grabesstille die momentan herrschte, bereitete ihr Unbehagen.

„Aber ich irgendwas Schlimmes gesagt?“. Sie sah zu Lisbon und diese schüttelte den Kopf. „Nein – nur etwas Wahres! Etwas worüber wir reden müssen. Und… ich muss mich ja fast bedanken, dass du es eben ausgesprochen hast – sonst würden wir vermutlich so weitermachen“.

Sie versuchte ein Lächeln und, ohne dass Grace wissen konnte, was sie gesagt hatte, fühlte sie, dass es ein heikles Thema war – und, dass es um das Team ging. Der Grund kam ihr nach kurzem Nachdenken und sie schluckte.

„Ich wollte euch nicht verraten… Ich wollte nicht, dass ihr von Hightower auch gezwungen werdet euch zu trennen“.

Tränen traten in ihre Augen – das ganze schien in Richtung eines absoluten Desasters zu laufen!

„Es ist nicht deine Schuld Grace“, meinte Wayne und seine Stimme war eine Mischung aus Kälte und liebevoller Art, wobei der eine Teil sich wohl eher auf Patrick und Teresa bezog.

„Wieso verdammt habt ihr nie etwas gesagt?“. Bei dieser Frage funkelten seine Augen und Grace die zu ihm hoch sah, konnte die Wut entdecken. Aber was half Wut in diesem Fall?!? Nichts!

Liebe war Liebe! Und…

„Wayne, lass es gut sein! Ich kann die beiden sehr gut verstehen! Wenn es bei uns beiden nicht so offensichtlich gewesen wäre, beziehungsweise wir es nicht öffentlich gemacht hätten, dass wir ein Paar sind, so wäre Lisbon durch Hightower niemals dazu gezwungen worden uns voneinander zu trennen“. Der Dunkelhaarige, der seine Ex-Freundin anblickte, wusste nur zu gut, was sie damit meinte! Sie hatten zu offensichtlich miteinander geflirtet, hatten ihre Beziehung zu offen gelegt – so sehr, dass nicht nur Patrick es gemerkt hatte. „Den einzigen Vorwurf den wir ihnen machen können ist, dass sie in der Tarnung offensichtlich besser sind!“.

Sie griff erneut nach Waynes Hand und zog ihn zu sich, wobei sie mehr Kraft brauchte als sie eigentlich aufwenden konnte! Es strengte sie an, doch sie wollte und durfte jetzt keine Schwäche zeigen! „Wir hätten es euch sagen sollen“, meinte Teresa und nickte mit dem Kopf. „Da hat Wayne völlig recht – aber die ganze Sache ging eigentlich erst während der Suspendierung richtig los“.

Nun griff auch die zweite Frau im Raum nach der Hand ihres Liebsten, doch dieser entzog sich. Patrick war erstaunlich still und nicht nur Lisbons Augen lagen fragend auf ihm. „Jane?“, drang Grace‘ sanfte Stimme schließlich an sein Ohr und er sah auf. „Was ist los? Du – mach dir doch keinen Kopf darum! Wir alle verstehen das! Und ich finde es ehrlich gesagt wirklich toll!“. Sie lächelte und drückte dabei Waynes Hand, was eigentlich nur ein Zeichen für ihn war, dass er jetzt nichts sagen sollte.

„Wir brauchen alle Familie, wir brauchen unsere Liebsten! Und die Arbeit sollte uns das nicht nehmen dürfen! Und ganz ehrlich, solange es niemand weiß – außer uns – kann euch niemand was anhaben!“.

Sie atmete durch und lehnte sich dann gegen Wayne, welcher offenbar gemerkt hatte, dass sie ihn jetzt brauchte. Er saß neben ihr und legte schließlich einen Arm um sie. „Ihr beiden habt es verdient!“, meinte Grace und nickte Lisbon und Jane zu, die bei diesen Worten beide aufgesehen hatten. „Ich habt es verdient einen Partner zu haben, welcher euch liebt! Und welchem ihr das Gleiche entgegenbringen könnt!“. Doch die beiden Teamältesten schüttelten ziemlich gleichzeitig den Kopf.

„Wir haben uns das Hirn zermartet… während der Suspendierung… wie das alles werden soll! Ihr beiden werdet dazu gezwungen euch zu ‚entlieben‘ und wir machen grade so weiter wie bisher… Es gilt gleiches Recht für alle! Entweder es darf zwei Paare in unserem Team geben, oder keines!“.

Diese Worte waren von Jane gekommen, waren vehement gewesen und ließen die anderen ziemlich heftig schlucken.

„Sei doch nicht so doof und setz das aufs Spiel, was du hast“; meinte Cho, bei welchem der Groschen gefallen war. Grace würde es irgendwie akzeptieren, doch Wayne sah momentan noch nicht danach aus. Er schüttelte einfach nur den Kopf und schwieg.

„Ist doch wahr! Ihr müsst euer Glück nicht zerstören!“.

Lisbon unterbrach ihn, ehe er weitersprechen konnte. „Es muss eine Lösung geben, dass wir offiziell zusammen sind. Eine juristische Einzelverfügung, oder wie auch immer! Aber wir sind doch nun wirklich kein schlechtes Team!“.

„Zumindest nicht, wenn wir uns nicht zerfleischen, weil wir nicht die Emotionen austauschen können, die uns bewegen“, ergänzte Grace. Sie hatte ihre Finger mit denen von Wayne durchflochten.

„Wir brauchen einen Weg, damit wir zusammenbleiben können – als Einheit. Aber auch eine Möglichkeit, dass wir Paare sein können, denn“, sie unterbrach sich kurz und atmete tief ein, „ich kann und will nicht ohne dich leben!“.

Wayne sah bei diesem Liebesgeständnis nun so verdutzt drein, dass Grace einfach nur ihre Lippen auf seine legte und ihn sanft küsste. Dieses Tun zauberte nicht nur auf Waynes Lippen ein Lächeln, sondern auch auf das von Jane. „Wir werden gemeinsam eine Lösung finden!“.

Nun war er wieder voller Enthusiasmus!

Zwar wusste er noch nicht, wie sie das alles anstellen sollten, doch er war sich sicher, dass sie etwas herausfinden würden, damit das alles so funktionierte wie sie es sich vorstellten!

„Das wäre also vorerst geklärt – wollen wir mit der Hypnose fortfahren?“, äußerte er im Tatendrang. „Ich glaube, dass du darauf etwas warten musst“, entgegnete Wayne, denn Grace hatte sich in seine Arme gekuschelt und war sofort eingeschlafen.

Lisbon war von hinten an Janes Stuhl getreten und lächelte. „Wir haben aber ja auch Zeit – lassen wir sie uns“.



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