Flammenhaut von ZombieOnTour ================================================================================ Kapitel 1: Neubeginn -------------------- Der Regen klatschte schwer auf das Dach und gegen die Fenster des alten Kombis, der sich tapfer dem Wetter und dem bergigen Weg entgegensetzte. Aus dem Radio war leise Nickelbacks „How you remind me“ zu hören. Unter normalen Umständen hätte Joel es sich nicht nehmen lassen, das Radio aufzudrehen und mitzusingen. Alleine deswegen, weil die Band zu seinen Lieblingsinterpreten gehörte. Er würde mitsingen und entweder so tun, als würde er Gitarre spielen, oder mit den Fingern auf dem Armaturenbrett das Schlagzeug nachahmen. Und seine Mutter würde lachend danebensitzen, sich weiter auf den Verkehr konzentrieren und mitsingen, wenn auch mehr schlecht als recht. Aber das hier war nicht die Normalität. Und würde es auch nie wieder sein. Am Steuer des Wagens saß nicht seine Mutter. Seine Mum war tot. Sie war tot und würde nie wieder mitmachen, nie wieder mit ihm streiten, schimpfen oder weinen, weil er sich in Schwierigkeiten gebracht hatte. Das Alltägliche war mit ihr gestorben. Ebenso ein Teil in Joel. Die Psychologin hatte gesagt, dass es normal wäre, dass er sich verändere. Er müsse erst mit dem Schock und der neuen Situation fertig werden. Selbst glaubte er nicht daran, tat aber so, als würde er es, als würde es sich bessern. Sie sollten ihn einfach alle in Ruhe lassen. Er würde schon damit fertig werden. Irgendwie, irgendwann. Der Junge seufzte und schloss die Augen. Die Scheibe fühlte sich kalt an seiner Stirn an und es war ein angenehmes Gefühl. Angenehmer als alles andere in den letzten zwei Wochen. Unglaublich, wie schnell das eigene Leben kopfstehen konnte. Der Detective, er hatte seinen Namen schon wieder vergessen, der hinter dem Steuer saß, warf ihm nur einen raschen Blick zu und fragte etwas. Joel antwortete nicht darauf. Auf den ganzen Scheiß hatte er keine Lust. Nicht nur, dass der Mörder seiner Mutter immer noch frei herumlief, man ihn tagelang mit Fragen gelöchert hatte, nun sollte er in Zukunft auch noch bei einem vollkommen Fremden leben. Das Amt hatte herausgefunden, wo sein Vater war. Etwas, das seine Mutter in siebzehn Jahren nicht geschafft hatte. Falls sie es wirklich versucht hatte. Joel war sich nie sicher gewesen, ob sie nach seinem Vater suchte. Sie hatte ihn immer mit einem Blick angesehen, als wäre es ein Geheimnis, etwas was sie ihm nicht sagen wollte oder durfte. Und irgendwann hatte er aufgehört zu fragen. „Wir sind gleich da.“ Die Stimme ließ ihn zusammenfahren und aufsehen. Der Detective warf ihm einen erneuten Blick zu, sah dann wieder auf die Straße. In seiner Stimme schwang etwas mit, von dem Joel eindeutig die Schnauze gestrichen voll hatte. Mitleid. Seitdem sie seine Mutter gefunden hatten, war das alles, was er zu spüren bekam. Der arme, arme Junge hatte seine Mum verloren. Egal ob in dem Heim, in welchem er kurzzeitig untergekommen war, oder von Bekannten. Selbst seine Freunde sahen ihn nur noch mit diesem Blick an, sagten, wie leid es ihnen tat, und meldeten sich nicht mehr. Als wäre es ihnen zu unangenehm, sich damit auseinanderzusetzen, als wäre er ihnen lästig. Tolle Freunde hatte er da. „Ist gut“, murmelte Joel und sah wieder nach draußen. Die Landschaft, welche vor dem Fenster vorbeiraste, war karg und wirkte tot. Irgendjemand hatte gesagt, sein neues Zuhause läge am Meer, doch davon hatte er noch nicht viel gesehen. Vielleicht auch, weil er nicht darauf geachtet hatte und es ihm herzlich egal war. Das Haus, vor dem der Wagen hielt, war groß, alt und schäbig. Es lag etwas außerhalb der letzten Ortschaft, durch die sie gefahren waren, und war nahe an der Kante einer Klippe gebaut, welche auf das offene Meer hinaus ragte. Salzige Luft schlug ihm entgegen, als er die Tür öffnete und ausstieg. Hier sollte er also in Zukunft leben? Sonderlich viel versprechend wirkte es nicht, aber lange würde er hier sowieso nicht bleiben. Zumindest hatte er das nicht vor. Der Detective fragte, ob er alleine klarkommen würde, als er seine Tasche aus dem Kofferraum holte. Joel nickte nur und bekam gesagt, dass man seinen Vater schon über alles informiert hatte und er wünsche ihm viel Glück für die Zukunft. So ein heuchlerischer Schleimscheißer. Joel schulterte seine Tasche und ging zum Haus, während der Wagen wieder fortfuhr. Einmal holte er noch tief Luft, als er vor der Tür stand, klingelte dann. Es dauerte einige Zeit, ehe man ihm öffnete. Der Mann, der die Tür mit einem kräftigen Ruck aufzog, sie schien verkantet zu sein, musterte seinen Besuch kurz, trat dann zur Seite und durchquerte die kleine Eingangshalle, ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben. „Ehm … Hallo?“, rief Joel ihm nach, hob die Brauen. Und was sollte er jetzt tun? Sicher, er hatte nicht geglaubt, dass sein Vater ihn mit Freudensprüngen oder überschwänglichem Geheule empfangen würde, aber dass er gar nichts sagte, hatte er nicht erwartet. Kurz wartete er noch, aber da er keine Antwort bekam, trat er zögernd ein und sah sich dabei um. Es war nicht unbedingt dreckig, aber auch nicht sauber. Überall lag Staub und er entdeckte auch ein paar Spinnweben, ohne großartig danach zu suchen. Die alt wirkenden Figuren, Bilder, Dekorationen in der Halle waren ebenso verstaubt und ausgeblichen von dem Sonnenlicht. Man bekam fast das Gefühl, als würde hier schon lange niemand mehr wohnen. Kurz seufzte er, folgte dann dem Mann und kramte dabei einige Papiere aus seiner Tasche. Dann mal auf ins Gefecht. „Du bist also Joel“, stellte der Mann fest, ließ sich auf das schwarze Ledersofa fallen. Der Junge nickte, sah sich rasch um. Regale vollgestopft mit alten Büchern, ein Kamin, Sofa, Sessel, Fernseher. Sonderlich Spannendes gab es hier nicht. „Und ich soll mich jetzt um dich kümmern? Na herrlich“, seufzte er, schüttelte den Kopf, blickte zu ihm. „Ich bin Clarence, keine Ahnung, ob man dir das gesagt hat, die meisten nennen mich Nash, ist dir überlassen, wie du mich nennst. Ist mir auch herzlich egal.“ „Unterschreib das“, hielt er ihm die Papiere hin, statt zu antworten und fuhr sich kurz durch das grün gefärbte Haar. „Damit sagst du, dass du dich nicht um mich kümmern kannst oder willst. Oder was auch immer. Der Grund fehlt auch noch“, erklärte er. „Das brauch ich, damit ich alleine leben darf.“ „Kann deine Mutter das nicht machen? Musst du deswegen extra hier herkommen?“, brummte er, überflog den Text. „Oder per Post schicken. Was weiß ich.“ „Meine Mum ist tot“, entgegnete Joel nur. „Wenn du das unterschreibst, kann ich mir gleich etwas Eigenes suchen. Ich bin in einem Jahr achtzehn da ...“ „Deine Mutter ist tot?“, fragte Nash noch einmal nach, unterbrach den Jungen damit und sah auf. Verwundert darüber, dass man es ihm nicht gesagt hatte, nickte Joel leicht. „Wie?“ „Ehm ...“, begann Joel, etwas aus dem Konzept gebracht. Er hatte sich, als er die Unterlagen erhielt, zurechtgelegt, was er sagen wollte, um die Unterschrift zu bekommen. Aber mit so einer Frage hatte er nicht gerechnet, immerhin war er davon ausgegangen, dass man seinem Vater bereits alles gesagt hatte. „Man hat … Sie wurde ...“, fuhr er dann fort, auch wenn ihm dabei ein gewaltiger Kloß im Hals saß. Er brach wieder ab, brauchte etwas, ehe er weiter sprechen konnte. Über das alles zu sprechen machte es so gegenwärtig und unwiderruflich. Die Bilder kamen wieder zurück. Die Fotos vom Tatort, das Blutbad, alles, was man ihm gezeigt hatte. „Sie war einkaufen und war auf dem Weg nach Hause.“ Nachdenklich sah Nash ihn an, wobei die zusammengezogenen Augenbrauen Falten auf seiner Stirn hinterließen. „Wie wurde sie umgebracht?“, fragte er noch einmal nach, ruhig, leise. Wieder blieb Joel ihm die Antwort schuldig. „Sah es aus, als wäre sie von einem Tier angegriffen worden? Als hätte man sie regelrecht zerfetzt?“ „Woher ...“, brachte er nur heiser raus. Wie konnte er es wissen, wenn er wirklich bis eben nicht einmal gewusst hatte, dass sie tot war? Oder er spielte ein übles Spielchen mit dem Jungen. Doch Nash antwortete nicht auf die halb gestellte Frage, sondern sah mit nachdenklichem Blick ins Nichts. Rasch atmete Joel tief durch, fand so seine Stimme wieder. „Wie auch immer … unterschreib es, dann bin ich weg! Dann musst du dich nicht um mich kümmern, was du die letzten siebzehn Jahre eh nicht gemacht hast.“ Unbemerkt schlich sich leiser Zorn in seine Stimme. Es lag schlichtweg daran, dass er nicht ein Wort der Erklärung von Nash bekommen hatte. Kein, warum er nicht da war, nicht einmal eine schlichte Ausrede. Sicher, er hatte nicht danach gefragt, aber der Mann machte auch keine Anstalten ihm etwas zu erzählen. „Nein“, entgegnete Nash letztendlich kopfschüttelnd und stand auf. „Ich glaube, hier bist du im Moment am sichersten“, meinte er noch, während er aus dem Raum verschwand, ihn hinter sich herwinkend. „Am sichersten? Was meinst du damit?“, rief Joel ihm nach, bekam aber keine Antwort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)