Zwischenblut von Kouichi ================================================================================ Kapitel 84: Victoires letzter Wunsch ------------------------------------ Victoires letzter Wunsch In den nächsten Tagen suchte Cloud heimlich und unbemerkt von seinen Leuten alle Adressen derer Familien heraus und schrieb sie sich auf ein langes Blatt Pergament. Als er damit fertig war, holte er sich einen weiteren gewaltigen Stapel mit Anträgen seiner Leute hervor, die er noch bearbeiten musste. Er hatte jedoch vor, gleichzeitig die einzelnen Adressen abzusuchen, die alle zum Glück in Berlin lagen. Er suchte mit seiner Aura seine Großmutter und als er sie gefunden hatte, erklärte er ihr in Gedanken seinen Plan. Sie erklärte sich dazu bereit, seine Leute auf Trab zu halten, damit er nicht gestört wurde. Als Cloud auch das erledigt hatte, wandte er wieder die Fingerzeichen an und schuf seinen Doppelgänger. Gleich darauf setzte kurz das Schwindelgefühl ein, das ihm immer noch ab und zu überkam, wenn er diese Technik einsetzte, doch es ließ umso schneller nach, umso öfter er die Technik benutzte. Er kleidete seinen Doppelgänger in ganz normale Alltagskleidung eines Jungen ein. Ein warmer Winterpullover, eine Jeans, Winterstiefel und ein schwarzer Wintermantel. Dazu reichte er seinem Doppelgänger noch sein Portmonee, in dem sich noch etwas Geld und seine Monatsmarke für Bus und Bahn befand. Dann bildete sich um den Doppelgänger ein Wirbel aus Schnee und im nächsten Moment war er verschwunden. Einen Moment später tauchte er in seinem Zimmer zuhause auf. Es war dunkel und einen Moment später schoss es ihm siedendheiß durch den Kopf, wie viel Glück er gerade gehabt hatte, dass er nicht eines der Dienstmädchen beim putzen überrascht hatte. Mit diesen Gedanken verließ er sein Zimmer und ging hinunter ins Wohnzimmer, dass verlassen war. Cloud konnte niemanden spüren, außer einem Dienstmädchen, dass sich unten im Keller in der Waschküche befand. Er verließ das Haus und ging eilig zur Bushaltestelle. Er musste allerdings ein wenig warten, bis der überheizte Bus an die Bushaltestelle fuhr und Cloud endlich in diesen einsteigen konnte. Er setzte sich in die letzte Reihe und sah aus dem Fenster. Da fiel ihm sein Spiegelbild in der Fensterscheibe des Busses auf, dass sich nur schwach widerspiegelte. Er blickte sich selbst ins Gesicht und da fiel ihm auf, dass sein rechtes Auge keine Iris hatte. Cloud legte die Hand auf eben besagtes Auge, schuf sich eine Kontaktlinse aus Eis und setzte sie sich auf das Auge. Sie saß sofort und als er nochmal in das schwache Spiegelbild sah, sah wieder alles vollkommen normal aus. Als er nach einer gefühlten Ewigkeit in Berlin ankam, setzte er seinen Weg fort und seine Beine führten ihn direkt zum Haus der Familie Winter. Er klingelte jedoch nicht, sondern ging in die schmale Gasse, die an dem Haus grenzte und von der er aus nicht mehr zu sehen war. Er blickte sich rasch um und als er niemand erblickte, warf er sich den Mantel der Schatten um und kletterte die Wand hoch und sprang auf den kleinen Balkon, der an Matts Zimmer grenzte. Er konnte direkt in ihr Zimmer blicken und sah, dass sich Matt dort mit einem großen, dunkelhäutigen Mädchen unterhielt. Das dunkelhäutige Mädchen erhob sich und Cloud konnte hören, wie sie Matt bat, die Tür nur für fünf Minuten öffnen zu dürfen. Matt nickte und das andere Mädchen, das offenbar eine ihrer Freundinnen war, ging zur Glastür, vor der der unsichtbare Cloud stand und öffnete sie. Sie drehte sich von der Glastür weg und ging wieder zurück zu Matt, die auf einem Bürostuhl an ihrem Schreibtisch saß. Cloud selbst betrat währenddessen Matts Zimmer und stellte sich in eine Ecke neben ihrem Bett, von der er hoffte, dass keines der Mädchen in diese gehen würde. Er horchte auf, als sich die beiden Mädchen wieder anfingen zu unterhalten. „Nun sag schon. Was ist mit deinem Freund aus dem Schwimmbad? Ich hab ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!“, sagte Matts Freundin und grinste. Matt musste auch grinsen. „Ach du meinst Cloud. Er geht auf ein Internat in Frankreich. Er kann nur in den Ferien heim kommen“, erwiderte Matt, wandte sich ihrem eingeschalteten Pc zu und öffnete dort einen Ordner mit Bildern. Cloud konnte von seiner Ecke aus sehen, dass auf einigen der Bilder Matt mit ihren Freundinnen zu sehen war, aber auf manch anderen war auch er selbst zu sehen. Als er einen Blick auf das Gesicht von Matts Freundin kam, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. „Und, habt ihr schon...?“, fragte sie mit einem gespielt unschuldigen Blick. Sofort drehte sich Matt ihrer Freundin zu und Cloud konnte deutlich den erschrockenen und teils auch überraschten Gesichtsausdruck in ihrem Gesicht sehen. „Charlotte, nein, wir haben noch nicht.“ Auf Charlottes Gesicht breitete sich Enttäuschung aus. „Dann beeil dich, sonst wirft sich noch eine andere an ihn. Er ist ja nicht gerade einer von der hässlichen Sorte. Hast du gesehen, wieviele Mädels ihm auf den Hintern geschaut haben?!“, sagte sie und grinste. Sofort wurde Matt purpurrot und sie quiekte: „Charlotte! Ich kann mich ihm doch nicht so einfach an den Hals schmeißen!“ Doch Charlotte winkte ab und auf ihrem Gesicht bildete sich nun ein durchtriebenes Lächeln. „Ach meine Süße. Wenn du ihm nicht zeigst, wo deine Reize sind, wird er sich irgendwann einer anderen zuwenden. Zeig ihm, dass du ihn willst. Spiel ein wenig mit deinen Reizen.“, sagte sie und fing an an Matts Haaren herum zu spielen. „Aber ich kann doch nicht. Ich bin doch nicht so ein billiges etwas wie dieses Miststück, die mit Siegfried auf der Animecon rumgemacht hat!“, erwiderte Matt und wurde, wenn es noch möglich war, noch eine Spur röter. Charlotte schüttelte den Kopf und verfiel weiter ins Schwärmen. „Hast du mal die Bauchmuskeln deines Freundes gesehen? Würde mich nicht wundern, wenn er dafür jeden Tag in irgendeinem Trainingscenter ist. So wie er Katzuhiro geknebelt hat, würde ich ihm zutrauen, dass er den schwarzen Gürtel hat“, sagte sie und grinste, als sie sich erinnerte. Auch Matt fing an zu grinsen. „Ja, die hab ich gesehen. Oh Gott, wenn ich nur daran denke, wird mir ganz heiß. Aber wenn du ihn mal siehst, erwähne das ihm gegenüber auf keinen Fall. Ich sehe nämlich immer noch den putzigen, kleinen Jungen in ihm, der er vor so vielen Jahren war. Wenn ich dann immer diesen gutaussehenden, durchtrainierten Cloud vor mir sehe, würde ich am liebsten gleichzeitig in Ohnmacht fallen und ihm schreiend um den Hals fallen“, sagte sie und wurde knallrot. Charlotte lachte. „Kann ich mir gut vorstellen. Als ich ihn im Schwimmbad gesehen hatte, dachte ich, ich würde vor innerer Hitze verglühen, so heiß war er. Und in seiner Hose scheint ja auch einiges zu sein, so stark wie die ausgebeult war. Lässt er da mal irgendwelche Zahlen fallen?“, fragte Charlotte und setzte sich auf das Bett, neben dem Cloud stand. Er selbst hörte amüsiert dem Gespräch zu. Worüber sich Mädchen unterhielten, wenn Jungs gerade nicht in Sicht waren. Er würde dieses Gespräch in jeder Einzelheit an seinen Bruder weiterleiten. Matt schwankte leicht mit dem Kopf und erwiderte: „Ich glaub, er meinte mal sowas, dass er stolz auf seine Manneskraft ist. Aber er und sein Bruder streiten auch öfters spaßhaft darüber, wer nun den Größten habe. Kerle halt! Aber manchmal finde ich sein leichtes Machogehabe echt niedlich.“ Charlotte hob interessiert die Augenbraue, was wohl als Frage ausreichte, denn Matt fuhr fort: „Ja, ja. Cloud ist ein kleiner Macho, aber im positiven Sinne. Seine Familie legt auch wirklich großen Wert darauf, dass er sich immer von seiner besten Seite zeigt. Stell dir vor, er hat mich sogar dazu eingeladen, Silvester bei ihm zu verbringen.“ Charlottes Augen wurden groß wie Diamanten und fingen genauso an zu leuchten. „Echt? Dann vergiss aber nicht mir alles ganz genau zu berichten, wie es war. Ich will alle Details, auch die Schmutzigen!“, sagte Charlotte und ihr Grinsen nahm nun einen durchtriebenen Ausdruck an. „Charlotte!“ schrie Matt, doch weiter kam sie nicht, denn in Charlottes Hosentasche klingelte es. Sie griff in diese hinein und zog ein Smartphone heraus. Sie entschuldigte sich mit einem Blick bei Matt und nahm dann den Anruf an. Nach einer Minute beendete sie das Gespräch und seufzte. „Meine Mutter. Sie will, dass ich auf meine kleine Schwester aufpasse, weil sie gleich zum Yoga geht! Sorry, meine Süße, aber ich muss los!“, sagte sie , erhob sich vom Bett und gemeinsam verließen die beiden Mädchen das Zimmer. Cloud war froh darum, denn viel länger hätte er sich das Lachen nicht verkneifen können. Er atmete ein paar Male tief ein und aus, worauf seine Aura kurz aufflackerte, jedoch fast sofort wieder erlosch. Er wartete, bis Matt wieder zurück durch die Tür kam und diese schloss. Sobald die Tür ins Schloss gefallen war und Matt der Tür den Rücken zugedreht hatte, sprang Cloud leichtfüßig über das Bett und lehnte sich gegen die Tür. Er strich sich den Mantel der Schatten ab und sagte: „Interessantes Gespräch!“ Matt blieb abrupt stehen. Sie drehte sich langsam um und starrte Cloud wie ein Alien an. „Seit wann bist du schon hier?“, fragte sie stockend und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. Cloud trat ein paar Schritte vor, beugte sich vor und setzte seine Hände auf die beiden Lehnen des Stuhls. So konnte er Matt frontal ins Gesicht sehen. „Seit deine Freundin die Schiebetür geöffnet hat. So bin ich reingekommen. Ich muss schon sagen, dass ihr Mädels ziemlich interessante Gesprächsthemen habt, vor allem, wenn ihr keine Jungs seht!“, sagte Cloud und er musste unweigerlich grinsen. Matt wurde rot und sie sah Cloud wütend an. „Belauscht du immer die Gespräche von anderen Leuten?“, schnappte sie. Cloud grinste noch eine Spur breiter und er erwiderte: „Nur von denen, die es auch wert sind! Und ihr beiden ward es!“ Matt bließ die Backen auf und sah demonstrativ in eine andere Richtung. „Was willst du hier?“, fragte sie ein wenig eingeschnappt und verschränkte die Arme. Für Cloud sah sie noch süßer aus, wenn sie so schmollte und versuchte ihm die kalte Schulter zu zeigen. Er legte Daumen und Zeigefinger an ihr Kinn und drehte es ein wenig zu sich herum, so dass sie ihm wieder in die Augen sehen musste. Dann überwand er die letzten Zentimeter zwischen ihnen und küsste sie. Sie erstarrte für einen Augenblick, doch dann lehnte sie sich in den Kuss und fing an ihn zu erwidern. Clouds Hand wanderte in ihren Nacken und fing an sie dort leicht zu massieren, was Matt leicht aufseufzen ließ. Nach einer gefühlten Ewigkeit trennten sie sich und Cloud stellte mit Zufriedenheit fest, dass Matt rot geworden war. „Ich hab dich vermisst! Deshalb bin ich hier!“, sagte er und küsste sie noch einmal kurz. Matt löste sich aus dem Kuss und sah ihn verlegen an. „Warum glaub ich dir das nicht so ganz? Du führst doch wieder etwas im Schilde!“, sagte sie und lächelte ihn an. Cloud griff sich mit gespielter Bestürzung an die brust, doch dann lächelte auch er. „Du hast mich ertappt! Ich hab vor ein paar Ziele anzufahren, die hier in der Stadt liegen“, sagte Cloud und setzte sich auf das Bett. Matt sah ihn ein wenig irritiert an. „Und wie kann ich dir dabei helfen?“, fragte sie ihn. Cloud kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. „Ich weiß leider nicht den kürzesten Weg zu den Personen! Könntest du mir dabei helfen, mir eine entsprechende Route heraus zu suchen?“, bat Cloud seine Freundin. Matt nickte und erwiderte: „Hast du ein Glück, dass wir das erst vor kurzem im Deutschunterricht hatten. Alexander hatte uns die Hausaufgabe gestellt, dass wir eine Wegbeschreibung zu mehreren Zielen schreiben sollen. Ich hab hier irgendwo noch einen Stadtplan, den ich für die Hausarbeit benutzt habe!“ Sie erhob sich und ging zum Regal, dass genau gegenüber ihres Bettes stand. Sie zog zwischen zwei alt aussehenden Ordnern einen Stadtplan hervor, entfaltete ihn und legte ihn auf den Boden. Cloud beugte sich zu ihr herunter und holte die Liste heraus, auf der alle Adressen standen. Er legte sie neben den Stadtplan und Matt las sie sich durch. „Du meine Güte! Das sind nicht gerade wenige. Das müssen so ungefähr hundert Adressen sein!“, sagte sie und fuhr mit dem Zeigefinger über die vielen Adressen. Cloud nickte und gemeinsam fingen sie an die Adressen mit Stecknadeln zu markieren, die Matt aus einer Schublade gekramt hatte. Selbst gemeinsam dauerte es mehr als eine Stunde, bis sie alle Adressen markiert hatten. Danach setzten sie sich an den Pc und Matt suchte sich auf der Hauptseite der Berliner Verkehrsgesellschaft, kurz BVG, die besten Verbindungen heraus. Als sie damit fertig waren, sagte Matt: „Das schaffst du aber nicht alles an einem Tag. Ich denke, dass du dafür zwei Tage brauchst!“ Cloud nickte und auf sein Gesicht bildete sich ein Grinsen. „Nicht ich, sondern wir! Du kommst mit!“, sagte er und erhob sich. Matt sah ihn einen Moment lang völlig sprachlos an, doch dann fand sie ihre Fassung und auch noch ihre Stimme wieder. „Hey, das kannst du nicht einfach so bestimmen. Was ist, wenn ich heute noch etwas anderes vor habe?!“, sagte sie und erhob sich ebenfalls. Cloud fuhr sich durch die Haare. Damit hatte er nicht gerechnet. „Matt, es ist wichtig, dass du mitkommst! Vertrau mir einfach. Wenn du zu mir kommst, wirst du alles verstehen!“, sagte er und etwas in Clouds Stimme ließ sie aufhorchen. Es war keine Anweisung, kein Befehl, sondern eine Bitte. Etwas in dieser Bitte ließ sie ahnen, dass etwas mit Cloud passiert war und das etwas ganz und gar nicht stimmte. Sie atmete einmal tief ein und aus, dann sagte sie: „Gut, ich komme mit, aber dafür erzählst du mir alles. Irgendetwas bedrückt dich und ich will wissen, was es ist!“ Cloud nickte, auch wenn ihm ein wenig mulmig dabei zumute war. „Gut, aber ich werde es dir nur hier erzählen und erst, wenn wir die erste Hälfte der Liste abgearbeitet haben. Lass uns gehen!“, sagte er und mit wenigen Schritten war er wieder auf dem Balkon und sprang auf die niedrige Mauer, die das Grundstück trennte. Er musste nicht lange auf Matt warten. Nur wenige Minuten später verließ sie das Haus und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur ersten Adresse. Es war die Adresse des kleinen Kevin und seiner Mutter Olivia. Als sie nach kurzem Fußmarsch vor dessen Haus standen, klingelte Cloud. Sofort wurde die Tür aufgerissen und Kevin starrte sie an. „Onkel Cloud!“, rief er freudig und rannte nur in Socken nach draußen und umarmte Cloud. Dieser beugte sich zu ihm herunter und erwiderte die Umarmung. „Hey, Großer! Schön dich zu sehen. Komm, lass uns reingehen!“, sagte er und gemeinsam gingen sie zur Tür, wo bereits Olivia auf sie wartete und sie begrüßte. Innen zogen sie sich kurz die Winterkleidung aus und folgten Olivia ins Wohnzimmer. Kevin hielt währenddessen die ganze Zeit Clouds Hand. Sie setzten sich auf eine Couch und Olivia reichte ihnen sofort zwei dampfende Tassen mit Tee. „Was kann ich für dich tun?“, fragte Olivia direkt und setzte sich zusammen mit ihrem Sohn auf die Couch neben Matt. Cloud nahm einen Schluck von dem heißen Tee, dann sagte er: „Ich würde dich gerne einladen Silvester bei mir zu feiern. Wir treffen uns alle auf dem Anwesen meiner Eltern und von dort aus geht’s dann weiter!“ Olivia sah Cloud ein wenig irritiert an. Kevin sprang währenddessen auf Clouds Schoss und fragte: „Wohin geht es dann weiter?“ „Weiter. Wohin, dass wirst du dann sehen!“, erwiderte Cloud. Olivia sah Cloud fragend an, dann blickte sie zu Matt, die aber nur leicht den Kopf schüttelte. Auf ihrem Gesicht bildete sich ein leichtes Lächeln. „Wenn du es spannend machen und uns überraschen willst, ist das okay. Wir kommen gerne!“, sagte sie und Cloud erhob sich. Er dankte ihr und verabschiedete sich von ihr und Kevin. Dieser ergriff seine Hand und fragte Cloud: „Du, Onkel Cloud, wo ist denn meine Rennbahn, die du mir versprochen hast?“ Für einen Moment wusste Cloud nicht, was Kevin meinte, aber dann viel es ihm wieder ein. Kevin hatte sich ja während des Trainings an deren Ende Cloud und Léon die drei geheimen Techniken gelernt hatten, seine Rennbahn mehr als redlich verdient. Er beugte sich zu Kevin herab und sagte: „Die hab ich doch schon längst dem Weihnachtsmann gegeben. Du bekommst sie zusammen mit deinen anderen Weihnachtsgeschenken! Wir sehen uns dann!“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und verließ zusammen mit Matt Olivias Haus. Draußen trat Cloud gegen einen der hervorstehenden Steine auf dem Gehweg. Der Stein flog weg und krachte gegen die nächste Wand. „Hey, was hast du denn für eine Laune?“, fragte Matt schockiert. Cloud steckte die Hände in die Taschen seines Mantels und ging weiter. Matt schloss zu ihm auf und versuchte ihm in die Augen zu sehen, als ihr etwas seltsames auffiel. „Hey, was ist mit deinem Gesicht? Es sieht aus, als würde es schmelzen!“, sagte sie erschrocken. Cloud fasste sich ans Gesicht und ertastete sofort eine kalte, glitschige masse. Er konzentrierte sich und sofort verfestigte sich sein Gesicht wieder. „`Tschuldige, aber in dieser Form sollte ich wohl keine heißen Getränke zu mir nehmen! Das muss ich mir merken. Zu deiner anderen Frage, ich hatte das mit Kevins Rennbahn völlig vergessen. Wenn wir wo unbemerkt sind, werde ich schnell nach Hause zurückkehren und Geld holen. Dann können wir auch schnell die Rennbahn holen!“, sagte Cloud leise und sie machten sich auf den Weg zu den anderen Adressen. „Was meinst du damit „In dieser Form“? Drück dich ein wenig klarer aus“, sagte Matt, während sie durch die engenen Gänge wischen den Hausmauern liefen. Cloud legte den Zeigefinger auf den Mund und schaute sich um, ob sie beobachtet wurden, doch es hatte zu schneien angefangen und so waren sie eher schlecht aus den Fenstern heraus zu sehen. Cloud ließ eine Schneewehe aufwirbeln und war verschwunden. Er erschien in seinem Zimmer und merkte durch seine Aura, dass er völlig allein im Haus war. Er holte etwas Geld aus seiner Spardose und verschwand dann wieder, indem er in einen der vielen Schatten versank. Als er wieder vor Matt auftauchte, blickte er in ihr erstarrtes Gesicht. „Was ist?“, fragte er sie und blickte sie fragend an. Sie blickte ihn noch mal an, denn besann sie sich und erwiderte: „Du bist plötzlich in einem Schneewirbel verschwunden. Was kannst du denn noch?“ Cloud musste schmunzeln. Er legte einen Arm um Matts Hüfte und zog sie an sich. „Nur ein paar kleine Tricks. Nichts von Bedeutung! Lass uns gehen“, sagte er und gemeinsam gingen sie zur Bushaltestelle. Matt sah ihn noch immer ein wenig sprachlos an, doch sie hatte keine Möglichkeit, noch etwas zu sagen, denn schon kam ihr Bus und sie stiegen in diesen ein, um zu ihrer ersten Adresse zu fahren. Sie fuhren den ganzen Tag und den nächsten durch die Stadt und als sie am Abend des zweiten Tages von der vorletzten Adressen zurückkamen, gingen sie durch die labyrinthischen Gänge einer Kleingartenkolonie. Sie hatten fast alle Adressen erledigt, jetzt fehlten nur noch Alexander und Sopdu. Sie bogen um eine Ecke und konnten am Ende des engen Weges, der durch riesige Hecken gesäumt wurde, zwei Männer sehen, die miteinander rangelten. Cloud erkannte sofort einen der Männer. Es war Sopdu und er hielt den anderen Mann an der Kehle und schüttelte ihn wie eine Stoffpuppe durch die Luft. Matt japste laut und vernehmbar und schlug sich die Hände vor den Mund. Offenbar hatte sie Sopdu jetzt auch erkannt. Cloud schob sie hinter sich und baute sich vor ihr auf. Auch wenn Sopdu seine Aura verborgen hatte, so wusste Cloud sofort, dass dieser rasend vor Hass war und den Mann am liebsten in seine Einzelteile zerlegt hätte. Der einzige Grund, dass er das noch nicht getan hatte war, dass er jetzt auch Cloud und Matt bemerkt hatte und den Mann in seiner Hand mühelos wegschmiss wie einen Müllsack. Er drehte sich langsam Cloud zu und Matt versuchte sich möglichst klein hinter Cloud zu machen. Dieser wusste, dass seine Freundin in diesem Moment ziemliche Angst vor Sopdu hatte. Sopdu trat einen Schritt weiter und Cloud konnte förmlich die Wellen des Hasses spüren, die von dem älteren Vampir ausgingen. „Keinen Schritt weiter!“, sagte Cloud und er legte so viel Selbstsicherheit in seine Stimme wie nur möglich. Ihm war klar, dass Sopdu viel mächtiger war als er selbst, vor allem, da er nur als Doppelgänger sich an diesem Ort befand. Diesen einen Moment nutzte der Mann aus, denn er klammerte sich an Sopdus Bein und flehte. „Bitte ihn um ein paar Scheine. Wenn nicht für mich, dann für sie!“, flehte der Mann und Cloud konnte selbst auf dieser Entfernung einen schalen Schnappsgestank von dem Mann ausmachen. Sopdu fluchte in einer Sprache, die Cloud stark im alten Ägypten vermutet hatte. Er beugte sich blitzschnell zu dem Mann herunter, packte ihm am Kinn und riss ihn hoch. „Sie Stück Dreck können froh sein, dass Kinder anwesend sind, sonst hätte ich Ihnen hier und jetzt Ihr Herz rausgerissen!“, zischte er. Noch bevor er den Mann weg schleudern konnte, ertönte eine andere Stimme: „Sopdu, es reicht!“ Cloud blickte sich verwirrt um, denn er konnte keine andere Aura spüren und sehen konnte er auch nicht. Erst als er seinen Blick nach oben richtete, erblickte er einen Mann im Licht des Mondes. Dieser Mann war gekleidet in Hemd und Jeans und das war noch nicht einmal das seltsamste. Ihm traten Flügel aus dem Rücken und er sah damit aus wie ein Engel, wie Cloud sie in alten Büchern gesehen hatte. Der Mann stieg vom Himmel und seine Flügel legten sich an ihn und im nächsten Moment trug er einen weißen Wintermantel mit rötlichen Verzierungen. „Du weißt aber schon noch, was dieser Mistkerl dir und Ryan angetan hat? Und den soll ich noch weiter am Leben lassen, sogar jetzt, wo er die Dreistigkeit hat, uns noch anzubetteln?!“, spie Sopdu aus und in seiner Wut flogen ihm Speicheltropfen aus dem Mund. Der Mann, mit dem Sopdu redete, drehte sich dem Mann auf dem Boden zu und jetzt konnte Cloud nur für einen Augenblick sehen, um wen es sich handelte. Es war Alexander, der jetzt auf den Mann herabsah. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, wurde eine kleine Tür, die versteckt in einer der großen Hecken sich befand, aufgestoßen und eine Frau Mitte 50 kam in nichts weiter als einem alten, rosa Flanellmorgenmantel und puscheligen Pantoffeln heraus geschritten. „Du meine Güte. Was ist das für ein Herrgottlärm um diese Zeit?“, fragte sie und nahm gleich drauf einen Zug von ihrer Zigarette, die sie in der rechten Hand hielt. Cloud sah von der Frau in dem Morgenmantel zu Sopdu und Alexander, die sich jetzt beide der Frau zuwandten. Alexanders Gesicht wurde weißer als der Schnee, der auf den Hecken lag, während Sopdus Gesicht vor Zorn zu kochen schien. Er stürzte auf die Frau zu und Cloud wusste im Bruchteil einer Sekunde, dass das kein gutes Ende nehmen würde. Er stürzte auf die Frau zu und da er näher an ihr war, erreichte er sie auch als erster. Er stieß sie durch die Tür und Sopdu krachte mit voller Wucht gegen ihn. Er fauchte Cloud an und in seiner Wut schien er größer zu sein als üblich. Er versuchte durch das Tor zu kommen, doch Cloud stieß ihn davon weg und versperrte ihm den Weg. „Warum kümmerst du dich um dieses Pack? Sie haben den Tod verdient!“, spie Sopdu aus und in seiner Wut fingen seine Augen rot an zu glühen. Cloud schüttelte den Kopf. „Wer sie auch sind und was sie auch getan haben. Den Tod hat niemand verdient. Selbst wenn hinter dieser Tür Voldemort persönlich stehen würde, würde ich dich nicht durchlassen, um ihn zu töten. Egal was diese Person getan hat, es gibt doch sicherlich eine andere Lösung als Mord!“, sagte Cloud und baute um sich eine Eismauer auf. Sopdu spuckte aus und fletschte die Zähne. „Ich hab Voldemort nie gesehen, dieser Mann dort hinten und diese Frau hinter der Tür haben beide den Tod verdient! Und ich werde dafür sorgen, dass sie diesen heute auch bekommen!“, spie Sopdu aus und fegte mit seiner Aura die Eismauer weg. Diese barst und Cloud schuf sich ein Schwert aus seiner Aura, als auch eines in Sopdus Hand erschien. „Ich weiß nicht, was diese Personen getan haben, aber wenn du ihren Tod willst, dann warte doch einfach die paar Jahre. Irgendwann sterben sie doch so oder so!“, versuchte Cloud an Sopdus Vernunft zu appellieren. Auf Sopdus Gesicht bildete sich ein hasserfülltes Grinsen. „Das reicht mir aber nicht. Diese beiden Menschen haben Alexander und Ryan regelrecht terrorisiert. Dafür müssen sie büßen und selbst du wirst das nicht verhindern können. Jetzt tritt aus dem Weg oder ich räum dich fort!“, schrie Sopdu und schwang sein Schwert. Cloud konterte, aber er merkte schnell, dass Sopdu viel geschickter mit dem Schwert war. Dieser drängte ihn immer weiter zurück und als Cloud einen Ausfallschritt machen musste, um nicht hinzufallen, schlug Sopdu ihm das Schwert aus der Hand. „Das wars!“, spie er aus und hielt seine flache, schwertlose Hand auf Clouds Brust. Sofort erschien eine durchsichtige Kugel zwischen ihm und Cloud. „Tu das nicht! Du zerstörst die ganze Kolonie!“, schrie Alexander, der sich Matt gegriffen hatte und sie hinter sich versteckt hielt. Doch er hätte auch mit einer Wand reden können, soviel hörte Sopdu ihm zu. Die durchsichtige Kugel tauchte in Clouds Körper ein und im nächsten Moment wurde sein Körper gleißend weiß. Den Bruchteil einer Sekunde später explodierte Clouds Körper mit der Sprengkraft einer kleinen Bombe. Als Cloud die Augen wieder aufschlug, saß er in der Bibliothek und erledigte seinen letzten Aufsatz. Er hatte sich aber gleichzeitig durch seinen Doppelgänger mit Sopdu duelliert. Jetzt war sein Doppelgänger zerstört und er musste so schnell es ging zu Matt, um nach ihr zu sehen. Er räumte seine Sachen zusammen in seine Tasche, tauchte in den nächstbesten Schatten und tauchte in einem der vielen Aufenthaltszimmer seines Schlosses wieder auf, wo er die Aura seiner Großmutter und die des Dämons spürte. „Ich muss nach Deutschland. Dort ist etwas passiert“, sagte er und gemeinsam mit Nurarihyon tauchte er in einen der Schatten. Als er wieder aus dem Schatten trat, stand er vor einem Schlachtfeld. Die Hecken waren zu beiden Seiten weggesprengt worden. Der Weg war über und über mit einer Unmenge an Eis und Schnee bedeckt. Matt schrie nach Cloud. Sie wurde noch immer von Alexander festgehalten. Sopdu lag auf dem Boden und wurde von Thomas, Clouds Vater, dort mit seiner Aura festgehalten. Nuraihyon ließ ein Pfeifen vernehmen, als er sich das Schlachtfeld ansah. Cloud ignorierte ihn und rannte zu Matt, die auf dem Boden kniete und in Tränen zerfloss. Er schloss sie in die Arme und sofort versteifte sich ihr ganzer Körper. „Cloud?“, stammelte sie weinend und verwirrt. Cloud strich ihr über den Rücken, antwortete ihr aber nicht. Sie drückte ihn weg von sich und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Dann sah sie auf und blickte Cloud direkt ins Gesicht. „Aber du...Sopdu...die Explosion!“, stammelte sie und deutete auf die Stelle, wo Clouds Doppelgänger explodiert war und dann auf Sopdu. Noch bevor er etwas sagen konnte, stieg seine Mutter aus einem der Schatten und bei ihrem Gesichtsausdruck hätte er am liebsten das Weite gesucht, wenn er es gewesen wäre, auf den seine Mutter sauer gewesen wäre. So war er aber ziemlich erleichtert, als er sie sah. Noch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, waren schon von weitem Polizeisirenen zu hören. Béatrice warf ihrem Mann einen Blick zu und dieser nickte. Er beugte sich zu Sopdu herunter und half ihm unsanft auf die Beine. Béatrice sah zu ihrem Sohn herüber und Cloud verstand dies als stumme Anweisung seiner Mutter. Er ließ leicht sein Handgelenk kreisen und durch seine Aura bildete sich ein eisiger Wind, der um sie fegte und den Schnee aufwirbelte, so dass dieser sie verdeckte. „Du nimmst bitte Matt! Wir treffen uns in unserer Villa!“, sagte Béatrice zu Alexander, der zustimmend nickte. Alexander nahm Matt auf die Arme und seine Flügel fuhren wieder aus. Er hob vom Boden ab und die Familie zu Wallenstein versank mit Sopdu zusammen in den Schatten. Als sie unter einem schneebedeckten Baum im Garten der Villa wieder auftauchten, kämpften sie sich durch die Schneemassen, die den Garten bedeckten. Als sie an der Haustür angekommen waren, schloss Thomas die Tür auf und sie betraten einer nach dem anderen die Villa. Wobei Sopdu noch immer von Thomas fest am Arm gehalten wurde. Auch die anderen streiften sich die Schuhe ab und sie gingen ins Wohnzimmer, dass stockfinster war. Béatrice schaltete das Licht an und sie setzten sich auf die Couch, wobei Thomas Sopdu auf den einzigen Sessel verfrachtete. Dann setzte er sich ebenfalls und sagte: „Ich hoffe, dir ist bewusst, welchen schwerwiegenden Fehler du heute begangen hast. Du hast nicht nur meinen Sohn angegriffen, sondern du hast auch zugleich einen Angriff auf uns, die Königsfamilie begangen. Als wäre das nicht genug, hast du auch noch eine unter unserem Schutz stehende Person in Lebensgefahr gebracht. Hinzu kommt, dass du wissentlich und willentlich den Tod von über hundert Menschen in Kauf genommen hast. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Sopdu schluckte. Er faltete die Hände zusammen wie zum Gebet. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch in diesem Moment landete ein Schatten vor dem großen Fenster und Cloud erhob sich. Er wusste, dass es Alexander und Matt waren, denn er erkannte Matt an ihrem Geruch. Er öffnete die Glastür und ließ sie hinein. Matt zitterte so stark, dass Cloud sie stützen musste, ansonsten hätten ihre Beine sie nicht mehr getragen. Er brachte sie zur Couch und setzte sie vorsichtig auf diese ab. Dann ging er schnell in die Küche, suchte sich einen der vielen Teesorten seiner Mutter aus dem Schrank und kochte Matt und den anderen erst einmal jeweils einen Tee. Als der Tee fertig war, nahm er die vollen Tassen und trug sie ins Wohnzimmer. Er stellte vor jede eine Tasse ab und drückte Matt die ihre direkt in die Hand. Ihre Finger umklammerten die Tasse wie einen Rettungsring. Die Stille wurde erst von Sopdu unterbrochen, der sagte: „Du kannst das nicht verstehen. Diese Menschen haben den Tod verdient!“ Cloud stockte bei dem Versuch, einen Schluck aus seiner Tasse zu nehmen. Thomas sah Sopdu aufmerksam an und erwiderte streng: „Warum haben diese Menschen den Tod verdient. Erkläre dich!“ Sopdu nahm einen Schluck aus seine Tasse, dann sagte er: „Nicht alle. Nur dieser zwei. Der Mann, der um Geld bettelte und die Frau in dem Morgenmantel. Cloud hat sie auch gesehen!“ Cloud nickte. „Das stimmt, aber warum wolltest du sie töten? Es waren noch nicht einmal Zauberer“, sagte Cloud und warf Sopdu einen taxierenden Blick zu. Sopdu wechselte einen Blick mit Alexander. Dieser wurde noch eine Spur weißer im Gesicht und er umklammerte seine Tasse so fest, dass diese zu knirschen begann. „Weil sie meine Erzeuger sind!“, sagte er so leise, dass Cloud es fast nicht verstanden hätte. Alle wandten sich Alexander zu, der hinter Sopdu trat und ihm die Hand auf die Schulter legte. Cloud und Matt starrten Alexander sprachlos an. Béatrice war die Erste, die ihre Sprache wiederfand. „Warum wollte Sopdu sie töten? Was haben sie getan?“, fragte sie und ihr Blick war nun auf Alexander geheftet. Beide, Alexander und Sopdu, tauschten einen Blick. Dann antwortete Alexander: „Es reicht, wenn ich sage, dass ich und mein Bruder eine schwierige Kindheit hatten und sie der Hauptgrund dafür waren.“ Sopdu knirschte mit den Zähnen und er fing an, seine Teetasse in den Händen zu drehen. Béatrice sah Alexander musternd an. „Wenn du nicht darüber reden willst, dann sei es so. Wenn Sopdu diese Menschen getötet hätte, hätte er sich uns gegenüber erklären müssen. Er ist zwar ein unabhängiger Vampir, jedoch lebt er in unserem Reich und wir dulden keine Morde an irgendjemanden, seien es normale Menschen oder Zauberer. Nun ist aber erschwerend dazu gekommen, dass Sopdu unseren Sohn angegriffen und es billigend in Kauf genommen hat, dass er schwer verletzt und eine Schutzbefohlene von uns sogar getötet wird. Dafür wird und muss er die Verantwortung übernehmen. Wir können das hier und jetzt regeln, oder wir werden ihn offiziell anklagen. Aber dann wird es nicht gut für ihn ausgehen, soviel ist sicher!“, sagte Béatrice und erhob sich. Sopdu schluckte. „Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe, aber ich bereue nicht, dass ich diese Menschen töten wollte. Jedoch bereue ich, euren Sohn angegriffen zu haben. Regeln wir das hier und jetzt!“, sagte Sopdu und seine Stimme bröckelte zum ersten mal seit Jahrzehnten. Thomas erhob sich ebenfalls und beriet sich dann mit seiner Gattin in Gedanken. Währenddessen gingen sie im Wohnzimmer umher. Als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder setzten, ergriff Thomas das Wort. „Sopdu, du kennst das Gesetz. Du warst der Erste, den ich zu einem Vampir gemacht habe und du kanntest die Bedingung, unter der ich dich zu einem Vampir gemacht habe. Jetzt ist es an der Zeit, dass das Gesetz richtet, dem du dich damals unterworfen hast. Unser Urteil lautet wie folgt. Du wirst in erster Instanz Clouds Institution zur Unterstützung eine Summe von 10 Milliarden Euro zukommen lassen. In zweiter Instanz wirst du Matt in jedweder Sache finanziell unterstützen. Dass heißt, will sie studieren, wirst du das finanzieren und alle anderen Kosten übernehmen. In der dritten Instanz werden wir dem Gesetz folgen. Du weißt, was das bedeutet“, sagte er und drehte sich dann Cloud zu. Auch alle anderen im Raum sahen Cloud an. Jedoch noch bevor Cloud etwas sagen konnte, fragte Matt mit erstickter Stimme: „Was bedeutet das alles? Ich versteh überhaupt nichts mehr. Was meint ihr mit Clouds Institution und warum ist er jetzt hier neben mir, wo Sopdu ihn doch mit diesem Ding, diesem Ball, zerstört hat?! Und was ist die dritte Instanz?“ Aus ihren Augen traten Tränen und sie vergrub den Kopf in den Händen. Cloud legte den Arm um sie und drückte sie an sich. Seine Mutter holte eine Packung Taschentücher und reichte sie Matt. „Ich weiß, dass das sehr schwer für dich sein wird, aber du musst verstehen, dass wir unsere eigenen Gesetze haben, an die wir uns alle halten müssen. Cloud wird dir jetzt erklären, was wir mit der dritten Institution meinen“, sagte Béatrice und zog eines der Taschentücher aus der Packung. Sie drückte das Taschentuch in Matts zitternde Hände. Diese tupfte sich langsam über das Gesicht und schniefte leicht. Als sie sich wieder beruhigt hatte, fragte Cloud: „Geht´s wieder? Wenn dir das zuviel ist, kann ich dich auch nach Hause bringen und wir sprechen ein anderes mal darüber.“ Matt nahm noch einen zögerlichen Schluck von ihrem Tee, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Als ich mich damals entschied, dein Geheimnis anzunehmen, wusste ich irgendwie, dass da noch mehr auf mich zukommt! Ich will es wissen, bitte“, sagte sie mit noch etwas zittriger Stimme. Cloud nickte, dann sagte er: „Meine Institution ist etwas, dass Léon und ich in England errichtet haben. Wir werden es dir zeigen, wenn du Silvester zu uns kommst. Sopdu hat nicht wirklich mich zerstört, sondern nur meinen Doppelgänger, den ich erschaffen habe. Laut unserem Gesetz besagt die dritte Instanz, dass der, der angegriffen wurde, selbst noch wählen kann, was ihm der Andere als Wiedergutmachung leisten muss. Das kann von einer Geldsumme bis zur ewigen Gefolgschaft alles sein.“ Matts sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Sopdu holte pfeifend Atem und krallte sich so stark in die Polster seines Sessels, dass das Futter heraus zu quellen drohte. Cloud überlegte sich ganz genau, was er von Sopdu verlangte. Er konnte die ganze Sache nicht einfach so im Sande verlaufen lassen. Dagegen sprach das Gesetz und auch sein Vater würde das nicht gutheißen. Cloud räusperte sich und damit sicherte er sich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden im Raum. „Nun, als dritte Instanz fordere ich von Sopdu das Erlenen der Technik, mit der er mich geschlagen hat!“, sagte er und alle im Raum starrten ihn an. Cloud blickte Sopdu einen Moment lang an, dann sah er, wie diesem buchstäblich eine zentnerschwere Last von den Schultern fiel. Er nickte und fragte: „Wann willst du sie erlernen?“ Cloud zog aus seiner Hose einen Umschlag und legte ihn vor Sopdu auf den Tisch. „In dem Zeitraum, in dem du und Alexander bei mir Silvester feiern werdet. Dies ist eure Einladung!“, sagte er und deutete auf den Umschlag. Sopdu saß wie erstarrt da. Alexander nahm den Umschlag vom Tisch, öffnete ihn und las ihn sich durch. „Nach allem, was passiert ist, willst du immer noch uns...?“, fragte Sopdu. Er schaffte es nicht, das letzte Wort auszusprechen. Das war jedoch auch gar nicht nötig, denn jeder wusste, was gemeint war. Cloud nickte und erwiderte: „Dieser Zwischenfall hat meine Meinung nicht geändert. Wir beide, dass heißt Léon und ich, würden uns freuen, dich und Alexander bei uns als Gäste begrüßen zu dürfen!“ Sopdu schluckte. Dann erhob er sich und verbeugte sich vor Cloud. Noch bevor er oder Alexander etwas sagen konnten, ergriff Béatrice das Wort. „Da diese Angelegenheit erledigt ist, wäre es das Beste, wenn wir diese Versammlung hiermit auflösen“, sagte Béatrice und alle erhoben sich. Alexander und Sopdu waren die Ersten, die zur Tür gingen. Cloud bat auf den Weg zur Haustür seinen Vater, ob er ihn und Matt in die Stadt und zu Matt nach Hause fahren könnte. Thomas willigte ein, dann verabschiedeten sie Sopdu und Alexander und gingen in die Garage, wo sich Cloud von seiner Mutter verabschiedete. So brachten Thomas und Cloud Matt zurück zu ihren Eltern. Als sie beide wieder ins Auto stiegen, sagte Thomas: „Das, was du da vorhin getan hast, hat ware Größe gezeigt. Du hättest Sopdu für immer an dich binden können, jedoch hast du das nicht getan, sondern ihm seine Unabhängigkeit gelassen. Dadurch hast du ihm nicht nur seine Ehre, sondern auch seinen Willen erhalten. Das wird Sopdu dir nie vergessen. Diese Summe, die ich für dich festgelegt habe, ist eher ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein für Sopdu. Das tut ihm nicht im geringsten weh. Ich kann jedoch verstehen, dass du die Technik erlernen willst, mit der er dich geschlagen hat. Die hat er selbst entwickelt und er ist sehr stolz darauf. Es wäre jetzt das Beste, wenn du wieder in die Schule zurückkehrst, sonst fällt dein Fehlen noch auf! Wir sehen uns dann in ein paar Tagen!“, sagte er und zog Cloud zu einer Umarmung an sich heran. Cloud erwiderte diese und als er sich von seinem Vater löste, verdunkelte dieser die Scheiben, so dass es im Auto stockfinster wurde und niemand hinein sehen konnte. So konnte Cloud ohne Probleme in den Schatten eintauchen. Als er wieder auftauchte, stand er in seinem, Léons und Kuans Zimmer in Beauxbatons. Kuan saß über den Tisch gebeugt und erledigte seine Hausaufgaben. Als er aufsah, erblickte er Cloud. „Wo warst du denn? Léon sucht dich!“, sagte er und sah Cloud forschend an. Dieser kratzte sich verlegen am Kopf. „Sorry, war kurz zuhause und hab noch Matt besucht!“, erwiderte er, was bei Kuan ein schmutziges Grinsen hervor rief. Cloud fiel das schmutzige Grinsen auf Kuans Gesicht auf. „Es ist nichts passiert. Wo ist Léon jetzt eigentlich?“, fragte Cloud. Kuan seufzte, als wäre er ein wenig enttäuscht. Dann sagte er: „Er ist drüben auf der Black Pearl. Er muss einiges mit dir besprechen!“ Cloud nickte und sofort bildete sich um ihn ein Wirbel aus Eis und Schnee. So tauchte er in den Schatten ein und tauchte nur einen Moment später vor der Black Pearl auf, die noch immer am Rand des großen Sees angetaut war. „Erbitte Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen!“, rief er laut. Jedoch antwortete niemand. Stattdessen bildete sich neben ih eine Säule aus Wasser, aus der Léon eine Sekunde später erschien. „Wird auch langsam Zeit. Wo warst du denn so lange? Hab dich überall gesucht, konnte aber nirgendwo deine Aura spüren!“, sagte Léon und stemmte mit gespielt wütender Miene die Hände in die Hüften. Cloud zuckte mit den Schultern. „Das ist eine lange Geschichte!“, sagte er, doch noch bevor er weiter erzählen konnte, unterbrach ihn sein Bruder. „Die kannst du mir bei einen guten Bad erzählen. Lass uns in den Raum der Wünsche gehen!“, sagte er und im nächsten Moment waren beide in die Schatten getaucht. Sie tauchten direkt vor dem Raum der Wünsche auf und sobald die Tür des Raums erschienen war, öffneten sie diese und betraten ihn. Sie gingen in die Umkleidekabinen, zogen sich dort aus und wickelten sich jeweils ein Handtuch um die Hüften. Danach verließen sie die Umkleidekabinen und gingen hinüber zu den Duschhähnen, wo sie sich auf kleine Hocker setzten und sich die Haare wuschen. „Jetzt erzähl doch mal. Wo warst du denn?“, fragte Léon, während er sich den Körper einseifte. Cloud spülte sich das Shampoo aus den Haaren, dann sagte er: „Ich war in Deutschland und habe alle Familien meiner Leute zusammen mit Matt besucht. Auch Alexander und Sopdu.“ Jedoch schwieg er, als er Alexander und Sopdu erwähnte. Léon schien dies zu bemerken, als auch er sich die Seife vom Körper wusch. „Was ist los? Irgendwas ist doch passiert“, stellte er fest und erhob sich. Cloud folgte ihm und gemeinsam ließen sie sich in das riesige Becken sinken, dass mit heißem Wasser gefüllt war. Cloud ließ sich ein wenig im Wasser treiben, dann erzählte er seinem Bruder die ganze Geschichte. Kurz bevor er zum Ende kam, bemerkte er, dass das Wasser anfing zu kochen. Er sah zu Léon herüber und sah, dass dieser ebenfalls kochte. Jedoch war es ins Léons Fall eher vor Wut, statt vor Hitze. „Wie kann er es wagen? Der wird was erleben, wenn ich ihn zwischen die Finger bekomme!“, fluchte Léon, ballte die Fäuste und erhob sich. „Beruhige dich! Die Sache ist bereits intern über die drei Instanzen geklärt worden. Er hat mir soweit erklärt, warum er es gemacht hat und da jetzt bereits ein Urteil gesprochen wurde, kannst selbst du nichts mehr machen“, versuchte Cloud seinen Bruder zu beschwichtigen. Léons Wut schien jedoch nicht verraucht zu sein. „Du hast ja keine Ahnung. Ich habe Victoire hier in diesem Raum ein Versprechen gegeben und das werde ich mein Leben lang einhalten!“, sagte er und das Wasser zu seinen Füßen beruhigte sich wieder. Cloud warf ihn einen fragenden Blick zu und wartete, bis sich sein Bruder erklärte. Léons Stimme stockte. „Es war gleich nach unserem Ersten Mal“, sagte er, doch seine Stimme versagte ihm. Stattdessen schuf er durch seine Aura eine Nachbildung dessen, was geschehen war. Am Rand des Beckens, genau zwischen Cloud und dem echten Léon bildeten sich ein aus Wasser gebildeter Léon und eine aus Wasser gebildete Victoire. Beide waren eng aneinander geschmiegt und Cloud konnte erkennen, dass sich beide küssten. Als sie sich lösten, hörte er Victoires Stimme wie aus weiter Ferne. „Das war wunderschön. Léon, ich liebe dich!“, sagte sie und lächelte den Wasser-Léon an. Dieser lächelte zurück und verwickelte sie in einen innigen Kuss. Als sie sich wieder lösten, sagte der Wasser-Léon: „Ich liebe dich auch, meine Süße! Bis in alle Ewigkeit!“ Victoire lächelte ihn an, doch etwas trauriges trat in ihren Blick. Der Wasser-Léon schien dies zu bemerken, denn er fragte: „Was hast du?“ Die Wasser-Victoire versenkte ihren Kopf in Léons Halsbeuge und verharrte dort. Er selbst streichelte über den Rücken, um seiner Liebsten nahe zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit hob die Wasser-Victoire wieder den Kopf. Sie legte ihm den Zeigefinger auf den Kopf, als er etwas sagen wollte. „Ich würde auch am liebsten die Ewigkeit mit dir verbringen, aber...!“, sagte sie, doch sie wurde von dem Wasser-Léon unterbrochen. „Das geht doch ganz einfach. Wenn du 18 bist, verwandle ich dich mit der Erlaubnis meines Vaters in einen Vampir und dann können wir für immer zusammen sein! Wirklich bis in alle Ewigkeit“, sagte er voller Hoffnung. Doch seine Hoffnung wurde ihm zunichte gemacht, als Victoire leicht den Kopf schüttelte. „Bitte verzeih mir, aber Menschen sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Ich will nicht ewig leben. Ich will jedoch mein gesamtes Leben mit dir zusammen leben. Aber eines musst du mir schwören auf alles, das dir heilig ist!“, sagte sie und sah ihn erwartungsvoll an. Léon sah sie geschockt an, doch dann nickte er leicht. „Wenn ich irgendwann sterbe, vergiss mich! Werde mit jemand anderem glücklich!!“, sagte sie. Der Wasser-Léon konnte offensichtlich nicht fassen, was er da gehört hatte. „Ich könnte dich nie vergessen. Du bist mein ein und alles. Ich liebe dich!“, sagte er und drückte die Wasser-Victoire an sich. Diese sah ihn verliebt an und erwiderte: „Ich liebe dich auch, mein Schatz!“ Mit diesen Worten lösten sich beide auf und das Wasser, aus denen sie gebildet worden waren, floss ins Becken zurück. Cloud musste schlucken. Dass hatte er nicht gewusst. Als er zu Léon sah, sah er, dass diesem die Tränen gekommen waren und er versucht, sie vor seinem Bruder zu verbergen. Cloud ging zu ihm herüber und nahm ihn in die Arme. Léon schlang ebenfalls seine Arme um Cloud und flüsterte: „Ich werde dafür sorgen, dass mir niemand irgendwen wegnimmt, der mir etwas bedeutet. Das schwöre ich!“ In seiner aufkeimenden Wut bohrte er seinen verlängerten Fingernägel in die Hüfte seines Bruders. Dieser zuckte zusammen, als er nicht nur den Schmerz in seinen Hüften, sondern auch den aufkeimenden Zorn in seinem Bruder spürte. Er packte dessen Hände und zog sie von seiner Hüfte. „Das ist ja auch gut so, aber deshalb musst du mich noch lange nicht aufspießen!“, sagte er leicht tadelnd und in diesem Moment sah Léon auf. Erst als dieser aufsah, schien er zu bemerken, was er getan hatte. Er sah das Blut seines Bruders, dass sich jetzt mit dem Badewasser vermischte und wich vor ihm zurück. „Tut mir leid! Das wollte ich nicht. Ich war nur so wütend, wegen Victoires Tod!“, sagte Léon und sah nach den Wunden, die sich jedoch schon verschlossen hatten. Cloud nickte und erwiderte: „Ich kann dich vollkommen verstehen. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass uns niemand mehr genommen wird, den wir mögen!“ Mit diesen Worten verließen sie das riesige Becken und trockneten sich in den Kabinen ab. Sie zogen sich wieder an und als sie den Raum der Wünsche verließen, sagte Léon: „Wenn Weihnachten dann alle bei uns sind habe ich eine Überraschung für uns!“ Cloud hob fragend eine Augenbraue, jedoch unterließ er seine Frage, da sein Bruder nur grinsend den Kopf schüttelte. Sie gingen wieder zu ihren Quartieren, wo noch eine Menge Schreibkram auf jeden von ihnen wartete. Ende des 84. Kapitels Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)