Chess von Lydra (Das königliche Spiel) ================================================================================ Kapitel 3: Suspections ---------------------- Dienstag, 19.05.1839 Beatrix Cole war eine starke Frau. Sie hatte weder ihrem Vater noch ihren Schwestern von diesem schrecklichen Tag erzählt. Es waren viele Jahre vergangen. Sie wurde mit einem reichen und vor allem adligen jungen Mann verlobt. Er interessierte sich zwar nicht für sie, sondern eher um die Gunst ihres Vaters, aber das kümmerte sie wenig. Sie hatte viele Affären: Der Chauffeur, der erste den sie verführte, den Kammerdiener, der Stallbursche, der eigentlich noch viel zu jung war und selbst ihr Französischlehrer war ihr Avancen machen machtlos. Beatrix konnte sich gut präsentieren und wusste wie sie mit ihren weiblichen Reizen auch die Männer der gehobenen Gesellschaft verführen konnte. So war es nicht verwunderlich, dass ihr Vater auf einmal unheimlich viele Angebote bekam und dass so viele reiche Industrielle in Richard Coles Kleiderfabriken investierten. Die Familie lebte gut. Aber Beatrix, die in ihrem Wohlstand fast ertrank, fühlte sich einsam. Niemand gab es der sie auch nur annähernd verstand, der ihr half oder sie unterstützte. Einsam und von Gott verlassen häufte sich Jahre lang Wut auf ihren hochnäsigem Vater an. Eine hässlich verbitterte Wut. Und dieser Hass war es der sie einen teuflischen Plan ausdenken ließ. Einen Plan, der ihren eigenen Vater entehren würde und ihn in das Finanzielle tief führen würde. Jahre lang überlegte sie und arbeitete auf das große Finale hin. Doch als sie kurz davor war, ihre Pläne in Taten umzuwandeln, änderte eine schicksalhafte Begegung ihr ganzes Vorhaben. Aber vor allem war es diese Begegnung die ihr Leben zerstörte. „Es kann doch nicht wahr sein, dass ich nicht gegen dieses Mädel gewinnen kann!“, murmelte Matt als er am Abend schon wieder das Wort Loser auf seinem Bildschirm rumtanzen sah. Er erinnerte sich düster, wie es war als ‚Winner’ dort stand. Kam dann ein Kelch oder eine Medallie angehüpft? Fast verzweifelt schrieb Matt an seine Gegnerin: „Das macht dir wohl Spaß?“ Doch sie antwortet nicht. Als Matt schon im Begriff war sich auszuloggen stand auf dem Bildschirm: „Es macht mir Spaß, ja. Und macht es dir Spaß sich an neue Schülerinnen ran zu schmeißen?“ Noch bevor Matt antworten konnte war Black Queen off. Warum hatte er dass Gefühl, dass ein leicht eingeschnappter Ton in dieser Aussage mitschwang? Er mochte Kira. Er konnte nicht erklären warum, aber er mochte sie. Auch wenn sie etwas seltsam war, schließlich schien es am ersten Schultag so als sei sie ein Eiszapfen der noch viele Jahrmillionen zum auftauen gebraut hätte. Und nun? Sie hatte sich in ein Mädchen verwandelt, dass jeden Moment an die Decke sprang. Sie war witzig, offen und neugierig. Kira brachte einfach etwas Abwechslung in Matts Leben und ihm kam das gerade Recht. Als Matt am nächsten Morgen Cal in der Caffetria traf, fragte er ihm gleich ins Gesicht: „Was weißt du über Lya?“ Cal grinste nur hämisch und sagte etwas wie: „Das muss der holde Prinz schon alleine raus finden, wo bleibt da sonst der Spaß?“ und ging fröhlich in die Klasse. Mehr als ihm verwirrt hinterher zu sehen konnte Matt auch nicht. Er konnte sich nicht konzentrieren. Selbst in Mathe war er nicht bei der Sache, wobei dies doch sein Lieblingsfach war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Black Queen einer seiner Klassenkameraden sein sollte. Schließlich deutete alles darauf hin. Am besten – so dachte er sich – geht er in den Schachclub und fragt dort mal nach dem besten Spieler. Aber wie das so ist mit geschlossenen Runden, durfte er nic hat das ‚Schachzimmer’ betreten. „Was muss ich denn tun, um bei euch rein zu kommen?“, fragte Matt, der mittlerweile schon die ganze Pause vor dem Schachzimmer gewartet hatte. „Besieg unsren besten Spieler!“, sagte schließlich die Stimme hinter der Tür. „Gerne!“ Drei Jungen kamen heraus. Sie brachten ein Tisch, ein Spielbrett und die dazugehörigen Figuren. Stühle brachten sie nicht. „Und wo soll ich mich setzten?“, fragte Matt empört. „Auf den Boden. Du musst unserer Königen dein untertänigen Respekt zeigen!“ „Bitte was?“ Doch die Jungen antworteten nicht. „Königin?“, fragte sich Matt. „Hab ich das richtig verstanden? Die wollen mir doch nicht ‚Black Queen’ auf dem Silbertablett präsentieren, oder?“ Doch wer aus dem Schachzimmer heraus kam war nicht die Art von Person die er erwatet hatte. Ganz im Gegenteil: die böse Hexen ähnliche Figur in seinem Kopf verpuffte förmlich und verwandelte sich in ein schüchternes liebes kleines Mädchen: Lya. „Matt? Was machst du denn hier?“, fragte sie geschockt und schaute ihn an. „Das gleiche könnte ich dich fragen. Was soll diese Sache mit ‚unsere Königin’?“ „Ach die Jungs machen nur Spaß…“, Matt merkte, dass er sie in eine sehr unangenehme Lage gebracht hatte und sagte dann: „Na ja, wenn Lya eure beste Spielerin ist brach ich ja Black Queen hier nicht zu suchen…“ „Wie meinst du das?“ „Dich schlag ich doch im Schlaf. Da brauch ich nicht viel nachzudenken.“ Lya schaute ihn an. Ihre Scheu und Angst war wie weggeblasen. Anscheinend hatte Matt gerade einen schlafenden Löwen geweckt und hätte eigentlich wegrennen sollen. „Spielen wir.“ „Ladies first.“, sagte Matt und setzte sich auf den Stuhl der eigentlich für Lya gedacht war. Die Jungen schnauften. „Nein, nein, schon gut. Holt mir einfach noch ein Stuhl.“ Der schwarze König schaute über sein Land. Verwüstung und Kummer machten sich breit. Sein Gegner war sehr stark und nun kurz vor dem Ende schaute er noch mal in den Himmel. Er hätte nicht gedacht, dass er so viele Leute verlieren würde. Vor allem hätte er nicht gedacht, dass so kurz vor einem Schachmatt der Turm überfallen werden konnte. Er hatte versagt, auf ganzer Linie. Die weiße Königin saß triumphierend auf ihrem Thron und lenkte ihre Mächte so gezielt und elegant, dass der König meinte der Leibhaftige würde vor ihm sitzen. Nun war es so weit. Von allen Seiten kamen nun die Angreifer. Seine Männer waren umzingelt oder gefallen. Er selbst hatte nur noch wenige freie Möglichkeiten. Doch was war das, seine Gegnerin schien unaufmerksam. Wenn er nur schaffen könnte… „Schach!“, schrie Lya und grinste wie ein Honigkuchenpferd. „My Lady, ich muss sie leider enttäuschen.“, lächelte Matt, der ganz ruhig auf seinem Stuhl sitzen geblieben war. „Was?“ „Was für Figuren besitzen my Lady noch?“ „Was soll das? Du siehst doch, dass ich nur noch den König und zwei Springer habe.“ „Und welche Figur habt Ihr, eure Majestät, von mir genommen um mich ins Schach zu setzten?“ „Den letzten Bauern?“ „Sehr richtig. Und welche Figuren sind nun noch in meinem Besitz?“ „Naja, der Läufer und der König.“ „Also?“ „Remis!“, schrie einer der Jungen entsetz. „Sehr richtig junger Mann.“, sagte Matt. „Remis?“, fragte Lya erstaunt. „Haben Sie, Verehrteste, die Regeln noch nie gelesen?“ „Doch, natürlich.“ „Ich darf zitieren: Wenn beide Spieler nur noch über die folgenden Figuren verfügen, kann keiner den anderen schachmatt setzten. Das Spiel endet remis: König und ein Läufer, König und zwei Springer, nur der König.“ Damit war das Spiel gelaufen. Matt stand auf, bedankte sich und ging. Er war sich sicher, dass Black Queen niemals mit einem Remis ein Spiel beendet hätte. Wobei, hätte sie nicht mit Absicht so schlecht wie nur möglich gespielt, um den Verdacht umzulenken? Matt entschloss sich Lya noch nicht aus seinem Verdächtigen Kreis zu befreien. Eigentlich schien Lya sogar am verdächtigsten… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)