Wings 1 von Tyra-Leonar ================================================================================ Kapitel 6: Lautlos ------------------ Die Sonne ging bereits unter. Mikan saß an Kains Seite und betrachtete mit ihm den Sonnenuntergang. Sky war nicht einmal in der Nähe. Es war alles sehr schnell gegangen. Kain hatte sie nach einer Unterrichtsstunde abgefangen, während Sky gerade Lennert besucht hatte. Der Prinz war mit ihr zu einer leicht entfernten Wiese geritten. Er hatte alles vorher perfekt vorbereitet und so hatte sie nicht schlecht geschaut, als er sie auf sein Pferd hob und dann hinter ihr aufsaß. Kain stand auf und hielt ihr die Hand hin um ihr aufzuhelfen. Sie nahm sie dankbar entgegen. Der Prinz packte die Sachen ein, oder bekam sie von Mikan abgenommen, die sie dann ihrerseits verstaute. Als die Sonne hinter den Bäumen auf dem nächsten Hügel verschwunden war, traten sie bereits den Rückweg an. Im Schloss hatten sich einige bereits Sorgen um ihre Prinzessin gemacht. Doch die Königin war ruhig geblieben, der Prinz war immerhin bei ihr und Sky war seit seiner Rückkehr von Lennert nicht mehr gesehen worden. Sie glaubte nicht daran, dass er ihre Tochter dieses Mal finden würde. Prinz und Prinzessin ritten gerade auf den Schlosshof, als die Königin gerade auf die Abwehrmauer des Schlosses hinaustrat. Sie winkte ihrer Tochter und sah dann über die dunkle Stadt, die teils erhellt, aber teils auch schon schlafend vor ihr lag. Kain wies einen Burschen an sich um das Pferd und die Sachen zu kümmern und führte Mikan hinein. „Der Abend war wundervoll, Prinz.“ „Das hoffe ich doch. Aber bitte, wir sind allein. Wenigstens jetzt können wir doch diese Förmlichkeit ablegen.“ Sie lachte und legte sich einen Finger an die Lippen. „Die Wände haben hier Ohren, weißt du?“ Kain lachte mit ihr. „Ich habe mir erlaubt dir ein Geschenk aufs Zimmer bringen zu lassen.“ Sagte er, als sie den Gang der Königsgemächer erreicht hatten. „Wirklich? Was ist es?“ fragte Mikan neugierig. „Du siehst es gleich.“ Er öffnete ihr die Tür. Mikan verschlug es den Atem. Ihr ganzes Zimmer war über und über gefüllt mit wunderschönen Blumen. Viele kannte sie gar nicht und sahen exotisch aus. Und inmitten dessen, stand ein hoher Käfig, der vom Boden bis fast unter die Decke reichte. Mikan ging näher heran. Ein wunderschöner kleiner, weißer Singvogel betrachtete sie aus neugierigen Augen. Dann zwitscherte er kurz. Mikan war entzückt. „Oh wie wunderbar. Ich danke Euch... dir.“ Verbesserte sie sich selbst. Kain deutete eine Verbeugung an. „Nichts zu danken. Es war nicht einmal der Rede wert. Ich wünsche euch eine gute Nacht, meine Prinzessin.“ Wie er die letzten Worte aussprach, versetzte Mikas Herz ins rasen. Er verbeugte sich, diesmal ganz und ging dann aus dem Zimmer. Mikan drehte sich noch einmal herum und betrachtete den Vogel. Dann rief sie ihre Zofe indem sie an einer Schnur zog, die zu einer Glocke hinunter in den Bedienstetentrakt führte. Jane war nicht gerade schnell heute. Mikan musste lange warten, bis sie es die Stufen hinauf schaffte. Sie hatte bereits einen passenden Satz für diesen Ungehorsam zurecht gelegt, doch als sie Janes blasses Gesicht sah, fiel ihr nichts mehr ein. „Was ist geschehen?“ Mikan ging bereits auf Jane zu, ehe diese die Tür geschlossen hatte. „Nichts, Prinzessin. Es ist alles gut.“ Jane wendete sich mit schweißbedecktem Gesicht ab. „Möchtet Ihr, dass ich Euch beim entkleiden helfe? Wünscht Ihr ein Bad?“ „Ja... aber kein Bad.“ Mikan sah ihrer Zofe besorgt hinterher. Als diese schwankte und auf die Knie sank, eilte sie zu ihr. Eine Hand von Jane lag auf dem Tisch und zitterte. „Jane, was ist mit dir? Jane kämpfte gegen die Übelkeit an. Erst als es wieder einigermaßen ging, konnte sie wieder sprechen. „Ich bin schwanger, Prinzessin.“ Jane sah zu Mikan auf, in ihrem Blick lag pure Verzweiflung. „Man wird mich hinauswerfen. Ich kann nirgends hin. Der Mann, von dem das Kind ist, wird uns nicht aufnehmen. Er hat andere Pläne.“ Mikan weitete die Augen. „Wer ist es? Ich werde es ihm befehlen!“ Jane sah nur noch verzweifelter aus. „Nein!“ flehte sie „Nein! Bitte tut das nicht. Es wäre eine Schmach und selbst Ihr, denke ich, könnt es ihm nicht befehlen.“ „Kenne ich ihn?“ Jane zögerte. „Ja...“ Mit einem Ruck stand sie auf und schwankte gefährlich, ehe sie sich wieder fing. „Lasst uns doch bitte beginnen.“ Es nützte nichts. Egal wie viel Mikan sie fragte, oder wie geschickt sie vorging, Jane redete kein Wort mehr darüber, wer sie geschwängert hatte. Mikan gab auf. Zur Strafe hätte man der Zofe eigentlich die Zunge herausschneiden müssen, aber was half das? Sie würde dann sogar gar nicht mehr reden. Außerdem tat Jane ihr Leid. Jane bekam ein Kind, das nicht aus Liebe gezeugt worden und ohne Heim war. Jane beeilte sich bei ihrer Arbeit und verließ dann rasch das Zimmer. Mikan warf sich auf ihr Himmelbett und vergrub das Gesicht in den Kissen. Seufzend drehte sie sich nach einer Weile auf die Seite, deckte sich zu und schloss die Augen. Mikans Träume nahmen sie gefangen. Wären diese nicht gewesen, hätte sie sowieso nicht mitbekommen, wie sich jemand zutritt in ihr Zimmer verschaffte und sich lautlos vor ihr Bett setzte. Kain hatte sich bereits selbst entkleidet und genoss das warme Wasser. Sein Blick schweifte durchs Zimmer. Sky hatte er eigentlich nie als Rivalen oder Feind angesehen. Doch diese Situation war neu für ihn. Keine Frau war ihm vorher begegnet, die ihn so gefangen genommen hatte. In seinem jugendlichen Leichtsinn, war er davon überzeugt, dass es früher schon zwischen ihnen dieses Band gegeben hatte, dass er jetzt zu verstärken versuchte. Aber Sky empfand er zunehmend als Störenfried. Er war immer und überall da. Es gefiel ihm nicht, wie Sky die Prinzessin ansah. Manchmal dachte er, Sky würde Mikan wie eine Beute ansehen. Seit dem Ball hatte ihn die Leibgarde der Prinzessin nur noch mit diesem hasserfüllten Blick angesehen. Nichts war mehr zu sehen, von der Freundlichkeit und dem Respekt. Kain hatte Sky früher als eine Art Bruder betrachtet, als einen Freund. Doch heute schallt er sich selbst für seine Dummheit. Sky hatte etwas Unnatürliches an sich, was zum Vorschein kam, wenn er wütend war oder ihm etwas missfiel. Kain nahm sich vor morgen Nachforschungen anzustellen. Wer war Sky? Woher kam er eigentlich? Sein schwarzes Haar deutete auf eine ferne Herkunft hin. Warum behandelte ihn die Königin so eigenartig? Man merkte es an ihrer Art, wie sie die Stimme leicht veränderte, wenn sie mit Sky sprach. Was wusste sie, was sonst hier keiner wusste, oder unter den Mantel des Schweigens gelegt hatte? Er liebte so etwas. Zu gern hätte er Mikan an seinem Spiel beteiligt, doch das hätte diese nicht gut geheißen, dass wusste er. Er lag ihr am Herzen, und das mehr, als es Kain lieb war. Doch er wusste auch, dass die Prinzessin ihn weit aus mehr als mochte. Seufzend legte er den Nacken auf den Wannenrand und sah zur Decke. Er konnte kämpfen keine Frage, doch wie gewann man Gefühle, wenn man kein Schwert dazu benutzen durfte? Er schüttelte leicht den Kopf. Was machte das alles für einen Sinn, wenn man doch nur im Kreis grübelte? Da fiel ihm etwas auf. Er lehnte sich leicht über den Wannenrand und sah genauer hin. Tatsächlich, eine von Mikans Haarschleifen klemmte zwischen Schwert und Waffengürtel. „Ein Wink des Schicksals.“ Sagte er erfreut zu sich selbst und stand auf. Er trocknete sich schnell ab, wobei er eine Wasserspur von der Wanne zu den Handtüchern hinterließ. Schnell kleidete er sich in ein etwas einfacheres Gewand, nahm die Schleife und ging zurück zu Mikans Gemächern. Er klopfte sacht an. Als er keine Antwort erhielt, versuchte er es noch einmal. Sein Eifer stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Und so öffnete er, ohne Antwort. In Mikans Zimmer war es dunkler als in dem durch Fakeln erhellten Gang. Kain brauchte etwas um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Doch etwas lies ihn starr auf eine Stelle blicken. Zwei Augen hatten ihn angeblitzt. Dort, direkt vor Mikans Bett am Fußende, saß jemand. Die Person hatte die Beine angewinkelt und eine Hand auf einen Schwertgriff gelegt. Unwillkürlich fuhr sich Kain an die Seite, doch da war nichts. In seinem Eifer hatte er sein Schwert vergessen. Innerlich fluchend versuchte er zu erkennen, wer es war. Der Prinz sah Sky mit gemischten Gefühlen an. Seine dunkle Gestalt sah, obwohl er auf dem Boden saß, majestätisch aus. Irgendwie wusste Kain, dass Sky den ganzen Abend über bei Mikan gewesen war. Die Annahme, dass Kain Mikan endlich für sich alleine gehabt hatte, war also eine reine Dummheit gewesen. Der Prinz atmete tief ein und aus, dann schloss er die Tür und ging zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)