Romeo sucht Tybalt von Zephir ================================================================================ Prolog: -------- Ein leises Seufzen entrinnt meiner Kehle, als er sich vorsichtig neben mich legt. Die blauen abgrundtiefen Augen sehen mich sehnsuchtsvoll an, warten nur auf meine Erlaubnis. Ich zögere erst, doch die Lust ist so groß, dass mein Gehirn ausschaltet und ich zaghaft nicke. Nun gehen seine Hände auf Wanderschaft, sein Blick hält den meinen weiterhin gefangen. Ich spüre die kühlen Finger an meinem Bauch, dann auf meiner Brust. Ob er bemerkt, wie mein Herz rast? Vorsichtig dreht er meinen Kopf zu sich, streicht mir eine Strähne des hellbraunen Haars zurück und drückt dann leicht seine Lippen auf die meinen. Ein unbeschreibliches Gefühl breitet sich in mir aus und die Frage nach Vernunft wird komplett verworfen. Es ist falsch, dass weiß ich längst, und die Enttäuschung danach wird zu groß sein... Trotzdem will ich ihn. Jetzt hier und vollkommen! --> ROMEO SUCHT TYBALT „Romeo!“ „Tybalt...“ „ROMEO!!“ „Tybalt, ich liebe dich...so sehr!“ „ROMEO, JETZT WACH AUF!!! „Äh...was?“ Etwas konfus öffnete Romeo seine Augen. Eine Faust boxte ihn scherzhaft an die Schulter. „Mann, Romeo! Deine Mutter sucht dich überall und du liegst hier in der Sonne und träumst von unserem Erzrivalen?!“ „W-wie bitte?“ „Du bist echt schwer von Begriff, oder?“ „Wieso?“ „Wieso, fragst du mich? Was soll ich denn von dir denken, wenn ich dich stöhnend auf einer Blumenwiese vorfinde?!“ „B-blumenwiese? STÖHNEND!!?“ „Und dann diese eindeutige Position, in der du 'Tybalt, ich liebe dich ja sooo sehr' schreist, sodass die Vögel vor Scham von den Bäumen fallen.“ Ein leichter Rotton zierte Romeos Wangen, als er Benvolios Hand ergriff und sich hochziehen ließ. „Wärst du...wohl so nett, niemandem etwas davon zu verraten?“ Grinsend stimmte Benvolio zu und zog den Zierlichen hinter sich her. Kapitel 1: Träume sind Schäume... --------------------------------- „TYBALT!!!“ Augenverdrehend widmete sich Gerufener weiterhin seinem Training. „TYBALT!!!! HILF MIR ANKLEIDEN!“ Er musste seufzen und legte das Schwert zur Seite, nur um erneut die aufdringliche Stimme seiner Tante zu vernehmen: „TY~BALT!!!!! MEINE KORSAGE SCHREIT NACH HILFE!“ Ein würgendes Geräusch unterdrückend machte sich ein wirklich zu bemitleidender Muskelprotz auf den Weg in die Gemächer seiner verachtungswürdigen...naja. Was er dort vorfand bewegte ihn fast dazu, umzukehren, denn ein altes Weib in Unterkleidung war nicht unbedingt eine Augenweide. Von den Fettpölsterchen mal abgesehen. Julia im Gegensatz...wohlproportioniert, wunderbare Rundungen, … „Ah, da bist du ja endlich.“ Ein kalter Schauer bahnte sich seinen Weg über Tybalts Rücken. „Du musst mir das Korsett zumachen, Schatz. Ich glaube, ich habe zugenommen...“ „Sehr wohl, Tante.“, antwortete der Arme und begann dann, mit spitzen Fingern die Ösen zu schließen. „Nicht so schüchtern, Süßer. Pack nur richtig zu.“, meinte die Herrin lächelnd. Mit verzogenem Gesicht schüttelte Tybalt den Kopf: „Nein danke, Tante.“ „Och Tybalt, du bist immer so zurückhaltend, wenn wir zwei allein sind. Leg deine Schüchternheit einmal ab und sei ein Mann, wie du es im Kampf bist!“ „Ich bin ein Mann, Tante, doch sehe ich mich nicht dazu geneigt, Euch diesen Wunsch zu erfüllen. Entschuldigt, ich habe andere Pflichten.“ Mit diesen Worten wendete er sich zu Gehen um, als ihn die penetrante Stimme nochmals hinwies: „Und bevor ich´s vergesse: Julia sucht dich, Spätzchen. Geh und lass meine Tochter nicht warten.“ Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus, als Tybalt endlich vor Julias Tür hielt. Sein eher zaghaftes Klopfen wurde mit einer lieblichen Stimme begrüßt, welche ihn hineinbat. Dort lag Julia in den seidenen Kissen, die Augenlider halb geschlossen, die kirschroten Lippen und das güldene Haar glänzte im Sonnenlicht. In einem Sessel am Fußende des Bettes saß die Amme und vertrieb sich ihre Zeit mit Nähen. „Geliebter Cousin, ich erwartete dich bereits“, sprach Julia und richtete sich leicht auf, um Tybalt dann direkt anzusehen. „Mir geht es heute nicht gut. Eine Erkältung hat mich dahingerafft. Sei so nett und erfülle meine Pflichten zusätzlich.“ „Welche Pflichten meinst du?“ → zwei Stunden später ← Ein etwas verwirrter Tybalt war von der Amme auf den Balkon geschoben worden, um Julias einzige Aufgaben zu erfüllen: Dastehen und Winken. Und da man die Tür nach innen verschlossen hatte, wäre der einzige Ausweg ein Abseilen gewesen. Nur hatte Tybalt weder ein Seil, noch war er gewillt, sein Leben aufs Spiel zu setzten und außerdem wollte er Julia nicht enttäuschen. Was übrig blieb? Die Tatsache, dass er, ein stolzer und gut aussehender Capulet, sich hier zum Narren machte. Und das Schicksal wollte es nicht anders: In der Zeit, in der Tybalt noch mit sich selbst im Unreinen war, hatte sich eine kleine Menschenmenge unter dem Balkon Julias versammelt und starrte nun mehr oder weniger irritiert nach oben. Dabei unterschied man zwischen reichen Schnöseln und dem einfachen Volk. Einer von ihnen fiel Tybalt sofort ins Auge: Der Sohn der Montague- Familie, wie hieß er noch gleich?............Ach ja, Romeo. Ein hübscher Junge, nicht unbedingt als schön zu bezeichnen, schwächlicher Körperbau und mit den Gedanken scheinbar immer wo anders. Trotzdem akzeptabel, im Gegensatz zu seinem Anhang! Als sich die Menge langsam aber sicher verflüchtigt hatte, befand sich der Montague- Spross allerdings noch am selben Platz. Die Sonne stand glühendrot am Abendhimmel, die hellsten Sterne bahnten sich einen Weg, um ihre ganze Pracht darzulegen. Tybalts Körper wurde in ein heiliges Licht getaucht und Romeo hätte fast schwören können, dass die Engelschöre sich extra Mühe gaben, um diese Herrlichkeit zu untermalen. Das sich Tybalt nun doch von dem Balkon herunter geschwungen hatte, bemerkte der Montague nicht. Erst der warme Atem des Capulet riss Romeo aus seinem tranceartigen Zustand. Ihre Gesichter waren sich so nah wie nie zuvor und diesmal schien die Begegnung sogar von friedlicher Natur zu sein. Hätte Tybalt bloß den spöttischen Unterton abgelegt, wäre dieser Moment der Zweisamkeit perfekt gewesen. „Was macht ein kleiner Junge wie du um diese Uhrzeit hier draußen? Und vor allem so ganz allein...? Es könnte dir ein Unglück geschehen... Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man das Territorium anderer meiden sollte?!“, meinte der Capulet hämisch und kam damit Romeos Ohr gefährlich nahe, sodass der, mit einer Gänsehaut versehen, mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert war. Nicht das es ihn gestört hätte, nein, unter anderen Umständen... Und der Wunsch nach einer Blumenwiese kehrte zurück. „Es ist meine Angelegenheit, wann ich wo hingehe!“, zischte Romeo, versucht, die Erregung in seiner Stimme zu unterdrücken. „Ach ja“, fragte Tybalt lächelnd und wandte sich urplötzlich zum Gehen um, jedoch nicht ohne einen Blick auf Romeos Schritt zu werfen. „Halt dich von mir fern, Junge! Und bring deine Gefühlswelt in Ordnung oder bist du tatsächlich so tief gesunken, dass dir bereits bei Männern die Worte fehlen?!“ Fünf Minuten lang konnte sich der Montague nicht vom Fleck bewegen. Dann flüsterte er in die dunkle Nacht hinein: „Ich bin nicht irgendein Junge! Ich will nicht einer von vielen sein... Ich bin Romeo!“ Kapitel 2: Der Maskenball ------------------------- Die Schlafzimmertür Benvolios wurde hektisch aufgerissen und ein völlig aufgelöster Romeo ließ sich neben seinem besten Freund ins Bett fallen. Ein lautes Aufstöhnen und ein gegrummeltes 'Was´n los?' waren die Antwort. „Er war so nah bei mir, dass ich ihn hätte mühelos küssen können!“, keifte der Verliebte los und Benvolio griff sich an den Kopf, nur um dann zu fragen: „Und warum hast du´s nicht getan?“ „Er hätte mich wahrscheinlich eher getötet, als das er den Kuss erwidert hätte. Und mein frühzeitiger Tod würde keinem helfen!!“, lachte Romeo hysterisch auf. „Mensch, warum gibst du ihn nicht einfach auf? Der ist doch so selbstverliebt und intolerant, dass er deine Situation sowieso nicht verstehen würde! Tu ich ja auch kaum...“, meinte Benvolio müde und warf sich auf die andere Seite. „Du bist mir wirklich eine großartige Hilfe, weißt du das?“ „Soll ich etwa zu deinem ach so tollen Tybalt gehen und sagen 'Ja, der Romeo ist unheimlich in dich verliebt, traut sich aber nicht, es dir zu verraten. Bitte verurteile ihn nicht und sei mit ihm zusammen, obwohl du es vielleicht gar nicht willst.' Echt ein fabelhafter Plan!“ „Naja, du musst es ja nicht gleich so direkt erklären, aber du könntest-“ „Vergiss es, Romeo!“, blockte Benvolio ab und damit schien das Gespräch für ihn beendet. „Tse, und sowas soll mein bester Freund sein! Weißt du was? Ich frag Mercutio, der hat bestimmt genügend Courage dafür!“, murmelte der Montague vor sich hin, doch sein Vetter konnte das Grinsen im Dunkeln nicht erkennen. „Bist du des Lebens müde? Mercutio ist doch genauso scharf auf Tybalt wie d- Oh Scheiße!“ Leichenblass und ein wenig ungläubig wandte sich Romeo an Benvolio: „B-bitte was?!“ Mit starrem Blick und Augenringen saß Romeo aufrecht und in eine dicke Decke eingewickelt auf seinem Bett und ließ sich von Benvolio füttern. Er konnte noch immer nicht glauben, was ihm der junge Mann in der letzten Nacht erzählt hatte. Den frisch gepressten Orangensaft schlürfend betrachtete er eine einzelne Blüte auf der glasklaren Oberfläche seines Wasserbeckens... „...und ich weiß nicht, ob das so schlau wäre. Romeo, hörst du mir überhaupt zu?!“, endete Benvolio empört. „Mhm? Oh entschuldige, was hast du gesagt?“ „Schon klar, wie immer ganz wo anders. Wusstest du eigentlich, dass Lady Capulet einen Maskenball angekündigt hat, zur Verlobung ihrer Tochter Julia?“ „Einen...Maskenball, sagst du?“, fragte Romeo sofort und das Desinteresse verschwand aus seinem Gesicht. „Ja“ „Wann?“ „Heute Abend aber....................Romeo, was hast du vor?!“ Dieser jedoch sprang wie ein junges Reh aus dem Bett und verschwand aus dem Zimmer. Kopfschüttelnd zurück gelassen zweifelte Benvolio an seinem Verstand und beschloss dann, den Dingen ihren Lauf zu lassen und angeln zu gehen. Zur gleichen Zeit war Romeo vorsichtig in die Nähe von Mercutios Gemächern geschlichen, natürlich um diesem seine Meinung an den Kopf zu werfen, sodass der Keim des Bösen erstickt werden würde. Der Montague musste allerdings feststellen, dass sich sein 'Gegenspieler' nicht am Hof befand. Trotzdem konnte er sich nicht zurückhalten und, Neugierde war eine seiner vielen Schwächen, er betrat den Raum. Das ihn der Schlag so heftig treffen würde, hätte Romeo allerdings nicht gedacht: Eine pink- blaue Welt aus regenbogenfarbenen Kleidern und Perücken sowie die unterschiedlichsten Make ups für alle Hauttypen war definitiv zu viel des Guten! Und doch.....ja, Rache ist süß!! Die kurioseste Idee der letzten drei Jahrhunderte packte den Montague; er würde sich in das schönste Kleid werfen und seinen Märchenprinzen im Sturm der Liebe erobern. Gesagt getan, doch die Suche nach dem richtigen Kostüm war schwerer, als sie zuerst schien... Wenig später und Benvolio fragte sich nun wirklich, wo sein bester Freund abgeblieben war, rauschte eine unbekannte Schönheit an ihm vorbei. Und sie erinnerte ihn an jemanden... „Mach ja keinen Blödsinn, Romeo!!!!“ Wütend knallte Tybalt sein leeres Glas auf eines der Tablette, welche von den zahllosen Dienern geführt wurden. Julia hatte ihm zum wiederholten Male einen Korb gegeben und sich doch tatsächlich freiwillig mit diesem Idioten von Graf Paris verlobt. Und ihren Cousin missachtend tanzten sie nun schon seit einer halben Stunde. Nach unzähligen Gläsern und eifersüchtigen Blicken auf seine Julia war Tybalts Wahrnehmungsvermögen zumindest soweit getrübt, dass er erst jetzt die wunderhübsche Frau am Fuße der Treppe bemerkte. Ihr bronzefarbenes Haar glänzte schwach im Schein der Kronleuchter. Das natürlich weiße Gewand bestand aus einem langen engeren Rock, einer fest geschnürten Korsage und einer halb durchsichtigen Bluse mit aufgebauschten Ärmeln. Die elfenbeinfarbene Maske war mit Schwanenfedern besetzt und verlieh der exotischen Dame ein feenhaftes Aussehen und ihre etwas schmetterlingshaften Bewegungen brachten Tybalt fast um den Verstand. Aufrecht ging der Capulet nun auf diesen Traum von Frau zu, um ihr seine Aufmachung zu erteilen und murmelte nebenbei immer wieder: „Ich kann dich, Julia, vielleicht nicht haben, aber dafür alle anderen!!“ Er bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch das weiße Meer von tanzenden Paaren, um schließlich vor der Fremden zu stoppen. „Wollt Ihr tanzen, MyLady?“, fragte Tybalt galant und küsste vorsichtig die Hand des jungen Mädchens. Dieses nickte verträumt und begutachtete den ganzen Mann vor sich mehr oder weniger aufdringlich. Was den nicht zu stören schien, da er leider komplett hin und weg und damit nur noch für eine Sache zu gebrauchen war. Aber fangen wir langsam an: Höflich führte Tybalt seine Beute auf die Tanzfläche und schloss seinen Arm besitzergreifend um ihre Taille. Als die Musik in Form von feurigen Klängen ertönte, wanderte die Hand des Capulet nach unten und legte sich bestimmt auf den zierlichen Hintern, der von dem Rock vollständig verdeckt wurde. Und dann begann der Tanz... Etwas erschöpft zerrte Tybalt die neue Errungenschaft an die Seite und winkte einen der Diener herbei. Ein Glas gefüllt mit Wein wanderte in die Hand des Mädchens, wenn es leer war folgte das nächste. Spät am Abend, die zwei Turteltäubchen waren nach fünf weiteren Tänzen und einer endlosen Menge an Wein so betrunken, dass sie nicht mehr wussten wo hinten und vorn war, flüsterte Tybalt der Schönen ins Ohr: „Lass uns spazieren gehen.“ Das der Weg in seinem Schlafzimmer enden würde, erwähnte er nicht. Lautes Lachen erfüllte die klare kalte Nachtluft. Auf den starken Arm neben sich gestützt schwankte Romeo zwischen den Rosenhecken hin und her. Sein rechter Ärmel war von garstigen Dornen zerfetzt, der Saum des Kleides vom feuchten Boden dreckig und durchgeweicht. Der Montague hatte es nicht leicht, die Langhaarperücke festzuhalten, denn die Zweige des Gestrüpps zogen und zerrten daran. Tybalt dirigierte seine Begleitung in Richtung einer Nebentür, welche normalerweise von den Angestellten benutzt wurde. Der Gang dahinter endete in der Küche, doch der Capulet steuerte eine knorrige Holztreppe weiter hinten an. Kurz davor hielt er, packte den verdutzten Romeo unter Armen und Kniekehle und hiefte ihn hoch. „Was-“, keuchte Romeo erschrocken auf. „Schhhhh, mein Goldkelchen. Nur keine Angst, wir sind gleich da.“ Die Treppe führte zu einem weiteren Durchgang, dann eröffnete sich ihnen ein langer, prunkvoll geschmückter Flur. Rechts und links gingen Türen in verschiedene Räumlichkeiten, eine von ihnen steuerte Tybalt jetzt an. Von dem recht großen Himmelbett war, außer einer blutroten Tagesdecke, nicht viel zu erkennen. Generell hatte man das Zimmer in warmen Terracotta- Tönen gehalten, die Einrichtung bestehend aus Bett. Tisch, zwei Stühlen und einer Ottomane, war nicht unbedingt prunkvoll sondern schlichter. Romeo stockte der Atem, als Tybalt ihn plötzlich grob absetzte und ihn sanft aber bestimmt an eine Wand drückte. Mit großen Augen starrte der Montague auf seine Gegenüber. War dies der Moment, von dem er schon so lang träumte? Und war er unter diesen Umständen überhaupt erschwinglich? Tybalts alkoholischer Atem und Romeos eigene Schweißausbrüche, ob vor Trunkenheit oder Aufregung, sprachen etwas anderes. Doch war es nun in dem Moment zu spät, indem der Kleinere schüchtern die Lider senkte und sein wahrscheinlicher Liebhaber begann, ihn in einen tiefen, wilden Kuss zu verwickeln. Spätestens, wenn die letzte Hülle, das seidene Korsett, fallen würde, würde hoffentlich auch Tybalt bemerken, worauf er sich hier einließ... Kapitel 3: Böses Erwachen ------------------------- Abgestandene Luft, der Geruch von Schweiß und noch etwas anderem, was er nicht zuordnen konnte, und der dadurch plötzlich entstandene Würgreiz weckten Tybalt auf. Sein Kopf schmerzte fürchterlich, die einzelnen Gliedmaßen fühlten sich zementschwer an. Bei dem Versuch sich aufzurichten, drehte sich die Welt um ihn um die eigene Achse, was den Capulet dazu bewegte, sich zurück in die Seidenkissen sinken zu lassen. „Keine schnellen Bewegungen mehr, Junge“, murmelte er und streckte sich langsam. Dabei ertastete Tybalt etwas warmes, weiches...das sich nun ebenfalls zu regen begann. Er konnte sich nicht an die letzte Nacht erinnern, weshalb er auch nicht wusste, ob und mit wem er in seine Räumlichkeiten verschwunden war. Wobei sich erstere Frage ja schon erledigt hatte. Vielleicht eine traumhaft schöne Frau, die Julia ein klitzekleines bisschen ähnelte... „Oh Gott, tut mir der Hintern weh!“, stöhnte eine definitiv nicht weibliche Stimme rechts neben Tybalt auf. Moment mal, die kam ihm jetzt aber wirklich mehr als bekannt vor! Gehörte sie nicht zu...- Währe der Capulet kein echter Mann gewesen, hätte er nun wahrscheinlich mädchengleich aufgeschrien. Stattdessen starrte er nur mit ungläubig großen Augen auf ein kleines Häufchen Elend, auch bekannt unter dem Namen Romeo Montague. Und zum ersten Mal in seinem Leben war Tybalt wirklich und vollkommen sprachlos! Romeo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn trotz aller Schmerzen in seinem Unterleib, welche das Geschehene bezeugten, war er irgendwie glücklich. Bloß blöd, das die Erinnerung nicht zurückkehren wollte. Nach langer Zeit des Anschweigens brach der Montague endlich die Stille und fragte fast schüchtern: „Und was nun?“ Ein Ruck ging durch den Körper Tybalts. Kalt betrachtete er seinen Gegenüber, wickelte sich dann in eine der Decken und begab sich zu der Kommode neben seinem Bett. Mit einem Griff zog er ein Hemd und eine lange Hose heraus und warf sie Romeo zu. „Zieh das an!“ Dieser tat wie ihm geheißen, auch wenn ihm die Kleidung sonst wo hing. Er war überrascht, dass der Capulet so ruhig blieb. Der trat nun dicht hinter ihn und flüsterte gefährlich leise: „Wenn du etwas erzählst...“ Den Rest konnte man sich ja denken. Zaghaft nickte Romeo, um gleich einen weiteren 'Befehl' zu erhalten: „Raus!“ „Aber ich-“ „Raus, sage ich! Nimm den Hinterausgang und geh!!“ Schnell raffte der Montague Kleid und Perücke zusammen. Seiner (heimlichen) Liebe einen letzten, fast flehenden Blick zuwerfend verschwand er aus dem Zimmer. Nachdem Romeo gegangen war, ließ Tybalt die Decke rutschen und fiel zurück auf das Himmelbett. Was hatte er da nur angestellt?! Das er mit einem Mann geschlafen hatte, war schon schlimm genug. Das gerade Romeo sein musste... Fluchend stemmte sich Tybalt wieder hoch. Woher kam überhaupt das Wissen für diese Art von Liebesakt? Nur eine Frage der Intuition? Hatte er seinem Partner vielleicht weh getan? Ach Quatsch!! Sein Blick fiel eher unbewusst au das Korsett, welches ihn gestern so viel Zeit gekostet- Oh. Mein. Gott!? Da erschienen doch tatsächlich Bilder vor Tybalts innerem Auge die...........garantiert nicht jugendfrei waren!! „Ich glaub, ich muss mich wieder hinlegen“ Der Plan, zur Ruhe zu kommen ging gewaltig und im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose. Sich hin und her wälzend durchlebte Tybalt Abschnitte der letzten Nacht: Er sah die samtweichen, leicht geschwungenen Lippen Romeos vor sich, wie sie seine eigenen verwöhnten. Die verspielte Zunge, welche sich immer wider in seinen Bauchnabel verirrte. Die geschickten feingliedrigen Finger, die ihn mehr als einmal zum Höhepunkt getrieben hatten. Das lustvolle Keuchen und Stöhnen, die glasigen Seelenspiegel. Das verschwitzte Haar, das wie wild schlagende Herz in Romeos Brust. Ein wehmütiges Seufzen entglitt Tybalt und er drehte sich auf den Rücken. Seine Hand wanderte langsam unter die Bettdecke und umfasste seine eigene Männlichkeit, um dann erst sanft und später immer schneller und kräftiger Druck auszuüben. Hätte er es nicht so nötig gehabt, würde sich der Capulet selbst dafür ohrfeigen! Er war nun einmal ein Mann, Romeo war auch ein Mann und noch dazu ein Montague! Tybalt liebte Julia und nicht seinen Erzfeind!! Trotzdem wollte er den unheimlich erregenden Anblick nicht vergessen, als Romeo ihn langsam in sich gleiten ließ. Das in den Nacken geworfene Haupt, Mund und Augen weit aufgerissen, Tybalts Namen schreiend... Mit einem Ruck setzte sich der Capulet auf und starrte entsetzt seine Hand an, die ihn eben noch befriedigt hatte. „Das darf doch alles nicht wahr sein!!“ Inzwischen hatte sich Romeo, welcher glücklicherweise unbemerkt das Capulet- Anwesen verlassen konnte, an einem Brunnen in Verona niedergelassen. Sich das kühle Wasser in Gesicht und Mund schöpfend wartete er darauf, das sich sein rasendes Herz beruhigte. Okay, Tybalt hatte ihn auf eine noch höfliche Art nach draußen verwiesen. Und auch, wenn es den jungen Montague schmerzte, konnte er es doch ein wenig verstehen. „Dennoch weiß ich nicht, ob und wie ich ihm das nächste Mal, falls es eines geben wird, gegenüber treten soll...“, grübelte Romeo vor sich hin und bemerkte Benvolio nicht, welcher sich nun ruhig neben ihn setzte. Er hatte seinen Vetter gesehen, als er auf dem Weg nach Hause über den kleinen Marktplatz gegangen war. Jetzt legte er einen Arm um Romeo und fragte vorsichtig: „Alles in Ordnung mit dir?“ Aus seinen Gedanken gerissen blickte Angesprochener Benvolio irritiert an, besann sich dann jedoch und deutete ein Kopfnicken und gleich darauf aber ein Schütteln an. „Willst du reden?“, fragte der Freund nochmals. Nun war die Verneinung deutlich. Stattdessen lehnte sich Romeo ihm entgegen und nun konnte er die Tränen nicht zurückhalten. Unkontrolliert rücksichtslos bahnten sie sich einen Weg über das hübsche Gesicht, hinterließen glitzernde Spuren. Benvolio wusste das es besser war, Mund zu halten und den Trost zu spenden, den der Kleine brauchte. Abends kehrten die beiden Montagues heim und und wurden sogleich von einem wütend aussehenden Mercutio begrüßt: „Wo. Ist. Mein. LIEBLINGSKLEID!!!?“ Ein kurzer Blickwechsel zwischen Benvolio und Romeo reichte, dann brachen beide in schallendes Gelächter aus. Empört stemmte Mercutio beide Arme in die Seiten: „Was ist so witzig daran, hm?“ Zwar erhielt er keine Antwort, doch das leicht zerknitterte Bündel, welches Romeo ihm hinhielt sprach für sich. „Es ist etwas feucht und die Perücke muss nochmal kräftig durchgekämmt werden, aber sonst...“ Fassungslos sah der Besitzer dieser Sachen seinen Gegenüber an, danach schnappte er sich das Bündel und stapfte hoch erhobenen Hauptes davon. „Nochmal Glück gehabt“, grinste Benvolio ehe er seinem besten Freund die Hand auf dessen Schulter klatschte. „Wir sehn uns sicher.“ Dann lief der Mercutio hinterher. Lächelnd blieb Romeo zurück. Schienen seine Freunde auch noch so verrückt, er liebte sie trotzallem. Sie waren immer für ihn da. Naja, Mercutio weniger... „Romeo!“ Dieser drehte sich um und sah in das freundliche Gesicht seiner Mutter. „Romeo, ich muss mit dir sprechen.“ „Was gibt’s, Mutter?“ „Ich habe mich dazu durchgerungen, eine Brautschau zu veranstalten.“ „Brautschau? Wozu?“, fragte Romeo erstaunt, in seinem Kopf machte sich eine böse Vorahnung breit. „Du bist 20 und noch unverheiratet, mein Junge. Es ist Zeit, sich die Frau fürs Leben zu suchen.“ „Frau?!“ „Natürlich, was denn sonst?“ „Mutter, ich interessiere mich nicht für-“ „Morgen Nachmittag, Sohn!“ Kopfschüttelnd drehte sich die Lady Montague um. „Warum brauche ich eine Frau, wo ich doch einzig Tybalt will...“, murmelte Romeo bedrückt. „Nur das er mich anscheinend nicht will...!“ Traurig kuschelte er sein Gesicht in die Kleider des Geliebten. Hätte der kleine Montague in diesem Moment Tybalts vor Lust verzerrtes Gesicht sehen können, wäre die Hoffnung wohl nochmals aufgekeimt. Kapitel 4: Brautschau?!! ------------------------ „Lady Montague!“ „Lady Capulet.“ „Ich freue mich ja so sehr über eure herzliche Einladung“, sprach die Lady in Rot und schritt auf ihre Freundin zu, um sie in die Arme zu schließen. Hinter ihr hatte sich ein ziemlich genervt dreinblickender Tybalt aufgebaut und ließ das Oberhaupt der Montagues nicht aus den Augen. „Kommt, Lady Capulet. Ich möchte euch vor der Brautschau unbedingt ein neues Kleid zeigen, welches mein Schneider...“, begann die blaue Lady und zog die Andere mit sich. Und ehe sich Tybalt versah hatte er den Anschluss verpasst und stand nun etwas verloren in einem der langen Flure, die zusammen mit endlos vielen Türen und Treppen ein riesengroßes Labyrinth bildeten. Nun hieß es auf gut Glück durch beliebige Tore schreiten, um das richtige zu finden. Dass der Capulet dadurch allerdings in Romeos Gemächern landete, musste vom Schicksal vorherbestimmt sein. Anders als seine eigenen Räumlichkeiten waren diese hier (natürlich) in ein unbeschwertes Himmelblau getaucht. Dem Bett gegenüber stand ein Frisiertisch, rechts davon eine weiche Ottomane. Rechterhand prankte ein doppeltüriger Kleiderschrank. Eigentlich wusste Tybalt, was sich gehörte und was nicht. Trotzdem verfiel er der Neugierde und hieß sich so selbst willkommen in diesem Reich, zum Träumen anregend. Würde ihn seine Tante später darauf ansprechen, wäre seine Antwort 'Das Erkunden der feindlichen Basis', denn er wollte doch nicht eingestehen, dass er sich verlaufen hatte. Wie magisch zog es Tybalt sofort zur Kommode. Dort lag eine silberne Bürste, doch diese war es nicht, welche seine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern eher das prunklose Holzkästchen daneben. Mit zittrigen Fingern, die so gar nicht zu dem standhaften Mann passen wollten, öffnete der den Deckel so vorsichtig als nur irgend möglich. Darin befand sich jedoch nicht der erwartete Schmuck, nein. Noch aufgeregter nahm Tybalt den ersten Zettel von dem Stapel und las laut vor: „Und obwohl mir deine Wut und Tyrannei missfällt, bin ich doch dem sanften Wesen hinter der Fassade verfallen. Ich liebe dich.“ Die Stirn runzelnd legte er den Abschnitt beiseite, griff ungeduldig den nächsten: „Ich liebe es, wenn du im Kampfe nur deinen Gegner achtest, wenn ich dieser bin.“ Er schüttelte sich voll düsterer Gedanken. Und nach all dem fand er nun den Brief, welchen Romeo heimlich in einer klaren Vollmondnacht geschrieben hatte, welcher immer verborgen bleiben sollte: „Liebster Tybalt, schon als Kinder kannten wir uns, doch nie, nie zuvor habe ich so empfunden, wie ich jetzt für dich empfinde. Unsere Welten sind zu verschieden. Dennoch freue ich mich immer wieder auf diesen kurzen Augenblick, in dem sie aneinander vorbeikreisen, denn dann kann ich dich sehen. Du bist das schönste Wesen, welches jemals auf dieser Welt wandelte und so war es kein Wunder, dass ich mich früher oder später in dich verlieben würde. Doch wie können niemals vereint sein, denn ach wenn unsere Welten aneinander vorbeikreisen, werden sie sich nie berühren. Ich liebe dich ja so sehr ! Auf ewig dein ROMEO“ Totenstille. Der Brief fiel zu Boden. Seine Knie knicken ein. Zorn und Glückseligkeit rangen miteinander. Die Sicherheit , Ungewissheit siegte. „Bei Gott: WARUM? Soll ich lachen oder Weinen? Töten will ich ihn in diesem Augenblick! ...und mich auch. So etwas kann er nicht, ach was darf er nicht empfinden! Ein Mann, der einen Mann liebt. Ein Montague, der einen Capulet begehrt! Nein, das verbietet man. Das verachtet man. Ein Todesurteil, das ist es ! Sind wir doch von Kindesbeinen an verfeindet, wie es schon unsere Väter waren, Obgleich wir in einer ruhigen Stunde zusammen im See gebadet – Nein! Nein! Nein! … Kurz legte Tybalt den Kopf auf seine Schenkel, dann richtete er sich auf. Mit einem Ruck zog er das Ledersäckchen an seinem Gürtel auf und entnahm ihm einen alten, verrosteten Schlüssel. Danach hob er den Brief auf und legte ihn zusammen mit dem Schlüssel auf den Frisiertisch. Sich ein gequältes Lächeln abringend sprach er: „Nun denn, Romeo. Du meintest, du liebst mich? Dann bring mir zurück den Beweis. Wenn du mein geschundenes Herz heilen kannst, welches von Füßen getreten und in die letzte Ecke der Welt verbannt wurde. Vielleicht kannst du auch den obersten Richter überzeugen, mich nicht in die Hölle zu schicken. So sei es! Die Rosen werden zum Trotz erblühen und dir die weiße Haut zerschneiden. Du wirst leiden, so wie ich gelitten habe. Und endlich werd´ ich nicht der Verhasste sein! Ich, ich kann nicht mehr weiter. Also bereite mir den Weg aus dem Dunkel ins Licht und unser Drama wird mit dem Tode enden!“ Romeo hatte es vor einer Stunde aufgegeben. Nun hob er nicht mal mehr bei jeder potenziellen Gemahlin, die alle durch einen Torbogen kamen, den Kopf, sondern schaute sich das Muster der Fliesen an. Wirklich hoch interessant. Da waren Sonnen drauf. Silberne Kreise mit blau-violetten Kreisen drumherum. Sehr sehenswert. Eine Sonderanfertigung für...äh...wie hieß seine Urgroßmutter noch gleich?? Lady Capulet schien die Brautschau ebenfalls wenig zu bedeuten. Sie plapperte unaufhörlich mit Lady Montague über Weiberkram, den Romeo sowieso nicht verstanden hätte (und auch gar nicht wollte...). Seufzend ruckelte er sich in seinem Sessel zurecht. Dabei bemerkte er, dass nun keine Mädchen mehr das Tor durchquerten. Ein erneutes Seufzen entwich seiner Kehle, dann erhob er sich mühsam, die Glieder noch ganz steif vom ewig langen Sitzen. „Mutter, die Schau ist zu Ende“, rief der junge Montague den Ladies zu. „Oh“, machte die Blaue schlicht. Die Capulet stand jedoch ruckartig auf und fragte dann mit einem falschen Lächeln: „Und hat dir eine der Frauen gefallen?“ Romeo schüttelte den Kopf. „Du hast ja so recht. Meine Julia ist viel schöner als alle Mädchen dieser Welt zusammen!“ „Natürlich, Lady Capulet“, pflichtete ihr Romeo genervt bei. Daraufhin verdrehte er an seine Mutter gewandt leicht die Augen. Es reichte ihm jetzt für die nächsten hundert Jahre. Nie wieder Frauen im Unterrock!! Etwas missmutig und auch nur auf die Bitte seiner geliebten Mutter hin, ließ sich Romeo nochmals in den weichen Sessel sinken, um sich die ach so tolle Auswertung der Brautschau anzuhören und vielleicht selbst einen Kommentar dazu abzugeben. Später würde er die kommende Ablenkung wahrscheinlich verfluchen: Nachdem alle 30 Mädchen durch den Torboden auf die Bühnenvorrichtung getreten waren, tauchte ein 31ster Schopf auf. Langes blondes Haar, leicht geöffnete Lippen und...........naja okay.......weit aufgerissene Augen. „Tybalt, da bist du ja“, kreischte Lady Capulet und wollte bereits auf die hochgewachsene Figur zueilen, aber Romeo war schneller. Wie vom Teufel besessen sprang er auf und hielt kurz vor seiner Liebe an. Da standen sie nun beide, sahen sich ungläubig in die Augen. Einen weiteren Schritt auf den Größeren zumachend tastete sich der Montague langsam an diesen heran. Tybalt wich zurück. ….Hatte wohl allerdings die Stufe vergessen, die hinter das Tor führte. Und obwohl Romeo schnell reagierte und den Fallenden festhalten wollte, plumpsten beide in den dunklen Raum. Nach einigen Minuten des Stillschweigens fauchte Tybalt zornig: „Runter von mir, Montague!“ Dieser lag nämlich mehr als ungünstig auf ihm. Das rechte Bein zwischen denen des Capulets und die Hände auf dessen Brust abgestützt. „Verzeihung“, murmelte Romeo perplex und erhob sich vorsichtig, bemüht besagtes Bein nicht auszustrecken. Als sich Tybalt dann selbst hoch gestemmt hatte, warf er dem Kleineren noch einen bösen Blick zu, verließ den Raum und hing sich an seine Tante, die im Begriff zu gehen war. Abends auf seinem Zimmer fiel Romeo die geöffnete Holztruhe auf. Daneben sein Liebesbrief an Tybalt, aufgefaltet und darauf...ein kleiner, rostiger Schlüssel? Wie war der den dahin gekommen? Nachdenklich nahm er ihn in die Hand, schätzte Gewicht und Material. Mhm, ein eingraviertes CT.......C wie ...Capulet? Capulet...T...Tybalt? Tybalt Capulet?!! Nein, das durfte nicht wahr sein!! Hatte dieser den Brief etwas gelesen? Schlecht, ganz schlecht!! Aber warum sollte er dann einen Schlüssel- Nein, das war doch alles nur Wunschdenken! Kapitel 5: Er liebt mich, er liebt mich nicht... ------------------------------------------------ Laute Jubelrufe. Das Aufeinandertreffen von Metall. Ein zerrissenes weißes Hemd. Kreischende Capulet- Mädchen. Schimpfende Montagues. „Tybalt!!“ „TYBALT!“ „TYBALT, ICH WILL EIN KIND VON DIR!! „TY~BALT!“ Mit einer Handbewegung brachte er die Meute zum Schweigen. Der Kampf forderte seine volle Konzentration. Sein Gegner war stark. Einen Augenblick der Unaufmerksamkeit seinerseits und er würde tot am Boden liegen. Ablenkung konnte er also in keinster Weise gebrauchen. Nur Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren. *** „NEIN! Nein, das will ich nicht! Ich bestehe auf ein blütenweißes, zweiteiliges Kleid!!“ Die aufbrausende Stimme Mercutios hätte man wahrscheinlich kilometerweit gehört. „Dieses Kleid ist doch aber weiß“, sagte Benvolio, der langsam genervt von den Starallüren seines besten Freundes war. „Aber es ist nicht zweiteilig und die aufgenähten Rosen sind einfach nur abartig!!“ „Wegen den BLUMEN machst du so einen Aufstand?!“ „Ich mache keinen Aufstand, ich...“ Und während sich die Streithähne zankten, schwebte Romeo auf seiner kleinen Wolke nebenher. Das Gänseblümchen in seiner Hand sah bereits reichlich mitgenommen aus. Ein Blütenblatt nach dem Anderen segelte auf den Erdboden. Dazu sang er das altbekannte Lied: „Er liebt mich, er liebt mich nicht. Er liebt mich, er liebt mich nicht? Er liebt mich, er....“ Die Händlerfrau sah den Montague- Spross grinsend an. „Und, wer ist denn der Glückliche?“ „Tybalt................Capulet................................................Tybalt?!?“ Aus seiner Traumwelt gerissen erblickte Romeo seinen Angebeteten, in einen Kampf verwickelt. Und im Moment sah es recht gut für diesen aus. Warum also nicht hinsprinten und laut mitjubeln. Was einen Großteil der Montague- Anhänger sicher nicht erfreuen würde, aber ob er nun in Ungnade fiel oder nicht: Solang ihn Tybalt nicht verwies war die Welt ja in Ordnung. *** Die Klinge raste haarscharf an Tybalts Nase vorbei. Reflexartig sprang er zurück, sein Kopf ruckte nach rechts, der Blick hetzte durch die Menschenmenge. Warum war ER hier?! Erneut spürte er die Schärfe, diesmal an seinem Oberarm. Konnte der Spanner nicht einmal nicht anwesend sein, wenn Tybalt sich konzentrieren musste? Der nächste Hieb traf. Der Capulet taumelte nach hinten, in seinen Augen spiegelte sich pures Erstaunen wieder. Man hatte ihn das letzte Mal richtig besiegt, als er sieben gewesen war. Und damals war es, wie heute, ein dummer Zufall gewesen.... ---RÜCKBLICK--- Es war an einem wunderschönen Sommertag. Blut spritzte in freudiger Erwartung auf. Die kleinen Tropfen mit dem metallischen Nachgeschmack landeten auf der sommersprossigen Nase Tybalts. „Zweiter Angreifer unschädlich gemacht!“, krähte sein Bruder. Man sah seinem erregten Gesicht trotzdem an, dass er den feindlichen Montague gern selbst besiegt hätte. Tybalts dagegen blieb ausdruckslos. Dagegen umklammerten seine kleinen Hände den Griff des Messers nur noch fester, als der nächste Gegner mit lautem Geschrei auf ihn zurannte. Aber war das nicht- „Bleib´ stehen!!“ „Tybalt? Bruder, geht es dir gut? Hörst du mich?“ Langsam öffnete er die Augen. Um ihn drehte sich die Welt im Kreis. Auf gleicher Höhe seines Blinddarms klaffte eine tiefe Wunde, die er zwar nicht sah, dafür jedoch den brennenden Schmerz spürte. Aber immerhin schien er noch zu leben... Mühsam stützte sich Tybalt auf seine Ellbogen und hiefte sich so hoch. Der Bruder, vorher über ihn gebeugt, war einen Schritt zurückgetreten und gab die Sicht auf Romeos schuldbewusstes Gesicht frei. „E-es tut mit Leid! Ich wollte dich nicht verletzten. Ganz bestimmt nicht! Ich dachte, du würdest meinen Angriff abwehren, so wie die davor.Wie konnte ich denn ahnen, dass du zur Salzsäule erstarrst?!“, stotterte der Junge unsicher vor sich hin. Der Capulet schüttelte leicht den Kopf und grinste dann gequält. „Ist in Ordnung. So ein Kratzer bringt mich schon nicht um. Ein richtiger Mann steht so etwas mit einem Siegerlächeln durch!“ ---RÜCKBLICK ENDE--- Ein lautes 'PLATSCH' ließ Romeo aus seiner Starre fahren. Sein Tybalt. Verloren. Schwer verletzt! Im Sterben liegend? Das Raunen, welches durch die umstehende Meute ging, zeugte von Verblüffung, gleichzeitig aber auch von Verhöhnung und Belustigung. Von Mitleid keine Spur! Konfus sah Romeo von Tybalt auf das Schwert, welches diesen verwundet hatte, und wieder zu dem blutverklebten Körper. Dann drängte er sich durch die Gaffermenge, um zu Tybalt in den Brunnen zu steigen. Fast panisch riss er sich das Shirt vom Leib, wickelte es ungeschickt um den blutenden Oberkörper. Den Capulet dabei anheben zu müssen-; daran hatte er natürlich nicht gedacht. Etwas umständlich stemmte sich der Montague gegen den muskelbepackten Leib, damit er diesen danach gegen sich lehnen konnte. Mit der Hilfe von Benvolio und Mercutio würde sich Tybalt wohl aus dem Brunnen heben lassen. „Romeo, wohin mit ihm?“, rief Benvolio ächzend; Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. „Nach Hause“ „Wie bitte?! Mir kommt kein niederträchtiger Capulet aufs Anwesen!“, ereiferte sich Mercutio lautstark. Ein Treffen in einem netten Gasthaus, in Ordnung. Daheim? NIEMALS!!! „Vergiss es, Mercutio. Den kannst du nicht von abhalten“, murmelte Benvolio. Sie mussten schon komisch aussehen: Zwei Montague- Anhänger, die einen gebürtigen Capulet jeweils unter Arm- und Kniekehlen gepackt hielten und ein völlig aufgelöster Romeo, der nebenher tänzelte und mit einem Fächer Frischluft in das schmerzverzerrte Gesicht des Verletzten wedelte. „Man Romeo, deine Mutter bringt uns um, wenn sie das hier mitbekommt!“ „Wollt ihr ihn lieber verrecken lassen und dann den Zorn der Lady Capulet auf euch ziehen?“ Einstimmiges Kopfschütteln. „Dann sind wir uns ja einig. Legt ihn vorsichtig aufs Bett. Um den Rest kümmere ich mich selbst…..und danke.“ Mercutio warf die Arme in die Höhe und verließ schnaubend den Raum. Benvolio zögerte, setzte sich dann aber neben Romeo, der sein Gesicht in den Händen vergruben hielt und schluchzte. „Hey, es war nicht deine Schuld, hm?“ „Natürlich war es meine! Ich hab ihn abgelenkt.“ „Womit, Romeo. Womit denn?“ Ungläubig, dass sein bester Freund eine so dumme Frage stellte, flüsterte der Montague- Erbe fast unsicher: „Mit.............meiner puren Anwesenheit.“ „Was für Unsinn da in deinem hübschen Köpfchen ist, Romeo! Und wenn, dann solltest du dich doch geehrt fühlen, nicht war? Das zeugt von Zuneigung oder etwas nicht?“ Romeo schniefte: „Zuneigung?“ „Sicher. Und die Verletzung ist nur ein unschöner Nebeneffekt. Tybalt hat schon ganz andere Wunden verkraftet, erinnerst du dich?“ Unsicheres Nicken. „Dann wäre das geklärt. Kümmere dich gut um ihn, mein Freund. Er wird es dir bestimmt irgendwann danken. Ach ja, ich werde dafür sorgen, dass die Capulets beruhigt sind.“ Benvolio lächelte aufmunternd und drückte dem Häufchen Elend einen Kuss aufs Haar, bevor er verschwand. Die darauf folgenden Nächte empfand Romeo als die schlimmsten und längsten seines Lebens. Tybalt kämpfte mit Fieber, er selbst mit dem Drang, sich schlafen legen zu können. Trotzallem blieb er tapfer am Krankenbett sitzen, wechselte kühlende Tücher und Verbände und flößte dem Capulet immer wieder Wasser ein. Doch auch Romeos Energie besaß ihre Grenzen und die waren nun mehr als überschritten. Umso überraschender, dass er vor Tybalt erwachte. Erschöpft rieb e sich die geröteten Augen und schwang dann die Beine über die Bettkante. Seine Füße machten klatschende Geräusche auf dem kalten Steinboden und der Montague bemerkte, dass der Morgen gerade erst dämmerte. Romeo griff nach der Silberbürste und fuhr sich damit durch die hellbraunen Strähnen. Die Vorstellung, was er wohl mit Tybalts langem, blonden Haar frisurentechnisch alles anstellen könnte, ließ ihn schmunzeln. Nachdem er die Bürste weggelegt hatte, griff seine Hand nach dem kleinen Schlüssel. An einem Kettchen befestigt und jetzt fast rostfrei glitzerte er im ersten Sonnenlicht beinahe magisch. Welches Geheimnis verbarg er bloß? Wie auf Kommando vernahm Romeo ein Stöhnen hinter sich. Sein 'Gast' war wohl ins Reich der Lebenden zurückgekehrt. Aber verwunderlich, dass Tybalt nicht von Romeos Anwesenheit und dem fremden Zimmer irritiert schien. Der Capulet gähnte herzhaft, verzog dann aber vor Schmerzen das Gesicht. Dann grinste er sogar und fragte mit ironischem Unterton: „Er hat mich von oben bis unten aufgeschlitzt, stimmt´s?“ Romeo, perplex von der Unbekümmertheit seines Gegenüber, blinzelte kurz, antwortete dann aber ernst: „Du kannst froh sein, dass dem nicht so ist!“ Der Capulet schüttelt nachdenklich den Kopf. Es schien ihm wirklich besser zu gehen... Es folgten Minuten des Anschweigens. Tybalt zuckte heftig zusammen, als er DEN Schlüssel vor sich baumeln sah. Romeo musste hinter ihn- „Ist das deiner?“ Der Größere antwortete nicht. „Sag schon: Gehört er dir?“ „Muss ich darauf antworten? Und wenn es so wäre...“ Tybalt hörte Romeo tief durchatmen, spürte den warmen Lufthauch in seinem Nacken. „Warum hast du ihn bei mir gelassen?“ Erneut grinste der Besitzer des Schlüssels geheimnisvoll, nahm diesen aus Romeos Hand und drehte sich dann umständlich zu diesem um, um ihm die Kette anzulegen. ...und für einen Moment herrschten perfekte Harmonie und Frieden. „Finde es heraus............................er gehört nun dir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)