Midsummernight-Princess von RhapsodosGenesis (Eine Dunkelheit im Herzen) ================================================================================ Kapitel 36: Mitternacht ----------------------- Yurai gab sich, als wäre sie ein kleines Kind! Sie hörte einfach nicht zu! Sie wollte nur ihren eigenen Willen durchsetzen! Was sollte sie nur mit ihr tun …? „Yurai …“, bettelte Terra. Langsam hatte sie Schwierigkeiten damit, die zappelnde Frau zu halten. „Terra!“, ertönte ihr Name von unten. Azur! Den hatte sie für den Moment total vergessen. Ihr Blick wanderte nach unten. Dank der neuen Position ihres Gesichtes, schlug Yurai direkt auf ihre Nase. Doch Terra ignorierte es einfach murrend. Ein Schlag auf die Nase … Was machte das schon? „Komm herunter!“, forderte er sie auf. Er schaute zu ihr hoch. „Gute Idee …“, gab Terra leise zu. Und sie sah zu Azur. Wie sollte sie jetzt runter kommen? Sie versuchte, nach unten fliegen. Doch es gelang ihr nicht richtig – vor allem, da Yurai ihr immer wieder mit irgendwelchen Gliedmaßen in die Quere kam. Mittlerweile hatte die Fee auch zu schreien und zu quietschen angefangen. „Beruhigt Euch bitte …“, bat Terra sie leicht verzweifelt. Sie bewegte ihre Beine in der Hoffnung, dass es irgendetwas auszulösen vermochte. Fehlanzeige. Azur wirkte verwirrt. Wahrscheinlich dachte er, sie hätte ihn nicht gehört. „Komm jetzt … Ich will runter …“, murrte Terra kaum vernehmbar, „Ich will zu Azur.“ Und ehe sie sich versah, befand sie sich im Sturzflug. Sie schrie erschrocken auf, als sie sich urplötzlich im freien Fall befand. Doch es hinderte sie keinesfalls daran, Yurai festzuklammern. Sie war auch ihre Hoffnung. Wenn Terra aufschlug … tat Yurai es ihr gleich. Wie beruhigend. Der Boden kam immer schneller näher und seine unendliche Bräune bemerkte Terra erst jetzt richtig. Sie wünschte sich, sie würde wieder auf diesem Grund liegen. Und würde nicht fallen. Eine Möwe, die fällt. Kein schöner Ausgang. Sie schloss die Augen, um nicht mitzuerleben, wie sie am Boden aufschlug. Sie wusste nicht, wie sich das in dieser Welt auswirken würde. Aber es wäre ihr auch lieber gewesen, es nicht zu erfahren. „Es tut mir leid, Yurai!“, entschuldigte sie sich. Sie riss gerade die Fee mit ins Ungewisse! Auf den Boden zurasend und- … Terra fühlte irgendetwas unter sich. Für einen kurzen Moment wurde sie noch nach unten gerissen, doch dann ging es wieder kurz nach oben. Und schließlich regte sie sich nicht mehr. Zögernd öffnete sie die Augen. „Sind wir … tot?“, mutmaßte sie. Doch sie fühlte Yurai noch immer in ihrer Hand. Doch auch die Fee schien überrascht zu sein. Immerhin hatte sie aufgehört, sich unsäglich zu wehren. … Oder sie war auch tot. „Nein, keine Sorge“, erklang eine sehr nahe, sehr männliche Stimme, die sehr nach Azur klang, „Meinen zweiten Kommandanten lasse ich so schnell nicht sterben.“ Jetzt schlug sie ihre Augen ganz auf. Azur hatte sie aufgefangen. Sie lächelte fröhlich. „Azur!“, stellte sie erfreut fest, „Vielen Dank!“ Yurai lehnte sich zurück. Azur trug Terra mit beiden seiner Arme. Auf Terra lag Yurai. Jetzt ganz ausgestreckt. Terra verlagerte ihren Kopf instinktiv auf Azurs Schulter, um Yurai mehr Platz zu geben. Yurais Flügel waren verschwunden. Das war Terra zuvor nicht aufgefallen. Vermutlich hätten sie wie eine kleine, glückliche Familie ausgesehen, wäre Yurai nicht viel zu groß für das Kind gewesen. „Ich muss Euch leider wieder runter lassen“, kündigte Azur höflich an, bevor er in die Knie ging, „Aber zwei Damen sind doch eine zu viel …“ Terra lachte kurz. Dann rutschte sie von seinem Arm und seinem Knie nach unten. Ihr Hintern landete am Boden, doch es tat ihr nicht weh. Yurai lag noch immer in ihren Armen. Die Augen weiterhin geschlossen. „Yurai …?“, sagte Terra den Namen der Fee. Doch diese reagierte nicht. Als Terra saß, wich Azur ein klein wenig zurück, um ihr mehr Platz zu machen. „Danke, dass du sie nach unten geholt hast“, bedankte sich Azur ehrlich, „Du kannst sie mir jetzt übergeben …“ Sie nickte. Vorsichtig kroch sie unter Yurai hervor, die noch immer auf Terra saß. Es bedurfte einiger akrobatischer Künste, sich herauszuwinden, doch letztlich war es Terra gelungen, Yurai neben sich zu bringen, sodass Azur sie statt ihrer festhalten konnte. „Habt Ihr sie?“, informierte sich Terra sicherheitshalber noch einmal, bevor sie die Fee losließ. Der Kapitän nickte. Daraufhin erhob sich Terra und schüttelte sich kräftig aus. „Mein Gott … Das war … Körperarbeit.“ Als Azur darauf nichts sagte, blickte sie nach unten und schaute in sein besorgt wirkendes Gesicht. „Yurai“, sprach er ihren Namen aus, „Sprecht zu mir.“ Keine Reaktion. „Bitte. Ihr müsst mit mir reden“, bat er sie, „Ich bin … Kyrion. Der Bruder Azuors, den Ihr hättet krönen sollen.“ Noch immer schenkte sie keinerlei Beachtung. „Kommt schon …“, bettelte er, „Ich muss mit Euch reden! Wir müssen Euch hier herausschaffen! Mirai nützt ohne Euch nichts. Wir können sie nur mit Euch …“ „Mirai ist tot“, erklang die ruhige und leise Stimme der Fee. „Nein, Mirai lebt!“, behauptete er, „Solange Ihr lebt …“ Yurai unterbrach ihn gleichgültig. „Mirai ist tot.“ „Das glaubt Ihr doch wohl selbst nicht“, keifte er sie an, „Sie kann nicht tot sein. Terra hat sie gesehen.“ Jetzt schlug Yurai zumindest ein Auge auf. Es fixierte Terra. „Terra hat Mirai gesehen?“ Terra blinzelte verwirrt. „Nun – ja?“, mutmaßte sie. Sprach Azur von dem Moment in dieser Welt, den sie mit Yurai beim Kampf gegen diese Mauer verbracht hatte. „Terra hat Mirai gesehen“, gab sie ihm plötzlich Recht, „Und Terra hat Mirai getötet.“ Die Fee schloss das Auge wieder. Verwirrung und Angst machte sich in Terra breit. Was? Was sagte sie da? Terra … Sie sollte Mirai umgebracht haben? Aber … Aber … wie? Wann? Weshalb? Warum sollte sie so etwas tun? Sie hatte doch gar keinen Grund … Geschweige denn wusste sie, wie sie das tun hätte sollen … „Habe … Habe ich das …?“, stotterte sie geschockt. Wieder reagierte die Weiße Fee nicht. Azurs Blick blieb auf Terra haften. Sie erwiderte seinen Blick überwältigt. Sie …? Die Schwarze Fee töten …? Azurs Augen schienen dieselbe Frage zu stellen. Aber es hatte nicht den Anschein, als wäre er zu einer Antwort gelangt. Plötzlich gaben Terras Knie nach. Sie krachte auf den Boden. Saß dort. Stützte sich mit den Händen. „Ich … Ich habe die Schwarze Fee …?“, fragte sie erneut nach. „Und ich entscheide, dass Mirais Tod gerecht sei“, fügte Yurai hinzu. Mit ihren Worten konnte Terra nichts anfangen. „Yurai“, machte Azur wieder auf sich aufmerksam, „Was meint Ihr damit?“ „Mirai soll dem Tod gehören“, antwortete sie gelassen. Diese Gelassenheit war ein zähes Gegenstück zu ihrem vorherigen Aufruhr. Sie blieb unbekümmert in Azurs Armen liegen. Ihr weißes Haar fiel glatt auf den Boden und bedeckte auch Azur zum Teil. Dieser schüttelte bloß den Kopf. „Yurai“, schalt er sie streng, „Wenn Ihr eine Möglichkeit kennt, Mirai zu retten, so sollt Ihr sie auch ergreifen!“ Terra nickte leicht. Sie wollte doch Mirai nicht töten! … Was … Was hatte sie nur getan? „Bitte!“, fügte Terra verzweifelt hinzu, „Ich würde alles tun, um Mirai zu retten … Alles …“ Ein Kopfschütteln war die einzige Antwort von Yurai. „Meine Schwester und ich … Wir fliegen bereits seit Jahrhunderten zusammen. Wir haben über viele Könige gewacht. Azuor wäre wohl war einer der besten gewesen.“ Nach einer kurzen Pause, in der sie auch die Augen aufschlug, die plötzlich einen Ausdruck von Traurigkeit annahmen, sah sie zu Azur. „Und Kyrion wäre ein ebenso guter Nachfolger gewesen.“ Sie seufzte hörbar. „Mirai und ich hätten gerne unseren Schutz über Euren Bruder gelegt …“ „Was ist geschehen?“, wollte Azur wissen, „Wir haben keine Information darüber erhalten …“ Sie unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln. „Kein Mensch soll die tragische Geschichte einer Fee kennen, die Jahrhunderte überstanden hat …“ „Ich bin kein Mensch“, widersprach er ihr sofort, „Und das ist auch der nächste Punkt, über den ich …“ Erneut schüttelte sie beharrlich den Kopf. „Was Ihr wollt, mein junger König, das vermag ich besser zu sagen, als Ihr selbst.“ Erst sah er sie bestürzt an, dann schaute er betroffen zu Boden. „Werdet Ihr wieder versuchen, Euch selbst umzubringen? Wieso stürzt Ihr Euch gegen die Mauer?“ Diesmal wanderte ihr Blick zu Terra. Sie sah sie berechnend an. „Dank Euch sind meine Gedanken wieder klar … Nachdem ich weiß, dass meiner Schwester Glück winkt, will ich zufrieden sein …“ Sie seufzte. „So will ich ihre Seele dem Tod überlassen …“ „Nein!“, widersprach Azur erneut, „Ihr müsst Mirai zurückholen! Alle Feen, die noch am Leben sind, sind Menschen! Es würde das Ende des Feenvolkes bedeuten – für die nächsten hundert Jahre, die die neuen Zwillingsfeen für ihre Ausbildung benötigen!“ Um gestikulieren zu können, hatte Azur die Hände von Yurai genommen. Dadurch hatte er seinen Worten mehr Ausdruck verleihen können. Die Härte seiner Worte war bei Terra angekommen. Und die Sorge. Die Sorgen eines Herrschers. Yurai nützte den Moment, um sich zu erheben. Sie stand nun vor Terra und Azur, die beide am Boden saßen und zu ihr hoch blickten. Weiße Federflügel erschienen erneut auf ihrem Rücken. „Ich würde alles tun, um Mirai zurückzuholen!“, bekräftige Azur erneut, „Alles!“ „Und ich würde ihm helfen!“, gab Terra ihm ihre Unterstützung. Yurai lächelte die beiden traurig an. „Ihr seid hartnäckig … Mirai.“ Wenn ein Schwert ihrem lieblichem Antlitz das Leben herausschneiden würde. Shan … Wie … Wie konnte sie nur so etwas sagen? Wieso? Was erreichte diese Veränderung in ihr? Warum … Warum sagte sie so etwas? Shan … Er fuhr herum, ehe sie den Satz vollkommen zu Ende gesprochen hatte und packte ihre Hand, um sie von seinem Körper zu entfernen und in Sicherheitsabstand zu geben. Zu allererst wirkte Shan doch überrascht, dann grinste sie ihn aber provokant an. „Jetzt wird es aber interessant!“ Er drückte fest zu, um sie Schmerzen erleiden zu lassen, während er sie auf Abstand brachte. „Shan“, knurrte er, „Hör auf damit!“ „Wieso kannst du gegen mich nicht kämpfen?“, wollte sie von ihm wissen. Ihre Stimme klang hart wie Eis. Und genauso kalt. „Hast du dich etwa in mich verliebt?“, mutmaßte sie ohne einen klaren Ausdruck von Gefühlen zu zeigen. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Er schaute sie kurz verdutzt an. Dann wandte er seinen Blick zu Boden. „Spar dir deine Lügen“, fuhr sie genauso kühl fort, „Spar dir deine Milde. Spar dir deinen Unwillen.“ Sie entriss ihm ihren Arm und wich zwei Schritte zurück. „Spar dir dein Mitleid.“ Letzteres Wort spuckte sie beinahe aus. „Akzeptiere es endlich, Link“, forderte sie ernst, „Akzeptiere, dass ich es war.“ Sie deutete mit beiden Händen auf sich. „ICH“, sie betonte das Wort sehr, „… habe sämtliche Erinnerungen gefälscht, gelöscht und bearbeitet.“ Sie machte eine kurze Pause. „ICH habe Ilya entführt und sie zur Königin gemacht. ICH habe Zelda abgesetzt. ICH habe die Monster auf Hyrule losgelassen. ICH habe all die Verletzten zu verschulden. ICH, Link …“ Diesmal war die Pause länger, ihre Wortwahl wirkte bedachter. Und die nächsten Worte erklangen mit einem kalkulierten Triumph in der Stimme. „… habe dich die ganze Zeit betrogen.“ Links Augen weiteten sich. Sie …? Shan …? Shan behauptete wirklich …? „Mein oberstes Ziel ist es, meinen Meister Ganondorf zurückzubringen. Ich muss ihn wiedererwecken, sodass er seine edlen Ziele erreichen kann.“ Überzeugung und Ernst klangen in ihrer Stimme mit. „Und du … Link … Auf dich bin ich besonders wütend.“ Diesmal zischte sie wieder. „Du hast meinen Meister getötet. Und meinen Kollegen. Du bist das größte Hindernis, das es auf dieser Welt für unsere Pläne gab. Und gibt.“ Das Schwert, das noch immer im Boden steckte, begann zu vibrieren. Dunkler Nebel umgab Shans Hand. „Ich hoffe, du hast es endlich verstanden“, drohte sie ihm, „Ich werde dich jetzt töten. Koste es, was es wolle.“ Sie verbeugte sich kurz. „Für meinen Meister.“ Nein … Nein … Nein … NEIN … NEIN! Das konnte nicht sein …! Shan … Sie war doch … Sie war doch immer auf seiner Seite. Gegen Ganondorf. Sie half ihm. Sie begleitete ihn … Sie … sie … Erkennen ereilte ihn. … Sie spionierte. Sie heftete sich an die Fersen ihres Feindes. In aller Seelenruhe wartete sie darauf, dass Ganondorfs Erwachen nahte – in dem Bewusstsein, dass Link es niemals erfahren würde. Immerhin hielt er sie für Freunde. Für Genossen. Für Kämpfer derselben Seite. Er hätte sie niemals verdächtigt. Nie. „Shan …“, hauchte er. Tränen stiegen in seine Augen. „Du hast es mir versprochen“, fuhr sie unbeirrt fort. Das Schwert manifestizierte sich in ihrer geöffneten Hand. „Du hast mir versprochen, dass du gegen Ganondorfs Diener kämpfen wirst. Dass du ihn töten wirst.“ Sie grinste ihn schief an. „Ich dachte immer, zumindest Helden seien ehrlich.“ Das Grinsen verschwand. „Doch sie sind nichts weiter als Verräter.“ Und erneut sprang sie auf ihn zu. „Schwächliche Verräter!“ Nein … Shan … Sie war … Ganondorfs … Ehe er sich versah, schnellte er zu seinem Schwert und griff nach ihm, wobei er auf den Boden fiel. Er rappelte sich sogleich wieder auf. Sie war Ganondorfs Scherge. Sie war sein Feind. All die Zeit … Die ganze Zeit hatte er sie vor Augen. Immer … Und nie hatte er sie verdächtigt. Niemals. Diesen ganzen Monat lang, den er mit ihr verbracht hatte. In dieser Zeit, in der er so viele Qualen durchlebt hatte. Nicht nur er. Alle. Jeder, der ihm etwas bedeutete. Und Shan war es. Sie war diejenige, die all dieses Leid verschuldete. Sie alleine. Sie als Scherge Ganondorfs. Und er sprang ihr entgegen, wobei ihre Schwerter im Gefecht des Kampfes aufeinander prallten. Wieso …? Wieso nur hatte er es nie bemerkt? Mirai. Yurai sah Terra an, während sie diesen Namen aussprach. Sie sah sie an, als würde sie eine verlorene Liebe ansehen. „Terra …“, hauchte sie zweifelnd, „Ich bin … Terra …“ Azur schaute genauso verwirrt, wie Terra sich fühlte. Warum … Warum glaubte Yurai, sie Mirai nennen zu müssen? Sie lächelte. „Wollt Ihr es wirklich tun, Terra?“, fragte sie, „Wollt Ihr wirklich alles tun, um meiner Schwester das Leben zu ermöglichen? Wollt Ihr dafür Euer eigenes Dasein beenden?“ Terra riss ihre Augen auf. „Mein … Mein Dasein … beenden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Kilass hat es nicht geschafft, mich zu töten“, bedauerte sie, „Ehe … ich es offenbare …“ „Kilass?“, fragte Azur überrascht, „Euch töten? Er meinte es ernst?“ Schuldbewusst schaute Terra zu Boden. Sie hatte noch nichts davon gesagt, dass er sie attackiert hatte. Dass sie ihn abgehalten hatte … Dass er ihr seine Zweifel beibrachte … „Ich wollte, dass er meinem Dasein ein Ende setzt, sodass nicht einmal ein störrischer Prinz darauf kommen könnte, mich vor die Wahl zu stellen“, erläuterte Yurai streng, „Ich wollte, dass er mich tötet, sodass ich auf meine Schwester warten kann, bis ihre Zeit ebenfalls vollkommen endet, ohne jemanden zu beeinträchtigen … Sie ist ebenfalls zufrieden damit …“ Die Fee schüttelte den Kopf und trat einige Schritte zur Seite. Sie betrachtete die schwarze Mauer. „Diese Mauer … Sie ist der Auslöser des ganzen … Diese und ihre Besitzerin.“ „Wie meint ihr das?“, fauchte Azur. Er erhob sich schnell und machte einen Schritt auf Yurai zu. Er hatte eine grimmige Miene aufsetzt. „Wovon sprecht Ihr?“ Mit einem Mal drehte sich Yurai wieder um. Und sie schaute Terra an, die noch immer am Boden kniete. „Ich habe Euch hierher gebracht, sodass Ihr dem Prinzen hättet Bericht erstatten können. Sodass die Feenmannschaft mir zur Seite hätte stehen können – im Kampf um meine Schwester. Doch noch während meiner Reise zu Euch habe ich Kilass darum gebeten, mir den Tod zu gewähren, falls ich jemals in einen langwierigen Schlummer fallen hätte sollen. Denn dies wäre der Moment, in dem meine Schwester eine Art Tod ereilt hätte, die ich nicht akzeptieren konnte.“ Sie schüttelte wieder den Kopf. „Ganondorf hat sie entführt. Er absorbiert ihre Schwarze Magie, um sich selbst zu stärken. Erhält er die ganze Magie, die Mirai erfüllt hat, so ist er meiner ebenbürtig – wenn nicht stärker. Ein schwarzer Engel.“ Sie sah Azur mit festem Blick an. „Das hat niemals geschehen dürfen. Er wäre unbesiegbar gewesen, wenn er auch noch meine Energie geschluckt hätte. Durch meinen Tod wären meine Kräfte für ihn für immer verloren gewesen – und die Mirais wären irgendwann vollkommen verfallen.“ Sie ballte ihre Hände zu einer Faust. „Doch ich war töricht.“ Sie schaute Azur fest in die Augen. „Ich wollte nur meine Schwester retten.“ Sie faltete ihre Hände vor ihrer Brust. „Ich wollte nur diejenige retten, die ich am meisten liebte.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und dafür … dafür wäre ich selbst zum Monster geworden …“ Sie schritt wieder auf Terra zu. Wenige Schritte vor ihr kam sie zum Stillstand. „Junge Terra … Ich hätte dich getötet. Ich hätte dir deine vollkommene Lebensenergie abgezapft, die dich mehr als nur in eine Bewusstlosigkeit geschubst hätte. Kyrions Opfer hätte dir kein Leben mehr ermöglicht, so sehr wie ich deine Energiequellen erschöpft hätte.“ Bedauern schwang in ihrer Stimme mit. „Meine Schwester hat uns bemerkt … Sie hat ihre Kraft verwendet, um in diese Welt zu gelangen … Genauso wie Ganondorfs Lakai. Um Euch, Terra, und mich zu retten, hat Mirai all ihre Energie aufgewendet. Sie hat den letzten Tropfen ihres Daseins in die Zerstörung der Dunkelheit gesteckt, sodass wir beide fliehen konnten.“ Ein humorloses Lachen folgte. „Aber es hat nichts genützt … Ihre Energie wurde fehlgeleitet … Weil ich so gierig war und Ihr dadurch beinahe energieleer, habt Ihr es geschafft, einen Großteil von Mirais Energie abzuzapfen. In Euch selbst lebt also ein Teil meiner Schwester. … Ich verblieb in dieser Welt, da ich den Tod meiner Schwester nicht ertragen konnte. In der anderen Welt wäre ich zu gefährlich gewesen. … So lag meine Hoffnung weiterhin auf Kilass’ Treue …“ Yurai gönnte ihr eine Pause. Terra konnte nicht fassen, was sie da gerade gehört hatte. Sie? Eine Fee? Sie hatte die Energie der Schwarzen Fee gefressen? Und dadurch … getötet? Aber … Aber … „Ich will sie freilassen!“, rief Terra sofort aus, „Ich will die Welt retten! Die Feen! Dafür brauchen wir Mirai …“ Azurs ungläubiger Blick durchbohrte Terra. Sie sah zu ihm. Er blickte in ihre Augen. „Das geht nicht“, erklärte Yurai. Sie verschränkte die Arme und wandte den Blick ab. „Nur eine von Euch kann jetzt noch leben. Zu lange ist es her, dass Mirai ihrer Energie beraubt worden war … Es ist zu spät. Euer Körper hat sich bereits daran gewöhnt. Ihr müsstet sterben, sodass Mirais Kraft freigesetzt würde. Ihr müsstet vollkommen ausgelöscht werden.“ In Terras Augen sammelten sich Tränen an. „Was …?“, fragte sie leise. Die Tränen fielen ihre Wangen hinunter. „Was …?“, wiederholte sie, während die Tränen weiter flossen. „Was … sagt Ihr da …?“ „Mir obliegt dieselbe Entscheidung wie Euch“, knurrte die Fee, „Das Leben meiner Schwester … oder das Leben einer Fremden?“ Ihr Leben … oder das Leben einer Fee …? Sie schlug ihre Hände vor ihr Gesicht und begann zu weinen. Sie weinte bitterlich. „Ich … Ich will nicht sterben … Ich …“ „Nein!“, mischte sich Azur plötzlich ein, „Nein … Nein …“ Er schleifte sich betroffen zu Terra. Und er kniete sich vor sie. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Nein …“, hauchte er leise, „Ich … Ich kann nicht zulassen, dass du …“ Terra weinte weiter. Sie … Sie sollte sterben? Für das Wohl der Welt? Aber … sie wollte nicht sterben … Sie wollte leben … Leben! „Wie ich sagte … Ihr würdet nicht alles dafür tun“, kommentierte Yurai gleichgültig, „Ich sagte doch … Ihr solltet meine Entscheidung nicht in Frage stellen … Meine Schwester ist mir das wichtigste. Ich hätte alles dafür getan. Alles. Wenn ich dafür … nicht ihr eigenes Opfer hingeworfen hätte …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist zwecklos … Ich kann von einem jungen Mädchen nicht verlangen, dass es meiner Dummheit wegen stirbt …“ Aber … Mirai … Die Welt brauchte Mirai … „Die Welt braucht Mirai dringender als mich“, schluchzte sie dann, „… Sie … Niemand wird mich vermissen … Jeder glaubt bereits, ich sei tot … Ich würde keinem …“ „Schweig!“, fuhr Azur sie barsch an. Terra gehorchte. Und plötzlich fand sie sich in einer Umarmung wieder. „Ich … Ich will nicht hören, was du sagst …“, fuhr er sanft fort. Er drückte sie fest an sich. „Ich … ich mag nicht hören, dass …“ „Für Euch, junger Prinz, wäre es ebenfalls ein Gutes gewesen, nicht vor diese Entscheidung gestellt zu werden“, behauptete Yurai mürrisch, „Für jeden von uns … Was seid Ihr auch solch ein trotzköpfiger Narr?“ Die Fee wirkte wütend. „Ich werde Euch zurücksenden. Beide. Eure Körper sollten sich noch heute regeneriert haben. Ich will, dass Ihr mein Leben mit einem Schwert beendet, um Kilass’ Aufgabe zu erfüllen. Dann müsst Ihr nicht weiter darüber nachdenken …“ „Was?“, rief Azur, „Ich … Ich kann nicht die Hoffnung meines Volkes töten …! Nicht die Weiße Fee!“ „Und Mirai wollt Ihr nicht befreien“, gab Yurai unfreundlich zurück, „Euer Starrsinn bringt Euch in eine arge Zwickmühle. Mit meinem Tod wären die Feen für die nächsten hundert Jahre zwar von menschlicher Gestalt, doch meine Nachfolgerinnen werden diesen Fehler beheben.“ „Aber mein Volk … es braucht mich – jetzt!“, rief er, „Aber … ich will Terra nicht hergeben … Terra …“ Sie weinte noch immer. Sie drückte sich gegen Azurs wärmende Umarmung und klammerte sich an ihm fest. Die Tränen hörten nicht auf zu fließen. Schluchzen ertönte. Sie wollte nicht sterben … Aber welches Recht hatte sie zu leben, wenn dafür die Welt starb? Ganondorf … Sie war mit Link gereist. Link hätte niemals gezögert … Er hätte sein Leben sofort für das Wohl anderer geopfert … Er hätte jeden aus den Weg geräumt, der so egoistisch wie Terra war … Link … Warum konnte er ihr nicht die Entscheidung abnehmen? Er war ein Held! Er konnte durchgreifen … Wieso …? Wieso nur …? Wieso nur war sie hier? Tränen flossen weiter. Die Schwerter krachten aneinander, als sie einen geschickten Hieb nach dem anderen gegen den Gegner ausführten. Es war ein Kampf. Ein Kampf auf Leben und Tod. Links Zögern war völlig verschwunden. Er wollte sie nur noch für ihren Verrat bestrafen. Wie konnte sie ihn nur so betrügen? So benutzen? Er drückte ihr Schwert zur Seite. Beinahe wäre ihm ein Stich in ihre Flanke gelungen, doch sie drehte sich geschickt zur Seite und parierte gekonnt. Sie wusste mit diesem Schwert umzugehen. Einen solch harten Kampf hatte er bereits lange Zeit nicht mehr erlebt. Seit damals … Seit er gegen Ganondorf angetreten war. Und jetzt war er erneut hier. Dieser Verräter … Wut flammte in ihm auf. Er stieß schneller zu. Nun war es an Shan, sich defensiv zu verhalten, während Link ihr das Leben schwer machte. Ein Hieb nach dem anderen – er wandte seine ganze Kunst an. Der Kampf war – bis auf einiges gefluchtes Murmeln oder übliche Kampfgeräusche – stumm verlaufen. Keiner hatte dem anderen noch etwas zu sagen. Tod? Oder Leben? Wer würde siegen? Es würde sich herausstellen! Scheinbar hatte Shan ein Loch in seiner Taktik entdeckt. Es gelang ihr, der defensiven Haltung zu entsagen und erneut zum Angriff überzugehen. Link wich zurück. Er würde nicht nachgeben. Nein. Ihr gegenüber konnte er nicht nachgeben. Durfte er nicht. Sie … Sie war sein Feind! Sein eiskalter Feind! Trotz ihres Hiebes, der direkt auf sein Herz angesetzt war, sparte sich Link die Verteidigung. Und dadurch, dass die aufgrund des Angriffes ungedeckt war, dadurch, dass Link sich entschied – wahrhaftig entschied -, dadurch, dass Link Tränen in die Augen stiegen, als er bemerkte, worin sein Ziel lag … … dadurch glückte ihm der letzte Stoß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)