Far Away von Zuckerschnute ================================================================================ Kapitel 16: 16 -------------- Es war friedlich. Hecktisch durch die Hochzeitsvorbereitungen, aber trotzdem irgendwie friedlich. Ob es nun daran lag, dass es sonst nicht wirklich etwas zu tun gab, oder daran, dass Siamun und ich nicht mehr dauernd Augentennis spielten konnte ich nicht wirklich sagen, aber das störte mich auch nicht. Ich genoss es einfach. Bei diesen Gedanken bahnte sich ein amüsiertes Kichern den Weg durch meine Kehle, was mir verwunderte Blicke von Banu und Neriman einbrachte. „Was ist den so lustig?“ zwischen Nerimans Brauen erschien eine Falte. „Nichts!“ meinte ich und lenkte unser Gespräch wieder auf etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues. Diese Tradition gab es hier eigentlich nicht, aber ich hatte sie erwähnt und Rhia wollte sie unbedingt für ihre Hochzeit übernehmen. Deshalb saßen wir hier und zerbrachen uns den Kopf. Etwas Neues war relativ einfach, wie in den meisten Fällen war es das Brautkleid. Das Blaue hatten wir auch schon, ich wollte ihr das Haarband leihen, dass ich von Debah bekommen hatte, womit etwas Geborgtes auch abgehackt gewesen wäre. Fehlte nur noch etwas Altes. Allerdings viel uns einfach nichts ein. Rettung nahte in Form von Moses, der mich eigentlich nur zum Unterricht, den ich doch knallhart vergessen hatte, holen wollte. Als ich ihm auf dem Weg unser Leid klagte, strich er sich nachdenklich über das Kinn und meinte, er habe noch eine Kette von Rhias Mutter, die er ihr eigentlich zur Hochzeit schenken wollte, worauf ich so laut jubelte, dass man es bis in den Palasttempel hören konnte, wie Moses nachsichtig lächeln bemerkte. Die nächste Überraschung gab es beim Unterricht, Moses hatte beschlossen, die Übung mit den Zielscheiben etwas schwieriger zu gestalten und Banu um Hilfe gebeten, die nun ein ganzes Stück neben den Scheiben stand und sich konzentrierte, um einen Schild drüber zu legen. Die Übung an sich war eigentlich einfach, man musste nur das Ziel treffen. Aber schon nach dem ersten Schüler war klar, dass es verdammt schwierig war. Die meisten Dolche prallten einfach ab, Derian und drei andere schafften es immerhin, ihre Dolche durch das Kraftfeld zu schleudern, allerdings verlangsamten sie sich so stark, dass sie nicht mehr weit kamen. Dann war ich an der Reihe. Während ich zu dem markierten Punkt ging, grübelte ich über mein Vorgehen nach. Der Schild war offenbar sehr stark, ich musste also mehr Kraft als sonst hineinstecken wenn ich nicht hinter Derian zurückbleiben wollte. Zwischen uns hatte sich eine Art Rivalität entwickelt, er war der beste in der Klasse, aber ich machte rasch Fortschritte und unsere Klassenkameraden schlossen schon Wetten ab, ob ich ihn überflügeln würde oder nicht. Ich wollte nicht gegen einen dreizehnjährigen verlieren, er machte sich darüber lustig, dass ich noch nicht mit der Ausbildung fertig war. All diese Gedanken verdrängte ich, während ich in Position ging und mich auf den schwarzen Ball in meinem Innersten konsentrierte, der sofort anschwoll, als ich ihn anstupste. Ich hob die Hand und über meiner Handfläche erschien ein Dolch, der etwa einen halben Zentimeter darüber schwebte. Dann stellte ich mir vor, wie der Dolch über den Platz fegte, den Schild durchbrach und in der Zielscheibe stecken blieb. Dann holte ich aus und warf. Schlagartig wurde es ruhig. Die Schüler und Lehrer starrten abwechselnd die Scheibe und mich an, als könnten sie es nicht glauben. Mir selbst ging es nicht anders. Warum um alles in der Welt steckte mein verdammter Dolch im Ziel? In Ordnung, „warum hatte mein verdammter Dolch im Ziel gesteckt“ wäre die bessere Formulierung, er löste sich gerade auf. „Verdammt, das Mädel bringt mich noch ins Grab!“ dieser Satz durchdrang die Stille wie ein Peitschenhieb. „Wirft den Dolch einfach durch! Habt ihr den Schild abgebaut, Prinzessin?“ „Nein! Der Dolch ging einfach durch, wie ein Schwert durch Wasser!“ Banu musterte mich bei diesen Worten genau, weshalb ich mir schon langsam wie ein seltenes Tier im Zoo vorkam. An manche Dinge gewöhnte man sich wohl nie... „Und was heißt das jetzt bitte?“ fragte ich vorsichtig und begann, eine Strähne meines Haars um die Finger zu zwirbeln. „Das heißt, dass du wesentlich mächtiger bist, als wir alle bisher dachten!“ mit diesen Worten strich ihre Hoheit sich eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht, wobei mir auffiel, dass ihr Haar vom selben blauschwarz wie das ihres Bruders war. Wesentlich kürzer zwar, ihres ging, wie bei den meisten Frauen, nur bis zum Kinn, aber genauso glatt und glänzend. Warum hatte er eigentlich so lange Haare? Selbst die meisten Frauen trugen ihre Haare wegen der Hitze nicht länger als bis zum Kinn, seine hingegen gingen bis knapp über die Schultern. Hey, Moment mal! Was dachte ich da eigentlich? Jetzt war wohl kaum der Zeitpunkt über Frisuren nachzudenken! Innerlich über mich selbst den Kopf schüttelnd wandte ich mich wieder Banu zu, nur um festzustellen, dass alle schon auf dem Weg zurück waren. Offenbar hatte mein hochkomplexer Gedankengang mich länger beschäftigt, als ich gedacht hatte. Drei Wochen später war es soweit. Die Hochzeit würde stattfinden! Bei diesem Gedanken begann wieder total überdreht durchs Zimmer zu hüpfen. Ich war Rhias Bürgin! Arrangierte Ehen waren hier zwar keine Seltenheit, aber Zwangsehen waren verpönt. Daher war es Sitte, dass bei jeder Hochzeit zwei Bürgen dabei waren, die bezeugten, dass die Ehe freiwillig geschlossen wurde. Sagte einer Nein, war die Sache erledigt. Nicht das ich das vorhatte, Gott bewahre! Mit einem fetten Grinsen im Gesicht holte ich mein Kleid aus dem Schrank, in dem inzwischen eine ganze Menge hingen. Eigentlich hatte ich das blaue anziehen wollen, aber ich hatte den Gedanken wieder verworfen. Schließlich war das Rhias großer Tag, da wollte ich nicht all zu sehr auffallen. Da meine Hofdame damit beschäftigt war, sich selbst fertig zu machen und Neriman ihr dabei half, zog ich mich seit langem mal wieder selbst an. Was sich als schwieriger herausstellte als gedacht. Das verdammt Ding wurde nämlich hinten zugeschnürt und ich drohte mich heillos zu verheddern. Verdammter Mist! Als ich kurz davor war das vermaledeite Teil in die nächste Ecke zu befördern hörte ich Schritte aus dem Raum des Prinzen und stürzte erleichtern in das angrenzende Zimmer. Wo ich beinahe mit einem halbnackten Siamun kollidiert wäre. Um die röte auf meinen Wangen zu verbergen drehte ich mich schnell um. „Könntest du mir bitte helfen?“ als ich merkte wie sich die Schnüre über meinen Rücken spannten, lies ich mit einer Hand das Kleid los und räumte meine Haare aus dem Weg, wobei ich versuchte nicht darauf zu achten, dass die Haut an jeder Stelle die er berührte zu kribbeln begann. „Ist es auch nicht zu fest?“ „Nein. Danke für deine Hilfe!“ mit diesen Worten lächelte ich ihn kurz an und ging zurück in mein Zimmer. Wo Scharlatan schon auf mich wartete und mir schnurrend um die Beine strich. „Hast du wieder etwas angestellt?“ fragte ich gespielt streng, worauf der Kater mich ansah, als wolle er sagen: „wie kannst du so etwas auch nur denken?“ In genau diesem Moment streckte Siamun den Kopf durch die Tür und hielt ein zerfetztes Etwas hoch, an dem ein paar Federn hingen. „Dein entzückendes Kätzchen hat mal wieder einem Kissen gezeigt, wer hier das sagen hat!“ er regte sich inzwischen schon gar nicht mehr auf, was mich ungemein erleichterte, da ich schon befürchtet hatte, er würde einen Herzinfarkt bekommen. „An irgendwas muss er sich seine Krallen eben schärfen!“ „Wäre ein Baum nicht die bessere Wahl gewesen?“ fragte er und runzelte die Stirn. „Erklär das doch bitte ihm!“ meinte ich und deutete auf den Kater, der dasaß und sich den hellen Bauch putzte, als könne ihn kein Wässerchen trüben. Dann war es endlich so weit. Die Vorbereitungen waren abgeschlossen und ich führte Rhia, die noch aufgeregter war als ich, falls das überhaupt möglich war, zum Altar, an dem schon Banu, die die Zeremonie leiten würde, der Bräutigam und Siamun, der Bürge von Horace, warteten. Als wir alle auf unseren Plätzen standen, saßen, oder in meinem und Siamuns Fall: knieten begann Banu zu sprechen, worauf es augenblicklich totenstill wurde. Als sie die einführenden Worte beendet hatte wandte sie sich mir zu. „Lady Etienne Allen! Bürgt ihr mit eurem Leben und eurer Ehre dafür, dass diese Frau aus freien Stücken hier ist?“ Ich legte mir die Hand aufs Herz und sagte mit fester Stimme: „Ich schwöre!“ worauf die Prinzessin mir huldvoll zunickte und ihrem Bruder die gleiche Frage stellte. Auch er legte die Hand aufs Herz und antwortete. Jetzt war das Brautpaar an der Reihe. Horace ergriff die Hand seiner Verlobten und legte sie auf sein Herz. „Ich schwöre, dich für alle Zeiten zu lieben, zu ehren und zu beschützen!“ als er geendet hatte legte sie seine Hand auf ihr Herz und antwortete: „Und ich verspreche dir, dir für alle Zeiten treu zu sein.“ Verstohlen wischte ich mir eine Träne aus dem Auge. Diese Schwüre durften sich Braut und Bräutigam selbst ausdenken und waren eigentlich das allerwichtigste an dem Ganzen. Was würde ich wohl an meiner Hochzeit sagen? Diesen Gedanken wischte ich schnell bei Seite als Rhiannon sich vor mich kniete. Meine Aufgabe war noch nicht beendet. Mit zitternden Händen nahm ich den Kohlestift, der neben mir lag und begann, die Schriftzeichen, aus denen sich Horaces Namen zusammen setzte, auf ihre Brust zu zeichnen, genau über ihr Herz. Die Zeichen hatte ich tagelang geübt, damit mir ja kein Fehler passierte. Dann griff ich nach einer Schale, in der sich eine schwarze Flüssigkeit befand, und einem Pinsel und begann, die Zeichen damit nachzufahren. „Nur nicht kleckern, nur nicht kleckern!“ sagte ich mir dabei die ganze Zeit, die Farbe würde nämlich nie wieder verblassen. Und tatsächlich: ich schaffte es ohne Zwischenfälle und stellte sie Schale erleichtert wieder weg. Innerhalb von Sekunden zog die Farbe in die Haut ein und würde nie wieder verschwinden. Ebenso, wie die Ehe nie wieder gelöst werden würde, bis zum Tod. Dann sprach Banu den Segen und es war vorbei. Zumindest der Teil im Tempel. Die ausgelassene Feier im Hof fing jetzt erst an. Die Küche hatte zahlreiche kalte Platten und Salate zubereitet und Rhia und ich, die beide den ganzen Tag vor Aufregung kaum etwas gegessen hatten, stürzten uns darauf wie die Aasgeier. Es war wirklich lustig und die meisten Leute blieben, bis man es vor Kälte kaum noch auf dem Palasthof aushielt. Das Aufräumen würden morgen die Hofdamen übernehmen. „Gott bin ich froh, dass ich den Job nicht machen muss!“ mit diesem Gedanken kuschelte ich mich an meinen Bettgenossen, der sofort die Arme um mich schlang. Innerhalb von Sekunden war ich eingeschlafen und wachte erst auf, als mich am frühen Morgen zwei Soldaten aus dem Bett zerrten und mich für den Mord am König verhafteten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)