Mein Tagebuch von Kupferschweif (OS-Reihe zum Thema "Was geschah davor?") ================================================================================ Kapitel 1: Rin -------------- Liebes Tagebuch, Heute war ein schöner Tag. Nach dem Frühstück bin ich mit Papa und meinen Brüdern Yasuo und Kenjiro im Wald spielen gewesen. Die drei passen ja immer auf mich auf, da kann mir gar nichts passieren. Während wir durch den Wald gegangen sind, hat Yasuo mir hin und wieder ein paar Kräuter erklärt, wofür man sie brauchen kann, welche essbar sind und welche giftig. Ich schwöre, ich habe aufmerksam zugehört, aber das meiste hab ich schon wieder vergessen. Es gab aber auch so viel zu sehen! Und zu hören! Und zu riechen! Der Duft des Waldes ist wirklich mit nichts zu vergleichen! Wir sind dann schließlich auf eine Lichtung gekommen. Da waren so viele Blumen! Bunte Blumen! Ich durfte mich richtig austoben und lief über die Wiese, warf mich in das Gras zwischen die Blumen und rollte mich herum. Ich hatte wirklich viel Spaß! Papa und meine Brüder setzten sich dann unter einen Baum in den Schatten und unterhielten sich über irgendwas, ich glaube, es hatte etwas mit Räubern zu tun. Vielleicht war es die Gute-Nacht-Geschichte, die Kenjiro mal versucht hatte mir zu erzählen, aber ihm war das Ende entfallen. Es ging um Räuber, die eine Prinzessin entführt hatten und ihr Prinz hatte sich dann auf die Suche gemacht. Wie genau die Geschichte ausgeht, weiß ich immer noch nicht. Ich denke mal, dass Kenjiro Papa und Yasuo danach fragt und sie mir dann gleich zu Ende erzählen wird, wenn es Zeit ist, ins Bett zu gehen. Ich habe angefangen, ein paar Blumen zu sammeln. Die junge Dorfmiko hat mir und den anderen Mädchen im Dorf gezeigt, wie man daraus hübsche Dinge macht, wie Sträuße, Ketten und Kränze. Das macht wirklich Spaß. Nachdem ich schon eine ganze Menge Blumen gesammelt habe, sieht die Wiese immer noch nicht leerer aus, was mich beruhigt. Andere sollen ja auch noch diese schöne Lichtung genießen können. Ich habe mich dann in die Nähe von Papa und meinen Brüdern gesetzt, damit sie mich auch weiterhin im Blick haben konnten (was die einzige Bedingung dafür ist, dass sie mit mir spielen gehen) und habe angefangen, einen Kranz zu flechten. Er ist nicht ganz so schön wie der von der Miko-sama, aber ich war trotzdem sehr zufrieden, schließlich ist das der erste Kranz, den ich ganz alleine geflochten habe. Ich habe alle möglichen Blumen benutzt, rote, blaue, weiße, gelbe... und ich hab immer darauf geachtet, dass nicht ein Mal dieselbe Farbe nebeneinander ist. Nach dem Kranz hab ich noch eine Kette gemacht. Der Unterschied zwischen einer Kette und einem Kranz ist, dass der Kranz dicker ist und auf dem Kopf getragen wird, während die Kette dünner und länger ist, damit man sie über den Kopf ziehen und um den Hals tragen kann. Auch bei der Kette ist nirgendwo dieselbe Farbe nebeneinander. Ich bin wirklich stolz darauf, weil die Kette mir richtig gut gelungen ist, besser als der Kranz. Also habe ich beschlossen, aus den restlichen Blumen eine weitere Kette zu machen. Ich habe mir nämlich etwas vorgenommen: Die Kränze, die ich flechte, werden immer für meinen Papa sein und die Ketten immer für meine Brüder. Niemand sonst hat ein Anrecht auf Kränze und Ketten von mir. Sie haben sich alle drei wirklich gefreut. Yasuo und Kenjiro haben sich die Ketten sogar freudig von mir umlegen lassen. Papa hat sich den Kranz lieber selbst aufgesetzt. Alles passte wie angegossen. Ich kann wirklich gut Größen abschätzen. Mama werde ich immer ein paar sehr hübsche Blumen in ihre schönen Haare stecken, damit sie noch besser aussieht, als sowieso schon. Heute hat sie sich sehr darüber gefreut und als ich ihr von den Ketten und dem Kranz erzählt habe, hat sie gelacht und gesagt, dass Kränze oder Ketten bei ihr sowieso nicht lange halten würden, weil sie ja den ganzen Tag Hausarbeit erledigen muss. Die Blumen in ihrem Haar halten dagegen länger, weil sie nicht so schnell herausfallen oder Feuer fangen können, weil sie ganz fest in Mamas Haarband stecken. Als wir übrigens aus dem Wald zurückgekommen sind, war schon Zeit für das Mittagessen. Meine Mama ist die beste Köchin von allen. Sie kocht uns immer sehr leckere Sachen, selbst aus einfachen Dingen. Nach dem Essen habe ich Mama noch ein bisschen bei der Hausarbeit geholfen. Das mache ich in letzter Zeit öfter, schließlich will ich später auch mal einen guten Ehemann finden und mich um ihn und um meine Kinder kümmern. Ich möchte ganz viele Kinder haben. Erst Jungs und dann Mädchen. Die Jungs können dann auf die Mädchen so gut aufpassen wie Yasuo und Kenjiro auf mich aufpassen. Nachdem Mama gesagt hat, dass ich spielen gehen solle, bin ich auf den großen Dorfplatz gelaufen, wo die anderen Kinder schon Kemari spielten. Ich mag dieses Spiel und die anderen haben mich auch sofort mitspielen lassen. Schließlich wohnen wir alle in demselben Dorf und kennen uns schon unser Leben lang, da ist es doch selbstverständlich, dass wir zusammen spielen. Wir hatten alle wirklich viel Spaß und ich habe die ganze Zeit immer gedacht, dass es genauso bleiben muss. Mein Leben darf sich auf keinen Fall ändern. Dafür habe ich auch heute gebetet. Ich weiß, man betet normalerweise nicht nur für sich selbst, aber genau genommen habe ich ja für meine Familie und das ganze Dorf gebetet. Denn wenn mein Leben sich nicht ändert, wird auch ihr Leben so bleiben, wie es ist. Nach dem Abendessen hat Mama mich dann gebadet. Ich hab gar nicht bemerkt, wie schmutzig ich mich gemacht habe. Mein Kimono hat überall braune Flecken und das Badewasser war hinterher auch nicht mehr klar. Papa hat mich dann in meine Kammer gebracht und versprochen, dass mir gleich noch jemand eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen wird. Ich freue mich schon. Im Moment sind alle noch nebenan und unterhalten sich leise. Ich kann es nicht genau verstehen, aber es geht glaub ich wieder um Räuber und irgendwas von Überfällen und Flucht. Vielleicht höre ich die Geschichte von der entführten Prinzessin und ihrem Prinzen heute auch mal bis zum Ende. Oh, die Tür geht auf. Ich schreibe dir morgen wieder. Schlaf gut. Rin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)