Symphonie von ROSEofJERICHO ================================================================================ Kapitel 3: royal blue --------------------- Die überlangen Fingernägel der dunkelhäutigen älteren Dame jagten Mai schon etwas Respekt ein. Sie waren bunt bemalt und erinnerten an fein verzierte Dolche, so spitz waren sie. Zumindest hätte Mai es nicht für möglich gehalten, dass es Frauen gibt die mit solchen Klauen ein Handwerk beherrschen, wenn sie es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Iko wusste was sie tat. Sie war eine Meisterin wenn es darum ging zu frisieren und zu schminken, sie war Maskenbildnerin aus dem Schauspiel. Als Mai in den Spiegel schaute, erkannte sie sich selbst kaum wieder. Sie war wunderschön. Ihr kurzes schwarzes Haar und das Rouge erinnerten an die Lieblichkeit einer Geisha, nur war sie nicht so blass, sondern fein gebräunt und spielte sie kein Instrument. „Du solltest besser acht geben mein Kind, sonst könnte es passieren, dass du ernsthaft in Schwierigkeiten gerätst“. Ikos Stimme klang freundlich und fürsorglich und genau den Eindruck vermittelte auch ihr Gesicht, das von Alter und Reife gezeichnet war. „Yuuta ist sehr unvorsichtig. Er sagte, er würde Aimi öfter sehen. Sie hätte ihm bereits Lebensmittel geschenkt und solche Dinge. Warum wusste ich davon nichts?“, seufzte Mai. „Ich glaube, ich achte nicht genug auf ihn“, warf sie sich selbst vor und sah in ihre wunderschön dunkel betonten Augen, welche im fahlen Kerzenlicht rötlich funkelten. „Der junge Kämpfer wird schon wissen wohin der Weg ihn führt. Du kannst ihm diesen nicht immer ebnen, Kind“, erklärte die Alte, wobei sie den Handspiegel vor Mais Gesicht hielt, damit diese sich von allen Seiten selbst betrachten konnte. „Du sorgst dich zu genüge. Achte darauf, dass du DICH nicht aus den Augen verlierst“, erklärte Iko bewusst mit Betonung, während sie Mai vorsichtig an der Stellte ihrer Brust berührte unter der sie das Herz der jungen Frau schlagen spüren konnte. „Achte hierauf“. Sie schloss ihre alten Augen, nahm den schön verzierten Krückstock zur Hand und machte die Sicht in den größeren Wandspiegel frei. „Du bist fertig. Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe!“, erinnerte sie, als sie sich auf einem großen Sitzkissen niederließ um zu rauchen und zu entspannen. Mai sah herab und berührte vorsichtig die selbe Stelle an ihrer Brust. „Ich danke dir Iko. Danke vielmals!“. Mit diesen Worten erhob sie sich, umarmte die überraschte alte Dame und verließ das Zelt Der Mond stand bereits am wolkenlosen, royal blauem, Nachthimmel und das Zirpen der etlichen Grillen übertönte sogar die Musik der Adligen, die in der Ferne bereits zu feiern und zu tanzen schienen. Mai wollte nicht zu spät kommen und so beeilte sie sich um sich mit Kaito und ihrem Bruder am „Pfahl“ mitten auf der großen Lichtung im Wald zu treffen. Der Pfahl markierte eine Grenze zwischen den Adligen und dem Volk. Er sollte den Abstand zwischen ihnen bewahren. „Wo ist dein Veilchen hin?“, wollte Kaito lachend wissen als er die junge Kämpferin breit grinsend in Empfang nahm. „Danke für das Kompliment...“, knurrte Mai. Sie war sichtlich nervös und angespannt. „Meinst du, du vermasselst dein Date Heute wieder?“. Kaito liebte es seine Freundin zu necken und schlug die Hände hinter dem Kopf zusammen. „Das ist kein Date!“, fauchte sie, ballte die Fäuste und versuche Kaito einen Hieb zu verpassen, als dieser das Wort „Date“ immer lauter wiederholte. „Halt den Mund du Spinner!“. „Ein Date? Hast du einen Freund?“, wollte Yuuta bald interessiert wissen und seine Schwester verschränkte kopfschüttelnd die Arme. „Nein! Hab ich nicht! Kein Wort mehr darüber! Kapiert?“, forderte sie. Das Thema war ihr sichtlich unangenehm, da es durchaus möglich war, dass es in falsche Ohren geriet - was Kaito jedoch zu seinem Spaß ausnutzte. „Ein Freund mit Holz vor der Hütte!“, lachte der junge rothaarige Kämpfer neckisch und schien Mai problemlos in Schacht zu halten. „Ist doch toll... Eine Hütte wäre mir viel lieber als das Zelt!“. Yuuta seufzte und ließ die Beine baumeln. Er hatte sich auf den breiten Holzpfahl gesetzt und beobachtete seine gereizte Schwester mit fragendem Blick, welche noch immer versuchte sich gegen Kaito verbal zur Wehr zu setzen. Die beiden hatten bei ihrer Zankerei jedoch nicht bemerkt, dass Prinzessin Aimi bereits eingetroffen war und neben Yuuta stehend auf Beachtung wartete. Sie lächelte den kleinen Jungen freundlich zu, welcher sie zur Begrüßung umarmte und sich ihr zuwendete. „Mai hat ein Date mit einem Typen der sogar Holz vor seiner Hütte hat und es scheint ihr peinlich zu sein, deswegen streiten sie...“, erklärte er kopfschüttelnd und Aimi schmunzelte, wobei sie ihre Arme erwartungsvoll verschränkte. „Ist das so!?“, wollte sie wissen und lege absichtlich mehr Betonung auf ihre Worte, um die Aufmerksamkeit der beiden Streithähne auf sich zu ziehen. „Dann sollte sie sich beeilen, damit ihr Date sie nicht noch stehen lässt. Oder wie siehst du das kleiner?“, zwinkerte sie und Yuuta nickte lächelnd. Völlig überrumpelt fuhr Kaito mit den Armen herum um sich zu sortieren und die schöne Prinzessin zu begrüßen, als er sie endlich bemerkt hatte. „Das tut mir Leid! Ich habe Euch nicht gesehen!“, entschuldigte er sich hektisch. „Meine Schülerin hier ist, wie Ihr seht, ziemlich ungestüm!“, erklärte er, während er sich vor ihr verbeugte und richtete den Blick auf Mai, welche neben ihm stand und ihn am liebsten ihren Ellenbogen spüren gelassen hätte. Er war ihr peinlich und Kaito fand das offensichtlich auch noch witzig. Aimi musste ja inzwischen ein völlig falsches Bild von ihr haben. „Ich... bitte um Verzeihung“. Mai war mürrisch. Aimi schüttelte den Kopf und nahm Yuuta an die Hand. „Ihr braucht euch mir gegenüber nicht so arg vornehm zu verhalten. Ihr könnt gern ihr selbst sein. Ich werde es euch nicht übel nehmen!“, erklärte die junge Frau. „Glaubt mir, die meisten meiner Familie, Freunde und Bekannten sind so langweilig... ihr wollt nicht so sein!“, zwinkerte sie und kehrte den erstaunten Gesichtern von Mai und Kaito den Rücken zu. „Folgt mir einfach, ich werde euch hin führen!“. Das Großzelt des Königs war weniger prunkvoll als Mai es sich eigentlich vorgestellt hatte. Im Gegenteil. Es war fast genau so lieblos wie jedes andere, nur das ein langer gedeckter Teppich ausgelegt war und viele Sitzkissen um diesen herum auf dem Boden lagen. Ausgeleuchtet wurde das Zelt mit Kerzenschein und an seinen Ausgängen standen einige Ritter und Gardisten welche Wache hielten, neben weiteren überlebenden Angehörigen und Freunden der Königsfamilie Nanami. Zu Essen gab es Reis und Drachenfleisch. Es war wohl das des Drachen den Mai durch Zufall erlegt hatte und er schmeckte gar nicht mal so übel wie er aussah. Dass Mai den König eigentlich gar nicht sehen wollte und sie nur wegen Aimi und dem Wunsch ihres Bruders – Einmal den König kennen zu lernen - hier war, versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen. „Ich bin dir wirklich sehr dankbar dafür, dass du meine Tochter vor dieser Kreatur bewahrt hast! Würde ich auch sie verlieren... Ich mag gar nicht daran denken! Dass wäre das schlimmste was mir jetzt noch passieren könnte...“, erklärte der alte König und versuchte dabei so neutral wie möglich zu wirken um seine Trauer zu überspielen. Aimi blickte mitfühlend zu ihm herüber, während Mai ihm mit Argwohn entgegen funkelte. „Auch unsere Gäste haben im Krieg Familienmitglieder verloren Vater... Ich bin immer an deiner Seite“, versprach die Weißhaarige und umarmte den König, den Mann für den Mai nichts als blanken Hass verspüren konnte. Wie er sich gab, wie freundlich er zu Aimi war, wie väterlich – Es machte sie innerlich rasend. Ob dieser Krieg auch sein Verdienst war? Waren ihre Eltern und Freunde wegen ihm gestorben? Dieser Mann machte nicht den Eindruck, als wenn er überhaupt Irgendwem etwas böses tun konnte. Vielleicht wurde er gerade deswegen so geschützt? Wegen seiner Falschheit? Mai verachtete ihn. In ihrer Vergangenheit nahm er eine bedeutende Position ein, wobei er sie offensichtlich nicht einmal erkannte. Krampfhaft versuchte sie ihre Erinnerungen zu unterdrücken und ballte die Hände zu Fäusten. Es viel ihr schwer, ihre Augen wurden feucht und das Atmen zunehmend schwieriger. Wie weg getreten starrte sie förmlich auf die zwei, wobei von Aimi eine Faszination, Ablenkung und Ruhe ausgelöst wurde, welche sich Mai nicht erklären konnte. Was sie allerdings nicht bemerkte war, dass ihr kleiner Bruder Yuuta von dem Geschehen auch nicht unberührt geblieben war. Ganz im Gegenteil schien Yuuta wie erstarrt. Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Blick kalt wie der eines Toten. Der Junge zitterte und in seinem Kopf irrten Bilder umher denen er sich bisher immer enthalten hatte. Er verstand nun was ihm fehlte, er verstand was jetzt anders war – ihm wurde erst jetzt bewusst, dass er selbst keinen Vater mehr hatte. Keinen Vater und keine Mutter. Dies war kein Ausflug mit seiner Schwester der eines Tages damit endete, dass Yuuta seine Eltern wieder in die Arme schließen konnte. Er hatte es verdrängt. Ihm wurde bewusst, dass er ein Waise war. Unbewusst jedoch, hatte der Junge das Besteck fallen gelassen. Langsam begann er mit dem Kopf zu schütteln um seine Erinnerungen wieder einzusperren. Sie sollten dahin zurück wo sie bisher waren! Völlig verzweifelt kniff er die Augen zusammen und hielt sich bald schreiend den Kopf. Dass Yuuta das Aufsehen aller um sich herum auf sich gezogen hatte, realisierte er gar nicht. Er schüttelte bloß immer wieder den Kopf, weinte und schrie nach seinen Eltern. Selbst als seine Schwester ihn an sich gedrückt hatte und tröstete, hörte Yuuta nicht auf zu weinen. Er vergrub sein Gesicht in ihren Armen und hielt sie so fest wie noch nie. Mai wusste, dass dieser Moment irgendwann kommen musste und auch sie konnte ihre Tränen kaum verbergen. Auch die Frau, die sonst so stark und kühl schien, zeigte jetzt Schwäche. Für sie war es eine Schmach dem König gegenüber zu treten. Sie hielt ihren Bruder fest, während die anderen sie beide beobachteten. Manche fächerten sich Wind zu, andere starrten bloß - schockiert von dieser Aufführung. Und wieder andere, wie auch Aimi, waren einfach berührt und traurig. Zu allem Überfluss, tat der König nun auch noch so, als wenn er Mai und Yuutas Leid nachvollziehen konnte, indem er sie beide mitfühlend anlächelte. Das war nun endgültig zu viel. Mai erhob sich und nahm ihren Bruder auf den Arm. Sie wollte bloß nur noch weg von hier, weg von diesem Ort – von diesen Leuten. Sie konnte es nicht ertragen. Ihr Herz schmerzte, brannte auf grausamste Art und Weise. Dass Aimi sie an Jemanden erinnerte, machte es ihr nicht leichter. Es war die Hölle. Kopfschüttelnd entschuldigte sie sich und verließ das Geschehen – dicht gefolgt von ihrem besten Freund Kaito. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)