Happy von Umi (Eine Kaibabrüder-Oneshot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 3: Happy (Dark/Drama - Setos p.o.v.) -------------------------------------------- "Es wird der Stress sein... hat er das öfter?" Zögern. "Nein..." Rascheln. "Dann ist er wirklich nur überarbeitet. Machen Sie sich keine Sorgen, junger Mann, Ihr Bruder wird sich bald erholen." Schritte. Die Tür fällt ins Schloss. Das Bett knarrt leise, als du dich über mich beugst. Deine kühle Hand auf meiner Stirn. Ein leiser Seufzer. "Nii-sama, was soll das?" Warum dieser vorwurfsvolle Ton? Was kann ich dafür? Jeder Mensch wird mal krank. Darf ich das nicht? Kann ich etwas dafür, dass sowas vorkommt? Heute? Am Tag deiner Abreise? Die letzten beiden Male habe ich dir gesagt, dass du keine Rücksicht nehmen sollst. Aber du bist trotzdem geblieben. Du meintest, dass du erst beruhigt fliegen kannst, wenn es mir besser geht. Wenn das so ist, dann kannst du eben nicht gehen. Dann musst du eben hier bleiben. So schlimm ist das nicht. Die letzten Jahre ging es ja auch. Oder nicht? War es denn so furchtbar? Erträgst du mich gar nicht mehr? Wieder dieses Seufzen. Du ziehst deine Hand zurück, kletterst zu mir ins Bett. Wie damals, als du noch ein Kind warst. Leidest du, kleiner Bruder? Ich kann wirklich nichts dafür. Sie kommt von alleine. Die Hitze. Du sagst mir, dass du im Ausland studieren willst. Gute Idee. Reis herum. Lern was. Schau dir die Welt an. Und am Morgen wolltest du dich verabschieden. Mich umarmen. Ich wollte ja nicht, aber du hast es einfach gemacht. Es ist deine Schuld, dass meine Beine nicht mehr wollten. Du hast alles um mich herum schwarz werden lassen. Ich hab noch deine Arme gemerkt, noch kurz dein trauriges Lächeln gesehen. "Ich komm ja wieder, Nii-sama." Aber wann? Alles begann sich noch stärker zu drehen, als es das sowieso schon tat. "Nii-sama?" Hast noch versucht mich zu stützen... Aber erfolglos, plötzlich hab ich dich nicht mehr gespürt. Nur noch die Hitze in meinem Gesicht. Nach ein paar Tagen ging es wieder. Wir redeten nicht darüber. Dann hast du mir beim Abendessen den Termin deines Flugs gesagt. So endgültig. Als gäbe es kein Zurück. Keine Alternative. Das selbe Spiel von vorn. Nur diesmal hats mich schon nach dem Frühstück umgeworfen. Ohne deine Arme. Deine Wärme. Schon war der Flug wieder unwichtig. Cancelled. Ich war wieder wichtiger. Nur ich. Für zwei ganze Tage. Dann konnte ich auch schon wieder arbeiten. Wusste ja, dass du daheim auf mich wartest. Dass ich dich hab, wenn ich nach Hause komme. Bis es vergangenen Sonntag dann wieder hieß "Ich habe einen neuen Flug gebucht." Ich habe genickt "Gut." Dein argwöhnischer Blick... Eine kurze Umarmung, gute Nacht. Schon war ich wieder alleine. Unwichtig. Die ganze Woche über hast du organisiert. Neu gepackt. Telefoniert. Hast mich kaum beachtet. Schon geschlafen, wenn ich nach Hause kam. Wenn ich mir etwas zu essen nehmen wollte, aber nicht konnte. Wenn mir schlecht wurde. Ich habe nichts gegessen. Wasser und Kaffee, alles andere wollte nicht drin bleiben. Ich kann nichts dafür. Es ist nicht meine Schuld. Ich weiß schließlich, dass du mich besuchen kommst. Du kommst ja wieder. Du hast es mir versprochen. Genauso wie Vater damals, als er nur schnell etwas einkaufen wollte. Genauso wie Mutter damals, als sie ins Krankenhaus fuhr, um dich zur Welt zu bringen. Vater kam nicht mehr wieder. Mutter hast du auch nie kennen gelernt. Heute wolltest du mich verlassen. Nur für ein paar Monate. Bis zu den Semesterferien. Ich mache das nicht mit Absicht Ich bin schließlich stark. Ich wollte mich ja von dir verabschieden. Ich war fast unten. Erst auf der letzten Treppenstufe blieb mir plötzlich die Luft weg. Alles drehte sich. So wahnsinnig schnell... Schneller... Erst auf der letzten Treppenstufe hat mein Körper schlapp gemacht. Ist umgekippt. Heiß... Heißer... Kein erschrockenes "Nii-sama". Es standen auch keine Koffer im Flur. Dann war es wieder schwarz. Und jetzt liegst du neben mir. Hast deine Arme um das dürre Etwas geschlungen, das mal dein Bruder war. Fährst mir immer wieder durch die Haare. "Ich habe dich angelogen." Kurze Stille. "Mein Flug geht erst morgen. Ich wollte nur sehen, ob das der Grund ist." Du rückst näher, kuschelst dich an mich. "Du bist ein Idiot, Nii-sama. Ich komme doch wieder..." Ich drücke dich an mich. So fest ich kann. "Du bist wach? Drücke dich fester... Fester... Du stößt mich weg und verlässt mein Bett. Lehnst dich an die Tür und siehst mich verbittert an. Warum so enttäuscht? "Du bist krank." "Deshalb lieg ich doch hier..." Dein Blick wird kalt, nahezu eisig. "Das meine ich nicht." Du stößt dich von der Tür ab, kommst wieder zu mir. Schnippst mit dem Finger an meine Stirn. "Ich meine das. Da oben bist du krank und zwar gewaltig." Und wenn schon. War ich das nicht immer? Wusstest du das noch nicht? Es hat doch trotzdem alles funktioniert. Und es kann weiter funktionieren, wenn du hier bleibst. "Ich werde nächsten Monat 19, Nii-sama. Hast du gehört? 19." Und? "Ich bin erwachsen. Ich habe einen guten Abschluss und Harvard fleht förmlich auf Knien, dass ich dort studiere." Tut das nicht jede Uni auf diesem gottverdammten Planeten? "Ich werde alleine dort hingehen. Ich werde mir alleine eine Wohnung suchen, vielleicht zieh ich auch in eine WG mit Leuten, die ich erstmal gar nicht kenne." Du fährst dir durch die langen, wirren Haare, gehst unruhig auf und ab, ehe du dich wieder zu mir drehst. "Ich will auch dein blödes Geld nicht, ich werde mir einen Job suchen, ich werde vielleicht ein nettes Mädchen kennen lernen und sicher auch auf einige Parties gehen." Ich setze mich auf. Es dreht sich noch immer alles. "Warum willst du arbeiten? Du hast genug Geld. Wir haben genug Geld." Warum wirkst du so... verzweifelt? "Du kapierst das einfach nicht. Und dabei dachte ich, dass ausgerechnet du das verstehen müsstest, nach all den langen Reden, die du mir und damals auch anderen gehalten hast." Wieder gleiten deine langen Finger durch die schwarze Mähne. Ich erinnere mich noch daran, als deine Hand so winzig war, dass sie in meiner komplett verschwand, wenn ich sie nahm. Wie zierlich und klein du warst als Kind... Ich musste dich immer beschützen. "Verdammt noch mal, Nii-sama, hörst du mir überhaupt zu?" Und nun liegen deine großen, schlanken Hände auf meinen Schultern, rütteln mich leicht. Dein Gesicht ist direkt vor meinem. Deine großen, traurigen Augen... Wieder schlinge ich meine Arme um dich, ziehe dich an mich. Lege meinen Kopf auf deine Schulter. Erst willst du mich wegstoßen, dann erwiderst du die Umarmung aber. Fährst mir durch die Haare, lehnst dich an mich. Schließlich beginnst du leise zu schluchzen. Ich lege meine Hand an deine Wange und streiche die Tränen weg. "Warum weinst du, Mokuba?" Ich würde doch alles für dich tun. Ich will dich nicht immer zum weinen bringen, ich will dich lachen sehen. Du lehnst deine Stirn an meine und siehst mich traurig lächelnd an. Ich komme mir vor wie ein Kind... Erst recht, als du mir einen weichen Kuss auf die Stirn gibst und über die Wange streichst. Deine Stimme ist nicht mehr als ein tränenersticktes Flüstern. "Lass mich gehen, Nii-sama..." Nein. Dann funktioniert alles nicht mehr. Dann funktioniere ich nicht mehr. Du lässt dich wieder in meine Umarmung sinken. Ich kann deinen warmen Atem an meinem Nacken spüren... "Lass mich frei... bitte..." Ich nicke. Du lächelst. Dann lege ich mich wieder hin. Schlafe wieder ein, in dem Wissen, dass du neben mir liegst. Dass du noch nicht weg bist. Du würdest nie gehen, ohne dich zu verabschieden... All I want in life is to be happy. It seems funny to me. How fucked things can be. Everytime I get ahead. I feel more dead... Das Erste, was ich sehe, sind die Sonnenstrahlen, die sich zwischen die schweren Vorhänge hindurchzwängen. Die andere Hälfte des Bettes ist leer. Bis auf einen zerknitterten Zettel. Gomen nasai, Nii-sama. Ich verspreche dir, dass ich dich besuchen werde. - Mokuba Das Papier gleitet aus meiner Hand. Ich stehe auf, trete ans Fenster und ziehe die Vorhänge auf. Mein Blick fällt auf den Vogelkäfig, der neben mir steht. Du hattest mich überredet, ihn zu kaufen. Warum weiß ich nicht mehr. Wenn du jetzt frei bist, kann er ja auch gehen, oder nicht? Ich öffne die Balkontür. Der ganze Raum wird förmlich vom Licht durchflutet. Vorsichtig nehme ich den kleinen Vogel aus seinem Käfig. Er ist ganz still, rührt sich nicht. Ich trete nach draußen und werfe ihn in die Luft. Er will nicht fliegen, versucht es nicht einmal. Wie ein Stein fällt er nach unten und klatscht auf die Terrasse. Ich schaue ihm nach. Er bewegt sich noch immer nicht. Seit ein paar Tagen war er schon so still... Ich hätte ihn in seinem Käfig lassen sollen. Ich glaube, dort war er glücklich. - ENDE - _________________________________________________ Songtext: "Happy" by Korn Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)