A Thief´s Life von TiniChan ================================================================================ Kapitel 11: Das Herrenhaus -------------------------- Zuhause ging er auf und ab. Er wusste, er würde diese Frau wahrscheinlich nie wieder sehen. Dennoch würde dieser Abend ihm lange in Erinnerung bleiben. Was hätte Merlin wohl dazu gesagt? Demian erinnerte sich, dass sein Ziehvater manchmal alleine weg ging und beim zurück kehren so seltsam zufrieden und gleichzeitig wehmütig gewesen war. Natürlich hatte der junge Dieb gewusst, wo, oder eher bei wem er diese Zeiten verbracht hatte. Demian selbst hatte nie das Bedürfnis gehabt, Merlin zu begleiten. Er lächelte. Wahrscheinlich hätte sein Meister ihn damit aufgezogen, dass er endlich ein richtiger Mann sei. Und ihn ins nächste Freudenhaus mitgenommen. Am nächsten Tag wurden die Buden wieder abgebaut, der Alltag kehrte wieder ein. Demian ging ziellos durch die Straßen und fand sich schließlich (zufällig?) am Hafen in der Nähe der Kneipe wieder. Warum beschäftigte ihn diese Sache so sehr? Er war gerade ziemlich verwirrt, in seinem Inneren ging alles durcheinander. Nachdenklich stand er an einem Steg und blickte auf das Meer hinaus. Es war doch eine ganz normale Sache. Vielleicht war das einfach die Nachwirkung seiner zuvor völlig unbekannten Gefühle, die er empfunden hatte. Ihm war klar, dass es mit einiger Sicherheit nicht bei dieser einen Erfahrung bleiben würde. „Hab ich mich doch nicht getäuscht!“, riss ihn eine wohlbekannte Stimme aus den Gedanken. „Mich einfach in der Kneipe sitzen zu lassen!“ Der alte Seeman kam auf ihn zu. „War keine Absicht.“ „Also wo du gesteckt hast, brauchst du mir nicht zu sagen, ich habe doch Augen im Kopf!“ Giso grinste breit. „Das war aber auch eine süße Kleine, die du da abgeschleppt hast!“ „Es war eher umgekehrt“, murmelte Demian. „Hä?“ „Nichts. Neidisch?“, gab er zurück. „Vielleicht, ha ha! War es wenigstens gut mit ihr? Du kannst mir ja nicht erzählen, ihr habt nur geredet!“ `Ja, es war schön`, dachte der Dieb, aber er antwortete: „Denk doch was du willst. Ich brauche dir keine Rechenschaft abzulegen.“ „Aber warum bist du dann einfach abgehauen?“ „Ganz einfach, weil da jemand war, der mich nicht sehen durfte.“ „Aha, verstehe schon.“ Und da kam schon wieder jemand, auf dessen Gesellschaft Demian keinen Wert legte. Stich samt einiger Kumpanen kamen direkt in ihre Richtung. Der Dieb verabschiedete sich knapp und machte sich in die andere Richtung davon. Zunächst holte er die neuen Kleider vom Schneider ab, dann suchte er seine Händlerin Anna auf, um sich mit Waffen einzudecken. Danach ging er wieder heim und verbrachte den Rest des Tages mit Lesen und einem kleinen Nickerchen zwischendurch. Am Abend beschloss er einen neuen Streifzug. Am Rande der Stadt in der Nähe der Adeligen gab es ein großes Herrenhaus, das ihn schon lange reizte. Es lag recht abseits, aber es hieß in den kriminellen Kreisen, dort wäre etwas zu holen. Gerüchten zufolge hatten dort schon einige Diebe ihr Glück versucht und waren nie zurück gekehrt. Es war sogar von einem Fluch die Rede, dem diese Kerle zum Opfer gefallen wären, aber Demian schenkte dem keinen Glauben. Nach einer längeren Wegstrecke stand er auf der Hauptstraße vor dem Haus. Es unterschied sich deutlich in der Bauweise von anderen Adelsvillen. Reich verzierte Giebel, zwei spitze Ecktürme an jeder Seite des Gebäudes. Die Außenmauer war baufällig, was ihm gerade recht kam. Das einzig seltsame war die Stille hier. Keine Menschenseele weit und breit zu sehen oder zu hören. Der Dieb suchte sich von der Seitengasse aus eine Stelle, an der er gefahrlos die Mauer erklimmen konnte und befand sich nun im Garten. Am Haupteingang standen zwei Wachen, weitere drehten hier ihre Runden Er beobachtete die Wachen von einem Versteck aus eine Weile, um sich ihre Runden einzuprägen. Aber irgendetwas war hier ungewohnt. Und erst als eine Patrouille mehrmals an ihm vorbei gekommen war, wurde ihm klar, was. Es war vollkommen still. Zu still. Die beiden Männer sagten kein einziges Wort. Weder zu sich selbst, noch miteinander. Ihr Gesichter waren beinahe wie Masken, starr und ausdruckslos. Es schien, als wären sie geistig gar nicht anwesend, wie ferngesteuerte Puppen. Und das war nicht nur bei ihnen so, sondern bei allen Wachen, an denen er sich jetzt vorbei schlich um eine unbewachte und unbeleuchtete Hintertür zu erreichen. Die Tür führte in die Küche. Leise schlich er sich hinter dem Koch entlang zur Tür gegenüber. Alles was er hörte, waren die dampfenden Töpfe und das Haumesser, mit dem der Koch gerade Fleisch bearbeitete. Doch seine Bewegungen wirkten seltsam fahrig, auch er war völlig stumm dabei. Dann war er in der Eingangshalle und suchte sich eine dunkle Ecke. Eine große dreigeteilte Treppe führte nach oben. Ein sehr großer Kamin direkt neben dem Haupteingang. Gegenüber von seinem Standpunkt aus sah Demian zwei weitere Türen, die er sich als nächstes vornehmen wollte. Eine Wache ging ihre Runde oben, zwei hier unten. Ein Diener, der einen Eimer trug, kam die Treppe herunter und ging in die Küche. Aus eine der anderen Türen kam noch einer, der die Treppe wiederum nach oben ging, aber nach kurzer Zeit wieder herunter kam um in dem Raum zu verschwinden, aus dem er gekommen war. Zwei Wasserpfeile löschten die Fackeln, die ihn verraten konnten und er schlich sich in den nächsten Raum. Dort standen zwei Betten mit Nachtschränken, die er sogleich untersuchte, in einem befand sich ein Geldbeutel. Die gequält klingende Stimme kam aus dem Nichts und so plötzlich, dass er zusammen zuckte: „Verschwinde von hier!“ Wer oder was war das eben gewesen? Er sah sich um, es war nichts und niemand zu sehen. Demian beruhigte sich wieder, vielleicht war er einfach nur etwas nervös. Er steckte den Geldsack ein und ging vorsichtig aus dem Raum zurück auf den Gang. Sein nächstes Ziel waren die Privatgemächer des Hausherren. Als eine Wache vorbei kam, drückte er sich eng an die Wand. Und wieder fiel ihm auf: Der Mann wirkte genauso abwesend und stumm wie die Wachen im Garten. Dasselbe traf auch auf alle Diener zu, die er gesehen hatte. Und obwohl der riesige angefeuerte Kamin in der Eingangshalle eigentlich genug Wärme hätte spenden müssen, hatte Demian das Gefühl, dass es immer kälter wurde. Er sah seinen eigenen Atem zu einer weißen Wolke verdunsten. Nur einen Augenblick blieb der Wachmann jetzt stehen und sah in seine Richtung und Demian zuckte wieder zusammen, als er dessen Augen sah. Sie waren gänzlich schwarz, wie zwei dunkle Löcher im Schädel. Er schüttelte blinzelnd den Kopf, als der Wachmann ohne ihn zu entdecken weiter ging, waren die Augen aber normal gewesen. Hatte er sich das gerade eingebildet? Verwirrt schlich er sich weiter und ging langsam und vorsichtig die Treppe hoch. Noch auf der letzten Stufe erstarrte er für einen Moment. Da war ein blutiger Schriftzug an der Wand zu sehen: „Flieh, solange du noch kannst!“ Und so plötzlich wie er aufgetaucht war, war er auch verschwunden. Hatte er sich das auch nur eingebildet? ´Was ist das für ein Haus`, dachte er mit zunehmender Unsicherheit.´Was geht hier vor?` Er atmete ein paar Mal tief durch, bevor er weiter ging. An der Tür angekommen, stand eine Wache davor. Abwesend und still wie alle anderen. Ein Wasserpfeil löschte die Fackel, die Wache stand weiterhin stumpf vor sich hin blickend da und reagierte auch nicht auf die plötzliche Dunkelheit. Der Dieb schlich sich an ihm vorbei und drückte die Klinge leicht herunter. Abgeschlossen. Aus der kleinen Privatbibliothek gegenüber kam eine Frau, mit einem Besen in der Hand und auch bei ihr glaubte er zunächst, zwei schwarze Löcher statt Augen zu sehen, so dass er sich über die eigenen fuhr. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Demian knackte die Tür, brauchte aber mehrere Versuche, weil seine Hände ein wenig zitterten und er deshalb immer wieder abrutschte. In den Räumen angekommen, sah er sich um. Es gab ingesamt vier Räume, bis auf eines alle mit einem bogenförmigen Durchgang verbunden. Das vierte Zimmer mit der Tür erwies sich als kleines Bad. Auf dem Waschbecken lag ein silbener Ring mit einem blauen Edelstein, der rasch den Besitzer wechselte. Im Wohnzimmer fanden sich keine Wertsachen. Auf dem Schreibtisch des Arbeitsraumes lag ein aufgeschlagenes Buch. Neugierig las der Dieb, was darin stand: „Endlich habe ich nach jahrelanger Suche einen der schönsten Edelsteine aller Zeiten gefunden. Um die halbe Welt bin ich dafür gereist, habe Unmegen Geld ausgegeben und nun gehört er mir! Die „Perle der Isis“ ist endlich mein! Dieser Rubin ist die Krönung meiner Juwelensammlung. Und diese dummen Eingeborenen des Landes, wo ich schließlich am Ziel meiner Suche war, Himmel was für primitive Leute! Ein Fluch? Humbug! Ihre Göttin Isis ist doch nichts weiter als heidnischer Unfug. Es gibt nur einen Gott und das ist unser geliebter Schöpfer und nicht das Götzenbild einiger unwissender Waldmenschen.“ Das war interessant. Wenn Demian diesen Edelstein in seinen Besitz bringen konnte, würden sich sämtliche Edelsteinschleifer der Stadt um dieses kostbare Kleinod reissen. Er las auf der nächsten Seite weiter: „Wie mich alle um dieses Prachtstück beneiden würden! Aber nein, niemand wird davon erfahren. Die „Perle der Isis“ gehört nur mir! Nicht dem Museum oder gar dem Schöpferorden, sonder nur mir allein! Stundenlang könnte ich mir diese blutrote Kugel ansehen. Ich habe beschlossen, den Stein in meinem geheimen Wandsafe einzuschließen, damit niemand mehr ausser mir da ran kommen kann. Die Diebe dieser Stadt können von mir aus ruhig mein Haus plündern, aber sie wissen nicht, dass es diesen Safe gibt, wo er ist und vor allem wie man ihn öffnet. Nur ich weiß es. Der Rubin ist absolut sicher.“ Absolut sicher also. Abwarten, sagte Demian sich lächelnd. Die Sammlung samt Rubin war zweifellos hier in diesen Zimmern versteckt. Fern neugieriger Diener oder Hausgäste. Er hob den Blick vom Buch hoch und selben Moment sah er sich der durchsichtigen Gestalt eines Edelmannes gegenüber, stöhnend, blutüberströmt. Und noch ehe er reagieren konnte, war die Erscheinung auch schon wieder verschwunden. „Was war das jetzt schon wieder...“ Demian schüttelte den Kopf. Er musste sich jetzt konzentrieren, konnte aber nicht verhindern, dass er unglaublich nervös geworden war durch diese seltsamen Erscheinungen. Er steckte einen weiteren Geldbeutel ein, den er in einer Schublade fand und ging ins angrenzende Schlafzimmer. Dort lag der Hausherr schlafend im Bett. Ein Nachtlicht erhellte den Raum. Nun musste er das Versteck des Safes finden. Aus Erfahrung wusste Demian, dass oft Gemälde gewählt wurden, um dahinter eine Wandnische zu verbergen, also sah er sich alle drei Bilder, die hier hingen genau an. Er behielt Recht. Eines schien mit der Wand verbunden, es ließ sich nicht einfach ab hängen, sondern wie eine Tür nach außen klappen. Da war der Safe. Er runzelte die Stirn. Der Safe hatte ein sehr besonderes Schloss, es war rund und der Rand mit Symbolen verziert, die man wie einen Knopf nach innen drücken konnte. Anscheinend musste man ganz bestimmte Symbole drücken, um den Safe zu öffnen. Nur welche? Demian sah sich um, irgendwo musste es doch einen Hinweis geben. Vielleicht die Bilder selbst, er schaute sich alle drei noch einmal an. Nichts zu finden. Nachdenklich trat er zum Bett. Der Schlafende schnarchte friedlich vor sich hin. Das Bett war reich verziert. Dann fiel Demian etwas auf. In der Mitte des Kopfendes war ein rundes Muster. Er sah genauer hin und stellte fest, dass es identisch mit dem Safeschloss war. Vorsichtig beugte er sich vor und tastete mit einer Hand daran. Sechs der insgesamt elf Symbole waren als kleine Kuppen fühlbar, der Rest wie kleine Löcher. Entschlossen trat er an den Safe und drückte fünf der Symbole genau so, wie sie am Bett angeordnet waren. Es klickte hörbar. Mit dem Blick auf den schlafenden Edelmann und einem leisen Lächeln öffnete er nun die Safetür und dann funkelte ihm der Edelstein und einige kleinere Juwelen entgegen. Es war wirklich ein Prachtexpemplar von einem Rubin, wie er es noch nie gesehen hatte, fast so groß wie ein Hühnerei. Ein schneller Griff und Demian hielt neben den anderen Steinen die „Perle der Isis“ in den Händen. Er entschied sich für den Rückzug aus diesem seltsamen Haus, seine bisherige Beute war eher gering, aber der Wert dieses einzelnen Kleinods machte das mehr als wett. Draußen auf dem Gang war alles ruhig. Der Wachmann bemerkte ihn wieder nicht. Plötzlich ertönte aus den Privatgemächern ein seltsamer kläglicher Laut. Es klang, als würde da drinnen jemand nach Luft ringen. Er ging leise wieder zurück, öffnete vorsichtig die Tür, dann ging alles ganz schnell. Er registrierte noch, dass das Zimmer sich plötzlich aufzulösen schien und in der Mitte erschien eine rot leuchtende Pyramide, die ihn unaufhaltsam zu sich zog. Er war unfähig sich davon zu befreien und dann erschien eine Kreatur die ihm, den bizarren Anblick Untoter gewohnt, das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war nur ein Kopf, der Kopf eines riesigen Krokodils, es starrte ihn mit rot glühenden Augen an und riss sein Maul weit auf. Er fiel durch dieses furchteinflössende Bild hindurch ins Nichts. Dann ein Aufprall und die Sinne schwanden ihm. Als er erwachte, befand er sich wieder im Schlafzimmer, welches aber anders aussah als zuvor. Das blutige Bett war leer. Die Möbel waren verstreut und kaputt, als hätte jemand versucht alles kurz und klein zu schlagen. Eine große Blutlache war auf dem Teppich, die Safetür heraus gerissen. Das Wohnzimmer sah genauso aus. Der Schreibtisch des Arbeitsraumes ebenso wie das Buch war blutverschmiert. Nur wenige Worte waren noch zu entziffern: „Was habe... alle verflucht... Hilfe... Der Fluch wird uns alle... niemand kann uns... Alle sind tot... Monster... betreten... kann entkommen... werden ebenfalls sterben... Erlösung?... Isis... flehe... ! “ Von draußen hörte er schlurfende Schritte, Stöhnen, ein geisterhaftes Geflüster, diese Geräusche kannte er. „Das kann doch nicht...“ Vorsichtig öffnete die Tür einen Spalt breit, es war nichts zu sehen. Er tastete sich wie durch Nebel bis kurz vor die Haupttreppe. Er hatte sich nicht getäuscht. Das ganze Haus war in düsteres Licht getaucht und wirkte wie eine verlassene und verfallene Ruine. Das Feuer im Kamin in der Eingangshalle und das der Fackeln war grün, von manchen Stellen stiegen Rauchwolken aus dem Nichts auf, als ob es brannte und es war eisig kalt. Mittendrin sah er das Wachpersonal und die Dienerschaft ziellos umher wandeln, bestehend aus Zombies und Geistern mit schwarzen Löchern im Gesicht statt Augen, wie er es vorhin schon gesehen hatte. In der Mitte der Eingangshalle stand ein Stuhl, darauf saß die entstellte und mumifizierte Leiche des Hausherren. Erschrocken lehnte Demian sich gegen die Wand. In was für ein Dilemma war er hier nur hinein geraten? Und vor allem, wie kam er wieder da raus? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)