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Pretty Girl

And that's what you get for falling again...
von

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Prolog

Es war soviel passiert.
 

In den letzten Monaten hatte sich einfach alles verändert.
 

Sie waren nicht mehr die selben, die sie damals noch gewesen waren; würden es nie wieder sein. Ein unbeschwertes, normales Leben; zur Schule gehen; mit den Geschwistern streiten; sich mit Freunden treffen; über die neueste Musik diskutieren; das einzige Problem, das einen beschäftigte, war gewesen, die Abschlussprüfungen zu bestehen: Das alles schien schon so unendlich lange her zu sein.
 

Es war, als wäre ihr altes Leben bloß eine Geschichte, die man ihnen einst - als sie klein gewesen waren - zum Einschlafen vorgelesen hatte und die längst in Vergessenheit geraten war, bis die Erinnerung an sie plötzlich ohne erkennbaren Grund undeutlich wieder aufflackerte, hervorgerufen durch ein Gefühl, einen Geruch oder ein unbedachtes Wort.
 

Aber es war alles so weit weg.
 

Niemand hatte damit rechnen können, in was für ein Chaos sie gestürzt werden würden; in was für einen Krieg sie hineingezogen würden. Und doch waren sie zwischen die Fronten geraten, fanden sich inmitten der Schlacht wieder, deren unverzichtbarer Teil sie im selben Moment geworden waren.
 

Und dies war der selbe Augenblick gewesen, in dem sie ihrem vergangenen Ich Lebewohl hatten sagen müssen, auch wenn sie es in diesem Moment vielleicht nicht einmal begriffen hatten.
 

Genau so wenig wie sie zu diesem Zeitpunkt hatten ahnen können, dass dies erst der Anfang ihres Kampfes sein würde. Der Beginn einer langen Geschichte, die es erst noch zu schreiben galt und deren Ausgang ungewiss war.

Kein Weg zurück

Sie saß in diesem abgedunkelten Raum, still und reglos.
 

Ein junges Mädchen, kaum älter als 16 Jahre. Sie war vollkommen allein.
 

Sie rührte sich nicht, schien beinahe leblos, künstlich, wie eine einst geliebte Puppe, die man lange vergessen hatte, nun, da man erwachsen geworden war.
 

Selbst bei angestrengter Betrachtung ließ sich nicht die kleinste von ihr ausgehende Regung wahrnehmen. Sie schien nicht einmal zu atmen.
 

Ihre Silhouette verschwamm, je länger man sie ansah, je mehr man versuchte, den Blick auf sie zu konzentrieren. Sie schien sich aufzulösen und wurde schließlich ein Teil der Dunkelheit, die sie umgab, sodass man nicht einmal mehr ihre Umrisse zu erkennen vermochte; und weniger noch den Schmerz, der ihre puppenhafte Züge verzerrte. Sie litt an gebrochenem Herzen.
 

Für menschliche Augen war ihr Schmerz unsichtbar, da ihn die Dunkelheit verhüllte; doch für sie war er so scharfkantig und real, dass sie sich durch jede ihrer Bewegungen, durch jeden Atemzug, aufs Neue an ihm verletzte.

Wie als hätte man sie mit Stacheldraht eingewickelt, der sich bei der kleinsten Regung unweigerlich immer fester um den Körper zog und immer tiefer in die blasse Haut schnitt.
 

Sie war gebrochen, entmutigt, verzweifelt. Und auch wenn sie keinen einzigen Laut von sich gab der ihrer Verzweiflung verbal Ausdruck verliehen hätte, weder ein Seufzen noch ein Schluchzen, war offensichtlich, dass sie aufgegeben hatte.
 

Ihre Körperhaltung, die Verzweiflung, die ihr in das ansonsten hübsche Gesicht geschrieben stand, die bittere Aura der Hoffnungslosigkeit, die dickflüssig aus jeder ihrer Poren zu tropfen schien und langsam in der sie umgebenden Dunkelheit versickerte, machten eines klar: Sie hatte ihren Lebensmut verloren. Den Sinn. Die Hoffnung. Sie hatte alles verloren; und noch mehr.
 

Sie war gefallen und es schien, als könne sie die Kraft, aufzustehen, einfach nicht aufbringen. Nicht noch einmal. Nicht schon wieder. Es war genug.
 

Wenngleich man die Last, die sie niederdrückte, nicht zu erraten vermochte, konnte man mit Sicherheit sagen, dass es sich um eine unmenschlich schwere Last handeln musste; die Verzweiflung, die sie ausstrahlte, war so schrecklich, wie sie anziehend war. Magnetisch und schwarz.
 

Der Mond, der niemals unterging, warf kaltes, lebloses Licht durch die Gitterstäbe des einzigen Fensters in diesem Verließ.

Ein Fenster, das viel zu klein und viel zu hoch gelegen war, als dass es dazu hätte dienen können, einen Blick auf die schier endlose Wüste vor den abweisenden Mauern dieser Festung zu erhaschen.

Und wenn sie es doch hätte fertigbringen können, einen Blick hinaus zu werfen, hätte das das Gefühl der Verlorenheit, das ihren Verstand, ihr Herz beherrschte, wohl nur verstärkt.
 

Für sie war diese Festung kein Unterschlupf, sie war ein Gefängnis.
 

Aber es war nicht der Feind, der sie hier gefangen hielt: Es war das Schicksal. Ein Schicksal, das sie selbst gewählt hatte.

The unforgivable sin

Bis auf einen schmalen Korridor silbrig weißen Lichts, der die dickflüssige Finsternis messerscharf durchschnitt, sie beinahe mühelos zerteilte, war der Raum in Dunkelheit getaucht.
 

Eine schier endlose, undurchdringliche Dunkelheit, die sich von dem Unglück der Gefangenen, die sie einschloss, noch zu nähren schien.

Irgendwann würde sie sich einfach auflösen, verschwinden, ihren letzten Atemzug tun und dann einfach aufhören, zu existieren. Die Dunkelheit würde sie einfach verschlucken; sie würde zu einem Teil von ihr werden und damit würde ihr Dasein einfach ausradiert werden; getilgt vom Antlitz dieser Erde, so als hätte sie niemals existiert. Ein kleiner, versteckter Teil in ihrer Seele begrüßte diesen Gedanken; schließlich hatte sie längst nichts mehr zu verlieren.
 

Aber sie war vor Unglück wie gelähmt, ein weit schlimmeres Schicksal, als einfach zu verschwinden, sich in der Unendlichkeit des Nichts rettungslos zu verlieren. Denn so war sie gezwungen, diese Gefühle zu ertragen. Wenn sie aufhörte, zu existieren, würden zumindest auch die Gefühle der Schuld und Reue mit ihr verschwinden. Aber dieses Schicksal schien ihr nicht beschert zu sein.
 

Ihr Entsetzen über das, was sie getan hatte, war so groß, dass sie es noch immer nicht glauben konnte. Jedes Mal, wenn die Erkenntnis sie einholte, die Erinnerungen an ihr Handeln sich zu setzen begannen, wallte Übelkeit in ihr auf; ihr Herz sträubte sich dagegen, zu akzeptieren, was längst unveränderlich war. Die Vergangenheit ließ sich nicht mehr umschreiben. Und doch...
 

Was hatte sie nur Schreckliches getan?
 

Sie konnte es selbst kaum fassen. Sie konnte nicht glauben, was sie getan hatte.

Sie wollte es nicht glauben.
 

Sie wünschte, bat - nein flehte - um Erlösung; flehte darum, aus diesem schrecklichen Albtraum aufzuwachen; aufzuwachen in einer Realität, in der all das niemals geschehen war.
 

Sie war Abschaum.

Sie war wertloser als Abschaum.

Sie verdiente es nicht, weiterzuleben; verdiente es nicht, dieselbe Luft zu atmen, die sie atmeten; unter dem gleichen Himmel zu weilen, wie sie es taten. Dieser Gedanke hinterließ einen bitteren Nachgeschmack, da der Nachthimmel, der über dieser Wüste thronte, nicht einmal derselbe war, den die anderen sahen, wenn sie hinauf zu den Sternen blickten; sie hatte sich längst selbst bewiesen, dass sie es nicht wert war, ihren Himmel mit ihnen zu teilen. Nur deswegen war sie jetzt hier.
 

Sie schüttelte den Kopf und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen.
 

Was für ein Recht hatte sie, um Vergebung zu bitten? Um Erlösung, gar?

Keines.

Sie hatte ihr Recht auf Erlösung verwirkt. Für das, was sie getan hatte, gab es keine Vergebung.
 

Niemand hätte ihr so etwas jemals zugetraut. Am wenigsten jene, denen sie das angetan hatte. Niemals hätten sie es für möglich gehalten.
 

Sie war sicherlich die letzte, der man ein solches Handeln jemals unterstellt hätte; die man eines solchen Frevels jemals verdächtigt hätte.
 

Nicht nur das: Sie selbst hätte es sich am allerwenigsten zugetraut.
 

Und doch war sie - sie und niemand anderes - diejenige gewesen, die es getan hatte.
 

Sie war diejenige gewesen, die denen, die sie am meisten liebte, das Messer in den Rücken gerammt hatte; hinterhältig und verlogen.

Die Wunde war so tief, dass sie unweigerlich daran zugrunde gehen mussten. So erbarmungslos, dass es keine Rettung mehr geben konnte.
 

Sie war unter dem Druck zusammengebrochen, der auf ihr gelastet hatte.

Es war einfach zu viel gewesen.

Sie legte instinktiv die Stirn in Falten und kniff die Augen zusammen, um die Tränen zu unterdrücken, die unweigerlich in ihr aufwallten und in ihren Augen brannten. Sie war so schwach, so erbärmlich. Natürlich war sie es gewesen, die versagte.

Sie hatte aufgegeben. Sie hatte dem Feind nachgegeben. Sie war immer die Schwächste von ihnen allen gewesen.
 

Sie hatte ihr Bestes gegeben, um stärker zu werden.

Sie hatte wirklich alles getan, was in ihrer Macht stand, um nicht zurückzufallen.

Sie hatte sich selbst überwunden, wieder und wieder. Doch letzten Endes waren die anderen ihr trotzdem immer mindestens einen Schritt voraus.

Sie konnte einfach nicht mit ihnen mithalten. Es war zu schwer, zu anstrengend, zu viel.
 

Sie konnte sich einfach nicht mit ihnen messen. Sie war ihnen unterlegen. Sie konnte niemals zu ihnen aufschließen. Es war unmöglich, mit ihnen Schritt zu halten, wenn sie in einer völlig anderen Liga spielten. Es waren Welten, die sie voneinander trennten.
 

Die Entfernung zwischen ihnen war so groß, dass sie, egal wie nahe die anderen ihr tatsächlich waren, allein blieb.

Sie verblassten zu Erinnerungen aus einem anderen Leben, die sie nicht mehr zu greifen vermochte.

Die Enttäuschung. Die Verzweiflung. Sie hatte all das nicht mehr ertragen können.

Deswegen hatte sie eine folgenschwere Entscheidung getroffen.
 

Orihime Inoue war zu einer Verräterin geworden.
 

Sie hatte sich selbst noch niemals so verabscheut wie in dem Moment, in dem dieser Gedanke in ihrem Kopf klare Formen annahm.

Sie war eine Verräterin.

Eine dreckige, ehrlose, bemitleidenswerte Verräterin.
 

Sie versuchte krampfhaft, das erdrückende Gefühl von Schuld, das sie unvermittelt wie eine Lawine überrollte, zu verdrängen.

Sie hatte ihre Gründe gehabt.

Sie hatte gute Gründe gehabt.

Gute Gründe dafür, alles, wofür es sich zu kämpfen lohnte, zu verraten.
 

Ein bitteres, tonloses Lachen entwich ihren spröden Lippen, als ihr Verstand diese lächerliche Entschuldigung für ihr Tun hervorbrachte. Wie konnte es einen einzigen guten Grund dafür geben, alles, was einem lieb und teuer war, zu verraten?!

Sicher, sie hatte ihre Gründe gehabt. Sie hatte versucht, das Richtige zu tun.

Aber wenn die Situation, die sie damit heraufbeschworen hatte, das Ergebnis eben dieser Entscheidung gewesen war, wie hätte es dann tatsächlich das Richtige gewesen sein sollen?
 

War es das Richtige gewesen?

Oder hatte sie bloß wieder einmal versagt?
 

War sie wirklich gegangen, um Aizen an sein Versprechen, ihre Freunde zu verschonen, zu binden? Oder war sie gegangen, weil sie es nicht mehr hatte ertragen können, wie wertlos und schwach sie sich im Vergleich zu jedem Einzelnen von ihnen fühlte?
 

Hatte sie es für die anderen getan?

Oder für sich selbst?



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2010-10-28T13:28:24+00:00 28.10.2010 15:28
Also, ich mag es wirklich, aber das habe ich dir gestern ja bereits in einem sehr langen Gespräch gesagt.
Und finde es sehr plastisch und tief geschrieben. Es liest sich großartig - laut noch mehr, als nur im Kopf.
Ich würde daraus sehr gern eine Audiofic machen, wenn ich das dürfte.
Weil es sich sehr schön anhört und die Sätze sehr einschlägig klingen.
Ich freue mich wirklich darauf, wie es weitergeht. Es hat so einen unheimlich traurigen Charakter, dass man seine Augen und sein Interesse nicht abwenden kann, weil man praktisch befürchten muss, dann total herzlos zu sein. - Ich glaube, das klang jetzt etwas... esotherisch. Aber so bin ich leider und es drückt das aus, was ich fühle, wenn ich die Kapitel lese und auf mich wirken lasse.

Ich bin ganz ehrlich - ich mag Orihime eigentlich absolut nicht (und ich glaube, dass ich dir das oft genug gesagt habe?), aber deine FF bringt mich dazu wirklich Mitleid für sie zu empfinden und sie nachzuvollziehen. Vermutlich, weil Orihime ursprünglich auch für Drama sorgen sollte und du das unheimlich gut und auf hohem Niveau zu vermitteln weißt. Ihre schwache und splitternde Seite bringst du sehr intensiv und glaubhaft rüber und das finde ich sehr bewundernswert.


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