Die Sterne über Dalaran von Kyrethil (World of Warcraft-Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 18: 5. Nachspiel(e) --------------------------- Nachspiel(e) Wenige Tage später. Dalaran. Quartier des Magister Tyballin Melodir Tyballins Blick ruhte auf ihr, doch Imenia wich ihm aus. Die Rückkehr nach Dalaran war bereits einige Tage her, der Kampf gegen den Frostwyrm noch länger, und doch fühlte sie sich müde. Eine durchdringende, sie auffressende Müdigkeit liess sie nicht aus den Klauen. „Wir müssen los“, durchbrach Melodir die Stille. Imenia blickte hoch. Zwei tiefe Falten zeigten sich auf seiner Nasenwurzel. Die Expedition war vor vier Tagen in Dalaran angekommen. Heute war der erste Tag, an dem Tyballin und Imenia überhaupt zusammensitzen konnten. Soviel hatte es zu erledigen gegeben. Die Verwundeten mussten gepflegt, Greifen versorgt, Berichte geschrieben werden. Imenia war Melodir ausgewichen. Sie wusste, dass er es wusste. Obwohl er nichts sagte, worüber sie dankbar war, spürte sie seine Missbilligung. Er hatte zuerst mit ihr sprechen wollen, doch dann hatte sich jemand eingemischt, dem man sich nicht widersetzen konnte. „Komm. Wir sollten Windläufer nicht warten lassen.“ Imenia schluckte und blickte wieder weg. Sie schob das Glas Wein, welches sie in ihren klammen Fingern hin und her gedreht hatte, ohne daraus zu trinken, in die Tischmitte. „Kannst du nicht..“, versuchte sie zu sagen, dann brach sie ab. „Nein. Sie will uns sehen. Jetzt sofort.“ Imenia nickte ergeben und erhob sich. „Was will sie wissen?“, versuchte sie mit möglichst sicher klingenden Stimme zu fragen. Melodir öffnete die Tür, um Imenia zuerst passieren zu lassen. „Wärst du mir nicht aus dem Weg gegangen, hätten wir das ausführlicher besprechen können“, sagte er, und schloss die Tür hinter sich, als sie beide durch den Türrahmen in den schlecht geheizten und noch schlechter beleuchteten Flur der Silberbundquartiere getreten waren. Imenia fröstelte sofort, als ein kühler Lufthauch um ihren Körper strich. In den Quartieren ihres Vorgesetzten war es deutlich wärmer gewesen. „Ich bin dir nicht aus dem Weg gegangen.“ „Natürlich bist du das. Wenn du aufhören würdest, dich zu benehmen wie ein Kind, hätte ich dich vorbereiten können.“, sagte Melodir scharf, und setzte sich in Bewegung. Imenia folgte ihm, und musste den Drang unterdrücken, auf den Boden zu schauen wie ein beim Diebstahl von Süssigkeiten erwischtes Kind. „Entschuldige“, murmelte sie. „Die ganze Sache hat mich.. etwas mitgenommen. Ich weiss wirklich nicht..“ Sie brach mitten im Satz ab und straffte sich. Was war bloss mit ihr los? Es war nicht ihre erste fehlgeschlagene Mission, die sie zu bewältigen hatte. Es war ihre erste mit Toten, aber das war nicht ihre Schuld. < Das wird aber niemand begreifen, wenn du dich benimmst, wie wenn es deine Schuld wäre>, sprach sie selber zu sich. Sie hob den Kopf etwas, und beschleunigte ihre Schritte, um mit Melodir gleich auf zu gehen. „Ich werde Rede und Antwort stehen“, sagte sie, und gab ihrer Stimme einen entschlossenen Klang, „und meine Strafe akzeptieren. Ich habe nach bestem Gewissen gehandelt.“ „Übst du jetzt für Windläufer, oder willst du mich überzeugen?“, giftete Melodir. Imenia entfuhr ein Schnauben, woraufhin Melodirs Lippen ein schmunzeln umspielte. Das erste seit vielen Tagen. „Ich werde versuchen, für dich zu sprechen“, sagte er dann ernster, und blickte kurz zu ihr, während sie rechts abbogen, um die Quartiere in Richtung der violetten Zitadelle zu verlassen, wo Windläufer mit ihrem Gatten residierte. „Aber ich kann für nichts garantieren. Windläufer will natürlich wissen, warum alles derart schief gelaufen ist. Und ich warne dich, sie ist wirklich sauer.“ Imenia nickte und sagte „Verständlich.“ „Aber vielleicht will sie auch wissen, wie wir gedenken, das Problem zu lösen.“ „Welches Problem?“ „Der Griff, Imenia. Was sonst?“ Imenia blickte Melodir fragend an. Dieser seufzte. „Der Griff ist nicht einfach von der Welt, Imenia. Er ist noch irgendwo, und es wird meine – und natürlich auch deine Aufgabe sein – ihn wiederzubeschaffen. Du hast es vermasselt, du wirst mir dabei helfen. Zumindest gehe ich davon aus, dass sie dir das befehlen wird.“ Imenia schluckte ihren Ärger herunter, und sagte erneut „Verständlich“, während sie beide die Treppen erklommen. Vor dem Quartier der Windläuferfamilie hielt Melodir noch einmal inne und fixierte sie mit seinem Blick. „ Lass mich sprechen. Ich richte es. Aber nur damit eines klar ist: Das hier vergesse ich nicht so schnell“, sprach er mit deutlich kühler Stimme. „Nach aussen hin – und somit auch gegen Windläufer – bin ich verantwortlich, aber ich werde nicht vergessen, warum ich mich rechtfertigen muss. Du wirst mir in der Erfüllung unseres Auftrages beistehen, egal wie es dir geht und wie du dich fühlst. Selbst wenn es das letzte ist, was du tust. Verstanden?“ Imenia nickte und Melodir klopfte an die Tür. Es dauerte nur wenige Momente, bis ein Lakai die Tür öffnete und sie beide mit dem Hinweis, Lady Windläufer warte bereits, hinein bat, und sie in einen edel wirkenden Salon führte. Auf einem kleinen Tischchen vor einem prunkvollen Diwan war ein Teeservice aufgestellt. Aus der Kanne dampfte es. Kekse waren in einer kleinen Schale angerichtet, ein kleiner Porzellanbehälter beinhaltete kleine kegelförmige Zuckerstücke. Auf dem Diwan sass Vereesa Windläufer, in der Hand eine Tasse Tee und musterte Imenia und Melodir, als sie den Salon betraten. „Danke, Janias, das ist alles. Ihr könnt gehen“, sagte sie zu dem Lakai, der sich verbeugte, und den Salon verliess. Windläufer stellte die Tasse auf die dazu passende Untertasse und legte ihre Hände in den Schoss. Imenia musterte sie verstohlen, während sie ergeben einen Knicks machte und den Blick senkte, so wie es sich gehörte. Die Anführerin des Silberbunds trug für einmal keine lederne Rüstung, sondern war in eine reich verzierte, prunkvolle Robe gekleidet. Diesen Anblick war Imenia sich nicht gewohnt. Bisher hatte sie Windläufer nur in deren Waldläufertracht gesehen. Selbst an der Feier, an der sie den Spion das erste Mal gesehen hatte und mit ihm gesprochen hatte, war Waldläufer in Hosen erschienen. Die Feier schien eine halbes Jahrzehnt zurückzuliegen, selbst wenn Imenia wusste, dass es kaum zwei oder drei Wochen her war. „Seid gegrüsst, Arkanisten Tyballin und Feuerblüte. Vielen Dank, dass ihr meiner Einladung so schnell gefolgt seid“, begrüsste Windläufer sie. Imenia tauschte einen kurzen Blick mit Melodir, der mit neutraler Miene erwiderte: „Das ist eine Selbstverständlichkeit, Lady Windläufer. Wir stehen euch zu Diensten.“ Die Lady lächelte und griff wieder nach ihrem Tee. „Setzt euch, Tyballin, und nehmt euch Tee, während ich etwas mit Arkanistin Feuerblüte plaudere“, forderte Windläufer Tyballin mit einem Lächeln auf, das keinen Zweifel daran liess, dass die Einladung explizit nur Melodir gegolten hatte und dass Imenia gefälligst zu stehen hatte. „Ihr wart ja so nett, und habt mir einen groben Überblick über die Ereignisse zukommen lassen“, sagte sie zu Tyballin, und deutete mit einer Hand nach einer halb ausgerollten Pergamentrolle auf dem Tisch. „Natürlich, Madame“, murmelte Melodir und setzte sich gehorsam auf den Sessel , der seitlich am Tischchen stand. Er blickte Imenia nicht an, schenkte sich aber auch keinen Tee ein. < Feigling >, durchfuhr es Imenias Gedanken. Einen Moment lang spürte sie Zorn in sich auflodern, doch sie bat sich selbst zur Raison. Melodir konnte nichts dafür. Er wusste, was er tat, und er war viel besser in diesem gelecktem Umgang mit Windläufer als sie. „Wunderbar“, sagte Windläufer. Imenia blickte die Lady an und musste den Drang unterdrücken, ihr ins Gesicht zu spucken. Das falsche Lächeln, dass deren Lippen zierte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie beabsichtigte, Imenia zu zerfleischen. Oder so ähnlich. „Dann wollen wir mal. Seht, Madame Feuerblüte“, fuhr sie fort und betonte das „Madame“ abfällig, „ich bin etwas besorgt über die Art und Weise, wie diese Expedition zu ihrem Ende gekommen ist. Aber es könnte sein, dass ich etwas missverstanden habe und ich hoffe, dass ihr meine Fragen beantworten könnt.“ „Nach bestem Willen, Lady Windläufer“, sagte Imenia gerade laut genug, dass Windläufer es noch hörte. „Dann erklärt mir, was falsch gelaufen ist“, forderte Windläufer Imenia auf in einem bereits etwas harscherem Tonfall auf. Doch noch ehe diese etwas erwidern konnte, fuhr Windläufer fort „Ihr hattet klare Befehle. Einfache Befehle. Und ihr kommt zurück mit einem Toten, zwei Verletzten, zwei toten Greifen, ohne den Griff und ihr habt obendrein noch zusätzlich sieben weitere Silberbundler für eure Expedition gebraucht, da ihr es offensichtlich nicht allein geschafft habt! Wie bei der kärglichen Sonne Nordends habt ihr das angestellt? Ich dachte, ihr hättet Erfahrung“, spuckte sie das letzte Wort fast schon hervor. Imenia schluckte, und zwang sich, neutral zu blicken. Einen Moment überlegte sie, was sie sagen sollte, und dabei blickte sie kurz zu Melodir. Tyballin öffnete den Mund und sagte, „Verzeiht, M'lady, aber vielleicht sollte ich kurz erklären, dass..“ „Nein, nicht ihr. Ich will es von IHR hören“, fuhr Windläufer ihm ins Wort. Ihre Augen funkelten Imenia an. Offene Feindseligkeit sprach aus ihnen. Imenia straffte sich erneut und erwiderte den Blick. Sie wagte es nicht, freundlich zu lächeln, um die Situation etwas zu entspannen. Ihr Magen spielte verrückt, aber sie liess sich nichts anmerken. Sie musste hier einfach durch. Danach würde alles besser, da war sie sich sicher. „Lady Windläufer, es trug sich folgendermassen zu: Vor wenigen Tagen brachen wir hier in Dalaran auf, eine siebenköpfige Expedition, bestehend aus mehreren Silberbundlern, zwei Menschen und einem ortskundigen Kurierreiter, der uns begleiten sollte, da niemand von uns sich in der Drachenöde auskannte“, begann sie. Sie hoffte zumindest, das es danach besser würde. Sie war bereit, alles zu tun, um ihre Fehler zu korrigieren. „Wir hatten keine Ahnung, dass sein Empfehlungsschreiben eine Fälschung war. Es war raffiniert eingefädelt. Ich entschied mich, ihn mitzunehmen, da auf die Schnelle niemand sonst aufzutreiben war, und wir in Eile waren.“ Imenia holte kurz Luft. Windläufer nickte und deutete Imenia, fortzufahren. „Dämmerpfeil machte den ersten Fehler, doch konnte er dies nicht wissen. Er erstattete mir vor Magierwache Himmelsflamme Bericht über den Spion in unseren Reihen. Sie griff ihn an.“ „Einfach so?“ Imenia nickte. „Ich wusste, dass Himmelsflamme einen Hass gegen Blutelfen hegte, aber nicht, dass er derart stark sein würde. Es war, wie wenn etwas Besitz von ihr ergriffen hätte.“ Sie holte tief Luft, und senkte den Blick. Es war besser, Demut zu zeigen. „Dies war mein Fehler. Ich wusste nicht, dass sie zu so etwas imstande sein konnte. Ich habe sie falsch eingeschätzt. Dies ist unentschuldbar für einen Anführer einer Expedition.“ „Wohl wahr“, bestätigte Windläufer. „Fahrt fort.“ „Ich habe getan, was ich in der Situation als das Beste erachtete.“, sagte Imnenia, und blickte Windläufer direkt an. „Es war nicht vernünftig, den Spion im Wyrmruhtempel zu lassen, also beschloss ich, dass wir ihn mitnehmen, und sofort aufbrechen würden“ „Warum?“, fragte Windläufer und nippte an ihrem Tee. Die dunkel umrandeten Augen bohrten sich in Imenia, doch sie hielt dem Blick stand. „Ich war der Meinung, dass es von Vorteil wäre.- Wir mussten zu diesem Zeitpunkt vermuten, dass die Sonnenhäscher bereits Bescheid wussten, dass ihr Spion enttarnt war. Der Spion würde uns als Druckmittel dienen können, nahm ich an, sollten wir tatsächlich auf die Sonnenhäscher treffen. Es war sicherer, ihn mitzunehmen.“ Windläufer setzte die Tasse wieder ab, und sagte nichts. Das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden, offenbar missfiel ihr die Antwort, aber sie konnte nichts entgegensetzen. Imenia fühlte sich sofort etwas weniger verwundbar. „Ich kann bestätigen, dass Magierin Feuerblüte in diesem Fall richtig entschieden hat“, wagte Melodir zu bestätigen. „Hrm.. Und was ist mit dem Griff? Ihr hättet ihn nicht aus euren Augen lassen können! Das war töricht“, fuhr Windläufer weiter fort, und blickte Imenia wieder an. „Auch hier musste ich eine Entscheidung treffen, Lady Windrunner. Ich konnte mich entscheiden, den Griff zu behalten, damit er in meiner Obhut gewesen wäre. Ich hatte mich allerdings anders entschieden.“ Imenia hielt inne und sortierte einen Moment die Gedanken, fragte sich, wie sie ihre Entscheidung am besten ausdrücken sollte. „Wie ich Arkanist Tyballin bereits gesagt habe: Ich musste annehmen, dass die Sonnenhäscher bereits wussten, dass wir ihren Spion enttarnt hatten.“ Sie sah Windläufer ungeduldig nicken. „Also teilte ich Dämmerpfeil im vertraulichen mit, dass ich beabsichtigte, ihm den Griff zu geben und erteilte ihm den Befehl, bei Feindkontakt sofort auszuscheren, und den Griff in Sicherheit zu bringen.“ „Warum tatet ihr das?“, fragte Windläufer. „Was macht das für einen Sinn?“ „Ich.. nahm an, dass die Sonnenhäscher den Griff sofort gefunden hätten, wäre er bei mir gewesen und wären wir auf sie gestossen. Sie wussten, dass ich die Anführerin war, und so ging ich davon aus, dass sie einem fliehenden Hochelfen nicht nachstellen würden, wenn sie nur mich und ihren Spion in den Händen hätten.“ Sie blickte kurz zu Melodir, der ihr zunickte. „Dämmerpfeil hätte einen grossen Vorsprung gehabt, bevor sie realisiert hätten, dass der Griff bei ihm wäre.“ „Und dennoch ist alles schief gelaufen, und wir haben den Griff nicht!“, sagte Windläufer scharf. „Mit Verlaub, M'lady Windläufer, dies ist nicht die Schuld von Magierin Feuerblüte“, sagte Melodir, und stand auf, trat neben Imenia. „Sie hat das getan, was jeder in ihrer Situation tun würde. Sie hat nicht töricht gehandelt, jede ihrer Entscheidungen war motiviert, den Griff und somit die Expedition nicht zu gefährden, selbst wenn das ihre eigene Gefahr bedeutet hat.“ Imenia blickte kurz zu Melodir, Dankbarkeit durchflutete sie bis in ihre weichen Knie. „Ich würde dem Silberbund niemals schaden zufügen, M'lady“, murmelte sie. Windläufer schnaubte, und stellte die Tasse zurück auf den Tisch. Melodir fuhr fort zu sprechen. „Ihr einziger Fehler war, dass sie Leireth nicht genügend gekannt hat, um vorauszusehen, dass sie eine derartige Reaktion zeigt. Dass sie Dämmerpfeil nicht abgehalten hat, vertrauliche Informationen vor jemandem anderen als ihr selber auszuplaudern. Das war ihr Fehler.“ „Ein grosser Fehler.“ Windläufers Augen funkelten immer noch wütend. „Ein marginaler Fehler, nach einer anstrengenden, tagelangen Reise durch die Eiswüste.“ Melodir hielt ihrem Blick stand. „Verzeihung, M'lady. Ich sehe meine Verfehlungen ein, und erwarte euren Urteilsspruch. Ich werde alles tun, um meine Fehler wieder gut zu machen, und in euren Augen Gnade zu finden“, sagte Imenia, und versuchte, möglichst schuldbewusst zu klingen. „Ihr steht hinter ihr?“ Windläufer stand ebenfalls auf, und blickte Melodir Tyballin direkt an. „Das tue ich. Sie hat in Bezug auf die Unterbringung des Griffes sowie der Mitführung des Spiones keine Fehler gemacht. Und selbst unter diesen Voraussetzungen hätte die Expedition noch glücken können, wäre der Frostwyrm nicht dazwischen gekommen. Mit Verlaub, M'lady, das hat Magierin Feuerblüte nicht voraussehen können. Ihre Fehler waren marginal, und ihre Entscheidungen im Angesicht der Umstände und dem Zeitdruck ausgereift und gut.“ Einen Moment lang herrschte Schweigen. Imenia wagte es nicht zu Melodir zu blicken. Es raschelte kurz, als Windläufer sich wieder setzte, und sich einen Keks nahm, die beiden Elfen vor sich musterte. „Ihr seid von eurem Rang enthoben, Madame Feuerblüte“, sprach sie nach einer Weile Schweigen. „Diese Fehler sind unentschuldbar, aber ich gebe euch die Gelegenheit, euch wieder empor zu arbeiten. Ihr werdet die nächsten Wochen Arkanist Tyballin zu Hand gehen. Danach werdet ihr auf den Turnierplatz strafversetzt, wo ihr Wach- und Ordnungsdienst leistet.“ Imenia nickte gehorsam. „Ja, Madame Windläufer.“ „Arkanist Tyballin, ihr werdet mir diesen Griff finden, und wenn es das letzte ist, was ihr tut. Ihr habt Zeit bis zur Feier der Eröffnung dieses lächerlichen Argentumturnierplatzes. Ich will, dass der Silberbund an diesem Tag über diese elenden Hunde der Sonnenhäscher triumphiert. Ihr habt alle Mittel zur Verfügung, die ihr braucht.“ Tyballin nickte ebenso gehorsam. „Ja, M'lady Windläufer“. Das hatte er erwartet. Die darauffolgenden Worte jedoch nicht. „Und dass wir uns richtig verstehen: Wenn ihr es bis zu diesem Zeitpunkt nicht schafft, dieses Artefakt zu beschaffen, könnt ihr Madame Feuerblüte sogleich folgen. Ich finde sicherlich Ersatz für euch. Jemand, der Informationen besser sortieren und beschaffen kann, und sich nicht übertölpeln lässt von einem lächerlichen kleinen Würmchen von Spion.“ Tyballin zögerte einen Moment. Imenia blickte zu ihm. Erneut zeigten sich die tiefen Furchen über der Nasenwurzel. „Natürlich, M'lady Windläufer“, presste Melodir hervor, sichtlich bemüht, die Fassung zu wahren. Er war für sie eingestanden, hatte sie verteidigt – und wurde für solidarisch mit ihr zusammen bestraft. Imenia wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Denn dass er bestraft wurde, schien ihr unausweichlich – das Artefakt war doch so gut wie verloren für sie. Windläufer zog an einem kleinen Strang, der neben dem Diwan von der Decke hinab ging. Ein Glöckchen erklang irgendwo im Flur, und sogleich betrat der Lakai den Salon, verbeugte sich tief. „Ihr könnt gehen. Janias, geleitet die beiden zum Ausgang.“ Mit einer Handbewegung deutete Vereesa Windläufer, Waldläufergeneral des Silberbunds, Gefährtin von Rhonin, Mutter von zwei Halbelfen, den beiden Silberbundlern an, das sie sich zu entfernen hatten. XXXX Quartiere der Sonnenhäscher, ungefähr zur selben Zeit „Ihr habt nicht alles gegessen, Herr Sonnenhoffnung.“ Dairean wandte den Blick nicht vom Fenster. Er konnte sich die sorgenvoll-missmutige Miene der für ihn eingeteilten Blutritterin auch so gut vorstellen. Sonne schien durch das kleine, mit einem eisernen Gitter geschützten Fenster auf sein Gesicht,. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob das Gitter jemanden davon abhalten sollte, einzudringen, oder ihn abhalten sollte, das Zimmer zu verlassen. Er vermutete Letzteres. „Herr Sonnenhoffnung, hört ihr überhaupt zu?“, fragte die Blutritterin. Ihren Namen hätte er längst wieder vergessen, lautete er nicht aus purem und kuriosem Zufall Feuerblüte. Eloira Feuerblüte. Zumindest hatte sie sich so vorgestellt. Dairean schmunzelte schief, blickte zu ihr und setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Entschuldigt, ich konnte nicht mehr. Die Portion war sehr grosszügig.“ „Ich habe meine Instruktionen. Ihr müsst aufessen und zu Kräften kommen.“ Dairean seufzte und drehte sich ganz vom Fenster weg. „Mir ist übel.“ „Kein Wunder“, schnaubte sie, und warf ihr geglättetes langes Haar zurück. Sie war wie die letzten Tage immer in voller rot-schwarzer blutrittertypischen Plattenmontur erschienen, einzig den Helm trug sie heute nicht, so dass ihre Haare in voller Pracht über ihre Schultern fielen. Sie war hübsch. Dairean blickte wieder weg von ihr in die Sonne, die durch das Fenster schien. „Ich verlasse das Zimmer nicht eher, bis ihr aufgegessen habt“, sagte sie erneut. „Das hilft eurem Körper zu Kräften kommen, das wisst ihr genau.“ „Ich habe nichts gegen eure angenehme Gesellschaft“, erwiderte Dairean schmunzelnd. Metall klackte gegen Metall, als die Blutritterin wohl energisch die Arme verschränkte, so gut es die Platte zuliess. „Und ich habe Besseres zu tun als einen Sturkopf zu hüten, als wärt ihr ein Kleinkind. Esst!“, befahl sie. „Wollt ihr riskieren, dass ich über eure schön polierte Rüstung kotze?“, konnte Dairean die Nebenbemerkung nicht verkneifen. Er blickte sie wieder an, um ihre Reaktion zu beobachten. Das einzige Vergnügen in den letzten Tagen, dass er sich geleistet hatte, war es gewesen, sie ein wenig zu ärgern. Die meisten der wenigen Heilkundigen Sonnenhäscher, die in Nordend stationiert waren, hatten sich längst auf den Weg in den Norden gemacht, wo sie auf dem Argentumturnier Dienst leisteten. Die Blutritterin, die denselben Namen trug wie diese unglückselige Expeditionsleiterin des Silberbunds, gehörte nicht zu den Sonnenhäschern, sondern war lediglich auf Durchreise gewesen, ebenso mit dem Turnierplatz als Endziel. Sie hatte nur das Pech gehabt, gerade zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Hathorel hatte sie dazu verpflichtet, ein paar Tage länger in Dalaran zu weilen, um sich um Dairean zu kümmern, obwohl dieser erfolglos insistierte, er bräuchte keine Heilerin. Erneut musste Dairean wegen diesem kuriosen Namenszufall schmunzeln. Feuerblüte. Und Feuerblüte. Das Schicksal spielte manchmal mit einem sehr speziellen Humor. „Natürlich nicht“. Madame Feuerblüte schnaubte und stützte einen Arm in die Hüfte. „Dann zwingt mich nicht zu essen“, erwiderte Dairean nur schlicht. „Ihr werdet essen, und wenn es das letzte ist, was ihr tut.“ Dairean konnte den Gedanken nicht verwehren, dass es hier gar nicht um das Essen ging. Die Blutritterin war sauer auf ihn, was er ihr nicht verübeln konnte. Erneut blickte er aus dem Fenster, doch dann drehte er sich um, und setzte sich an den kleinen Tisch, auf dem noch immer das Tablett befand, auf dem das Mittagessen geliefert worden war und von dem er nur knapp die Hälfte geschafft hatte. Er hatte nicht gelogen. Ihm war furchtbar übel, er schwitzte und er litt immer noch Schmerzen, wenngleich er auch zugeben musste, dass sie in den letzten zwölf Stunden weniger geworden waren. Er hatte versucht, aus dem Zimmer zu entkommen, um sich Blutdistelpulver zu besorgen, doch das war nicht möglich gewesen. Die Blutrittern wachte über ihn wie ein Bachtatze über ihre Neugeborenen, und wenn sie nicht da war, schloss sie die Tür ab, und stellte eine Wache davor ab. Dairean griff nach der Gabel, und spiesste ein Stück einer Karotte auf, das längst kalt geworden war. Blutritterin Feuerblüte nickte zufrieden und siegessicher. „Geht doch. Ihr seid selbst schuld, dass euch übel ist.“ Dairean blickte sie an. „Wie meinen?“ „Denkt ihr wirklich, ich bin so dumm? Euch fehlt körperlich nichts, ausser eurem Zeh. Denkt ihr, ich erkenne die Symptome nicht? Ihr seit ein Distelsüchtiger.“ Dairean verzog das Gesicht, als sie ihn an seinen Zeh erinnerte. Sofort begann der Verband um den linker Fuss dumpf zu pochen. „Das ist nicht wahr“, sagte er und kaute auf dem Stück Karotte herum. „Ahja?“, höhnte Blutritterin Feuerblüte. „Und wie erklärt ihr euch eure Symptome?“ „Ich habe mich in der Drachenöder erkältet“, erwiderte Dairean schlicht. „Stellt euch nicht dumm. Das habe ich längst beseitigt. Ihr seid ein Blutdistelsüchtiger.“ Dairean liess die Gabel wieder sinken und schwieg einen Moment. Dann setzte er erneut sein charmantestes Lächeln auf, und blickte die Blutritterin an. „Wir wollen uns doch darüber nicht streiten, hm?“ „Nein, das will ich sicher nicht“, ein Grinsen umspielte ihre Lippen. Es wirkte ein wenig schadenfroh. „Ich werde vor der Tür Wache stehen, wenn ihr von Magister Hathorel die Standpauke bekommt, die für dieses abscheuliche Vergehen angemessen ist.“ Daireans Lächeln schwand und er starrte sie an. Natürlich hatte sie es ihm gesagt. Was hätte er erwarten können? Er wollte etwas erwidern, doch keine Worte kamen ihm in den Sinn. Sofort drehte er den Kopf wieder zur Seite, richtete den Blick stur auf den Teller mit Karotten, Erdwurzelbrei und Braten mit Sosse. Er wollte ihr nicht die Genugtuung geben, ihn wütend zu sehen. Ihr Lachen perlte melodisch durch den Raum, erneut klackte Metall gegen Metall, als sie sich in Bewegung setzte, und vor den Tisch trat, die Hände aufstützte, sich etwas zu ihm hinab beugte und ihn anblickte. „Ihr seid doch gescheit und gutaussehend, ich hätte euch nicht zugetraut, dass ihr so töricht seid, und dieses Kraut benutzt. Ihr habt das nicht nötig.“ Ihre Stimme war erfüllt von Belustigung. Dairean kaute verbissen an einem weiteren Stück Karotte herum, und versuchte gleichzeitig die Übelkeit zu bekämpfen, antwortete ihr nicht. „Wie unüblich. Keine Reaktion? Wollt ihr mich nicht bestechen, dass ich ihm sage, das sich mich geirrt habe? Wollt ihr mir nicht das Blaue vom Himmel versprechen?“ Dairean blickte sie an, und schluckte den Karottenbrei in seinem Mund herunter. „Nein.“ „Verratet ihr mir warum?“ Dairean glaubte, Neugier in ihren Augen aufblitzen zu sehen. Er schmunzelte. „Ich traue euch nicht.“ Erneut lachte sie, es klang angenehm in seinen Ohren. Es war eine Abwechslung, selbst wenn das Lachen nicht von der Person stammte, von der er es gerne hören wollt.. Dairean brach den Gedanken ab, während sein Blick auf ihren vollen, blutrot geschminkten Lippen lag. „Eine gute Antwort. Ich sehe, ich habe euch falsch eingeschätzt“, erwiderte Blutritterin Feuerblüte und richtete sich wieder auf. Wie üblich knickte sie die Hüfte etwas ab. Dairean konnte sich nicht vorstellen, dass das mit Plattenrüstung auch nur ansatzweise bequem war, doch schien es die Elfe nicht zu stören. Sie fuhr sich erneut durch die Haare und wie zufällig über die Haut an ihrem Hals. „Doch nicht so unvernünftig, wie ich es dachte. Ich glaube, ich beginne darüber hinwegzusehen, dass ich euch grolle, weil ich wegen euch hier feststecke.“ Dairean blickte sie an. Wenn er seinem gesunden Elfenverstand noch trauen konnte, was er im Moment bezweifelte, dann würde er schätzen, dass sie mit ihm flirtete. Er hatte den Verdacht in den letzten Tagen oft gehabt, dann wiederum war er jedes Mal entkräftet worden, als sie ihn wütend angeschnauzt hatte. Er lächelte sie an, und liess seinen Blick über ihren Körper gleiten. Das war ein Spiel, das er kannte. Darin war er gut. „Ihr würdet es ihm sowieso sagen, Eloira. Ich darf euch doch so nennen, oder?“ Die Blutritterin nickte. „Natürlich, Dairean. Wir stecken ja wohl noch ein paar Tage länger zusammen, also können wir auf die Förmlichkeit verzichten. Und ja, ich hätte es ihm sowieso gesagt.“ „Es wäre mir eine Ehre“, erwiderte Dairean und nahm einen Löffel des Erdwurzelbrei in den Mund. Der Geruch liess eine Welle Übelkeit in ihm aufsteigen. Er war froh, dass seine Bewacherin und Heilerin in einer Person ihre Feindseligkeit allmählich aufgab. Diese Chance würde er nicht verspielen. „Ehre hin oder her.. Esst schneller. Der Magister will euch sehen.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich? Warum?“ Eloira lachte. „Woher soll ich das wissen?“ Dairean zuckte mit den Schultern. „Hätte ja sein können“, murmelte er, und schob dem Brei tapfer noch ein Stück Fleisch nach. Er musste wohl bleich geworden sein, denn die Blutritterin zog ihm den Teller unter der Nase weg. „Genug“, brummelte sie. Er hatte offensichtlich genug herunter gewürgt, um sie zufriedenstellen. Welch erbärmliches Bild er dabei gemacht hatte, wollte er sich lieber nicht vorstellen. „Danke“, murmelte er erneut. Eloira rümpfte die Nase und schob ihm über den Tisch ein Bündel zu. „Das ist eine Ausnahme. Nur weil wir gehen müssen. Zieht euch an. Ihr müffelt.“ Dairean nahm das Bündel und erhob sich. Tatsächlich roch er wohl ein wenig unangenehm. Die letzten drei Tage hatte er sich kaum aus dem Bett bewegt. Fieberschübe hatten sich mit Phasen des Schüttelfrosts abgelöst. Er hatte sich nicht umgezogen und konnte sich auch nicht erinnern, dass Eloira ihn aus seinen Kleidern befreit hatte. „Ihr hättet mich ja umkleiden können“, wagte er keck zu erwidern, und schmunzelte dabei. Das Spiel. Er spielte es. Vielleicht war es seine Chance. Wofür wusste er nicht, aber er wusste, dass hier nichts lief, wie er es wollte. Er musste hier raus. Er fühlte sich wie ein Gefangener. „Ich mag meine Männer zwar nackt und willig, aber nicht nackt und krank“, erwiderte Eloira trocken. Nun lachte Dairean auf, während er sich die einfache Hose und das rote Hemd sowie die gefütterte Weste besah, die sich im Bündel befunden hatten. „Gut gekontert, Eloira. Ich sehe, wir verstehen uns.“ Er drehte sich um, und begann sein Hemd aufzuknöpfen, fixierte sie mit seinem Blick. „Wollt ihr nicht das Zimmer verlassen, während ich mich umziehe?“ „Warum? Fürchtet ihr um eure Tugend?“, feixte Eloira. „Eher um eure.“ „Beruhigt euch. Das ist nicht das erste Mal, dass ich einen nackten Mann sehe.“ Sie hielt seinem Blick stand. Einen Moment lang hatte Dairean das Gefühl, einer weiblichen Form von ihm selbst gegenüberzustehen und das Gefühl behagte ihm nicht wirklich. Als er das Hemd ganz auszog, drehte er sich gleichzeitig um. Er spürte ihren Blick auf seinem Rücken, während er langsam und mit einigen Pausen in die frischen Kleider schlüpfte. Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass sie ihn die ganze Zeit ungeniert betrachtete. „Setzt euch hin. Ich wechsle euren Verband“, befahl Eloira, als er fertig war. Dairean tat, was sie sagte und beobachtete die Blutritterin, als sie den Verband um seinen Fuss wechselte. Seiner Meinung nach wäre er unnötig gewesen. Die Blutritterin hatte ihm den erfrorenen kleinen Zeh fachmännisch amputiert und mit Hilfe des Lichts die Wundheilung derart beschleunigt, dass sich bereits frische Haut über den Stumpf spannte. Doch sie bestand auf den Verband, da die neue Haut sich noch an Druck der Stiefel gewöhnen musste. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe sie sich erhob, und ihm befahl, ihr zu folgen. Dairean stand auf, und gehorchte. Er würde dieses verfluchte Zimmer das erste Mal seit drei oder vier Tagen verlassen, da wollte er den Zorn seiner Bewacherin nicht riskieren. Als sie den Flur betraten, erkannte Dairean, dass sich die kleine Kammer nicht weit von Hathorels Quartieren befinden musste. Und tatsächlich kam, sobald sie das erste Mal abgebogen waren, die fürchterlich albern aussehende schwebende Topfpflanze, die Hathorels Quartier kennzeichnete, in Sicht. „Ich war so nah?“, murmelte Dairean. „Warum hat er mich nicht vorher aufgesucht?“ „Ich schätz' mal, er ist sauer auf euch. Wäre ich auch.“ Dairean nickte nur. Sie hatte wohl Recht. Er fuhr sich durch die Haare, während die Blutritterin an die Tür klopfte. „Herein“, drang es dumpf durch die Tür. Eloira öffnete sie und schubste Dairean leicht über die Schwelle. „Paket intakt abgeliefert, wie bestellt. Ich warte draussen, Magister“, erstattete sie knapp Bericht. Ihre Stimme liess keinen Zweifel aufkommen, dass sie in Magister Hathorel einen noch grösseren Grund sah, warum sie hier festsass. Das „Danke, Blutritterin Feuerblüte“, vernahm sie gar nicht mehr, denn da war die Tür bereits mit einem Knall zugeschlagen worden. Dairean zuckte zusammen. „Setzt euch, Sonnenhoffnung“, befahl Hathorel. Er sass an dem runden Tisch, an dem die beiden damals die Karte Nordends gemeinsam angesehen hatten. Das Gespräch schien eine halbes Jahrzehnt zurückzuliegen, selbst wenn Dairean wusste, dass es kaum zwei oder drei Wochen her war. Er setzte sich und nickte dankbar. „Anu belore dela'na, Magister Hathorel“, grüsste er seinen Vorgesetzten. Dieser spielte mit einigen farbigen Holzchips in seinen Händen. „Es geht euch besser?“ „Es wird“, sagte Dairean. Hathorel mahlte mit seinem Kiefer. Das tat er oft, wenn er wütend war. Dairean machte sich auf den unvermeidlichen Ausbruch gefasst, und schloss ergeben die Augen. Stille herrschte. Nichts passierte. „Tut nicht so, als würde ich euch gleich auffressen“, brummte Hathorel. „Sire?“, fragte Dairean. „Und hört auf, mich Sire zu nennen. So förmlich sind wir noch nie miteinander umgegangen.“ „Natürlich“, murmelte Dairean. „Ihr seid ein Idiot! So, jetzt habe ich es gesagt, dann können wir weiterfahren.“ Hathorel blickte Dairean eindringlich an, während seine nimmermüden Hände aus den Holzchips einen Kreis formten. „Ich bin bereit, für jeden meiner Fehler die Verantwortung zu tragen“, sagte Dairean nur. „Habt ihr denn einen Fehler gemacht?“, fragte Hathorel. Dairean wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. „Ich weiss nicht, Sire.“ „Ich sage es anders“, Hathorel beugte sich etwas vor. „Hat eure vermaledeite Sucht dazu geführt, dass ihr töricht gehandelt habt? Seid ehrlich!“ „Nein“, sagte Dairean, und erwiderte den stechenden blick des Magisters endlich. „Es war nicht von Belang.“ „Und doch habt ihr unter Entzugserscheinungen gelitten.“ „Das ist korrekt.“ „Gebt mir nicht derart einsilbige Antworten, Mann! Sprecht, bei allen dreimal verfluchten Dämonenpforten.“ Hathorel schob die Holzchips zur Seite, sie fielen auf den Boden. „Und benehmt euch nicht so, als wäre ich Sargeras persönlich. Ich fresse euch schon nicht.“ Dairean seufzte und straffte sich wieder. „Ihr hättet die Mission selbst bei normalem Verlauf durch eure Sucht beeinträchtigt“, setzte Hathorel nach. „Nein, das hätte ich nicht. Ich nehme nicht viel, ausserdem weiss ich genau, wie ich damit umgehen muss, und..“ „Lasst das Geschwätz. Das sagt jeder Distelsüchtige.“ „Es ist wahr.“ Daireans Worte klangen schlicht. „Offensichtlich nicht. Oder warum habt ihr unter Entzugserscheinungen gelitten, als wir euch antrafen?“ Dairean schwieg einen Moment. „Es stillt Hunger, Durst und Schmerzen. Ich gab es der Hochelfe. Alles, was ich noch hatte. Nichts für mich“, antwortete er. Stille herrschte daraufhin zwischen ihnen. Erneut hatte Dairean das Gefühl, dass diese Diskussion um das Pulver nur ein Stellvertreter für etwas anderes war. Unter anderen Umständen hätte Hathorel das Thema längst vergessen. Er war bei weitem nicht der einzige, der sich ab und an eine Prise des Krauts gönnte, es war in den regulären Truppen weit verbreitet, sogar bei den Magiern. Üblicherweise machten nur Heiler so ein Drama um so etwas harmloses. Hathorel machte schliesslich eine verärgerte Geste mit der Hand, als wolle er das Thema vom Tisch schieben. „Wechseln wir das Thema. Ihr habt hoffentlich daraus gelernt.“ „Ja, das habe ich“, antwortete Dairean, ganz so wie es Hathorel von ihm erwartete. Es war gelogen. Er würde das Pulver weiter nehmen. Der Fehler lag nicht bei ihm. „Nein, habt ihr nicht“, seufzte Hathorel. „Veralbert mich nicht. Ich kenne euch gut genug. Aber lassen wir das Thema.“ Dairean nickte nur. „Ich wollte wütend auf euch sein, aber ich bin der Meinung, dass ihr euch nichts zuschulden habt kommen lassen. Aber es wird an der Zeit, dass ihr die Karten offenlegt. Ich habe euch drei Tage lang Ruhe gelassen. Zeit, die wir eigentlich nicht haben“, führte Hathorel aus, und ergriff eine weitere Handvoll Holzchips, dieses mal von weisser Farbe. Weiss für den Argentumkreuzzug. „Verzeihung? Ich kann nicht ganz folgen.“ Dairean blickte Hathorel in seiner besten verwunderten Miene an. „Das Artefakt“, erwiderte dieser ungeduldig. „Wir brauchen es. Ihr habt ein gutes Spiel gespielt, da in der Höhle, aber nun müsst ihr mir sagen, wo ihr es versteckt habt.“ „Verzeiht, aber warum sollte ich es haben?“ „Ich habe meine quellen. Der Silberbund hat es nicht. Windläufer ist viel zu arrogant, um geheim zu halten, dass sie es in ihren gierigen Fingern hat. Ausserdem habe ich erfahren, dass sie Tyballin und Feuerblüte darauf angesetzt hat, es wieder zu beschaffen.“, fuhr Hathorel ungeduldig fort und liess Dairean nicht aus den Augen. „Also, wo habt ihr es versteckt? In eurem Gepäck war es nicht.“ „Ich weiss nicht, wo sich das Artefakt befindet“, erwiderte Dairean. „Es reicht, Sonnenhoffnung, das wisst ihr auch. Wir spielen hier keine Spielchen. Ihr seid der einzige, der in Frage kommt, also sagt mir, wo ihr es habt. Oder wollt ihr etwa, dass euch der Silberbund entführt, weil sie denken, dass ihr in dessen Besitz seid?“ Hathorel tippte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die Holzchips, die auf der Karte lagen. „Ich habe versucht zu fliehen, Magister Hathorel“, erwiderte Dairean steif. „Ich habe mich nicht um das Artefakt gekümmert, weil mein eigenes Leben auf dem Spiel stand. Verzeiht, dass dies Vorrang hatte.“ Er konnte es nicht verhindern, dass eine Spur Sarkasmus in seiner Stimme mitklang. Hathorel hielt in der Tippbewegung inne. „Ihr lügt“, sagte er eisig. „Wie könnt ihr mir dies unterstellen?“ Dairean zog die Augenbrauen zusammen. , hallte es in seinen Gedanken. Er wusste, er sollte es Hathorel in diesem Moment sagen, wo sich der Griff befand. Und doch tat er es nicht. Ein Teil von ihm wusste, dass Hathorel nur gesagt hatte, was er hatte sagen müssen. Ein Teil von ihm wollte glauben, dass Hathorel nur gepokert hatte, und Daireans Leben niemals auf dem Spiel stand. Dass er nicht bloss eine Tributzahlung an den Silberbund gewesen wäre. Doch der andere Teil von ihm wusste, dass es nicht wahr war. Er konnte nicht einschätzen, wie ernst es Hathorel gewesen war. Und – so sehr der Gedanke ihn schmerzte – es war Hathorel zuzutrauen, dass er es ernst gemeint hatte. Er hätte sein Leben für Hathorel gegeben, und dieser hatte sein Vertrauen missbraucht. Dairean wusste, er sollte sich nicht so fühlen. Er war ein Spion. Ein Agent, der im Untergrund agierte. Ersetzbar. Es war nur logisch, dass man einen Spion opferte, um die Mission zu erfüllen. Er hatte es immer gewusst, und hätte an Hathorels Stelle vermutlich nicht anders gehandelt. Und doch fühlte er sich miserabel. Die Enttäuschung pochte dumpf in seinem Brustkorb, nagte an ihm, bohrte an ihm und verstärkte seine Übelkeit nur noch. „Spielt nicht mit mir“, sagte Hathorel scharf. „Ich kann euch zerquetschen wie eine kleine Kakerlake, wenn ich es will.“ „Ich würde niemals mit euch spielen, Sire“, erwiderte Dairean steif. Seine Miene war undurchschaubar, nichts sollte von seinem Schmerz und seiner Enttäuschung nach aussen dringen. „Ich weiss nicht, wo sich das Artefakt befindet. Ich hatte angenommen, dass Feuerblüte es bei sich trägt. Ich wollte mich in Sicherheit bringen. Zu Feuerblüte und der Gruppe vorzustossen, die sich mit dem Frostwyrm prügelte, wäre Selbstmord gewesen.“ Hathorel blickte Dairean prüfend an, dann seufzte er. „Ihr habt vermutlich Recht.“ „Ich wollte möglichst schnell in ein Hordelager. Ich wollte euch benachrichtigen. Gallgrimm war nicht weit entfernt, ich dachte, ich schaffe es.“ „Ihr hättet in Erfahrung bringen sollen, wer den Schwertgriff trägt!“, begehrte Hathorel noch einmal auf. Dairean kannte seinen Auftraggeber gut genug, um zu wissen, dass es ein verzweifelter letzter Versuch war, noch einmal Recht zu bekommen, obwohl dieser längst wusste, dass er im Unrecht war. „Wie denn? Ich wurde angegriffen und habe eine Kopfwunde davongetragen, die mich einen halben Abend ausser Gefecht gesetzt hat! Danach war ich natürlich gefesselt und geknebelt!“ Dairean hob die Stimme. „Ich möchte lieber nicht betonen müssen, wessen unzureichende Arbeit das gewesen ist. So früh enttarnt zu werden war bestimmt nicht meine Schuld.“ Er blickte den Magister an. „Wagt es nicht, mir zu unterstellen, dass..“ Dairean unterbrach Hathorel. „Ich unterstelle nichts. Ich stelle lediglich fest. Ihr habt mir versichert, dass ihr Tyballin gut genug kennt. Ihr habt versichert, dass er keinen Verdacht schöpfen würde, zumindest nicht so schnell. Offensichtlich habt ihr euch geirrt.“ Hathorel sagte nichts mehr. Seine Finger stapelten die weissen Holzchips aufeinander. Dairean verfolgte die Bewegung mit den Augen. „Warum habt ihr das Mädchen mitgenommen?“, sagte Hathorel schliesslich, und blickte ihn an. „Ich wusste, ich schaffe es nicht im Sturm nach Gallgrimm“, sagte Dairean, langsam, überlegend. „Ich kannte die Höhle von meinem Kurierflug vor ein paar Monaten, ihr erinnert euch.. der Sturm?“ Hathorel nickte. „Ich beschloss, dass ich sie mitnehme, falls der Silberbund zuerst auf mich trifft. Ich hätte ein Druckmittel. Oder ihr Mitleid wecken können, weil ich sie gerettet habe. Und wenn ihr zuerst auf mich gestossen wäret, dann hättet ihr eine Geisel gehabt. Ich fand beide Optionen sehr angenehm, also habe ich mich dafür entschieden. Warum fragt ihr? Denkt ihr, das war falsch?“ „Nein, das denke ich nicht. Allerdings hätte ich nicht erwartet, dass ihr in so einem Moment derart strategisch denken könnt.“ Dairean wusste nicht, ob er beleidigt sein sollte oder ob das nur ein Versuch war, ihm die Wahrheit zu entlocken. Konnte Hathorel wissen, was.. , sprach er sich selber zu. Er setzte ein verschmitztes Lächeln auf und erwiderte, „Tja, da seht ihr, wie viele versteckte Talente ich habe.“ „Und ihr seid sicher, dass es nur das war? Oder wolltet ihr vielleicht eine Elfe retten, die euch sehr am Herzen lag? Man hört so einiges munkeln...“ Dairean setzt einen angemessen empörten Gesichtsausdruck auf. „Wie könnt ihr mir dies nur unterstellen, Sire?“ „Nun, man hört so einiges. Es kursieren unter den Silberbundlern Gerüchte, dass ihr euch massiv an diese Elfe heran gemacht habt. Ich frage mich..“ Hathorel tippte mit dem Zeigefinger gegen sein Kinn und musterte Dairean. „Ich frage mich, ob ihr euch vielleicht von gewissen Emotionen habt beeinflussen und blenden lassen.“ Dairean hielt einen Moment inne, und lachte dann leise. Hathorel zog die Augenbrauen hoch. „Mit Verlaub, Sire. Das war rein taktisch. Ich hatte gehofft, über sie an Informationen heranzukommen. Denkt ihr tatsächlich, ich würde mich von einer Hochelfe angezogen fühlen? Welch abscheulicher Gedanke. Sie war nichts, nur ein Mittel zum Zweck. Und es hat sich bewährt. Sie war naiv genug und hat sich zu mir hingezogen gefühlt. Leider kam ich nicht dazu, das auszunutzen, weil ich enttarnt wurde. Und wir wissen ja, dass das nicht mein Fehler war“, lenkte Dairean geschickt das Thema erneut auf Hathorels Fehler. Hathorel schnaubte. „Nun gut. Ich glaube euch. Vorerst. aber wir werden uns noch sprechen.“ „Natürlich, Magister“, sagte Dairean. „Ihr werdet euer Zimmer nicht verlassen“, befahl Hathorel. Dairean öffnete den Mund, um zu protestieren, doch er konnte nicht einmal eine Silbe sagen. „Nein, sagt nichts. Ihr seid ein Ziel. Der Silberbund will euch in seine Finger bekommen. ES wäre töricht von euch, wenn ihr denkt, dass ihr weiterhin unbeschadet, als wäre nichts passiert, in Dalaran umher spazieren könnt. Vor allem, wenn ihr noch so schwach seid. Es ist nur zu eurem eigenen Schutz.“ Der Magister durchquerte den Raum, um die Tür zu öffnen. Offensichtlich interessierte er sich nicht für eine Antwort auf seine Aussage. „Blutritterin Feuerblüte, bringt Sonnenhoffnung bitte wieder in seine Kammer und sorgt dafür, dass er es so angenehm wie möglich hat.“ „Bin ich ein Dienstmädchen?“, brauste Eloira auf und funkelte den Magister an. „Ich habe jetzt schon genug Zeit hier vertrödelt.“ „Das ist ein Befehl“, erwiderte Hathorel barsch, drehte sich wieder um, stapfte an den Tisch zurück und liess ihr keine Zeit zu antworten. Dairean hatte sich mittlerweile erhoben. „Shorel'aran, Magister Hathorel.“ „Ja ja, geht schon. Wir sprechen uns noch. Ich muss jetzt ungestört überlegen, wie ich diese ganzen Probleme löse!“, seufzte Hathorel „Natürlich.“ Dairean trat zu Eloira und liess sich von ihr zurück in die kleine Kammer führen. Nur wenige Momente nachdem Dairean und die Blutritterin die Quartiere verlassen hatten, stand Magister Hathorel wieder auf, und öffnete eine weitere Tür in seinem Quartier, die in sein Schlafzimmer führte. „Du hast alles gehört?“, fragte er den Elfen, der neben der Tür gewartet hatte. Dieser nickte nur. „Gut. Ich will, dass du ihn nicht aus den Augen lässt, und mir über jeden seiner Schritte Bescheid gibst.“ „Ihr glaubt ihm nicht?“ „Kein bisschen, Meeran. Kein bisschen.“ „Was glaubt ihr, was er tun wird?“ „Vorerst behalte ich meine Überlegungen für mich. Beobachtet ihn einfach.“ Der Elf salutierte und verliess Hathorels Quartier fast ungesehen. XXXX Hosted by Animexx e.V. 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