Die Sterne über Dalaran von Kyrethil (World of Warcraft-Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 14: 4. Der Aufbruch --------------------------- Der Aufbruch Der weitere Verlauf der Nacht war ruhig vonstatten gegangen. Imenia Feuerblüte hatte von allen Anwesenden wohl am wenigsten geschlafen. Nahezu unverändert hatte sie die Stunden am Feuer verbracht, dabei die Kommunikationsscheibe, die sie Dairean abgenommen hatte, in den Händen hin und her gedreht. Verian hatte Ylaria bei der Wache abgelöst, später hatte sich Connell ans Lager des verwundeten Sin'dorei gesetzt. Imenia hatte Gedanken an Gedanken gesetzt. Vieles beschäftigte sie und nicht zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie die Verantwortung, die sie hatte, schwer auf ihren Schultern ruhen. Es war auch nicht das erste Mal, dass sie mit Spionage, Schnüffelei und vor geheuchelten Tatsachen zu tun hatte, doch das erste Mal, dass sie einen Spion enttarnt hatte, der ihr so ähnlich war. Trotz allem konnte sie nicht leugnen, dass ihr ein Sin'dorei viel näher stand als ein Mensch, ein Troll oder ein Zwerg. Ihre Gedanken drehten sich ständig im Kreis, aber es war ihr nicht möglich, damit aufzuhören. Irgendwann war sie dann aber doch eingenickt. „Herrin Feuerblüte?“ Die Männerstimme, die an ihr Ohr drang, sowie der leichte Druck von einer Hand auf ihrer Schulter liessen sie zusammenzucken. „Oh, Verzeihung“, murmelte Verian, der sich neben sie gekniet hatte. „Ich wollte nur sagen, dass ehm.. die Sonne ist aufgegangen.“ Imenia richtete sich auf, räusperte sich und nickte ihm dann zu. „Danke“, krächzte sie, ihre Stimme noch rau vom Schlaf. Verian nickte und erhob sich wieder, um Ylaria wecken zu gehen, die noch neben dem Feuer schlummerte. Imenia seufzte. Sie spürte jeden einzelnen Knochen in ihrem Körper. Ihr rechter Arm schmerzte und pochte auf eine unangenehme Weise, sie hatte wohl in der Nacht darauf gelegen. Ein prüfender Blick auf den Boden bestätigte ihr, dass sie wirklich mitten in ihren Überlegungen weggedöst sein musste, dann ausser einer zu einem Kissen zusammengewickelten, kratzenden Wolldecke befand sich nichts auf ihrer behelfsmässigen Lagerstätte. Stöhnend rappelte sie sich hoch und streckte sich, so ausgiebig wie es ging. „Guten Morgen“, kam es von Brionna, die bereits wieder in dem Kochtopf rührte. „Die Sonne führt uns, Miss Tallys“, erwiderte sie und versuchte der Priesterin ein höfliches, gutgemeintes Lächeln zu schenken. Irgendwo in ihrem Geist pochte ein dumpfes Gefühl von Schuld gegenüber der Menschenfrau auf. Sie hatte sie wirklich nicht angemessen behandelt. Sie setzte sich wieder hin, wobei sie versuchte, eine möglichst bequeme Position zu finden, rieb sich die letzten krümeligen Überreste des Schlafes aus den Augenwinkeln. „Wisst ihr, wo Lorethiel ist?“, fragte sie Brionna dann. Diese schüttelte nur den Kopf. „Grad nicht. Ich war damit beschäftigt, unser Frühstück zuzubereiten“, antwortete diese. „Hmm.“ Imenia schnupperte und verzog dann gleich das Gesicht. Brionna hob entschuldigend die Augen. „Verzeiht, Mylady, aber wir haben nun mal nichts besseres als..“ „Bohnen, ja ich weiss“, unterbrach Imenia sie. „Aber die schmecken gut. Ich habe sie mit etwas Maguskönigskraut aus meinem Vorrat angereichert.“ „Maguskönigskraut? Warum das?“ „Es wirkt konzentrationsfördernd und .. nun ja, gegen Kopfschmerzen. Ich dachte, das könnte einigen von uns gar nicht so schaden.“ Sie wurde rot, als sie dies ausführte. Imenia lachte. „Das ist eine gute Idee, wahrlich. Auch wenn es den Gedanken an Bohnen nicht wirklich angenehmer macht.“ „Oh, ich habe auch noch Erdwurzelstücke hinein geschnitten.“ Brionna lächelte. „Die sind nahrhaft, stärken den Geist und wirken belebend“, führte sie aus. Imenia setzte sich etwas bequemer hin und nahm ihren Wasserschlauch, öffnete ihn, um daraus zu trinken. „Ich sehe schon, ihr seid wirklich sehr um unser Wohlergehen besorgt“. Sie schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln, nachdem sie einige tiefe Schlucke getrunken hatte. „Das ist meine Aufgabe“, erwiderte Brionna schlicht. „Ausserdem.. nun ja.. ich möchte ja auch wieder heil in Dalaran ankommen. Da kann es nicht schaden, wenn meine Gefährten hier gesund und munter die Rückreise antreten.“ Sie lächelte Imenia an, die ihr erneut wohlwollend zunickte. „Sehr voraus schauend. Doch sagt, habt ihr heute schon nach Sonnenhoffnung gesehen?“ Brionna rührte erneut in dem blubbernden, gräulich gefärbten Bohnengemisch herum. Imenia konnte nur hoffen, dass es ebenso lecker schmeckte wie es roch, denn das Aussehen war wahrlich nicht einladend. „Da gibt's eigentlich nichts zu sehen. Ich habe seine Wunde gestern mit der Hilfe des heiligen Lichts geschlossen, er hat allerhöchstens noch Kopfschmerzen. Es sah schlimmer aus, als es tatsächlich ist.“ Imenia blickte Brionna an. „Ihr solltet dennoch nach ihm sehen. In der Nacht.. nun ja..“ Brionna hielt abrupt in der Rührbewegung inne. „Was habt ihr getan?“, fuhr sie hoch. „Nichts, nichts. Lorethiel hat ihm nur einen Stoss in die Seite gegeben.“ Brionna schnaubte. „Wir brauchten Informationen“, rechtfertigte Imenia sich, obwohl sie nicht einmal wusste warum. „Kümmert euch lieber um mich.“, kam es da von links. Lorethiel setzte sich neben Imenia. „Dieses Stück Rattenmist hat mich gebissen. Es tut dämonisch weh“, brummte er aufgebracht in Brionnas Richtung und hielt die Hand zur Bestätigung in ihre Richtung. Ein perfekt geformter Halbmond von Bissspuren zeigte sich darauf, geschwollen und gerötet „Geschieht euch recht“, lachte Brionna. „Aber gut, ich werd's mir anschauen.“ Sie stand auf und drückte Lorethiel den hölzernen Kochlöffel in die unverletzte Hand. „Ich hole Verbandszeug. Ihr rührt derweil weiter. Die Bohnen dürfen nicht anbrennen“, sagte sie ihm im Befehlston. „So wie das aussieht, würde das wohl auch keinen Unterschied mehr machen“, gab Lorethiel zurück und verzog das Gericht. Brionna schnaubte. „Verwöhnte Elfen, immer wieder. Wir sind hier halt nicht in euren Adelshäusern, wo es Küchlein und teuren Wein zum Frühstück gibt!“ Noch bevor einer der angesprochenen und relativ verdutzten Elfen etwas erwidern konnte, hatte sie sich schon abgewendet und war weg gestapft. Verian lachte leise, und blickte zu Ylaria, die sich die Augen rieb. Sie hatte offensichtlich trotz ihrer besseren Schlafstätte nicht viel mehr Erholung gefunden als Imenia. „Pha“, brummelte Lorethiel, offensichtlich noch schlechter gelaunt als am Tag zuvor. Dann wandte er sich an Imenia. „Die Greifen sind alle reisefertig“, sagte er leise. „Verian und ich haben dafür gesorgt. Connell sagte vorhin eben, dass Sonnenhoffnung nicht wieder aufgewacht ist, oder zumindest keine Anzeichen gemacht hat, aufzuwachen.“ „Alles vorbereitet also, sehr gut. Wir werden relativ rasch aufbrechen.“ „Welche Route wollt ihr nehmen?“ Imenia blickte ihn an. „Wir werden dem Pfad der Titanen folgen.“ „Seid ihr wirklich sicher?“ „Wir müssen möglichst schnell zurück in Dalaran sein. Wer weiss, wer uns sonst auf der anderen Route abfängt. Wir können uns nicht sicher sein, ob Hathorel sich an meinen 'Wunsch' hält.“ Für den letzten Satz senkte sie die Lautstärke ihrer Stimme. „Ich gebe zu bedenken, dass das zwar der schnellste Weg zurück in die Stadt ist, aber wir haben keinerlei Unterkunftsmöglichkeiten. Wir müssten zumindest eine Nacht, möglicherweise sogar zwei, im Schnee verbringen, nur geschützt durch die Zelte.“ „Ja und? Eine Nacht im Schnee bringt noch keinen um. Und wir können auch magische Barrieren gegen die Kälte und den Schnee schaffen. Seid kein Hasenfuss.“ Lorethiel schnaubte. „Ich bin kein Hasenfuss“, brummelte er. Brionna hatte sich derweil mit ihrer Verbandstasche neben Lorethiel gesetzt und sagte resolut: „Hand her.“ Lorethiel legte den Kochlöffel beiseite und gehorchte brav, reichte der Heilerin die Hand. Sie kramte in der Tasche, zog einige Stücke Verband, ein Tuch und eine Phiole hervor. „Das kann jetzt etwas schmerzen“, sagte sie, als sie das Stück Tuch mit dem Inhalt der Glasphiole benetzte, und dann anfing, die Bisswunde zu reinigen. Ein leichter Duft nach Kräutern und scharfem Alkohol legte sich in die Luft. Lorethiel verzog das Gesicht, erlaubte sich aber kein Laut des Schmerzes. „Wie wollt ihr mit Sonnenhoffnung verfahren?“, warf Verian ein. Imenia strich sich über das Kinn. „Mitnehmen natürlich. Was sonst?“ „Ja, das war mir auch klar, aber wie? Er kann ja wohl kaum auf seinem Drachenfalken fliegen, der entwischt uns ja.“ „Die Künste dieses Tiers im Flug sind wahrlich bemerkenswert“, sagte Ylaria leise. „Inwiefern?“ Lorethiel blickte Ylaria an. „Ach, wir haben es gesehen. Manchmal scheint es, als ob der Drache nicht einmal einen Befehl bräuchte, um das Richtige zu tun.“ Lorethiel hob die Hand, die nun verbunden war, und bewegte probeweise die Finger. „Ein ausgebildeter Kurierreiter, nehme ich an. Möglicherweise sogar in einem Fluggeschwader geflogen. Das würde zu dem passen, was ich so erfahren habe.“ „Das ist doch jetzt gar nicht so wichtig“, unterbrach Imenia ihn. „Einer von euch nimmt ihn auf seinen Greifen. Seinem Falken laden wir entweder Gepäck auf, lassen ihn hier oder töten ihn gleich.“ „Einer von uns?“, fragte Verian. „Ja, natürlich. Er wird sicher nicht allein reiten. Schon gar nicht mit gefesselten Händen, das ist rein technisch nicht möglich.“ „Aber.. ehm.. ich will ihn nicht nehmen“, warf Ylaria ein. Sie war bleich, doch Imenia konnte nicht bestimmen, ob dies auf das Entsetzen über ihre Ankündigung oder doch vielleicht auf mangelndem Schlaf zurückzuführen war. „Ich könnte das nicht.. Er ist ein.. eh... Verräter.. Ja.“ Imenia zog eine Augenbraue hoch. „Ihr werdet meine Befehle selbstverständlich ausführen, Ylaria, sollte ich euch dazu auffordern. Brionna, ist das Essen endlich bereit? Wir müssen bald aufbrechen.“ Brionna schmunzelte, griff nach dem Kochlöffel und streute aus einem braunen Säckchen etwas in die Bohnenbrühe. „In einer Minute, nur Geduld.“ In diesem Moment setzte sich Connell in die Runde und nickte, wandte sich dann an Imenia. „Hier bin ich, M'lady. Ihr wollt mich sprech'n?“ Imenia zog eine Augenbraue hoch. „Wie bitte?“, sagte sie verständnislos. Connell blickte sie ebenso verständnislos an. „Na, ihr wolltet mich sprechen. Sagte die.. ach ich hab ihren Namen vergess'n. Äh..“ „Wo ist Leireth?“, unterbrach ihn Ylaria, griff nach ihrem Stab und stand rasch auf. „Verdammt, wo ist Leireth?!“ „Ja, genau, die!“, sagte Connell und grinste. „Die sagte, ihr wolltet mich sprech'n. He.. Wo geht ihr alle hin?“ Verwirrt blickte er um sich. Auf Ylarias Worte hin waren die anwesenden Quel'dorei aufgestanden, hatten nach ihren Waffen gegriffen und waren weg gestürmt. „Die spinnen, die Elfen“, brummelte er in Brionnas Richtung. Diese seufzte nur und rührte weiter in den Bohnen. XXXX Dairean hatte die Augen zwar geschlossen, schlief aber nicht. So war er denn nicht sonderlich überrascht, als er einen unsanften Tritt in die Seite bekam, der ihn wohl wecken sollte. Er öffnete die Augen und erblickte Leireth. „Fertig ausgeschlafen, du Bastard“, fauchte sie ihn an und beugte sich zu ihm runter. In der Hand hielt sie einen kleinen Dolch und fuchtelte vor seiner Nase herum, ihre Wangen waren vor Wut oder Empörung hochrot gefärbt. Das Bild präsentierte sich so verzerrt, dass er kaum anders konnte als leicht zu schmunzeln. Was sich als Fehler herausstellte, als er einen zweiten Tritt in die Seite bekam, der ihm alle Luft aus der Lunge trieb. Bei der Sonne, Himmelsflamme war wirklich reizbar. „Du Dreck von Bachtatzenluchsen, grinse nicht so. Ich könnte dich sofort töten, wenn ich es will“, höhnte sie, und beugte sich etwas näher zu ihm, legte ihm den Dolch an den Hals. Dairean bewegte sich keinen bisschen. Er war sich ziemlich sicher, dass Leireth nicht dazu imstande war, ihn hier einfach zu erdolchen, aber auch er hatte sich schon geirrt. Gerade jetzt, wo seine Gedanken vernebelt waren, seine Seite wie Feuer brannte und das Atmen ihm schwerfiel . In seinem Magen war eine unangenehm drückende Leere und Schweiss kroch ihm seit einigen Stunden vermehrt aus den Poren. Was hätte er nicht alles für eine Prise Blutdistelpulver gegeben.. „Ich könnte dich einfach so aufschlitzen, dich genüsslich verbluten lassen, bevor es einer merkte“, blaffte Leireth ihn weiter an. Zornesfalten zeigten sich auf der Stirn. Dairean seufzte. „Das könntet ihr. Allerdings riskiert ihr dann eine Bestrafung.“ „Pff.. Ich würde sicherlich jemanden davon überzeugen können, es nur zum Wohle der Hochelfen getan zu haben!“ „Pech für euch, dass das sogar Feuerblüte anders sieht“, grinste Dairean, wofür er einen Hieb mit der Faust in den Bauch erntete. Er konnte sich eines schmerzvollen Stöhnens nicht verwehren. „Gar nicht wahr, lüg' mich nicht an.“ Die Spitze des Dolches ritzte über seine Haut, und er spürte, wie sich langsam Bluttropfen bildeten. In seiner Kehle bildete sich langsam ein Kloss, als er das mörderische Funkeln in Leireths Augen deutlicher denn je sah. Seine Stimme zitterte ganz leicht, kaum hörbar, als er versuchte, möglichst klar zu sprechen: „Ich lüge euch nicht an. Feuerblüte hat in der Nacht ziemlich deutliche Worte über euch gesagt“, log er ins Blaue hinein. Und er hatte Glück. Leireth zog den Dolch zurück. Sie zischte noch einmal „Das ist gar nicht wahr“, aber stand dann auf. „Lügner, elender Blutelfenabschaum, dreckiger Verräter, du hättest..“ Weiter kam sie in ihrer Hasstirade nicht mehr. Lorethiel schlang von hinten die Arme um sie, und drehte ihr Handgelenk derartig um, dass sie den Dolch fallen lassen musste. Nur haarscharf sauste er an Daireans Bein vorbei und prallte am Steinboden ab, schlidderte zur Seite. „Bei Khagdars Barthaar, Leireth Himmelsflamme!“, fuhr Imenia, die sich ebenfalls genähert hatte, die von Lorethiel festgehaltene Elfe an. „Ihr seid das unverantwortlichste, eigensinnigste Exemplar einer Magierin, die mir je untergekommen ist. Habt ihr noch nie etwas von Befehlen gehört?“, ereiferte sich Imenia weiter, die Hände in die Hüften gestemmt. Fast bewunderte sie Dairean, doch erinnerte er sich dann, dass sie dies nicht wegen ihm tat, sondern nur wegen seinem Wert als Spion. Er biss sich auf die Innenseite der Lippe, und schloss die Augen. „Aber Kommandantin“, setzte Leireth an. „Er ist eine Bedrohung für uns alle. Ich bin nur auf den Schutz bedacht.“ „Ihr habt Befehle, Himmelsflamme. Die gehen über persönliche Rachegelüste.“ „Dann waren die Befehle nicht gut!“, Leireth wurde lauter. Verian und Ylaria, die sich ebenso genähert hatten, mit gezogenen Waffen und bereit zur Wirkung von Magie, starrten sie auf diese Bemerkung hin nur an. „Ist doch so! Ylaria, Verian, ihr denkt auch so, oder?“ Leireth klang nun fast schon etwas hilflos, und als Ylaria nur den Kopf schüttelte, spuckte sie auf den Boden. „Ihr habt einfach keinen Mumm, das zu tun, was notwendig ist.“, geiferte sie. Im selben Moment versetzte ihr Imenia eine Ohrfeige. „Schweigt, Himmelsflamme. Ich werde nicht zulassen, dass ihr eure Grenzen weiter überschreitet. Noch ein Wort von euch, und ich lasse euch hier, damit ihr selber sehen könnt, wie ihr diesen Tempel je wieder verlasst.“ Die Drohung wirkte. Leireth starrte Imenia an, klappte den Mund auf und zu wie ein stummer Fisch, sagte aber nichts mehr. Imenia schnaubte. „Lorethiel, sorge dafür, dass mir diese ungehorsame Quel'dorei nicht wieder unter die Augen kommt, bis wir aufbrechen. Und lass sie nicht aus den Augen!“ Lorethiel nickte, und wollte dazu ansetzen, Leireth mit sich fortzuziehen, doch Imenia trat noch einmal vor die renitente Elfe, starrte sie direkt an. „Und ich hoffe, euch ist vollkommen bewusst, dass ich die allererste bin, die das Schwert gegen diesen verräterischen Abschaum heben wird, wenn es mir erlaubt wird.“ „Warum tut ihr es dann nicht?“, wagte Leireth zu fragen. „Weil ich – im Gegensatz zu euch – nicht nur an mich denke. Ich weiss, was Befehle sind. Und ich weiss sie zu befolgen. Was wohl der Grund ist, warum ich über euch befehle, und nicht ihr über mich, obwohl ihr älter und von Adel seid.“ Die Worte liessen Dairean aufhorchen, und er öffnete die Augen wieder. Das Grinsen, welches er in Imenias Gesicht sah, liessen ihn nicht an ihren Worten zweifeln. XXXX Nach Lorethiel und Leireths Abgang – er hatte sie energisch mit sich gezogen, ausser Sichtweite – blieben Verian und Ylaria an Ort und Stelle, blickten Imenia an. Diese drehte sich um und seufzte: „Was für ein dämliches Theater“. Als sie die beiden erblickte, blaffte sie einen weiteren Befehl: „Na los, wir brechen bald auf. Packt eure Sachen. Geht Hammerschmied und Tallys zur Hand. Befestigt das Gepäck. Husch husch, es gibt genug zu tun.“ Sie sagte es und stapfte davon, man konnte ihr anmerken, dass sie immer noch wütend war. Ylaria liess die Luft aus ihren Lungen weichen, die sie in den letzten Minuten wohl unbemerkt angehalten hatte, und blickte zu Verian. „Das ging ja mal gerade noch gut“, murmelte der, kniete sich hin. „Bist du verletzt?“, er kniete sich hin und begutachtete Leyan. Oder eher Dairean. Ylaria seufzte, und kniete sich ebenfalls hin. Als sie die dünne Linie Blut sah, die aus der kleinen Wunde an Daireans Hals rann, verengte sie die Augen. „Nichts weiter erwähnenswertes“, kam es über Daireans Lippen, und er grinste, als wäre er nicht gerade eben seinem Tode entkommen. Ylaria schnaubte schon wieder, stand sofort auf. Allein der Anblick dieses Grinsens regte sie so furchtbar auf, dass sie am liebsten mit dem Fuss auf dem Boden aufgestampft hätte. Verian blickte sie kurz an. „Ich geh packen“, sagte sie mit belegter Stimme und ging zum Hauptlager der Gruppe hinüber, um ihre Worte in die Tat umzusetzen. Connell und Brionna waren schon recht fleissig gewesen. Ihr eigenes Gepäck war schon zusammen geräumt, die Matten waren zusammengerollt. Ylaria setzte sich seufzend, und begann ihr eigenes spärliches Gepäck zu sortieren und zu ordnen. „Mach dir bitte nicht so einen Kopf“, klang es nur wenig später an ihrer Seite. Verian hatte sich zu ihr gesellt, um seine eigenen Sachen zusammenzuklauben. „Pff.. Das kannst du so einfach sagen“, erwiderte sie etwas zu schnippisch, konnte es in dem Moment aber nicht lassen. „Du hast dich doch nicht in jemandem so sehr getäuscht, den du mochtest.“ Verian antwortete eine Weile nicht und stopfte alles in den stabilen Sack, indem er seine wenigen Habseligkeiten aufbewahrte. Dann sagte er leise: „Bist du sicher?“, und blickte Ylaria an. „Wie meinst du das?“, fragte sie verwundert. „Leireth“, sagte Verian nur, und löste den Blick wieder von ihr. Ylaria wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, dann hielt sie inne, blickte zu ihm. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund. „Oh, beim heiligen Licht. Ich bin so dämlich.. Es..“ In ihren Augen stieg das Wasser hoch. < Nicht weinen, nicht weinen >, beschwor sie sich selbst. Sie war wirklich dumm gewesen. Sie war doch nicht die einzige, die Sorgen hatte. Wie hatte sie nur ihren besten Freund vergessen können. „Es tut mir leid, ich hätte es bedenken müssen, ich..“ „Sscht.. mach dir keine Gedanken“, sagte Verian und liess vom Gepäcksack ab, legte einen Arm um sie. Ylarias innere Anspannung löste sich schliesslich, und Tränen liefen über ihre Wange. Sie schluchzte, achtete überhaupt nicht auf den fragenden Blick von Brionna, die gerade wieder dazugekommen war, den gesäuberten Kessel in der Hand. „Es tut mir leid, ich .. denk nur an mich“, schniefte Ylaria. „Du bist auch.. Leireth ist.. Ich..“ „Jetzt schweig still“, brummelte Verian, „so schlimm ist es bei mir nun auch nicht.“ „Aber..“ „Kein Aber. Mach dir nicht so Gedanken um mich.“ Bei diesen Worten schluchzte Ylaria erneut, und fühlte sich gleichzeitig erleichtert und erbärmlich. Diese Reise verlangte ihr mehr ab, als sie es je hätte vorzustellen gewagt: dass ihre Gefühle verrückt spielen, war dabei auch nicht von Vorteil. Sie kam sich vor wie eine weinerliche Dame von Adel, die nichts konnte, ausser ihren eigenen persönlichen Dramen nachzuhängen. „Es ist klar, dass du traurig bist, wo du ihn doch mochtest“, sagte er etwas hilflos beim Anblick von Ylarias Tränen. Diese Worte liessen Ylaria sich energisch über die Augen wischen. „Ich mag ihn nicht! Ich hasse ihn! Er hat mich nur benutzt“, entfuhr es ihr wütend. Verian zuckte nur mit den Schultern und liess sie wieder los. „Na komm, wir müssen packen.“ Langsam beruhigte sie sich. Gerade rechtzeitig, denn Imenia gesellte sich wieder zu ihnen. „Na los, beeilt euch. Die Greifen sind bereit. Verian, bringt den Spion dazu, aufzustehen, wir werden ihn dann auf einen der Greifen setzen. Und ihr, macht euch reisefertig.“ Noch bevor jemand etwas erwidern konnte, stapfte Imenia auch schon wieder hinweg. „Du meine Güte“, murmelte Brionna. „Welche Laus ist ihr denn über die Leber gelaufen?“ „Dreimal dürft'er rat'n“, brummelte Connell, während er gerade die Figur, die er am Abend zuvor geschnitzt hatte, in seinem Gepäck verstaute. Dann nahm er sein eigenes Gepäck, sowie das der Priesterin selbstverständlich auf. „Der Spion war's natürlich.. Was sonst. Obwohl der nich' mal so grosse Füsse hat“, führte er völlig zusammenhanglos aus. Ylaria musste plötzlich kichern, und Connell grinste verschmitzt. „So iss'es recht, Elfenlady. Lachen steht euch viel besser als Weinen.“ Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung, um das Gepäck durch die grosse Halle des Tempels nach draussen zu tragen, wo schon die Greifen warteten. Brionna folgte ihm. Verian lachte leise. „Also wo er recht hat..“ „Hmpfh.“ Ylaria verschränkte die Arme. „Na komm, du nimmst mein gepäck, und ich hol den Gefangenen, ja? Schmoll' nicht weiter. In ein paar Tagen sind wir in Dalaran und dann..“ er senkte die Stimme etwas.. „Dann betrinken wir uns mal richtig, und dann können wir diesen ganzen Mist hier auch vergessen. Klingt das nicht nach einer guten Idee, Prinzessin?“ Als er sie bei ihrem alten Kosenamen nannte, löste Ylaria die Verschränkung der Arme. „Ist akzeptabel“, sagte sie leise. Verian lachte und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Na dann ist es ja gut.“ „Hey“, wehrte Ylaria sich, und knuffte Verian in den Oberarm. Der entfernte sich nur lachend von ihr. Nur wenig später waren schliesslich alle Elfen und Menschen der kleinen Expedition um die Greifen versammelt. Leireth sass bereits auf ihrem Greifen, den Lorethiel bei den Zügeln hielt. Imenia hielt ihren eigenen Greifen bei den Zügeln. „Silbersang, ihr könnt euer Gepäck von eurem Greifen gleich wieder abladen. Dieser Drachenfalke da wird es tragen.“ Ylaria, einigermassen verwundert, blickte hoch. Sie hatte gerade ihr Schwert verstaut. „Warum?“, wagte sie zu fragen. „Das ist doch klar“, erwiderte Imenia. „Herr Sonnenhoffnung“, sie betonte das Wort 'Herr' abfällig, „wird mit euch mit fliegen.“ Ylaria drehte sich um und starrte Imenia an. „Was..?“, sagte sie entgeistert. Verian trat einen Schritt vor und musterte sie besorgt. „Ihr habt es gut gehört. Er wird bei euch mit fliegen.“ „Aber.. nein.. das geht nicht.. ich..“, stammelte Ylaria. „Bei Ronins fliegendem Haar, seid ihr heute etwas langsam im Kopf?“. Imenia stemmte die Hände noch einmal in die Hüften. „Nein, ich... ich denke bloss, es wäre nicht so gut, wenn er bei mir..“ „Paperlapapp“, wischte Imenia ihre Bedenken mit einer Geste weg. „Fühlt euch nicht als einzige betrogen und belogen. Das ändert auch nichts daran, dass jemand ihn nehmen muss. Ich lasse ihn sicherlich nicht alleine fliegen, er könnte uns entwischen.“ „Ich könnte ihn doch nehmen“, wagte Verian sich zu melden. „Natürlich, Himmelswispern, weil ihr ja auch ohne zusätzlichen Reiter schon fast vom Greifen fällt“, erklang Imenias höhnische Antwort. „Was ist mit Lorethiel?“, liess sich Verian nicht aus der Ruhe bringen, trotz der Erwähnung von seinen kaum vorhandenen Flugfähigkeiten. „Habt ihr euch etwa alle gegen mich verbündet?“, brummte Imenia, und blickte Verian durchdringend an. „Lorethiel ist mit seinem Tier fast ohne Rast hergeflogen. Wir können von Glück reden, wenn es den Weg nach Dalaran überhaupt schafft. Eine zweite Last ist ihm nicht zuzumuten. Und dass Himmelsflamme nicht fähig ist, ihn zu nehmen, liegt auf der Hand.“ Sie drehte sich mit diesen Worten um, und stieg auf ihren Greifen. Ylaria nickte. „Verzeiht meine Worte“, sagte sie mechanisch und leise und machte sich daran, ihr Gepäck wieder vom Greifen ab zu laden. Lorethiel half ihr dabei, es auf den Drachenfalken zu laden, und dessen Zügel an ihrem Sattel festzubinden. Verian deutete Lorethiel, den Gefangenen an seinen Handfesseln zu halten, und half Ylaria auf den Greifen. Das war zwar an und für sich unnötig, schaffte sie es doch ohne Hilfe, aber er nutzte die Gelegenheit. „Nur Mut. Du wirst das schon schaffen.“, sagte er leise, und lächelte sie an. Verians Lächeln gab ihr etwas Zuversicht. Dennoch überfiel sie ein beklemmendes Gefühl, als die zwei Elfen den Spion hinter ihr auf den Greifen bugsierten. Dies verstärkte sich noch, als Dairean sagte, so könne er sich doch nie festhalten, es sei töricht, ihn nirgendwo zu befestigen, wenn sie ihn am Leben halten wollten. Lorethiel und Verian tauschten einen Blick. „Keine falsche Bewegung“, sagte Verian, und trat näher an den Greifen. Er löste den Knoten, nur um Daireans Hände um Ylarias Taille zu führen, dann verband er sie wieder und befestigte das Seil schliesslich vorne am Sattelknauf. Ylaria schloss die Augen, und hielt die Luft an, als sie Dairean näher an sich spürte. < Verflucht >, seufzte sie innerlich. In ihrem letzten Gedanken, bevor Imenia das Zeichen zum Abflug gab, verfluchte Ylaria das erste Mal ihren Drang nach Abenteuer und ihre Neugier, die ihren Teil dazu geleistet hatten, dass sie für diese Expedition ausgewählt worden war. Im Moment wünschte siue sich nichts lieber, als Wache vor dem Gasthaus des Allianzquartiers zu stehen. Stundenlang. Von ihr aus auch in der brütenden Sonne. XXXX Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)