Die Standuhr von Urahara-san ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das Ticken der alten Standuhr schallte durch den holzgetäfelten Flur. Es war ein groteskes Geräusch, als würde bei jedem Ticken ein winziges Knöchelchen zerbrochen werden. Ein Knöchelchen, zwei Knöchelchen, drei Knöchelchen… Jede Sekunde eines. Das Geräusch schallte durch den Flur, prallte an der marmornen Wand der dahinter liegenden Küche ab und wurde hin und her geworfen. Der Person, die gerade an einem alten Gasherd hantierte, schien das Knacken der Knöchelchen nicht aufzufallen. Es war eine ältere Frau, deren graues Haar zu einem Dutt zusammengebunden war. Ihr schwarzes Kleid, es war das Kleid einer Haushälterin, war schon älter, aber in tadellosem Zustand. Die weißen Rüschen leuchteten im Licht der Morgensonne, das sich seinen Weg durch die mit Vorhängen geschmückten Fenster bahnte. Die Frau holte eine leicht angerostete Dose aus einem Küchenschrank. Der Duft nach frischen Teeblättern wehte durch die Küche. Einige Teeblätter wurden von den geübten Händen der Haushälterin herausgenommen und landeten in dampfendem Wasser, das in einem Kessel, der auf dem Herd stand, schwappte, während die Teedose wieder zurück in den Küchenschrank gestellt wurde. Der Kessel wurde zusammen mit einem Teeservice auf ein silbernes Tablett gestellt, von der Haushälterin hochgehoben und aus der Küche den Flur entlang getragen. In diesem Moment schlug die alte Standuhr aus dem Wohnzimmer zwölf. Die Schläge hallten durch das ganze Haus, trieben die Mäuse tiefer in ihre Löcher und ließen der Haushälterin eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Seit Jahren schon grauste es ihr vor dieser Uhr. Ihr Schlagen erinnerte sie an Totenglocken. Sie hatte innegehalten, um der Uhr zu lauschen. Jetzt setzte sie jedoch ihren Weg fort, nicht ahnend, was sie im Wohnzimmer erwarten würde. Seine Hand war ausgestreckt, im Todeskampf verkrampft, als wolle sie die Kehle eines Unsichtbaren umschließen. Auch sein Gesicht war in Todesangstverzerrt, eine Grimasse der Panik, nur halb sichtbar in einer Pfütze aus Blut, rot leuchtete es auf dem dunklen Holzfußboden. Der Raum war ordentlich und unscheinbar, einzig sein toter Körper, verrenkt in einem See von Blut, zeugte von der schauerlichen Tat. In dem Moment, als die Haushälterin das Zimmer betrat und seiner Leiche gewahr wurde, entfuhr ihr ein lauter, gellender Schrei. Gleichzeitig begann die alte Standuhr zu schlagen, ein Mal, zwei Mal, immer wieder, sich bis in die Ewigkeit wiederholend. Es klang wie Totenglocken, doch gleichzeitig schwang im Schlagen der Uhr auch eine Art boshafte Freude mit. Mühelos übertönte es den Schrei der Haushälterin, drang durch sämtliche Ritzen des Hauses bis hinaus auf die Straße und verlor sich im unendlichen Blau des mittäglichen Himmels. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)