Und alles erwacht zu neuem Leben von Nifen ================================================================================ Kapitel 5: 1./2. Mai 1998 ------------------------- V-1 Vogelgezwitscher. Er hörte ganz weit entfernt leises Vogelgezwitscher. Es klang so friedlich. Und doch wusste er, woher auch immer, dass dies ein trügerischer Frieden war. Dass dies nicht die Realität sein konnte. „Hallo Professor, willkommen zurück unter den Lebenden!“ Die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor, doch er konnte sie nicht recht zuordnen. Mühsam versuchte er, die Augen aufzuschlagen. Doch das Gesicht, das er schließlich verschwommen erblickte, passte nicht zu der Stimme. Ein zweites Gesicht schob das erste beiseite und hielt eine Phiole an seinen Mund. Instinktiv wollte er sich dagegen wehren, doch er war zu schwach, um die Hand wegzustoßen, die ihn zum Schlucken zwang. Das Gebräu, das seine Kehle hinabrann, schmeckte scheußlich, schien jedoch augenblicklich zu wirken. Sein Geist klärte sich. Und in dem Maße, wie sich der Nebel, der ihn zuvor eisern umschlungen gehalten hatte, sich auflöste, stürzten die Erinnerungen auf Severus Snape ein: Die Ankunft von Potter und seinen Freunden und das Duell mit McGonagall. Die Erkenntnis, dass er aus Hogwarts fort musste, wollte er die Chance haben, Potter die Wahrheit über den überzähligen Horcrux zukommen zu lassen und seine Flucht durch das offene Fenster, wobei er seine Animagusgestalt preis gab. Voldemort, der ihn über das Dunkle Mal gerufen hatte und Nagini auf ihn gehetzt hatte, weil er in ihm den wahren Meister des Elder-Stabes vor sich zu haben glaubte. Potter und die Übergabe der Erinnerungen. Und dann... Schwarz. Der Tod. Er sollte tot sein. „Ich sollte tot sein.“ Krächzend kamen die Worte über seine trockenen Lippen. „Sollten Sie das wirklich, Sir? Ich dachte, Slytherins überleben. Sie passen aufeinander auf und überleben. Zugegeben, es war ziemlich knapp, aber schließlich wussten wir ja schon immer, dass Harry Potter nicht gerade die hellste Leuchte ist und außerhalb des Quidditchfeldes eher langsam reagiert.“ Der leicht beißende Spott in der Stimme brachte die zweite Person im Raum zum Lachen. Und jetzt wusste Professor Snape auch, wer ihm da geholfen hatte. V-2 „Blaise, wo ist der Professor?“, fragte Millicent leise wispernd, während sie ihren Slytherinkameraden zum Raum der Wünsche folgte. „Sollten wir nicht lieber hierbleiben und mit den anderen gegen Voldemort kämpfen?“ Irgendwie behagte ihr der Gedanke nicht, sich wie ein Feigling mit den Minderjährigen aus dem Schloss zu stehlen. Sie war nicht wie die anderen Slytherins, die sich stets auf die Seite des Siegers schlugen. Sie stand für ihre Meinung ein. Und ihrer Meinung nach gehörte Voldemort ausgelöscht! „Wir haben Wichtigeres zu tun, als Todesser mit Kinderflüchen zu attackieren“, raunte der junge Mann neben ihr. Fragend sah Millicent ihn an. Seit jenem Tag vor gut zwei Jahren hatte sich zwischen ihnen eine enge, wenngleich nach außen hin geheime Freundschaft entwickelt, zu der der Professor nicht wenig beigetragen hatte. „Vom Eberkopf aus erreichen wir die Heulende Hütte schneller.“ „Die Heulende Hütte?“ Noch immer verstand Millicent nicht, worauf Blaise hinaus wollte. „Wo Professor Snape in etwa sechs Stunden an einem Schlangenbiss stirbt, wenn wir nichts dagegen unternehmen“, erwiderte Blaise knapp. Jetzt endlich sah sie klarer. Sie wusste um die seltene Gabe des Freundes, genau wie dieser von ihren Plantimagusfähigkeiten und der Animagusgestalt des Professors wusste. Und augenblicklich begann ihr Gehirn auf Hochtouren zu arbeiten. Blaise hatte einen Schlangenbiss erwähnt. Es war nur logisch, anzunehmen, dass es sich bei der Schlange um Nagini, Voldemorts Haustier, handelte. Den Gerüchten nach eine riesige Giftschlange. „Wir brauchen einen Bezoar. Und blutbildenden Trank. Ein Stärkungselixier vermutlich auch. Magische Wundgaze. Denn ich schätze mal, dass wir nicht einfach Madame Pomfrey mitnehmen können?“ „Schön wär’s.“ Ein Blick in Blaises besorgtes Gesicht, sagte Millicent, dass es verdammt knapp werden würde. Dass keineswegs sicher war, dass sie den Professor würden retten können. Doch anstatt sich von diesen niederschmetternden Aussichten unterkriegen zu lassen, machte sich Trotz in ihr breit. Sie würden nicht aufgeben! „Ich lenke Slughorn ab, damit du an den Bezoar kommst, den er immer mit sich rumschleppt, seit er Weasley einmal fast vergiftet hätte, und du lenkst dafür im Gegenzug Pomfrey ab, damit ich mir ihren Medikoffer schnappen kann.“ V-3 „Meine Güte! Und das will der jüngste Sucher des Jahrhunderts sein, Hogwarts bester Quidditchspieler?“ Ungeduldig trat Blaise von einem Bein auf das andere. Er hatte gewusst, dass sie warten mussten, bis das Goldene Trio wieder verschwunden war, ehe sie sich um den Professor kümmern konnten, aber dass diese verflixten Gryffindors derartig langsam waren, hätte er nicht gedacht. Selbst nachdem Granger Potter eine Phiole für die Erinnerungsfäden in die Hand gedrückt hatte, schien der Held der Zaubererwelt nicht recht zu verstehen, dass die Zeit drängte. „Vielleicht hätte der Professor seine Erinnerungen so verzaubern sollen, dass sie die Form eines Schnatzes annehmen“, lästerte Millicent neben ihm und Blaise musste unwillkürlich grinsen. Er wusste, dass keinem von ihnen eigentlich nach Scherzen zumute war, doch es half ihnen, die innere Anspannung ein wenig zu bekämpfen, damit sie im entscheidenden Augenblick keinen Fehler machten. Endlich hatte der Professor die Augen, wie es schien zum letzten Mal, geschlossen und das Trio wandte sich wieder dem geheimen Gang, aus dem sie gekommen waren, zu. Einer nach dem anderen verschwanden sie außer Sicht. Und dann, endlich, war der Raum bis auf den Professor leer. „Wurde ja auch langsam mal Zeit“, murmelte Millicent und eilte zu dem leblosen Körper ihres Hauslehrers. Blaise wollte ihr folgen, wurde aber in diesem Moment von einem neuerlichen Bild der Vorsehung zurückgehalten. Doch was er sah, ließ ihn lächeln: Es war der Professor, quicklebendig, wie er auf der Terrasse eines weißgestrichenen Holzhauses saß, von dem Blaise wusste, dass es in Neuseeland stand. Denn es war Blaises eigenes Haus, das er von seiner Mutter zur Volljährigkeit hatte überschrieben bekommen. Und er ahnte, dass Millicent in diesem Bild nicht weit weg war. Irgendwie passend, dachte er. Erst verhilft der Professor Millicent zu einem neuen Leben, dann verhelfen beide mir zu einem neuen Leben und nun verhelfen Millicent und ich dem Professor zu einem neuen Leben. Ein hoffentlich besseres Leben für uns alle... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)