Das Leben ist ein Fahrstuhl von Kyraliah (Nur, wo drückt man nach oben?) ================================================================================ Prolog: 10.ter Stock -------------------- Ich habe wirklich keine Ahnung, warum ich gerade in einem düster beleuchtetem Saal mit viel zu lauter Musik stand. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, so an die hundert Mal nein gesagt zu haben. Mal lauter, mal leiser und von der Deutlichkeit dieses Hochfaszinierenden Wortes wollen wir mal gar nicht anfangen. Jeder und noch dessen Mutter, hätte es wohl mitbekommen und akzeptiert. Nur schienen Nathan und Marlene seltsamerweise nicht in diese, doch eigentlich recht weit gefächerte Kategorie zu fallen. Pünktlich um 19 Uhr waren sie von meiner Mum hereingelassen worden und hatten fast übermenschlichen Mut bewiesen indem sie mich – trotz erheblichen Widerstandes! – für diese seltsame Disco fertig machten. Und warum? Weil Thilo, der nebenbei Nathans älterer Bruder ist, es nicht fertig bringt alleine ein Mädchen anzugraben. Das ging mir wirklich nicht in den Kopf, immerhin ist Thilo.. na ja Thilo eben. Selbstbewusst bis zu Arroganz, notfalls rüde bis zum Anschlag und wer meint das Kerle die sich schminken nicht zuschlagen können, der sollte wohl besser nicht auf ihn treffen. Nebenbei sieht er wohl auch noch ganz gut aus, aber woher sollte ich das auch so genau wissen? Ich bin ja mehr oder weniger mit ihm aufgewachsen. Für mich war der Kerl bisher eine neutrale Person über deren Sexleben ich mich höchstens belustigen wollte, aber nicht dabei helfen. Und wer sich fragt wie drei 17 jährige Schüler einem 20 Jahre altem Kerl helfen sollen, seine angebetete abzuschleppen, der wird erfahren das wir nur zu Ablenkung dienen. Prima, ich wollte schon immer mal als Kanonenfutter herhalten. War mir schon immer ein Lebenstraum. „Wenn du noch ein bisschen finsterer dreinschaust, bekommst du bestimmt Falten.“, riss mich Marlene mit ihrer unnachahmlich freundlichen Art aus meinen Gedanken, wofür sie jedoch nur einen ungnädigen Blick abbekam. Wie schon mal irgendwann erwähnt: Ich wollte ja schließlich gar nicht hier sein! Daran änderte auch der freundschaftlich um meine Schultern gelegte Arm, meines besten Freundes nichts. Und wenn der mich noch so sehr anstrahlte! Wirklich, wenn es Strom erzeugen würde zu lächeln, dann würde Nathan eine mittelgroße Stadt in Weihnachtsverkleidung beleuchten können. Gott sei Dank gewöhnte man sich mit der Zeit daran, sonst müsste ich seit Jahren ständig mit einer Sonnenbrille durch die Gegend latschen, aus Angst sonst zu erblinden. „Lass Robin mal in Ruhe schmollen, dann ist er später fit wenn unser Auftritt kommt.“, wiegelte besagter bester Freund ab und stellte sich, auf meiner Schulter abstützend auf die Zehenspitzen um wohl über die Menschen hinweg, Ausschau nach seinem Bruder zu halten. Und ja genau, lasst mich in Ruhe schmollen. Immerhin hatte ich mir meinen Freitagabend ein klein wenig anders vorgestellt. Mit meinem Bett, dem Fernseher und meiner guten Freundin der Fernbedienung. Die Partygäste Chips und Cola waren auch schon eingeladen gewesen. Aber nein, stattdessen musste ich mir hier mit diesen beiden Kuppelfreaks die Beine in den Bauch stehen und darauf hoffen das Miss Wunderbar vielleicht kam. „Das ist eine ganz furchtbar dämliche Idee und ihr wisst es.“, grummle ich und hebe die Hand um Nathans Arm von meiner Schulter zu stoßen. Wo kämen wir denn da hin, wenn hier jemand meinen könnte mit als Möbelstück zu missbrauchen? „Ich weiß gar nicht was du hast.“, zwitscherte Marlene unbeeindruckt und warf sich ihr Schulterlanges Haar mit einer lässigen Bewegung zurück. „Was ist denn schon dabei zwei so Kerle von Thilo und..“, hier runzelte sie die Stirn, schien aber auch nicht auf den Namen zu kommen. „.. wie auch immer sie heißen mag, abzulenken? Das könnte doch ganz witzig werden.“ Witzig? Ich konnte mir bei weitem witzigeres vorstellen. Die Simpsons zum Beispiel. Oder wenn unser Religionslehrer wiedermal versuchte und zum mitmachen zu bewegen. Ja sogar die Standpauken meines Vaters konnten witzig sein, aber zwei Typen die Thilo soweit brachten, sich Verstärkung zu suchen, waren es definitiv nicht. Aber Nathan, der dumme Wackeldackel, hatte ja sofort begeistert nicken müssen und nebenbei nicht nur seine Seele, sondern meine gleich mitverkauft. „Seht euch hier doch mal um!“, startete ich den x-ten Versuch meine Freunde davon zu überzeugen das diese Schwachsinnsidee einfach nicht gut für uns enden konnte. „Die eine Hälfte hier würde Thilo ohne mit der Wimper zu zucken selbst klein machen können und die andere wird uns mit dem kleinen Finger gegen die nächste Wand klatschen!“ Nathans belustigtes Lachen trug nicht unbedingt zur Besserung meiner Stimmung bei. „Das du immer so übertreiben musst. Ich sehe hier nur ganz normale Leute.“ Aha. So sahen also ganz normale Leute aus? Das war ja mal wirklich gut zu erfahren. Immerhin würde ich nicht einmal uns drei als Gesellschaftlich normal bezeichnen. Aber wer war ich schon, um so etwas bestimmen zu können? Schwarz aufgestylte Haare und geschminkte Augen waren ja etwas so ganz alltägliches.. da schaute doch NIEMAND mehr zweimal hin. Wie konnte ich so etwas auch nur denken? Böses Gehirn, mal Platz! Und damit hatte ich nur uns drei grob überrissen. Zog man nämlich Thilo noch in die Gleichung, dann kamen dazu noch Nietenbänder – egal ob Hals oder Arm – hin und wieder mal ein dekorativer Schlagring und die teilweise sehr bösartig aussehenden Kontaktlinsen, lassen wir mal schön unter den Tisch fallen. Trotz dieser Tatsachen, die uns definitiv nicht ganz normal für den naiven Menschen machen, gingen wir in dieser Bruchbude – auch Disco genannt – ziemlich unter. Je schriller, gefährlicher, bösartiger, unglaublicher oder nackter desto besser. So kam mir jedenfalls das Motto hier vor. Mir fehlten eigentlich nur noch irgendwelche Akrobaten an der Decke und ein paar Clowns und der Wanderzirkus wäre fertig. Kommt Leute, kommt! Für nur 5 Doller bekommt ihr die Psychos der Stadt zu sehen! Bekam man mit, dass dies hier nicht meine Welt war? Ja, auch ich mochte meine Kleidung dunkel, hatte nichts gegen schicke Frisuren einzuwenden und auch gegen ein wenig Kayal war nichts einzuwenden.. aber das hieß nicht, dass ich in irgendeiner Art oder Form gepolt war. Ich war kein heulender Emo der im Eck saß – was ja der allgemeine Gedanke hinter diesem Wort ist. Das es ursprünglich nur mal der Begriff für eine Musikrichtung war interessiert keine alte Sau mehr. Aber egal, wo war ich? „Da seid ihr ja endlich!“ Woher Thilo auch immer gekrochen war, jetzt stand er jedenfalls mit verschränkten Armen vor uns und sah nicht begeistert aus. Naja gut, das tat er sowieso selten. Wie Nathan und er Brüder sein konnten ging mir sowieso nicht in den Kopf. Offensichtlich hatte Thilo bei seiner Zeugung ganz laut ‚hier’ gebrüllt als es um die eher offensiven Charaktereigenschaften ging und für Nathan waren nur noch die sanften, defensiven übrig geblieben. So erklärte ich mir das zumindest, wie die beiden so unterschiedlich sein konnten. „Ich warte schon eine geschlagene halbe Stunde auf euch und Patricia ist auch schon da. Mit ihren beiden Idioten.“, bei letzterem verzog er den Mund abfällig und seine dunklen Augen blitzten unter dem langen Pony hervor. Japp, das war Thilo live und in Farbe. „Sorry, aber es hat ewig gedauert Robin vorzeigbar zu machen.“, erklärte Nathan mit einem Lächeln das zwischen Zerknirschtheit über diese Tatsache und Freude über das Treffen mit seinem Bruder zu schwanken schien. Verräter! Und tatsächlich ruhten diese dunklen Augen sofort auf mir und ich sah mich schon als Opfer der nächsten, dämlichen Sprüche als sich unerwarteterweise ein Lächeln auf dessen Lippen schlich. „Das habt ihr ja sogar ganz gut hinbekommen.“, lobte er und wank uns dann mit sich. „Los kommt, ich stelle euch vor. Je schneller wir das hinter uns bringen, desto besser.“ Ganz perplex über dieses Lob, ließ ich mich ohne viel Widerstand zu leisten von Marlene durch die Menschenmenge zerren. Was war denn mit dem los? Gott, die Liebe machte echt alles kaputt. Da wurde mit alther bekannten Regeln gebrochen als ob es ein Twix wäre und aus brüllenden Löwen wurden schnurrende Kätzchen. Über meine eigenen, schrägen Gedanken grinsend, folgte ich den anderen ohne wirklich aufzupassen wohin es ging. Mein Autopilot wich seltsam aussehenden Leuten mit offenen Getränken in der Hand ganz von selbst aus und erst als ich das fast schon ehrfurchtsvolle „WoW“ von Marlene hörte, blinzelte ich irritiert und sah zu ihr. Deren scheinbar in einer Traumwelt versunkenem Blick folgend, sah ich mich gleich darauf drei weiteren Menschen gegenüber. Wäre ja auch schlimm wenn es Aliens gewesen wären. Aber wie dem auch war, ich verstand die Aufregung nicht. Gut, das Mädchen sah schon schick aus mit ihren engen schwarzen Lederklamotten und den hellen blonden Haaren. Dazu noch die schwarz umrandeten hellen blauen Augen.. ja doch. Konnte man schon verstehen das selbst jemand wie Thilo anfing zu schnurren. Doch das konnte nicht der Grund für Marlenes Verzückung sein. Also nahm ich die beiden Kerle, die jeweils links und rechts von dem hübschen Mädchen standen ins Auge. Der eine sah schon mal so aus als hätte er ewig vor dem Spiegel gestanden und solche Strähnchen zu färben war mal garantiert kein Zuckerschlecken. Und obwohl das Haupthaar wohl schwarz war, hellten es die vielen Strähnen ungemein auf. Dazu kamen ebenfalls noch tolle, helle blaue Augen und auch ansonsten wirkte der Typ fast schon wieder normal. Zwar dunkle Kleidung, aber kein Leder und so einen würde ich auch eher in unsere Kategorie einordnen. War das also der Grund für das verzückte Gemurmel? Den Blick weiter nach rechts schweifen lassend, sah ich mich dann wohl auch der tatsächlichen Ursache gegenüber. Hochgewachsen, hellblau gefärbte Haare, freier Oberkörper mit schicken aber nicht übertriebenen Muskeln und.. woah schon wieder blaue Augen. Wenn auch in dem dunkelsten Farbton den ich jemals gesehen hatte. Shit, ich müsste Marlene recht geben, wenn schon alleine aus dem Grund das ich nun verstand warum Thilo sich das hier nicht alleine antun wollte. „Siehst du den?“, diesmal war es Nathan der mir zuflüsterte. „Krasse Augen.“, murmelte ich zurück, hob dann jedoch eine Augenbraue als ich bemerkte das er nicht den blauhaarigen sondern den anderen Kerl anstarrte. Oha. … oh. Ein paar Mal blinzelnd, fiel mir wieder ein das Nate ja noch gar nicht so recht wusste ob er jetzt auf Frauen oder Männer stand. Naja, wenn ich seinen Bambiblick in irgendeine Wertung nehmen durfte, dann war es jetzt wohl klar. „Hör auf ihn so offensichtlich anzusabbern!“, zischte ich und versetzte ihm einen unauffälligem Stoß mit dem Ellenbogen. „Mach das ein bisschen dezenter.“ Dumm nur das diese Bambiaugen nun auf mir ruhten und mich bittend ansahen. Jaja, schon klar. Die Augen zur Decke verdrehend, wandte ich mich zu Marlene und zupfte an ihrem Shirt bis ich ihre Aufmerksamkeit besaß: „Wir müssen uns um den blauhaarigen kümmern. Nate will eine Rehattacke auf den anderen starten.“ „Oh.“, die vollen Lippen öffneten sich zu einem überraschten Laut, bevor sich ein belustigter Funke in ihre Augen schlich. „Dann kümmerst du dich um den anderen und ich mache den Puffer zwischen euch allen und dem Pärchen.“ Und gerade als ich den Mund öffnen wollte um mich dagegen zu wehren trat dieses faule Miststück einen Schritt nach vorne und zog uns mit sich. Das durfte doch alles schon gar nicht mehr wahr sein! Unwillig die Unterlippe nach vorne ziehend, erging ich mich ganz selbstsüchtig in einer Runde wohlverdienten schmollens, als wir auch schon vorgestellt wurden. Thilo machte es sich einfach und deutete einfach einmal ringsum auf jeden einzelnen und gab den Namen bekannt: „Kevin, Patricia, Gabriel, Nathan, Robin und Marlene.“ Was dann kam, war schon wieder so amüsant, dass ich Marlene schon wieder für diese Mehrarbeit vergab. Kevin, der Kerl mit den vielen Strähnen und neuestes, zukünftiges Opfer des Rehblicks schnaubte nämlich und stierte Thilo misstrauisch an. „Wenn du dich schon nicht nennst, kannst du ja gleich wieder ne 180 Grad Drehung machen und dich verziehen.“ Und wie bereits davor erwähnt, eigentlich ist Thilo jemand der schon mal erst schlägt und dann frägt, aber dieses Mal lächelt er nur total unterkühlt und wendete sich dem Mädchen zu um es auf einen Drink einzuladen. Diese nickt begeistert, wirft ihren beiden Freunden noch einen beschwörenden Blick zu und folgt dem gezähmten Löwen dann zur Bar. „Showtime.“, murmelte Marlene und entfernt sich ebenfalls. Na prima. Und ausgerechnet ich steh jetzt hier und darf Ablenkunsmanöver spielen. Sehe ich vielleicht so aus als hätte ich darauf Bock? Gerade wo jetzt mit Nate eh nix mehr anzufangen ist? Etwas das auch Gabriel zu bemerken scheint, denn er wirft Nathan einen prüfenden Blick zu und grinst dann breit, bevor er Kevin in die Seite boxt. Normalerweise wäre es alleine schon ein Fulltimejob dafür zu sorgen das Nate sich nicht über alle Maßen blamiert, aber diesmal ist es dafür zu spät. Dieser Strähnchentyp bemerkt auf den – höchst dezenten – Hinweis den total abwesenden, anbetenden Blick und wirkt erst überrascht und dann amüsiert. Hochamüsiert. Der Wichser! Ich kann ihn jetzt schon nicht leiden. Die Augen verengend, mache ich wie zufällig einen Schritt nach vorne und gebe vor die unglaublich hässliche Deckenbeleuchtung genauer mustern zu wollen. Damit stehe ich genau zwischen den beiden Idioten und meinem besten Freund. Nicht das ich einen besonders guten Puffer abgeben würde, aber es ist immerhin meine Pflicht! Keine geliebte oder gar gewollte Pflicht, aber selbst ich hab so etwas wie ein Ehrgefühl wenn es um meine Lebenslange Freundschaft zu diesem Reh geht. Auch wenn das nur keiner falsch verstehen sollte, aus dem Reh kann in Sekundenschnelle eine wilde Bärenmama werden. Das passiert allerdings nur für andere und nie für sich selbst. Daher versuche ich es immer mal wieder mit der Schildkrötentaktik. Ich krieche so langsam aus dem Weg, das der ‚Angreifer’ schon wieder vergisst was er von Nate wollte. Hat bisher vorzüglich geklappt. „Was soll denn das?“, nuschelt Nate und versucht an meiner Schulter vorbei zu sehen. Geht’s noch ein bisschen offensichtlicher? „Ich versuche gerade deine peinliche Vorstellung wieder gerade zu rücken.“, erkläre ich also gnädig und schnippe mir nebenbei eine Haarsträhne aus der Stirn. Nicht das es viel gebracht hätte, denn nur Sekunden später ist sie wieder an Ort und Stelle. „Was denn für eine peinliche Vorstellung? Zu schauen wird ja wohl nicht verboten sein!“, empört sich der Wicht – wir übersehen mal das er ganze zwei Zentimeter größer als ich ist – und stellt sich mal wieder auf die Zehenspitzen. „Der Kerl ist der Hammer. Wie darf so was nur rumlaufen?“ „Hat vermutlich sowieso ne Freundin.“ Ich sehe an seinem betroffenem Blick das er gar nicht so weit gedacht hatte und ärgere mich. Wenn auch diesmal über mich selbst. Das Reh zu verletzen macht keinen Spaß. Absolut nicht. Doch noch bevor ich meinen Schnitzer wieder gut machen kann, tippt mir jemand auf die Schulter und ich sehe, in Erwartung Marlene zu erblicken auf. Dummerweise sehe ich aber genau in ein dunkelblaues Augenpaar, das mich fest fixiert. Sofort geht alles in mir in eine Art Abwehrhaltung und ich wende mich ihm todesmutig zu. Hey.. immerhin bin ich das Ablenkungsmanöver! „Ja?“ Gott, das war nicht die sprachliche Exkursion die ich jetzt ganz gerne aus meinem Mund gehabt hätte. Und rein dafür schicke ich einen bösen Blick hinterher. „Du bist Robin, nicht?“, werde ich gefragt und komme nicht umhin zu nicken. Immerhin komme ich aus einem Elternhaus in dem Höflichkeit groß geschrieben wird. Sofort wird mir eine Hand hingehalten, welche ich eine Weile misstrauisch mustere bevor ich sie ergreife. „Freut mich, Robin. Ich bin Gabe.“ Und als sich seine warmen Finger um meine Hand schlossen und seine Augen mich so anfunkelten als wüssten sie etwas, das ich nicht weiss, begann sich mein persönlicher Fahrstuhl in Bewegung zu setzen. Nach unten Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)