Lost. von abgemeldet (Wenn Liebe gefährlich wird) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Nacht. Nichts als Dunkelheit. Plötzlich – Scheinwerfer. Autoscheinwerfer. Die beiden Lichter rasten immer weiter auf ihn zu. Für seinen Geschmack kamen sie viel zu schnell. Er wusste nicht wo er war – wusste nicht wer er war oder was mit ihm geschah. Plötzlich ein dumpfer schlag, als er auf der Motorhaube des Wagens aufschlug. Noch ein Schlag, als er auf der Straße aufkam. Ein Krachen und ein Knacken – noch eines. Der Wagen hatte sofort gehalten. Er rollte den Graben hinunter. Der Graben, der die kaufbefahrene Landstraße von dem kleinen Wäldchen am Stadtrand von Shallow Mind trennte. Er wagte nicht zu atmen oder sich zu bewegen. Dann hörte er Autotüren schlagen. Einmal, zweimal, dreimal. Stimmengewirr, dass irreal und weitentfernt schien drang in seine Ohren. Jedes Wort, das er nur verschwommen vernahm, schien seinen Schädel sprengen zu wollen. „Bestimmt nur ein junges Reh, oder so was“, sagte eine Frauenstimme. „Aber ich habe es doch erkannt! Das war ein junger Mann“, verteidigte sich eine andere Stimme. Was weiter geredet wurde verstand er nicht. Er hörte nur, wie erneut drei Autotüren schlugen und der Motor gestartet wurde. Wie der Wagen sich mit endloser Langsamkeit zu entfernen schien. Plötzlich vernahm er ein Stechen in seiner Seite. Er versuchte sich aufzusetzen – erfolglos. Ein Schmerz durchfuhr seinen ganzen Körper. Vorsichtig und langsam hob er seinen rechten Arm zu seiner linken Seite. Eine warme Flüssigkeit rann unaufhörlich über seine Hand. Ein schmerzerfülltes Keuchen kam über seine Lippen. Seine Wunden heilten nicht mehr so schnell wie früher. Er verspürte einen Durst – wonach wusste er nicht. Was er wusste war, dass wenn er trinken würde, seine Wunden schneller heilten. Schweißgebadet wachte ich aus meinem mittlerweile so vertrauten Albtraum auf. Ich setzte mich ruckartig auf und fuhr herum. Mein Zimmer war in ein gespenstisch dumpfes graues Licht getaucht und meine Hand suchte hastig nach dem Lichtschalter neben meinem Bett. Als meine zitriggen Finger ihn endlich fanden und diesen umlegten sah ich – natürlich – dass alles wie immer war. Ein blick auf meinen Wecker auf dem Nachtkästchen neben meinem Bett verriet mir, dass es ohnehin in einer Viertelstunde Zeit zum aufstehen gewesen wäre, also befreite ich mich von meiner kuschelig warmen Bettdecke und ging ins Bad. Ich wohnte noch nicht lange alleine in diesem alten – ziemlich renovierungsbedürftigen Haus am anderen Ende von Shallow Mind. Seitdem meine Eltern gestorben waren, hatte ich bei meinem Onkel in der Stadtmitte gewohnt, doch nun hielt ich mich für alt genug um endlich alleine wohnen zu können, auch wenn Sebastian – mein Onkel – das ein wenig anders sah, aber er wusste, dass ich mich von Anfang an in dieses alte Haus am Waldrand verliebt hatte. Mit seiner schönen auffahrt, den alten Bäumen rechts und links davon. Dem kleinen See hinter dem Haus, bei dem ich immer gespielt hatte, als ich noch klein war. Ich fühlte mich hier wohl – von Anfang an. Es war nun schon knapp zwei Monate her – mein Auszug. Plötzlich klingelte das Telefon. Ich fuhr herum und ging ran, als ich es endlich unter einem Wäscheberg entdeckte. „Ebony Callaghan, hallo?“, sagte ich in den Hörer. Ich hasste meinen Vornamen – zu heißen wie ein Stück Holz hatte nicht gerade viele Vorteile. „Ebby! Wo steckst du? Ich warte schon seit einer halben Ewigkeit vor deinem Haus und niemand macht auf. Ich glaube deine Klingel hat eine Reparatur nötig.“ Diese Stimme kannte ich besser als keine andere – Betzy. Sie war schon seit Sandkastenzeiten meine beste Freundin gewesen und würde es wohl auch für immer bleiben, hoffte ich zumindest. Als ich kein Lebenszeichen von mir gab sagte sie: „Du Nudel! Die Zeit wurde umgestellt, es ist jetzt nicht halb sieben sondern halb acht.“ Ich fasste mir an die Stirn. Genau dasselbe Prozedere wiederholte sich jedes Jahr zwei mal. Mir entfuhr ein tiefer Seufzer. „Ich bin gleich unten! Warte einfach“, murrte ich in den Hörer und unterzog mich einer Katzenwäsche. Dann hastete ich in mein Zimmer und griff mir das nächstbeste Top und eine Jeans, ich rannte die Treppe runter stopfte meine Sachen in die Tasche und schlüpfte etwas notdürftig in meine Chucks. Und schon stand ich – mehr oder weniger – topgestylt vor Elizabeth. „Tadaaa! Also, lass uns los“, meinte ich während ich die Haustüre abschloss und mit ihr zu ihrem Wagen schritt. Mein VW Käfer befand sich in der Werkstatt, da irgend so ein Witzbold es für nötiggehalten hatte mir sämtliche Kabel durchzuschneiden. Auf der Fahrt zur Schule redeten wir über die üblichen Mädchensachen und planten schon mal unsere Outfits für heute Abend. Im Peace of Scilence sollte heute nämlich eine megamäßige Party statt finden. Ich kannte den Club nur zu gut, schließlich war er – neben meinem Onkel – meine Haupteinnahmequelle. Doch heute würde ich mal ausnahmsweise nicht hinter der Bar oder sonst wo stehen – heute war ich Gast. Bald erreichten wir den Schülerparkplatz und Betzy parkte ihren Audi direkt neben einer ziemlich schwarzen, ziemlich schönen Honda Fireblade. Motorräder hatten mich schon immer fasziniert, aber um einen Führerschein zu machen war ich momentan zu knapp bei Kasse. Insgeheim fragte ich mich, wem dieses Monster wohl gehörte, niemand den ich kannte fuhr so ein Gefährt. Wir stiegen aus und fischten unsere Taschen von der Rückbank, da hörten wir auch schon ein allgemeines „Hallo“ von Betzys Freund und Noah, einem guten Freund von uns. Wir quatschten über dies und das, bis wir schließlich und endlich im langweiligen Spanischunterricht von Mrs. Seyfrid saßen. Die Jungs hatten Glück, sie waren ein Jahr über uns und hatten – nach meinem Wissen – gerade Sport. Die Schulstunden zogen sich wie Kaugummi und als wir endlich aushatten machten wir uns äußerst erleichtert an den Rückweg zu dem Auto meiner besten Freundin. „Heute Abend wird klasse!“, schwärmte sie, während wir vom Schülerparkplatz auf die Bermingroad einbogen. „Soll ich dich eigentlich später abholen oder ist dein Auto wieder ganz bis dahin?“ Sie sah kurz fragend zu mir hinüber, während sie in den fünften Gang schaltete und aufs Gas drückte. „Ja, das glaub ich auch – schon alleine weil ich nicht den ganzen Abend ein Dauerlächeln aufsetzen muss“, grinste ich und schnitt eine Grimasse, dann schüttelte ich nur den Kopf und sagte: „Nein, sie bringen ihn mir heute Nachmittag vorbei – ich kann dann selber kommen.“ Wir plauderten noch über dies und das bevor sie mich auch schon an der Kreuzung, wo die Auffahrt zu meinem Haus in die Landstraße mündete, absetzte. „Bis heute Abend“, verabschiedete sie sich und ich ließ dasselbe hören. Dann lief ich hoch und ging ins Haus. Ich stand gerade unter der Dusche, als es plötzlich wie verrückt an der Tür klopfte. Ein genervter Seufzer entfuhr mir und ich wickelte mir notdürftig ein Handtuch um, bevor ich aus dem Bad, die enge Treppe hinunter zur Haustür hastete. Jenseits der Haustür stand der Mechaniker, dem ich mein Auto anvertraut hatte. „Ich hoffe ich störe nicht“, entschuldigte sich dieser, während er mich ziemlich genau begutachtete. Am liebsten hätte ich ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen! Was war das für eine Frage: Ich hoffe ich störe nicht! Er konnte ja wohl unschwer erkennen, dass ich gerade anderweitig beschäftigt gewesen war. Ich setzte mein süßestes Lächeln auf und schüttelte dann den Kopf. „Überhaupt nicht, ist er fertig?“, erkundigte ich mich. Der Mechaniker nickte und deutete auf meinen Käfer. „Er ist wieder topeinsatzbereit“, versicherte er mir. „Gut, danke schön. Ist es in Ordnung, wenn ich morgen vorbei kommen und dann bezahle? Ich stehe im Moment etwas unter Zeitdruck.“ Ich sah mich nervös um, da mir gerade wieder eingefallen war, dass es ja schon eine Stunde später war, als das, was meine Uhren anzeigten. „Verstehe, das ist kein Problem“, sagte der Kfz-Mensch und wandte sich zum Gehen. „Kommen Sie einfach morgen Früh zwischen acht und zwölf Uhr vorbei.“ Das war das letzte was ich von ihm hörte, dann verschwand er auch schon wieder. Als ich endlich fertig war fuhr ich zum Peace of Scilence und wartete wie verabredet am Eingang auf die Anderen. Die Party war wirklich der Hammer – nur schade, dass ich mich im Nachhinein an fast nichts mehr erinnern konnte. Ich hatte wohl relativ viel getrunken und Noah fragte mich noch, ob er mich vielleicht heim fahren sollte. Doch ich sagte Nein und machte mich zu meinem Auto auf, das mal wieder nicht anspringen wollte. Nicht im Traum daran denkend, jemanden um Hilfe zu bitten, ging ich zur Bushaltestelle, wo mir ein Blick auf den Fahrplan verriet, dass der letzte Bus bereits gefahren sei. Mit einem Achselzucken verließ ich das Bushäuschen und ging weiter in Richtung Wald. Ich hatte es ja nicht weit von hier bis zu mir nach Hause – etwa eine halbe Stunde, wenn ich einfach durchs Gebüsch ging. Ich war schon eine Weile gegangen, als ich plötzlich glaubte Schritte zu hören. Ich fuhr herum. Mittlerweile war er wieder auf den Beinen. Er war in dem Wäldchen, an dessen Rand er gelegen hatte, unterwegs und versuchte seinen brennenden, schon fast schmerzenden Durst zu löschen. Er hörte ein Reh, das sich wohl irgendwo verfangen haben musste. Er stürmte darauf zu, packte es und hielt es fest. Es dauerte auch nicht lange, da hatte er schon seine Fänge in die Kehle des wehrlosen Tiers geschlagen. Das Blut des Rehs floss warm seine Kehle hinunter und sein Durst wurde schwächer, auch fühlte er wie seine Wunden langsam – aber immerhin – zu heilen begannen. Als er das Reh komplett ausgesaugt hatte sah er sich um. Er fühlte sich wie ein Vegetarier – satt, aber nicht vollends befriedigt. Plötzlich – Schreie. Er sah sich um und rannte in die Richtung aus der die Schreie kamen. Er sah einen Mann, der wohl gerade im Begriff war eine junge Frau – dem Lärmpegel nach zu urteilen – gegen ihren Willen auszuziehen und anzufassen. Noch ehe er sich versah, hatte er den Mann an der Schultergepackt, ihn umgedreht und ihm seine Faust ins Gesicht gedrückt. Die junge Frau robbte ein Stück weg, bevor sie aufstand und ein Stück weglief um den Kampf, der sich vor ihr abspielte aus sicherer Entfernung zu betrachten. Es dauerte eine Weile, bis er den Mann davon überzeugen konnte, dass es für dessen Gesundheit wohl deutlich besser wäre, sich aus dem Staub zu machen. Als jener schließlich doch Leine zog, rannte die junge Frau auf ihren Retter zu und hielt nur wenige Meter vor ihm. Mein Herz raste, als ich vor dem Mann, der mir möglicherweise das Leben gerettet hatte, stand und es dauerte einen Augenblick, bis ich meinen Mund öffnen konnte um irgendetwas dummes zu sagen. Ich bedankte mich und fragte den Fremden nach seinem Namen – seine vielen Verletzungen waren mir bis dahin noch nicht aufgefallen. „Wie heißen Sie?“, wiederholte ich meine Frage erneut, mit ruhiger, sanfter Stimme. Mein Gegenüber schwieg eine Weile, dann sagte er mit einer rauen, tiefen, sehr verwirrten Stimme: „Ich ... ich habe keine Ahnung.“ Zuerst wollte ich diese Antwort nicht akzeptieren, aber dann vielen mir seine Verletzungen auf und in meiner Magengegend bildete sich ein schmerzhaftes Knäul, das mir den Atem abzuschnüren drohte. „Sie – brauchen einen Arzt!“, stieß ich besorgt und etwas ängstlich aus, als ich das alles noch einmal realisiert hatte. Der Namenlose schüttelte nur den Kopf und ein – mir schmerzerfüllt scheinendes – Ächzen kam über seine Lippen. Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Etwas unternehmen! Jetzt! Sofort! Keine Sekunde verschwänden! Helfen! In meinem Kopf herrschte reine Verwirrung und es wollte mir nicht gelingen einen klaren Gedanken zu fassen. Als ich mich beinahe wieder gefangen hatte, legte ich einen Arm des Fremden über meine Schulter um ihn zu stützen. So wollte ich ihn nach Hause schaffen. „Wenn ich schon keinen Arzt holen darf, dann kommen Sie wenigstens mit zu mir nach Hause. Ich kann Ihre Wunden versorgen und Ihnen etwas zu Essen machen.“ Nach gefühlten drei Stunden kamen wir endlich bei mir zu Hause an. Ich hievte den Verletzten die Treppe hinauf, zeigte ihm mein Bad und meinte, er solle mich rufen, wenn er mit Duschen fertig sei. Unterdessen machte ich in der Küche eine Pfannkuchensuppe – etwas besseres wäre mir auf die Schnelle ohnehin nicht gelungen – und richtete das Verbandszeug her. Immer noch schien alles so irreal und unecht. Ich wollte es einfach nicht glauben. Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde ging ich nach dem Mann sehen, da er kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Er saß in ein Handtuch gewickelt auf dem Badewannenrand und starrte in den Spiegel. Ich klopfte erst nachdem ich die Türe einen Spalt weit geöffnet hatte und fragte: „Kann ich reinkommen?“ Eine Geste, die ich als Nicken interpretierte, ließ mich durch die Tür schreiten und sie hinter mir wieder verschließen. Den Erstehilfekasten – schon beinahe antik – stellt ich auf einem kleinen Beistelltischchen ab. „Geht es Ihnen besser?“ Er beachtete ihre Frage nicht – starrte weiter vor sich in den Spiegel. Er hätte nicht gedacht, dass seine Wunden so heftig waren. Seine Rippe war gebrochen, das hatte er gemerkt, aber dass er sämtliche Schnittwunden und andere Brüche besaß war ihm neu. Als sie ihre Frage erneut stellte, drehte er seinen Kopf ein wenig in ihre Richtung. Er nickte. Die junge Frau begann sämtliche Verletzungen zu desinfizieren und zu verbinden. Er ließ diese Prozedur schon beinahe dankbar über sich ergehen. Als sie fertig war, zeigte sie ihm ein Zimmer – ihr Zimmer. Sie bedeutete ihm auf dem Bett Platz zu nehmen und erklärte, dass sie gleich etwas zu Essen heraufbringen würde. Als er gegessen hatte ließ sie ihn alleine, damit er schlafen könne. Sie selbst ging wieder hinunter in das Wohnzimmer und kuschelte sich auf das Sofa. Er konnte tatsächlich ein wenig schlafen, doch als er einmal aufwachte, verspürte er wieder diesen unbändigen, schmerzenden Durst. Er stand auf, langsam, so wie es ihm seine schmerzenden Glieder eben erlaubten. Er tastete sich die Treppe hinunter und in das Wohnzimmer, wo seine Retterin friedlich schlief. Eine Weile sah er sie an. Noch eine. Dann schritt er auf sie zu, streichelte vorsichtig – als könnte sie zerbrechen – über ihre Wange, nahm ihre Hand drehte sie so, dass ihr Handgelenk zu ihm zeigte, leckte darüber. Langsam bohrte er seine Fänge in ihr Handgelenk und trank. Wie wohltuend es sich anfühlte, als ihr Warmes Blut seine Kehle hinunterrann. Er fühlte, wie seine Wunden sich verschlossen und – diesmal viel schneller als bei dem Blut des Rehs – zu heilen begannen. Auch seine Erinnerung schien zurückzukehren. Katherine – seine große Liebe. 1903. Frankreich. Plötzlich rührte sich das zarte Geschöpf unter ihm und starrte ihn angsterfüllt an, als sie scheinbar realisierte, dass er dabei war ihr Blut zu trinken. Er ließ nicht von ihr ab. Katherine – Opfer eines Familienmordes in Marseille, 1909. Für ihn war eine Welt zusammengebrochen. Nun begann die junge Frau sich stärker unter ihm zu winden und schließlich gelang es ihr, ihr Handgelenk aus seinen Fängen zu befreien. Sie starrte benommen auf die beiden Löcher, aus denen immer noch unaufhörlich ihr Blut rann. Sie schrie, sprang auf, wich zurück. „Katherine“, hauchte der Fremde. „Katherine, Katherine, Katherine“ immer wieder. Mein Herz pochte wie verrückt, als wollte es aus meiner Brust springen, als ich rückwärts gegen die Wand lief und dem – buchstäblichen – Grauen ins Gesicht sah. Ich atmete schnell, hatte Todesangst. Eigentlich hätte ich gedacht, solche Viecher würde es nur in schlechten Horrorfilmen geben. Meine nächste Spekulation: Albtraum! Ich musste träumen – wie sollte es den anders sein? Immer wieder sagte er diesen einen Namen: Katherine. Das Blut in meinen Adern gefror. Die Art, wie er diesen Namen aussprach jagte mir einen Schauer über den Rücken. Wer war dieser Mann, oder sollte ich besser fragen – dieses Monster? Nun fühlte ich mich wie eine Gefangene – gefangen in meinem eigenen Haus, von meiner eigens hergeschleppten Bestie! Er konnte ihre Angst auf seiner Haut fühlen, ihren Hass auf seiner Zunge schmecken und ihre Verwirrung mit seiner Nase riechen. Langsam ging er Schritt für Schritt auf sie zu, immer wieder diesen einen Namen hauchend. Die Erinnerung lief vor seinen Augen ab wie ein Film im Zeitraffer. Plötzlich fiel ihm auch sein Name wieder ein. Sein Name war Owen. Langsam ließ er seinen Blick von ihr nach unten gleiten und sank zu Boden. Es schien beinahe so, als würde eine Träne seine Wange hinunter rollen. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich hatte Angst, aber ein anderes – von den unendlich vielen Gefühlen in meinem Bauch – sagte mir, es sei schon in Ordnung. Plötzlich schien es mir auch so, als hätte ich diesen Fremden schon seit einer Ewigkeit gekannt. Er schien mir auf einmal so vertraut. Als er zu Boden sank murmelte er etwas, ich verstand nicht genau was, aber Owen konnte ich verstehen. Ich ging davon aus, dass das vielleicht sein Name war. Ich sah ihn noch eine Weile an, bevor ich – mein Herz hatte sich langsam wieder einwenig beruhigt – zu ihm rüber ging. „Owen – sind Sie okay?“, fragte ich leise. Er sagte nichts. Ich wiederholte meine Frage: nichts. Keine Antwort. Er starrte auf einen Fleck auf dem Boden und sah nicht auf. „Wie geht es Ihren Wunden?“, versuchte ich es noch einmal. Ich verstand mich plötzlich selbst nicht mehr. Eigentlich sollte ich verstört und ängstlich sein! Ich sollte schreiend aus dem Hausrennen und um Hilfe rufen – wieso tat ich das nicht und blieb stattdessen bei einem Verrückten, der kurz zuvor noch mein Blut getrunken hatte? Wieso war die Angst in mir nun plötzlich völlig verschwunden? Ich ging noch ein bisschen näher heran, dann öffnete er den Mund und sagte nach kurzer Zeit: „Ich bin ein Monster.“ Seine Worte klangen Monoton und unwirklich. Er wiederholte diesen Satz immer wieder und wieder. Wieso war mir nun auf einmal danach diesem Wesen zu helfen? Ich schüttelte den Kopf und setzte mich nun direkt vor ihn. Das Licht des Mondes schien durch das hohe Fenster, das als Tür zu einer Veranda diente und tauchte alles in ein schummriges Licht. „Können Sie sich wieder erinnern? An irgendetwas?“, fragte ich nach einer Minute des Schweigens. Ein Nicken. „Es war Herbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)