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Hunted - Gejagt (Arbeitstitel)

von

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Schulalltag (Chiara)

Es war ein schwüler Tag.

Die unangenehm warme, feuchte Luft schlug mir ins Gesicht, als ich eine der beiden Flügeltüren, die auf den Hof führten, öffnete und hinaus trat. Ich seufzte gerade leise über die drückende Hitze, da zog mir jemand kurz und ruckartig hinten an meiner Jacke und ich drehte mich um. Einige der herausströmenden Schüler sahen mich missgelaunt an, weil ich mitten im Weg war. Moira, die hinter mir stand und scheinbar diejenige war, die an meiner Jacke gezogen hatte, starrte wie gebannt auf einen Punkt irgendwo schräg hinter mir. Ich folgte ihrem Blick und sah, dass sie eine Bank anstarrte.

“Wa..war das eben... ein Affe?”, stammelte sie, eher verwirrt als ängstlich.

“Wo? Ich sehe nichts.”, gab ich zur Antwort.

“Chiara, ich schwör dir, da war eben ein kleines Totenkopfäffchen.”

Moira drehte ihren Kopf langsam zu mir und sah mich mit großen, faszinierten Augen an. Alles was nur im entferntesten mit Affen, vor allem Totenkopf- und Löwenkopfäffchen, zu tun hatte, liebte und faszinierte sie. Sie war hin und weg von diesen kleinen Primaten.

Ich konnte nicht anders, als grinsen und verdrehte kurz die Augen. Ich wusste sehr wohl, dass sie recht haben könnte.

Jenen, denen wir noch immer den Weg versperrten, grummelten leise, andere lachten und fingen zu tuscheln an. Sie bewarfen uns mit teils giftigen, teils belustigten Blicken; sie hielten nicht viel von meiner Freundin und mir, denn wir waren in ihren Augen seltsam.

Moira und ich gingen auf dieselbe Schule, eigentlich eine Gesamtschule, auf die man von der ersten bis zur zwölften Klasse gehen konnte. Aber irgendwann hatte die Rektorin scheinbar keine Lust mehr, immer neue Lehrer zu suchen, deshalb ging die Schule seit ein paar Jahren ab der fünften los. Wie viele Jahre das genau waren, wusste ich nicht, denn ich zog erst vor zwei Jahren hierher und da war es schon so.

Moira und ich gingen nicht nur in dieselbe Schule, wir gingen auch zusammen in eine Klasse. Trotzdem gab es natürlich Kurse, die wir nicht gemeinsam hatten, wie Gesangsunterricht oder Sport. Moira hatte eine hinreisende Gesangsstimme.

Ich hingegen war in gewissermaßen ein Ass in Sport und liebte es, meinen Körper beim Geräteturnen in die Luft zu katapultieren und die wildesten Pirouetten oder Saltos zu demonstrieren. Jedesmal landete ich dabei sanft wie eine Katze auf beiden Beinen, das lag mir wohl in den Genen.

Man konnte sagen, Moira und ich waren trotz allem Freundinnen, auch wenn wir uns nur im Unterricht sahen. Dennoch passten wir so gar nicht in das übrige Bild dieser Schule. Die meisten hier kamen aus normalen Familien, sahen normal aus und machten normale Dinge. Nicht so wie Moira und meine Wenigkeit.

Moira, die ständig irgendwelche grell bunten Klamotten trug, war das komplette Gegenteil von mir und auch von den übrigen Mitschülern, verbrachte ihre Freizeit meistens mit Gedichte schreiben, mit Zeichnen oder ging singend im Wald spazieren. Allein ihr Erscheinungsbild lies so Manchen kichern, mit dem Finger auf sie zeigen und leise über sie herziehen. Und ihre Faszination, kleinen Affen gegenüber, machte es in den Augen unserer Mitschüler nicht besser. Alles in allem war Moira eine recht träumerische Person, die sehr oft irgendwo in die Gegend starrte und ihren Gedanken nachhing, was ihr schon den ein oder anderen bösen Blick eines Lehrers einhandelte. Sie schien es aber nicht zu stören und die Lehrer haben es irgendwann aufgegeben, sie darauf anzusprechen. Denn Moira schrieb trotzdem gute Noten und arbeitete fleißig mit, wenn auch verzögert.

Ich hingegen trug am liebsten dunkle, fast schwarze Klamotten. Ich mochte eben die Farbe, sie passte zu mir. Auch wenn ich nicht immer in dieser Stimmung war, die man der Farbe schwarz andichtete, was die meisten von mir dachten, sondern weil es eben zu meinem Wesen passte, zu meiner wahren Natur. Auserdem war ich ein recht fröhlicher Mensch. Ich war, genau wie Moira recht gut in der Schule, schrieb prima Noten und passte meistens auf, was die Lehrer sagten. Und wie es das Schicksal so will, sind solche, die im Unterricht immer aufpassen, Streber und somit sowieso Außenseiter. Aber mir war es egal, ich war sogar froh darüber, dass die Leute aus der Schule mich zum Großteil in Ruhe ließen, dadurch gab es keine eventuellen unangenehmen Fragen.

Im Unterricht hörte ich manchmal, wie die “Schulschönheit” Kayli, über meinen Klamotten-geschmack lästerte. Sie sagte zum Beispiel des Öfteren, wenn ich gerade das Klassenzimmer betrat: “Oh, seht mal. Unser Grufti kommt.”

Sie sah mich dabei immer mit einem fiesen Grinsen an und dachte wohl, dass es mich stören würde oder dass es mir peinlich wäre. Ich grinste in so einem Moment meistens böse zurück und sagte nur “Hallo Kayli, heute wieder in den Farbeimer gefallen?”, oder ähnliches, was mir den ein oder anderen Lacher einbrachte.

Kayli hingegen fand es überhaupt nicht komisch und sah mich mit einem Blick an, der mich wohl töten sollte. Sie drehte sich hinterher immer zu ihren Freundinnen um, was dann meistens ein lautstarkes Lästern über meinen angeblich zu kurzen Rock oder meine zu plumpen Stiefel zur Folge hatte.

Ich liebte meine Stiefel, sie waren praktisch und bequem, auch wenn das keiner glauben wollte. Die Stiefel gingen mir fast bis zu den Knien, waren zum schnüren und hatten in den Schuhspitzen Stahlkappen. Sie waren deswegen praktisch, weil man sich nicht wehtat, wenn man aus Wut irgendwo gegen trat, sich stieß oder einem etwas auf den Fuß fiel.
 

Ich packte Moira am Arm und zog sie zu der Bank, an der sie das Äffchen gesehen hatte und lies mich darauf nieder. Moira hingegen setzte sich nicht, wie sonst, neben mich. Sie ging um die Bank herum und starrte suchend in das Gebüsch dahinter. Die feixenden Blicke und Kommentare, die unsere Mitschüler für sie übrig hatten, ignorierte sie gekonnt und fing an, den Busch genauer zu untersuchen, in der Hoffnung, das Äffchen oder eine Spur, die darauf hindeuten würde, zu finden. Mein Kopf, der mir wegen der schwülen Luft so schwer vorkam, ruhte auf der Rückenlehne der Bank und ich beobachtete sie dabei schmunzelnd.

“Moira, ich glaub wirklich nicht, dass da ein Affe war. Und wenn doch, dann ist er bestimmt schon lange wieder weg.”

“Glaub mir, Chia, da war wirklich einer. Der hat dich sogar angeschaut, fast schon gestarrt hatte er.”

Ich rollte grinsend abermals mit den Augen und hob meinen Kopf, genau rechtzeitig um einem Ball, der angeflogen kam, auszuweichen. Moira, die mich kurz angesehen hatte und sich dann wieder dem Busch gewidmet hatte, sah den Ball nicht kommen und wurde an meiner statt am Hintern getroffen. Sie schreckte hoch, hielt sich ihr Gesäß mehr aus Schreck und wirbelte herum, blickte sich dabei suchend nach dem Übeltäter um. Da kam auch schon Mike, ein recht großer, braun gelockter Junge mit strahlend blauen Augen, der eine Klasse unter uns war, auf uns zu und grinste verlegen. Er hatte eine Hand hinter seinen Kopf gehoben und fuhr sich peinlich berührt über den Hinterkopf.

“Tut mir leid, der ist mir dann wohl entwischt.”, entschuldigte er sich bei mir.

“Sag das ihr, nicht mir. Mich hast du ja nicht erwischt.”, grinste ich und deutete auf Moira, die nach wie vor recht perplex hinter mir stand.

Sie musterte Mike kurz, sich scheinbar nicht entscheiden könnend, ob sie ihm böse, oder doch belustigt über die Szenerie sein soll.

Mike sah von mir zu Moira und lächelte entschuldigend.

“Tut mir leid, Moira.”

“Du solltest besser auf deine Bälle aufpassen, die scheinen auf mich zu fliegen, wie die Bienen auf Blumen. Ist schon der dritte diese Woche, der mich trifft.”, grinste Moira und schien sich damit dafür zu entscheiden, belustigt über das ganze zu sein.

“Und heute ist erst Mittwoch.”, murmelte ich amüsiert.

“Jaah, tut mir wirklich leid.”, sagte Mike noch einmal und lächelte Moira weiter entschuldigend an.

Er hatte ein richtig knuffiges Lächeln, wenn ihm etwas peinlich war, das musste man ihm lassen.

Moira hob den Ball auf und hielt ihn, über die Bank hinweg, Mike entgegen. Der streckte die Arme aus und nahm ihn an, berührte wie zufällig ihre Hände und ich musste mir ein leises kichern verkneifen. Moira, die leicht rot anlief, grinste Mike verlegen an und kam dann um die Bank herum um sich neben mich zu setzen. Mike winkte uns noch mal kurz zu, verabschiedete sich mit einem “Bis dann” und ging zu seinen Freunden zurück, die anfingen ihn zu ärgern.

Ich sah ihm kurz nach, richtete meinen Blick dann auf Moira, die ihm lächelnd etwas länger hinterher starrte.

“Da war der Affe wohl vergessen.”, neckte ich sie und kicherte jetzt doch.

Sie drehte ihren Kopf zu mir und wurde schon wieder rot.

“Du magst ihn. Nicht wahr?”, fragte ich sie jetzt ernster.

Moira nickte nur.

“Er scheint dich auch zu mögen. Wer schmeißt schon jeden Tag seinen Ball auf ein Mädchen?”, kicherte ich.

“Nein, das glaub ich nicht. Er ist doch viel jünger als ich.”, gab Moira fast schon niedergeschlagen zur Antwort und sah auf ihre, im Schoß verschränkten Hände hinab.

“Nur ein halbes Jahr, das ist nicht viel.”, verbesserte ich sie. “Vergiss nicht, dass er einmal sitzen geblieben ist.”

Moira nickte und sah wieder auf, ihr Blick schweifte noch mal zu Mike und dann zu mir zurück. Sie lächelte mich unsicher an.

“Du hast ja recht. Aber trotzdem...”, sie schien nicht so zuversichtlich.

“Nichts trotzdem... Geh doch einfach hin und frag ihn, ob er nach der Schule mit dir ins Bistro geht.”, versuchte ich sie aufzumuntern.

Das Bistro war ein kleines Restaurant in der Marktstraße, bei dem man nicht nur Pizza und Pasta bekam, sondern auch nett einfach nur etwas trinken konnte.

“Nein... Da sind zu viele um ihn herum. Da trau ich mich das nicht.”, gab sie zur Antwort.

“Oh,... Die selbstbewusste, vorlaute und nie um eine freche Antwort verlegene Moira wird schwach bei einem Jungen.", ich grinste breit. "Dann frag ich ihn eben.”

Ich hatte mich schon halb erhoben, als Moira mich am Arm packte und wieder auf die Bank zog. Sie schüttelte leicht den Kopf. “Keine gute Idee.”

“Dann frag ihn das nächste Mal, wenn er dir wieder den Ball an den Hintern wirft.”, ich schmunzelte Moira an.

Sie nickte und ihr Blick schweifte schon wieder zu ihm.

“Was aber... wenn er den Ball nicht mehr auf mich wirft?”, fragte Moira langsam.

“Dann musst du über deinen Schatten hüpfen und zu ihm hingehen.”, lächelte ich sie an und versuchte sie weiter aufzumuntern.

Moira sah weiterhin zu Mike, sie schien nachzudenken. Auch meine Gedanken schweiften etwas ab. Ich fragte mich, was der Affe hier auf dem Schulhof wollte. Normalerweise zeigte Monkey sich nicht so in der Öffentlichkeit. Ich nahm mir vor, sie nachher, wenn ich zuhause war, zur Rede zustellen. Wir durften schließlich nicht bemerkt werden. Ich grübelte gerade darüber nach, dass es ja eigentlich nicht ihre Art war, sich so zu “präsentieren”, als Moira mich an die Schulter stupste.

“Er kommt her.”, sie flüsterte, klang leicht hysterisch und zog zweimal kurz an meinem Jackenärmel.

“Wer?”, fragte ich und sah mich um.

Fast im selben Moment sah ich Mike, wie er grinsend in unsere Richtung kam. Plötzlich wurde er von einem seiner Freunde geschubst, sodass er gleich aus seiner Bahn geworfen wurde. Er lachte und boxte seinem Kumpel mehrmals gegen den Oberarm. Dann sagte er etwas zu demjenigen, der daraufhin breit grinste und ihn kurz gegen die Schulter knuffte, und ging weiter in unsere Richtung.

Mike blieb vor uns stehen und lächelte Moira an, die daraufhin abermals leicht rot wurde und zurück lächelte.

“Moira? Willst du... heute Abend mit mir ins... Bistro gehen?”, fragte Mike langsam.

Moira sah ihn überrascht an, hob eine Braue.

“Ist das dein Ernst?”, fragte sie zurück.

Mike nickte. “Natürlich. Wieso auch nicht?”

“Na ja, weil...”, ich trat ihr unbemerkt auf den Fuß, ehe sie ausreden konnte.

“Weil...?”, hackte Mike nach.

Moira errötete etwas mehr und sah auf ihre Hände. “Ach schon gut. Ich würde gern mit dir ins Bistro gehen.”

Sie sah auf zu ihm und lächelte ihn an.

“Sehr gut. Wann hast du denn Zeit?”, fragte er.

"Gegen sieben? Ist das okay?", stellte Moira eine Gegenfrage.

Mike nickte lächelnd. "Dann bis heute Abend."

Er winkte kurz, verabschiedete sich von mir mit einem weiteren "Bis dann" und verschwand wieder zu seinen Freunden.

Ich sah ihm nach und drehte dann langsam, mit überrascht geöffnetem Mund, meinen Kopf zu Moira um, strahlte sie erfreut an.

“Das ist so toll. Ich freu mich für dich.”, sagte ich.

Moira selbst strahlte, als würde sie der Sonne Konkurrenz machen wollen, sie nickte leicht.

“Ja, da hat sich das mit dem “über den Schatten springen” wohl erledigt.”, grinste sie.

In dem Moment klingelte es zum Ende der Pause und der Hof leerte sich langsam. Moira und ich blieben noch sitzen, bis die meisten im Gebäude waren und machten uns dann ebenfalls auf den Weg.

Merkwürdiger Nachmittag (Chiara)

“Mach´s gut, Chia. Bis morgen.”, verabschiedete sich Moira.

Ich war auf dem Weg zum Tor des Schulgeländes, als sie an mir vorbeilief. “Ja, bis morgen und viel Spaß heute Abend.”

Wir winkten uns zu und bogen jeweils in verschiedene Richtungen ab, sie nach rechts, ich nach links.

Zwei Stunden Erdkunde, am Schluss eines Schultages waren die Hölle. Es war mit Abstand das langweiligste Fach, das es geben konnte und ich wurde regelmäßig so müde, als hätte ich zwei Tage nicht geschlafen. Ich war froh, endlich aus der Schule und nach Hause gehen zu können. Außerdem wartete daheim jemand mit einer Erklärung auf mich, auf die ich sehr gespannt war.

Mit leicht gesenktem Kopf lief ich nachdenklich die Straße entlang, ich kannte den Weg in und auswendig und musste nicht viel auf meine Umgebung achten.

Meine Schule war ziemlich am Rand der Kleinstadt, in der ich lebte und das Haus von meiner Familie und mir war ungefähr in der Mitte, in der Nähe vom Marktplatz. Ich war der Meinung, dass es zu nah am Marktplatz war, aber das wurde durch das Bild, was das Haus und der Garten einem bot wieder wett gemacht. Es war ein wunderschönes kleines Häuschen, im altmodischen Stil gebaut und stammte ungefähr aus dem achtzehnten Jahrhundert. Hier und da waren Erneuerungsarbeiten vorgenommen worden und dennoch hatte es den alten Flair beibehalten. Der Garten bestand zum größten Teil aus verwildert aussehenden Büschen, die mein Onkel oft beschnitt dabei aber darauf achtete, dass sie ihren verwilderten Stil beibehielten, und vielen verschiedenen Blumen.

Im hinteren Teil des Gartens stand eine ziemlich große Trauerweide, deren Äste teilweise recht niedrig hingen, sodass man angenehm daran hoch klettern konnte. Eine Schaukel konnte man an dem Baum ebenfalls finden, die ich als kleines Mädchen, wenn ich meinen Onkel besuchte, oft und gerne nutzte.

Fallen Hills war ein Ort mit ungefähr 12500 Einwohnern auf der Südinsel von Neuseeland und ein idyllisches Städtchen. Inmitten von riesigen Feldern, blumenübersähten Wiesen und dichten Wäldern liegend, ein eher abgelegener Ort, dennoch lebte ich gerne hier. Das Städtchen war schon recht alt, hier und da wurden zwar neuwertige Häuser gebaut, aber den Flair des siebzehnten Jahrhunderts hatte es nie verloren.

Ich fragte mich ein weiteres mal, was Monkey in der Schule wollte. Ob sie wieder einen gefunden hatte? Oder war ihr, wie so oft, nur wieder langweilig?

Seit sie aus der Schule draußen war, langweilte sie sich ziemlich schnell, wenn keiner im Haus war. Gregor, ihr Bruder, ging genau wie ich noch zur Schule und war noch seltener zuhause. Er studierte irgendwas mit Mechanik und Elektronik, die genaue Bezeichnung konnte ich mir aber noch nie merken. Nach seinen Kursen arbeitete er noch in einem Elektroladen als Aushilfe, um sich etwas zu seinem Studium dazu zuverdienen und kam dann dementsprechend erst Abends nach Hause. Byron, mein Onkel und Vormund, arbeitete in einer Firma für Werbung aller Art, Plakatwerbung, Fernsehwerbung und so weiter, und war immer auf der Suche nach neuer Technik und so etwas, das uns nützen könnte und ebenfalls fast jeden Tag unterwegs.

Ich stellte es mir aber auch recht langweilig vor, ständig zuhause zu sein und im Internet die Zeitungen und Zeitschriften nach Auffälligkeiten zu durchforsten. Eigentlich hatte sie trotzdem genug Möglichkeiten, sich im Haus auszutoben, vor allem seit ich ihr ein Totenkopfäffchen zum Geburtstag geschenkt hatte und wir ihr Zimmer zu einem Mini-Kletterpark umgebaut hatten.

Dennoch fragte ich mich, warum Monkey sich so der Öffentlichkeit preisgab, es war absolut nicht ihre Art.

Sie war immer genauestens darauf bedacht, dass wir uns auch ja immer in acht nahmen und nicht auffielen. Mir kam es immer so vor, als hätte sie von uns am meisten Angst entdeckt zu werden.

In meine Gedanken vertieft merkte ich nicht, dass ich die ganze breite des Bürgersteigs für mich einnahm und dementsprechend kaum Platz war um an mir vorbei zu kommen, da der Gehweg doch recht schmal war. Das sollte mir auch recht früh zum Verhängnis werden.

In dem Moment, als ich meinen Kopf hob, um zu sehen wo ich bereits war, geschahen ein paar Dinge gleichzeitig. Ich wurde von einem Jungen, der es scheinbar sehr eilig hatte, angerempelt, taumelte für den Bruchteil einer Sekunde und fiel vor Schreck auf die Straße. Auserdem fuhr ein Linienbus sehr schnell auf mich zu, das ich aber nicht recht realisierte, da ich zu verdutzt und irritiert war. Deshalb kam es mir in der ersten Sekunde auch nicht in den Sinn, aufzustehen und von der Straße zu gehen. Ich blickte nur verwirrt auf den Jungen, der mich geschubst hatte, als er auf mich zukam, mich am Arm packte und mich schnell auf die Beine zog. Etwas zu schnell für menschliche Verhältnisse stand ich wieder aufrecht und landete durch den Schwung in seinen Armen. Er legte, scheinbar ebenso verwirrt wie ich, seine Arme schützend um mich und taumelte leicht zurück, gegen die Hauswand hinter ihm.

Ich hob meinen Kopf und blickte ihm verwirrt und fragend ins Gesicht, als mir auch schon erstaunt der Kiefer herunterfiel und ich in leuchtend gift-grüne Augen starrte. So eine Ausdrucksstärke hatte ich noch nie vorher gesehen und man konnte richtig darin versinken. Solche Augen waren unnormal, für normale Menschen; doch das fiel mir in diesem Moment nicht auf.

Der Junge sah mich für den Bruchteil einer Sekunde besorgt an, ehe sich seine Mimik auch schon in eine zornige wandelte und er mich zurück stieß. Einen Schritt Entfernung zwischen uns stehend, blickte ich ihn noch verwirrter an und neigte meinen Kopf leicht zur Seite.

“Kannst du nicht aufpassen, wo du lang gehst?”, fuhr er mich an.

Mir fiel schon wieder der Kiefer herunter und ich starrte ihn abermals kurz verdutzt an, schüttelte dann langsam den Kopf um die Verwirrtheit loszuwerden und sah ihn jetzt ebenfalls zornig an. Denn schließlich hatte er nicht aufgepasst und mich auf die Straße geschubst, nicht umgekehrt.

“Hey, also erst mal war nicht ich es, die dich auf die Straße geschubst hat... Und zweitens könntest du ruhig besser auf deinen Weg achten!”, motzte ich zurück.

Jetzt war er es, der irritiert die Braue hob, schien wohl mit so einem Konter nicht gerechnet zu haben. Ich hingegen verschränkte nur sauer die Arme vor der Brust und sah ihn weiter zornig an, auf eine Entschuldigung wartend.

Der ungehobelte Kerl sah mich noch ein paar Sekunden irritiert an, ehe er seinen Kopf langsam schüttelte und sich ein schiefes grinsen auf seine Lippen stahl.

“Ganz schön frech, Kleine. Aber bedenke, wer den ganzen Gehweg für sich eingenommen hatte und ich deswegen keinen Platz hatte daran vorbei zu kommen.”

Ich lies meine Arme sinken und ballte meine Hände wütend zu Fäusten, ich hasste es “Kleine” genannt zu werden. Gut, die größte war ich mit einem Meter sechzig nicht gerade, dennoch und genau deswegen konnte ich es nicht ausstehen.

In dem Moment, in dem ich etwas bissiges erwidern wollte, hob dieser arrogante Kerl seine Arme hinter den Kopf und verschränkte dort die Finger ineinander, sah grinsend zu mir hinunter und zuckte leicht mit den Schultern.

“Na ja... Ist ja egal. ´Tschuldige, dass ich dich auf die Straße geschubst hab.” Das schiefe grinsen wurde noch breiter.

Er wusste genau, dass er mir mit der erhofften Entschuldigung den Wind aus den Segeln genommen hatte. Er hatte scheinbar eine gute Vorstellung davon, wie man jemanden "entwaffnete".

Ich starrte ihn ein weiteres mal irritiert an, schüttelte dann abermals meinen Kopf und funkelte ihn kalt an. Mein Zorn war nach wie vor da, aber nicht mehr so schlimm. Irgendwie schaffte er es mit seinem Grinsen mir meine Wut zu nehmen und das passte mir absolut nicht, denn ich wollte sauer auf ihn sein, wollte ihn beschimpfen.

“Pass das nächste mal wenigstens besser auf, sonst endet es nicht so harmlos.”, entgegnete ich nur kalt.

Mein Gegenüber lies dann, weiterhin grinsend, eine Hand sinken und streckte sie mir entgegen, mit der anderen fuhr er sich kurz über den Hinterkopf, verwuschelte damit seine sowie so schon in alle Himmelsrichtungen abstehenden, dunkelbraunen Haare noch mehr.

“Ich bin Damian.”

Ich zögerte, dachte darüber nach, ob es gut war mich ebenfalls vorzustellen, denn eigentlich war ich immer noch wütend auf ihn. Letztendlich hob ich aber meine Hand und schüttelte seine kurz.

“Chiara. Oder einfach nur Chia.”

Sein Händedruck war kräftig, aber auch irgendwie sanft und seine Haut fühlte sich weich, jedoch gleichzeitig robust an. Ich fragte mich, wie so eine seltsame Mischung entstehen konnte und sah stirnrunzelnd auf unsere Hände.

Damian musterte mich mit einer Mischung aus Belustigung, weil ich wohl einen merkwürdigen Gesichtsausdruck hatte, und Besorgnis, zog dann letztendlich seine Hand wieder weg und vergrub beide Hände in seinen Hosentaschen.

“Hoffe, du hast dir nicht den Kopf gestoßen.”

Ich sah auf und direkt in sein Gesicht, er hatte sich wohl zu mir herab gebeugt. Meine Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde erschrocken und ich wich einen Schritt zurück, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet und normalerweiße war es schwer, mich zu überraschen.

Damian hingegen musste sichtlich damit kämpfen nicht laut loszulachen und ich blickte ihn wieder zornig an.

“Wenn du was zum lachen haben möchtest, such dir jemand anderen Dummen!”, fuhr ich ihn wütend an, wendete mich zum gehen und wollte schon zornig davon stapfen.

In dem Moment, in dem ich einen Schritt machte, legte Damian mir sanft eine Hand auf die Schulter. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und wollte schon zu einer Schimpftirade ansetzen, als er seinen Kopf leicht zur Seite neigte und mich auf eine Art und Weiße anlächelte, bei der man wahrlich dahin schmelzen konnte. Es kostete mich auch meine ganze Konzentration, meinen zornigen Blick aufrecht zu erhalten.

“Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht nieder machen.”, entschuldigte er sich ein weiteres mal.

Grummelnd wendete ich mich mit meinem ganzen Körper Damian zu, er nahm seine Hand von meiner Schulter und lächelte weiterhin dieses Lächeln.

“Tja, hast du aber. Und wenn du sonst nichts mehr zu sagen hast, dann würde ich jetzt gerne nach Hause gehen. Hab noch viel zu tun.”, giftete ich ihn ein weiteres mal an.

Damian´s Lächeln wandelte sich in einen Gesichtsausdruck, aus dem man Enttäuschung heraus lesen könnte, grinste dann aber wieder dieses schiefe grinsen und nickte kurz.

“Da erinnerst du mich wieder an das, was ich eigentlich vorhatte. Na ja, will dich nicht weiter aufhalten, vielleicht sieht man sich ja mal wieder.”

Mit diesen Worten wendete sich Damian um, winkte mir kurz zu und eilte davon.

Dieser Kerl machte mich wahnsinnig, obwohl ich ihn nicht kannte, er war einfach zu arrogant für diese Welt. Ich starrte ihm schon wieder irritiert hinterher, ballte dann zornig meine Hände abermals zu Fäusten und schnaubte kurz. Wutentbrannt drehte ich mich auf den Absätzen um und stapfte davon.

Den ganzen Heimweg über dachte ich mir die schlimmsten Schimpfwörter und Beleidigungen für Damian aus und wünschte ihn da hin, wo der Pfeffer wächst. Ich hoffte, ihn nie wieder sehen zu müssen, musste dann aber zu meiner Überraschung schmunzeln, als meine Gedanken zu seinem schiefem Grinsen schweiften. Abermals kopfschüttelnd bog ich in meine Straße ein und war noch immer damit beschäftigt über Damian nachzudenken. Ich überlegte mir gerade, wie man ihn am besten zum Mond schießen konnte, als ich meinen Kopf hob und merkte, dass ich geradewegs an meinem Haus vorbeigelaufen war und mich jetzt am Ende der Straße befand.

Unwillkürlich lachend, wendete ich mich um und ging das kurze Stück zurück, öffnete am Gartentor angekommen dieses und betrat das Grundstück. Kopfschüttelnd über meinen Fehler, machte ich das Tor wieder zu und ging zum Haus, zog meinen Schlüssel hervor und musste beim aufschließen schon wieder auflachen. So etwas war mir wirklich noch nie vorher passiert.

Als ich die Haustür leise hinter mir zu machte, hörte ich aus dem ersten Stock leises gepolter und wurde hellhörig. Das Geräusch kam nicht aus Monkey´s Zimmer und ich wunderte mich.

Leise zog ich meine Jacke aus und legte sie, zusammen mit meinen Rucksack auf einen Sessel, der neben der Tür stand und schlich auf Zehenspitzen nach oben.

An der oberen Treppenstufe angekommen bemerkte ich, dass das Geräusch aus meinem Zimmer kam, also ging ich noch immer auf Zehenspitzen schleichend darauf zu. Plötzlich hörte ich hinter mir ein weiteres Geräusch, das diesmal aus Monkey´s Zimmer kam und drehte mich herum, als diese auch schon, breit grinsend und nur in einen seidenen, knielangen Bademantel gehüllt, auf mich zu gehüpft kam.

“Hallo Chia. Wie war´s in der Schule?”, fragte sie mich unbeschwert.

Ich hob, zum wiederholten Male an diesem Tag, irritiert eine Braue und sah sie dementsprechend an.

“Ehm... So wie immer. Warum sind aus meinem Zimmer Geräusche zu hören?”, fragte ich Monkey.

Diesmal war sie es, die mich irritiert ansah und lehnte sich etwas nach rechts, um an mir vorbei und auf meine nur angelehnte Zimmertür zu blicken. Sie stellte sich wieder in normale Position und zuckte mit den Schultern.

“Weiß nicht. Ist vielleicht nur Chirumi. Soll ich nachsehen gehen?”, Monkey sah mich abwartend an.

Ich nickte ihr zu, bekam langsam wieder schlechte Laune.

“Ja bitte. Und hol sie da raus. Du weißt, ich kann es nicht leiden, wenn sie in mein Zimmer geht.”

Monkey hüpfte grinsend an mir vorbei und stieß leicht meine Tür auf, machte einen Schritt hinein und begann zu lachen.

Verwirrt über ihr Lachen hielt ich mir eine Hand an den Kopf, das war eindeutig zu viel Verwirrung für einen Tag, und folgte ihr. Ich sah über ihre Schulter in mein Zimmer und stöhnte genervt auf.

Da saß das kleine Totenkopfäffchen doch tatsächlich auf meinem Bett, an eine meiner Plüschfiguren gekuschelt und blickte unschuldig, mit großen Augen zu uns hoch.

“Oh, Monkey. Kannst du der Kleinen nicht mal beibringen, dass mein Zimmer und mein Bett für sie tabu sind?”

Ich drängte mich an Monkey vorbei, ging auf mein Bett zu und machte wedelnde Handbewegungen, versuchte damit Chirumi zu verscheuchen. Der kleine Affe quieckte vorwurfsvoll und sprang zu Monkey, kletterte auf ihre Schulter und sah mich von dort aus an, keckerte leise, als würde sie mich auslachen. Monkey stimmte in das Keckern ein und fing sich damit einen bösen Blick meinerseits ein.

“Oh, Chia. Jetzt sei doch nicht so. Chiru mag deinen Kuschelaffen eben. Auserdem hat sie ja nichts kaputt gemacht.”, sie klang ebenfalls vorwurfsvoll.

“Monkey, du weißt ganz genau, dass ich keine kleinen, nervigen Affen in meinem Zimmer haben will. Bis jetzt hat sie vielleicht nichts kaputt gemacht, aber wer weiß, wie lange es noch dauert, bis das passiert.”, sagte ich leise grummelnd. “Auserdem geh ich ja auch nicht einfach in dein Zimmer, oder?”

Monkey schien kurz über meinen Satz nachzudenken, nickte dann langsam.

“Ja, du hast recht. Tut mir leid.”, entschuldigte sie sich.

“Schon gut. Pass einfach demnächst besser auf. Und meinetwegen kann Chiru meinen Affen haben.”, mit diesen Worten krabbelte ich halb auf mein Bett, griff nach dem Kuscheltier und hielt es dem kleinen Äffchen hin.

Chirumi bekam große Augen, sah erst zu Monkey, dann wieder zu mir, als diese leicht nickte. Sie sprang mit einem großen Satz auf meine Schulter und griff selbst nach dem Plüschtier, leckte mir zum Dank kurz über die Wange und verschwand aus dem Zimmer. Ich musste schmunzeln, als Chiru, den doppelt so großen Kuschelaffen hinter sich herziehend, verschwand und wendete mich dann Monkey zu.

“Und? Was gibt´s neues? Wieder einer aufgetaucht?”, fragte ich sie und ging auf sie zu, drängte mich wieder an ihr vorbei und lief die Treppe hinab.

Monkey folgte mir in die Küche, in der ich mir erstmal ein Sandwich mit vom Vortag übrig gebliebenen Hähnchen machte.

“Nein. Nichts auffälliges, zumindest nicht in den Zeitungen.”, gab sie zur Antwort und setzte sich auf die Küchenzeile.

Einmal von meinem Sandwich abbeissend, holte ich mir einen Teller aus dem Schrank und setzte mich damit an den Küchentisch. Ich sah verwundert und kauend zu Monkey hoch.

“Und warum warst du dann heute in der Schule? Ich dachte, du hast wieder einen entdeckt.”, ich biss abermals von meinem Sandwich ab und sah sie weiter unverwandt an.

“Ich war bei dir in der Schule?”, Monkey hob eine Braue, sah mich irritiert an.

Dann, urplötzlich, schlug sie sich die Flache Hand gegen die Stirn.

“Ach herrje...”, sagte sie nur dazu.

“Nun sag schon. Was war wieder los?”, fauchte ich sie leise an.

“Na ja, ich war heute Vormittag mit Chiru spazieren und sie ist mir entwischt, kam aber kurz darauf wieder zurück. Jetzt weiß ich auch, wo sie hingegangen ist.”, gab Monkey zur Antwort und kicherte leise.

Ich hob schon wieder eine Braue; falls es einen Rekord im Brauenheben gab, brach ich diesen an dem heutigen Nachmittag mit Sicherheit um längen; und gab ein leises, missgelauntes fauchen von mir.

“Sie wurde gesehen. Du solltest sie wirklich besser erziehen. Das kann so nicht weitergehen.”, grummelte ich und biss in mein Sandwich.

Monkey seufzte leise. “Ich weiß, aber ich bring es nicht über mein Herz, mit ihr zu schimpfen. Sie blickt mich dann immer mit so unglaublich niedlichen, großen Augen an. Da kann man nur weich werden.”

“Es ist aber wichtig. Zum Schluss ist sie noch schuld, wenn wir entdeckt werden.”, antwortete ich unverblümt.

“Ich weiß, ich weiß. Ich werd mich bessern. Warum hast du vorhin eigentlich gelacht?”, versuchte Monkey das Thema zu wechseln.

Sie zog ihre Beine zu einem Schneidersitz auf die Küchenzeile und sah mich fragend an.

Ich musste an meinen Fehler von eben denken, als ich an dem Haus vorbei gegangen war und musste grinsen.

Auf einem weiteren Bissen von meinem Sandwich kauend hielt ich kurz inne, denn das machte Monkey wahnsinnig. Sie war so neugierig und bekam regelmäßig die Krise, wenn man ihr nicht alles bis ins kleinste Detail und sofort auf der Stelle erzählte.

Ich liebte es, sie damit zu ärgern und in diesem Fall lies ich mir ziemlich lange Zeit, allein schon deswegen um mich ein bisschen wegen ihres Affen zu rächen.

“Nun sag schon.”, drängte Monkey, sie schien noch mehr darauf erpicht, es zu erfahren.

“Na ja... Bin nur am Haus vorbei gelaufen.”, grinste ich sie breit an.

“Nicht dein ernst!?”. Monkey hob beide Augenbrauen und sah mich verwundert an.

Ich nickte nur, stopfte den Rest meines Hähnchensandwichs in den Mund und kaute ausgiebig darauf herum.

“Aah... Chia, spann mich gefälligst nicht so auf die Folter. Erzähl mir warum.”

Monkey hatte ihre Hände in ihrem Schoß verschränkt und wackelte ungeduldig mit den Beinen. Ich drehte mich auf meinem Stuhl in ihre Richtung und grinste sie an, mein Blick verfinsterte sich dann aber, als ich an den genauen Grund dachte, weshalb ich am Haus vorbei lief.

Monkey neigte ihren Kopf leicht zur Seite und sah mich noch verwunderter an.

“Nun rück schon raus damit.”

“Wer soll mit was herausrücken?”

Mein Onkel kam gerade zur Küche herein und ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, noch immer finster blickend, lächelte ihn dann aber kurz an.

“Na ja, mir ist vorhin was peinliches passiert. Bin am Haus vorbei gelaufen, weil ich so in Gedanken vertieft war. Wie war dein Tag, Byron?”, ich versuchte das Thema zu wechseln, auch wenn ich genau wusste, dass Monkey darauf zurück kommen würde.

Byron zog sich gerade die Jacke aus und hängte sie über die Lehne meines Stuhles, er erwiderte kurz mein Lächeln und machte sich dann am Kühlschrank zu schaffen.

“Wie jeder Tag eben. Keine Neuigkeiten und im allgemeinen sehr langweilig.”, gab er zur Antwort, während er sich Tomaten, Eier und Speck aus dem Kühlschrank holte. “Und bei euch beiden?”

“Ich war mit Chiru spazieren und sie ist mir wieder mal entwischt. Und sie hat mit Chia´s Kuschelaffen gekuschelt.”, erzählte Monkey breit und frech grinsend.

Byron musste lachen, ich liebte sein Lachen, es war dunkel, rau und sehr angenehm im Klang. Ein schmunzeln stahl sich auf meine Lippen.

Mein Onkel gab gerade etwas Öl in die Pfanne, die er aus dem untersten Schrank geholt hatte und begann danach den Speck in Würfel zu schneiden.

“Machst du mir eine Portion mit?”, fragte ich ihn.

“Klar. Wie groß soll die Portion denn sein?”, gab Byron zur Antwort.

“So wie sonst, bitte.”

Byron nickte kurz und holte eine Schüssel aus dem Schrank, schlug die Eier daran auf, gab Salz und Pfeffer dazu und verquirlte das ganze mit einer Gabel. Monkey beobachtete ihn dabei, sprang dann aber von der Anrichte und streckte sich etwas.

“Na ja, ich geh mal wieder an die Arbeit. Bis dann.”, sie drehte sich um und verschwand in den Flur, drehte sich an der Tür der Küche angekommen aber noch mal zu mir herum und sah mich grinsend an.

“Ich werd´ dich nachher nochmal darauf ansprechen, verlass dich darauf.”

“Bis dann, Monk.”, ich grinste nur und winkte ihr zu.

Ich sah ihr kurz nach, während sie im Flur und auf der Treppe verschwand und fing dann wieder an, meinen Gedanken nach zuhängen, während Byron den Speck briet.

Seltsame Begebenheiten (Damian)

‘Dummes Mädchen. Dummes, dummes Mädchen.’

Ich lief eilig die Straße entlang und musste ständig an dieses Mädchen, dass ich auf die Fahrbahn geschubst hatte, denken. Wieso sind nur so viele Menschen so unfähig? Wieso konnte sie nicht, wie jeder normale auch, am Rand des Gehweges laufen? Nein, sie musste ja die ganze Breite einnehmen.

Ich regte mich tierisch darüber auf, weil ich durch sie jetzt noch später als sonst dran war. Leise knurrend raufte ich mir kurz die Haare. Cole wird darüber nicht sehr erfreut sein.

Na ja, wird schon schief gehen, ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich zu spät kam.

Mich umsehend, ob jemand zusah, bog ich in eine Seitengasse ein, die ziemlich herunter gekommen schien, an deren Ende sich eine Treppe zu einem alten Kellergewölbe befand. Es war eigentlich verboten, hier runter zu gehen. Zu gefährlich, sagten die Medien und die Behörden, die dieses Verbot durchbrachten. Sie behaupteten, dort unten würden wilde Tiere herumlaufen und jeden angreifen, den sie nicht kannten oder den sie als Gefahr sehen würden. Ja, gefährlich war es wirklich, aber nur, wenn man nicht zu Cole und seiner Truppe gehörte.

Es überraschte mich, dass ich noch immer an dieses Mädchen denken musste, als ich die Treppe zu dem Gewölbe hinab stieg. Ich musste grinsen, als ich an ihren wütenden Gesichtsausdruck dachte und stellte mir vor, was wohl passiert wäre, wenn ich sie noch mehr gereizt hätte. Dann hätte sie bestimmt ihre Krallen ausgefahren und mir die Augen ausgekratzt. Bei dieser Vorstellung musste ich leise lachen und schüttelte leicht den Kopf, sie sah so schwach aus, so zerbrechlich, also dachte ich mir, dass sie mich wohl kaum angefallen hätte. Und wenn doch, hätte ich sie leicht auf Abstand halten können, bei dem was ich war.

Was mich an ihr aber am meisten faszinierte, waren ihre Augen. Unergründliche, schwarze Augen, die stark an eine Raubkatze erinnerten.

War sie vielleicht... ? Bei diesem Gedanken schüttelte ich abermals den Kopf und dachte mir, dass es nicht sein konnte. Meine Nase lies mich in solchen Situationen nie im Stich, deswegen war ich auch so wichtig für Cole; ich konnte aus einiger Entfernung wahrnehmen, ob jemand so war wie wir oder nicht und das erleichterte die Suche nach den unseren um einiges; und sie roch garantiert nicht wie eine von uns. Sie roch wie ein ganz normaler Mensch, etwas süßlicher als die anderen, dennoch gab es keinen Anschein darauf, dass sie zu uns gehören könnte.

In Gedanken versunken lief ich die endlos wirkenden, steinernen Gänge entlang, fand ohne auf die Umgebung zu achten trotzdem die richtigen Wege und Abzweigungen und kam nach endlosen Minuten, wie es mir schien, endlich da an, wo ich hin wollte.

Von weitem hörte ich schon Kampfgeräusche und leises Knurren und rollte mit den Augen. Immer diese Machtspielchen untereinander.

Ich ging durch den letzten Torbogen und trat in einen Raum, der eher einer unterirdischen Arena glich als irgend etwas anderem. Man konnte es sogar mit einem Kolosseum im Miniformat vergleichen.

Der Raum, in dem ich stand, war Oval und in der Mitte war so etwas wie ein riesiger Käfig. Es war offensichtlich, dass der Käfig nicht die Funktion zum Einsperren hatte, sondern eher zum Schutz der Zuschauer da war. Um den Käfig herum war durchgehend eine Art Treppe, die in einer Senke nach unten ging und die als Zuschauerplätze genutzt werden konnte. Im Allgemeinen erinnerte der Raum stark an diese Arenen, die oft für die illegalen Hundekämpfe genutzt wurden.

Im ganzen Raum waren verschiedene Tiere und Leute versammelt, die dem Kampf unter mir zuschauten. Ich blickte mich um und sah zwei, drei verschiedene Hunderassen, ein paar Leguane und verschiedene große und kleine Vogelarten. Cole war so eine Art Sammler von außergewöhnlichen Tieren und überall krabbelten, krochen oder hüpften irgendwelche bunten Viecher herum.

Ich blieb kurz an der obersten Stufe stehen und sah den beiden Tieren, die in dem Moment in dem Käfig kämpften, zu und schüttelte grinsend den Kopf.

Es gab kaum unterschiedlichere Tiere, die es miteinander aufnehmen konnten, ohne dass einer von beiden zu all zu schweren Verletzungen kommen würde. Ein Puma könnte einen Münsterländer mit Leichtigkeit auseinander nehmen, doch die beiden im Ring waren sich sehr ebenbürtig. Der Münsterländer, ein Außenstehender würde seinen Augen nicht trauen, war dem Puma sogar ein klein wenig überlegen.

Noch immer grinsend ging ich am oberen Rand der Steinsenke herum, zum gegenüber liegenden Teil, an dem eine riesige Couch stand. Auf der Couch lümmelte sich Cole mit seiner Gefährtin und sah dem Kampf eher gelangweilt zu. Cole war ein breitschultriger, muskulöser Mann, der im ungefähren Alter von Mitte dreißig war. Keiner wusste genau, wie alt er war, er hatte es nicht mal seinem aller engsten Vertrauten gesagt. Man munkelte, dass es nicht mal seine Gefährtin, die nur ein paar Jahre jünger schien als er, wusste. Es interessierte aber auch kaum jemanden, denn egal wie alt Cole wirklich war, fast jeder bewunderte ihn und sah ihn als eine Art Retter an. Ich selbst sah es mehr als Zweckbündnis, da Cole mir nichts bieten konnte, außer in gewisser Weiße seinen Schutz. Seine Gefährtin war zwei Köpfe kleiner als Cole und war ziemlich schmächtig, fast schon zu dünn.

Cole hob seinen Blick von den Kämpfenden, als er mich bemerkte und ein böses Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

“Du bist spät, Damian. Wieder mal.”, sagte er zur Begrüßung.

Ich senkte kurz mein Haupt, eine leichte Verbeugung andeutend und nickte kurz.

“Ich weiß. Verzeiht. Ich wurde aufgehalten.”, entschuldigte ich mich.

Cole hob die Hand und wedelte kurz damit, mir bedeutend, dass er jetzt keine Ausreden hören wollte und ich mich setzen sollte.

Er wendete seinen Blick wieder auf die Kämpfenden, die jetzt beide aus dem Käfig und jeder zu einer anderen Tür ging. Ich wusste, dass ich mich auf eine Strafe gefasst machen konnte, setzte mich dennoch auf eines der Sitzkissen, die zu Füßen der Couch lagen.

Cole lies jetzt seinen Blick suchend über die Anwesenden gleiten, schien zu überlegen.

“Ben!”, rief er dann plötzlich.

Kurz darauf erschien ein dunkel-grauer Wolf und stellte sich mit ehrfürchtig gesenktem Kopf vor Cole.

“Wo ist James? Er sollte doch schon längst wieder von seinem Erkundungsausflug zurück sein.”, fragte Cole direkt an den Wolf gerichtet.

Ben hob seinen Kopf und schüttelte diesen leicht, blickte dabei ahnungslos drein, sogar etwas sorgenvolles war in seinem Blick zu lesen.

In dem Moment kam eine Frau, mit langen, dunklen Haaren und nur in einen schwarzen Umhang gehüllt, aus einer der Türen, wo vorher die beiden Tiere verschwunden waren und Cole sah zu ihr, begann zu lächeln.

Auch der Wolf sah zu der Frau, senkte jedoch fast sofort wieder seinen Blick und trottete zur Seite, setzte sich neben die Couch und starrte in die Richtung des Käfigs. Doch sein Blick war leer und man merkte sofort, dass er in Gedanken war. Ob sein Denken bei der Frau oder bei James war, konnte man jedoch nicht sehen.

“Oh, Damian. Du beehrst uns heute auch noch? Welch Wunder.”, begrüßte die Frau mich und grinste breit.

“Hallo Janie.”, grüßte ich knapp und kühl zurück.

Janie setzte sich neben mich, auf eines der anderen Sitzkissen und lehnte einen Arm gegen die Couch, legte ihren Kopf in die Handfläche und sah mich grinsend an. Ich hob meinen Blick, musterte sie fragend blickend.

Sie hätte hübsch sein können, mit ihrem allzu perfekten, herzförmigen Gesicht, den mandelförmigen, dunklen Augen, der geraden Stupsnase und den genau richtig sitzenden Wangenknochen. Ihre Lippen hatten genau das richtige Maß, waren nicht zu dünn und nicht zu voll. Doch eine ziemlich große Brandnarbe, die sich von ihrer rechten Wange, über den Hals und fast die ganze Schulter zog, entstellte das hübsche Gesicht. Es hieß, Cole hätte sie, als sie noch ein kleines Kind war, aus einem brennenden Haus gerettet, ob es der Wahrheit entsprach wusste jedoch niemand.

“Warum grinst du so?”, fragte ich sie und konnte ein leises Fauchen in der Stimme nicht unterdrücken.

Ich konnte Janie nicht leiden, sie hatte so eine überaus überhebliche Art an sich und schien sich selbst für etwas besseres zu halten, nur weil sie so eine gute Beziehung zu Cole pflegte und bei ziemlich vielen Dingen von ihm bevorzugt wurde. Für Cole war sie, nach seiner Gefährtin, die wichtigste Person in seinem Umkreis, oder wie er es gern nannte: seiner ‘Familie’. Er bezeichnete uns alle als seine Familie und sich selbst als Familienoberhaupt, wobei es eher einer Sekte glich, was hier vor sich ging.

Janie grinste auf meine Frage hin nur noch breiter und fuhr sich kurz mit der Hand, die sie gegen die Couch gelehnt hatte, durch ihre Haare, lies den Arm dann sinken und sah mich an.

“Nun ja. Du bist schon wieder mal zu spät. Was sollen wir mit dir nur anstellen, Damian?”, ironisch den Kopf schüttelnd lies sie ihren Blick zu Cole wandern.

Cole hatte die ganze Zeit auf den Türbogen, aus dem ich gekommen war, gestarrt und unserem Gespräch nicht gefolgt. Er lies seinen Blick jetzt von der Tür schweifen und sah sich kurz nach Ben um, bemerkte ihn neben der Couch.

“Nun gut... Ich werde noch...”, Cole brachte seinen Satz nicht zu Ende.

In dem Moment, in dem Cole ausreden wollte, hörte man plötzlich lautes Knurren, ein Geräusch, dass sich stark nach einem brechenden Knochen anhörte und ein schmerzerfülltes aufheulen. Das Jaulen lies mir die Nackenhaare zu Berge stehen und ich biss die Zähne zusammen, ballte die Hände zu Fäusten.

Ich blickte zu der Tür, die ich Minuten vorher durchquert hatte, als ein Silber-grauer Wolf, etwas größer als Ben, mit einem nur halb so großen Luchs im Schlepptau eintrat. Der Wolf hatte seine Zähne in eines der Hinterbeine des Luchses gesenkt und zerrte ihn fast schon hinter sich her.

Cole musterte die beiden kurz und erhob sich dann, streckte seine Arme zu einer grüßenden Geste etwas nach vorne. Janie folgte ihm und stellte sich etwas schräg rechts hinter Cole.

“Aah... James! Gerade haben wir über dich gesprochen. Sag, wen bringst du mir da mit?”, sagte Cole direkt an den Wolf gerichtet und es klang fast schon väterlich.

Ben schnaubte kurz erleichtert auf, ging zu einem nahe gelegenen Tisch und zog ein Bündel Stoff herunter. Er ging mit dem Bündel in der Schnauze zu James und lies dieses vor seine Füße fallen.

James nickte Ben dankend zu, hob es auf und verschwand kurz in einem Nebenzimmer. Ben blieb derweil bei dem Luchs, der sich mittlerweile ängstlich auf dem Boden zusammen gekauert hatte und vorsichtig seine Wunde untersuchte; und behielt ihn aufmerksam im Blick, drauf und dran ihn anzugreifen, sollte er versuchen zu fliehen.

Nach ein paar Minuten kam ein junger Mann, mit hellen, schulterlangen Haaren aus dem Zimmer, in dem der Wolf verschwunden war, mit nur einem schwarzen Umhang bekleidet und ging auf Cole zu. Er strich Ben noch einmal dankend über den Kopf, ehe er sich vor Cole kniete und ehrfürchtig den Kopf neigte.

“Meister, verzeiht, dass ich zu spät komme, aber das Biest wehrte sich und entwischte mir ein paar mal.”, entschuldigte sich der junge Mann.

Cole legte ihm kurz eine Hand, fast schon tätschelnd, auf den Kopf und lächelte. Das Lächeln war nicht so böse wie es bei mir war, dennoch war es nicht freundlich, eher belustigt.

“Schon gut, James. Letztendlich kommt es ja doch nicht darauf an ob man pünktlich ist, sondern wen oder was man dabei hat. Nicht wahr?”, sagte Cole sanft, dennoch hörte man eine unterschwellige Bedrohung heraus.

Cole´s Blick schweifte zu mir, wieder das böse Lächeln auf den Lippen, sah kurz auf James hinab und dann zu Ben und dem Luchs.

James hob den Kopf, nachdem Cole seine Hand weg gezogen hatte und stand auf. Er drehte sich zu dem Wolf und dem Luchs herum und ging auf die beiden zu. Dort angekommen packte James den Luchs unsanft im Nackenfell und hob ihn an, das Tier jaulte leise.

“Nun, James. Erzähl... Wer ist das? Und wo hast du ihn gefunden?”, fragte Cole, etwas Ungeduld in der Stimme.

“Ich erwischte sie, wie sie in der Gasse oben herum schnüffelte, Meister.”, erzählte James. “Sie wollte hier herunter gehen, lief dann aber davon, als sie mich bemerkte. Ich lief ihr hinterher und schnappte sie gerade noch rechtzeitig, bevor sie aus der Gasse fliehen konnte.”

James lies den Luchs los, als er zu Ende erzählt hatte und sah Cole an, abwartend wie er urteilen würde.

Cole legte einen Finger an sein Kinn, tippte leicht dagegen, schob seine Lippen etwas nach vorne und schien zu überlegen.

“Nun gut, wollen wir doch mal hören, was sie zu sagen hat. James, Ben, geht doch schon mal mit unserem... Gast vor. Ich komme gleich nach.”, sagte Cole und wartete nicht darauf, dass die beiden verschwanden, er drehte sich direkt zu mir herum.

Ben und James verbeugten sich kurz vor Cole. James nahm den Luchs wieder im Nackenfell und zog sie hinter sich her aus dem Raum heraus, Ben trottete ihm hinterher.

“Und du...”, Cole zeigte kurz mit einem Finger auf mich und sah mich etwas zornig an. “Du gehst gefälligst wieder an die Arbeit. Und ich hoffe für dich, dass du das nächste Mal pünktlich bist oder wenigstens jemanden für mich dabei hast.”

Als Cole den Satz beendet hatte nickte er seiner Gefährtin, die sich darauf hin erhob, und Janie kurz zu, die ihm beide aus dem Raum hinaus folgten, Ben und James hinterher.

Ich seufzte leise und streckte mich noch mal auf dem Sitzkissen am Boden aus, lehnte mich etwas nach hinten und stützte mich auf meine Arme ab, streckte meine Beine aus und überkreuzte die Knöchel. In der Position sitzend überlegte ich erstmal, wo ich anfangen könnte und beobachtete nebenbei das bunte Treiben der verschiedenen Tiere und Leute. Sie hatten mittlerweile in lockere Gespräche gewechselt, jetzt da keiner mehr im Käfig kämpfte und Cole nicht mehr im Raum war.

Meine Gedanken schweiften zu dem Luchs, den James angeschleppt hatte und irgendwas an ihr kam mir bekannt vor. Als es mir einfiel, seufzte ich leise und legte meinen Kopf in den Nacken, schloss dabei die Augen.

Ich hatte den Luchs vor ein paar Tagen schon mal gesehen und sie auch gestellt gehabt, aber sie bat mich, sie ziehen zu lassen. Von ihr ging keine Gefahr aus, uns verraten zu können, also lies ich sie gehen. Denn ich wollte niemanden, der ohne Führung sein merkwürdiges Leben leben konnte, in eine Art Knechtschaft unter Cole zwingen. Ich hatte ihr gesagt, sie solle ja nicht in die Nähe dieser Gasse oben kommen, denn es gab noch andere, die nicht so dachten wie ich. James und Ben waren unerbittlich und brachten ausnahmslos jeden zu Cole.

Grummelnd wischte ich den Gedanken beiseite, erhob mich von dem Sitzkissen und beschloss erst mal etwas essen zu gehen.

Ohne einen Blick auf die anderen Lebewesen im Raum zu werfen ging ich zurück zu dem Gang, von dem ich gekommen war und eilte diesen entlang.

Endlich in der Seitenstraße oben angekommen, atmete ich erst einmal tief durch. Es war zwar schön kühl in diesem Gewölbe, aber irgendwie war die Luft ziemlich stickig, einengend, man konnte fast schon von einem klaustrophobischen Gefühl reden. Ich durchquerte die Gasse und wendete mich dann, am Ende angekommen, nach rechts, in die Richtung der Marktstraße.

In Gedanken vertieft ging ich an der Hauptstraße entlang und zu meiner Überraschung musste ich schon wieder an diese Chiara denken. Ihre Augen gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wie sie vor Zorn funkelten und sogar noch schwärzer wirkten, als sie eh schon waren.

Schmunzelnd bog ich in die Marktstraße ein und sah mich nach einem geeigneten Restaurant um, entschied mich dann aber für das Bistro. Gutes Essen für wenig Geld war immer gut.

Ich ging bis fast zum Ende der Straße und setzte mich an einen der Tische, die sie vor das Bistro gestellt hatten. Auf den Kellner wartend beobachtete ich die Leute, die an dem kleinen Restaurant vorbei gingen. Die meisten davon gingen gerade von der Arbeit nach Hause oder bummelten einfach so in der kleinen Einkaufsmeile.

Als der Kellner endlich kam, bestellte ich mir eine Cola und eine Schinkenpizza und lies dann, wieder wartend, meinen Blick weiter über die Leute schweifen, die vorbei eilten und spazierten. Nach etwa fünf Minuten fiel mein Blick auf eine Person bei der ich breit grinsen musste.

Es war ein Mädchen, das einen grell bunten, kurzen Rock und ein dazu passendes grell buntes Oberteil und Jacke anhatte, mit dunkelrot gefärbten Haaren die scheinbar auf mich zukam. Als sie fast direkt vor mir war bemerkte sie meinen Blick, sah mich unsicher grinsend an und ging an mir vorbei, setzte sich dann an einen weiter von mir entfernten Tisch. Sie sah sich ständig um und ab und zu auf ihre Uhr, scheinbar wartete sie auf jemanden.

Nachdem ich sie noch kurz gemustert hatte, widmete ich mich wieder den Leuten, die am Bistro vorbei liefen. Ich nahm aber eher schlecht als recht etwas wahr, von den Menschen. Ich war schon wieder in Gedanken vertieft. Diesmal waren meine Gedanken aber bei dem grell bunt gekleideten Mädchen und ich fragte mich, warum sie gerade solche Klamotten trug. Entweder, sie wollte um jeden Preis auffallen oder es war ihr wirklich egal, was sie trug.

Mein Blick schweifte abermals zu ihr und ich bemerkte, dass sie mich ebenfalls ansah. Sie grinste wieder verlegen, als ich ihren Blick erwiderte sah sie auf ihre Hände hinab.

Nach weiteren, endlos scheinenden fünfzehn Minuten, kam endlich meine Pizza und ich versuchte mich auf das Essen zu konzentrieren, musste aber grinsen, da sich das Mädchen ständig in meine Gedanken schlich.

Nachdem ich die Pizza zur Hälfte gegessen hatte, hob ich den Kopf um etwas zu trinken und sah zu dem Mädchen hinüber, dass jetzt ein Glas vor sich stehen hatte. Sie blickte noch immer ab und zu auf ihre Uhr, als sich ihr von hinten leise ein Junge näherte und seine Hände auf ihre Augen legte. Mit verstellter Stimme fragte er sie: “Wer bin ich?”

Das Mädchen begann zu kichern und nahm seine Hände von ihren Augen, drehte sich halb zu ihm um und begrüßte ihn.

“Hi Mike.”, grinste sie ihn an.

“Na? Hast du lange gewartet?”, fragte der Junge, der wohl Mike hieß, mit einem Blick auf ihr halb geleertes Glas.

“Nein. Eigentlich nicht. Ich war etwas zu früh da.”, sie zuckte mit den Schultern.

Der Junge ging um den Tisch herum und setzte sich ihr gegenüber. Das Gespräch der beiden ging mich nichts an und es wäre unhöflich, wenn ich lauschen würde, also widmete ich mich wieder meiner Pizza, versuchte nicht auf ihr Gespräch zu achten.

Meine Gedanken schweiften schon wieder ab und landeten wieder bei dem Luchs, den James heute angeschleppt hatte. Ich hoffte für sie, dass es gut ausging und dass Cole sie aufnehmen würde. Denn die andere Möglichkeit wünschte man keinem.

Jeder der unseren, der sich nicht Cole´s Truppe anschloss, war in seinen Augen eine Gefahr für uns und musste beseitigt werden. Es gab keine Gnade. Für niemanden.

Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um den Gedanken wegzuscheuchen und überlegte, wo ich heute anfangen sollte zu suchen. Mir wollte nichts einfallen, wo ich noch suchen könnte, denn ich hatte schon fast die ganze Stadt abgeklappert.

Es wunderte mich, wo James und Ben immer wieder einen der unseren fanden. Na gut, bei der Tatsache, dass ich mehr als die Hälfte, die ich fand, wieder gehen lies, da sie in meinen Augen keine Gefahr waren, war es kein Wunder, dass die beiden so viele anschleppten.

Aber ich konnte auch nicht groß etwas dagegen unternehmen, dass die meisten von uns früher oder später Cole in die Hände fielen. Irgendwann hatte ich wohl so eine Art ‘kalte Schulter’ dafür entwickelt und es war mir mittlerweile egal, dass Ben und James diejenigen zu Cole brachten, die ich gehen lies.

Ich fragte mich gerade, wie es dem Luchsmädchen wohl ergangen war und ob es ihr gut gehen würde, da hörte ich bei dem Mädchen und diesem Mike etwas, dass mich aufhorchen lies.

Das Mädchen hatte gerade von einer ‘Chia’ gesprochen und ich hob meinen Kopf, sah zu den beiden und lauschte jetzt doch.

“Chia meinte heute in der Schule, ich solle zu dir hingehen und dich fragen.”, sagte das Mädchen.

“Und dann bin ich dir zuvor gekommen?”, fragte der Junge und man konnte das Grinsen in seiner Stimme heraushören.

“Na ja, zuvorgekommen ist vielleicht etwas falsch ausgedrückt. Ich hab mich nicht getraut, zu dir hinzugehen.”

Das Mädchen errötete leicht und senkte ihren Blick auf ihre Hände, ich musste grinsen.

Scheinbar mochte sie diesen Jungen ziemlich. Und sie kannte wohl dieses Mädchen, dass ich heute Nachmittag auf die Fahrbahn gestoßen hatte. Darüber nachdenkend, ob ich zu dem Mädchen gehen und sie über Chiara ausfragen sollte, aß ich den Rest meiner Pizza auf.

Als ich zu dem Entschluss kam, sie wirklich danach zu fragen, hob ich meinen Blick und sah zu dem Tisch der beiden. Doch sie waren nicht mehr da. Ich blickte mich um und sah gerade noch, wie die beiden in ein Büchergeschäft gingen. Leise seufzend nahm ich einen Schluck von meiner Cola und kam zu einem weiteren Entschluss.

Es brachte wohl nichts, hinterher zu laufen und dieses grell bunt gekleidete Mädchen auszufragen. Ich entschied mich, darauf zu hoffen, Chiara irgendwann mal wieder zu sehen und sie selbst zu befragen, denn ihre Augen waren wirklich seltsam, zumindest für normale Menschen. Es überraschte mich dennoch, dass mir dieses Mädchen nicht mehr aus dem Kopf ging. Das war wirklich eine Premiere, denn so etwas war mir noch nie vorher passiert.

Nachdem ich meine Cola ausgetrunken hatte, streckte ich mich auf dem Stuhl etwas aus. Ich verschränkte meine Finger und legte sie auf meinen Kopf, streckte meine Beine aus und überkreuzte die Knöchel. In der Position sitzend, wartete ich auf den Kellner um zu bezahlen.

Der Kellner kam auch schon kurze Zeit später und brachte mir die Rechnung. Ich bezahlte, stand von dem Stuhl auf und schlenderte Richtung Marktplatz.

Unangenehme Tatsachen (Chiara)

"Chiaaaraaa!"

Gerade über meine Hausaufgaben gebeugt, seufzte ich leise, als Monkey nach mir rief. Ich hob den Kopf, lehnte mich in meinem Stuhl zurück und blickte zu meiner Zimmertür, als besagte auch schon herein gehüpft kam und mich schelmisch angrinste.

"Was ist denn nun wieder?", fragte ich etwas genervt.

"Du wolltest mir noch etwas erzählen.", grinste sie mich an.

Mit den Augen rollend seufzte ich abermals, legte meinen Stift auf mein Heft und drehte mich auf dem Stuhl so herum, dass ich Monkey ansehen konnte, während sie sich auf mein Bett setzte, die Beine zum Schneidersitz anzog und mich erwartungsvoll ansah.

"Aber erwarte nicht zu viel, so spannend war es nämlich nicht."

Monkey nickte nur, sah mich dennoch weiterhin erwartungsvoll an.

Ich erzählte ihr also von Damian und dem Umstand, wie ich ihn kennenlernte. Auserdem erwähnte ich seine ausergewöhnlichen Augen und die Tatsache, dass er mich viel zu schnell von der Straße gezogen hatte.

"Glaubst du, er ist einer von uns?", schloss ich meine Erzählung.

Monkey überlegte kurz, nickte dann leicht.

"Also, deiner Erzählung nach könnte man das schon annehmen. Aber um es sicher sagen zu können, müsste ich ihn mit eigenen Augen sehen."

Langsam nickend, stimmte ich ihr mit einem "Ja" zu, stützte meinen Arm auf meine Stuhllehne und meinen Kopf auf meine Hand, blickte irgendwo ins Leere und grübelte darüber nach.

"Und warum genau bist du gleich wieder am Haus vorbei gelaufen?"

Monkey schien das ganze sehr zu amüsieren, denn sie hatte schon wieder ein freches Grinsen auf den Lippen.

"Ich hab mir alle möglichen Methoden vorgestellt, wie man ihn am besten auf den Mond schießt.", grinste ich zurück.

Monkey lachte kurz, klopfte sich dann einmal leicht auf die Oberschenkel und erhob sich von meinem Bett, ging zu meiner Zimmertür und sah mich, die Hand an der Türklinke, noch einmal an.

"Wann gibts Abendessen?"

"Wenn ich mit meinen Schularbeiten fertig bin."

Sie nickte und öffnete die Tür, wollte schon gehen, drehte sich aber nochmal um und grinste mich frech an.

"Gib es zu... Insgeheim wünschst du dir, dass er einer von uns ist."

Mein Gesichtsausdruck verfinsterte sich und ich griff nach dem erstbesten Gegenstand, den ich in die Finger bekam, warf diesen in Monkeys Richtung. Doch diese war schneller und hüpfte lachend aus meinem Zimmer, sodass der Gegenstand nur gegen den Türrahmen krachte und an diesem zerbrach.

Leise seufzend erhob ich mich von meinem Stuhl und ging zur Tür, um das Ding aufzuheben und zu begutachten. Heute war eindeutig nicht mein Tag. Ich brach wohl nicht nur den Rekord im "Augenbraueheben", sondern wohl auch im seufzen.

Wie sich herausstellte, war es eine kleine Nippesfigur in Panthergestallt, die mir Monkey mal zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich mochte das Ding noch nie besonders und war nicht so traurig deswegen, denn sie war nicht sehr naturgetreu und sah einem Panther allerhöchstens ähnlich, wenn überhaupt. Nur Monkey zuliebe hatte ich die Figur behalten.

Abermals leise seufzend, ich seufzte eindeutig zu oft an diesem Tag, warf ich die Überreste des kleinen Panthers in den Mülleimer und machte mich daran, meine Hausaufgaben fertig zu schreiben.

Als ich endlich fertig war, blickte ich auf die Uhr und bemerkte, dass es höchste Zeit war, mit dem Abendessen zu beginnen, denn es war bereits neunzehn Uhr vorbei. Auserdem dürfte Gregor, Monkey´s Bruder, bald nach Hause kommen.

Ich erhob mich also von meinem Stuhl und machte mich auf den Weg in die Küche. Dort angekommen holte ich das Fleisch, die Pommes und Gewürze aus den entsprechenden Schränken und machte mich daran, das Fleisch zu würzen. Die Pommes kamen auf ein Ofenblech und dieses in den vorgeheizten Ofen.

Gerade, als ich dabei war die Steaks in der Pfanne zu braten hörte ich, wie die Haustür auf und wieder zu ging und beugte mich etwas nach hinten, um zu sehen, wer da gekommen war. In dem Moment kam Gregor in die Küche und lächelte mich an. Kurz zurücklächelnd widmete ich mich wieder den Steaks in der Pfanne.

"Hey Greg. Na? Wie war dein Tag?", fragte ich.

Gregor zog seine Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne, setzte sich dann auf diesen.

"Naja... Ging schon. Etwas langweilig, war nicht viel los im Laden. Aber ich hatte endlich Zeit, dein i-Phone zu reparieren."

Mit diesen Worten holte er das Teil aus seiner Tasche und legte es auf den Tisch.

Mein i-Phone ging kaputt, weil ich es aus Wut gegen die Wand geschmissen hatte, da Monkey´s Haustier mich in den Wahnsinn getrieben hatte.

"Oh, vielen dank. War es denn schlimm kaputt?"

"Es war keine große Herausforderung, also demnach... nein.", sagte Greg und schüttelte kurz den Kopf, grinste mich an.

"Gut. Bin ja echt froh, dass ich damals das robuste, statt das hübsche Modell genommen hab."

Gregor nickte leicht und erhob sich dann von seinem Stuhl, ging zum Schrank und holte Teller und Besteck daraus hervor, begann den Tisch zu decken.

"Ich bin hier gleich fertig. Magst du Monk und Byron schonmal holen?", fragte ich, während ich die Steaks auf einen Teller legte.

"Klar.", gab Greg kurz angebunden zur Antwort und ging in den Hausflur, um nach den beiden zu rufen.

Kurz darauf kamen alle drei in die Küche und setzten sich jeweils auf ihre Plätze, während ich die Pommes in eine Schüssel gab und würzte, sie danach mit den Steaks auf den Tisch stellte.

"Och nee... Schon wieder Steak.", Monkey verzog angewidert das Gesicht und erhob sich nochmal von ihrem Stuhl um zum Obstkorb zu gehen.

Sie nahm sich einen Apfel und eine Banane daraus und wollte sich schon eine Schüssel aus dem Schrank nehmen.

"Monkey, lass es. Ich wusste, du magst wieder kein Fleisch und hab dir schon einen Obstsalat gemacht. Er steht im Kühlschrank.", grinste ich sie an.

Monkey atmete erleichtert aus und lächelte mich dankbar an, holte dann den Salat aus dem Kühlschrank und eine Schüssel aus dem Geschirrschrank, setzte sich wieder zu uns an den Tisch, nachdem sie Banane und Apfel zurück in den Obstkorb gelegt hatte.

"Lasst es euch schmecken.", eröffnete ich das Abendessen.

Wir wünschten uns "Guten Appetit" und griffen alle zum Besteck, begannen mit dem Verzehr des Essens.

"Hmm... Das ist echt lecker.", lobte mein Onkel mich.

Ich lächelte ihn dankbar an.

Stumm widmeten wir uns zunächst unserer Mahlzeit und hingen allen unseren Gedanken nach. Bei uns war es nicht sonderlich verbreitet, dass man beim Essen redete. In dem Punkt hatten wir so ungefähr das selbe Denken: Beim Essen wird nicht geredet, denn das kann man hinterher immernoch machen.

Meine Gedanken, wie soll es auch anders sein, nach einem so nervenaufreibenden Nachmittag; wanderten wiedermal zu Damian und ich musste mir eingestehen, dass Monkey recht hatte. Damian faszinierte mich irgendwie und insgeheim wünschte ich mir wirklich, er wäre einer von uns.

Seine arrogante Art jedoch nervte mich nach wie vor, dennoch war ich ihm dankbar, dass er mich von der Straße gezogen hatte, schließlich hätte er mich auch einfach liegen und überfahren lassen können. Als ich mir sein verdutztes Gesicht vorstellte, als ich ihn angefahren hatte, musste ich grinsen.

Mein Onkel war wohl aufmerksamer, als ich dachte, denn er riss mich plötzlich aus den Gedanken, indem er mich fragte, warum ich so grinse.

Meinen Blick von dem Essen vor mir wendend sah ich ihn erst unschuldig an, verstand nicht ganz was er meinte.

"Du hast grad ganz breit gegrinst. Warum?", diesmal war er es, der grinste.

"Hab ich das? Kann mich gar nicht erinnern.", grinste ich und sah wieder auf mein Essen.

Monkey konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen, sie wusste wohl genau, woran ich gedacht hatte.

Kein Wunder, so kannten wir uns ja schon seit wir Kinder waren und sie durchschaute mich immer, auch wenn es andere in solchen Momenten nicht schafften.

"Mh, da fällt mir ein...", begann Gregor und schluckte erst noch sein Essen hinunter.

Aller Aufmerksamkeit war jetzt auf ihn gerichtet. Ihn ansehend schob ich mir ein Stück Fleisch in den Mund und kaute ausgiebig darauf herum.

"Heute im Radio haben sie einen Bericht über Dunedin gebracht. Vielleicht solltest du dir das mal ansehen, Chia.", endete er und sah mich an.

Leicht nickend schluckte ich das Stück in meinem Mund hinunter, ehe ich Greg fragend ansah.

"Meinst du, einer von uns ist gesichtet worden?"

Gregor nickte.

"Ich denke schon. Zumindest lassen umgeworfene Mülltonnen und aufgerissene Müllsäcke in einer gut bewohnten Gegend, mitten in der Stadt darauf schließen. Außerdem sagte eine Frau, sie hätte einen Fuchs durch die Gegend streifen sehen."

Ein Fuchs war in einer gut bewohnten Gegend allerdings seltsam, zumal sich Füchse eher von den Menschen und ihren Siedlungen fernhielten, es sei denn, sie haben Hunger und es gibt einen Hühnerstall, was aber auch recht selten vorkam.

"Ich werd mir das nach dem Essen gleichmal ansehen."

Leicht nickend widmete ich mich dem Rest meiner Mahlzeit, während alle wieder zu schweigen begannen.

Nach kurzer Zeit legte mein Onkel sein Besteck auf den leeren Teller, lehnte sich zurück und strich sich über den vollen Bauch. Monkey nahm sich noch ein wenig von dem Obstsalat und Greg legte sein Besteck ebenfalls auf seinen Teller, auf dem jedoch noch ein wenig Fleisch lag. Ich aß in seelenruhe mein restliches Essen auf und sah dann von einem zum anderen.

"Ich hoffe, es hat geschmeckt.", schmunzelte ich die drei an.

Mein Onkel, Monkey und Greg nickten fast gleichzeitig, wobei Monkey sich gerade ihr letztes Stück Banane in den Mund schob.

"Dann kann ich ja zufrieden schlafen gehen.", grinste ich jetzt.

Wobei das wohl noch warten musste, da Dunedin und der vermeindliche Fuchs auf mich warteten. Das Gesicht leicht verziehend erhob ich mich vom Stuhl, nahm meinen Teller und stellte diesen auf die Anrichte neben die Spühle.

"Ach übrigens.. Monk, du bist mit abspühlen dran."

Diesmal verzog Monkey das Gesicht, angesichts dessen, was sie erwartete. Sie hasste es, abspühlen zu müssen, ganz besonders wenn es Fleisch gab.

Mich der Küchentür zuwendend grinste ich sie breit an, ehe ich das Zimmer verließ und die Treppe zu meinem Zimmer empor stieg, in meinem Zimmer die Tür hinter mir schloß und mich kurz dagegen lehnte. Ich atmete tief ein und aus.

Manchmal mochte ich es nicht, auf diese Erkundungstouren zu gehen, aber sie waren notwendig, wenn wir nicht wollten, dass die ganzen armen Tiere in die falschen Hände gerieten.

Also seufzte ich zum bestimmt tausendsten Mal an diesem Tag und stieß mich leicht von der Tür ab, drehte mich herum und nahm den schwarzen, dünnen Wollmantel von einem Haken an der Tür, warf ihn auf das Bett und grübelte kurz darüber nach, ob ich irgendwas bestimmtes mitnehmen sollte, kam dann aber zu dem Entschluss, dass ich womöglich nichts brauchen würde, da es sich ja nur um einen Fuchs handelte.

Ich wollte mich gerade meiner Kleidung entledigen, als es sachte an meiner Tür klopfte. Also strich ich meinen dünnen Pullover wieder glatt und bat denjenigen, der vor der Tür stand herein.

Mein Onkel kam leicht und besorgt lächelnd herein, musterte mich kurz.

"Gehts dir gut?", fragte er besorgt klingend.

Stumm nickend sah ich ihn an, senkte dann den Blick.

"Es ist... anstrengend teilweise. Und manchmal sehr ermüdend."

Ich lächelte schwach, hob dann meinen Blick wieder, als mein Onkel auch schon langsam auf mich zukam und mich in seine Arme zog. Die Arme um seine Mitte schlingend schmiegte ich mich an ihn, genoss seine Nähe.

Byron war schon so lange für mich verantwortlich, dass es mir sehr oft vorkam, als wäre er mein richtiger Vater. Ich sah in ihm eigentlich auch nichts anderes als einen Vaterersatz, wenn man es so nennen will, wobei er viel mehr als nur das war. Er war für mich Vater, Onkel, Großvater, Ratgeber und bester Freund in einem.

Byron strich mir in diesem Moment kurz und leicht über den Kopf, hielt mich noch immer sanft umarmt.

"Ich verstehe das.. Wenn ich es könnte, würde ich diese Arbeit für dich übernehmen. Aber leider bist du im Moment die einzige, die das irgendwie bewerkstelligen kann."

"Ich weiß.. Wobei ich mir ein bisschen mehr Unterstützung von Monkey erhoffe..", seufzte ich leise.

"Du kennst sie doch.. Alles, was über die Arbeit am Pc hinausgeht verabscheut sie zutiefst."

Mein Onkel grinste leicht, er versuchte mich eindeutig aufzumuntern.

Leicht nickend löste ich mich aus der Umarmung und lächelte Byron an, wendete mich dann um.

"Ich sollte mich auf den Weg machen. Ich hoffe, es dauert nicht zu lang."

Byron nickte und drehte sich um zum gehen.

"Viel Glück und pass auf dich auf."

"Mach ich. Bis später."

Ein letztes Mal lächelte er mich an, ehe er das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss.

Für einen Augenblick sah ich ihm nach, blickte die Tür an, hin und hergerissen zu gehen oder hier zu bleiben. Ich entschied mich letztendlich dafür, dass es ja doch getan werden muss, wenn der arme Fuchs nicht in die falschen Hände geraten sollte.

Mit einem überzeugten Nicken versuchte ich mich selbst zu täuschen, was auch ganz gut gelang; und zog meine Klamotten aus, griff dann nach dem Mantel, den ich vorher aufs Bett geworfen hatte und zog ihn über. So gekleidet ging ich zu meinem Fenster und öffnete es, kletterte auf das Fensterbrett und sprang, ohne darüber nachzudenken, aus dem zweiten Stock in die Tiefe, ließ meinen Körper von einem Schauer ergreifen, der sich schnell zu einer angenehmen Hitze wandelte.

Noch bevor ich den Boden erreichte zog sich mein Körper etwas in die Länge, Finger und Zehen zogen sich zusammen und formten Pfoten, Nase, Mund und Kinn wurden zu einer Schnauze und ich landete, nicht mehr als Mensch, sanft auf allen vier Pfoten.

Ich schüttelte mich ausgiebig, versuchte den Schauer loszuwerden und blickte für ein paar Sekunden auf meine rabenschwarzen Tatzen.

Es war noch immer ein ungewohntes Gefühl, plötzlich nicht mehr auf zwei Beinen zu stehen, sondern vier Glieder zum Laufen zu benötigen. Zwar hab ich mich mit dem Gedanken, mich in einen Panther verwandeln zu können, abgefunden, aber so lange, dass man es schon Gewohnheit nennen kann, ist das erste Mal nicht her. Zumindest kam es mir nicht lange vor, aber in Wahrheit war es jetzt eineinhalb Jahre her. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mich wohl nie daran gewöhnen würde.

Mir entwich ein leiser, knurrender Laut, der entfernt an ein Auflachen erinnerte, als ich mich daran entsinnte, wie erschrocken ich bei der ersten Verwandlung war.

Während ich daran dachte, hob ich den Kopf, streckte die Nase in die Nachtluft und schnupperte, schloss dabei genießend die Augen. Ich liebte die Nacht.

Unmittelbar darauf lief ich los und dachte noch immer über den Tag meiner ersten Wandlung nach. Es war auf zweierlei Arten erschreckend. Erstens, weil ich von dem Schrei meiner Mutter an einem Samstagmorgen aufwachte.

Und zweitens, weil ich einen viel zu realen Traum hatte.

Geträumt hatte ich, ich würde mich in ein Tier verwandeln können, nur in dem Traum war es ein Wolf.

Meine Mutter weckte mich also mit einem Schrei, dem ein dumpfer Schlag folgte, als ob ein Wäschekorb zu Boden fallen würde und direkt danach hörte ich ihre Füße, wie sie die Treppe runterpolterte.

Mich wundernd schlug ich die Augen auf und merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.

Man kennt ja das Gefühl, wenn man einen recht lebhaften Traum hatte, dann aufwacht und denkt, dass man noch immer träumt. Als Wolf hatte ich im Traum eine andere Sicht. Ich sah alles in anderen Farbtönen, teilweise kräftigere Farben, manchmal aber auch nur in Grautönen, je nach dem wie die Dinge vom Licht angestrahlt wurden. So war es auch, als ich mich dann in meinem Zimmer umsah, mit dem kleinen Unterschied, dass der Rand meines Sichtfeldes leicht rotstichig war und ich alles viel genauer sehen konnte, jede noch so kleine Kontur von Dingen die am anderen Ende des Zimmers waren.

Das jedoch war nicht das Erschreckende daran, weil ich dachte, dass ich noch immer träumte.

Meinen Kopf hebend blickte ich zu meiner Zimmertür, um eventuell zu sehen, was meine Mutter so zum Schreien gebracht hatte. Zuerst dachte ich an eine Spinne, die da irgendwo herumkrabbelte, aber da war nichts.

Dann wollte ich mich aufsetzen und merkte, dass das nicht mehr so einfach ging, also hob ich eine Hand, was keine Hand mehr war, sondern eine Pfote, um mich abzustützen.

Einen erschreckten Laut von mir gebend, merkte ich schon das Nächste. Der Laut war ein Fauchen und alles andere als menschlich. Ich sprang auf und stand auf vier Beinen, sah zwischen den Vorderbeinen hindurch an mir herunter und weitete erschrocken die Augen.

Damals stand meinem Bett gegenüber ein Kleiderschrank, in dessen Türen Spiegel eingelassen waren. Ich hob den Kopf und blickte hinein, was mir schon wieder einen erschreckten Laut entweichen ließ.

Das, was ich in dem Spiegel sah, war nicht Ich. Naja, irgendwie schon, aber ich war kein Mensch. Ich war ein Panther und noch dazu ein ziemlich großer.

Nach dem ersten Schreck betrachtete ich mich etwas genauer in dem Spiegel, als ich aus dem unteren Stockwerk die Stimme meiner Mutter hysterisch reden hörte.

Mich darauf konzentrierend fiel mir auf, dass meine Ohren feiner geworden waren und ich jedes Wort verstehen konnte, was ich vorher nicht konnte. Ich hörte auch, dass sie nicht mit meinem Vater redete, sondern telefonierte.

Meine Mutter sprach so abgehackt, dass sie nur einzelne, unzusammenhängende Wörter hervorbrachte. Die Worte "große Raubkatze", "meine Tochter" und "Hilfe" kamen dabei am häufigsten vor.

Während ich meinen Kopf langsam in die Richtung meiner Tür drehte zuckten meine Ohren etwas und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht hier sein sollte. Dass ich schleunigst weg sollte.

Aber ich war doch kein wildes Tier, dass meine Mutter gleich auffressen würde, also blickte ich erneut in den Spiegel mir gegenüber und überlegte, was ich tun könnte.

Es gab nur eine Lösung: Ich musste wieder ein Mensch werden.

Aber wie?

Hin und herüberlegend und ganz in Gedanken versunken merkte ich nicht, dass ein Auto in unsere Auffahrt fuhr. Ich merkte erst, dass etwas nicht stimmte, als meine Zimmtertür aufgerissen, ein Gewehr auf mich gerichtet und geschossen wurde.

Ein erschrockenes, lautes Fauchen entfuhr mir und ich machte einen Satz zur Seite, fiel dabei vom Bett und wurde kurz darauf benommen, als ich dann auch schon einschlief.

Das war so ziemlich das einzige, woran ich mich noch erinnerte, von diesem Tag. Das andere war, als ich Stunden später wieder aufwachte und mich eingesperrt in einem Käfig befand, der nicht besonders groß war.

Ich litt damals unter Platzangst und wurde dementsprechend panisch, versuchte erst irgendwie aus diesem Ding herauszukommen, ehe ich mich mit weitaufgerissenen, angsterfüllten Augen, in einer Ecke des Käfigs, zusammenkauerte. Mein Herz schlug so schnell, wegen der Panik, dass ich kaum atmen konnte. Die Augen schließend wünschte ich mir nichts anderes, als endlich wieder ein Mensch sein zu können. Ich kniff meine Augen regelrecht zusammen und sagte in Gedanken immer wieder "Lass mich wieder ein Mensch sein.", bis ich irgendwann in einen leichten Dämmerschlaf fiel.

Von aufgeregten Stimmen wurde ich wieder wach und schlug die Augen auf, sah mich um und erblickte ein paar Männer und eine Frau in Arztkitteln um den Käfig versammelt.

Der Tag endete damit, dass die Frau zu mir in den Käfig kam, mir ihren Kittel um die Schultern legte und mich herausführte. Mein Vater holte mich dann ab und es stellte sich heraus, dass ich in einer Tierklinik für Tiergärten, also dementsprechend für große Tiere insbesondere Raubkatzen, war.

Die ganze Fahrt über sah mich mein Vater nicht an und sprach auch kein Wort. Ich wollte ihn fragen, was das war, was mit mir passiert war. Aber er sah traurig aus und ich ließ es, bis wir Zuhause waren.

Da konnte ich meine Fragen dann nicht mehr zurückhalten, doch er sagte nur, ich solle auf mein Zimmer gehen und packen, am nächsten Tag sollte ich zu Byron, meinem Onkel, gehen.

Von da an hörte ich nur noch zu meinem Geburtstag und zu Weihnachten etwas von meinen Eltern.

Mein Onkel hatte mir damals alles erklärt. Was mit mir passiert war und wie es weitergehen sollte. Er sagte, dass meine Tante, die Schwester meines Vaters, sich ebenfalls in ein Tier verwandeln konnte. Sie war ein Tiger und wurde erschossen, weil sie in Panik und ziemlich apathisch durch die Stadt lief. Die Leute bekamen Angst und dachten, sie wär ein entflohenes Tier gewesen, riefen daraufhin die Polizei, die daraufhin meine Tante stellten und in dem Moment, in dem sie fliehen wollte, erschossen.

Ich verstand nicht, warum ich das dann auch konnte, da ich ja nicht direkt mit meiner Tante genetisch verbunden war. In den nächsten Tagen, nachdem ich bei Byron ankam, recherchierten wir in unserer Familiengeschichte und fanden heraus, dass es vor ein paar Jahrzehnten einen Mann in der Familie gab, der es als erstes entdeckte und die Gene über Jahre hinweg weitergab, es aber nicht ausgebrochen war. Bis erst meine Tante, dann ich zur Welt kamen.

Außerdem fanden wir heraus, dass das Gen zwar an jeden weiteren Nachkommen weitergegeben wurde, jedoch nur bei bestimmten Dingen ausbrach. Bei mir war es wohl der Traum, der mir viel zu real vorkam und es dann auch irgendwie wurde.

Die Tage darauf recherchierte ich weiter und hatte die Verwandlung nicht unter Kontrolle. Ich konnte nicht zur Schule gehen, da gewisse emotionale Ausbrüche mich verwandeln ließen. Es konnte jeder Zeit passieren und Byron wollte nicht, dass mir das selbe wie meiner Tante wiederfuhr, deshalb ließ er mich zu hause bleiben.

Es waren keine schönen Erinnerungen, da mich meine Eltern von da an nicht mehr sehen wollten. Sie wollten mit so etwas Übernatürlichem nichts zu tun haben, was mich traurig machte.

Aber ich musste weitermachen, damit es niemanden gab, dem es genauso erging wie meiner Tante.

Meine Tatzen waren wie von selbst bis zum Rand der Stadt gelaufen, hatten bei den Straßen darauf geachtet, dass mich niemand sehen konnte und hatten automatisch Seitenstraßen genommen, da ich mich hier perfekt auskannte, weil ich fast jede Nacht Erkundungstouren durch die Stadt machte.

Als ich jetzt die Felder vor mir sehen konnte, straffte ich die Muskeln und beschleunigte mein Tempo voller Euphorie, lief in das nächste Feld und preschte weiter, durch den angrenzenden Wald und hielt erst an, als ich Dunedin´s Lichter sehen konnte.

Bekanntschaften (Chiara)

Dunedin. Ich mochte diese Stadt nicht sonderlich. Sie war zu groß.. Zu unübersichtlich... Zu belebt. Zumindest im Vergleich zu Fallen Hills.

In jeder Straße, jeder Gasse musste man tierisch aufpassen, nicht von irgend jemandem gesehen zu werden. Überall lungerten Leute herum, hauptsächlich Studenten, was in einer Universitätsstadt schlecht hin kein Wunder ist.

Auf der anderen Seite war es aber eine wunderschöne Stadt, da es hier sehr viele alte Privathäuser, Galerien, Museen und auch viele kleine Cafés gab. Als Mensch war ich gerne hier, da es viel zu sehen gab, jedoch als Tier sehr ungern, weil man immer fürchten musste, entdeckt zu werden.

Nachdem ich mir die Stadt kurz aus der Ferne angesehen hatte und sie dann betrat, begann ich direkt mit der Suche nach dem richtigen Viertel. Ich wollte so wenig Zeit wie möglich hier verbringen.

Gregor sagte, dass der Fuchs in einem der reicheren Viertel, mittig der Stadt, gesichtet wurde. Ich schloß daraus, dass es wohl ein verwöhntes Tier war und schmunzelte insgeheim bei dem Gedanken an einen Fuchs, der Kaviar gewöhnt ist.

Andererseits, wenn es wirklich ein Gestaltwandler war, konnte es auch sein, dass er aus einer höhergestellten Familie kam, was es erklärte, warum er in einer der reicheren Gegenden umherstreunte. Insbesondere, weil Füchse meistens nur in Randgebieten, wenn überhaupt, unterwegs waren.

Mich schleichend durch die Straßen bewegend, suchte ich nach Anzeichen für wilde Tiere. Umgekippte Mülltonnen und verstreute und aufgerissene -tüten kamen nicht nur von Rowdies, sondern waren sogar ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass ein Tier in der Nähe war. Ob wild oder eines von uns war dabei ziemlich gut zu unterscheiden.

Die wilden Tiere bissen alles an, ob verschimmelt oder nicht. Sie hatten keine Ahnung was Schimmel war und liesen es nur deswegen liegen, weil sie probiert hatten und es nicht nach dessen Geschmack war, was jedoch eher selten vorkam, denn meistens schlangen sie es in einem Stück hinunter.

Gestaltwandler erkannten das, da sie es aus ihrem normalen Leben kannten und fraßen nur das, was noch einigermaßen gut war, vorausgesetzt sie wollten nicht mehr nach Hause oder hatten andere Gründe um kein Zuhause zu haben.

Ich musste also nur nach Müllresten ausschau halten, bei denen das verschimmelte Essen noch vorhanden war.

Als ich ungefähr in der Mitte der Stadt ankam, was ich zumindest dachte, stieß ich auf eine etwas stattliche, riesige Villa, vor der ein paar Müllbehälter umgestoßen waren. Ich ging hin und beschnüffelte die Überreste, konnte aber nichts besonderes erkennen. Also kam ich zu dem Schluss, dass das hier wohl doch Rowdies waren und machte mich wieder auf die Suche.

Ein paar Blocks weiter fand ich wieder ein paar umgestoßene Mülltonnen, diesmal vor einem recht schäbig wirkenden Mehrfamilienhaus, und hatte diesmal sogar Erfolg. Die Essensreste hatten noch einen leichten Hauch von Tier, wobei ich nicht direkt erkennen konnte, ob es ein Fuchs war oder vielleicht doch etwas anderes.

Mich wundernd, warum ich gerade hier auf den Tiergeruch gestoßen war, sah ich mich um. Es war ein eher heruntergekommenes Viertel und nicht eines, dass eher auf gut verdienende Familien schloß.

Wie auch immer, nachdem ich den Müll nochmal beschnuppert hatte, sah ich mich um, ob es vielleicht noch mehr Anzeichen gab, als plötzlich ein Auto so schnell an mir vorbeirauschte, dass ich erschrocken einen Satz hinter die Abfalltonnen machte, was in gewisser Weiße mein Glück war. Ich wollte mir nicht ausmalen, was gewesen wäre, wenn die Insassen des Autos mich gesehen hätten.

Und in dem Moment, in dem die Scheinwerfer eine nahegelegene Seitengasse, die schräg gegenüber des Hauses war, bei dem ich stand, streiften, fiel mein Blick auf etwas, dass das Licht zurückstrahlte. Es wirkte ungefähr wie Silber oder irgendwelcher Schmuck, hatte nur ein bisschen Ähnlichkeit damit, also beschloss ich, es mir genauer anzusehen, denn die Augen eines Tieres strahlten das Licht oft ähnlich zurück. Zumindest, wenn es künstlicher Natur war.

Einen etwas größeren Bogen nehmend, schlich ich mich von der Seite an die Ecke der Gasse an, spähte dort angekommen hinein und konnte zuerst nicht viel erkennen.

Zu sehen waren die Umrisse einer großen Tonne, in die meistens Papier und Pappe geworfen wurde, einer Feuerleiter, die zu dem Haus gehörte, an das ich mich drängte und vermutlich allerlei herumliegender Müll. Kein Licht brannte, da die Laternen wohl kaputt waren, demnach mussten sich meine Augen an die Dunkelheit erst gewöhnen.

Als sie das getan hatten, konnte ich schon mehr sehen, was jedoch die Anzahl an vorhandenen Dingen nicht erhöhte. Aber ich konnte mehr Konturen sehen und bemerkte auch, dass die Gasse eine Sackgasse war, was mir ziemlich gelegen kam, denn dadurch konnte das Tier oder was auch immer es war, nicht so schnell entwischen.

Die Ohren spitzend bemerkte ich, dass ein weiteres Auto auf der Straße entlangkam, also beschloß ich erstmal ein Stück in die Seitenstraße zu gehen, damit ich nicht gesehen wurde. Ich drehte mich, im Eingang mit dem Hinterlauf in Richtung der Gasse, um nochmal einen Blick auf die Straße zu werfen, ob mich auch wirklich niemand gesehen hatte. Zu meinem Glück war die Person in dem Auto, dass in genau diesem Moment vorbei fuhr, zu sehr auf die Straße fixiert, als dass sie mich bemerken könnte.

In dem Moment, wo ich mich umdrehen wollte, hörte ich ein leises Fauchen hinter mir und vollendete die Drehung nicht langsam, wie ich es vorhatte, sondern aprupt und sah mich aufmerksam um.

In der hintersten Ecke der Straße sah ich ein zusammengekauertes Fellbündel, dessen Schnauze mit gefletschten Zähnen in meine Richtung zeigte und mich anfauchte und -knurrte. Meinen Kopf leicht zur Seite neigend ging ich ein paar Schritte weiter in die Gasse, um für von aussen hereinsehende Leute nicht gesehen zu werden. Ich verschmolz förmlich mit dem Schatten und konnte nicht mehr gesehen werden, wenn man von der anderen Straßenseite hereinsehen würde. Letztendlich setzte ich mich auf die Hinterbeine und behielt das Tier fest im Blick, dass mich erst anknurrte, da ich ihm näher gekommen war und dann mich weiterfauchend anstarrte.

Ich wartete ab, um zu zeigen, dass ich nichts böses wollte. Geduld war bei meiner "Arbeit" etwas sehr wichtiges, denn man konnte nicht einfach auf einen Gestaltwandler, der womöglich erst wenige Stunden von seinem Schicksal wusste, zugehen, da sie sich meist bedroht fühlten und dachten, dass man ihnen etwas antun wollte.

Einfach im Dunkeln sitzend und wartend sah ich das Tier direkt an, nach wie vor mit schief geneigtem Kopf und freundlichem Ausdruck in den Augen. Nach einer kleinen Weile hörte der Fuchs, was ich endlich erkennen konnte, da sich meine Augen komplett an die Dunkelheit gewöhnt hatten, auf zu fauchen und gab sogar seine Verteidigungshaltung auf. Dennoch blieb er wachsam, was ich gut fand, denn wenn ich etwas böses im Schilde geführt hätte, hätte das genauso gut ein Trick sein können.

Nach einer weiteren kleinen Weile erhob ich mich langsam und machte ein paar Schritte auf den Gestaltwandler zu, der daraufhin abermals zu fauchen begann, also setzte ich mich wieder auf die Hinterläufe.

Tief einatmend seufzte ich fast schon, der kleine hatte ziemliches Misstrauen, was aber nicht direkt falsch war, da er mich nicht kannte. Dennoch wurde ich langsam etwas ungeduldig, also tappste ich mit den Vorderpfoten ein Stück nach vorne und legte mich hin, meinen Kopf platzierte ich auf den Pfoten, ohne jedoch dabei den Fuchs aus den Augen zu lassen und wartete weiter.

Eine gefühlte Stunde später schien das Tier endlich ein wenig Vertrauen gefasst zu haben, oder zumindest dachte er nicht mehr, dass ich ihm etwas tun würde, denn er kam ein paar Schritte auf mich zu, den Kopf dennoch misstrauisch gesenkt. Ich blieb in meiner liegenden Position um ihn nicht zu verschrecken.

Als der Wandler nur noch zwei Schritt von mir entfernt war, blieb ich noch immer liegen und wartete weiter ab, hob aber langsam den Kopf und neigte ihn wieder leicht zur Seite. Der Fuchs tat es mir gleich, was ich als Zeichen deutete, dass er jetzt wusste, ich wollte ihm nichts böses.

Ich wusste erst nicht so recht, was ich jetzt tun sollte. Ihn erst fragen, was passiert war, oder mich direkt zum Menschen wandeln. Kurz überlegend überkreuzte ich meine Vorderpfoten und neigte den Kopf in die andere Richtung.

Nach ein paar weiteren Minuten, in denen sich der Fuchs vor mich gesetzt und mich eingehend gemustert hatte, beschloss ich, den besten Test zu nutzen, den ich in so einer Situation zur Verfügung hatte.

Viele Leute denken, dass Tiere nicht wirklich miteinander kommunizieren können, was ganz und gar nicht stimmte. Jede Art von Tier und sogar Unterarten davon hatten sozusagen eine eigene Sprache, so wie es auch bei Menschen viele verschiedene Sprachen gab. Wie genau das aber ablief, hatte man noch nicht ganz herausgefunden.

Bei Gestaltwandler war es jedoch anders. Wir konnten direkt kommunizieren, so als würden wir uns als Menschen gegenüberstehen. Dafür bedarf es aber einer Vorraussetzung, die nicht leicht zu erlangen war. Der Gegenüberstehende und man selbst brauchte ein gewisses Vertrauen in den jeweils anderen, damit man miteinander reden konnte. So in etwa wie Thelepathie, jedoch bedingt nutzbar. Bestand nicht auch nur ein winziger Funken Vertrauen, konnte man sich nicht verständigen, außer vielleicht durch Knurrlaute, die man aber meistens nicht verstehen konnte.

Meinen Kopf in normale Position bringend versuchte ich also die mir im Moment einzige Möglichkeit und sprach den Fuchs mit einem "Hallo" an.

Bei der Art, wie er seine Augen weitete und den Kopf etwas erschrocken aufrichtete, wusste ich, dass es klappte. Er hatte scheinbar genau so viel Vertrauen in mich, dass wir uns verständigen konnten, wenn nicht sogar ein bisschen mehr. Ich versuchte ein lockeres Gespräch zu starten, wollte gerade fragen, wie es ihm ginge, als er mich mit einer Frage unterbrach.

"Wie machst du das?"

"Wie mach ich was?"

"Wieso können wir miteinander reden?"

Bei der Frage zog ich die Lefzen ein Stückchen hoch, was ein Grinsen sein sollte. Der Fuchs sah mich skeptisch an.

"Weil du mir vertraust."

Ein ziemlich ungläubiger Blick folgte auf meine Antwort. Ich versuchte ein schmunzeln in meine Stimme zu legen, als ich weitersprach.

"Naja.. Zumindest ein klein wenig. Andernfalls wär das gar nicht möglich."

"Und wieso kannst du auch mit mir reden?"

"Weil ich grundsätzlich immer ein bisschen Vertrauen in andere habe."

"Ist das nicht gefährlich?"

"Natürlich ist das gefährlich. Aber ohne das könnte ich nicht arbeiten."

Man hörte deutlich ein Schmunzeln aus meiner Stimme heraus und auch der Fuchs schien es bemerkt zu haben, denn er entspannte sich sichtlich und verlor sogar den skeptischen Gesichtsausdruck. Außerdem schienen seine Zweifel mir gegenüber fast komplett gefallen zu sein, denn jetzt wurde er richtig redselig.

"Und was arbeitest du so?"

"Ich suche nach solchen wie dir."

"Was bin ich denn?"

"Naja.. Was denkst du denn, was du bist?"

"Ein Tier.. Um genau zu sein ein Fuchs.. Und demnach.. nicht normal, ein Freak."

"Findest du, ich sehe aus wie ein Freak?"

Auf die Frage hin musterte der Kleine mich ein weiteres Mal, schüttelte dann leicht den Kopf, wirkte dennoch nicht überzeugt.

"Du siehst aus wie ein Panther. Aber wer weiß, wie du als Mensch aussiehst."

Diesmal hörte man bei ihm ein Grinsen heraus, was aber ziemlich schwach war. Ich gluckste leise, was sich als Raubkatze ziemlich kratzig und ähnlich einem Knurren anhörte. Der Fuchs straffte sofort seine Muskeln, dachte wohl ich wäre wütend über seinen Kommentar.

Ich stieß einen schwall Luft aus, um zu zeigen, dass alles in Ordnung war, was den Fuchs aber nicht wirklich beruhigte. Also fragte ich weiter.

"Warum findest du, du wärst ein Freak?"

"Naja.. Keiner kann sich in ein Tier verwandeln."

"Bin ich denn keiner?"

Diesmal hörte man ein deutliches Grinsen aus meiner Stimme und ein weiteres Mustern des Fuchses folgte.

"Nein. Du bist scheinbar jemand."

"Na siehst du. Und wir zwei sind nicht die einzigen, die das können."

Ein weiterer skeptischer Blick seinerseits, worauf ein Nicken meinerseits folgte.

"Wir sind nicht die einzigen. Ich hab schon ein paar gefunden, die wie du keine Ahnung hatten. Und wohne sogar mit zweien zusammen."

Wieder hörte man ein deutliches Grinsen aus meiner Stimme heraus.

Diesmal sah er mich fast schon bewundernd an, was ich aber auch falsch deuten konnte. Es wirkte wie eine Mischung aus Skepsis und Bewunderung und ich wusste nicht genau, was der Fuchs mit seinem Gesichtsausdruck vermitteln wollte.

Der Kleine sah mich eine kleine Zeit lang einfach nur an, schien zu überlegen und musterte mich dann noch einmal. Ich lies ihn, wartete ab bis er von sich aus weiterredete, drängen wollte ich ihn keinesfalls, denn das bewirkte bei manchen Wandlern genau das Gegenteil. In der Vergangenheit hatte ich schon miterlebt, dass manche darauf aggressiv oder zumindest verärgert reagierten. Als ein kleiner Luftzug durch die Gasse wehte und meinen Mantel etwas bauschte, fiel sein Blick darauf und er hob eine Braue.

"Warum hast du das da an?"

Den Blick kurz noch fragend auf den Fuchs gerichtet, drehte ich meinen Kopf etwas, lies dann von ihm ab und sah zu meinem verrutschten Mantel. Ich schüttelte mich kurz, damit der Umhang einigermaßen wieder zurechtrückte und sah wieder zu dem Kleinen.

"Manchmal kommt es vor, wenn ich einen wie dich finde, dass er mir nicht glaubt und da muss ich mich dann verwandeln. Es ist nicht besonders angenehm, dann nackt vor einem mir Fremden zu stehen."

Wieder hörte man deutlich ein Grinsen aus meiner Stimme und der Fuchs sah mich etwas ungläubig an.

"Du kannst das also steuern?"

"Natürlich kann ich das steuern. Es ist eine reine Übungssache und wenn du es wirklich willst, schaffst du es auch. Außerdem bin ich auch schon ein Stück länger ein Wandler als du."

"Wie lange schon?"

"Hmm..", ich überlegte kurz. "Ungefähr drei Jahre.. Vielleicht auch ein bisschen weniger."

"Oh.. Das ist wirklich ein Stück länger, als bei mir."

"Seit wann bist du einer?"

"Vor ein paar Tagen hat es angefangen."

"Magst du mir erzählen, wie es dazu kam?", fragte ich sanft, damit nicht der Eindruck entstand, dass ich ihn drängen wollte.

Mein Gegenüber sah an mir vorbei, schien wieder zu überlegen, letztendlich nickte er, dem ein leises, kratzendes Seufzen folgte.

"Aber.. ich will das nicht hier machen."

Leicht nickend überlegte ich kurz und beschloss erstmal eine Frage zu stellen, die ich vielleicht schon früher hätte stellen sollen.

"Wie heißt du eigentlich?", fragte ich jetzt frei heraus.

"Jadon. Und du?"

"Chiara. Freut mich, dich kennen zu lernen."

Ich versuchte ein Lächeln, was nicht ganz klappte, denn welches Tier konnte schon Lächeln, abgesehen vielleicht von Affen. Demnach setzte ich einen freundlichen, weichen Blick auf. Jadon nickte kurz, als Bestätigung dafür, dass er nicht abgeneigt war.

"Und wo gehen wir jetzt hin?", fragte er.

"Wo möchtest du denn hin?"

Der Fuchs zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht."

Ich überlegte kurz, beschloss dann, erstmal mit ihm aus der Stadt zu verschwinden, er war einverstanden.

"Dann lass uns gehen."

Jadon nickte einmal und erhob sich. Ich tat es ihm gleich und ging vorran aus der Gasse, spähte nach links und rechts, um zu sehen, ob auch keiner unterwegs war und lief in einem lockeren Trab an. Ich sah kurz hinter mich, um zu sehen, ob Jadon mir folgte, was er auch tat.

Während wir uns fast lautlos durch die Straßen bewegten, immer darauf achtend, dass uns niemand sah, unterhielten wir uns noch ein bisschen darüber, wie man das Verwandeln am besten steuern konnte. Ich gab ihm Tipps, die mir geholfen hatten, sagte, dass es am besten klappte, wenn man sich entspannte. Oder wenn man einfach an ein, für sich persönlich, schönes Erlebniss oder an eine tolle Fantasie dachte.

Ein paar Straßenecken weiter bekam ich plötzlich ein mulmiges Gefühl und hielt in der Bewegung inne. Jadon, der gerade in eine Erzählung über seine kleine Schwester vertieft war, lief in mich hinein, da er nicht bemerkt hatte, dass ich stehen geblieben war. Er hob den Blick und sah mich fragend an, während ich meine gesamte Aufmerksamkeit auf die umliegenden Straßen gerichtet hatte.

Jadon wollte gerade mit einer Frage ansetzen, als sich meine Ohren nach hinten drehten und ich hinter uns ein Geräusch ausmachte. Ich unterbrach ihn mit einem "Scht.." und drehte mich aprupt um. Mein Begleiter tat es mir gleich und sah sich ängstlich und fast schon hektisch um.

Nach ein paar Augenblicken, in denen wir uns gründlich umgesehen hatten und nichts geschehen war, fragte Jadon dann doch seine Frage. Seine Stimme in meinem Kopf war nicht mehr als ein ängstliches Flüstern.

"Was ist?"

"Ich weiß nicht.. Ich glaube, wir werden verfolgt."

In dem Moment, in dem ich ihm die Antwort vermittelt hatte, landete hinter uns ein schwerer Körper und wir wirbelten herum. Fast gleichzeitig begannen wir alle drei zu knurren und in Verteidigungshaltung zu gehen.

Zuerst musterten Jadon und ich unser Gegenüber, der sich als ein ziemlich großer und kräftiger Jaguar entpuppte. Er tat es uns gleich, musterte erst mich, dann den Fuchs, der schräg hinter mir stand und sich scheinbar versuchte hinter mir zu verstecken.

Dann, ganz unvermittelt, spannte der Jaguar seine Muskeln zum Sprung an und hatte es scheinbar auf Jadon abgesehen. Ich stieß meinen Begleiter mit einem Hinterlauf außer Reichweite des Raubtieres und sprang ihm entgegen.

Jadon jaulte kurz auf, scheinbar hatte ich ihn etwas schmerzhaft erwischt. Aber lieber das, als dass ihm womöglich etwas Schlimmeres blühte. Jedoch war mir das in dem Augenblick nicht besonders wichtig. Ich hoffte nur, dass ich den Jaguar von Jadon fernhalten, wenn nicht sogar in die Flucht schlagen konnte. Also fuhr ich meine Kralle aus und schlug nach dem Raubtier vor mir, der ziemlich geschickt auswich und zu einem Gegenangriff ausholte. Er erwischte mich, streifte mich jedoch nur an meiner Schulter.

So ging das einige Augenblicke hin und her, in denen keiner den anderen erwischte. Ich hatte den Eindruck, dass der Jaguar mir nicht wirklich etwas, sondern nur an mir vorbei wollte. Er tänzelte fast schon vor mir auf und ab, immer auf der Suche nach einer Lücke die ich lassen hätte können. Ich jedoch ahmte seine Bewegungen fast schon wie ein Spiegel nach und lies ihm keine Möglichkeit, an mir vorbei und so an Jadon heran zukommen.

Irgendwann wurde es mir zu blöd und ich setzte zum Sprung an, wollte über den Jaguar herfallen und ihn zumindest auser Gefecht setzen. Mit einem Knurren fiel ich über ihn her, doch das Raubtier wich gekonnt aus. Ein paar Meter rutschend kam ich zum stehen und drehte mich aprupt um, sah den Jaguar an, der jetzt leider näher an Jadon war, als ich.

Diesmal knurrte ich wütend und sah den Jaguar auch dementsprechend an, der meinem Blick standhielt. Seine Augen blitzten hämisch und fast schon belustigt, was mich dazu verleitete für den Bruchteil einer Sekunde inne zuhalten. Meinen Gesichtsausdruck jedoch veränderte ich nicht, auch wenn wohl einen winzigen Augenblick Verwirrung in meinen Augen aufblitzte. Was mich aber wiederrum überraschte, war, dass der Jaguar ebenfalls kurz innehielt und mich musterte.

Der Blick des Raubtieres kam mir so seltsam bekannt vor, ich konnte mich aber nicht erinnern, woher.

Ich entschied mich dafür, dass ich darüber auch nachher noch nachdenken konnte, denn jetzt war Jadon erstmal wichtiger.

Meine Augen etwas zusammenkneifend duckte ich mich zum Angriff, wartete aber noch ab. Es bestand ja schließlich die Möglichkeit, dass das Raubtier mir gegenüber doch noch zur Vernunft kam.

Mein Gegenüber tat es mir gleich, zog dann aber die Lefzen etwas hoch, grinste fast schon und drehte sich blitzschnell zu Jadon herum und war mit einem Satz bei ihm.

Der kleine Fuchs drängte sich kauernd an die Hausmauer, fauchte leise, was aber eher ängstlich wirkte, als aggressiv.

Es war zwar nicht ganz das, was ich wollte, aber immerhin war der Jaguar so blöd und drehte mir den Rücken zu. Also setzte ich abermals zum Sprung an, was der Jaguar nicht sehen konnte, und landete genau auf ihm, schmiess ihn durch den Schwung um und vergrub meine Krallen in seiner Brust. Mich mit aller Kraft auf ihn stemmend, sodass er liegen blieb, sah ich mit wütendem Gesichtsausdruck auf ihn hinab.

Was ich dann sah, überraschte mich erneut und ich musste mich konzentrieren, nicht ausversehen von ihm abzulassen.

Ich blickte in giftig grüne, halb zusammengekniffene Augen, die mich eingehend musterten.

Misslungene Jagd (Damian)

Hach ja.. Es gab doch nichts schöneres, als mitten in der Nacht durch irgendwelche Felder und Wälder zu rennen, nur um irgendeiner fadenscheinigen Aussage nachzugehen, die noch dazu von einem nicht besonders vertrauenswürdigen Menschen kam.

Doch leider war Cole´s Wort Gesetz und wenn die Aussage doch stimmen sollte, war es besser, wenn ich an Ort und Stelle war und nicht Ben oder James. Was die beiden tun würden, wenn sie einen der Unseren fanden, hatte ich gesehen, als James mit der Luchsin ankam und das wollte ich dem kleinen Fuchs ersparen, auch wenn das bedeutete, dass ich ihn sozusagen gegen das Mädchen eintauschen würde. Fuchs gegen Luchs, Freiheit gegen Knechtschaft.

Eigentlich gefiel mir der Gedanke absolut nicht, aber da ich den Fuchs bisher nicht kannte und das Luchsmädchen zumindest ein klein wenig, war es mir im Moment egal.

Janie hatte in der Zeitung gelesen, die sie irgendwo gestohlen oder gefunden hatte, dass in Dunedin angeblich ein Fuchs herumstrolchen soll, was sich scheinbar durch umgeworfene Mülltonnen in den gehobeneren Gegenden bemerkbar machte. Außerdem soll ihn eine etwas ältere Dame gesehen haben. Ich traute dem Ganzen nicht recht und tat es im Grunde nur, weil Cole versprach, das Luchsmädchen, das James mitgebracht hatte, freizulassen.

Er hatte mich erwischt, als ich mit ihr reden wollte, obwohl Cole anordnete, dass ihr keiner zu nah kommen durfte. Wie immer hatte ich mich aber der Anordnung des Chefs widersetzt und war doch zu ihr gegangen, wurde jedoch, bevor ich die Tür ihres Gefängnisses überhaupt erreichen konnte, von James bemerkt.

Der Mann, der als Wolf vor der Tür Wache halten sollte, knurrte mich an, woraufhin ich abwehrend und beschwichtigend die Hände halb hob und rückwärts aus dem Gang zurück ging, als Cole auch schon um die Ecke kam. Innerlich seufzte ich und verdrehte die Augen so, dass er es nicht sehen konnte. Dann bekam ich den Auftrag nach Dunedin zu gehen.

Und nun stand ich hier, kurz vor der Stadt und hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte zu suchen, entschied mich aber dafür, erst Mal in das reiche Viertel zu gehen und dort anzufangen. Das Einzige aber, was ich dort fand, waren verblasste Gerüche kleinerer Tiere, was genauso Hunde oder Katzen gewesen sein könnten. Ich seufzte und lies den Kopf hängen, als mir einfiel, dass ich eigentlich keine Ahnung hatte, wie ein Fuchs roch.

Also musste ich mich noch mehr konzentrieren und allem, was nicht nach Hund oder Katze roch, folgen, bis ich ein handfestes Indiz fand, was mich zu dem Fuchs führen konnte. In Situationen wie dieser, war ich echt froh über meine gute Nase, also dauerte es demnach nicht lange, bis ich auf eine erste Spur stieß. Nur roch diese Spur anders, als erwartet.

Es war nicht Hund und auch nicht Katze, oder sonstiges. Eher war der Geruch meinem ziemlich ähnlich, hatte aber etwas süßliches an sich, was mir im ersten Moment irgendwie bekannt vorkam. Ich kam aber nicht darauf, woher mir das bekannt vorkam und verwarf den Gedanken wieder, da ich mich weiter auf die Spur konzentrierte. Vielleicht führte mich der Geruch ja da hin, wo ich hin wollte.

Vor mich hin grummelnd, da es meiner Meinung nach viel zu lange dauerte irgendwas zu finden, beschloss ich, auf die Feuerleiter eines nahen Hauses zu springen, um mir die Gegend einmal von oben anzusehen. Und siehe da, ich hatte Erfolg.

Von dort oben sah ich vor mir eine Kreuzung und danach konnte ich im schwachen Licht der schmutzigen Straßenlaternen ein kleines, orange-rotes Tier entdecken, dass sich scheinbar gelangweilt vor sich hin trottete. Ich war voll und ganz auf den scheinbaren Fuchs fixiert und kletterte die Feuerleiter weiter hoch, auf das Dach hinauf. Von dort sprang ich auf das nächste Haus und kletterte dort die Feuerleiter wieder hinunter.

Als ich auf der untersten Ebene der Treppe ankam, bemerkte ich, dass der Fuchs nicht alleine war. Ich musterte seinen Begleiter und konnte mir jetzt einen Reim darauf machen, warum ich vorhin einen ähnlichen Geruch bemerkte, wie ich ihn hatte.

Er war bei einem verdammten Panther!

Jetzt musste ich meinen Plan, den Fuchs zu finden, zu überwältigen und einfach mit nach Hause zu nehmen, nochmal gründlich überdenken. Außerdem stand etwas wichtiges auf dem Spiel, wonach ich nicht scheitern wollte und auch nicht durfte.

Nachdem ich die beiden einen Moment beobachtet hatte, in dem ich merkte, dass der Panther nicht wirklich aufmerksam war und scheinbar, genau so wie der Fuchs, vor sich hin trottete, beschloss ich sie einfach zu überrumpeln. Ich war auch schon drauf und dran meinen Plan in die Tat umzusetzen und machte mit der rechten Vorderpfote einen Schritt, damit ich mit einem sauberen Sprung direkt vor den Beiden landen konnte. Doch leider stieß ich mit der Pfote gegen eine kleine, dort liegende Schraube, die dadurch ein Geräusch erzeugte, was eigentlich zu leise war, um von den sich unten befindlichen Tieren gehört zu werden.

Doch der Panther hielt plötzlich inne, was den Fuchs dazu verleitete, gegen dessen Hinterlauf zu prallen und mich denken lies, woher der Panther so gute Ohren hatte. Ich wartete einige Augenblicke, in denen das große Tier unter mir die Gegend absuchte. Ich schloss daraus, dass er das Geräusch gar nicht gehört hatte, sondern vor sich die Gefahrenquelle vermutete.

Innerlich jubelnd wollte ich einen weiteren Schritt machen, stieß aber ein zweites Mal gegen diese verdammte Schraube und fluchte, weil das blöde Ding doch tatsächlich den Wahnsinn besaß und einfach von der Plattform fiel. Des weiteren fluchte ich, weil das Raubtier und auch der Fuchs unter mir herumwirbelten und jetzt eigentlich in meine Richtung blickten. Da ich mich aber ein Stockwerk über ihnen befand, konnten sie mich nicht ausmachen.

Jetzt, wo sie wegen der verfluchten Schraube, gewarnt waren, musste ich wirklich schnell handeln. Also sprang ich kurzerhand einfach von dem Gerüst herunter und landete mit einem dumpfen Aufprall hinter den Beiden, was die Zwei abermals dazu brachte herumzuwirbeln.

Sie begannen zu knurren, was mich automatisch ebenfalls knurren und in Verteidigungshaltung gehen lies. Ich nahm mir die Zeit und musterte erst den Panther, dann den Fuchs ausgiebig, der sich hinter dem größeren Tier zu verstecken versuchte.

Nicht noch mehr Zeit verlierend spannte ich meine Muskeln und sprang direkt auf das kleinere Tier zu, was durch eine schnelle Reaktion der Raubkatze nach hinten geschubst wurde und somit aus meiner Reichweite war. Ich konnte am Rande hören, wie der Fuchs leise winselte, scheinbar wurde er schmerzhaft erwischt, doch ich wurde abgelenkt. Denn zu allem Überfluss sprang der Panther mir auch noch entgegen und fuhr seine Krallen aus, versuchte mich zu erwischen.

Verdammt, war dieses Tier schnell!

Ich wich jedoch geschickt aus und setzte zu einem Gegenangriff an, erwischte meinen Gegner sogar an der Schulter, was diesen aber nicht weiter beirrte und zu einem erneuten Angriff ausholen lies.

Einige Augenblicke ging das so hin und her, in denen keiner so recht die Oberhand gewann,was mich langsam richtig nervte. Ich wollte diesem Tier vor mir nichts tun, denn ich war grundsätzlich gegen Gewallt, außer es ging nicht anders, sondern wollte einfach nur meinen Auftrag hinter mich bringen und somit einen weiteren Wandler vor der Knechtschaft unter Cole retten. Was irgendwie widersprüchlich war, da ich ja einen Freien gegen einen Gefangenen eintauschte.

Aber das kümmerte mich ja, wie gesagt, im Moment nicht. Morgen, oder in ein paar Tagen, würde ich mir deswegen sicher Vorwürfe machen, trotzdem gab es gerade andere Dinge, mit denen ich fertig werden musste.

Ein paar Sekunden später tat der Panther mir einen riesigen Gefallen und setzte zum Sprung an. Da ich jedoch rechtzeitig auswich, bevor das Tier mich überhaupt berühren konnte, flog es über mich hinweg und rutschte ein paar Meter, bevor es sich abrupt umdrehte und mich wütend anknurrte. Ich lachte innerlich, weil das Tier so verdammt blöd war und einen so offensichtlichen Angriff tat. Ich zog sogar meine Lefzen etwas nach oben, was ein Grinsen darstellen sollte, welches auch die Belustigung in meinen Augen zum Vorschein brachte.

Mir fiel der Ausdruck in den Augen des Panthers auf, als dieser mich sogar ziemlich wütend an blickte, was mich inne halten lies. Warum zur Hölle kam mir dieser Blick jetzt so plötzlich so verflucht bekannt vor?

Egal, gerade ging es um andere Dinge, als Blicke, die in mir irgendwelche Erinnerungen hervorriefen. Wahrscheinlich erinnerten diese Augen mich nur an irgend eine Frau, die ich vor Wochen mal abblitzen lies und die mich dann mit ziemlicher Wut in den Augen anblickte.

Ein weiteres Mal die Lefzen anhebend, weil die Raubkatze vor mir in Angriffshaltung ging und ich sie angrinsen wollte, drehte ich mich abrupt um und war mit einem Satz bei dem Fuchs, der mich anfauchte. Das jedoch, erwies sich als Fehler meinerseits und ich könnte mich immer noch ohrfeigen, dass ich daran nicht dachte.

Denn einen Moment später wurde ich erneut angegriffen und zu Boden geschleudert, woraufhin sich Krallen tief in meine Brust gruben. Ich knurrte wütend und schmerzerfüllt auf, versuchte den Panther von mir herunter zu stoßen, was sich aber im ersten Moment als schwierig erwies, da das Tier über mir ziemliche Kraft zu besitzen schien.

Dann hielt die Großkatze plötzlich inne und ich sah auf, musterte das Gesicht und die Augen genauer. Das, was ich sah, war jedoch nichts anderes als das, was ich schon gesehen hatte. Doch da war eine gewisse Erkenntnis in den Augen des Panthers, was mich wiederum irritiere. Ich fragte mich gerade, was die Katze über mir denn erkannt haben will, als diese von mir ab lies, mit ziemlich wendiger und recht hoher Geschwindigkeit von mir zum Fuchs sprang, diesen im Nackenfell packte und versuchte davon zu rennen. Ziemlich instinktiv reagierend schnellte ich hoch und versuchte den Panther noch am Hinterlauf zu erwischen, streifte ihn jedoch nur mit meinen Krallen, was das Tier für den Bruchteil einer Sekunde aus der Bahn warf, Es jedoch weiterlief, als wäre nichts gewesen.

Nachdem ich mich aufgerappelt hatte versuchte ich die Beiden wieder einzuholen, verlor sie jedoch ein paar Straßen weiter und verfluchte diesmal mich selbst, da ich innegehalten hatte, anstatt dieses blöde Vieh von mir zu treten. Ich grummelte leise vor mich hin und versuchte eine Spur zu wittern, doch diesmal schien mich meine Nase vollends im Stich zu lassen, was mich laut knurren lies.

Wie ich so etwas hasste!

Wenn ich in Menschenform gewesen wäre, hätte ich jetzt womöglich meine Haare gerauft und hätte gegen irgendetwas getreten. Stattdessen blieb mir nichts anderes übrig, als nach Hause zu laufen und Cole von meiner Niederlage zu berichten. Doch wollte ich nicht so schnell aufgeben und beschloss, trotzdem noch eine Weile zu suchen.

Als es schon zu spät wurde, gab ich zähneknirschend auf und lief aus der Stadt heraus. Als ich wieder durch diese bescheuerten Felder lief kam mir der Geruch der Beiden noch ein Mal in die Nase und mein Magen machte einen vorfreudigen Hüpfer. Die Spur endete jedoch an einem Fluss, oder Bach, oder was zum Geier auch immer das sein sollte. Zu breit für einen Bach und zu schmal für einen Fluss.

Auf der gegenüberliegenden Seite ging sie jedoch nicht weiter und ich überlegte, was ich tun sollte. Nach einer kleinen Weile des Überlegens, entschied ich mich dafür, dass es keinen Sinn hatte noch weiter zu suchen. Die Beiden konnten in alle Himmelsrichtungen gelaufen sein und mir war es mittlerweile zu blöd, um den beiden Flussab - oder - aufwärts zu folgen. Bei meinem derzeitigen Glück lief ich sowieso in die falsche Richtung und kam, weiß Gott wo raus, also beschloss ich wirklich nach Hause zu gehen. Mir musste eben etwas anderes einfallen, um das Luchsmädchen zu befreien.

Gerade fragte ich mich, warum ich diesem Mädchen überhaupt helfen wollte und mich dadurch selbst in ziemliche Schwierigkeiten brachte, als die Stadt in Sichtweite kam. Ich schlich hinein und in Richtung der Gasse, in der ich meine Klamotten versteckt hatte, da kam mir der Geruch des Panthers wieder in die Nase.

Hin und her überlegend, ob ich der Spur jetzt folgen sollte oder nicht, entschied ich mich dafür, wollte aber nicht mehr all zu lang dem nachgehen. Des weiteren fragte ich mich, warum der Geruch jetzt gerade hier in Fallen Hills auftauchte und wunderte mich darüber.

Nachdem ich merkte, dass dieser Geruch scheinbar durch die halbe Stadt verlief, gab ich auf und beschloss, es morgen noch ein Mal zu versuchen. Wobei morgen wohl kaum mehr eine Spur vorhanden war, denn Gerüche verflogen so verdammt schnell.

Da ich schon ziemlich müde war und eigentlich nur noch in mein Bett wollte, lief ich zurück zu der Gasse, in der ich meine Klamotten versteckt hatte und entschloss mich unter anderem, Cole erst morgen von der Niederlage zu erzählen.

In der Gasse angekommen sah ich mich noch Mal kurz um, ob auch niemand in der Nähe war und verwandelte mich zurück, zog mich an und ging in die Richtung, in der meine Wohnung war.

Das nervte Cole ziemlich, dass ich nicht bei ihm in dem blöden Kellergewölbe wohnte. Er wollte einfach nicht verstehen, dass mich ein Leben unter der Erde, zwischen ungemütlichen Steinmauern, nicht reizte und ich dem Ganzen meine, zwar kleine aber gemütliche, Zweizimmerwohnung vorzog. Außerdem konnte ich so Besuch empfangen, den ich wollte und musste nicht vorher um Erlaubnis bitten. Ein anderer und viel entscheidender Vorteil, den die eigenen vier Wände besaßen, war, dass man nicht ständig unter Beobachtung stand. Wobei, so wie ich Cole einschätzte, hatte ich jeden Tag und jede Nacht irgend ein anderes kleines Vögelchen auf meiner Fensterbank sitzen, dass mich bespitzelte.

Dieses ganze nach spionieren nervte mich tierisch, aber ich hatte leider keine eindeutigen Beweise, um es Cole unter die Nase zu reiben. Das war auch der Grund warum ich damals bei meiner Mutter auszog. Ich konnte ihr vertrauen, das wusste ich, denn sie kannte jedes noch so kleine Geheimnis, was mich anging. Vor ihr verheimlichte ich nie irgendetwas, nicht Mal meine ganzen Frauengeschichten, wovon sie absolut nicht begeistert war, mich aber auch nicht davon abhalten konnte. Aber sie schien mir nicht zu vertrauen und dachte wohl, ich verheimliche ihr etwas. Was sich hauptsächlich darin äußerte, dass sie ständig in meinem Zimmer herum wühlte, wenn ich mal nicht Daheim war.

Sie war es aber auch, die mich über die Gestaltwandler aufklärte und mir erzählte, dass ich nicht der Erste in der Familie war, der so etwas konnte. Mein Vater konnte sich zum Beispiel in eine Maus verwandeln, wodurch meine Eltern sich damals kennen lernten. Ich musste immer wieder schmunzeln, wenn ich an diese Geschichte dachte.

Selbst jetzt, in dieser blöden Lage, in der ich mich befand, heiterte die Erinnerung mich etwas auf.

Mein Vater war damals als Maus oft in den Umkleidekabinen der Kaufhäuser unterwegs. Muss ich erwähnen, dass er ein notgeiler Sack war?

Als er aber in die Umkleidekabine kam, in der meine Mutter sich befand, überlegte er sich die weiteren Male genauer, ob er so etwas je wieder tun würde. Denn meine Mutter konnte Mäuse und Nagetiere allgemein so gut leiden, dass sie jedes noch so kleine Tier fing und mit nach Hause nahm. Auch diesmal hatte das vermeintliche Nagetier keine Chance. Es wurde hemmungslos gefangen, wobei nicht darauf geachtet wurde, ob dem Tier Schmerz zugefügt wurde, oder nicht und in die Handtasche gesteckt. Auch als meine Mutter schon über zwanzig war, machte sie das noch regelmäßig.

Bei meiner Mum Daheim wurde es meinem Vater dann zu bunt, als sie versuchte ihn in einen kleinen Käfig mit Laufrad und allem Drum und Dran zu stecken. Er verwandelte sich zurück, woraufhin meine Mutter erst einen riesen Schreck bekam, weil erstens plötzlich ein erwachsener Mann vor ihr stand und zweitens dieser auch noch nackt war. Doch bevor sie los schreien konnte, war er schon bei ihr und hielt ihr den Mund zu, erklärte ihr, was er war und sagte, dass sie ja nicht schreien solle.

Letztendlich lernten die beiden sich dann näher kennen und meine Mutter begann sich für meinen Vater zu interessieren. Naja, daraus wurde eine Liebelei, dann kam die richtige Liebe und dann kam ich. Was der beste Beweis dafür war, dass mein Vater meiner Mutter nur irgendetwas vor geheuchelt hatte, denn kurz nach meiner Geburt verwandelte er sich und verschwand für immer.

Meine Mum machte das ganze Erziehungsprogramm wirklich super und war eine sehr aufmerksame Frau, bis ich mich das erste Mal verwandelte. Ab da ging der Kontrollwahn los, wohl deswegen, weil sie Angst hatte, mich zu verlieren. Ich verstand sie auch, nachdem sie mir die Geschichte mit meinem Dad erzählte, aber es nervte trotzdem tierisch, also beschloss ich, als ich volljährig war, auszuziehen.

Dennoch nahm ich mir eine Wohnung, die nicht weit von meiner Mutter weg war, damit sie nicht den Eindruck hatte, ich wolle weg von ihr.

Nach einem kleinen Fußmarsch von ungefähr einer halben Stunde kam ich auch endlich bei meiner Wohnung, ziemlich am Rand der Stadt in der Nähe einer Schule, an und freute mich schon ziemlich auf mein Bett. Ich gähnte gerade herzhaft und kramte meinen Schlüssel heraus, schloss die Haustür auf und betrat das Haus. In der Wohnung angekommen machte ich noch eine kurze Katzenwäsche und fiel todmüde in mein Bett, in dem ich auch fast sofort einschlief.



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