Broken Glass von Tei ================================================================================ A grain of freedom ------------------ @ Asmodina: Danke schön – sowas hör/les ich natürlich immer gerne, auch wenn es mir die Latte für das nächste Kapitel recht hoch legt ;) @ Terra-gamy: Ich glaub, er wäre es gerne, aber zumindest in der Schulzeit hatte er damit seine Probleme – Direktor und Lehrer waren nicht immer begeistert davon, mit was für Haaren er aufkreuzte und laut seiner Bio wurden sie ihm mehr als einmal abrasiert, um u.a. auch seinen Willen zu brechen, aber das hat erst recht dafür gesorgt, dass er haartechnisch schon bald wieder gegen die Schulordnung verstieß ;) (wenn mich mein Hirn nicht komplett im Stich lässt, ist er irgendwann mal mit grünen Haaren angekommen) @ JaeKang: Haha, irgendwie les ich da ein paar „Schreib mehr!“ heraus ;) Hm… kannst Yoshiki ja mal via Twitter fragen, ob er dich adoptieren würde! Um ehrlich zu sein, mir ist Ran mit der Zeit auch richtig ans Herz gewachsen und sie als Teenager zu schreiben macht fast noch mehr Spaß als Klein-Ran. @ all: Sorry, dass es so lange gedauert hat, bis das nächste Kapitel kommt, aber ein unfreiwilliger Krankenhausaufenthalt, hat mich hochladetechnisch etwas aus dem Konzept gebracht. Ich hoffe euch gefällt das Kapitel und würde mich natürlich über eure Meinungen/Gedanken/oder was immer ihr anbringen wollt, freuen :) ★~♩~★~♪~★~♫~★~♬~★~♩~★~♪~★~♫~★~♬~★~♩~★~♪~★~♫~★ Nach einer aufwendigen Färbeaktion am Abend zuvor, erstrahlten Rans Haare an diesem Morgen in einem kräftigen hellbraun, dass von Strähnchen in verschiedenen Brauntönen unterbrochen wurde. Ein wenig vermisste sie ihre blonde Mähne noch, aber zumindest war sie um das verhasste Standartschwarz herumgekommen. Wie sollte man damit auch auffallen? Schließlich hatten alle Asiaten diese Haarfarbe… Yoshiki selbst war mit dem Werk, aber vor allem dessen Auswirkungen auch zufrieden. Den gesamten Morgen über hatte er mit Ran die verschiedenen Stücke für den Wettbewerb geübt. Nur zu gut konnte er sich noch an ihren Gesichtsausdruck erinnern, als er ihr gesagt hatte, dass er sie für einen der größten in Japan anmelden würde. Ab und an hatte er sie schon bei kleineren spielen lassen, aber dieser war eine andere Liga. Zunächst war sie nicht wirklich überzeugt gewesen, aber nachdem er ihr versichert hatte, dass er sie nicht spielen lassen würde, wenn sie nicht dazu bereit wäre, hatte sie eingewilligt. Die Zustimmung von ihren Eltern – oder viel mehr von ihrem Vater – zu bekommen, war da schon schwieriger gewesen. Ihre Mutter hatte sofort ihr Einverständnis dazu gegeben, sofern die Schule und das Ballett nicht darunter litten. Kouki hingegen war eine harte Nuss gewesen, denn vom ersten Wettbewerb an, den sie gespielt hatte, war er skeptisch gewesen. Sein größtes Anliegen war stets gewesen, dass seine Tochter eine normale Kindheit verleben konnte und niemand sie irgendwann als ‚den nächsten Yoshiki‘ ansehen würde. Doch je bedeutender die Veranstaltungen natürlich wurden, desto wahrscheinlicher war es selbstverständlich, dass Fachpresse anwesend war. Bei dem jetzigen war definitiv damit zu rechnen, weshalb es ihm erst recht schwer viel, sich dazu bereit zu erklären. Leider machte das Verhalten seiner Tochter die Lage nicht unbedingt einfacher… In gewissem Maße war ihr Onkel ihr Idol, dem sie nacheifern wollte und häufig hielt Kouki das nicht für die beste Idee. Weshalb er trotzdem zugestimmt hatte? Weil es verdammt schwer war, nein zu sagen, wenn man gleich zweimal mit dem Dackelblick bombardiert wurde und von links und rechts Beteuerungen erhielt, dass die Schule nicht leiden und Ran nicht der Presse ausgesetzt sein würde. Es freute Yoshiki stets aufs Neue, dass der gute alte Hundeblick noch immer bei seinem Bruder funktionierte… meistens. „Am Ende wird er auf seine alten Tage doch noch immun dagegen… oder er ist wegen Ran abgestumpft! Fuck, am Ende ruiniert die Kleine noch meine beste Strategie gegen Kouki…!“ Während einer Pause im Training war Ran dann kurz in ihr Zimmer verschwunden, war danach aber breit grinsend zurückgekommen. Weshalb wusste Yoshiki nicht, aber er hatte auch nicht weiter nachgefragt. Nun, da sie zu Mittag gegessen hatten – seine Haushälterin war im Urlaub, aber im Gegensatz zu ihm konnte seine Nichte mehr als nur Instantnudeln kochen – und gerade dabei waren das Schmutzgeschirr in den Geschirrspüler zu packen, konnte er hören, wie die Haustür von außen geöffnet wurde. Es überraschte ihn, da er niemanden von seinem Staff herbestellt hatte und nur dieser, außer Kouki, Toshi und Ran, den Schlüssel zur Villa hatte. „Boss?!“ Umso erstaunter war er nun, als er die Stimme von einem seiner Leibwächter hörte. „Takumi?“ „Du bist früh da!“, begrüßte Ran ihn und umarmte den Bodyguard kurz. Für sie war er mehr oder weniger ein Teil der Familie, da sie praktisch mit ihm aufgewachsen war, weil er bereits seit über zehn Jahren für ihren Onkel arbeitete. „Bin gut durchgekommen“, war die lapidare Antwort. Takumi war etwas größer als sein Chef, hatte schwarze, kurze Haare und die Muskeln, die durch das enganliegende Shirt sichtbar waren, waren Zeugen des täglichen Trainings, das er seit etwa 15 Jahren machte. Eigentlich war er der Sohn eines langjährigen Geschäftsfreundes von Yoshiki, der ihn vor Jahren gebeten hatte, seinen Sprössling unter die Fittiche zu nehmen und ihm sein rowdyhaftes Verhalten auszutreiben. So war der damals 18-Jährige bei Dan gelandet, der zu Beginn nicht erfreut gewesen war, Babysitter zu spielen. Nachdem die anfänglichen Unstimmigkeiten aus dem Weg geschafft worden waren, hatte sich gezeigt, dass der Junge deutlich umgänglicher war, wenn er die überschüssige Energie beim kräftezehrenden Training der Bodyguards loswurde. Da er Gefallen daran gefunden und Dan ihn letztendlich ins Herz geschlossen hatte, hatte der ehemalige US-Soldat dem Musiker nahe gelegt, sich zu überlegen, ob er ihn nicht fest anstellen wollte… „Was hast du mit meiner Security zu schaffen, Ran?“ Irgendetwas war im Busch, dessen war sich Yoshiki sicher – er wusste nur noch nicht was. Eine Tatsache, die ihm gar nicht gefiel, da er nur ungerne im Dunkeln tappte. „Top secret!“, war die einzige Antwort die er erhielt – zusammen mit einem breiten Grinsen von seiner Nichte und einem Schmunzeln von Takumi. „Wo ist Dan?“ „Vor Ort, bereitet alles vor.“ „Was bereitet er vor?“, klinkte sich der Pianist, der sich gegen die Arbeitsplatte gelehnt hatte, neugierig ein und hoffte so, etwas in Erfahrung bringen zu können. „Sorry Boss, aber ich habe ein Schweigegelübte abgelegt“, grinste der Bodyguard unschuldig. „Ran?!“ Die Angesprochene zuckte jedoch nur mit den Schultern und hatte sichtlich ihren Spaß dabei, ihren Onkel so zappeln zu sehen – normalerweise war es immer umgekehrt, weil er sich weigerte ihr ihre Überraschungen zu verraten. „Seit wann hast du Kontrolle über mein Personal?“ „Hmh…“ Der Teenager starrte scheinbar gedankenverloren an die Decke und tippte mit ihrem Zeigefinger an ihre Lippen, „… ich glaube, seit ich sowas wie weibliche Reize habe…“ „Ran!!“ Der Gedanke alleine genügte, dass er bereits am Überlegen war, Kouki eine katholische Klosterschule für seine Tochter vorzuschlagen. Vielleicht reagierte er über, aber die Vorstellung, dass sich seine Nichte anrüchig verhalten würde…für ihn war sie schließlich immer noch das kleine Mädchen - auch wenn sie sich in den letzten beiden Jahren definitiv zu einer jungen Frau entwickelt hatte! „Keine Sorge, Boss!“, tat Takumi es lachend ab, „sie hat Dan angerufen, ihm ihre Idee unterbreitet, er fand sie klasse und deshalb spielen wir heute ausnahmsweise einmal nach den Regeln der Kleinen.“ „Bin nicht ‚klein‘“, schmollte der Teenager gespielt beleidigt vor sich hin, wurde jedoch von beiden Männern ignoriert. „Und was ist mit Üben, Ran?“ „Das haben wir doch bis heute Früh um eins und den ganzen Vormittag. Den Nachmittag über machen wir jetzt, was ich sage und abends spiele ich wieder.“ Eine dreiviertel Stunde und zahlreiche weitere, gescheiterte Versuche seitens Yoshiki, herauszufinden was los war, später, saßen alle im Wagen und Takumi fuhr sie in Richtung ‚Überraschung‘. „Willst du wissen, was wir machen?“, hatte Ran schließlich Erbarmen mit ihm und grinste ihn unschuldig an. „Ja!“ „Okay…“ Der Teenager machte absichtlich eine Kunstpause und hatte sichtlich Spaß daran, ausnahmsweise einmal ihren Onkel zappeln zu sehen. „Ran!“ „Also… ich bin neulich alte Fotoalben zuhause durchgegangen und da hab ich ein paar interessante Bilder gesehen…“ Eine hochgehobene Augenbraue à la Mr. Spock war Yoshikis einzige Reaktion darauf. „… einmal waren es Kinderbilder von dir und Papa, wo ihr auf Ponys geritten seit…“ Dumpf erinnerte sich der Musiker daran, dass seine Tante nach dem Tod ihres Vater gedacht hatte, es wäre eine schöne Idee, mit den Jungs ein paar Tage auf einem Ponyhof zu verbringen, damit sie abgelenkt waren. Viele Erinnerungen hatte er nicht mehr daran – nur, dass Kouki fürchterlich gestunken hatte, als er ihn einmal in den Misthaufen geschubst hatte. „… und andere Bilder haben euch als Erwachsene gezeigt, wie ihr auf Pferden an einem Strand langgeritten seid…“ „Das muss in Los Angeles gewesen sein… eine von meinen Ex ist liebend gerne geritten, also habe ich auch ein paar Stunden genommen und als dein Vater dann einmal da war, sind wir ans Meer geritten…“ „… und ich hab ein wenig im Internet recherchiert und da steht, dass Reiten bei Bandscheibenvorfällen helfen könne. Also habe ich mir von Papa die Nummer deines behandelnden Arztes ‚ausgeliehen‘ und den danach gefragt. Und der meinte, solange du nicht springst und es ruhig angehst, spricht nichts dagegen.“ „Du willst reiten gehen?“ „Ja. Im Internet habe ich einen Reiterhof gefunden, wo man Pferde ausleihen und mit ihnen ausreiten kann, wenn jemand dabei ist und sie führt. Danach habe ich Dan angerufen, ihm die Idee erklärt und er hat versprochen sich um alles zu kümmern und dicht zu halten. Heute Vormittag habe ich ihn dann angerufen, um zu fragen, ob es klar gehen würde, wenn wir das heute machen und er hat grünes Licht gegeben!“ Reiten… seine Nichte wollte reiten gehen? Wie sollte er denn in seiner momentanen Verfassung auf ein Pferd kommen? Wahrscheinlich würde er vor Schmerzen ja nicht einmal den Fuß weitgenug hochheben können, um auch nur in die Nähe des Steigbügels zu kommen. Andererseits… wenn er erst einmal oben wäre, wäre es sicherlich angenehm einmal wieder etwas schneller unterwegs zu sein und nicht nur vor sich hinzuschleichen. Wären zwar eigentlich die Füße des Pferdes und nicht seine, aber trotzdem… „Schlechte Idee?“, fragte Ran zögernd, als sich Yoshiki nicht dazu äußerte und einfach nur gedankenverloren vor sich hinblickte. „Nein, ich freue mich darauf“, antwortete er lächelnd und umarmte sie kurz, soweit das mit Sicherheitsgurten möglich war. Es dauerte noch eine knappe Stunde, ehe sie endlich die Metropolregion Tokyo hinter sich gelassen hatten und an dem Hof ankamen, wo Dan bereits mit zwei gesattelten Großponys auf sie wartete. Beides waren Fjordpferde, deren Stockmaß nicht einmal die 150cm erreichte und die den Eindruck machten, als würden sie vor sich hin dösen. Ihre Größe würde es zumindest Yoshiki einfacher machen aufzusteigen… „Da seid ihr ja endlich!“, begrüßte sie Dan und sprang von seinem bisherigem Sitzplatz, dem Anbindepfosten herunter, „wir können gleich los! Reithelme habe ich auch schon für euch organisiert – ich hoffe sie passen.“ Er hob zwei schwarze Helme vom Boden hoch und reichte jeweils Yoshiki und Ran einen, die sie aufsetzten. „Sollte passen“, meinte der Musiker und machte seinen Kinnriemen noch etwas fester, ehe er zu dem Pferd ging, das ihm am nächsten war und welches mit den Ohren wackelte, als es ihn näherkommen hörte. Sanft strich er einmal über das beigefarbene Fell am Hals und hielt ihm dann die Hand vor die Nüstern, damit es seinen Geruch aufnehmen konnte. Ran hatte das Ganze aus einer gewissen Entfernung beobachtet und trat nun zögernd an ihr eigenes Pony, um ihren Onkel nachzuahmen. Als der Norweger jedoch spielerisch mit der Oberlippe nach ihren Fingern schnappte, wich sie sofort erschrocken zurück. „Erstes Mal?“, fragte Dan amüsiert, der hinter sie getreten war und ihr beruhigend die Schulter drückte. Er selbst war auf einer Ranch in Texas aufgewachsen – der Umgang mit Pferden lag ihm also im Blute. Umso interessanter war es nun für ihn zu sehen, wie ein Stadtmensch wie Ran erschrocken vor der spielerischen Annäherung eines kleinen Ponys zurückwich. Behutsam machte er sie mit dem Fjordpferd bekannt und half ihr dann beim Aufsteigen, während Yoshiki schon längst auf seinem eigenen saß. Hochgekommen war er allerdings nur, weil Takumi ihn mit der Räuberleiter mehr oder weniger hochgehoben hatte. Es war Jahre her, dass er geritten war, doch er erinnerte sich schnell wieder an das einmal Gelernte: Rücken gerade, Schultern zurück, Fersen nach unten und Zehnspitzen nach innen. Zum Bedauern des Pianisten nahm Takumi ihm die Zügel aus der Hand und führte das Pony vom Hof in Richtung eines kleinen Wäldchens, während ihnen Dan mit Rans folgte und kurz darauf neben ihnen ging. Yoshiki warf einen kurzen Blick auf seine Nichte, die sich krampfhaft am Horn des Westernsattels festhielt. Er sagte jedoch nichts, da es sich Dan offensichtlich schon zur Aufgabe gemacht hatte, der blutigen Anfängerin ein paar Grundlagen beizubringen. Somit beugte er sich im Sattel nach vorne, bis seine Wange den warmen Hals seines Ponys berührte und tätschelte eben jenen auf der anderen Seite mit der Hand, während er die Augen schloss und die Bewegungen des muskulösen Körpers unter sich wahrnahm und spürte, wie sie sich in seine Muskeln fortsetzten. „Alles okay?“, fragte Takumi leicht besorgt. Wie Ran hatte auch er nicht wirklich Ahnung vom Reiten. „Mhm…“, brummte Yoshiki und verharrte in dieser Position, während sein Bodyguard das Pferd weiter über den Waldweg führte, welches eifrig auf seiner Trense herum kaute und dessen Ohren aufmerksam gespitzt waren. Auch das von Ran lauschte den Geräuschen des Waldes und schnaubte immer wieder, beziehungsweise stupste mit dem samtigen Mehlmaul öfters in Dans Seite, da es genau riechen konnte, dass er in der Tasche Leckerchen verstaut hatte. Ran war das Gebaren ihres Ponys nicht so geheuer, Dan hingegen schlug nur immer wieder lachend sanft den neugierigen Kopf weg. „Hey, Takumi, kannst du mir mal die Zügel überlassen?“, fragte Yoshiki und richtete sich auf. War ja schön und gut, hier durch die Gegend zu zuckeln, aber das konnte er auch ohne Reittier. „Ich weiß nicht so recht…“, äußerte dieser und blickte fragend zu Dan hinüber. „Lass ihn, er ist ein ganz passabler Reiter!“, gab dieser sein okay, erinnerte seinen Boss aber daran, was dieser schon von Ran gesagt bekommen hatte: es langsam angehen, nicht springen und es auf keinen Fall übertreiben! „Ja, ja“, war Yoshikis einzige Antwort darauf, als Takumi die Zügel losgelassen hatte und er sie nun aufnahm. Augenblicklich konnte er spüren, wie sich der Körper unter ihm erwartungsvoll anspannte – anscheinend hatte das Pony nichts dagegen, den gemütlichen Waldspaziergang gegen etwas Action einzutauschen. Er verkürzte die ledernen Zügel, übte auf den runden Bauch des Norwegers stärkeren Schenkeldruck aus und augenblicklich beschleunigte es seine Gangart. Es trabte einige wenige Schritte, ehe es in einen kraftvollen Galopp wechselte. Im Hintergrund konnte Yoshiki noch hören, wie Ran wegen irgendetwas erschrocken aufquietschte, doch dann hörte er nur noch das gleichmäßige Trappeln der Hufe auf dem Waldboden. Er hatte sich in dem Westernsattel nach vorne gebeugt und berührte mit seinem Oberkörper fast die helle, kurzgeschnittene Stehmähne, um weniger Luftwiderstand zu bieten. Während der Pianist davon galoppiert war, hatte Rans Pferd seinem Herdendrang folgen wollen und war ebenfalls – sehr zum Schreck seiner Reiterin – angetrabt. Da Dan jedoch die ganze Zeit die Zügel in der Hand gehabt hatte, hatte er es schnell zum Stillstand gebracht. „Ich will runter!!“ Ran sah ziemlich kläglich aus, wie sie dort oben saß und sich krampfhaft an dem Horn festklammerte. „Er macht doch nichts – er ist ein ganz lieber“, versuchte der Bodyguard sie umzustimmen und deutete auf ihr Pony, das nun entspannt dastand und vor sich hindöste, während es darauf wartete, dass sein Kamerad zurückkommen würde. Das Nervenbündel auf seinem Rücken schien ihn nicht die Bohne zu interessieren. „Hol mich hier runter!“ „Wie wäre es mit einem Deal? Ich setz mich hinter dich – dadurch habe ich eine bessere Kontrolle über ihn und du kannst dich an mir festhalten…“ „… aber nur ganz langsam! Nicht so schnell wie Yoyo gerade eben!“ „Wir reiten schön gemütlich im Schritt, versprochen“, lächelte der Bodyguard sie aufmunternd an. „Kann das Pony euch beide überhaupt tragen?“, wollte Takumi skeptisch wissen, als der andere mühelos hinter Ran auf den Rücken sprang und unter ihren Armen hindurch dann nach den Zügeln griff. „Schau dir doch mal den Körperbau an – der Junge ist kräftig! Klar, auf die Dauer würde ich es nicht machen, aber über einen kürzeren Zeitraum geht das schon. Und wenn es ihm zu viel wird, wird er es uns schon sagen!“, entgegnete er lachend und gab dem Pony mit leichtem Schenkeldruck zu verstehen, dass es angehen sollte. Sie waren noch nicht lange unterwegs – Takumi ging neben her – als Yoshiki auf sie zugaloppiert kam und erst kurz vor ihnen sein Gewicht nach hinten verlagerte, leicht an den Zügeln zog und seinen Norweger mit einem kurz „Brr“ dazu brachte die Geschwindigkeit zu verlangsamen. Er wendete und brachte sein Pferd dann links von Rans. Die ganze Zeit über zierte sein Gesicht ein breites Grinsen, was dazu führte, dass sich seine Nichte und seine Bodyguards unbemerkt von ihm verschwörerisch zuzwinkerten. Über die Jahre hinweg war sein Lachen eine Rarität geworden – zumindest dieses ehrliche, das man auch in seinen Augen sehen konnte. “Is everything alright?“, fragte Dan und musterte ihn kurz – das Letzte, das er wollte, war, dass dieser kleine Ausflug am Ende noch schädliche Folgen auf Yoshikis ohnehin schon angeschlagene Gesundheit hatte. “I’ve never felt any better! Why are you sitting on Ran’s pony? Too lazy to walk?“ “She thinks horseback riding’s scary.“ „Unheimlich?“, lachte der Musiker auf, „das sind doch gemütliche Ponys und keine überzüchteten Vollblüter, die chronisch schreckhaft sind!“ Ran, deren Englisch im Vergleich zu vor 10 Jahren schon recht gut war, was nicht zuletzt daran lag, dass sie öfter mit Yoshiki oder Dan in jener Sprache redete, hatte natürlich die komplette Unterhaltung verstanden und zog daraufhin nur eine Schnute, während sie sich entschloss, ihren Onkel einfach zu ignorieren. Somit wandte sich dessen Aufmerksamkeit Takumi zu, der schweigend, nebenher gelaufen war. „Was ist? Willst du eine Mitreitgelegenheit?“ „Nein danke, ich bevorzuge meine eigenen zwei Beine!“ „Angst?“, neckte Yoshiki ihn und grinste breit. „Wenn ich ‚Ja‘ sage, werde ich es dann bis an mein Lebensende zu hören bekommen?“ „Ja!“ „Dann ‚Nein‘!“ „Mein Bodyguard, der für mich eine Kugel abfangen würde, hat Angst vor einem kleinen Pony?!“, zog Yoshiki ihn lachend auf, doch wie Ran so beschloss auch er, ihn schlichtweg zu ignorieren. Wenn es bedeutete, dass der Boss endlich mal wieder völlig ausgelassen war, dann würde er damit leben können. Stunden später, es war schon Abend und die Dämmerung hatte längst eingesetzt, waren der Musiker und seine Nichte wieder zu Hause. Auf dem Rückweg hatten sie noch bei einem Italiener halt gemacht und eine Familienpizza mitgenommen, die nun zwischen ihnen lag, während sie auf dem Boden auf Sitzkissen saßen und die Nachrichten verfolgten. „Danke für heute Nachmittag, Ran“, durchbrach Yoshiki plötzlich die Stille zwischen ihnen und zog sie mit einem Arm ein wenig zu sich, um sie über den Pizzakarton hinweg umarmen zu können. „Keine Ursache“, tat sie es lächelnd ab und erwiderte die Geste. „Na, ich weiß nicht… du schienst dich nicht sonderlich wohl gefühlt zu haben, auf einem Ponyrücken zu sitzen…“ So angespannt wie sie die ganze Zeit gewesen war und wie sie jedes Mal erschrocken aufgequiekt hatte, wenn ihr Pferd etwas Unvorhergesehenes getan hatte, ahnte er, dass sie Angst vor den Huftieren hatte. „Ich hatte zuerst überlegt, Papa mit dir zu schicken… aber so, wie er dich immer in Watte packt, wäre er wahrscheinlich trotz des grünen Lichtes deiner Ärzte dagegen gewesen… also bin ich mit.“ „Kouki wusste nichts…?“ „Nein – Dan und Takumi sind die einzigen.“ „Danke Ran, ich weiß das zu schätzen!“ Sie wusste nur zu gut, wie sehr er es hasste, wenn ihr Vater ihn begluckte – er meinte es nur gut, aber es machte ihn wahnsinnig. „Schon gut – ich war froh, dich mal wieder richtig ausgelassen zu sehen…“ „Mich richtig ausgelassen zu sehen?“, wiederholte er und sah sie verwirrt an. „Seit X nicht mehr ist… und das mit deinen Bandscheiben immer schlimmer wird… du hast dich verändert… wir haben das alle bemerkt… und… ich kann es auch irgendwo nachvollziehen und verstehen… aber manchmal, da fehlt mir der alte Yoyo“, erklärte Ran leise und blickte rasch weg, nur um dann aufzustehen und zum Flügel zu gehen. „Ich sollte noch üben, nachdem ich den ganzen Nachmittag über nichts getan habe!“, äußerte sie und setzte sich auf die gepolsterte Bank und sortierte ihre Notenblätter, die voller Notizen waren, während Yoshiki ihr nur überrascht hinterher blickte und dann den Fernseher ausschaltete. Mühsam und unter Schmerzen richtete er sich auf und setzte sich auf das Sofa, wo er die Augen schloss und seiner Nichte erst bei ihren Fingerübungen und später bei ‚Nocturne‘ und ‚Tears‘ zuhörte. Seine Gedanken waren jedoch nicht wirklich bei ihrem Spiel sondern mehr bei dem, was sie gesagt hatte. Hatte er sich wirklich so verändert? X JAPAN ein weiteres Mal zu beenden war schwer gewesen, doch zu wissen, dass er die Bühne für immer verlassen würde, war noch viel schmerzhafter gewesen. Aber in Anbetracht seiner Gesundheit war es die einzig logische Schlussfolgerung gewesen. Hätte er nicht solch eine Angst vor den möglichen Konsequenzen jener OP, die ihm so helfen würde und hätte er sie schon vor Jahren machen lassen, würde es X JAPAN, sein Leben, seine Antriebskraft, noch geben? Wahrscheinlich… Toshi hatte ihm damals versprochen, solange mit ihm auf der Bühne zu stehen, wie er es tun würde. Pata und Heath hatten ähnliches geäußert, während Sugizo ihm zugesichert hatte, sie so lange zu unterstützen, wie sie es wollten. Er vermisste nicht unbedingt den Pressetrubel, doch ihm fehlte die Bühne furchtbar. Aber andererseits… jeder Star stand irgendwann an dem Punkt, wo er aus dem Rampenlicht treten und Platz für die nächste Generation machen sollte. Nach X‘ Trennung 1997 hatte er eine junge Indieband namens Dir en Grey unter seine Fittiche genommen und sie hatten das geschafft gehabt, wovon X JAPAN jahrelang geträumt hatte. Er hatte mit seinen eigenen Augen gesehen, wie aus einem kleinen Kind, das Potential hatte, eine vielversprechende Pianistin geworden war, die einiges an Talent mitbrachte, wenn sie sich denn am Riemen riss und dieses selbst erkannte. „Was meinst du?“, riss ihn Rans Stimme aus seinen Gedanken. „Hm? Was meinst du?“ „‘Tears‘!“ „Sorry, ich hab grad nicht zugehört…“ Ran spürte, dass etwas in der Luft lag, denn es war ungewöhnlich, dass ihr Onkel nicht mithörte, wenn sie spielte – gerade bei ‚Tears‘… da hatte er sie bisher noch immer kritisiert! „Wenn es wegen dem ist, das ich vorhin gesagt habe… es war in keiner Art und Weise böse gemeint!!“ „Ich weiß, Ran-tan“, antwortete Yoshiki und lächelte sie sanft an, „warum gehst du nicht ins Bett? Es ist schon spät… und dein Vater killt mich, wenn er spitz kriegt, dass du meine Schlafgewohnheiten übernimmst.“ „Okay…“ Normalerweise hätte sie argumentiert, dass sie kein kleines Mädchen mehr war – schließlich war es erst kurz nach 22:00 Uhr, aber etwas sagte ihr, dass es im Moment besser wäre, ihren Onkel alleine zu lassen, wenn es das war, was er wollte. Sie ging kurz zu ihm, wünschte ihm eine gute Nacht, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging dann in ihr Zimmer. Anstatt jedoch direkt schlafen zu gehen, las sie erst noch ein wenig und machte erst über eine Stunde später das Licht aus. Von draußen konnte sie hören, wie Yoshiki auf dem Flügel spielte – zum Teil erkannte sie die Stücke, zum Teil schien er auch einfach nur zu improvisieren. Es machte ihr nichts aus, ihn spielen zu hören, doch schlafen konnte sie trotz allem nicht – das lag jedoch viel mehr daran, dass ihre eigenen Gedanken nun um das kreisten, was sie ihrem Onkel gesagt hatte… Nachdem sie sich eine gefühlte Ewigkeit hin und her gewälzt hatte, entschied sich Ran aufzustehen und sich aus der Küche ein Glas Wasser zu holen. Barfuß ging sie dorthin und holte sich etwas zu trinken. Auf dem Rückweg blieb sie jedoch im Wohnbereich stehen und lauschte der Melodie, die Yoshiki spielte – es war etwas, das sie schon als Kind gerne getan hatte. Als sie einmal mit Masern krank zuhause gewesen war, war er vorbei gekommen und hatte ihr den ganzen Nachmittag über etwas auf dem Klavier, das er ihr geschenkt hatte, vorgespielt, während sie in eine Decke eingekuschelt auf der Couch gelegen und gelauscht hatte. Erst als er zu spielen aufhörte und die Augen öffnete, die er die ganze Zeit geschlossen gehabt hatte, registrierte er seine Nichte und sah sie überrascht an, die da in kurzen Shorts und einem lockerem Top stand und ein Glas in der Hand hielt. „Solltest du nicht schlafen?“ „Kann nicht“, erwiderte sie und kam zu ihm, während er aufstand und kurz innehielt, als er wieder nur zu deutlich seinen Rücken spürte. Im nächsten Augenblick nahm er auch schon wahr, wie Ran ihm einen Arm um die Taille legte und ihm half. Dankbar stützte er sich mit einem Arm auf ihren zierlichen Schultern ab und ließ sich von ihr zum Sofa führen. Im Gegensatz zu ihrem Vater machte sie nie großes Aufheben um die kleinen Hilfen, die sie ihm bot, sodass es ihm einfacher fiel, seinen Stolz für einen Moment zu vergessen und sie anzunehmen. Sie beide setzten sich, wobei es sich seine Nichte quer auf seinem Schoß bequem machte, sich mit dem Kopf an seine Brust kuschelte und in einer Hand noch immer ihr Glas Wasser hielt, während sie aufpasste, dass sie es nicht verschüttete. Lächelnd schlang Yoshiki einen Arm um sie, um ihren Rücken ein wenig zu stützen und hauchte einen Kuss auf ihren Kopf. „Meinst du nicht, dass du dafür langsam zu alt wirst, alte Schmusekatze?“ „Sagt der Richtige – bist doch selber ein alter Schmusekater!“, entgegnete Ran grinsend. „Also, weshalb kannst du nicht schlafen? Ich hoffe, es sind nicht wieder irgendwelche Monster… Gackt ist nämlich auf Okinawa und Sugizo ist bei seiner Tochter in LA!“ „Keine Sorge“, antwortete sie lachend, angesichts der Erinnerung an eine ihrer ersten Nächte bei ihrem Onkel. „Also?“ „Keine Ahnung“, log sie, „vielleicht färbst du tatsächlich ab…!“ „Lass das nur deinen Vater nicht hören!“ „Ich hatte nicht vor, meinen Lieblingsonkel in nächster Zeit zu töten…“ „Du hast nur einen Onkel!“ „Na um so wichtiger, dass ich ihn noch eine ganz lange Zeit an meiner Seite habe!“ Rans letzte Aussage traf einen Punkt, über den Yoshiki schon länger nachgedacht hatte – so auch wieder vorhin, als er gespielt hatte. Dass sein Körper immer mehr abbaute, hatte schon vor ein paar Jahren dazu geführt, dass er sich um ein Thema besonders Gedanken gemacht hatte… „Ne Ran, kann ich dich etwas fragen?“ „Schon wieder, ob ich schwanger bin?“ „Nein, etwas anderes“, antwortete er lachend und wuschelte ihr durch die neuen, braun gefärbten Haare. „Schieß los!“, forderte sie ihn auf und setzte sich so, dass sie ihm in die Augen blicken konnte. „Ich verlange keine sofortige Antwort, okay? Ich möchte nur, dass du es dir durch den Kopf gehen lässt und mir dann eines Tages deine Entscheidung mitteilst. Und ich möchte, dass du sie unabhängig von dem triffst, was ich davon schlussendlich halten werde, okay?“ „Okay…“ Ran klang etwas skeptisch – das klang, als würde es etwas Ernstes sein. „Ich möchte dir gerne Extasy Records, Platinum Records, Japanese Music Agency und alle damit verbundenen Tochterfirmen, etc. eines Tages übergeben.“ „Was?!“ „Ich werde irgendwann sterben, Ran – machen wir uns nichts vor – und ich möchte, dass du die Unternehmen in meinem Sinne weiterführst…“ Der Teenager war unfähig, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. „Mama hat damals den Familienbetrieb verkauft, damit ich Extasy gründen konnte… damit hat alles angefangen… ich würde es nur ungerne in fremde Hände geben, sondern in der Familie belassen. Aber seien wir ehrlich, dein Vater ist im Geschäftlichen zwar gut, aber was den musikalischen Part anbelangt ist er ein hoffnungsloser Fall. Und du, Ran, warst für mich schon immer ein wenig sowas wie die Tochter, die ich nie hatte… Kouki hört es vielleicht nicht gerne, aber es gibt Momente, da kann ich mich in dir sehen… dasselbe Talent, dieselbe Hingabe zur Musik, derselbe Dickschädel…“ Lächelnd drückte er den Teenager an sich. „Du willst also, dass ich… wenn du tot bist…“ Die Vorstellung von Yoshikis Tod gefiel ihr überhaupt nicht. „Es ist deine Entscheidung, Ran! Ich möchte nicht, dass du die Firmen aus Verpflichtung annimmst, sondern, weil du dich selbst in Extasy wiederfinden kannst. Ich will ehrlich mit dir sein, die Chefetage ist immer noch zum Großteil Männerdomäne – du müsstest dir deinen Platz erkämpfen, selbst wenn du die Geschäftsführerin bist. Und was du übernehmen würdest, wären nicht nur die Firmen, sondern auch alle Lizenzen und Rechte an allen Songs, die ich besitze – das ist einerseits eine große Verantwortung und andererseits ein stattliches Vermögen, für das du verantwortlich wärst. Es ist viel, das weiß ich, aber wenn du dich eines Tages dafür entscheidest, werde ich dir alles zeigen, dich einarbeiten und dir alles weitergeben, was ich über das Business weiß. Wenn du dich dagegen entscheidest, dann akzeptiere ich das und werde eine andere Lösung finden…“ Yoshikis sachliche Ausführungen wurden von einem Schniefen unterbrochen, das ihn innehalten ließ. „Ran? Weinst du?“ „Was soll ich denn tun, wenn du über deinen eigenen Tod redest?“ Rasch stellte sie das Glas auf den Tisch und wischte sich dann mit beiden Händen über die Wangen. „Idiot, ich rede doch nicht davon, dass ich vorhabe, morgen ins Gras zu beißen!“, lachte der Pianist und drückte sie eng an sich, ehe er den Griff lockerte und einen flüchtigen Blick auf die Uhr warf. „Es ist schon spät, wir sollten beide ins Bett…“ „Kann ich bei dir schlafen?“, fragte Ran schniefend. „Du bist keine fünf mehr…“ „Bitte!!“ „Okay, meinetwegen“, gab Yoshiki schließlich nach und gab ihr einen leichten Klaps damit sie von ihm runterging und er aufstehen konnte. ★~♩~★~♪~★~♫~★~♬~★~♩~★~♪~★~♫~★~♬~★~♩~★~♪~★~♫~★ Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)