Office Mein von elfogadunk (Im Büro) ================================================================================ Kapitel 24: Der Flug -------------------- Anjalis Gedanken überschlugen sich, doch sie konnte und wollte sie nicht ordnen. Sie fühlte sich im Moment einfach außer Stande, ihre Gefühlswelt zu ergründen. Alles schien zu verworren und kompliziert. Sie wusste selbst nicht genau, wieso sie Rahuls Kuss plötzlich erwidert hatte. War es, um ihn endlich ruhig zu stellen? Oder war es zur Befriedigung ihrer eigenen geheimen Sehnsucht nach seiner Nähe, die sie sich allerdings bewusst nicht eingestehen wollte? Am Ende war die Lösung vermutlich eine Mischung aus beidem, doch das machte es auch nicht einfacher. Vor allem nicht in Bezug auf ihre Beziehung zu Harish – von der sie nicht einmal wusste, ob sie überhaupt noch bestand. Sie hatte noch mehrmals versucht, ihn zu erreichen, doch sein Handy war ausgeschaltet und dadurch fiel ihr auch erst auf, dass sie gar nicht wusste, wo er überhaupt wohnte. Sie sah keine Möglichkeit, ihn zu erreichen und so glaubte sie, dass das wohl ein eindeutiges Zeichen war und er durch Rahuls Verschulden ihre noch nicht einmal richtig begonnene Beziehung bereits wieder aufgegeben hatte. Obwohl sie es merkwürdig fand, dass er diese Entscheidung ohne auch nur ein Wort der Erklärung oder des Abschieds getroffen hatte. So etwas war normalerweise überhaupt nicht seine Art. Doch am Ende konnte sich Anjali keine andere Begründung für sein Verhalten denken. Das Schlimmste an dem Ganzen war allerdings, dass sie nicht einmal genau sagen konnte, ob sie deswegen nun traurig war. Eigentlich hätte sie es sein müssen, doch irgendetwas fehlte – und sie konnte nicht im Geringsten definieren, was es war. Und im Moment hatte sie auch einfach keine Muse dazu. Sie freute sich einfach nur darauf, nach über einem Jahr endlich wieder nach Hause zu ihren Eltern zu fliegen und all die Dinge, die sie so schrecklich verwirrten, hinter sich zu lassen. Sie konnte ihren Abflug kaum noch erwarten und so war sie auch froh darüber, dass ihr verlängertes Wochenende schnell herumging. Das lag vor allem daran, dass sie die ganze Zeit beschäftigt war – sie traf sich noch einmal mit Mili, um sich für die nächsten drei Wochen von ihr zu verabschieden, sie musste ihre Reise vorbereiten, ihren Koffer packen und sich beim Nachbarn darum kümmern, dass ihre Pflanzen während ihrer Abwesenheit gegossen wurden. Zudem kam sie dadurch, dass sie so viel zu tun hatte, gar nicht dazu, über Rahul und Harish nachzugrübeln. Und wenn sich einer der beiden, wenn sie abends im Bett lag, doch in ihre Gedanken schlich, verdrängte sie ihn sofort wieder und konzentrierte sich darauf, was sie in Indien alles erwarten würden – Senffelder, Wochenmärkte, Armreifen, Tempel, traditionelle Kleidung... Sie freute sich wahnsinnig auf ihre Heimat. Ihr Flug ging sehr früh am Montagmorgen. Sie war pünktlich mit allem fertig, doch das Taxi, das sie sich bestellt hatte, verspätete sich und so kam sie beinahe zu spät zum Flughafen. Normalerweise hätte sie den Fahrer dafür ordentlich zusammengestaucht, doch sie hatte keine Zeit dafür. Eilig hetzte sie durch das Flughafengebäude zur Gepäckabgabe und anschließend zum Check-In, wo sie sich nach Luft ringend mehrmals entschuldigte und erst durch ein wenig Überredungskunst noch in den Flieger gelassen wurde. Keuchend aber erleichtert lief sie durch den breiten Mittelgang des Flugzeuges und suchte anhand ihres Tickets ihren Sitzplatz. Als sie ihn schließlich gefunden hatte und sah, wer neben ihr saß, blieb ihr beinahe das Herz stehen. „Da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du würdest den Flug verpassen.“, meinte Rahul und schaute sie mit einem frechen Funkeln in den Augen und einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen an. Anjali brauchte allerdings ein paar Augenblicke, um die Situation zu begreifen und starrte ihn einfach nur mit halb geöffnetem Mund an. „Was zur Hölle tun Sie denn hier?!“, wollte sie schließlich, nachdem sie sich wieder gefangen hatte, lautstark wissen und zog damit die Aufmerksamkeit sämtlicher Passagiere auf sich. „Schhh!“, machte Rahul und beugte sich zu ihr, um sie am Handgelenk neben sich auf ihren Sitz zu ziehen. „Nichts `Schhh´!“, wehrte sie ab und befreite sich aus seinem Griff. „Ich meine es ernst: Was zur Hölle tun Sie hier??“ Ihre Stimme war immer noch zu laut, doch im Moment war es ihr herzlich egal, was die anderen Fluggäste von ihr dachten. Sie war sauer – stinksauer. „Ich würde sagen – da wir im gleichen Flugzeug sitzen – ich fliege mit dir zusammen nach Indien.“, erklärte er ganz profan. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“, fuhr Anjali ihn an. „Was denken Sie sich eigentlich?! Und woher wussten Sie überhaupt, welchen Flieger ich nehmen würde?!“ „Ein guter Bekannter, der hier im Flughafen arbeitet, hat ein paar Beziehungen spielen lassen, als ich ihm sagte, dass es sich um einen Notfall handelte...“ „Diesen Kerl verklage ich!“, fiel Anjali ihm ins Wort und ballte wütend ihre Fäuste. „Und was heißt hier überhaupt `Notfall´?! Sie haben sie doch nicht mehr alle!“ „Natürlich ist es ein Notfall. Ich kann dich doch nicht für drei Wochen allein nach Indien fliegen lassen. Das...“ Seine Erklärung wurde allerdings durch die Ansage des Piloten, dass der Flug in wenigen Minuten starten würde, unterbrochen. Anjali hatte jedoch ohnehin keine Lust mehr, ihm zuzuhören. Schnaufend stand sie auf und verstaute ihr Handgepäck in der Ablage über ihren Sitzen. Als sie sich dafür nach oben strecken musste, rutschte ihr T-Shirt ein wenig nach oben und offenbarte dadurch einen Teil ihres Bauches. Rahul nahm das äußerst interessiert zur Kenntnis und konnte der Versuchung, sie zu berühren, einfach nicht widerstehen. Er stand also auf und fuhr mit seiner Hand sanft über ihre nackte Haut, während er sich an ihr vorbeischob, um ihr dann den Platz am Fenster anzubieten. Sie dankte es ihm, indem sie ihm einen kräftigen Schlag auf den Handrücken verpasste und ihm einen hasserfüllten Blick zuwarf. Nichtsdestotrotz nahm sie sein Angebot an und setzte sich – das Prickeln, das seine Berührung auf ihrem Bauch ausgelöst hatte, ignorierend – ans Fenster. Jeden darauf folgenden Versuch Rahuls, ein Gespräch mit ihr anzufangen, ignorierte sie und starrte stur aus dem Fenster. Irgendwann gab er es auf und lehnte sich vor sich hin lächelnd in seinem Sitz zurück. Er hatte gewusst, dass sie so reagieren würde und es freute ihn. Dieses Feuer war schließlich das, was er am meisten an ihr liebte. Außerdem wusste er durch den Kuss, den sie erwidert hatte, dass er auf dem richtigen Weg war. Ihre Fassade bröckelte und er war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie ihm nicht mehr widerstehen konnte. Der Flug war lang und das stetige Sitzen anstrengend. Da kam es ihnen recht, dass sie einmal den Flieger wechseln mussten. Wobei Anjali es allerdings weiterhin hartnäckig vermied, mit Rahul zu reden oder ihn auch nur anzusehen. Er hatte mal wieder eine Grenze überschritten und das nahm sie ihm dieses Mal sehr übel. Diese Reise sollte ihr Erholung und Abstand bieten, doch mit seiner Anwesenheit war beides unmöglich. Als sie im nächsten Flieger saßen und wieder in der Luft waren, musterte Rahul aufmerksam Anjalis halb von ihm abgewandtes Gesicht. Er liebte ihre dunklen Augen, ihre ausdrucksstarken Augenbrauen, ihre etwas zu kräftige Nase und ihre schön geschwungenen, weichen Lippen. Die Lippen, die seinen Kuss so zärtlich erwidert hatten, dass er immer noch eine Gänsehaut davon bekam, wenn er nur daran und an ihren süßlichen Geschmack dachte... Er musste allerdings zugeben, dass es ihn amüsierte, wie angestrengt sie versuchte, ihn zu ignorieren, obwohl er ganz genau wusste, dass sie bemerkt hatte, dass er sie beobachtete. Anjali war heilfroh, als er schließlich nach einer Weile weggenickt war. Sein Blick, der die ganze Zeit an ihr haftete, hatte sie beinahe wahnsinnig gemacht. Es war ein unangenehmes Gefühl, zu wissen, bei jeder Bewegung angestarrt zu werden. Seufzend schloss sie die Augen und lehnte sich in ihrem Sitz zurück, als sie plötzlich merkte, wie Rahuls Kopf auf ihre Schulter rutschte. Zuerst schaute sie ihn erstaunt an, musterte sein friedliches Gesicht, doch dann stieg die Wut wieder in ihr auf und sie zog ihre Schulter mit einer kurzen, kräftigen Bewegung unter ihm weg. Er wurde daraufhin sofort wach und schaute sich mit verschlafenem und verwirrtem Blick um. Bis er allerdings begriff, was gerade passiert war, hatte Anjali ihm schon den Rücken zugedreht und entlockte ihm damit nur ein amüsiertes Kopfschütteln, bevor er wieder die Augen schloss, um weiterzuschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)