Office Mein von elfogadunk (Im Büro) ================================================================================ Kapitel 22: In Rahuls Wohnung ----------------------------- „Oy, Anju, was hast du denn gestern noch mit unserem lieben Herrn Hotelmanger angestellt? Er ist heut nicht zur Arbeit erschienen und hat sich für die nächsten drei Tage krank gemeldet.“, waren die ersten Worte, die Anjali am nächsten Morgen von Mili zu hören bekam, als sie das Hotel betrat. Anjali reagierte auf diese Nachricht mit Erstaunen und dachte schuldbewusst an Rahuls Schuhe, die sie in ihrer Tasche bei sich hatte, da Rahul bei seinem Rauswurf gestern nicht mehr die Gelegenheit gehabt hatte, sie mitzunehmen. Da er daraufhin barfuß im Regen zu seinem Wagen hatte gehen müssen, war eine Grippe wohl vorprogrammiert gewesen. Einerseits hatte sie somit wegen Rahuls Krankheit berechtigte Schuldgefühle, andererseits war sie allerdings froh, endlich wieder ein bisschen Zeit für sich zu haben und in Ruhe arbeiten zu können. Beim Durchsehen der Unterlagen fiel ihr dann jedoch auf, dass sie überraschenderweise eigentlich beinahe fertig waren. Es fehlten lediglich noch drei Berichte, zwei Kostenaufstellungen und eine finale Zusammenfassung – und das war in der verbleibenden Woche noch wunderbar zu schaffen. Anjali machte sich also fleißig an die Arbeit und genoss die ablenkungsfreie Zeit. Rahul war in letzter Zeit zu einem immer größeren Störfaktor geworden – und diese Feststellung betraf nicht nur ihren Job, sondern auch ihr Privatleben. Ständig geisterte er durch ihre Gedanken und sabotierte zudem ihre Beziehung zu Harish, wo er nur konnte. Und er schien damit auch noch Erfolg zu haben, denn nachdem sie Rahul gestern ihrer Wohnung verwiesen hatte, hatte sie mehrmals versucht, Harish telefonisch zu erreichen – jedoch erfolglos. Sie befürchtete, dass er Rahuls Anwesenheit in ihrer Wohnung völlig falsch verstanden und daraus nun Konsequenzen gezogen hatte. Doch so sehr sie sich auch über diese Situation ärgerte, sie konnte die Schuldgefühle wegen Rahuls Erkrankung nicht verdrängen und fragte sich, ob ein kurzer Besuch wohl angebracht war. Sie wollte ja nur schauen, wie schlecht es ihm wirklich ging. Womöglich hatte er sich das Ganze ja auch nur wieder ausgedacht, da er wusste, dass sie sich schuldig fühlen würde. Wobei ein Besuch dann jedoch genau das war, was er würde erreichen wollen. Sie war hin- und her gerissen und konnte sich schließlich erst am nächsten Tag dazu durchringen, ihm nach der Arbeit einen kurzen Besuch abzustatten. Als sie seine Adresse aus dem Mitarbeiterverzeichnis heraussuchte, stellte sie erstaunt fest, dass seine Wohnung unweit des Hotels lag. Dieser Kerl musste also wirklich sehr reich sein, denn dieses Stadtviertel war ausschließlich von Millionären bewohnt. Ein ehrfurchtsvoller Schauer lief ihr über den Rücken, wenn sie an so viel Geld dachte. Während sie nach Feierabend schließlich im Halbdunkeln auf dem Weg zu Rahul war, hatte sie – im Gegensatz zu ihrem Viertel – auch keine Angst, Opfer eines Verbrechens zu werden. Dieser Teil der Stadt war so sicher wie kaum ein anderer. Nach nur fünfzehn Minuten zu Fuß stand sie schon vor Rahuls Apartmentkomplex. Das Haus hatte um die zwanzig Etagen und wirkte äußerst modern. Rahuls Name stand ganz oben auf dem Klingelschild. Sie musste zweimal Klingeln bis sich endlich jemand meldete. Seine Stimme klang kratzig und tatsächlich krank. Als Anjali sich zu erkennen gab, drückte er sofort den Türsummer und wies sie an, mit dem Lift bis ins letzte Stockwerk zu fahren. Sie tat, wie er ihr geheißen hatte und wurde beinahe vor Erstaunen erschlagen, als sich die Fahrstuhltüren öffneten. Sie stand beim Heraustreten bereits direkt in Rahuls hochmoderner Wohnung, die man aber eher als Loft bezeichnen konnte. Man hatte durch deckenhohe Fenster eine 180°-Sicht auf London und am Horizont konnte Anjali sogar die im Licht der untergehenden Sonne glitzernde Themse erkennen. Sie fühlte sich noch völlig berauscht von dem Anblick, als ihr plötzlich Rahuls raue Stimme ins Ohr flüsterte: „Welch unerwarteter und zugleich höchsterfreulicher Besuch...“ „Sollten Sie nicht lieber im Bett bleiben?“, wollte Anjali wissen, während sie einen Schritt nach vorn machte und sich dann zu Rahul umdrehte. „Wenn du mich begleitest, tue ich das auf der Stelle.“, entgegnete er, doch Anjali hatte ihm schon gar nicht mehr zugehört, da sie viel zu abgelenkt von seinem Zustand war. Seine Nase war rot und seine Wangen glühten. Er trug einen dunkelblauen Satinpyjama und wieder stand sein Haar wild in alle Richtungen von seinem Kopf ab. „Arre, Sie sehen ja furchtbar aus!“, stellte sie fest und legte ihren Handrücken an seine Stirn, um seine Temperatur zu prüfen. „Und Sie haben Fieber! Gehen Sie auf der Stelle zurück ins Bett!“, kommandierte sie und schob ihn an den Schultern in den rechten Teil der Wohnung, wo sich sein Bett befand, das man erst nach dem Überwinden zweier Stufen erreichte. „Ruhen Sie sich aus. Ich werde Ihnen in der Zeit ein wunderwirkendes Heilmittel kochen, das mir meine Mutter früher immer gegeben hat, wenn ich krank war.“, meinte sie, nachdem sie die Bettdecke über ihn geworfen hatte. „Und wo willst du die Zutaten dafür hernehmen?“, erkundigte er sich und hob skeptisch eine Augenbraue. „Die... hab ich zufällig dabei. Und jetzt schlafen Sie endlich!“ Damit drehte sie sich mit Rahuls wissendem Grinsen im Rücken um und lief ans andere Ende der Wohnung, wo sich die hochmoderne Küche befand. Alles war lupenrein sauber und Anjali fragte sich, ob sie überhaupt schon einmal benutzt wurden war oder ob Rahul einfach nur eine äußerst gründliche Haushälterin hatte. Dass er selber seine Wohnung in Schuss hielt, kam für Anjali nicht in Frage. Während sie die Zutaten zu dem Hausmittelchen verarbeitete, warf sie ab und zu einen Blick zu Rahul hinüber. Er schien eingeschlafen zu sein und wirkte dabei überraschend friedlich. Dass er wirklich krank war und sogar leichtes Fieber hatte, war für Anjali überraschend gewesen und machte ihre Schuldgefühle nur umso größer. Sie hatte eigentlich angenommen, dass er nur wieder übertrieben hatte, doch sie schien sich geirrt zu haben. Während der Arzneisud vor sich hin köchelte, erkundete Anjali ein wenig die Wohnung. Sie war etwa dreimal so groß wie ihre eigene und ungeheuer modern. Alles, was ein Mann von Welt besitzen sollte, war da: eine ausladende weiße Ledercouch, ein riesiger LCD-Fernseher, teuer aussehende Glaslampen und -vasen und natürlich ein Arbeitsbereich mit derselben Einrichtung, die er schon in seinem Büro im Hotel stehen hatte. Doch so schön alles aussah, so unpersönlich wirkte es auch. Es schien das Leben zu fehlen, denn alles stand perfekt an seinem Platz und war tiptop aufgeräumt. Keine persönlichen Dinge lagen herum, keine Fotos, und selbst die Zeitschriften, die auf dem Couchtisch lagen, sahen platziert aus. Anjali konnte sich nicht vorstellen, dass man sich hier zu Hause fühlen konnte. Das Piepen der Eieruhr riss sie aus ihren Gedanken und erinnerte sie an den Grund, aus dem sie hier war. Schnell machte sie die Arznei fertig und ging dann zu Rahuls Bett, um zu sehen, ob er noch schlief. Kaum hatte sie sich allerdings neben sein Futonbett gekniet, machte er auch schon die Augen auf. „Arre, Sie sollten doch schlafen!“, schimpfte sie, doch er unterbrach sie, während er sich aufsetzte. „Ich habe heute bereits den ganzen Tag geschlafen. Irgendwann geht es nicht mehr, Anjali. Also hör auf zu meckern und gib mir endlich diese Wundermedizin.“, meinte er und machte eine kurze Kopfbewegung in Richtung der Tasse, die Anjali in der Hand hatte. „Also gut. Lassen Sie sich aber nicht von dem Geschmack und dem Geruch abschrecken. Ich weiß, es ist nicht besonders lecker, aber es wirkt wirklich Wunder.“, erklärte sie, während sie ihm die Tasse reicht. Wie erwartet verzog er das Gesicht als er an dem Gebräu roch und den ersten Schluck genommen hatte. „Jetzt haben Sie sich mal nicht so. Halten Sie sich eben im Notfall die Nase zu.“, wies Anjali ihn an und brachte ihn so dazu, alles auszutrinken. „Das war das Widerwärtigste, das ich je getrunken habe.“, stellte Rahul mit vor Ekel verzogenem Gesicht fest und schluckte mehrere Male nach, um den Geschmack aus seinem Mund zu bekommen. „Hier, lutschen Sie diesen Bonbon. So werden Sie den Geschmack wieder los.“, meinte Anjali amüsiert und drückte ihm einen Hustenbonbon in die Hand. „Und jetzt versuchen Sie, noch ein bisschen zu schlafen – auch wenn Sie meinen, dass es nicht mehr geht.“, meinte sie und stand auf. Rahul griff allerdings nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. „Nur wenn du mir versprichst, dass du noch da bist, wenn ich wieder aufwache...“ Anjalis Lippen formten sich daraufhin zu einem Lächeln. „Schlafen Sie!“, war das Einzige, was sie darauf antwortete, bevor sie ihr Hand aus seinem griff befreite und zurück in die Küche ging, um aufzuräumen. Rahul beobachtete sie dabei bis er schließlich unwillkürlich wegnickte. Nachdem Anjali mit dem Saubermachen fertig war, stellte sie sich ans Fenster und ließ ihren Blick über die mittlerweile hell erleuchtete Stadt. Eine warme Brise wehte herein und sie schloss für einen Moment die Augen. Sie konnte nicht sagen, woher es kam, doch sie fühlte auf einmal eine merkwürdige innere Zufriedenheit. Ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihre Lippen, bevor sie sich umdrehte (1) und ihren Blick zu dem schlafenden Rahul wandern und auf ihm ruhen ließ... Als Rahul einige Zeit später aufwachte, war Anjali verschwunden und eine Welle der Enttäuschung überrollte ihn. (1) http://i54.tinypic.com/2e3qqmr.jpg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)