Geteiltes Leid ist halbes Leid von kaherashico (George & Angelina) ================================================================================ Kapitel 1: Geschlossen. Verschlossen. Entschlossen. --------------------------------------------------- Es klopfte. „Wir haben schon geschlossen!“ Es klopfte abermals, diesmal etwas bestimmter. Seufzend vergrub er den Kopf in den Händen. Konnte man ihn denn nicht einfach in Ruhe lassen? Wieder klopfte es. Kurz, kurz. Pause. Lang. Kurz, kurz. Fred. Aber das war doch nicht möglich- ? George hatte keine Zeit seine Gedanken zu sortieren, geschweige denn auf Logik zu überprüfen, er war schon an der Tür und hatte diese so schwungvoll aufgerissen, dass das Türschild mehrmals klappernd gegen die Scheibe schlug. „Du?“ Es klang überrascht – und enttäuscht. „Ich.“ Angelina. „Darf ich reinkommen? Es ist nämlich bitterkalt hier draußen…“ „Hm? Ja, klar, tut mir leid.“ Erst jetzt fanden äußere Einflüsse wie der eisige Wind wieder Zugang zu seinem Bewusstsein und veranlassten ihn, die Tür hastig zu schließen. Gedankenverloren betrachtete er die Frau, die gerade an ihm vorbeispaziert war. „Wirklich nett hier. Und so schön warm.“ Sie zwinkerte ihm zu. Angelina. Und Fred. Das Klopfzeichen. George spürte einen kleinen Stich im Herzen. Er wusste in dem Moment nicht, was mehr schmerzte – dass Fred ihren Geheimcode offenbar mit jemand anderem geteilt hatte oder dass er ihn dafür nicht mehr zur Rede stellen konnte. Andererseits, hatte er nicht auch ein Geheimnis? „Hörst du mir eigentlich zu?“ „’Tschuldige, was hast du gesagt?“ „Nicht so wichtig. Irgendwas Belangloses, Smalltalk eben.“ Früher hätte er darüber vielleicht gelacht. Vielleicht. Wahrscheinlich. Mit Fred. Er spürte, wie es ihm erneut die Kehle zuschnürte. Verdammt. „Wie geht es dir?“ Erschrocken sah er auf – und wich instinktiv ein Stück zurück. Ihr Gesicht war nur Zentimeter von seinem entfernt, große braune Augen musterten ihn besorgt. Wie lange hatte er sie jetzt schon nicht mehr gesehen? Eine halbe Ewigkeit. War sie auf seiner Beerdigung gewesen? Bestimmt. So viele waren da. George musste schlucken, der Kloß im Hals wurde größer. Er würde auf keinen Fall weinen. Nicht vor ihr. Jetzt hieß es stark bleiben. „George…“, sie legte eine Hand auf seine Wange, lenkte seine Aufmerksamkeit sanft wieder auf sich. Stark bleiben. „Ich hab noch furchtbar viel zu tun, du weißt ja, das Weihnachtsgeschäft, der Laden brummt“, ratterte er hastig herunter. So wie immer. „Tut mir wirklich leid“, er hob zur Bestätigung bedauernd die Schultern. Für einen Moment lang, einen unendlich langen Moment lang, sah sie ihn nur an. Und George fühlte sich unglaublich elend. Fast so wie früher, wenn ihre Mutter ihnen mal wieder eine (verdiente) Strafpredigt hielt. Seine Lüge war enttarnt. Er wusste es. Sie wusste es. Angelina Johnson macht man nichts vor. Dass hatte selbst er nicht gekonnt. „Ich versteh schon.“ In ihrem Blick lag Trauer, Schmerz, Mitleid. Dann legte sie entschlossen die andere Hand auf seine Wange, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn kurzerhand auf den Mund. „Fröhliche Weihnachten, George.“ Und für einen winzigen Augenblick war es genau wie damals. Ebenso plötzlich wie sie aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder. Während George gedankenverloren auf das schwankende Geschlossen-Schild starrte, lief eine einzelne Träne seine Wange herab. Vorsichtig tastete er mit dem Finger danach, fing sie auf. Ihre, nicht seine. ~ Hastig wischte sie ihre Tränen weg. Was war denn mit ihr los? So sentimental war sie doch sonst nicht. Angelina, die Starke, die Kämpferin. Aber George so zu sehen… Verdammt. Es war alles anders gekommen als geplant. Sie wollte reingehen, ihm frohe Weihnachten wünschen, das Geschenk geben und– das Geschenk! Sie hatte es vergessen. Zitternd tasteten ihre Finger nach dem Umschlag. Und nun? Verdammt. Verdammt. Verdammt. Der Schnee knirschte leise, als sie wieder vor den Laden trat. Im Innern schien alles dunkel, sie bückte sich und schob den Umschlag nach kurzem Zögern vorsichtig unter dem Türspalt durch. Angelina wartete noch einen Augenblick, berührte gedankenverloren die Scheibe vor dem Geschlossen-Schild, seufzte einmal tief, ehe sie den Kragen hochschlug und die Winkelgasse entlang stapfte. ~ George fand den Umschlag mitten in der Nacht. Schlafstörungen waren seit der Schlacht von Hogwarts nichts Ungewöhnliches mehr, nur heute ging ihm besonders viel durch den Kopf und Inventur hatte sich da als nützliches Gegenmittel erprobt. Nun saß er am Küchentisch und starrte abwechselnd auf den Umschlag und die Whiskeyflasche neben ihm. Schließlich traf er einen Entschluss: erst würde er sich dem Unangenehmen widmen und danach konnte er sich, falls nötig, immer noch betrinken. Entschlossen riss er den Umschlag auf- und hielt überrascht die Luft an. Heraus fielen eine Karte und ein Foto. Mit zitternden Fingern griff er danach. Das Foto zeigte Fred und ihn, wie sie unbemerkt über Olivers Rede amüsierten. Wieder und wieder strich er über Freds lachendes Gesicht, flüsterte die fehlenden Worte. Da, sein Arm ging wild gestikulierend hoch, wieder auf Anfang. Und noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal. Er konnte sich an diesem kleinen Abschnitt kaum satt sehen. George hatte nichts von der Existenz dieses Fotos gewusst. Und gerade das machte es besonders reizvoll. Es zeigte die beiden bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, ganz ungestört, in völliger Harmonie. Als er das Foto umdrehte, bestätigte sich sein Verdacht: Aufgenommen im März 1993. Wir haben den Quidditchpokal gewonnen, weißt du noch? P.S. Ich konnte euch immer unterscheiden. Es stammte aus der Zeit vor ihrem 6. Jahr, vor dem Trimagischen Turnier, vor allem. Bevor sie sich in dasselbe Mädchen verliebten. Angelina Johnson gefiel ihm auf Anhieb. Sie hatte Sinn für Humor, konnte super fliegen und war ausgenommen hübsch. Doch Fred war sein Zwilling, sein zweites Ich, sie ähnelten sich in jeder Beziehung wie ein Ei dem anderen, und daher hätte es ihn eigentlich nicht wundern sollen, als sein Bruder lauthals sein Interesse bekundete. Tja, wer zuerst kommt… Er nahm es schweigend hin, hatte Fred diesbezüglich nie etwas von seinen Gefühlen erzählt – weil er wusste, dass dieser sonst aus Loyalität zurückgesteckt hatte. Und Angelina schien es zu gefallen, sie nahm seine Einladung an, begleitete ihn auf den Ball. George hatte seinen Bruder nie um etwas beneidet – bis auf dieses eine Mal. Ich konnte euch immer unterscheiden. Nicht einmal ihre Mutter konnte das. Und trotzdem. George hatte das ungute Gefühl, dass das der Wahrheit entsprach und sie damit auf den Vorfall anspielte. Angelina hatte ihn schon einmal geküsst. Unter dem Mistelzweig, versehentlich, weil sie dachte, er wäre Fred. Oder nicht? George runzelte die Stirn. Da bestand eindeutig Klärungsbedarf. All die Jahre hatte er sich seinem Bruder gegenüber schuldig gefühlt – weil er einen Kuss genossen hatte, der ihm gar nicht zustand. Genossen war gar kein Ausdruck. Angelinas Temperament zeigte sich offenbar in allen Lebenslagen. George musste unwillkürlich grinsen. Neugierig las er nun auch die vorher vernachlässigte Karte: Samstag, 8.1.1999 Puddlemere United vs. Tutshill Tornados Woods erstes Spiel als offizieller Hüter. Katie & Alicia kommen auch. Ich würd mich freuen, Angelina Ja, das war ganz Angelinas Art. Kurz und prägnant, klare Ansage, wenig gefühlsduselig. George betrachtete nachdenklich die beigelegte Eintrittskarte. Ein Quidditchspiel ohne Fred? „Na, was meinst du?“ Der Foto-Fred zwinkerte ihm verschwörerisch zu, bevor er erneut eine Grimasse schnitt, die Wood köstlich auf die Schippe nahm. Mit Quidditch hatte es angefangen. „Gut.“ Vielleicht würde es ihm auch diesmal helfen. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)