What became of the likely lads? von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: You're in love and you don't know what to say -------------------------------------------------------- Rauchend begab er sich auf den Weg zu der Bushaltestelle, sein dicker Mantel umhüllte ihn gut, die beige Mütze tief ins Gesicht gezogen. Der rot-weiße Schal war fest um den Hals gebunden. Es herrschte eine klirrende Kälte, der Winter kam in großen Schritten. Sofort stiegen ihn die alltäglichen Meldungen von dem Klimawandel in den Kopf, er spürte noch immer nichts von der Erderwärmung, aber dafür seine aufkeimende Grippe. Die Nase war rot und an den Seiten schon aufgescheuert, die blauen Augen glasig, seine Haut nahm allmählich die Farbe einer Wasserleiche an. Er hatte seit Tagen kaum geschlafen, geschweige denn etwas zu sich genommen. Er setzte sich auf die dreckige Bank in dem Häuschen, die Jacke noch höher gezogen. Seine Zigarette fiel ihm aus dem Mund, schimpfend trat er sie aus. Eigentlich wollte er gerade noch eine aus der Schachtel holen, da kam auch schon der Bus. Es war der Letzte für diesen Tag. Er hasste es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, vor allem um diese Uhrzeit. Wortlos kramte er seinen Geldbeutel aus der Jackentasche, zahlte passend. Sein Blick streifte die Menschen, die mit ihm in diesem Bus fuhren. Es waren überwiegend Leute, die zu der nächsten Discothek wollten. Einige alte Menschen saßen weiter hinten in dem Bus, er bevorzugte es, sich zu ihnen zu gesellen. Eine Frau, mitte 60, lächelte ihn an. Das Kopftuch verbarg nur halb die grauen Haare, sie schien viel zu jung für dieses Aussehen. Denn ihre grauen Augen strahlten ihn glücklich an. Glücklich. Dieser Gedanke fraß sich fest, war er es? Er konnte es mit einem guten Gewissen beantworten: Nein. Das war er nicht. Garantiert nicht. Er wandte seinen Blick von der Dame ab, schenkte ihr ein unsicheres Lächeln. Seufzend verbarg er sich nur noch mehr in seinem Mantel. Der Schal war mittlerweile bis zur Nase hochgezogen. Er sah aus dem Fenster, erkennen konnte er nicht wirklich viel. Ein paar Straßenlaternen streiften seinen Blick, ab und an ein schneller Schatten. Ob dieser von einem Menschen stammte oder auch nicht war für ihn kaum erkennbar. Müdigkeit überrollte ihn, seufzend schloss er die Lider, achtete aber darauf, nicht einzuschlafen. Wieso er sich diese ganze Tortur antat, konnte er selbst nicht mehr verstehen. Unter seinem Mantel ertönte das Geräusch von Plastik das gedrückt wurde. Der Bus hielt ruckartig an, benommen sah er auf die Anzeigetafel. Hier musste er raus. Schwankend stand er auf, fasste sich an die Hüfte um seinen Geldbeutel zu fühlen. Er hatte alles dabei. Langsam stieg er aus, trat auf den Bürgersteig. Kurz musste er seine Umgebung deuten, erspähte in der Dunkelheit ein helles, gelbes Licht. Es war der einzige Laden, der um diese Uhrzeit noch nicht geschlossen war. Zielstrebig ging er auf den kleinen Laden zu, der vollgestellt mit allerlei Sachen war. Er suchte nur eine kleine Dose. Klein, mit Rosen verziert und kitschig. Er schämte sich selbst dafür, so etwas zu kaufen. Doch er nahm es vorsichtig aus dem Regal, trug die Dose, als wäre sie ein kostbarer Diamant, zu der Kasse. Hinter dem Tresen stand ein großer, schlaksiger Mann. Die Wangen waren eingefallen, Augenränder zierten die matten braunen Augen. Kurz fragte er sich, wieso der Mann so aussah. Doch die Antwort war simpel, der Verkäufer war nicht glücklich. Kein bisschen. Er fühlte etwas wie Mitleid, konnte das Gefühl aber nicht als solches gelten lassen. Da war noch etwas anderes dabei. So etwas wie Freude, nicht so stark, aber er fühlte sich wahrscheinlich besser, als der Typ, hinter dem Tresen. Er legte das Geld in die lange, breitflächige Hand und verließ den Laden. Das Wetter wurde nicht besser, der erste Regen fiel von dem grauen Himmel. Selbst hier, wo kaum Häuser standen, wurde der Himmel nicht schwarz. Sterne waren selten, weil dicke graue Wolken sie versteckten. Dabei liebte er Sterne. Sie waren hell, freundlich und machten die Nacht umso schöner. Nicht mehr so gefährlich und düster. Die Dose ließ er in seine Jackentasche gleiten, in derselben raschelte etwas. Bevor er sein eigentliches Ziel anstrebte nahm er die Tüte heraus, in dieser befanden sich kleine, fast schon winzige, Kügelchen. Eingepackt in goldenes, grünes, rotes Papier. Schokolade. Flink füllte er die vielen Kugeln in die Dose um. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, Schokolade macht glücklich. Daran glaubte er schon immer, auch wenn ihn etwas anderes wesentlich glücklicher machen würde. Er machte sich auf nach Norden, vorbei an alten Mauern, die mit Graffiti beschmiert worden waren. Vorbei an einem Spielplatz, der seit Jahren nicht mehr benutzt wurde. Hier wohnten nur Menschen, die mit Anderen rein gar nichts zu tun haben wollten. Überwiegend die alten, vereinsamten Witwen mit fetten, verhätschelten Katzen. Er ging weiter, hörte die Steine unter seinem Schuh scharben. Der Bürgersteig wurde mehr und mehr zu einem unendlich langem Kiesbett. Sein Herz begann stärker zu pochen, mit jedem Schritt den er tat. Der Weg endete vor einer alten, zerkratzen Holztür. Er drückte sie auf, in dem Treppenhaus war es kalt. Außerdem roch es nach etwas, dass er nicht kannte. Nach einem Gemisch aus Schimmel, Feuer und Erbrochenem. Er tastete an der glatten Wand entlang, sie war komplett gefließt. Er spürte die Rillen, aber nichts, was einem Lichtschalter ähnelte. Wage erinnerte er sich, dass er in den zweiten Stock musste. Seit Wochen war er nicht mehr hier gewesen, die Kraft dafür war schlichtweg nicht vorhanden. Voller Unbehagen nahm er die ersten Stufe, unter seiner Sohle klebte etwas, was bei jedem Schritt ein unappetitliches Geräusch machte. Er suchte blind das Treppengeländer, musste aber feststellen, dass ein solches nicht vorhanden war. Also tastete er sich vorsichtig an der Wand die Stufen hoch. Im ersten Stock angekommen horchte er kurz. Aus einer der Türen drang fürchterlicher Lärm. Es hörte sich nicht nach einem Fernseher an, oder einem Radio. Sondern nach vielen Menschen, die wild durcheinander sprachen. Kurz sah er nach, unter der Schwelle war kein Licht zu sehen. Auch die nächsten Wohnungen sahen von außen leer aus. Langsam fühlte er sich einsam, wollte eigentlich nur sein Geschenk abgeben und wieder verschwinden. Hastig nahm er die nächsten Stufen, überschätzte sich aber, strauchelte und fiel. Die Knie schlugen auf den Fließen auf, die die Treppenstufen ausmachten. Ein leises, scharfes Zischen trat aus seinem Mund. Auf den Lippen beißend erhob er sich, rieb sich die schmerzende Stelle und ging weiter. Langsam legte sich das unwohle Gefühl, denn bekannte Klänge kamen dumpf aus einer der beiden Wohnungen, die sich im zweiten Stock befanden. Unter einen der Türen kam ein heller Lichtstrahl. Hier wohnte er. Er nahm aus seiner Jackentasche die kleine Dose, stellte sie direkt auf die dünne Fußmatte. Zitternd öffnete er seinen dicken Mantel, das Rascheln ertönte wieder. Ein großer Strauß Blumen - es waren Rosen, rote Rosen - fand ebenfalls seinen Platz auf der Matte. Kurz verharrte er vor seinem Präsent. Einen Absender hatte das Ganze nicht, nur ein faltiger Zettel lag in den Blumen. Ein letzter Blick, dann drehte er sich auf dem Absatz um. Er dachte an den Zettel und lächelte wieder. Ich liebe dich, Spaniel. Mit einem guten Gewissen, aber schwerzen Herzens, verließ Carl das Haus. Er würde niemals den Mut aufbringen können, ihm es persönlich zu sagen. Und wieder wurde ihm klar, als er sich auf die nächste Parkbank setzte, wie einsam und unglücklich er ohne ihn war. Hosted by Animexx e.V. 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