Zum Inhalt der Seite

Eine Seele von Mörder

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine Nacht

Konnichi-wa!
 

Zum erste Mal seit Jahren kann ich bei einer Geschichte schreiben: Alle Charaktere gehören mir… mir ganz allein! Bei einer Person kann ich die Referenz irgendwie nicht mehr abstreiten, wobei sie vom Charakter ziemlich verschieden sind.

Die Handlung spielt im Japan Anfang des 21. Jahrhunderts. Genauere Ortsangaben will ich (noch) nicht machen (wobei sich einiges schon ausschließen lässt, wie der aufmerksame Leser sehr schnell feststellen wird). Im Text findet man daher einige japanische Worte, aber keine Angst, am Ende der Kapitel füge ich jeweils ein Glossar an, sofern sich einige Sachen aus dem Kontext nicht klären. Sollte es der Mehrheit dennoch missfallen, dass ich oftmals Fremdwörter verwende, so werde ich dies natürlich einstellen und eurem Wunsch nach durchgängig deutscher Sprache entgegen kommen.
 

Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt und mein Werk lesen wollt!

Oxymora
 

---------------------------------------------------------------------------------
 

1.Kapitel: Eine Nacht
 

Die Nacht war bereits herein gebrochen, als sich ein schwarzer Schatten leise durch die Straßen schob, immer darauf bedacht nicht in den verräterischen Lichtkegel der Straßenlaternen zu treten. Weil mittlerweile tiefschwarze Wolken den Himmel bedeckten, war selbst das leuchtende Auge des Mondes, sonst der einzige, allerdings stumme Zeuge seiner Taten – für ihn beinahe eine Art Komplize – blind. Der auftretende Sturm tat seinen Teil dazu bei, dass die städtischen Straßen jener Nacht bis auf einige verirrte, einsame Seelen leer geblieben war.

Dann erreichte er die unauffälligen Reihenhäuser, deren Eingeweide dem Ziel des Schattens vermeintlich Schutz zu geben versprachen. Töricht. Egal wer, egal wo, egal wann - nichts und niemand konnte ihm entgehen, sobald das Fadenkreuz seiner Gedanken das Ziel fixiert hatte. Und egal wie viele Identitäten man annahm, er folgte der Spur und so fand er auch ihn. Das Geschwulst, welches sich in unserer Wohnung eingenistet und mit seinem zerstörerischen Gift mein Leben für immer verändert hatte.
 

Zitternd saß er im Zimmer. Starrte gehetzt, eines gejagtes Wildes gleich immer wieder aus dem Fenster. Seine Blick huschten über Straßenauffahrten, Autos, verwinkelte Nischen von Häusern, die Straße, den Gehsteig, verfluchte stumm die Personen, die die vereinzelnden sich dem Wind ächzend hingebenden Bäume gepflanzt hatten, und schreckte jedes Mal zusammen wenn sich etwas bewegten – wobei dies meist ein Streich seiner überspannten Nerven war. Nur einmal hatte sich eine Katze an den Resten einer umgefallenen Mülltonne zugange gemacht. Dann strich er mit schweißnassen Fingern über seine Waffe. Die Waffe mit der er vor wenige Stunde, Tagen, Minuten – jegliches Zeitgefühl war verloren gegangen – drei Seelen ihren ewigen Frieden gegeben hatte. So friedlich philosophisch das klingt, die Brutalität und die Angst waren den kalten Leichen auch später in der Pathologie noch ins Gesicht geschrieben gestanden.

Nur eine kurze Überprüfung des Magazins hätte ihn auch nur für Sekunden verteidigungsunfähig gemacht. Für einen Mann, der in Bruchteilen von Sekunden reagieren konnte, eine tödliche Einladung.

Dann fing die alte Uhr im Wohnzimmer zu schlagen an. Ein Mal… zwei Mal… zum dritten Mal. Bis auf das unermüdliche Heulen des Sturmes und das mühselige Klagen des Hauses war es nun still. Dann durchbrach ein lauter Schlag die Nacht. Ein Licht flutete für einen Sekundenbruchteil den Raum, dann kehrte wieder die Polyphonie aus Wind und Ächzen zurück.

Und es blitze ein zweites Mal, der Donner grollte für wenige Sekunden nach, doch das Bild, welches sich darbot, war für ein Leben lang ein prägbar. Der dunkle Schatten stand geduckt – als sauge er statt des Todes Wärme und Leben – über dem schlaffen Körper des Mannes, der seine vier Gliedmaßen von sich gestreckt auf dem Boden lag. Sein Mund war zu einem stummen Schrei aufgerissen und die Augen im Moment des Todes festgefroren. Zwei lange, behandschuhte Finger prüften den Puls des Mannes am Hals, doch das kostbare Elixier des Lebens verteilte sich bereits großzügig über den Boden und schimmerte in jenem kurzen Moment des Lichtes in einem satten, wunderschönen Rotton.

>Kopfwunden bluten am stärksten.< Hatte mir einmal eine Freundin erzählt.

Selbst im Dunklen konnten die Augen den schwarzen Umriss erkennen, der sich anscheinend unaufhörlich über den Boden dahin fraß, bis er den alten, ohnehin schon fleckigen und sonnengebleichten Teppich erreichte. Der Schatten, zufrieden mit seiner Arbeit, richtete sich auf und wollte gehen, als das höhnische Knarren des alten Holzbretterbodens das Versteck der unfreiwilligen Beobachterin verriet. Mit wenigen, wesentlich leiseren Schritten war der Schatten an der Tür und stieß sie auf. Eine kleine Flamme erschien in der Finsternis des unbeleuchteten Raumes, doch als würde er das Licht selbst absorbieren, erhellte es nur das was vor ihm lag.

Verängstigt und mittlerweile auf den Boden gefallen, kauerte ein 15 Jahre altes, für ihr Alten doch rasch gewachsenes, nun aber klein wirkendes Mädchen auf dem Boden und starrte mit ihren dunklen, großen Augen zu dem Schatten hinauf.

Er hatte mich gefunden.

Die Angst langsam von mir abfallend, fing mein Kopf an jegliche Gebete in den ach so verstaubten Räumen meines Gedächtnisses zu suchen. Ich spürte wie seine Augen mein Gesicht und den Körper prüften ohne dabei etwas von den Gedanken ihres Besitzers Preis zu geben. Mein Kopf und mein Herz wurden nur noch durch einen Satz beherrscht.

>Ich werde sterben!<

Mit einem Blick zu dem schlaffen, kälter werdenden Fleischhaufen des Mörders wurde mir jedoch etwas gewahr: Ich wollte nicht feige und ehrlos wie er sterben. Selbst wenn dies mein kurzes und vielleicht nicht ganz so ausgelebtes Leben gewesen sein sollte, ich würde meinem Tod tapfer entgegen treten. Ich spürte, wie die Angst bedingte Lähmung mich los ließ und ein fester, vielleicht sogar rebellischer Blick mein Gesicht zu zeichnen schien. Ich vermutete, dass ich ihn nur verärgern würde, aber trotzig, wie man in dem Alter nun einmal ist, starrte ich in die Schwärze in der ich sein Gesicht vermutete.

Wider jegliche Erwartung drehte er sich um, durchschritt das alte Wohnzimmer und verschwand durch die offene Eingangstür ohne ein Wort gesagt zu haben.
 

Der Sturm wurde stärker und drückte die Bäume noch energischer gegen den Boden. Der schwarze Mantel des Schattens flatterte unbeirrlich im Wind, doch ihn schien das weniger zu stören als weiter seinen Weg entlang zu folgen.

Er bog ab und blieb hinter der Ecke stehen. Wartend lehnte er sich gegen die Mauer und zündete sich trotz der nassen Böen eine Zigarette an. Eine Zigarette konnte er sich Zeit nehmen, vermutete er, doch bereits in wenige Sekunden nachdem der Tabak nach erster Widerspenstigkeit rot glühte, erschien ein nasser, windzerzauster Kopf hinter der Ecke.

>Willst du sterben?< Fragte er mich gefühlslos.

Ich spürte wie mich ein zweites Mal sein Blick prüfend musterte.

>Nei… nein.< Eigentlich wollte ich es bestimmter klingen lassen, doch meine Stimme verriet meine Ungewissheit

>Gibt es einen Ort an den du gehen kannst?< Fragte er weiter. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihn nun zum ersten Mal sprechen hörte, trotzdem war mir die Stimme seltsamer Weise vertraut. Tief, ein leichter rauer Unterton, wahrscheinlich vom Rauchen, und intensionslos.

>Gibt es einen Ort an den du gehen kannst?< Hakte er erneut nach, dieses Mal mit Nachdruck.

Ich schüttelte nur stumm den Kopf.

Mit einer kurzen Bewegung warf er den Stummel der zur Hälfte abgebrannten Zigarette auf den Boden. Er wurde von dem Bach, in den sich die Straße in den letzten Stunden verwandelt hatte, mitgerissen und wortlos beobachtete ich wie er aus unserem Sichtfeld in die Dunkelheit verschwand.

Als ich mich wieder dem Schatten zuwendete, waren zum ersten Mal für mich seine Augen zu sehen. Erschrocken wich ich einige Zentimeter zurück. Sie sprachen von Tod und Gewissenlosigkeit. Ich fragte mich, ob die Stimme, die mir gesagt hatte ich sollte ihm folgen, eine Art morbide, suizidale Haltung gewesen war, welche nun das Ende meines Lebens mit sich ziehen sollte. Doch ich konnte meinen Blick, trotz seiner bedrohlichen Aura und den vom Wind und Wasser schmerzenden Augen, nicht von ihm nehmen.

>Komm mit!<

Er drehte sich um und stapfte die ehemalige Straße hinunter.

Mein erster Gedanke war, ich hätte mich verhört oder der Wind würde mir einen Streich spielen, doch er wandte sich noch einmal um und winkte mit seiner Hand.

Schweigend folgte ich seiner Aufforderung.
 

Wenige Minuten später fand ich mich, durchnässt und frierend, in einer kleinen, kahlen, sehr unpersönlichen und in jeder Hinsicht lediglich Zwecks dienlich möblierten Wohnung wieder. Obwohl mein Drang an die nächste Heizung zu laufen sehr groß war, blieb ich neben der Haustüre stehen und erwartete das Wiedererscheinen des Mannes. Dieser war, nachdem er die nassen Schuhe am Eingang ausgezogen und den tropfnassen Mantel hinter die nächstgelegene Tür gehängt hatte, in ein weiteres Zimmer verschwunden.

Unsicher entstieg auch ich meinen Schuhen, die bei jeder Bewegung ein schmatzendes Geräusch von sich gaben. Meine Strümpfe hinterließen kleine dunkle Flecken auf dem Boden, als ich meine Schuhe neben die schwarzen auf der Matte stellte. Schon hörte ich wie eine Tür geschlossen wurde und sich feste, schwere Schritte näherten.

Mit einem Set dunkler, trockner Kleider über dem Arm kam der Mann wieder und öffnete die Tür hinter die er zuvor seinen Mantel gehängt hatte.

>Willst du dort Wurzeln schlagen? Hier ist das Bad. Das sind einige Kleider, die du probieren kannst. Na komm schon!<

Ich konnte nur dankbar Nicken und seiner Einladung schweigend Folge leistend die paar Schritte bis zum Bad laufen. Hinter mir lies er die Tür zufallen und ich war alleine.

Mühsam schälte ich mich nun auch aus den nassen, an meinem Körper klebenden Kleidern. Weil ich keinen besseren Platz fand, ließ ich sie am hinteren Ende der Kombination aus Dusche und Badewanne liegen. Darüber thronte der schwarze Mantel ein bisschen seines Platzes beraubt an einem Hacken. Ein weniger komfortables Arrangement, aber ich lies mich nicht davon stören.

Das warme Wasser war hingegen eine Wohltat für meinen Körper und meine Seele. Es vertrieb die Kälte aus meinem Körper und hüllte mich einer Decke gleich verführerisch in den Schlaf. Erst als sich meine Gliedmaßen entspannten, spürte ich mich auf den Boden sinken und die Füße in die kalten, nassen Kleider schieben. Bis jetzt war mir die Erschöpfung nicht aufgefallen.

Ich duschte länger, als ich es gewohnt war. Zuerst etwas befremdlich probierte ich die Kleider, die er mir gegeben hatte an. Sie waren mir viel zu groß, sodass der Pullover bis auf die Oberschenkel reichte und eher wie ein besonders extra originelles Kleid wirkte. Weil ich weder Waschmaschine noch Trockner sah, beschloss ich mich nachher um meine Kleidung zu kümmern.

Schüchtern trat ich aus dem Bad. Es roch verführerisch nach Essen und ich folgte dem Geruch von Pizza. Er führte mich in eine Art Wohnzimmer, welches jedoch mehr an ein Arbeitszimmer mit Zetteln, Werkzeug und hoch moderne Technik erinnerte.

>Setzt dich irgendwo hin.< Hörte ich die tiefe Stimme aus einer Nische in der sich einige Ordner bewegten.

Also suchte ich mir eine Sitzmöglichkeit auf der als Blätterablage dienenden Couch.
 

-----------------------------------------------------------------------------
 

„Sie wollen mir sagen, dass Sie freiwillig mit ihm mit gegangen sind?“, der Kommissar sah sie skeptisch an, „Und er nahm Sie einfach so auf? Warum sollte er dies tun?“

„Das weiß ich auch nicht.“, die großen, dunklen Augen sahen ihn unwissend an, „Soll das heißen, keibu-san*, sie glauben meinen Ausführungen nicht?“

„Sagen wir mal so: Sie sind schwer zu glauben.“

Ein Lächeln zog sich über die ebenen Züge der mittlerweile 21 Jahre alten Frau: „Warum sollte ich Sie belügen?“

„Sie haben sechs Jahre mit einem gesuchten Mörder zusammen gelebt!“, es klang, als würde es an ihr alles erklären, selbst wenn sie fliegen könnte.

„Nein. Ich habe sechs Jahre mit einem Mann zusammen gelebt, der mir mein Leben gerettet hat.“

Schweigen erfüllte den Raum in dem sie mit dem Polizisten vermeintlich allein war. Sie wusste, dass andere Beamten die Vernehmung durch den Spiegel verfolgten. Die interessierten Augen, mehr als üblich, ruhten auf ihr und verfolgten jede ihrer Aussagen mit konzentrierter Aufmerksamkeit. Nur keine unterschwellige Bemerkung, die ein wichtiger Anhalt sein konnte, überhören. Natürlich war ihr auch klar, dass nicht nur die Ohren auf ihre Worte lauschten, sondern immer wieder konnte sie die Blicke auf ihrer Haut spüren.

Davon lies sie sich jedoch nichts anmerken. Obwohl er nie wollte, dass sie sich in seine Angelegenheiten einmischte, hatte sie doch Kontakt zu einigen Verbrechern gehabt und nicht wenige hatten sie lüsternd betrachtet.

Den Gefallen, den Spiegel zu beachten und einem der Polizisten womöglich in die Augen zu sehen, tat sie nicht. Mit einem festen Blick begegnete sie dem durchdringenden des Kommissars.

Schon mehrere Monate verbrachte sie nun in der Obhut der Polizei. Die überwältigende Schönheit des ovalen Gesicht mit den ebenen Zügen, den dunklen, tiefen Augen und der auffällig geschwungenen Lippen, die langen, glatten, schwarzen Haare und der von einer zierlichen Kraft sprechende Körper waren eine Seltenheit auf dem Revier. Die Polizisten wussten nicht genau mit ihr umzugehen. War sie nun eine Verbrecherin oder unschuldig? Sie wurde in der Untersuchungszelle unterbracht, doch keiner konnte sie wie eine Verbrecherin behandeln – mit Ausnahme des leitenden Kommissars.

Sie wusste noch nicht genau, was sie von ihm halten sollte. Ob sie ihm Vertrauen entgegen bringen konnte oder ob er sie nur ausspionieren wollten. Die tiefen Gesichtszüge erzählten nicht nur von seinem Alter, sondern einer schweren Last, die er mit sich trug. Durch das erste Gespräch am Tag zuvor und den wenigen Worten des nun laufenden Verhörs konnte sie noch nicht sagen, ob ihn jemand anderes unterdrückte oder ob es seine eigene Prinzipien waren. Er wusste es wahrscheinlich durch einen einzigen Blick, aber in ihrer unreifen Unsicherheit wollte sie keine voreiligen Schlüsse ziehen. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass ihr Handeln voreilig gewesen war. Doch es war genau dieser Mann gewesen, der sie mit einer lang geplanten, bedachten Vorgehensweise in die Bredouille gebracht hatte. Ihr durfte keiner Fehler unterlaufen.

Unbewusst – aber nicht unbemerkt – wurde ihr Griff um die Teetasse fester. Erst ein Blick des Kommissars auf ihre Hände machte sie darauf aufmerksam.

Du hast die Fassung verloren, beschimpfte sie sich selbst, pass besser auf!

„Warum sind Sie mit ihm mit gegangen?“, fragte er, um die Aufmerksamkeit wieder auf die Befragung zurück zu führen.

Er wusste, dass sich noch irgendetwas hinter ihrer Geschichte versteckte. Die verkrampfte Haltung hatte es ihm gezeigt. Irgendein Gedanke hatte sie durchlaufen und innerlich wusste er, dass es der Punkt war, den er aus ihr heraus holen musste.

Sie blickte tief in seine Augen: „Ein inneres Gefühl.“

Äußerlich blieb sein antrainiertes Poker-Face intakt, doch innerlich zuckte er zusammen. Hatte sie seine Gedanken gelesen, fragte er sich, bevor er verstand, dass es die Antwort auf seine Frage gewesen war.

Die sichere Gewissheit in ihrer Stimme und der fest Blick überzeugten ihn von ihrem Motiv. Und seine Vermutung. In all den Jahren hatte sich eine Art Sensor für heiße Fährten in seinem Inneren entwickelt und ihr Schrillen hatte mittlerweile seinen ganzen Körper erfasst. Am Anfang, als seine Einheit das Haus gestürmt und nur sie gefunden hatte, waren sein Kopf leer und sein Körper schwer wie Blei gewesen. Zunächst war sie für ihn ein Opfer gewesen, welches die anderen Polizisten ausfragen sollten. Doch mit der Zeit wurde die zunächst leise Sirene immer lauter. Vor wenigen Tagen hatte er schließlich einen Tipp erhalten, der ihn nun zurück zu dieser Frau führte.

Und nun spürte er, dass das innere Gefühl, welches das damalige Mädchen veranlasst hatte sich einem gesuchten Auftragskiller anzuschließen, kongruent mit seinen Befürchtungen war. Mit der Befürchtung, dass…

Er verwarf den Gedanken wieder. Darüber konnte er sich Gedanken machen, nachdem er den Schatten gefasst hatte.

Stattdessen griff er den Faden wieder auf, den er in Gedanken beinahe fallen gelassen hatte: „Um zu meiner vorherigen Frage zurück zu kommen: Können Sie sich vorstellen, warum er – also der Schatten – sie ohne Widerrede aufnahm?“

Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Mundpartie, welches für wenige Sekunden von der Teetasse verdeckt wurde. Genauso geräuschlos, wie sie sie an die Lippen geführt hatte, lies sie sie zurück auf den Tisch sinken, bevor sie antwortete: „Wissen Sie, keibu-san*, diese Frage stelle ich mir mittlerweile sieben Jahre und fand keine Antwort darauf. Er wollte nie, dass ich ihm helfe und noch weniger schien er sexuelles Interesse an mir zu hegen. Es wäre sehr unhöflich und ungerechtfertigt von mir, sich über sein Benehmen mir gegenüber in einer unangebrachten Form zu äußern. Er war immer sehr fürsorglich ohne dabei aufdringlich oder gar anzüglich zu sein. Anfangs vermutete ich einen entsprechenden Charakterzug dahinter, doch mit der Zeit durfte ich herausfinden, dass er nur einer kleinen Auswahl von Personen mit seiner respektvollen Art begegnete.“

Ihre Worte hingen noch nach wenigen Minuten in der Luft, bevor er sich mit zusammen gezogenen Augenbrauen und scharfen Blick vorbeugte und sie fragte, was seit Anfang ihres Gesprächs beschäftigte: „Warum haben Sie ihn dann verlassen?“
 

-------------
 

*keibu: Kommissar

san: japanische Anrede, wie ‚Herr‘, ‚Frau‘, ‚Fräulein‘ im Deutschen

Ein Freund

Hallo!

In diesem Kapitel kommen wesentlich mehr Fremdwörter vor als im ersten Kapitel (es ist ja auch etwas länger) und nachdem mir jemand sagte, dass es unpraktisch zum Lesen ist, wollte ich die Erklärung sofort in Klammern hinter die betreffenden Wörter schreiben. Mexx findet allerdings, dass das den Lesefluss stört, was natürlich viel weniger der Fall ist, wenn ihr bis ans Ende der Seite Scrallen müsst. Sorry, aber dagegen kann ich nichts machen. Ich hoffe ihr habt trotzdem Spaß beim Lesen! (Ansonsten sucht nach der Geschichte bei FF.de)
 

Liebe Grüße

Oxymora
 

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
 

2. Kapitel: Ein Freund
 

Überrascht blinzelte sie.

Das grell leuchtende Sonnenlicht hinterließ einen kurzen stechenden Schmerz auf ihrer Netzhaut, bevor sie sich daran gewöhnen konnte. Es umrahmte einen breitschultrigen, schwarzen Schatten, der sich im Türrahmen aufgebaut hatte und eine weite Verdunklung ins Vernehmungszimmer warf.

Der Kommissar hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als die schwere Tür mit einem metallischen, lauten Geräusch aufgeflogen war. Obwohl man von ihm keine Gefühlsregung wahrnehmen konnte, spürte sie, dass sein Bann, den er über sie hatte legen wollen, ihn verärgernder Weise gebrochen worden war. Dabei hatte er sich langsam auf die Frage, die ihn im Besonderen beschäftigte, herangepirscht und schlussendlich von der Leine gelassen. Die Frage, deren Antwort ihn – laut seiner eigenen Meinung – zum Kern dieser delikaten Angelegenheit führen würde.

Und hoffentlich eine Lösung bezogen auf ‚Ayaka Tanaka‘ bringen könnte. Er arbeitete lange genug bei der Polizei, um zu wissen, wann jemand log und einen falschen Namen angab. Und dies hier war solch ein falscher Name, auch wenn man es ihr nicht nachweisen konnte. Ayaka Tanaka, ein Standardname, das weibliche Jack Smith der Amerikaner. Dazu präsentierte sie einen ungelösten, lang zurück liegenden Doppelmord ohne nähere Fakten nennen zu wollen. Es gab einige ungelöste und mit der Zeit eingefrorene Gewalttaten in Japan – dass sich dieser bestimmte Fall in seinem momentanem Zuständigkeitsgebiet ereignet hatte bezweifelte er stark, auch wenn es nicht ausgeschlossen werden konnte, noch nicht zumindest – und einige davon waren ohne Zweifel an einer Tanaka-Familie verübt worden. Ihm war bereits der Gedanke gekommen, dass sie womöglich jemanden verfolgte und die Lebensgeschichte dieses Gesuchten in Aussicht auf unbeabsichtigte Hilfe der Polizei präsentierte.

Je tiefer er seinen Kopf in dieses schwarze Gewässer tauchte, umso mehr schien etwas an ihm zu zerren, ihn weiter ins Dunkel zu ziehen oder gar ins Verderben zu stürzten und vor allem drang diese Kälte in ihn hinein. Eine Kälte, die alles um ihn herum absterben ließ. Aber er hatte versprochen weiter zu machen. Er hatte es versprochen.

Doch nun war er unterbrochen worden.

Mit einer langsamen, fast träge wirkenden Bewegung drehte er sich dem unerwünschten Besucher zu. Angestrengt musterten seine Augen die sonnenumhüllte Silhouette, bevor er jeden Muskel in seinem Körper zu verspannen schien und ruckartig aufsprang.

Keishi-kan*!“, die Arme straff wie ein Soldat neben dem Körper haltend und mit einem leichten Knick an der Hüfte, versuchte er mit einer respektvollen Verbeugung Loyalität auszudrücken, „Es ist mir eine Ehre.“

„Ich möchte keine Umstände verursachen.“, winkte der Polizeichef ab.

Er trat aus dem Licht und schloss die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich. Der dezente Blick in Richtung Spiegel verwandelte den Raum dahinter blitzschnell in eine menschenleere Zone. Dass der ranghöchste Polizeibeamte der Präfektur persönliches Interesse an einem Fall zeigte war eine Seltenheit, während der kein unprofessionelles Benehmen – wie zum Beispiel die Schwärmerei für eine Zeugin – geduldet wurde. Jeder in der Station und in der Präfektur und viele darüber hinaus wussten über die Strenge und Disziplin verlangende Härte Bescheid, mit der der Polizeichef sein Amt bekleidete. Seinen Posten hatte sich der junge, durch seine Taten bereits auf sich aufmerksam gemachte und trotzdem bescheidene keishi-sei**, der er einstmals gewesen war, durch sein beherztes Eingreifen in einem Verbrechen, der international für Furore – was aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden darf – gesorgt hatte, zu einem guten Ende verholfen. Damals hatte er noch für die Polizei Osaka, Japans zweitgrößter Stadt im zweitgrößten Ballungszentrum namens Kansai, gearbeitet, bevor er seinen Job als keishi-cho*** in einer anderen, ruhigeren Präfektur angenommen hatte – er vermutete, seine Vorgesetzen in Osaka hatten Angst um ihren Job verspürt und ihn deswegen versetzt.

Doch all das war dem Kommissar nur erzählt worden, denn er selbst hatte zu der Zeit an einem anderen Ort gearbeitet. Und so hatte er lediglich hautnah miterleben dürfen, wie nach dem Unfalltod des früheren Polizeichefs – wie uncool für einen Polizisten nicht während der Ausübung seiner Pflichten zu sterben, sondern Opfer eines Autounfalles zu werden – der amtierende keishi-kan* inthronisiert wurde, wie einige es nach der Festlichkeiten genannt hatten.

Doch hinter einer harten Schale konnte sich ein weicher Kern verstecken und das durfte der Kommissar nun hautnah erleben.

„Tanaka-san, ich bin erfreut ihre Bekanntschaft zu machen.“, begann er und in seinem Gesicht zeichnete sich ehrliches Mitgefühl, als er sich verbeugte, „Mein Name ist Manabu Kanô. Ich bin der keishi-kan* dieser Präfektur.“

„Auch mir ist es eine Ehre, Sie kennen zu lernen.“, aus Höflichkeit war sie leise aufgestanden, als der Polizeichef den Raum betreten hatte. Der Kommissar lief leicht rot an, weil sein indirekter Vorgesetzter ihm nicht die Möglichkeit gegeben hatte, ihn vorzustellen. Eine strenge Etikette im Land der aufgehenden Sonne.

„Dieser Fall hat mein Interesse geweckt.“, verkündete Kanô überflüssiger Weise und zog den dritten Stuhl im Raum an den Rand des Verhörtisches – wobei das Gespräch zwischen der Frau und dem Kommissar kaum als Verhör angesehen werden konnte – heran, bevor er sich nieder ließ.

„Allerdings bin ich ein wenig besorgt.“

Die beiden anderen Anwesenden setzen sich, aufgefordert durch einen Wink mit der narbendurchfurchten, unberingten, rechten Hand wieder auf ihre Plätze.

„Der Fall über den Schatten zieht sich schon einige Zeit hin, obwohl es um die nationale Sicherheit geht. Der Mann hat Verbrecherkollegen, Politiker und Zivilisten ohne Hinweise auf seine Person zu hinterlassen umgebracht. Nicht einmal vor der Polizei schreckt er mehr zurück. Das wissen Sie bestimmt besser als ich.“

Ein Schatten lief sichtbar über das Gesicht des Kommissars.

„Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin von ihrer außerordentlichen Mühe in diesem Fall wirklich beeindruckt. Leider sind keine Ergebnisse zu sehen.“

Der Kommissar biss die Zähne aufeinander.

„Wollen Sie mich von dem Fall entbinden?“

Er sah seinen indirekten Vorgesetzten tief in die Augen. Der Fall bedeutete zu viel für ihn, als dass er ihn aufgeben oder an einen Kollegen abgeben konnte. Früher hatte er einmal von einem Amtsbruder gehört, der seinen Dienst quittiert hatte, nachdem man ihn von einem Fall absetzen wollte. Als Privatdetektiv hatte er schließlich die Sache zu Ende gebracht. Solche Menschen waren für den Jungen, der der Kommissar einmal gewesen war, Helden gewesen und hatten ihn stark genug beeinflusst, dass ihn dieser Gedanke sofort einholte.

Zwei dunkle Augen betrachteten ihn stumm.

„Ich habe nur Angst, dass Sie sich womöglich aus persönlichen Motiven zu sehr in die Sache versteifen und deswegen nicht voran kommen.“

„Ich kann den Fall nicht aufgeben.“, stieß er hervor ohne an die Etikette zu denken.

Der Polizeichef seufzte schwer und erklärte dann: „Ich habe nur Angst, dass ein Mann, der sich aus persönlichen Gründen in eine solch heiße Angelegenheit stürzt, irgendwann den objektiven Blick verliert. Das darf unter keinen Umständen passieren! Damit würde Sie und Ihre – somit auch meine – Männer in eine nicht tolerierbare Gefahr bringen.“

Eine Strenge, die einen wissen lies, dass ein ‚Ja‘ unausweichbar war, schlug dem Kommissar entgegen. Die Zeit zur Antwort erhielt er jedoch nicht mehr.

„Sie suchen einen Mörder. ‚Einen‘ Mörder. Und nicht den Mörder ihres alten Arbeitskollegen und Freundes.“

„Ja.“

„Ich wollte dies nur klar gestellt haben.“

„Natürlich.“

„Gut.“, alle Strenge entwich plötzlich seinem Gesicht und ein freundliches Lächeln erschien, „Ich weiß doch, dass ich mich auf meine Männer verlassen kann. Aber manchmal will ich mir selbst ein Bild machen.“

Der Kommissar nickte, dankbar, dass er noch eine Chance erhielt.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, so würde ich gerne mit Tanaka-san nun ein wenig unter vier Augen sprechen.“

„Unter… vier Augen?“, wiederholte der Kommissar unsicher. Das bedeutete, dass auch das Diktiergerät mit dem er das Gespräch aufgenommen hatte ausgeschaltet werden sollte.

„Keine Sorge, keibu-san****. Ich habe nicht vor, irgendetwas Illegales zu tun. Trotzdem gibt es Dinge, die man zunächst nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen sollten, bevor man alle Fakten kennt. Es könnte an die falschen Ohren gelangen – verstehen Sie? Ich werde sie darüber unterrichten, wenn sich mein Verdacht bestätigt… oder widerlegt hat.“

Das war also der Grund weswegen sich der Polizeichef persönlich auf die Sache eingelassen hatte. Er wusste etwas. Oder ahnte zumindest etwas. Trotzdem konnte der Kommissar nichts weiter tun, als zu nicken, das Diktiergerät auszuschalten – zumindest hatte er diese Worte aufgenommen, doch sie würden ihm nicht viel bringen, sonst hätte der Polizeichef schon vorher darauf bestanden es auszuschalten – und den Raum zu verlassen.

Bevor er durch die Tür trat blickte er noch einmal in Richtung seiner Zeugin. Mit zwei Verbeugungen verabschiedete er sich und ließ die Tür ins Schloss fallen.

Seufzend lehnte er sich mit dem Kopf an das kalte Metall. Die Situation gestaltete sich zunehmend unvorteilhafter für ihn.
 

---
 

Mit ein paar Schritten überquerte er den Parkplatz der Polizeistation. Es war Frühsommer, die Regenzeit vorüber und die Sonne schien bereits heiß auf den schwarzen Asphalt herunter. Brummend beschimpfte er seinen Beschluss das Angebot nach Sapporo versetzt zu werden abgelehnt zu haben. Auf Hokkaido, der nördlichen Hauptinsel Japans, war es bestimmt noch viel kühler. Warum konnte es sich der Schatten nicht in einer kühleren Gegend gemütlich machen?

Er ließ sich auf eine von hohen Bäumen überschatteten Bank sinken und betrachtete das Blätterwerk. Die Zweige bewegten sich im noch kühlenden Windhauch, sodass die Blätter raschelnd hin und her schaukelten. Auf der anderen Seite des Gebäudes hinter einer steilen Mauer lag die Straße und ließ das tägliche kakophonische Orchester aus Auto- und Motorradmotoren, quietschenden Reifen und quatschenden Passanten über sich ergehen. Träumend schloss er die Augen und rief das Gespräch zwischen sich und Tanaka-san zurück in die Erinnerung. Sie saß vor ihm, das hübsche Gesicht zu einer Larve versteinert, die nur ihre Augen gefüllt mit unglaublicher Neugierde freigab, und ihre Antwort abzuwägen schien.

Ja. Sie wusste etwas. Doch sie war sich noch nicht im Klaren, ob sie ihm trauen durfte. Vielleicht sollte sie dies auch nicht. Der letzte, der ihm vertraut hatte, war nun tot. Unwiederbringlich verschwunden in den schwarzen Tiefen des Todes.

Der Schauer lief ihm wieder eiskalt den Rücken hinunter. Die Schuldgefühle holten ihn ein und führten ihn zurück zu dem Tag, an dem er seinen alten Kollegen verloren hatte. Er kniete neben der schwer atmeten Gestallt, aus deren Brust dunkelrotes Blut quoll. Das Kreischen der Krähen, aufgescheucht durch den lauten Schuss und den metallischen Geruch der kostbaren Flüssigkeit, klang wie ein verhöhnendes Lachen.

„Misaki, bitte. Reiß dich zusammen. Der Arzt ist gleich da.“, betete er im Rosenkranz mehr zu sich als zu seinem Kollegen herunter und drückte seine Hand umwickelt mit etwas Stoff zur rudimentär Blutstillung auf die Wunde. Doch die Blutung ließ sich nicht stillen. Nicht bei dieser Wunde auf so primitive Weise. Der Kommissar sah sich um. Irgendwo musste doch eine Heizquelle mit Metall sein. Irgendetwas. Ein Bügeleisen. Warum war hier kein Bügeleisen? Das war hier doch eine Wohnung, oder etwa nicht?

Er wollte aufstehen und im benachbarten Raum seine Suche fortsetzen, als ihn die Hand seines Kollegen packte: „Es war eine Falle.“

Seitdem die Angreifer das Feuer eingestellt und anscheinend verschwunden waren, hatte der Kommissar nur an die Rettung seiner Leute und seines Kollegen gedacht. Der durch die Jahre trainierte, analytische Verstand hatte jedoch sofort angefangen die Lage zu sondieren, sodass ihm zumindest unterbewusst der Gedanke nicht fremd war.

„Ja. Wir waren zu unvorsichtig. Das ist ein Desaster. Aber darüber machen wir uns Gedanken, wenn du in Sicherheit …“

Er unterbrach sich selbst. Das in den Augen seines Kollegen war kein Schmerz oder Verzagen, wie wahrscheinlich in den seinen, sondern das Feuer der Herausforderung - des Sieges.

„Verstehst du denn nicht, was das bedeutet?“, er spukte etwas Blut, „Das ist wunderbar.“

„WUNDERBAR?“

„Ich hatte mich schon gefragt, ob wir nicht doch falsch liegen und uns nur in etwas verrannt haben. Wäre heute nichts passiert, ich hätte die Untersuchung abgebrochen. Aber DAS ist der Beweis. Sie hätte…“, aus seinem Gesicht war bereits jegliche Lebensfarbe gewichen und dem Kommissar war klar, dass er dringend die Wunde schließen musste. Nein, eigentlich wusste er, dass sein Kollege keine Chance mehr hatte, aber es würde doch nichts schaden sich zumindest diese wenigen Minuten noch etwas vorzumachen, oder?

Behutsam wischte er das Blut aus dem Mundwinkel: „Durch das Sprechen verlierst du mehr Blut.“

„Shun, Mach weiter. Bitte, versprich mir, dass du weiter machst!“

Versprich es mir…
 

„Sie sehen sehr erschöpft aus.“

Die dunkle Verzweiflung löste sich. Er öffnete die Augen und wurde beinahe von der Sonne geblendet. Er musste ein paar Mal blinzeln bis er das mittlerweile wohl bekannte Paar schwarzer Augen erkannte.

„Tanaka-san.“

„Darf ich mir zu Ihnen setzen?“

„Aber natürlich.“, stotterte er und rutschte unbeholfen ein paar Zentimeter auf die Seite.

Sie ließ sich mit ihrem typischen, leichten Lächeln auf den Lippen neben ihn auf das grün lackierte Holz sinken. Doch ihr Blick ruhte weiterhin auf dem Platz. Sie ließ ihn schweifen, betrachtete Polizeiwagen, Gebäude und eiskaffeeschlürfende Uniformierte, bevor sie sich ihm mit ernster Miene zuwandte.

„Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, keibu-san****. Ich weiß nicht woran sie gerade gedacht haben, aber es scheint sie sehr stark zu belasten.“

Er kam nicht zu einer Entgegnung.

„Unser Gespräch wurde so plötzlich unterbrochen.“, bemerkte sie, einen Fuß über den anderen legend, „Das empfand ich als sehr schade. Wir beide fanden noch keine Antwort auf unsere Fragen.“

„Sie wollen mir die Frage demnach jetzt beantworten?“, er war verwundert. Er hätte auf jeden Fall gewettet, sie würde ihm ihre Karten nicht so schnell auf den Tisch legen.

War dies vielleicht eine Hinterlist?

„Aber nein…“, sie verzog ihren Mund zu einem kurzen, verspielten Lächeln, „Die Antwort auf diese Frage werden sie selber finden müssen. Wenn es sich um Ihre Person so verhält, wie ich es mittlerweile vermute, werden Sie dies auch können.“

„Für was sind Sie dann hier? Das Gespräch mit dem keishi-kan* muss schnell verlaufen sein.“

Trotz durchdringender Neugierde wollte er nicht unhöflich genug sein sie nach dem Gespräch zu fragen. Vor allem seinem indirekten Vorgesetzten gegenüber wäre es eine Unschicklichkeit gewesen. Wenn etwas Fall bezogenes besprochen worden war, würde er es so oder so erfahren.

„Ja. Sehr schnell.“, sie schlug kurz die Augen nieder, bevor ihre direkten, Kraft ausstrahlenden Augen ihn hoffnungsvoll begegneten, „Sie kennen den Prolog. Die Geschichte hat aber noch gar nicht begonnen.“, so ernst hatte er sie noch nicht erlebt, „Wollen Sie hören, wie es weiter geht?“

Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie groß sie doch war.

„Ich bin ganz Ohr.“
 

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
 

Ich musste eingeschlafen sein. Als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich eingehüllt in eine flauschige Baumwolldecke, mein Kopf auf einer zusammen geknüllten Jacke ruhend, auf der Couch. Erstaunlicher Weise brauchte ich mein Gedächtnis nicht besonders zu bemühen, um zu wissen wo ich war und welche Geschehnisse mich zu diesem Ort geführt hatten. Leicht schläfrig richtete ich mich auf und blickte um mich. Die Sonne strahlte durch ein Fenster. Einige Tropfen am Glas erinnerten glitzernd an eine weniger farbenfrohe Nacht.

Obwohl die Vögel zwitscherten und der blaue Himmel einen nach draußen lockte, galt mein Interesse der Neugierde folgend ganz allein dem Raum in welchem ich mich befand.

Vorsichtig stellte ich mich auf meine wackligen Beine. Ich kam mir vor, wie ein Rehkitz, das nach seiner Geburt das erste Mal steht. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich alleine war.

„Hallo?“, rief ich , sollte jedoch ohne Antwort auskommen.

Unschlüssig drehte ich mich einige Male und musterte meine Umgebung. Schlaftrunken und verwirrt, wie ich am Abend gewesen war, erkannte ich erst jetzt die Einzelheiten. Um wen es sich bei ihm auch handelte, seine Wohnung war unpersönlich und kalt. Keine Bilder zierten die Wand, nicht eine Pflanze konnte ihre grüne Hoffnung ausstrahlen und die Möbel wirkten wahllos zusammen gestellt. Selbst die Unordnung wollte kein heimisches Gefühl aufkommen lassen. Mir kam der Gedanke an einen Menschen, der nur für kurze Zeit gezwungener Maßen an einem Ort verweilte, dort aber nicht lange bleiben wollte und das auch nicht versuchte zu verheimlichen.

Hinter mir bemerkte ich, dass er die Couch für meinen Schlaf leer geräumt hatte. Dafür stapelten sich die Blätter kniehoch davor auf dem Boden. Von ihm selbst, fehlte jegliche Spur. Obwohl mein Magen knurrend und schmerzend nach Essen verlangte, konnte ich die Aufmerksamkeit nicht von der Wohnung abwenden. Erwartungsvoll trat ich aus der Tür und spähte zu den anderen beiden Zimmern, die ich bisher noch nicht kannte, hinunter. Auf der Matte neben der Wohnungstür waren meine Schuhe allein zurück geblieben und mit einem verstohlenen Blick ins Bad bemerkte ich ebenfalls das Fehlen der Jacke. Er war demnach weggegangen und hatte mich hier zurück gelassen.

„Er wird doch wieder kommen, oder?“, fragte ich mich selbst in die Stille hinein.

Natürlich wird er das!Antwortete eine Stimme in meinem Inneren.

Schon immer war ich besonders neugierig gewesen, doch meine Erziehung hielt mich davon ab in die Zimmer fremder Personen zu gehen, vor allem die eines…

Wie ein Schlag traf mich die Tatsache. Ich befand mich in der Wohnung eines Mörders. Eines Killers. Noch schlimmer, in der eines Auftragskillers. Ein Mann, der für Geld tötete, würde mich als Zeugin doch nicht am Leben lassen wollen. Ich wusste, dass er ein Auftragskiller war, weil ich ihn noch nie gesehen hatte und meine Eltern sonst keine Geschäfte zu solch zweifelhaften Personen pflegten. Desweiteren schien er ja nicht an meiner Familie, sondern diesem anderen Kerl auf den Fersen gewesen zu sein. Vielleicht strich er gerade seinen zweiten Lohn ein.

Wie ein Tier auf der Flucht hetzte ich über Blätterstapel springend zum Fenster und blickte heraus. Menschen liefen mehrere Meter unter dem Fenster vorbei. Fünfter oder sechster Stock eines Wohnhauses, schätze ich, konnte mich aber nicht daran erinnern, wie viele Stufen wir erklommen hatten. Wie verschlafen war ich die letzte Nacht gewesen?

Du hast gesehen, wie deine Eltern ermordet wurden.Meldete sich die Stimme in meinem Inneren zurück.

Wie albern. Ich hatte nach dem Aufwachen vielleicht gewusst wo ich war, doch die Situation begriff ich erst in diesem Moment. Mit voller Wucht schoben sich die Erinnerungen und weitere Horrorvorstellungen in mein Bewusstsein und lösten einen Schock aus. Was würde dieser Mann mit mir machen, wenn er wieder kam? Vielleicht suchte er bereits einen Ort an dem er meine Leiche beseitigen konnte. Egal welcher Gedanke oder welches Gefühl – falls dieser Mann zu Gefühlen fähig war – ihn dazu bewegt hatte mich zu ihm nach Hause einzuladen, ihm musste mittlerweile klar geworden sein, welche Gefahr von mir ausgehen konnte. Zwar kannte ich seinen Namen nicht und ein Phantombild von ihm zu erstellen war eine Sache der Unmöglichkeit, aber ich war und blieb eine Zeugin.

Dann traf mich ein anderer Gedanke. Vielleicht wollte er mich als Mörderin hinstellen. Wie unsinnig diese Idee war, wurde mir in meinem verwirrten Geisteszustand nicht klar. Stattdessen stemmte ich mich versuchshalber mit meiner ganzen Kraft gegen den Schiebemechanismus des Fensters. Doch es blieb verschlossen.

Er will bestimmt nicht, dass irgendjemand einbrechen kann – oder ausbrechen kann.

Dann barst der Damm, den ich bisher noch mühsam aufrecht gehalten hatte. Hilflosigkeit, Angst und Wut mischten sich zu einem gefährlichen Cocktail, der meinen Verstand zu vernebeln drohte. In meinem Inneren brach ein Kanon aus verschiedenen Stimmen los, die sich ständig wiederholten und jegliche Gefühlsregungen zu denen ein Mensch befähigt war wieder gaben. Schluchzend ging ich zu Boden.

Deine Eltern sind tot.

Du bist allein.

Willst du sie nicht rächen?

Blut… überall Blut.

Er wird kommen und dich ebenfalls weg schaffen.

Er hat deine Eltern nicht umgebracht, sondern deren Mörder.

Ich brach ich lautes Lachen aus, welches nur wieder in Weinen über ging.

Was mache ich nur?

Allein.

Rache.

Blut.

Verlust.

Allein.

Allein?
 

Wie eine schützende Umarmung legte sich der schwarze, schwere Mantel um mich. Verblüfft musste ich mit großen, roten und vor allem verquollenen Augen aufgeblickt und zum ersten Mal sein Gesicht gesehen haben, denn ein leichtes, trauriges Lächeln flog darüber.

„Ich weiß, das ist furchtbar für dich. Aber wenn du Leben willst, wirst du es durch stehen müssen.“, sein tiefer Bass durchdrang den Zweifel und die Angst, wie die Sonnenstrahlen den Schrecken der Nacht. Wie ironisch, dachte ich.

„Geh dein Gesicht waschen und dann mach ich dir etwas zu essen.“

„Willst du mich denn nicht zum Schweigen bringen?“, schon als ich es sagte, kam es mir dumm vor. Meine Finger bohrten sich in den dicken Stoff, während ich den Mantel enger an mich zog.

„Wenn ich dich als Gefahr befunden hätte, wärst du jetzt bestimmt nicht hier.“

Ich betrachtete ihn. Seine Bewegungen waren geschmeidig und kraftvoll. Doch sein Gesicht, kantig, ernst und braungebrannt, sprach von Verlust und Einsamkeit. Die Muskeln um seine Lippen schienen sich erst mit der Zeit wieder an die Bewegungen zu einem freundlichen Lächeln erinnern zu können. Seine tiefschwarzen Augen hatten eine unheimlich stechende Präzision mit der er jeden Menschen bis auf die Knochen zu durchleuchten schien – natürlich meine ich dies auf psychischer Ebene – und doch schien es mir, als erblickte ich eine gewisse Leere darin. Sie, werter keibu-san, werden verstehen, dass ich ihn nicht weiter Beschreiben möchte. Es wäre undankbar von mir sein Aussehen der Polizei zugänglich zu machen.

Während ich ihn beobachtete und den schwarzen Mantel an mich drückte, hatte er sich in die Kochnische zurück gezogen und eine Pfanne auf die langsam rot aufglimmende Herdplatte gestellt.

„Das Bad ist vorne rechts, wenn du es mittlerweile wieder vergessen hast.“, sprach er mehr in den Kühlschrank als zu mir.

Vergessen hatte ich eher mein von Tränen verklebtes Gesicht und den erbärmlichen Zustand in dem ich mich befinden musste. Um etwas Ansehnlichkeit wieder zu erlangen, durchlief ich den Slalom aus Blättern, darauf bedacht nichts durcheinander zu bringen – was mit dem viel zu langen Mantel eine schwierige Aufgabe darstellte, um nicht zu sage eine für mich unlösbare, deren Scheitern durch ein »Lass liegen.« quittiert wurde – und eilte ins Bad. Während ich den Mantel auf seinen Bügel hängte und mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze, drang mir der verführerische Duft nach Spiegelei und Toaste in die Nase. Für meinen Magen ein nicht zurückweisbarer Befehl, bei dem er begann laut zu Knurren.

Was für ein Zufall, dachte ich. Obwohl es ein ausländisches Essen war, hatte es sich schon in meinen jungen Jahren als Lieblingsfrühstück heraus kristallisiert. Bis heute hatte sich nichts daran geändert.

Eilig hastete ich ins Wohnzimmer zurück.

„Wie ich sehe, hast du einen großen Hunger.“, sein freundlich gemeintes Lächeln verzog sein Gesicht zu einer Horrormaske. Rasch wandte er sich ab und stocherte am Ei herum. „Setzt dich ruhig.“

Hoffentlich lässt er das Ei am Leben.

Mit einem Blick zu dem ehemals von Zeitschriften und Blättern überladenen Tisch fiel mir auf, dass sich das Chaos eine Etage tiefer erneut und vor allem verstärkt verteilt hatte. Was für eine Vorstellung von Ordnung hatte… dieser Mensch, vollendete ich meinen Gedankengang.

Doch durfte ich ihn nach Namen und Person fragen?

„Wohin kann ich dich bringen, sobald du gefrühstückt hast?“, er stellte einen Teller vor mich ab. Ich musste zugeben, dass es wirklich nicht schlecht aussah.

„Du willst mich gehen lassen?“

„Bei mir kannst du schlecht bleiben. Das ist kein Leben für dich.“

„Das meine…“, doch ich biss mir gerade noch auf die Lippen. Wenn er mich schon gehen lassen wollte, sollte ich ihm meinen Tod nicht schmackhaft machen.

„Irgendjemand wird dich doch vermissen.“

Ich brauchte nicht wirklich über die wenigen, recht oberflächlichen Beziehungen nachzudenken, die sich in den vergangenen Jahren gebildet hatten. Einige Schultherapeuten schoben es auf den Verlust eines mir sehr wichtigen Menschen, womit sie vielleicht nicht unbedingt Unrecht hatten. Das mussten sie aber nicht wissen. Was meine Verwandten anging, so hatte ich die Nacht zuvor die letzten verloren.

Betreten blickte ich auf den Boden. Wahrscheinlich würden mich meine Klassenkameraden und Lehrer vermissen. Aber das war mir egal.

„Außerdem sucht die Polizei nach dir.“

„MIR? Warum?“

Von irgendwo hatte er die Tageszeitung heraus gezaubert und schlug die Seite mit den regionalen Ereignissen auf: „Weil man dich nicht findet und du als einzige Überlebende einer Tragödie giltst.“

„Werden die mich fest nehmen?“

„Ich glaube, das ist dein geringstes Problem.“

„Was?“

„'Bitte'… es heißt 'Bitte?'.“

Das darf doch nicht wahr sein. Will er mich jetzt etwa erziehen?

„Die Presse verkündet zwar – und die Polizei wird ihre Meinung teilen –, dass deine Eltern Opfer eines geflüchteten Räubers wurden. Das stimmt allerdings nicht.“

„Und das weißt du, weil…?“

„Weil ich beauftragt wurde, den Mann umzubringen.“

„Und nicht meine Eltern? Vielleicht kam dir der Mann zuvor?“ Ich hatte es selbst ausgeschlossen, wollte ihn jedoch irgendwie aus der Reserve locken.

Er sah mich schräg von der Seite an: „Dein Essen wird kalt. Ich habe es nicht gemacht, damit es vor deiner Nase vergammeln kann.“

„Wer bist du überhaupt? Und wo warst du heute morgen?“

„Recherchieren.“

„Recherchieren?“

„Genau. Und nun iss. Ich erwarte Besuch und zu dem Zeitpunkt will ich dich los geworden sein. Wenn du niemanden kennst, dann werde ich dich zu einer Bekannten von mir bringen. Dort bist du sicher.“

„Ich bin kein kleines Mädchen, das du herum kommandieren kannst.“, Wut stieg in mir herauf. Das betraf mich und mein Leben. Und dieser Mensch wollte mich einfach abschieben und so tun, als ginge es mich überhaupt nichts an. Dabei hatte ich vorhin wirklich gemeint, er würde so etwas wie Mitgefühl empfinden.

Plötzlich loderte in seinen Augen der Mörder auf, der er war.

Eingeschüchtert setzt ich mich schließlich und begann das Ei auseinander zu nehmen. Mein Appetit hatte sich verflüchtigt, auch wenn mein Magen weiterhin schmerzhaft auf sich aufmerksam machte. Schweren Herzens schob ich Stück für Stück in den Mund, kaute darauf herum und biss ab und zu in das Toastbrot, welches er mir als Beilage auf den Teller gelegt hatte. Dass es mir sehr gut schmeckte, wollte ich ihm, der mittlerweile den Abwasch tätigte, nicht wissen lassen, und begann deshalb den Artikel zu lesen ohne wirklich mitzubekommen was darin geschrieben stand.

Gerade als ich anfing mich darüber zu ärgern, dass er auch die Frage nach seiner Person nicht beantwortet hatte, klopfte es drei Mal laut an der Tür. War dies sein Gast von dem er gesprochen hatte. Wenn ja, so schien er normalerweise nicht daran gewöhnt zu sein auf eine Antwort zu warten, denn nur kurze Zeit darauf hörte ich wie das metallene Türschloss in die Tür zurück glitt.

Hastig wandte sich mein Gastgeber um und wollte etwas sagen, als er schon adressiert wurde: „Eizô, ich bin’s.“

„Huch… Habe ich irgendetwas Falsches gesagt, Ei…“, er blickte in den Raum herein und direkt in die wütenden Augen der Person, die er angesprochen hatte. Erst dann bemerkt er mich: „Ach du je. Wer ist das? Ich wusste nicht, dass du auf junge Knaben stehst.“

„WAS FÜR EINE UNVERSCHÄMTHEIT! Ich bin eine Frau!“, entfuhr es mir.

Wahrscheinlich kann sich der Kommissar nicht vorstellen, dass ich früher ein ziemlicher Wildfang war. Anstatt mit den Mädchen zu spielen, Ikebana***** zu besuchen oder gar Teezeremonie zu erlernen, bereitete ich meinen Eltern durch Fußballspielen oder Kampfsportarten Probleme. Dies ist ein weiterer Grund warum ich nicht großen Anschluss zu Gleichaltrigen fand. Mädchen wie Jungs fanden mich unheimlich, weil ich mich sehr untypisch verhielt.

„Trotzdem bist du extrem jung.“, an meinen Gastgeber gewandt, „Damit verstößt du gegen das Jugendgesetz.“

„Kannst du nicht einmal ernsthafter sein? Sie ist das Mädchen, das die Polizei sucht. Du weißt schon, die Familie deren Mörder ich gestern erledigte. Und eigentlich sollte sie meinen Namen nicht erfahren.“

Es dauerte einige Zeit bis sich die Schriftzeichen zu dem Namen in meinem Kopf zusammen setzen. Eizô kann mit den Kanji für ‚Silhouette‘ geschrieben werden und woran erinnert dies?

„Du bist der, den man den ‚Schatten‘ nennt.“, stellte ich laut fest.
 

-------------
 

*Polizeichef - Oberster polizeilicher Beamter in der Präfektur, Tokio ausgenommen

**Hauptkommissar

***Hauptkommissar in der Hauptpolizeistelle der Präfektur

****Kommissar

*****Ikebana: Blumenstecken, Kunst die Blumen zu dekorativen zusammen zu stellen

Ikebana und Teezeremonie sind japanische Traditionen

San: Frau/Fräulein/Mann

Die Falle

Eigentlich wollte ich ein wenig Humor herein bringen, aber ich fürchte, dass es mir gründlich misslungen ist. Das heißt: Weiter üben!

Desweiteren hat ein hier neu auftretender Charakter plötzlich ein Eigenleben entwickelt. Zum Glück passt es zu der Person. >.<

Viel Spaß beim Lesen,

Oxymora
 

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
 

3. Kapitel: Die Falle
 

"Du bist der, den man den Schatten nennt.", flüsterte ich leise, aber dennoch für alle hörbar.

Die große, kräftige, schwarze Raubkatze – ja, das ist eine gute Beschreibung für ihn, der sich leise an seine Beute anpirscht und dann pfeilschnell und vor allem tödlich zuschlägt – spante ihre Muskeln an: "Und wenn dem so ist?"

Ich konnte jedoch nicht antworten. Meine Zunge, meine Beine, ja einfach jeder Muskel in meinem Körper schien plötzlich gelähmt. In meinen kindischen Gedanken, hoffte ich, dass zumindest mein Herz weiter schlug, während ich so still dastand und mich nicht einmal traute zu atmen.

"Hör zur.", Wie erleichtert ich war, als er sich wieder zu entspannen schien, "Das hier ist eine Welt in der ein Mädchen nichts zu suchen hat. Vergiss mich und vor allem mein Gesicht so schnell wie möglich, dann wird dir von mir auch keine Gefahr drohen. Ich bringe dich vorerst zu einem Bekannten von mir und verschaffe dir falsche Papiere. Dann wird sich eine Person, der ich sehr viel Vertrauen schenke, um dich kümmern – im Ausland und fern von diesem gefährlichen Land."

Ich wollte, konnte aber nichts einwenden. Was sollte man einem Mann, der zum gefährlichsten Verbrecher Japans erklärt worden war, entgegensetzen? Nichts. Vor allem nicht mit meinem Feingefühl, das von jedem Elefanten geschlagen werden konnte. Da halfen die mitleidvollen Augen des hageren, mich nur gering überragenden Kollegen, dessen Namen ich noch nicht kannte, ihn aber heimlichen auf den Namen ‚Mouse‘ getauft hatte, auch nichts. Wahrscheinlich hätte ich mich wenige Tage später in einem Bergdorf in der Mongolei oder bei einem Stamm in Afrika wieder gefunden, waren meine weiterhin jugendlichen Gedanken, wenn sich die Situation nicht plötzlich drastisch in eine prekäre Lage verwandelt hätte.

Anfangs hielt ich es für ein Erdbeben, wie sie in Japan nun einmal durch die Randlage am Kontinent vorkommen, und ließ meinen Kopf auf der Suche nach einem schützenden Ort in Richtung Tür schnellen, doch die Erschütterung, sowie der Donner hörte sofort wieder auf.

"Was war das?"

"Das ging schnell. Hätte ich ihr niemals zugetraut.", brummte Eizô – wie ich ihn der Einfachheit halber weiterhin nennen werde – und starrte aus dem Fenster, "Das ist jetzt verdammt ungünstig."

Sein Kollege und ich sahen uns in geteilter Unwissenheit verunsichert an.

"Ich hatte zwar mit einem baldigen Angriff gerechnet. Aber das…"

Er nahm mich am Arm und zog mich etwas weiter in die Ecke. Jetzt konnte ich nicht mehr nach draußen sehen und von draußen wurden wir wahrscheinlich auch nicht gesehen.
 

"Du bist dir sicher, dass sie sich in dem Gebäude befindet?", sie wippte mit dem Stuhl geschickt balancierend vor und zurück, "Ich vertraue manch einem Informanten nicht."

"Wir haben den ganzen Tag das Gebäude beobachtet. Sie stand am Fenster im sechsten Stock und vorhin hat ein Mann das Gebäude betreten, der auf die genannte Beschreibung passt."

"Hihi… sehr schön.", mit einem lauten Bäng landeten die beiden vorderen Füße des Stuhls lautstark auf dem Boden, "Es ist lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben."

Sie erhob sich und zauberte aus ihrer Handtasche eine Packung Zigaretten hervor. Wie durch Magie entzündeten sich das Ende, während sie am Filter zog, "Ist alles bereit? Kann es los gehen?"

"Auf Ihren Befehl.", hechelte der Mann.

Ein eiskaltes Lächeln verzog ihre Lippen, "Sag dem Kerl Bescheid und dann heizen wir ihnen ein wenig ein. Flammen werfen einen so schönen Schatten."
 

Herr Yamamoto sagte drei Stunden später der Polizei als Zeuge aus, dass er gerade seine Schlüssel aus der Hosentasche kramte und um die Ecke zum Wohnhauseingang bog, als die Tür durch eine gewaltige Explosion aus den Angeln gesprengt wurde. Die Feuerwehr fand wahrhaftig Spuren von sechs, wohlpositionierten Bomben, die das Gebäude beträchtlich beschädigen, aber nicht zum Einsturz bringen sollten, doch die Beamten der Kripo sollten keine Hinweise auf die Pyromanen finden.

"Komm.", befahl die Frau einem anderen Mann.

"Sie wollen da wirklich hinein gehen?"

"Aber natürlich. Den Hasen auszuräuchern ist doch langweilig. Keine Sorge, die treuen Gesetzeshüter werden nicht auf sich warten lassen. Dafür ist gesorgt. Und die sind schließlich auf unserer Seite, auch wenn sie es nicht wissen."

Sie lachte und mit klang ihr Stolz auf ihren Plan, ihre Genialität und die Abscheu über die Dummheit der Beamten.
 

"Ähm… Eizô. Das Erdgeschoss ist praktisch unpassierbar. Ich habe nachgesehen. Die Feuerleiter ist verschwunden. Und im Polizeifunk vernahm ich, dass sie sagen, du würdest dahinter stecken, sodass sie sogar mit Helikoptern unterwegs zu uns sind. An den Fenstern der Nachbarhäuser habe ich Scharfschützen gesehen. Wir könnten zwar mit den anderen Bewohnern die Springtücher der Feuerwehr verwenden – immerhin kennen sie unsere Gesichter nicht – doch sie hier kennen sie. Wir sind eingezingelt. Es sei denn…"

Er wurde scharf gemustert.

"Es sei denn, wir lassen sie hier.", Er schluckte geräuschvoll, "Glaubst du, sie werden ihr etwas antun?"

Mit einem Blick zur Tür antwortete er: "Nein."
 

Auf einem Ohr hörte sie den Polizeifunk, im anderen hatte sie eine private Leitung.

"Einheiten drei und fünf, Position durchgeben. Sind sie bereit? – Roger. Haben freie Sicht. – Einheiten zwei und…"

Sie ignorierte die Absprachen zwischen dem Einsatzleiter und seinen Leuten. Stattdessen schob sie sich geschmeidig wie eine Schlange durch eine offen stehenden Wohnungstür und beobachtete lautlos wie ein Mann an ihr vorbei lief. Sie kannte ihn. Er war ein Informant des Schattens. Hastend und röchelnd kam er wenige Sekunden wieder zurück.

"Ja, da unten ist kein Ausgang mehr.", lächelte sie in sich hinein.

Der Mann hielt Inne und wagte einen Blick nach draußen: "Auch noch Scharfschützen. Und vorhin habe ich über den Funk erfahren, dass sie Helis schicken. Kuso. Wie schaffen sie das so schnell?"

Er begann den Aufstieg von neuem.

"Sehr gut, zeig mir, wo sich der Schatten befindet."

Stufe um Stufe schlich sie ihrem Opfer hinterher bis sie den sechsten Stock erreichten. Ihnen entgegen kamen mehrere verschreckte Hausbewohner in Begleitung zweier Feuerwehrmänner. Ein verschwitzter Mann, der sich für die Betreuung seines Nachkommens frei genommen hatte, trug ein weinendes Kind auf dem Arm, eine junge Frau im Anzug versuchte sich Ruß aus dem Gesicht zu wischen, verteilte ihn jedoch in Schlieren weiter im Gesicht. Sie hatte sich eigentlich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet. Ein Mädchen in modischer Kleidung und extremer Schminke, wohl die Schule schwänzend, half einem älteren, gebückt gehenden Herrn mit Stock zum Ende des Flurs, wo ein weiterer Feuerwehrmann die Bewohner in ein Zimmer lotste. Die Auftragsmörderin sah gerade noch, wie sich die Wohnungstür hinter der Zielperson schloss, als das hilfsbereite Mädchen sie bemerkte: "Kommen Sie. Hier hinten hat die Feuerwehr eine Drehleiter nach oben gefahren."

"Ich muss noch etwas aus meinem Zimmer holen.", entgegnete sie so scheinheilig wie sie konnten, "Asthma. Ich kann ohne meine Medikamente nicht gehen."

"Die Notärzte haben Medikamente.", mittlerweile war das Mädchen mit dem Mann als einzige im Gang zurück geblieben und wunderte sich nicht im geringsten über die tadellose, sportliche, gänzlich schwarze Kleidung der angeblich Hilfsbedürftigen.

"Ich komme ja gleich.", am liebsten hätte sie sie erschossen. Mussten sich die Leute ständig in die Angelegenheiten anderer einmischen? Aber welcher Brand hatte seine Opfer mit 9mm Vollmantelgeschossen bereits in den Himmel oder Hölle geschickt? Sie hätten es zwar dem Schatten anhängen können, doch irgendein dummer Kommissar beziehungsweise ein zu schlauer Kommissar hatte schon einmal den Verdacht erhoben, dass nicht alle ihm zu Lasten gelegten Morde auch wirklich auf sein Konto gingen. Zum Glück ließ das Mädchen durch das Murren des Alten von ihr ab und die beiden verschwanden in ein Zimmer, durch das sie das brennende Gebäude verließen.

Ein Blick nach links.

Ein Blick nach rechts.

Endlich alleine.

Sie war geübt genug, um nicht erst dem Holster ihrer Waffe zu suchen, sondern Griff sofort nach dem kalten Griff des mörderischen Instruments.

Dann meldete sich der zweite, der private Kanal an ihrem Ohr: "Hast du sie?"

Sie wandte sich von der Tür ab und flüsterte in ein Mikrofon, welches in ihre Jacke eingearbeitet worden war: "Ich bin im sechsten Stock. Der Informant ist gut. Zimmer stimmt auch. Ich werde mich sofort darum kümmern."

"Pass auf."

"Ich weiß."

"Vorhin wurde uns gesagt, dass sich dein alter Freund und unsere eigentliche Zielperson zwar nicht aus dem Zimmer heraus bewegt haben – das hätte mein treuer Scharfschütze gesehen – aber sich in eine Ecke zurück gezogen haben, die wir nicht einsehen können. Bis du ihn da nicht heraus holst, werden dir die Scharfschützen nicht helfen können. Du darfst das Mädchen unter keinen Umständen erschießen. Am liebsten würde ich sagen, dass du den Schatten erledigen kannst, aber es könnte sein, dass wir ihn noch brauchen."

"Wakatta.", ob sie das im Sinne ‚Habe Verstanden‘ oder ‚Ich weiß‘ meinte, überließ sie ihrem Gesprächspartner.

Mit wenigen Schritten hatte sie die Türe erreicht. 653. Ihre schwarz behandschuhte Hand packte den Griff, die Waffe in der rechten Hand geladen, entsichert und schussbereit, und drückte ihn langsam und völlig geräuschlos nach unten. Vorsicht darauf bedacht, dass sie keinen Laut von sich gab, öffnete sie die unverschlossene Türe. Keine Reaktion. Keine Gefahr. Dahinter fand sie den Flur, wie es der Informant und ebenso der Hausplan beschrieben hatten. Durch eine Tür auf der linken Seite kamen Stimmen und eine davon kannte sie zu gut.

"Glaubst du, sie werde ihr etwas antun?"

"Nein."

"Hallo, Schatten.", dachte sie bei sich und kauerte sich hinter die spaltbreit offene Türe.

Noch einmal tief durchatmen, dann warf sie die Tür so schnell sie konnte auf, wartete ob nicht die erste Salve Kugeln durch die Tür schoss, wie dem nicht wahr, und holte einen Spiegel heraus, um die Situation im Inneren zu überblicken.
 

---------------------------------------------------------------------------------
 

Die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Himmel in blutrot.

Befangen betrachtete der Kommissar die Frau vor sich und wartete. Und wartete. Doch sie ließ stumm die Farbe des Firmaments auf sich wirken ohne ihrem Zuhörer das Gefühl zu vermitteln fortfahren zu wollen.

„Und weiter?“, forderte er sie ungeduldig auf.

Sie atmete tief durch und schloss in Gedanken versunken die Augen.

Wie sie so ruhig vor ihm saß und die letzten warmen Sonnenstrahlen des Tages in sich auf zu sogen schien, wirkte sie plötzlich sehr verletzlich. Ihr Körper war angespannt, die Sehnen traten an Armen und am Hals hervor, während eine leichte Sorgenfalte ihre Gesichtszüge störten. Die Zeit, die normale Jugendliche zur Suche und oftmals zum Finden ihrer Person verwendete, hatte sie im Bann eines Mörders und auf der Flucht vor irgendwelchen Verbrechern zugebracht. Zum ersten Mal holte den Kommissar der Gedanke ein, dass die Geschehnisse für sie nicht gerade leicht gewesen sein können.

Aber vielleicht log sie ja. Der Mensch war in seiner Jugend leicht zu beeinflussen und genau dies hatte sich der Schatten zu Nutze machen können.

„Himura-keibu, ich habe nicht das Stockholm-Syndrom.“

Er fühlte sich wie ein Dieb, den man gerade in flagranti erwischt hatte, winkte aber ab.

Sie seufzte. Mit dem Öffnen ihrer Augen schien ein Strom an Energie sie gänzlich zu umhüllen und es war schwer ihrem direkten Blick stand zu halten.

„Wer ist diese Frau?“, spukte die Frage dem Kommissar im Stillen durch den Kopf.

„Zunächst einmal wollte ich Schluss für heute machen – Sie wissen doch, wenn es am Schönsten ist, soll man aufhören – aber ich führe die Geschehnisse zu Ende. Unter einer Bedingung!“, schon als sie das Wort ‚Schluss‘ in den Mund genommen hatte, zeigte der Kommissar Anzeichen von Revolte, was sie durchaus verstehen konnte. Nun wirkte er noch gebannter. Kam aber nicht zu Wort.

„Ich möchte sie bitten heraus zu finden, welche Unterlagen der Polizei über diesen eben beschriebenen Fall vorliegen.“

„Das kann ich nicht machen. Ich kann keine internen Informationen an einen Außenstehenden weitergeben.“, er dachte an die Paragraphen, die er dabei überschreiten würde, und schmerzhaft dachte er an das Gespräch mit dem keishi-kan an diesem Tag. Einen Faute-pas durfte er sich demnächst nicht mehr leisten, sonst hatte er in erster Linie eine Anzeige am Hals und konnte im schlimmsten Falle in Zukunft sich die Fassaden des Polizeipräsidiums von außen ansehen.

Er hoffte, dass der Blick, den er ihr schenkte, vertrösten wirkte und ihre Enttäuschung mindern könnte. Doch sie hatte nicht vor, sich Abwimmeln zu lassen. Sie sah ihn nur ruhig an, doch er spürte wie die Kohle unter ihm glühte. Mehr als es je Worte zu Stande gebracht hätten. Sie bot ihm Information. Die ganze Sache war abgekartet gewesen, hatte ihn neugierig und abhängig machen sollen und nun wollte er wissen, was diese Frau alles wusste. Sie hatte die Information, die er benötigte um seinen Fall zu lösen, doch es gab in diesem Geschäft nichts für lau. Wenn er etwas wollte, musste er etwas bieten.

Er gab nach: „Dann brauche ich jedoch genauere Angaben. Es gab bestimmt viele Brände zu der Zeit. In ganz Japan.“

„Der Brand fand in +++++** statt. ++++**“, und dann wich die Ernsthaftigkeit in ihrem Gesicht der gewohnten Fröhlichkeit, „Vielleicht kann das auch meine Glaubhaftigkeit stärken.“

„Ich werde sehen was sich finden lässt. Vielleicht muss ich auch vor Ort reisen.“, der Kommissar holte sein Notizheft und einen Stift auf der Brusttasche seines Hemds und notierte die Daten, „Aber es ist ja nicht so weit.“

„Ich danke Ihnen.“

Er stopfte alles wieder zurück in die Tasche, „So. Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.“

Mit diesem Lächeln könnte sie jeden Ködern, dachte der Kommissar, bevor sie erneut zu erzählen begann.
 

---------------------------------------------------------------------------------
 

Der Spiegel zeigte ihr das Innere des Zimmers wider. Eizô rauchte eine Zigarette und blickte in Richtung Tür: "Willst du nicht eintreten, Hebi***. Oder ist dir Belinda lieber? Einen großen Unterschied macht das wohl im Endeffekt auch nicht."

Verwundert musterte sie seine schlanke, groß gewachsene Gestalt, die lässig geschützt vor jeglichen Scharfschützen in der Kochecke lehnte, die Pistole rechts neben sich auf der Kochplatte liegend.

Ansonsten war der Raum menschenleer.

Bestürzt sprang sie auf und trat in den Raum – der kaufbare Scharfschütze der Polizei informierte seinen Auftraggeber, dass die beiden Kontrahenten aufeinander trafen.

Tatsache, niemand außer ihm befand sich im Raum.

"Du hast dich doch gerade unterhalten!"

"Njoaaaa…", die Zigarette zwischen den Lippen holte er mit der Linken eine Fernsteuerung heraus und drückte auf den Startknopf. Aus dem Papierstapel ertönte plötzlich die Stimme seines Kollegen: "Es sei denn, wir lassen sie hier.", das Schlucken, "Glaubst du, sie werden ihr etwas antun?"

"Dass du dich mit so etwas hast reinlegen lassen. Ich bin wirklich enttäuscht. Zumindest Wanzen habe ich erwartet, aber da ich ständig kontrolliere, hattet ihr wohl zu große Angst davor."

"Wo ist sie?", sie verzog wütend das Gesicht zu einer Maske der Grausamkeit.

"In Sicherheit."

Ein gefährliches Knistern durchzog die Luft zwischen ihnen. Sie wusste, dass ihr Meister sie für ihre Torheit und Arroganz rügen würde – zu Recht. Das Spiel hatte der Schatten gewonnen, doch aus dem Match würde er nicht als Sieger hervor gehen. Die Spannung legte sich und mit einem Mal konnte sie nur los lachen: "Umso besser. Dann sind wir… alleine."

Obwohl ihr letztes Wort eine ganz andere Gefühlsregung als blanke Gewalt vermuten ließ, traf das Geschoss ihrer Waffe die Wand wenige Sekunden später hinter der Stelle, an der noch kurz zuvor Eizôs Kopf gewesen war. Mit kontrollierten Bewegungen hatte er seine Waffe ergriffen und bereits zwei Kugeln als Retour verschossen, bevor er zeitgleich mit dem Schlag von Blei auf Kacheln sich mit dem linken Arm abfederte – seine Zigarette fiel zu Boden und blieb rauchend liegen – und zwei weiteren Kugeln mit einer Rolle über die Schulter in Richtung Fenster auswich – die Aufmerksamkeit und Gefahr der Scharfschützen ließ die Nerven in seinem Körper prickeln. Dann zerbarst das Fensterglas und er fand sich bereits eineinhalb Meter von den beiden Einschusslöchern entfernt hinter der Couch.

"Hier ist es doch gemütlich, findest du nicht?", sie hockte vor ihm mit einem merkwürdig lüsternen Grinsen.

"Wirklich, du entsprichst nicht im geringsten meinen Vorzügen!", er blockte ein Messer ab, das sie gerade aus einer Scheide an ihrem Gürtel gezogen und ihm versucht hatte in den Hals zu stechen. Das Metall glitzerte tödlich in der Sonne, als es drohend über ihm in der Luft schwebte, während er ihr Armgelenk fest gepackt hielt.

"Sie sind umstellt, Schatten. Wir wissen, dass sie da drinnen sind und eine Geisel haben.", knatterte es aus dem Megafon des Einsatzleiters.

"Meinen die dich oder versuchen sie das Mädchen zu bekommen?"

"Warum hast du sie mitgenommen? Woher wusstest du, wie wichtig sie für uns ist?"

"Werfen sie das Messer weg. Sie haben keine Chance mehr!"

Er senkte die Hand, um nicht durch eine Kugel verletzt zu werden.

"Von dir reden sie anscheinend nicht."

"Wo ist sie?"

"Dann also zwei Autos aushandeln?"

Zwei Kugeln sausten über ihren Köpfen vorbei und gruben sich in Papierhaufen. Sie bemerkte, dass Eizô für einen kurzen Moment gezuckt hatte.

"Verschwinde, die Polizei stürmt das Gebäude.", hörte sie die Stimme ihres Kollegen durch die private Leitung am Ohr. Unnötig, denn der Polizeifunk hatte ihr bereits den Einsatz in allen Einzelheiten verraten.

"Um das Mädchen kümmern wir uns später."

Für beide Mörder bedeutete es nun den Rückzug anzutreten. Das Feuer hatte bereits die ersten Stöcke in eine schwarzgraue Wüste verwandelt, die Luft war schwül und stickig, der Ruß klebte hartnäckig wie Harz auf allem und der Rauch zog sich beißend in alles Material, das er erreichen konnte. Trotz ihrer Ausbildung, die sie gestärkt und etwas unempfindlicher als normale Menschen gemacht hatte, hatten die beiden Mörder zu viel der giftigen Gase und Partikel eingeatmet. Die Polizei stampfte bewaffnet und geschützt vor Blei und dem Brand in der Meinung ein Mädchen retten zu müssen die Treppen hinauf. Doch die größte Gefahr bildeten die beiden Mörder einander. Sich belauernd, suchten sie irgendeine Öffnung in der Deckung ihres Gegners. Eine leichtfertige und unbedachte Bewegung konnte den Tod bedeuten, das wussten beide. Doch hier weiterhin hinter dem Sofa ausharren konnten sie auch nicht. Das wusste Eizô, denn die Polizei würde ihn nur zu gerne festnehmen wollen.

Langsam begann der Sauerstoffmangel in dem Gebäude sich in seinem Gehirn bemerkbar zu machen. Ein leichtes Schwindelgefühl versuchte sich seiner zu bemächtigen, das er mit einer leichten Bewegung des Kopfes los zu werden versuchte. Doch für Hebi war das eine Einladung, die sie nicht unbeantwortet lassen konnte.

Mit ihrer freien Hand den Lauf von Eizôs Pistole greifend, zog sie sie mit einem starken Ruck aus seiner Hand. Der Griff braust nur knapp an seinem Kopf vorbei. Aus der Hocke heraus versuchte er einen Karateschlag zu landen, doch auch sie wich gelungen aus und nutzte seine Kraft durch einen Aikidowurf, um ihn wieder für die Scharfschützen zum Ziel zu machen, deren Reaktionen zu langsam waren, als dass die Kugeln ihn hätten treffen können. Schon landete er mit einer Rolle rückwärts im Flur und löste sich damit aus ihrem Nahkampfkreis und dem Fadenkreuz der Scharfschützengewehre.

"Flüchtest du?", rief sie ihm lachend hinterher. Dass sie nun im Besitz zweier Waffen war – ihrer und auch seiner – ließ ihn jeglichen Stolz vergessen. Wenn er hier lebend heraus kommen wollte, musste er verschwinden.

Aber dennoch konnte er nicht einfach den Rückzug antreten: "Bei deinem feurigen Temperament sollte es dich nicht wundern. Pass auf, sonst steckt du dich selbst noch an."

Sie stutze. Doch ihr Verstand arbeitete und fügte das Puzzel blitzschnell zusammen.

Die Tür zum Flur war offen und man hörte die schweren Polizeistiefel immer lauter werden. Zum Glück hatten sie in ihrer Montur mächtig zu tragen, sodass die Einheit langsam voran kam. Mit einem Sprung kauerte er hinter der Tür und zog sein Mobiltelefon heraus. Die wenigen Ziffern der Kurzwahl waren schnell gefunden, wodurch Sekunden später aus seinem Zimmer ein Klingeln zu vernehmen war: "Auf nimmer Wiedersehen."
 

Drei kleine Bomben explodierten, das Papier stob auseinander und fing Feuer. Die rötlichen Flammen leckten gierig an allem was sie finden konnten, verfärbten sich je nachdem, welche Materialien sie zur Nahrung fanden und folgten ihrer Bestimmung jegliches Beweismaterial in einer wüsten Zerstörungstour zu vernichten.

Eizô verließ sich jedoch nicht ganz auf die tödliche Zerstörungskraft der Explosion in Bezug auf die gefährliche Gegnerin, der er sich seit längerer Zeit gegenüber gestellt fand. Gefasst richtete er sich auf und zog eine zweite Waffe nur ohne Schalldämpfer aus dem Gürtelholster. Mit einem Auge auf die Treppe, an der jeden Moment die Polizisten auftauchen konnten, und einem Auge auf seine alte Zimmertür, an der möglicherweise jeden Moment seine Widersacherin auftauchen konnte, schritt er zurück. 654. 655. 656. Hinter ihm befand sich die Rettung und er war professionell genug nicht die Ruhe zu verlieren. Panik war die letzte Haltestelle vor dem Tod.

657. 658, hier war er richtig und die Polizei hatte das Stockwerk noch nicht erreicht, doch der Takt der Schritte hatte sich seit der Detonation erhöhte. Die ersten fernen Lichter schimmerten leicht durch den Rauch nach oben. Die Auftragskillerin hatte wohl doch kein Ass mehr im Ärmel oder eine rettende Idee im Kopf gehabt, ansonsten, so dachte er, hätte er bereits eine Retourkutsche erlebt. Stattdessen spürte er jetzt einen leichten Luftzug durch die kaputt gegangenen Fenster verursacht, der immer mehr Rauch aus dem brennenden Zimmer mit sich trug. Schulgefühle waren das letzte, was ihm in den Sinn kam. Er griff nach der Türklinke und drückte sie gerade herunter, als ihn der kalte Schauer einer unguten Vorahnung Inne halten lies – ein Fehler. Er hätte durch die Tür verschwinden sollen.

"Du wolltest mich also wirklich alleine zurück lassen?", er spürte, wie sich der Schalldämpfer in den Stoff seines Mantels bohrte.

"Verda…", war das letzte was er denken konnte, bevor das leise "Pfft" durch den Knall der Schmerzen überschüttet wurde.

"So leicht, lasse ich dich nicht entkommen. Du hast ihr zur Flucht verholfen. Eigentlich solltest du noch ein wenig auf freiem Fuß bleiben, aber diese Chance können wir dir leider nicht mehr geben.", sie packte ihn am Kragen. Er rechnete mit einem weiteren Angriff und konzentrierte sich auf ihre Glieder. Kleinkalibriger, versteckter Revolver am Bein? Ein weiteres scharfes Messer oder gar ein aikuchi? Mit Nervengift bestrichene Pfeile? Was würde sie hervor zaubern?

Ihre Lippen pressten sich auf die seinen. Überrascht ließ er seine Abwehr sinken und quittierte dafür einen Tritt in… nun ja, das muss ich wohl nicht weiter ausführen.

Vom Schmerz betäubt sank er noch im Kuss auf die Knie und dann alleine vor der Tür zu Boden: "Schade, dass du dich für die falsche Seite entschieden hast. Wirklich."

Am Ende des Flurs postierten sich die ersten Polizisten und versuchten mit ihren Taschenlampen den vernebelten Gang, in den sich aus der alten Wohnung immer mehr Rauch und Papierschnipsel übergaben, auszuleuchten. Vergebens. Einer der unterstützenden Feuerwehrmänner holte eine Wärmekamera hervor. Zwei rote, orangene Silhouetten hoben sich kontrastreich aus dem Meer verschiedener blauen und grünen Fassetten durchmisch von etwas Gelb hervor.
 

Wir warteten in einiger Entfernung und beobachteten, wie zwei Helikopter ihre Runden über dem Gebäude zogen, die Polizisten außerhalb der Sperrzone Schaulustige verscheuchten und innerhalb der Sperrzone die Personen kontrollierten, die von den Notärzten ambulante Versorgung erhielten, bevor sie alle ins Krankenhaus zur genauen Untersuchung geschickt wurden, und die Feuerwehr mit mehreren Einsatzwagen und Löschschläuchen, das Feuer langsam unter Kontrolle brachten. Seit einigen Minuten hatte es im sechsten Stock eine Explosion gegeben, wodurch sich die allgemeine Anspannung noch verschärft hatte, die Gespräche noch lauter wurden und die Arbeit der Helfer an Geschäftigkeit zugenommen hatte.

"Wollte er nicht wenige Minuten nach der Explosion hier bei uns sein?", fragte ich Mouse.
 

-------------
 

* jap. Schimpfwort

**Aufgrund der Sicherheit müssen jegliche Daten geheim gehalten werden

*** jap. „Schlange“

**** ein 30.3 Zentimeter langes Kampfmesser

Kontakte

Konnichi-wa!

Tut mir Leid, das hat jetzt etwas länger gedauert. Die Uni hat mich ein wenig eingenommen.

Mittlerweile wird es mit den Charakteren sicherlich ein wenig unübersichtlich, deswegen werde ich sie alle in der Beschreibung auflisten. ^.^

Viel Spaß beim Lesen!

Oyamora
 

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------
 

4. Kapitel: Kontakte
 

Verzweifelt rückte er sein Kissen zum wiederholten Male in eine andere Position. Es verging nicht einmal eine Minute, da schob er es wieder zurück, kurz darauf bei Seite, warf sich auf den Rücken und betrachtete die Decke. Aber auch hier fand er keine Ruhe, sodass er sich auf die rechte Hälfte seines Körpers rollte und stattdessen in die Finsternis seines Schlafzimmers blickte. Seine Augen, bereits an die Dunkelheit gewöhnt, nahmen die farblosen, schattenhaften Konturen seiner Einrichtung wahr, ein offen stehender Ikea-Schrank, aus dem seine notdürftig zusammen gelegte Kleidung blickte, eine alte Lampe, die von der Decke baumelte, das Rollo am Fenster, das das Licht der Stadt aussperrte, und die alte Holzkiste seiner Großeltern, lieblos in der Ecke verstaubend, sein Hirn projizierte jedoch zusätzlich in dieses Bild das Gesicht seiner Zeugin und ließ immer wieder das Gespräch durch sein Bewusstsein laufen.

Schon seit Stunden lag er wach und konnte sich von dem Fall nicht los reißen. Größtenteils lag das offensichtlich daran, dass sich seine Zeugin geweigerte hatte zu erzählen, wie dieser Verbrecher es zustande gebracht hatte einer Verhaftung zu entgehen und wie sie selbst den Raum verlassen hatte. Sie weigerte sich nicht nur, sie erpresste ihn sogar. Erst, wenn er die Unterlagen hatte, würde sie mit ihrer Erzählung fortfahren.

„Was für ein Monster.“, fluchte er in seine Bettdecke, „Sie hat definitiv zu lange unter Verbrechern gelebt. Sie ist doch selbst bereits eine.“

Verbrecherin.

„Und wer ist eigentlich diese Belinda? Ich habe noch nie etwas über sie gehört.“ – Doch nur eine wunderbare Geschichte, die die Zeugin ihm da aufgetischt hatte?

Feuer bekämpft man am besten mit Feuer. Aber in Raum seiner Gedanken hinter den Augen, herrschte die gleiche Finsternis wie vor seinen Augen. Konturen, aber nichts andere als Konturen. Nur hier in seinem Schlafzimmer konnte er sie deuten, weil er sie kannte. Im Fall hingegen konnte er nur raten.

„Sinnlos!“, schrie er innerlich und warf die Decke zurück, „Du wirst diese Nacht nicht mehr einschlafen.“

Obwohl er die Idee gar nicht angenehm fand, griff er nach dem Telefon und rief einen alten Bekannten an.
 

---
 

Kurosawa gehörte zu einer der gefürchtetsten kumi, Yakuza-Gruppe, in Tokio – aufgrund von Sicherheitsaspekten muss der Name des kumi geheim gehalten werden –, um genau zu sein war er ihr Oyabun*, der Boss, gewesen, hatte sich aber aufgrund seines Alters in die Provinz zurück gezogen und lebte ein solch friedliches Leben, wie es ein Pensionist in seinem Geschäft führen konnte: In der ständigen Gefahr auf Revanche alter Geschäftspartner, Besuche unerfahrener Frischlinge – nur sein Nachfolger war starsinnig genug nicht nach Hilfe zu fragen, Kurosawa, insgeheim begeistert von seinem Sprössling, hielt es eher für Stolz – und Polizisten, die ebenfalls ab und an auf der Suche nach einem Hinweis die dunkle Seite in sich entdeckten. Es war bekannt, dass er im Laufe seines Lebens einige Leichen in seinem Keller zusammen getragen und von ihm selbst scherzhaft gesagt einbetoniert hatte, doch nie war ihm irgendetwas nachweisbar gewesen, obwohl sich das japanische Gesetzt in den letzten Jahren verändert hatte. Ihn zu verhaften war in seinen Augen auch eine Ungerechtigkeit, denn er sah sich als Retter: Wann immer Menschen Probleme hatten, irgendwem ein Unrecht geschehen war und dem schwerfälligen Apparat namens Polizei die Hände gebunden oder die Nasen verstopft waren, seine Leute hatten sich darum gekümmert – natürlich strichen sie dafür gerne eine kleine Spende ein. Aber das war doch verständlich und nicht unrecht, oder?

Immer mal wieder fanden Polizisten oder Privatdetektive ihren Weg zu ihm, doch nur zwei hatten bis heute die Ehre erhalten ihn persönlich zu treffen. Nummer eins war sein alter Opponent, der trotz seines Alters erst vor kurzem in den Stand eines Hauptkommissars der Metropolitan Police Department, kurz MPD oder auch keishi-chô, erhoben worden war, und selbst heute noch versuchte Beweise für die rechtswidrigen Machenschaften zu finden: Nobuhiro Katsura.

Der andere war Kommissar Himura, der sich zur Aufgabe gemacht hatte den Verbrecher namens Schatten zu finden und seiner rechtmäßigen Strafe zuzuführen. Genau genommen waren es drei Personen gewesen, doch Misaki Hazamon war seit einiger Zeit nun ein gefallener Krieger, hatte aber vor seinem Abtreten den Oyabun mit seinem Kollegen Shunsaku Himura bekannt gemacht.

Und so saß er höchst persönlich bei einem alten Freund in einer Izakaya, einer japanischen Kneipe, und wartete auf den Kommissar. Es musste für einige eigenartig erscheinen, dass einer von Japans gefährlichsten Männern sich nachts um drei aus seinem Haus zu Plausch und Sake** hatte bestellen lassen, doch Kurosawa war es in seinem ‚ruhigen‘ Leben als Pensionist langweilig und das wusste der Kommissar und dass der es wusste, wusste auch der Boss. Zusätzlich konnte der Oyabun nachts selten schlafen, was wohl auf die unmenschlichen Arbeitszeiten aus seiner Jugend gründete. Und natürlich würde sich das Gespräch um den Schatten drehen. Eigentlich waren die Aktivitäten des Schatten für ihn immer eine Bagatelle gewesen mit der er sich nicht weiter beschäftigen musste, doch seit dem Tag, an dem ein großer Deal aufgrund dieser Kinderspiele geplatzt war, konnte er eine gewisse Abneigung nicht abstreiten.

Konban-wa, Kurosawa-sama.“, wünschte der Kommissar ihm einen guten Abend. Zeitlich etwas fehl am Platz, aber anders wusste er ihn einfach nicht zu adressieren.

Der Kellner hatte den Beamten sofort erkannt und ihn in eine hinteren Ecke der Bar, die allein für den Boss reserviert war und nicht von der Straße aus eingesehen werden konnte, geführt. Nur hier fühlte sich der Oyabun unbeobachtet und vor allem konnte er sich sicher sein nicht belauscht zu werden. Bevor der Kommissar die traditionell japanisch gehaltene Sitzecke aus niedrigen Tisch und zwei Sitzkissen auf erhöhter Plattform betrat, zog er sich die Schuhe aus und stellte sie vor den Absatz. Dann erst setze er sich seinem Gesprächspartner gegenüber auf das Sitzkissen.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte dieser gerade heraus, während seine rechte Hand auf die Otsunami, das japanische Knabberzeug***, welches immer zum Alkohol angeboten wird, wies und dann die schlichte, kleine Keramikschale vor ihm mit Sake füllte.

Der Kommissar betrachtete ihn. Die breiten Schultern, das langsam ergraute, kurze Haar, das ovale, bleicher werdende Gesicht, passend zu seinem, trotz durch das Alter etwas aus der Form geratenen, immense Kräfte und Autorität ausstrahlenden Körper und die wachen, durch dringenden Augen, die jedem sofort Respekt einflößten. Die basstiefe, melodische Stimme unterstrich seine Erscheinung. Durch sein Auftreten wirkte er größer, als er eigentlich war, sodass sich der Kommissar angesichts dieser imposanten Gestalt trotz seiner nur minimal geringeren Körpergröße sehr klein vorkam.

„Ich danke Ihnen, dass sie kommen konn...“

„Ach kommen Sie, vergessen Sie dieses höfliche Blabla! Kommen Sie lieber zur Sache.“, mit einer ausufernden Geste wischte er all Floskeln, die sich der Kommissar zu Recht gelegt hatte, und mehrfachen Entschuldigungen für die späte Störung beiseite.

„Im Moment führe ich die Befragung von Ayaka Tanaka durch, aber das wissen sie bestimmt.“

Ein Nicken gefolgt von den Worten: „Sie verrät ihnen bestimmt keine wichtigen Informationen und wenn doch zu einem gewissen Preis.“

Der Kommissar schluckte: „Sie verlangt die Unterlagen zu einem Fall.“

„Und zu vielen weiteren mehr, wenn sie sich darauf einlassen.“

„Das ist mir auch klar. Nur glaube ich, dass sie mein bisher heißester Weg zum Schatten ist.“

„Vielleicht hat sie sich in ihn verliebt und versucht sie in eine falsche Richtung zu lenken.“

„Nein, das glaube ich nicht.“, der Kommissar nippte an seiner Schale kalten Sakes, „Aber um mir sicher zu sein, würde ich gerne ihre Ausführungen vergleichen.“

Dass ihm derselbe Gedanke wie dem Boss gekommen war, bestätigte seine Zweifel. Ein guter Polizist verfolgt jedoch jede auch so kleine Spur, weswegen er dieser Fährte so lange folgen wollte, wie sie ihn voran brachte. Außerdem war es momentan seine einzige. Er behielt jedoch lieber für sich, dass Tanaka-san ihm ihre Lebensgeschichte verraten wollte. Immerhin hatte der Boss auch noch einige Geschäfte mit dem Schatte zu begleichen und dieser Mann hatte Augen und Ohren an allen erdenklichen und unvermuteten Orten. Selbst als ‚Rentner‘. Aber genau das, wollte sich der Kommissar zunutze machen.

„Kennen sie eine Frau namens Belinda, manchmal auch Hebi genannt?“, fragte er gerade heraus.

Die markanten Gesichtszüge Kurosawas verzogen sich.

„Also ja.“, schlussfolgerte der Kommissar.

„Ja… und nein.“, der Boss legte den Finger auf den Mund und schien irgendwelche Gedanken abzuwägen. In diesen Momenten vermisste er das Rauchen. Früher hätte er sich eine Zigarette angezündet, dann seinen Gegner tief in die Augen gesehen und ihn erst einmal verunsichert, bevor er mit ihm machen konnte, was er wollte. Mit dem Alter hatten Arzt und senile Weichheit die Oberhand gewonnen. Nun ja, eine Hand wäscht die andere und er wusste, wie auch er den Kommissar für seine Zwecke einspannen konnte.

„Ich habe sie nie persönlich getroffen, aber sie soll eine hochkarätige Verbrecherin sein. Kein Mensch, den man sich zum Feind machen sollte.“

Der Kommissar verstand und beschloss den Vorschlag zu ignorieren.

„Ich habe aber noch nie von ihr gehört.“, erklärte er.

„Das verwundert kaum.“, er bediente sich an den Reiscrackern, „Sie ist sehr geschickt und weiß sich zu tarnen. Selbst ist sie um wenig Aufsehens bemüht und bisher hat sie noch immer sauber hinter sich aufgeräumt. Im Falle von größeren Aktionen – bei denen vor allem die Gefahr besteht, dass die Polizei sich einmischt – pflegt sie ihre Spuren durch Fährten, die auf andere Verbrecher weisen, zu verwischen.“

„Wissen Sie, für wen sie arbeitet?“

Der Oyabun lächelte den Kommissar an, als wäre dieser ein kleiner Schuljunge, der gerade eine äußert triviale Frage gestellt hatte: „Es gibt Fragen, keibu-san, die sollten nicht gestellt werden.“

„Aber Sie wissen es?“, der Kommissar wusste selbst nicht, ob er den Satz wirklich als Frage gestellt oder nicht doch eher eine Aussage gemacht hatte. So überließ er die Deutung seinem Gesprächspartner.

„Um ehrlich zu sein…“, dieser trank von seinem Sake, „Nein.“

Der Polizist wägte ab, ob hier Selbstschutz die Oberhand führte oder der Boss wirklich keine Ahnung hatte. Tendierte dann zu Letzterem.

„Normalerweise kennen wir jeden noch so kleinen Kriminellen – wir reden dabei nicht, von ihren einmal Tat Mördern, keibu-san – doch hier stoßen sogar wir an eine Grenze. Das ist zugegebener Maßen sehr peinlich und beschämend.“, er ließ seinen Blick durch den Raum des Izakaya wandern, welcher für diese Zeit erstaunlich belebt war, und seine Gedanken entfernten sich, „Und vor allem beängstigend.“

So schnell wie das Abdriften aufgetreten war, so schnell fand er sich wieder neben dem Kommissar: „Aber, warum interessiert sie, diese Frau? Hat ihr Treiben etwas mit dem Schatten zu tun? Sind die beiden womöglich Partner?“

„Das weiß ich noch nicht genau. Aber Partner scheinen sie nicht zu ein. Im Gegenteil.“

„Und das hat Ihnen ‚Tanaka-san‘ erzählt?“

„Ja.“

„Hat sie Ihnen noch etwas über diese Frau erzählt?“

„Nein.“

„Hat sie sie beschrieben?“

„Nein.“

Der Kommissar hatte das Gefühl, sie hätten die Seiten getauscht. Er kam sich wie ein Verbrecher vor, der in einem polizeilichen Verhör geführt durch den Oyabun gelandet war.

„Haben Sie sie irgendwie in die Enge getrieben? Etwas Essenzielles aus ihr heraus gequetscht?“

Der Kommissar dachte kurz nach: „Nein.“

Kurosawa seufzte, füllte seine Sakeschale und stütze ihren Inhalt auf einmal hinunter: „Was machen wir nur mit Ihnen. Sie benehmen sich schlimmer als diese Schulbuch auswendiglernenden Frischlinge aus der Polizeischule, die noch ihrem Mentor folgen müssen – allerdings haben Sie keinen Mentor mehr. Was dachte sich Hazamon eigentlich?“

Der Kommissar ließ die Worte an sich abprallen, immerhin wusste der Oyabun nicht alles. Dies machte den Beamten heimlich stolz, denn nur die wenigsten konnten ihre Karten vor diesem Mann verdeckt halten.

Während er sich die Schale erneut füllte und dann mit einem Wink andeutete, dass er eine neue Karaffe wünschte, fuhr der Yakuzaboss fort: „Es sei denn Sie verheimlichen mir etwas.“

Sein Blick taxierte den Beamten und die jahrelange Erfahrung machte sich bezahlt, während er die verräterische Gestik las: Die Karten waren doch einsehbar. Der Kommissar ärgerte sich, dass sein Pokerface durch eine minimale Anspannung der Nerven und winzige Schweißtropfen auf der Stirn verraten worden war. Ihm wurde warm und er merkte, dass er rot wurde.

„Okay… was läuft hier? Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir die Wahrheit sagen.“

Aus der Vernehmung direkt ins Gericht, dachte der Kommissar und rutschte auf den Sitzkissen unruhig herum.

Eine hübsche Frau in einem seidenen, sonnenblumengelben, mit dunkelblaue Kranichen bestickten Kimono mit hellblauem Obi**** servierte neuen Sake. Der Kommissar kannte sie. Anscheinend war sie die persönliche Bedienung des Oyabun, denn niemand anderes kellnerte für ihn. Er musste ihr großes Vertrauen entgegen bringen, stellte der Beamte fest, wenn er ausschließlich sie für seine Dienste verlangte. Bisher hatte der Kommissar weder ihre Stimme vernommen, noch ihren Namen erfahren, doch war sie nach alter Kultur zu Höflichkeit und stetem Lächeln erzogen worden. Auch andere Gedanken geisterten durch den Kopf des Kommissars, doch er wollte nicht in das Privatleben des Yakuzaboss eindringen, weshalb er keinen seiner Vorstellungen über die Beziehung der beiden zueinander weiter ausführte.

Sie warteten beide schweigend bis sie verschwunden war.

Dann blickten ihn zwei erwartungsvoll neugierige und vor allem fordernde Augen an. Der Kommissar begriff, dass er um die Frage nicht herum kam ohne den Oyabun zu beleidigen, was einer der größten und meist auch letzten Fehler sein konnte, die ein Mann beging.

„Sie hat mir noch nichts gesagt, aber irgendwie habe ich das Gefühl sie will mich für ihre eigenen Ziele verwenden.“, gab er nach einer kurzen Pause schließlich zu.

„Und meine Rolle ist? Wie wollen Sie mich benutzen?“, er bediente sich an Sake und Knabberzeug, als würde er über das Wetter reden. Doch kein Messer oder Schwert hätte schärfer als dieses eine besonders betonte Wort sein können.

„Sie wissen, warum ich zu Ihnen komme.“

Die Blicke begegneten sich. Das Schweigen baute eine Anspannung zwischen den beiden Männern auf, die kein Wortgefecht jemals hätte erzeugen können.

Der Kommissar konnte nicht wissen, welcher Kampf im Inneren Kurosawas ausgebrochen war, denn sein Gesicht zeugte von einem langjährig antrainierten und perfektionierten Pokerface. Im letzten Jahr hatte der Yakuzaboss seine Gegenüber schätzen gelernt. Obwohl er sich ab und an noch wie ein junger, naiver Sergeant benahm, hatte er einen Haufen Fälle und darunter auch einige recht schwierige Fälle gelöst. Bei seinem alten Vorgesetzt hatte er sich einen Namen verschafft, war in den Rang eines Kommissars aufgestiegen und hatte damit die Ermächtigung eine Ermittlung zu führen erhalten. Auch den Fall, bei dem Hazamon seinen neuen Kollegen Himura Kurosawa vorgestellt hatte, war zur Zufriedenheit der Yakuza, der Bevölkerung und auch der Gerechtigkeit entknotet worden. Der Oyabun musste auch heute noch bei der Erinnerung an ihre Bekanntmachung grinsen. Wie unsicher der junge Kommissar damals gewesen war und wie sehr er sich vor einer möglichen Bestrafung gefürchtet hatte. Ein richtig braver Junge. Damals hatte der Oyabun noch in Tokio gelebt. Obwohl der Beamte immer noch reichlich Unbehagen ob seiner zweifelhaften Bekanntschaft mit einem Yakuzaboss empfand, hatte er sich in den letzten Jahren gewaltig verändert. Sein gespieltes Selbstbewusstsein war einer gesunden Selbstsicherheit gewichen und hin und wieder umging er das ein oder andere Gesetzt, um anstelle von nichtigen, gering gefährlichen Kleinkriminellen Verbündete gegen den Kampf wahrhaftiger Ungeheuer zu finden.

Kurosawa hatte es angenehm verwundert, als er den Kommissar in seiner neuen Stadt wieder getroffen hatte. Durch seine Kontakte hatte er vom Tod Hazamons erfahren, doch niemals hätte er sich erträumt Himura in dieser für Yakuza gänzlich uninteressanten Stadt wieder zu treffen.

Obwohl er ihn mittlerweile beinahe gern gewonnen hatte, zögerte der Oyabun. Er hatte Hazamon vor seinem Ziel gewarnt, doch dieser war blindlinks in seinen Tod gerannt. Er spürte, dass sich Kommissar Himura die Schuld für das Ableben seines Kollegen gab und unter allen Umständen die treibende Kraft hinter den Machenschaften suchte. David konnte vielleicht gegen Goliath siegen, aber gegen einen Leviathan war er machtlos.

Oder doch nicht?

„Das einzige was ich weiß ist, dass sie eine ainoko ist.“, hörte er sich plötzlich sagen.

„Aha.“, dachte der Kommissar, „Die abwertende Bemerkung, Halbblut, zeugt davon, dass auch er an sie geraten sein und eine Niederlage eingesteckt haben muss.“

„Allerdings weiß keiner, welche andere Nationalität in ihrem Blut schwimmt.“, fuhr der Oyabun fort, „Sie ist nicht gerade groß, hat deutlich japanische Züge, nur ihr dunkelblondes Haar verrät sie.“

Hoffnung, dachte der Oyabun, vielleicht ist es Hoffnung. Sie stirbt doch bekanntlich zu letzt.

„Vielleicht sind diese gefärbt?“

„Nein. Einer meiner Leute konnte ihr einmal ein Haar… naja, ausreisen trifft es nicht wirklich. Der Mensch verliert nun einmal Haare jeden Tag.“

„Dann haben Sie ihre DNS?“

„Hatten. Wir hatten ihren genetischen Fingerabdruck. Doch er wurde aus dem Computer gelöscht.“

Die beiden Männer fielen zurück ins Schweigen und starrten in ihren Sake. Wenn diese Frau und ihre Organisation die Möglichkeit besaßen geheime Unterlagen anderer kumi einfach so verschwinden zu lassen, dann…

Weiter traute sich der Kommissar nicht zu denken.

„Zu Ihrem Anliegen, keibu-san,“, Kurosawa blickte auf, „ich halte es mittlerweile nicht für unwahrscheinlich, dass jene Frau ihre Finger auch dabei im Spiel hat.“

„Vielleicht laufen alle Fäden nun zusammen.“

Der Kommissar trank seinen Sake aus und fühlte sich zum ersten Mal in den vergangenen 24 Stunden wirklich müde. Er wollte dem Oyabun danken und für die verbleibenden wenigen Stunden der Nacht ein wenig Ruhe finden, bevor er sich auf die Fahrt machte. Bevor er zu seiner Zeugin zurück konnte, hatte er noch die Pflicht zu erfüllen einige Informationen zu sammeln. Nun konnte er ihr zumindest einen begründeten Funken Vertrauen schenken.

Er erhob sich von den weichen Kissen.

„Die Frage, die Ihnen aber am schwersten auf der Seele liegt, haben Sie noch gar nicht gestellt.“

In der Bewegung erstarrt, musste er grinsen: „Können Sie sie denn beantworten?“

„Nein.“, der Oyabun blickte weiterhin in seinen Sake. Dem Kommissar kam es vor, als wäre jener schon leicht angetrunken.

„Aber…“, wie aus Zauberhand fand der Beamte einen Zettel in seiner Hand. Er wollte ihn auffalten, doch Kurosawa hielt ihn mit seiner kräftigen Hand und einem verschwörerischen Blick auf, „Der Sake geht auf meine Rechnung. Ich wünsche Ihnen Glück.“

Der Kommissar verstand und verbeugte sich vor dem Oyabun: „Ich danke Ihnen.“

Aus seiner Jackentasche zog er eine längere, rechteckige, lackierte Holzschachtel, die mit einem eleganten Band aus hellgrüner Seide verschnürt war und legte sie vor den Oyabun auf den Tisch. Mit einer nickend anerkennenden Geste nahm der Yakuzaboss sie an.

Dann verließ der Kommissar das mittlerweile schon beinahe leere Izakaya. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie es sich geleert hatte, doch die paar schwarz gekleideten, bullig wirkenden Männer folgten erneut seinem Blick. Er hatte sie beim eintreten bereits als Bodyguards erkannt und nicht weiter beachtet. In diesem Lokal fühlte er sich sicher, solange der Oyabun lebte, denn er galt als Freund.

Der Yakuzaboss öffnete das Präsent und blickte auf einen alten, hölzernen Pinsel mit schwarzen Haaren. Mit einem Lächeln, schloss er es wieder: „Ein guter Junge.“
 

---
 

Mit einem schwarzen, starken Kaffee betrat er sein Büro, welches durch das rotgoldene Licht der Morgensonne geflutet wie die Hölle selbst aufflackerte. Die penible Ordnung seines Schreibtisches war durch ein paar Stapel frisch abgegebene, gleichzeitig unschuldig und gehässig drein blickende Blätter und Akten zerstört worden. Als er sich seinem Schreibtisch näherte, um die heiße Tasse neben seinem Laptop abzustellen, mischte sich unter den strengen, herben Geruch, der dem Kaffee entstieg, ein weiterer im Vergleich leicht bitterer. Vor seinem inneren Auge erschien eine Leiche mit bläulichen Lippen und Fingerspitzen, deren Gesicht im Todeskampf zu einer schmerzverzerrten Fratze verzogen worden war: Zyankali. Der saure Geruch der Bittermandel war anfänglich durch den Kaffee überdeckt, doch nun nahm er ihn deutlich wahr.

„Wir haben ein Problem.“

Er zuckte zusammen, obwohl er bereits mit ihrer Anwesenheit gerechnet hatte.

„Ich glaube, ich werde mich nie an deine theatralischen Auftritte gewöhnen.“, er stellte die Tasse ab.

Sein Sessel schwang herum und ihm erschien eine blonde Frau in Polizeiuniform. Belinda.

„Genauso furchtbar wie dein Parfüm.“

„Sie ist bei der Polizei.“

„Ich weiß. Na und? Was soll sie schon machen?“

Sie bediente sich an seinem Kaffee: „Du unterschätzt sie. Du unterschätzt sie beide.“

„Ich habe sie beide im Auge. Sie können nichts machen, ohne dass ich etwas davon mitbekomme. Und du… du kümmerst dich um den Schatten, deinen alten Freund.“

„Er war bei Kurosawa.“

„Na und? Was soll der alte Bär schon verraten? Er weiß von nichts.“

Sie ließ sich in den Sessel zurück sinken und betrachtete ihren Gegenüber missbilligend.

„Weißt du woran die meisten Menschen scheitern?“, sie gab ihm Zeit zu antworten, doch er nahm diese Gelegenheit nicht wahr, sondern begann lustlos den Papierkram zu überfliegen. Gereizt fuhr sie fort: „Sie werden überheblich. Wähnen sich am Ziel. Werden schlampig und schließlich überführt.“

„Wenn du meinst, Partner.“, er warf zwei mittlerweile geöffnete Briefe in den Müll, „Das passiert uns jedoch nicht.“

„Hoffen wir, dass es dir nicht passiert.“, in Gedanken fügte sie hinzu, „Außerdem bin ich nicht dein Partner. Du bist nur meine Schachfigur. Nur meine kleine, unwissende Schachfigur.“

Er wandte sich seinem Aktenschrank zu und holte einen großen Ordner hervor.

„Du wirst sehen, noch vor Ende diesen Jahres…“, doch zu mehr kam er nicht. Denn als er sich umdrehte, war die blonde Japanerin bereits verschwunden. Nicht einmal sein Stuhl ließ erkennen, dass ihn jemand vor kurzen bewegt hatte.
 

-------------
 

* jap. Vater (auch die Yakuza sieht sich als Familie, weshalb ihr Oberhaupt Vater genannt wird, dieser Begriff entspricht aber wahrscheinlich dem Yakuza-Slang, weil „Vater“ normalerweise „otosan“, „chichi“ (familiär: „Papi“) oder „chichiue“ (ehrfürchtig: „Ehrenwerter Vater“) heißt, ich recherchierte und kam dadurch auf diese Bezeichnung – die Yakuza scheint ja ein recht freies Leben geführt zu haben (*Vorsicht: unbezahlte Schleichwerbung:* nach zu lesen in „Darum nerven Japaner“ von Christoph Neumann), allerdings haben sich die Gesetze ein wenig in den letzten Jahren verschärft

** japanischer Reiswein

*** Reiscracker (Senbei), Samen von Pflanzen, Fischpastenriegel (kamaboko, ähnlich dem Surimi), in Sojasoße eingekochte Meeresfrüchte (Tsukudani)

**** Gürtel des Kimonos



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Diracdet
2010-02-28T06:53:01+00:00 28.02.2010 07:53
Hallo Oxymora,

erstmal Danke für die Liste der Personen, die vermutlich auch was die Details angeht, im Laufe der Geschichte noch vervollständigt wird, oder?
Obwohl ich fand, speziell auf dieses eine Kapitel bezogen, ging es noch ganz gut, weil ich viele Personen als eher Rand figuren drum herum betrachte und vorwiegend geht es ja nur um den Oyabun und Kurosawa.
Und die Entwicklung gefällt mir im moment ziemlich gut, das Kapitel selbst besonders sogar, Scharaden haben immer was tolles. Jeder weiß etwas über den anderen, glaubt zusätzlich noch was zu wissen, was aber der jeweils anderen meinung widerspricht, und alle versuchen auf der Basis etwas zu schlussfolgern. :///]
Ist natürlich noch besser, wenn man die Wahrheit dahinter kennen würde, ich muss also am ende wohl nochmal von vorne lesen, um die Fakten einordnen zu können...

Also kurz, eigentlich kann man ihr nicht trauen, aber müsste es doch tun, wenn man zum Schatten will, was aber den Oyabun etwas... verunsichert, da es im Hintergrund jemanden gibt, um Belinda, der signifikant mehr Macht besitzt als die Yakuza... Respekt, aber es wird jetzt keine Verschwörungstheori geben, oder wie? Du hältst es schon noch alles im Rahmen des realitätsnahen, ja?
Ich glaube, die Figur de Oyabun gefällt mir bisher am besten, auch wenn ich so ein Gefühl habe, du eliminierst ihn bald. Er wirkte am authentischsten, ein Mann, der weiß, dass er zumindest größtenteils sein Leben nach seinen Vorstellungen leben kann und niemand ihm dabei etwas anhaben kann... fast niemand, wohl eher. Und so verhält er sich auch, er prahlt nicht irgendwie mit seinem Wissen, macht aber auch keinen Hehl draus, er nutzt es, mit auffallender Altersweisheit, wie ich meine. Ein Ruhepol, der einen zum Nachdenken in die richtige Richtung anregt, bei einer unruhigen Nacht perfekt geeignet. *ggg*

Es läuft wohl darauf hinaus, dass Kurosawa die Informationen für diese Zeugin sammelt, insofern hoffe ich wir erfahren dann auch, was den Kommissar auch interessiert, nämlich wie der Schatten entkommen ist. Vermutungen hätte ich viele, aber kein Argument, welches eine Variante wirklich aller anderen gegenüber zu bevorzugen ist.

In diesem Sinne,
bis zum nächsten Mal.
LG, Diracdet
Von:  Diracdet
2009-12-25T12:56:51+00:00 25.12.2009 13:56
Hallo Oxymora,

so, endlich kommt das Kommi.
Von mir vorher auch nochmal von mir ein frohes Weihnachtsfest und hoffentlich ein paar schöne Tage.^^

So, dann zur Geschichte, ich denke in ein paar Punkten immer mehr, du solltest mal Leon – der Profi, mit Jean Reno, gucken. Die Szene erinnerte mich ein wenig wieder daran. Die... 'Actionszene', die aber doch auch einigermaßen realistisch wirkte. Wobei mich sofort interessiert, warum ein 15 (?) jähriges Mädchen so interessant zu sein scheint für diese Frau.
Aber weiter. Vom Verständnis her war es ab und zu etwas schwierig zu erkennen, wer alles gemeint war von wem, wer dem Schatten hilft, wer gegen ihn ist und wer jetzt direkt der Frau hilft, wer wieder indirekt und wer gar nicht, das war zwischenzeitig, so bevor sie oben bei ihm war, etwas verwirrend.
Was mich aber eigentlich dabei verwunderte, war, dass sie... die junge Frau, die dem Kommissar diese Geschichte erzählte, doch eigentlich viele dieser Details nicht kennen dürfte, oder? Also, worüber sich die andere Frau... du brauchst unbedingt Namen, oder noch besser ne Chara-Liste, auch ohne Bilder, aber sonst werde ich gleich verrückt wegen der Figuren. XXXD
Jedenfalls, worüber die sich vor der Erstürmung des Gebäudes mit ihrem 'Partner'(?) unterhielt, kann sie doch gar nicht wissen, oder?

Und dann vom Kampf zwischen den beiden sowieso nicht. Wobei *ggg*, der war witzig, ein Karateschlag gekontert von einem Aikido-Griff, hast du das auch sauber recherchiert, dass es so geht? Weil Aikido ja den Impuls des Gegners für die Abwehr benutzt, welchen sie wohl auch braucht, um ihn zu schleudern. Karate ist aber meines Wissens nach darauf aus, möglichst wenig Energie im Schlag zu verschwenden und eher durch Präzision einen geringen Impuls zu übertragen... ich rede glaube ich gerade vor mich hin. Ich wollte nur wissen, ob das so leicht geht, sich gegenseitig mit unterschiedlichen Techniken auszukontern.

Und eine Sache fiel mir noch auf. Dass sie, die Erzählerin, den Kommissar dazu bringt zuzustimmen, sich zu informieren, ist ja eine Sache, aber dass sie dann so leichtgläubig direkt weitermacht... ich dachte, sie wartet jetzt, bis er die Informationen hat und ihr mitteilt, bevor sie fortfährt.
Das finde ich jetzt doch, ganz anders als ihr bisheriger, selbstsicherer und überzeugender Auftritt. Kann mich natürlich irren und vielleicht schätzt sie auch, dass der Kommissar zu interessiert am Schatten ist, als dass er diese Spur liegen lassen wollte, und zu sehr Gentleman, um ihr leere Versprechungen zu machen, wer weiß.

Abwarten. Das Motiv für den Angriff, das scheint mir im Moment eher die zentralere Frage...

Ich denke, nächstes Jahr werde ich ein paar erste Antworten auf dieses Thema bekommen. Bis dahin einen wunderschönen Jahresausklang und einen guten Rutsch.
LG, Diracdet
Von:  Diracdet
2009-11-19T19:54:27+00:00 19.11.2009 20:54
Hallo Oxymora,

tja, mal was vorweg, ich habe so eine unbestimmte Ahnung, an wen Frau Tanakas Charakter angelehnt ist. ;p
Zur Geschichte... gibt’s eigentlich noch nicht so viel zu sagen. Es klingt durchaus, als entwickle sich da was interessantes, sowohl, wie das junge Mädchen beim Schatten bleibt, als auch, wie in der Gegenwart die verschiedenen Leute darauf reagieren. Was hat eigentlich nun der Chef unter 4 Augen mit ihr besprochen? Und was will sie, wenn sie ihm so dankbar ist und und und...
Also noch sind es ein paar Fragen, die ich mir stelle, weshalb ich nur wenig dazu sagen kann. Außer eben, dass es nach einem wirklich interessanten Auftakt klingt. Ich scheue mich, es originell zu nennen, auch wenn mir spontan höchstens Jean Reno als Vergleich einfällt – Leon der Profi. Allerdings glaube ich nicht, dass der Schatten ihr so was beibrachte. XD
Apropos, die Wohnung... *ggg* man kann direkt erahnen, was du normalerweise machst. Und es erinnert mich direkt an Leon, sowie an mein eigenes Zimmer... xp


Dann zum Punkt, Vergleich mit erstem Kapitel, es sind weniger Fehler, ja, aber es sind immer noch recht viele und wenn ich es mal so benennen darf: Pronomina. Die machen praktisch alle Fehler aus, die mir aufgefallen sind, erschweren aber den Lesefluss. Komischerweise sehe ich diese Art Fehler nicht in den Nachrichten mit dir und es begann auch erst etwa ab der Hälfte dieses Kapitels. Nur mal so als gedanklicher Anreiz. ;]

Ansonsten kann ich mich wohl nur auf das nächste Kapitel freuen und hoffen, ein paar Erleuchtungen wegen meiner Fragen dort zu erhalten. ;]

Bis dann.
LG, Diracdet
Von:  Diracdet
2009-10-18T05:35:00+00:00 18.10.2009 07:35
Guten Tag Oxymora,

ich begrüße dich samt deiner Geschichte mal hier bei Animexx. ^.~
Endlich kann ich mal kommentieren, gelesen hab ich nämlich schon Donnerstag. >///<

Um deiner Frage nach der Gegend vorweg zu kommen, bergiges Gebiet, eher dörflich, weil zum Einen die knarrenden Holzböden, die nicht unbedingt nach Zentral-Tokio klingen und das wie ein Bach laufende Regenwasser, das sowohl eine in der Höhe veränderliche Straße als auch schlechte oder gar nicht vorhandene Kanalisationssysteme andeutet – aber nur ne Meinung.

Die Geschichte klingt erstmal nach einem sehr interessanten Auftakt, auch wenn noch vieles ja im Unklaren ist. Zumindest spielt es in unserer Zeit. Allerdings, das fällt mir bei der Polizei auf, die ist ja nun wieder sehr in der größeren Zivilisation – Stichwort Spiegel – ich kann mir das fast wie so ein amerikanisches Bürogebäude vorstellen, der Typus ist, glaube ich, ja auch in Japan Standard geworden.
Tja... ist der Kommissar nun, wie du es sagtest, der wesentliche Kriminologe in deiner Geschichte und die Frau mehr die 'weibliche Hauptrolle'? Oder ist sie eher die eigentliche Hauptfigur... und er nur... ein Katalysator – in Kombination mit 'dem Schatten', versteht sich?

Der Ausdruck gefällt mir, vor allem die Vielfalt im Wort ist nicht schlecht ausgeprägt, aber einen Punkt muss ich ernsthaft kritisieren. Plural-Singular. Sowohl bei Substantiven, als auch bei Possessivpronomina hast du sehr oft (zu oft) zwischen Singular und Plural vertauscht und das das ganze Kapitel hindurch. Da würde ich nochmal drüber gehen, ansonsten war nämlich praktisch kein einziger Fehler drinne, so weit es mir aufgefallen wäre.

Aber außer diesem Punkt finde ich es wirklich gelungen – so weit man das nach dem Prolog sagen kann. XP
Ich freue mich schon auf die weitere Entwicklung und hoffe auf baldigen Nachschub.

LG, Diracdet


Zurück