Yeh Zindagi Hai. von elfogadunk (Neue Chance, neues Leben?) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- „Jetzt stell dich doch nicht so an! Du kommst doch schließlich fast aus der Gegend!“, bohrte George weiter nach, doch Sudhir winkte ab. „`Aus der Gegend´? Ich komme aus Delhi. Und das Dorf, von dem du da gerade sprichst, liegt etwa 600 Kilometer südwestlich davon. Da kann man also kaum von...“ „Wir sollten uns nicht mit so unwichtigen Details aufhalten!“, warf George ein. „Tatsache ist doch, dass du der einzige Inder in unserer Firma und damit wie geschaffen für die Leitung unserer Außenstelle bist.“ Sudhir wollte dieses Argument jedoch nicht gelten lassen und schüttelte weiterhin den Kopf. „Vergiss es. Ich mach das nicht. Ich...“ „Aber du hast doch selbst gesagt, dass dir in letzter Zeit die Abwechslung fehlt.“, unterbrach George seinen Kollegen erneut. „Sudhir, komm schon, du musst es einfach machen. Alle anderen Mitarbeiter sind entweder unentbehrlich oder durch ihre Familien hier gebunden...“ Sudhir zog die Augenbrauen hoch und stand auf. „Mit anderen Worten, ich bin der einzige Dumme, den ihr für diesen Job finden könnt.“, stellte er fest und ignorierte geflissentlich Georges flehende Stimme. „Ich mache es nicht. Bas!“ Mit diesen Worten drehte Sudhir sich um und verließ ohne Verabschiedung Georges Büro. In seiner Wohnung angekommen, warf Sudhir seinen Mantel und seine Tasche unachtsam auf die Garderobe und ließ sich auf seine Couch fallen. Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und atmete einmal tief durch. Seit Tagen belagerte George ihn nun schon mit diesem Job. Die Leitung einer Außenstelle zu übernehmen, war zwar ein verlockendes Angebot, doch dafür sein komplettes Leben hinter sich zu lassen und wieder zurück nach Indien zu ziehen... Indien. Seit 23 Jahren war er nun nicht mehr dort gewesen und er musste zugeben, dass er tatsächlich neugierig war, wie es dort mittlerweile aussah, doch seine Neugier war nicht so groß, dass er auf Dauer dorthin zurückkehren wollte. Fahrig stand er auf, um sich in seiner Küchennische erst einmal einen starken Kaffee zu kochen. Auch wenn er George gegenüber rigoros gegen den Job war, so fühlte er sich in Wahrheit doch ein wenig hin und her gerissen. Er wollte sein in den letzten Jahren hart erarbeitetes Leben nicht einfach aufgeben, aber ihm fehlte in letzter Zeit tatsächlich die Abwechslung, die ihm sein Beruf anfangs noch gegeben hatte. Mit der Leitung der indischen Außenstelle würde dieses Problem wohl schnell gelöst sein, doch war es das tatsächlich wert...? Er nahm einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse und stellte sich ans Küchenfenster, wo er seinen Blick über das nächtliche Panorama seiner Heimatstadt Chicago schweifen ließ. Tausende Lichter funkelten wild durcheinander dumpfer Straßenlärm war durch das geschlossene Fenster zu hören. Sudhir stand lange da und beobachtete stumm das rege Treiben auf der Straße, die sechs Stockwerke unter ihm lag. Als er schließlich den letzten Schluck seines Kaffees ausgetrunken hatte und die leere Tasse in die Spüle stellte, hatte er die Entscheidung über seine Zukunft gefällt. Kapitel 1: Anfangsschwierigkeiten --------------------------------- Das Erste, was Sudhir wahrnahm, als er aus dem Flugzeug stieg, waren der Lärm und die tausend verschiedenen Gerüche, die auf ihn einströmten. Überall waren unzählige Menschen, die mit irgendetwas mehr oder weniger beschäftigt schienen. Natürlich gab es in Chicago ebenfalls unzählige Menschen, doch hier – in Delhi – waren es mindestens dreimal so viele und der Geräuschpegel, der von ihnen ausging, war fünfmal so hoch. Zwei Monate waren vergangen seit Sudhir sich entschieden hatte, die Leitung der indischen Außenstelle doch anzunehmen. Rein rational und logisch konnte er sich seine Entscheidung nicht erklären, doch er hatte das Gefühl, dass er dieses Risiko eingehen und somit wieder ein bisschen mehr Schwung in sein Leben bringen sollte. George war ihm freudestrahlend um den Hals gefallen, als Sudhir ihm seine Entscheidung mitgeteilt hatte. Daraufhin wurden umgehend sämtliche Vorgänge in die Wege geleitet, die für Sudhirs Umsetzung und seinen Umzug nötig waren. Das Gebäude der Außenstelle befand sich noch im Bau und verschaffte dem Vorhaben somit einen gewissen Zeitpuffer. Die wichtigsten Formalitäten konnten in dieser Zeit geklärt werden und nun stand Sudhir vor dem Flughafen in Delhi und suchte nach dem Auto, das seine Firma für ihn gemietet hatte, damit er zu seinem Zielort – dem Dorf Nagiranpur – fahren konnte. Nach beinahe einer halben Stunde fand er ihn schließlich, wies sich dem Fahrer aus und verstaute anschließend sein Gepäck im Kofferraum. Nachdem Sudhir sich gut zwei Stunden durch den zähen Verkehr in Delhis Innenstadt gequält und schließlich endlich die Vororte erreicht hatte, atmete er tief durch. Dieser unerträgliche Lärm, die Abgase, die Millionen von Menschen und das Chaos waren zu viel für ihn. Auch wenn er in diesem Land geboren wurden war und er einen Großteil seiner Kindheit hier verbracht hatte, fühlte er sich doch so fremd wie ein Ausländer, der zum ersten Mal in Indien war. Ja, er sprach die Sprache und er sah aus wie alle anderen hier, doch sein Herz war beinahe durch und durch amerikanisch. Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung stiegen in ihm auf. Hatte er sich tatsächlich alles ganz genau überlegt? War es nicht zu leichtsinnig, einfach so sein Leben umzukrempeln, ohne vorher penibelst genau alle möglichen Folgen abgewägt zu haben? Er schüttelte kurz den Kopf. Diese Zweifel kamen zu spät. Er hatte sich entschieden und er würde die ganze Sache nun auch durchziehen. Nachdem er bald von seinem Jetlag überwältigt wurden war und sich eine ordentliche Ruhepause in einem kleinen Hotel genehmigt hatte, trat er schließlich am nächsten Tag den letzten Teil seiner Reise an. Dank des Navigationsgerätes in seinem Auto fand er den Weg schnell und ohne Probleme. Nagiranpur war nur ein kleines Dorf mit ein paar Hundert Einwohnern, doch es hatte eine günstige Lage und war somit als Standort auserkoren wurden. In dem extra errichteten Bürogebäude sollte speziell für Sudhir ein kleines Appartement eingerichtet werden, damit für ihn keine Probleme bei der Wohnungssuche entstehen konnten. Alle weiteren Mitarbeiter kamen aus der Umgebung und mussten daher diesbezüglich nicht versorgt werden. Schon von Weitem sah Sudhir die Umrisse des Bürogebäudes am Horizont. Als er jedoch näher kam und immer mehr erkannte, verschlug es ihm die Sprache. Von dem fünfstöckigen Bürogebäude, das eigentlich vor zwei Wochen hätte fertig sein sollen, standen gerade einmal die Mauern von zweieinhalb Etagen. Sudhir fiel bei diesem Anblick die Kinnlade herunter. Eilig parkte er seinen Wagen, stieg aus und steuerte schnurstracks auf die kleine Gruppe von Bauarbeiter zu, die vor dem halbfertigen Gebäude saßen und gerade Mittagspause zu machen schienen. „Wer von Ihnen ist hier der Bauleiter?“, wollte er ohne jede Begrüßung wissen. Die Männer musterten ihn argwöhnisch und zeigten nur auf einen Baucontainer, der etwa 50 Meter links von ihnen stand, bevor sie sich wieder ihrer Unterhaltung widmeten und Sudhir keines Blickes mehr würdigten. Kopfschüttelnd wandte er sich von ihnen ab und ging auf den Container zu. Nach einem kurzen Klopfen an der angelehnten Blechtür, trat er ohne auf eine Antwort zu warten ein. Drinnen kam ihm zuerst eine gewaltige Wolke Zigarettenrauches entgegen, bevor er den Mann entdeckte, der wohl der Bauleiter zu sein schien. Dieser saß hinter einem provisorischen Schreibtisch, hielt eine qualmende Zigarette in der Hand und war in einen Bauplan vertieft. „Sind Sie hier der Bauleiter?“, wollte Sudhir erneut wissen. Der Mann blickte auf und schaute ihn an, als ob er seine Anwesenheit gerade eben erst bemerkt hätte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und erwiderte lässig: „Ja, allerdings. Madan Chopra mera naam hai. Und Sie sind...?“ „Sudhir Chaudhary. Normalerweise sollte ich in drei Tagen anfangen, in diesem Gebäude dort zu arbeiten.“, gab Sudhir schnippisch zurück und machte eine grobe Handbewegung in die Richtung, wo sich das halbfertige Bürogebäude befand. „Aber so wie ich das sehe, müsste wohl ein Wunder geschehen, damit das passiert...“ Chopra lachte auf. „Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf. Es gab da ein paar Probleme mit den Lieferanten, aber mittlerweile liegen wir wieder im Zeitplan...“ „Im Zeitplan?!“, unterbrach Sudhir ihn aufgebracht. „Wenn Sie im Zeitplan liegen würden, wäre das Gebäude bereits...“ „Ganz ruhig, Yaar. Sie kriegen Ihre Kohle doch so oder so. Warum regen Sie sich so auf?“, erwiderte Chopra gelassen und drückte seine Zigarette aus. Anschließend stand er auf, legte seine Hand auf Sudhirs Rücken und schob ihn vor sich her aus dem Container ins Freie. Mit einer ausladenden Geste zeigte er auf das Gebäude. „Geben Sie uns noch einen guten Monat und das gute Stück ist fertig.“ Chopras Gelassenheit war Sudhir unerklärlich. Und plötzlich fiel ihm etwas ein: „Weiß meine Firma davon? Von diesen Lieferproblemen und dieser `kleinen´ Zeitplanverschiebung?“ Chopra schaute ihn nur abschätzig an. „Wieso sollte sie? Solche Lappalien sind doch keine Meldung wert. Die Probleme sind gelöst und der Bau ist bald beendet. Kein Grund zur Aufregung also.“ Sudhir wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Das war sie also, die indische Gelassenheit – frei nach dem Motto: `Komm ich heut nicht, komm ich morgen.´ „Und was ist mit den anderen Angestellten? Wissen die...“, wollte Sudhir wissen, doch Chopra fiel ihm ins Wort. „Die wohnen doch alle hier in der Nähe. Klar wissen die Bescheid.“ Er holte seine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und bot Sudhir eine an. Als dieser ablehnte, nahm er sich selbst eine, zündete sie an und fragte, nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte: „Sonst noch irgendwelche Fragen?“ Sudhir schüttelte resigniert den Kopf und machte sich nach einer kurzen Verabschiedung zurück zu seinem Wagen. Er ließ sich auf den Fahrersitz fallen und atmete tief durch. Sein kleines `Abenteuer´ fing ja schon hervorragend an. Er sollte nun tatsächlich einen Monat lang herumgammeln? In diesem Moment fiel ihm auf, dass er in dieser Zeit gar keinen Platz zum Wohnen geschweige denn zum Schlafen hatte. Er erinnerte sich allerdings daran, dass er – als er sich im Voraus ein wenig über Nagiranpur informiert hatte – gelesen hatte, dass es ein kleines Gasthaus in der Mitte des Dorfes gab. Da er keine andere Wahl hatte, beschloss er, erst einmal dort nach einem Zimmer zu fragen, um wenigstens provisorisch einen Herberge zu haben. Resigniert startete er den Wagen und machte sich auf die Suche nach dem Gasthaus. Anm.: Nagiranpur ist ein fiktives Dorf. Kapitel 2: `Chhoti Shruti´ -------------------------- Auch wenn das Dorf nicht besonders viele Einwohner hatte, so war es flächenmäßig doch recht groß. Die alten Häuser mit den dazugehörigen Grundstücken nahmen viel Platz in Anspruch und so brauchte Sudhir, obwohl er mit dem Wagen fuhr, gute zehn Minuten bis er das Zentrum – den großzügig geschnittenen Dorfplatz – erreichte. Dort stellte er unter den neugierigen Blicken vorbeigehender Dorfbewohner sein Auto ab und machte sich zu Fuß auf die weitere Suche nach dem Gasthaus. Er brauchte eine Weile und musste einen der Dorfbewohner fragen, bis er eines der etwas ramponierten Häuser als jenes identifizieren konnte. Etwas misstrauisch begutachtete er das Gebäude (1) und beschloss dann, sein Glück einfach erst einmal zu versuchen. Gerade als er die Klinke der schweren Eingangstür herunterdrücken wollte, wurde diese aufgerissen und eine junge Frau (2) stürmte an ihm vorbei. Dabei rammte sie ihn so hart mit der Schulter, dass er beinahe sein Gleichgewicht verlor. Unbeeindruckt und so, als ob sie ihn nicht bemerkt hätte, ging sie allerdings eilig weiter und drehte sich auch dann nicht um, als er ihr nachrief: „Hey, können Sie nicht aufpassen?!“ Kopfschüttelnd schaute er ihr noch kurz nach bis sie um die nächste Häuserecke verschwunden war und wandte sich dann dem Gasthaus zu. Zögerlich trat er ein und wunderte sich nicht darüber, dass es innen genauso aussah wie von außen – eher rustikal (3). Er schaute sich um und entdeckte dann eine ältere Dame, die an einen der Pfeiler gelehnt etwas gedankenverloren vor sich her starrte. Als sie ihn jedoch bemerkte, blickte sie erst etwas überrascht auf (4) und kam dann freudig lächelnd auf ihn zu. „Was kann ich für Sie tun, junger Mann?“, fragte sie und faltete ihre Hände zum Gruß. Sudhir erwiderte die Geste und meinte dann: „Mein Name ist Sudhir Chaudhary. Ich suche ein Zimmer, wo ich...“ „Da sind Sie hier bei mir doch genau richtig.“, unterbrach sie ihn und bevor er reagieren konnte, hatte sie ihn schon am Unterarm genommen und zog ihn hinter sich her. „Zimmer habe ich genug. Sie haben die freie Wahl, doch ich würde Ihnen dieses empfehlen...“, meinte sie, öffnete die Tür zu einem der Zimmer und schob Sudhir vor sich hinein. Der Raum (5) war nicht gerade groß, aber dafür sauber und ordentlich. Für einen überschaubaren Zeitraum war er als Quartier vollkommen ausreichend. „Thik hai. Ich werde dieses Zimmer nehmen und sicher einen guten Monat hier bleiben. Also...“, entschied Sudhir, woraufhin die ältere Dame ihn wieder am Arm nahm und hinter sich her zog. „Das ist alles gar kein Problem. Im Moment habe ich sowieso nicht sehr viele Gäste. Bleiben Sie also so lange Sie wollen.“, meinte sie, während sie ihn in einen Raum führte, der nach einem Büro aussah. Eilig kramte sie aus einer Schublade des kleinen Schreibtisches in der Mitte des Raumes ein Formular heraus und legte es ihm hin. „Wenn Sie das hier dann bitte noch ausfüllen würden...“ Sudhir hatte gerade den Stift genommen, den sie ihm hingehalten hatte, als sie erschrocken die Augen aufriss. „Hai Rabba! Chhoti Shruti hat schon wieder ihr Essen vergessen!“, rief sie aus und ging zu der kleinen Bank, die gleich rechts neben der Tür des Büros stand. „Was soll ich nur mit diesem Mädchen machen...?“, murmelte sie vor sich her und drehte sich dann ruckartig um. „Junger Mann, würde es Ihnen etwas ausmachen, meiner Shruti ihr Essen in die Schule zu bringen? Ich kann hier leider nicht weg und...“, bat sie Sudhir, doch dieser winkte ab. „Ich weiß nicht... Ich meine, ich...“, versuchte er, sich herauszureden, doch die alte Dame ließ nicht locker. „Die Schule ist nur fünf Minuten entfernt und es ist wirklich wichtig, dass Shruti regelmäßig isst... Ich bitte Sie...“ Sudhir seufzte und willigte schließlich ein, was die Dame ihm mit einem dankbar-strahlendem Lächeln quittierte. Er füllte noch schnell das Formular zu Ende aus und machte sich anschließend mit dem Lunchpaket auf den Weg zur von der älteren Dame beschriebenen Schule. Das Schulgebäude (6) war nicht besonders groß, doch in Anbetracht der recht übersichtlichen Zahl an Einwohnern, die das Dorf hatte, wohl vollkommen ausreichend. Sudhir überquerte den kleinen Schulhof und überlegte währenddessen, wie er wohl `chhoti Shruti´ finden sollte. Er hatte ganz vergessen, die ältere Dame zu fragen, wie das Mädchen überhaupt aussah. Suchend schaute er sich um und stellte fest, dass nur in einem der wenigen Klassenzimmer gerade Unterricht stattfand. Er schaute vorsichtig zur Tür hinein (7) und sah dort mit Erstaunen die junge Frau stehen, die ihn vorhin an der Schulter gerammt hatte. Sie schrieb gerade etwas an die Tafel. Als sie sich wieder zu ihrer Klasse herumdrehen wollte, fiel ihr Blick auf Sudhir. Überrascht schaute sie ihn für einige Augenblicke an, wandte sich dann allerdings ihren Schülern zu und meinte: „Also löst bitte diese zwei Aufgaben mithilfe eures Lehrbuches. Ihr habt 15 Minuten Zeit.“ Ein Raunen ging durch die Klasse, Bücher wurden aufgeschlagen und Stifte hervorgeholt. Die junge Frau kam auf Sudhir zu, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, wollte sie wissen und ihre Stimme klang schnippisch. „Sie könnten sich dafür entschuldigen, dass sie mich vorhin beinahe umgerannt haben...“, gab er mit einem übertrieben freundlichen Lächeln zurück. Sie zog die Stirn kraus. „Was habe ich? Sie müssen mich verwechseln. Ich...“, meinte sie, doch er fiel ihr ins Wort. „Nein, das waren definitiv Sie.“ Sie zog ihre Augenbrauen hoch und schaute ihn abschätzig an. „Und das ist der einzige Grund, warum Sie hier sind?“, fragte sie und warf einen kurzen Kontrollblick ins Klassenzimmer. „Nein, ich...“, erinnerte sich Sudhir. „Ich suche nach einem Mädchen namens Shruti. Ich soll ihr ihr Essen bringen, dass sie bei ihrer Großmutter vergessen hat...“ Er hielt ihr das Lunchpaket hin. „Können Sie mir sagen, wer die Kleine ist, damit ich...“ „Von ihrer Großmutter?“, unterbrach die junge Frau ihn und musterte das kleine Päckchen, während sie kurz nachzudenken schien. „Wer ist denn ihre Großmutter?“ „Äh... Die Besitzerin des Gasthauses da vorn um die Ecke. Ich weiß ihren Namen nicht, da ich mich dort vorhin eigentlich erst einmieten wollte, aber...“, versuchte Sudhir zu erklären, doch sie fiel ihm erneut ins Wort. „Geben Sie her. Ich werde es ihr geben, wenn die Stunde vorbei ist.“ Sie nahm ihm das Lunchpaket aus der Hand. „Sonst noch irgendetwas?! Ich würde dann nämlich gern meinen Unterricht fortsetzen.“, meinte sie – erneut mit schnippischem Tonfall. „Nein, ich... Danke.“, entgegnete Sudhir kurz, nickte ihr zu und ging. Die junge Frau schaute ihm noch kurz hinterher, zog eine Augenbraue hoch und ging dann mit einem abschätzigen Lächeln zurück ins Klassenzimmer. „Haben Sie meiner Shruti ihr Essen gebracht?“, wollte die ältere Dame sofort wissen, als Sudhir zurück im Gasthaus war. „Ich habe es ihrer Lehrerin gegeben.“, entgegnete er, woraufhin sie ihn verwundert anschaute. „Ihrer Lehrerin?! Aber sie...“, wollte sie gerade einwenden, doch Sudhir ließ sie nicht ausreden. „Es tut mir leid, aber ich würde jetzt gerne mein Zimmer beziehen und mich ein wenig ausruhen, Mrs. ... Äh... Wie war Ihr Name noch gleich?“ „Kavita Anand.“, erwiderte sie mit einem Lächeln. „... Ich danke Ihnen, dass sie sich für mich diese Umstände gemacht haben. Wenn Sie noch irgendetwas brauchen, sagen Sie einfach Bescheid.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging in ihr Büro. Sudhir schaute ihr hinterher und hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, dass er ihr gerade so unhöflich ins Wort gefallen war. Seufzend lief er zu seinem Wagen und holte sein Gepäck. Er stellte es in seinem Zimmer ab und ließ sich dann erst einmal auf das Bett fallen. Er fühlte sich wie erschlagen und hätte am liebsten ein Nickerchen gemacht, doch er musste zuerst George anrufen, um ihn über den aktuellen Stand der Dinge aufzuklären. Er nahm sein Handy aus der Hosentasche, ging zum Fenster und erledigte das Telefonat. Sie einigten sich darauf, dass Sudhir vorerst auf Kosten der Firma im Gasthaus bleiben würde. Seine Möbel und seine anderen Sachen würden, sobald die Bauarbeiten am Bürogebäude abgeschlossen waren, nachgeschickt werden. In der zu überbrückenden Zeit sollte er einen Blick auf die Bauarbeiter haben und ansonsten den Papierkram erledigen, den er sich mitgenommen hatte. Als Sudhir aufgelegt hatte, ließ er sich erneut aufs Bett fallen und nickte kurz darauf auch schon ein. Er wurde von einem lauten Poltern geweckt. Als er die Augen öffnete, sah er, dass es draußen bereits dunkel geworden war. Er setzte sich langsam auf und streckte sich erst einmal, bevor er schließlich aufstand. Nachdem er seine Tür geöffnet hatte, sah er, dass aus dem Raum, der seinem gegenüber lag, eine große Pfütze lief. Im nächsten Moment bückte sich auch schon jemand darüber, um diese aufzuwischen. Als Sudhir genauer hinsah, erkannte er, dass es sich um die junge Lehrerin handelte, mit der er sich vorhin unterhalten hatte. (1) http://i46.tinypic.com/jheuz5.jpg (2) http://i48.tinypic.com/29d8ydg.jpg (3) http://i47.tinypic.com/2w5m0qw.jpg (4) http://i48.tinypic.com/3020w29.jpg (5) http://i48.tinypic.com/ezihbp.jpg (6) http://i48.tinypic.com/jjpv0p.jpg (7) http://i46.tinypic.com/ncauj5.jpg Kapitel 3: Jetlag ----------------- Eilig wischte die junge Frau die Pfütze mit einem großen Lappen auf. Als sie schließlich damit fertig war und aufsah, schaute sie Sudhir direkt in die Augen. Ohne ihren Blick von ihm abzuwenden, stand sie langsam auf. Auch Sudhir musterte sie aufmerksam. „Was machen Sie denn hier?!“, wollte er wissen und kam auf sie zu. In diesem Moment kam auch schon Kavita aus ihrem Büro und rief, als sie den feuchten Boden vor den Füßen der jungen Frau sah: „Chhoti Shruti! Was hast du denn schon wieder...?“ Doch noch bevor sie ausgesprochen hatte, fiel Sudhir ihr ins Wort. „... Chhoti Shruti?!“, fragte er ungläubig. „Sie sind Shruti?!“, wollte er wissen und wandte sich an die junge Frau. Diese verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn kampflustig an. „Ja, Shruti Bhatt. Sehr erfreut.“ „Aber wieso haben Sie das denn vorhin nicht gleich gesagt?! Das...“, wollte Sudhir wissen, doch Shruti unterbrach ihn. „Hätten Sie mal ein wenig nachgedacht, hätten Sie auch von allein drauf kommen können. Also wirklich!“ Sudhir wollte gerade etwas erwidern, als Kavita ihn am Arm nahm und an Shruti vorbei in die Küche zog. „Wollen Sie vielleicht etwas essen?“, fragte sie. „Ich kann Ihnen schnell etwas Dal machen...“ „Nein, nein. Machen Sie sich keine Umstände. Ich...“, wollte Sudhir abwehren, doch sie ließ nicht locker. „Das sind keine Umstände. Setzen Sie sich. Es dauert nicht lange.“ Mit diesen Worten bugsierte sie ihn auf einen der Stühle, die um den großen Küchentisch an der Wand gegenüber der Tür angeordnet waren. Sudhir gab sich geschlagen und beobachtete Kavita dabei, wie sie schnell und gekonnt die Zutaten fertig machte und in den großen Kochtopf warf. Nach nur zehn Minuten roch es bereits köstlich und erst jetzt bemerkte Sudhir, was für einen Hunger er eigentlich hatte. Seit dem Morgen hatte er nichts mehr gegessen und sein Magen quittierte ihm das mit einem lauten und grimmigen Knurren. Shruti, die noch den Boden trocken gewischt hatte, hörte das und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Chhoti Shruti, deckst du bitte den Tisch? Das Essen ist gleich fertig.“, meinte Kavita und rührte mit einer ausladenden Bewegung im Topf herum. Shruti warf daraufhin den nassen Lappen im Innenhof über eine Leine und holte, nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte, drei Teller und Besteck aus dem Schrank, um damit den Tisch zu decken. Sudhir fühlte sich etwas unwohl, mit diesen beiden fremden Frauen zu essen und sich von ihnen bedienen zu lassen, doch er hatte das Gefühl, dass es unhöflich gewesen wäre, ihre Hilfe abzulehnen. Also schob er das unangenehme Gefühl beiseite und langte ordentlich zu. „Sie sind ja vollkommen ausgehungert, junger Mann.“, stellte Kavita amüsiert fest. „Oh... Ja, es tut mir leid... Normalerweise habe ich bessere Tischmanieren.“, gestand Sudhir entschuldigend ein. „Was führt Sie denn überhaupt hierher? Sie sehen nicht aus, als ob Sie hier aus der Gegend wären...“, meinte Kavita und wechselte das Thema. Sudhir kaute seinen Bissen zu Ende und antwortete, nachdem er hinunter geschluckt hatte: „Ich komme eigentlich aus Chicago, aus den USA, wissen Sie. Ich komme von der Firma, die das Bürogebäude außerhalb des Dorfes bauen lässt. Ich werde dort die Leitung übernehmen...“ „Das habe ich mir schon beinahe gedacht.“, meinte Kavita schmunzelnd. „Und was genau werden Sie dort machen?“ „Unsere Firma stellt Energie aus Windkraft her. Es werden in nächster Zeit also auch ein paar Windkrafträder hier aufgestellt werden... Die werden aber niemanden behindern.“, meinte Sudhir und fügte den letzten Satz an, als er sah, dass Kavita und Shruti ihn misstrauisch musterten. Als das Essen beendet war, wollte Sudhir noch seine Hilfe beim Abwasch anbieten, doch Kavita winkte ab. „Sie sind hier Gast. Solche Arbeiten gehören nun wirklich nicht zu Ihren Aufgaben.“ Weitere Einwände ließ sie nicht zu und so verschwand Sudhir nach einer kurzen Verabschiedung in sein Zimmer. Shruti, die mit dem Abtrocknen beschäftigt war, schaute ihm noch kurz hinterher, strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und widmete sich dann dem Geschirr, um es in den Küchenschrank zurückzustellen. Nachdem Sudhir seine Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, zog er sein Hemd und seine Hose aus und ließ sich nur in Boxershorts und T-Shirt erschöpft aufs Bett fallen. Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Eigentlich war er hundemüde und wollte schlafen, doch die vielen verschiedenen Eindrücke des ganzen Tages hielten ihn wach. Er fragte sich, wie seine Zukunft hier wohl aussehen würde, wenn der erste Tag schon so voller Überraschungen, Probleme und Komplikationen gewesen war. Zudem schienen die hier im Dorf lebenden Menschen alle etwas merkwürdig zu sein. Die tuschelnden Passanten, der viel zu gelassene Bauleiter und diese beinahe unerträglich schnippische Lehrerin. Die einzig normale Person schien ihm Kavitaji zu sein. Sie war eine wirklich nette Dame, die ehrlich um ihre Gäste besorgt schien und sich gern um sie kümmerte. Plötzlich stellte sich ihm die Frage, wie Kavitaji zu dieser Shruti stand. War sie ihre Mutter? Tante? Großmutter? Es fiel ihm schwer zu glauben, dass die beiden verwandt sein konnten. Natürlich kannte er keine der beiden auch nur ansatzweise gut genug, um sie bereits ordentlich einschätzen zu können, doch sie schienen zumindest vom ersten Eindruck her grundverschieden zu sein. Zudem fand er Shruti nicht gerade atemberaubend hübsch. Sie schien nicht sehr auf ihr Äußeres zu achten. Zwar sah sie nicht direkt schludrig aus, doch Kleidung und Frisur schienen für sie nur einen praktischen und keinen ästhetischen Zweck zu erfüllen. Eigentlich mochte Sudhir natürliche Frauen sehr viel lieber als überstylte Modepüppchen, doch das war selbst für ihn etwas zu viel `Natürlichkeit´. Während er so über den vergangenen Tag und seine neuen Bekanntschaften nachdachte, dämmerte er langsam weg und fiel schließlich in einen tiefen Schlaf. Als er am nächsten Tag seine Augen aufschlug, wurde er als erstes vom hellen Sonnenlicht geblendet. Schnell kniff er die Augen wieder zu und drehte sich mit dem Rücken zum Fenster. Dann streckte er sich ausgiebig und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die er auf den kleinen Nachttisch gelegt hatte. Als er sah, dass es bereits zwei Uhr nachmittags war, schrak er auf. Eilig wollte er sich anziehen, doch da bemerkte er, wie er sich nach einer heißen Dusche sehnte. Er war sich jedoch sicher, dass die Erfüllung dieses Wunsches alles andere als leicht sein würde. Er zog sich also an und machte sich auf die Suche nach Kavita. Er fand sie in der Küche, wo sie gerade dabei war, Pistazien zu schälen. „Namaste, Sudhirji.“, begrüßte sie ihn und schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er auch ohne Zögern erwiderte. „Sie haben einen guten und tiefen Schlaf, mein Lieber. Ich habe heute Morgen schon dreimal versucht, Sie zu wecken, doch ein Stein ist nichts gegen Sie.“, stellte sie scherzend fest, woraufhin Sudhir einen entschuldigenden Blick zuwarf. „Es tut mir wirklich leid. Ich hatte anscheinend einen größeren Jetlag, als ich gedacht habe... Aber jetzt bin ich wieder vollkommen auf der Höhe. Das Einzige, was mir jetzt noch fehlen würde... wäre eine heiße Dusche... Ist das hier irgendwo möglich?“, fragte er vorsichtig. „Aber natürlich. Dort vorne ist das Badezimmer. Ich stelle nur schnell den Wasserboiler für Sie an und dann können Sie in einer Viertelstunde duschen gehen.“ Mit diesen Worten stand Kavita lächelnd auf und verschwand im Badezimmer. Sudhir war überrascht, dass er hier tatsächlich heiß duschen können würde und lief eilends in sein Zimmer, um frische Kleidung und ein Handtuch zu holen. Nach dem Duschen, das zu seinem Bedauern sparsam verlaufen musste, da das heiße Wasser begrenzt war, fühlte er sich beinahe wie neu geboren. Kavita ließ es sich danach erneut nicht nehmen, ihm etwas zu essen zu kochen und er stellte fest, dass sie eine wirklich hervorragende Köchin war. Ihm zuliebe ließ sie auch ein paar der scharfen Gewürze weg, da sein Magen an das indische Essen natürlich nicht gewöhnt war. Nach dem Essen verabschiedete er sich in sein Zimmer und setzte sich an den Papierkram, den er zu erledigen hatte. Dabei bemerkte er gar nicht, wie schnell die Zeit verging und es schon wieder Abend wurde. Als er feststellte, dass es bereits wieder dämmerte, beschloss er, am nächsten Tag unbedingt früher aufzustehen. Er wurde aus den Gedanken gerissen, als ihm leckerer Essensduft in die Nase stieg und ihm das Wasser im Munde zusammen laufen ließ. Den restlichen Papierkram verschob er auf den morgigen Tag und stand auf, um den Ursprung des köstlichen Duftes zu ergründen. Kapitel 4: Vorurteile --------------------- „Das duftet ja köstlich, Kavitaji.“, meinte Sudhir als er seinen Kopf zur Küchentür hinein steckte. Kavita drehte sich um und lächelte ihm zu. „Vielen Dank, junger Mann. Könnten Sie mir einen Gefallen tun und Shruti holen, damit sie den Tisch deckt? Sie kehrt gerade draußen vor...“ „Nein, nein. Ich werde den Tisch decken. Shrutiji kann ich danach immer noch holen gehen.“, unterbrach Sudhir sie und holte das Geschirr und Besteck aus dem Küchenschrank. Der Tisch war schnell gedeckt und so machte sich Sudhir auf den Weg, um Shruti zu holen. Wie Kavita gesagt hatte, war sie gerade dabei, die Straße vor der Eingangstür zu kehren. Für einen kurzen Moment beobachtete er sie stumm. Wieder trug sie ihre Brille, einen weiten Salwar und ihr Haar hatte sie nur lose am Hinterkopf zusammen gesteckt. Einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht, sodass sie sie ein ums andere Mal zur Seite pusten musste. „Shrutiji?! Das Abendessen ist fertig...“, meinte er schließlich, woraufhin sie sich umdrehte, ihn anschaute und dabei kurz mit dem Handrücken über ihre Stirn wischte. „Mhm...“, gab sie nur knapp als Antwort und drängte sich an ihm vorbei ins Haus. Sudhir blieb noch einen Augenblick stehen und ballte seine Hände zu Fäusten. Was war denn nur mit dieser Frau los? Hatte er ihr unwissentlich irgendetwas getan? Sie reizte ihn und er hatte keine Ahnung, warum. Nichtsdestotrotz schluckte er seine Wut herunter und ging zurück in die Küche, wo Kavita gerade dabei war, das Essen auf die Teller zu verteilen. Shruti hatte bereits Platz genommen und würdigte ihm keines Blickes. „Morgen ist Samstag. Da werden Sie doch sicher nicht arbeiten müssen oder Sudhirji?“, wollte Kavita schließlich wissen, nachdem sie mit dem Essen begonnen hatten. „Ähm... Eigentlich nicht, denke ich...“, erwiderte Sudhir unsicher, denn eigentlich hatte er momentan sowieso keine festen Arbeitszeiten. „Wenn Sie wollen, kann Shruti Ihnen morgen das Dorf zeigen, damit Sie wissen, wo Sie hier alles finden können. Das wird hier ja schließlich Ihre neue Heimat, hai na?“, bot sie ihm an. Bei ihren Worten wanderte Sudhirs Blick zu Shruti, die ihre Augen verdrehte, aber nichts weiter dazu sagte. Der Vorschlag überraschte ihn, doch in Anbetracht dessen, dass er Shrutis Problem mit ihm herausbekommen wollte und es tatsächlich hilfreich sein würde, das Dorf zu kennen, willigte er ein. „Thik hai. Außerdem ist morgen Putztag. Da kann ich keine Gäste hier gebrauchen.“, gestand Kavita noch lachend ein und widmete sich dann dem Rest ihres Essens. Nach dem Abendbrot verabschiedete Sudhir sich wieder in sein Zimmer. Da es noch nicht sehr spät war und er nicht wusste, wie er sich sonst die Zeit vertreiben sollte, setzte er sich wieder an seinen Papierkram. Gemacht werden musste er schließlich so oder so. Als er sich schließlich gegen 22 Uhr dafür entschied, ins Bett zu gehen, beschloss er, sich vorher noch ein Glas Wasser aus der Küche zu holen. Auf seinem Rückweg fiel ihm auf, dass im Badezimmer noch Licht brannte. Eigentlich hätte ihn das nicht weiter gekümmert, doch in diesem Moment wurde das Licht auch schon gelöscht und die Tür wurde geöffnet. Das Erste, was er dann zu sehen bekam, war langes glänzend schwarzes Haar, das das Mondlicht – welches durch den offenen Innenhof ins Haus fiel – reflektierte. Als die Person sich dann umdrehte, kam ihm das schwach beleuchtete Gesicht bekannt vor, doch er konnte es nicht zuordnen. Sie blieb einen Augenblick stehen und schaute ihn an. Als sie schließlich näher kam, erkannte er, um wen es sich handelte. Shruti. Doch sie war vollkommen verändert. Sie hatte keine Brille auf, trug ihr hüftlanges leicht lockiges Haar offen und trug einen weißen Schlafsalwar. Ohne ein Wort zu ihm, lief sie an Sudhir vorbei und ließ ihn stumm vor Erstaunen alleine im fahlen Mondlicht stehen. Ein lautes Klopfen an seiner Zimmertür weckte Sudhir am nächsten Morgen. „Sudhirji, das Frühstück ist fertig.“, hörte er Kavita rufen und kurz darauf ihre sich entfernenden Schritte. Er streckte sich ordentlich, blieb aber noch eine Weile liegen und starrte an die Zimmerdecke. Er war verwirrt. War die Begegnung letzte Nacht tatsächlich passiert? War diese schöne Frau wirklich Shruti gewesen? Es erschien ihm alles wie ein weit entfernter Traum. War es tatsächlich möglich, dass ein Mensch so unterschiedlich aussehen und wirken konnte? Er bekam ihr Bild einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ihre wunderschöne, im Mondlicht beinahe geisterhafte Gestalt hatte sich in sein Gehirn eingebrannt und er war beinahe unfähig, an etwas anderes zu denken. Mühsam quälte er sich schließlich doch aus dem Bett, zog sich an, wusch sich im Badezimmer kurz das Gesicht und setzte sich anschließend an den bereits gedeckten Frühstückstisch. „... Shruti kahan hai, Kavitaji?“, wollte er wissen, nachdem er sich erfolglos nach ihr umgeschaut hatte. „Sie hat noch etwas in der Schule zu erledigen.“, antwortete Kavita, während sie Sudhir gegenüber Platz nahm. „Ich habe gesagt, dass ihr euch in einer halben Stunde am Schulgebäude trefft. Ich hoffe, das ist in Ordnung?“ „Ja, natürlich. Danke.“, erwiderte Sudhir sofort. Er konnte er kaum noch erwarten, Shruti zu sehen. Vielleicht hatte sie die letzten Tage nur eine schlechte Zeit gehabt und deswegen nicht besonders auf sich geachtet. Er sah schon von Weitem, dass er eines Besseren belehrt wurde. Wie sonst auch trug Shruti eine Brille und die Haare lose am Hinterkopf zusammengesteckt. Nur ihr Salwar sah etwas modischer aus als sonst. Er war hellgelb mit einfachen Stickereien am Saum. „Hey...“, rief er ihr als Begrüßung zu, doch sie reagierte nur mit einem kurzen Kopfnicken. „Also wenn Sie den restlichen Tag genauso viel mit mir reden, dann können wir uns diese kleine Dorfführung auch gleich sparen.“, meinte er angesäuert und steckte die Hände in seine Hosentaschen. „Kavita Aunty möchte, dass ich Ihnen das Dorf zeige, als werde ich das auch tun. Aber erwarten sie nicht, dass ich Ihnen darüber hinaus irgendwelche Aufmerksamkeit schenken werde...“, erwiderte sie kühl und setzte sich langsam in Bewegung. Irritiert schaute Sudhir ihr kurz hinterher und holte sie dann mit wenigen großen Schritten wieder ein. „Würden Sie mir verraten, was ich Ihnen eigentlich getan habe? Ich...“, wollte er wissen, doch Shruti fiel ihm ins Wort. „Oh, ich bitte Sie! Ich habe gesehen, wie lange Sie mit abwertendem Blick vor unserem Gasthaus gestanden und überlegt haben, ob sie nun hereingehen oder nicht. Stadtmenschen sind im Endeffekt doch alle gleich. Arrogant, überheblich und voller überzogener Ansprüche. Sie kommen her und denken, hier alles verändern zu müssen, nur weil es hier nicht so ist, wie Sie es sich vorstellen. Es...“ „Hey, Moment mal! Wovon reden Sie denn da? Sie kennen mich doch überhaupt nicht! Wie können Sie so eine festgefahrene Meinung haben über Menschen, die...“, wandte Sudhir verwundert über diese Vorurteile ein. „Ich denke nicht, dass es einen Sinn hat, mit Ihnen darüber zu diskutieren.“, brach Shruti ihr Gespräch so plötzlich ab, wie sie es begonnen hatte. Schweigend liefen sie einige Augenblicke nebeneinander her. Sudhir beschäftigte jedoch weiterhin Shrutis nächtliche Erscheinung und so beschloss er zu handeln. „Thik hai. Dann lassen Sie uns über etwas anderes reden...“, meinte er und stellte sich direkt vor sie, sodass sie stehen bleiben musste und einen kleinen Schritt zurückwich. Noch ehe sie reagieren konnte, nahm er ihr die Brille ab und löste die Spange aus ihrem Haar, so dass es in weichen Locken über ihre Schultern fiel. Völlig irritiert schaute sie ihn an. „Was soll das?!“, wollte sie voller Unverständnis wissen. Doch Sudhir war vollkommen fasziniert von ihr. Er brauchte einige Augenblicke bis er ihr antwortete. „Was das soll? Das könnte ich auch Sie fragen... Wieso `verkleiden´ Sie sich als unscheinbares Mauerblümchen, wenn Sie doch eigentlich eine solche... Schönheit sind?!“, wollte er wissen und betrachtete die feinen Züge ihres Gesichtes. „Unscheinbares Mauer...?“, erwiderte sie aufgebracht, doch die Röte, die in ihre Wangen stieg, war unübersehbar. „Ich denke nicht, dass es Sie irgendetwas angeht, wie ich mich anziehe oder gebe! Und jetzt geben Sie das wieder her!“ Mit diesen Worten riss sie ihm ihre Brille und die Haarspange aus der Hand und ging festen Schrittes an ihm vorbei. Sudhir konnte nicht anders, als über ihr Verhalten zu grinsen. Kapitel 5: Harte Schale ----------------------- „Jetzt warten Sie doch mal!“, rief Sudhir und lief Shruti mit großen Schritten hinterher. „Das war doch keine Beleidigung. Das war ein Kompliment!“, erklärte er und lachte. „Ein Kompliment?!“, meinte Shruti aufgebracht, während sie ihre Brille wieder aufsetzte und ihre Haare zu einem Zopf zusammenband. „Sie haben mich gerade als graue Maus bezeichnet. Ich sehe nicht, wo das ein Kompliment sein soll!“ Nach einer kurzen Pause fügte sie noch hinzu: „... Wieso rege ich mich darüber eigentlich auf?! Es ist mir egal, was Sie über mich denken. Und jetzt lassen Sie uns diese dumme Dorfführung endlich hinter uns bringen.“ Sudhir konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, doch da Shruti es penibel vermied, ihn anzusehen während sie ihm das Dorf zeigte, entging ihr das. Sudhir hätte sie gern noch ein wenig aufgezogen, doch das wollte er sich für ein anderes Mal aufsparen. Für heute war das erst einmal genug. Die Frage, warum sie nichts aus ihrer offensichtlich natürlichen Schönheit machte, jedoch blieb. Er wollte mehr von ihr sehen. Ihm war vollkommen bewusst, wie oberflächlich das war, doch ihre nächtliche Erscheinung tauchte immer wieder vor seinem inneren Auge auf. Er konnte nicht aufhören, daran zu denken. Zuerst musste er allerdings ihre offensichtlich steinharte Schale knacken und ihr ihre Vorurteile austreiben. Erst dann würde es möglich sein, ein ernsthaftes Gespräch mit ihr zu führen. Da er den nächsten Monat über sowieso nicht richtig würde arbeiten können, war das eine nette Herausforderung für ihn. Nach einer knappen Stunde war Shruti mit der Dorfführung fertig und die beiden kamen beinahe pünktlich zum Mittagessen wieder am Gasthaus an. „Kavitaji, was ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Shruti?“, wollte Sudhir wissen, während er nach dem Essen das Geschirr abtrocknete, das Kavita abgewaschen hatte. Nachdem er darauf bestanden hatte, diese Aufgabe zu erledigen, war Shruti mit abschätzigem Blick aus der Küche verschwunden. „Ich bin ihre Tante. Wieso fragen Sie?“, erwiderte Kavita. „Ohne besonderen Grund. Ich habe mich das nur schon die ganze Zeit gefragt... Und... wo sind Shrutis Eltern?“ „Meine Schwester und ihr Mann sind leider vor beinahe fünf Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen.“ „Oh! Ah... Das tut mir wirklich leid. Ich hätte nicht gefragt, wenn ich...“, wandte Sudhir etwas verlegen ein. „Ist schon gut, Sudhirji. Das haben Sie schließlich nicht wissen können, hai na? Und machen Sie sich darüber keine Gedanken. Wir kommen zurecht. Shruti ist gut versorgt.“, erwiderte Kavita lächelnd, während sie das Abwaschbecken auswusch. „Sie können ruhig gehen, wenn Sie wollen. Den Rest erledige ich.“, meinte sie und nahm Sudhir das Geschirrtuch ab. In seinem Zimmer setzte sich Sudhir auf sein Bett und starrte aus dem Fenster. Shruti war also eine Waise? Das war die erste Gemeinsamkeit zwischen ihnen. Sudhir schüttelte den Kopf. Er wollte nicht an den Tod denken. Also stand er auf und lehnte sich an den Rahmen seines geöffneten Fensters. Eine leichte Brise wehte herein und strich durch sein schwarzes Haar. Für einen Moment schloss er die Augen und genoss die friedliche Dorfidylle. Solche Ruhe kannte er aus den hektischen Großstädten Delhi und Chicago nicht und er musste zugeben, dass er das durchaus genoss. Voller Elan beschloss er spontan, noch einmal einen Dorfspaziergang zu machen und die Gegend hier auf eigene Faust zu erkunden. Eilig wechselte er das Hemd, das er trug, gegen ein T-Shirt und machte sich auf den Weg. Während der Dorfführung von Shruti war Sudhir zu sehr in Gedanken gewesen, um alles um sich herum richtig wahrzunehmen, doch nun öffnete er all seine Sinne und war nahezu überwältigt von der ursprünglichen Belassenheit des Dorfes. Er war sich beinahe sicher, dass sich hier in den letzten 100 Jahren wohl kaum etwas – außer verschiedenen notwendigen Modernisierungen wie Wasserleitungen oder Strommasten – verändert hatte. Sudhir war selbst überrascht, wie begeistert er plötzlich von dieser dörflichen Umgebung war, wo er doch eigentlich dachte, durch und durch ein Stadtmensch zu sein. Doch diese ungewohnte Ruhe gefiel ihm und er wurde immer sicherer, dass er seine Entscheidung, nach Indien zu kommen, nicht bereuen würde. Als er schließlich das Dorf, die nähere Umgebung und das unfertige Bürogebäude, was sein Arbeitsplatz werden sollte, erkundet hatte, wollte er eigentlich zurück zum Gasthaus gehen. Als er allerdings ein schwaches Rauschen hörte, das nach dem eines Flusses klang, entschied er sich spontan um und machte sich auf den Weg zum Ursprung des Geräusches. Keine fünf Minuten vom Dorf entfernt fand er ihn schließlich. Ein kleiner, vielleicht zehn Meter breiter Fluss mit klarem Wasser und einer durch leichten Abtrieb und einiger kleiner Stromschnellen raschen Strömung. Als Sudhir sich umsah, entdeckte er nur wenige Meter von ihm entfernt am Ufer eine Frau, die gerade Wäsche wusch. Als er genauer hinschaute, erkannte er, dass es sich um Shruti handelte. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er sich an sie heran schlich und sich über sie beugte, um ihr triezenderweise ins Ohr zu flüstern: „Sie sind aber wirklich ein fleißiges Bienchen...“ Ein unterdrückter Aufschrei entrann ihrer Kehle, bevor sie sich erschrocken umdrehte. Da Sudhir sich allerdings nicht bewegt hatte, waren ihre Gesichter nun so nah bei einander, dass er ihren Atem auf seiner Haut und seinen Lippen spüren konnte. Wortlos starrten sie sich für einen kurzen Moment in die Augen bis Sudhir sich aufrichtete und anfing zu lachen. „Und schreckhaft sind Sie also auch noch.“ Shruti schien erst jetzt zu begreifen, was geschehen war. Ihre Wangen zierte plötzlich eine zarte Röte und ihr Blick verfinsterte sich. „Was machen Sie hier?!“, wollte sie wissen. „Verfolgen Sie mich oder wie darf ich das hier verstehen?!“ Sie schenkte ihm noch einen vernichtenden Blick, bevor sie sich wieder ihrer Wäsche widmete. Sudhir grinste vor sich hin, während er sich hinkniete und neben Shruti setzte. „Ich verfolge Sie nicht. Ich kam zufällig hier vorbei, als ich noch einmal durch das Dorf gelaufen bin. Wie kommt es, dass Sie mir diesen Fluss bei Ihrer kleinen Führung heute Morgen nicht gezeigt haben?“, wollte er wissen und beobachtete, wie sie die eingeseifte Wäsche im Flusswasser sauber spülte. „Wieso hätte ich das tun sollen? Ich wage doch sehr zu bezweifeln, dass Sie vorhaben, hier Ihre Wäsche zu waschen...“, entgegnete sie schnippisch. „Das hat doch damit gar nichts zu tun... Ich verstehe Sie einfach nicht. Wieso sind Sie die ganze Zeit so biestig zu mir?“, wollte Sudhir wissen und ging nicht weiter auf ihren kamplustigen Unterton ein. Für einen Moment hielt sie in ihrer Tätigkeit inne und schaute ihm in die Augen. „Das hab ich Ihnen bereits erklärt. Ich mag Menschen wie Sie nicht. Ich sehe also keinen Grund, nett zu Ihnen zu sein.“ „Menschen wie mich?“, wiederholte Sudhir. „Sie kennen mich doch überhaupt nicht. Wie können Sie da...?“ „Und ich will Sie auch nicht weiter kennenlernen.“, erwiderte sie kurz und knapp. Dann packte sie ihre Sachen zusammen, stand auf und ging. Perplex schaute Sudhir ihr hinterher. „Das werden wir erst noch sehen, Shruti!“, rief er und stand ebenfalls auf. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und seufzte. Das würde ein größeres Stück Arbeit werden als er gedacht hatte. Kapitel 6: Probleme des Gleichgewichts -------------------------------------- Nach dem Abendessen hatte Sudhir keine Lust, sich alleine in sein Zimmer zurückzuziehen und so entschied er sich dafür, sich noch ein wenig mit Kavita zu unterhalten. Er setzte sich neben sie auf eine der Bänke im Innenhof und bot seine Hilfe an, da Kavita gerade dabei war, Karotten zu schälen und zu schneiden. Lächelnd nahm sie sein Angebot an und begann auch sofort ein Gespräch mit ihm. Sie erkundigte sich nach seiner Herkunft und seiner Arbeit und beantwortete auch seine Fragen bereitwillig. Kavita hatte weder Mann noch Kinder, da sie immer nur ihr Gasthaus im Sinn hatte. Um Shruti hatte sie sich trotzdem immer gekümmert, wenn deren Eltern gerade arbeiten waren oder keine Zeit hatten. Als Shrutis Eltern umgekommen waren, hatte Kavita keine Sekunde gezögert, auf Shruti Acht zu geben. Es wäre zu diesem Moment nichts selbstverständlicher gewesen, gerade weil sie immer wie eine eigene Tochter für sie gewesen war. „... aber eigentlich muss ich mir um Shruti keine Sorgen machen. Sie ist schließlich erwachsen und außerdem...“, erklärte Kavita, doch sie unterbrach sich, als sie bemerkte, dass Shruti gerade zur Tür hereinkam. „Arre, Shruti, wir haben gerade über dich gesprochen. Möchtest du dich nicht zu uns setzen?“, fragte sie lächelnd, doch Shruti winkte ab. „Nein, danke. Ich werde nur schnell ins Bad gehen und mich dann hinlegen. Ich bin hundemüde...“ Und nach einem kurzen Blick zu Sudhir verschwand sie ins Badezimmer. „... Jetzt schon...?“, murmelte Kavita vor sich hin und erschrak, als sie an die große Uhr schaute, die über der Küchentür angebracht war. Es war bereits beinahe 22 Uhr. Sie und Sudhir hatten während ihres Gespräches völlig die Zeit vergessen und nun war es bereits so spät geworden. „In Anbetracht dessen, dass es schon so spät ist, werde ich mich dann ebenfalls verabschieden, Sudhirji. Es war ein wirklich netter Abend mit Ihnen. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.“, meinte Kavita und verabschiedete sich anschließend, um die geschälten Karotten in die Küche zu bringen. Sudhir blieb allerdings auf der Bank sitzen und war fest entschlossen, dort zu warten bis Shruti das Badezimmer wieder verließ. Er wollte noch sie noch einmal so sehen, wie in der vergangenen Nacht. Kaum zehn Minuten später wurde die Badtür auch schon geöffnet und Shruti kam zu Sudhirs Bedauern ebenso heraus wie sie herein gegangen war. „Du willst doch wohl nicht etwa so schlafen gehen oder?“, wollte Sudhir wissen und ging auf Shruti zu, die sich jedoch von ihm abwandte und in Richtung ihres Zimmers ging. „Erstens wusste ich nicht, dass wir uns bereits duzen und zweitens kann es Ihnen doch vollkommen egal sein, wie ich aussehe, wenn ich schlafen gehe.“, gab sie unbeeindruckt zurück. „Ja, eigentlich könnte es mir tatsächlich egal sein...“, bestätigte er, als sie an ihrer Zimmertür angekommen waren. Dann allerdings schnappte er sich erneut ihre Brille und ihre Haarspange und meinte grinsend: „Ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass das die einzige Möglichkeit ist, dich ohne diese Maskerade hier zu sehen...“ Shruti schaute ihn grimmig, konnte allerdings nicht verhindern, dass erneut heiße Röte in ihre Wangen stieg. „Sie haben doch überhaupt keine Ahnung!“, fuhr sie ihn an, holte sich mit einer schnellen Handbewegung ihre Brille und ihre Haarspange zurück und wollte sich gerade umdrehen, um in ihr Zimmer zu gehen, als Sudhir sie an der Schulter festhielt. Er beugte sich zu ihr herunter und raunte ihr ein leises „Gute Nacht...“ ins Ohr. Dann drehte er sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort in sein Zimmer. Mit pochenden Wangen stand Shruti noch einen Moment an ihrer Tür. Ihr Herz raste und ihre Haut prickelte, wo Sudhirs Atem sie gestreift hatte. Sie zwang sich, einige Male tief durchzuatmen und öffnete dann ihre Tür und ging in ihr Zimmer. Als Sudhir am nächsten Tag aufwachte, fühlte er sich seltsam erholt. Er streckte sich, stand auf und freute sich über den warmen Sonnenschein, der durch das geöffnete Fenster ins Zimmer fiel. Langsam zog er sich an und warf dann einen Blick auf die Uhr. Er erschrak, als er sah, dass es bereits kurz vor 13 Uhr war, da das bedeutete, dass er mehr als 13 Stunden geschlafen hatte. Allerdings erklärte das, warum er sich so erholt fühlte. Nachdem er sein Zimmer verlassen hatte, suchte er nach Kavita, doch stattdessen fand er Shruti, die gerade dabei war, die Eingangstür zu putzen. Als sie ihn bemerkte, musterte sie ihn abschätzig. „Na, haben Sie es auch endlich geschafft aufzustehen?! Respekt.“, stichelte sie, doch das ignorierte Sudhir geflissentlich. „Meine Träume waren voll von dir. Da konnte ich mich einfach nicht aufraffen. Das verstehst du doch sicher...“, gab er mit aufgesetzt ernstem Blick zurück und verpasste ihr dann lachend einen Klaps auf den Hintern. Noch bevor Shruti protestieren konnte, verzog sich Sudhir eilig in die Küche, wo er sich etwas zum Essen zusammensuchen wollte. Doch kaum hatte er sich einen Teller aus dem Schrank genommen, wurde er von Shruti mit den Worten „Weg da!“ zur Seite geschoben. „Aunty hat etwas für dich warm gestellt.“, meinte sie und holte einen Topf hervor, der in mehrere Decken eingewickelt war. „`Du´? Wo ist denn plötzlich das förmliche und kalte `Sie´ geblieben?“, wollte Sudhir überrascht und belustigt zugleich wissen. „Nach deinem Benehmen von gerade eben ist mir nun wirklich jeder Respekt für dich verloren gegangen.“, erklärte sie kurz, während sie den Topf aus den Decken wickelte. „Oh, kein Problem. Das Duzen bringt uns näher...“, erwiderte Sudhir. „... und der Poklapser genauso.“, fügte er grinsend hinzu, was ihm allerdings nur einen wütenden Blick von Shruti einbrachte. Nachdem Sudhir alleine gegessen hatte, gesellte er sich erneut zu Shruti, die nun dabei war, Fenster zu putzen. „Kann ich irgendwie behilflich sein?“, erkundigte er sich und beobachtete Shruti dabei, wie sie auf einer wackligen Zweistufenleiter balancierte, um an die obere Hälfte der Fenster zu gelangen. „Du würdest helfen, wenn du verschwinden würdest.“, gab sie bissig zurück. „Wo ist eigentlich Kavitaji?“, fragte Sudhir und ignorierte dabei völlig ihre Antwort. „Nicht da. Sonntagnachmittag geht sie immer zu ihren Freundinnen zum Wochenklatsch. Wenn du also etwas von ihr willst, musst du dich noch gedulden.“, antwortete sie, jedoch ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. „Das eilt nicht. Ich bin gern mit dir alleine...“, stellte Sudhir fest. In diesem Moment rutschte Shruti aus und verlor ihr Gleichgewicht. Die Leiter kippte zur Seite um und Shruti fiel nach hinten. Geistesgegenwärtig reagierte Sudhir sofort und fing sie auf. Dabei verlor er jedoch ebenfalls das Gleichgewicht und landete mitsamt Shruti auf dem harten Holzfußboden. Beide brauchten einen Moment, um das eben Geschehene zu erfassen, doch Sudhir fasste sich als Erster wieder. „Sab kuch thik hai?“, erkundigte er sich besorgt und stellte fest, dass Shruti ihre Brille verloren hatte. „Ji...“, gab sie zögerlich zurück und rieb sich ihr leicht aufgeschürftes Knie. Nachdem er nun wusste, dass es ihr gut ging, konnte er nicht mehr widerstehen und löste ihre Haarspange. Ihr Haar fiel sofort glänzend über ihre Schultern und ihren Rücken. Sudhir konnte nicht anders, als mit seiner Hand hindurch zu fahren. Nervös schaute Shruti ihn an und bemerkte erst jetzt, dass sie auf seinem Schoß saß. Hektisch versuchte sie aufzustehen, doch Sudhir hielt ihre Hüfte umfasst und zog sie näher zu sich. „Nicht so schnell. Ich...“, begann er, doch Shruti machte sich aus seinem Griff los und stand auf. Dabei erklang allerdings ein lautes Knacken und beiden war sofort klar, dass sie auf ihre Brille getreten war. Kapitel 7: Keine Brille und offenes Haar ---------------------------------------- Shruti stöhnte leise auf vor Schmerzen und fiel zurück ins Sudhirs Schoß. Die Scherben hatten sich in ihre Fußsohle gebohrt und somit sofort eine starke Blutung verursacht. Als Sudhir das sah, schreckte er auf. „Nicht bewegen!“, meinte er und nahm sie auf seine Arme, um sie in ihr Zimmer zu tragen. Dort ließ er sie sanft auf ihrem Bett nieder und lief anschließend ins Badezimmer, um Wasser und einen Lappen zu holen. Verbandszeug aus dem Erste-Hilfe-Schränkchen nahm er auch gleich mit. Shruti sog scharf die Luft durch ihre Zähne ein, als Sudhir vorsichtig sämtliche Splitter aus ihrem Fuß zog. Anschließend säuberte er die Wunde und wickelte ihr den Verband um. „Du bleibst jetzt schön hier liegen. Ich räume nur schnell die Scherben weg und komme gleich wieder.“, wies er sie an und verließ ihr Zimmer. Durch die offene Tür beobachtete Shruti grimmig, wie er die Scherben zusammenkehrte und anschließend den Boden wischte. Als er damit fertig war, kam er wieder zu ihr und setzte sich neben sie auf ihr Bett. Dabei fiel ihm auf, dass er zum ersten Mal in ihrem Zimmer war. Der Raum war etwa doppelt so groß wie seiner. Wie Sudhir eigentlich erwartet hatte, war alles sauber und aufgeräumt – bis auf ihren Schreibtisch, der in der Ecke gegenüber ihrem Bett stand. Er war beladen mit Ordnern, Büchern und losen Blättern – wie sonst sollte es bei einer Lehrerin auch anders sein? „Ich denke, du hast hier jetzt genug herumgeschnüffelt.“, unterbrach Shruti seine Gedanken. „Würdest du jetzt bitte gehen?“ „Bekomme ich nicht einmal ein kleines Dankeschön?“, wollte Sudhir gespielt beleidigt wissen. Sie druckste ein wenig herum, gestand am Ende jedoch ein: „Ja, es war sehr nett von dir, dich um meine Verletzung zu kümmern, aber einen Orden bekommst du dafür nicht.“ „Einen Orden will ich dafür auch nicht. Ein kleines Küsschen auf die Wange würde mir schon vollkommen reichen.“, merkte er an, hielt ihr seine Wange hin und tippte mit dem Zeigefinger darauf. „Raus hier.“, war Shrutis kurze, aber klare Antwort auf diese Aufforderung, die sie noch mit einem vernichtenden Blick unterstützte. Sudhir folgte ihrer `Bitte´, schaute aber im Laufe des Nachmittags immer wieder zu ihr hinein, um zu sehen, wie es ihr ging. Daraufhin komplimentierte sie ihn meist auch sofort wieder hinaus, doch so sah er, dass es ihr gut ging und er sich keine Sorgen machen musste. Um sich die Zeit zu vertreiben, beschloss er, Shrutis Arbeit, die Fenster zu putzen, zu beenden. Zwar hatte er so etwas noch nie gemacht, aber er war der Meinung, dass es so schwer schließlich nicht sein konnte. Er wurde bald eines Besseren belehrt, versuchte allerdings trotzdem sein Bestes. Als Kavita am Abend schließlich nach Hause kam, wunderte sie sich über die seltsame Situation, dass Shruti verletzt im Bett lag und Sudhir sich am Fensterputzen versuchte. „Kaum bin ich außer Haus geht hier alles drunter und drüber.“, bemerkte sie amüsiert, als sie sich neben Shruti aufs Bett setzte und ihren Fuß inspizierte. „An mir liegt das nicht.“, gab sie zurück und schenkte Sudhir, der im Türrahmen lehnte, einen garstigen Blick. Kavita lachte. „Ich werde dir jetzt erst einmal einen Tee machen.“, meinte sie und war gerade dabei aufzustehen, als sie plötzlich inne hielt und Shruti durchs Haar strich. „Du solltest es ruhig öfter offen tragen...“, bemerkte sie, was Sudhir zur sofortigen Zustimmung veranlasste: „Ja, das versuche ich ihr auch schon die ganze Zeit zu verstehen zu geben, aber sie will einfach nicht auf mich hören." Shruti ignorierte ihn und meinte mit leiser und beinahe flehender Stimme: „Aunty...“ Kavita nickte daraufhin verstehend und verließ dann das Zimmer. Sudhir schaute zwischen den beiden Frauen hin und her und verstand nicht, was das gerade eben zu bedeuten gehabt hatte. Trotz ihres verletzten Fußes ließ Shruti sich nicht davon abhalten, am nächsten Tag arbeiten zu gehen. Als Kompromiss und unter Shrutis Protesten begleitete Sudhir sie zur Schule. Anschließend machte er sich auf den Weg zur Baustelle, um sich auf den neusten Stand der Bauarbeiten zu bringen. Bauleiter Chopra murrte erst, zeigte sich dann allerdings kooperativ und ließ Sudhir Einsicht in die Pläne und Akten nehmen. Pünktlich zum Unterrichtsschluss stand Sudhir wieder vor der Schule, um Shruti abzuholen. Sie verleierte die Augen als sie ihn sah, sagte aber nichts weiter. „Ohne Brille wirkst du gleich ganz anders...“, merkte Sudhir an. „... und wenn du jetzt noch dein Haar offen tragen würdest...“, fügte er hinzu und wollte nach Shrutis Haarspange greifen, doch Shruti schenkte ihm nur einen bitterbösen Blick. „Wag es dir nicht.“, warnte sie ihn. Die restliche Woche verlief ähnlich. Sudhir brachte Shruti morgens zur Schule und holte sie nach Schulschluss wieder ab. Dazwischen besuchte er die Baustelle, bearbeitete seinen Papierkram oder sprach sich per Telefon mit George über zukünftige Projekte ab. Donnerstagabend nach dem Essen bat Kavita Sudhir schließlich um einen Gefallen. „Chhoti Shruti muss morgen nach Bhopal, um ein paar Besorgungen zu erledigen. Würde es Ihnen Umstände machen, wenn Sie sie dorthin begleiten und ein wenig auf sie aufpassen würden?“ „Aber natürlich nicht, Kavitaji! Das mache ich doch liebend gern für Sie.“, wand Sudhir sofort ein, woraufhin Kavita ihm ein dankbares Lächeln schenkte. „Shruti hat morgen nur bis elf Uhr Unterricht. Der Zug nach Bhopal fährt halb 12 ab. Unser Bahnhof liegt ein wenig außerhalb, deswegen würde ich vorschlagen, ihr geht am besten gleich von der Schule aus hin...“, erklärte Kavita. „Und wenn Shruti murren sollte, ignorieren Sie das am besten einfach...“, fügte sie augenzwinkernd hinzu. „Nichts leichter als das.“, erwiderte er grinsend. Sudhir traute seinen Augen nicht, als er Shruti am nächsten Tag abholte. Sie trug einen fein bestickten Salwar und ihre Haare offen (1). Außerdem hatte sie ihre braun-grünen Augen mit Kajal umrandet. Am Morgen war sie schon weg gewesen, als er aufgestanden war, deswegen sah er sie heute zum ersten Mal. Er konnte sein Erstaunen nicht verbergen und hätte keine passenden Worte für ihre Schönheit finden können. Shruti wurde rot, als sie Sudhirs Blick sah. „Verkneif dir bitte jeglichen Kommentar.“, meinte sie und wandte ihren Blick von ihm ab. Sudhir folgte ihrem Wunsch, konnte sich allerdings ein dickes und glückliches Grinsen nicht verkneifen. Kaum waren sie am Bahnhof (2) angekommen und hatten sich ihre Fahrkarten gekauft, kam auch schon der Zug. Als sie einstiegen, war es noch relativ leer, auch wenn sie keine Sitzplätze mehr bekamen. Je mehr Haltestellen sie allerdings passierten, desto voller wurde es. Irgendwann war nicht einmal mehr genug Platz, dass man sich hätte umdrehen können. Shruti wurde mit dem Rücken gegen die Tür gedrückt, während Sudhir vor ihr stand und versuchte, die drängelnden Menschen von ihr fernzuhalten. Dazu stützte er sich links und rechts von ihr mit den Ellenbogen ab und schirmte sie mit seinem Körper von den anderen ab. Durch einen plötzlichen Ruck wurde er jedoch fest an Shruti gepresst. Vor Überraschung und Schmerz stöhnte sie leise auf und verzog das Gesicht. „Tut mir leid!“, entschuldigte Sudhir sich sofort, sah sich aber nicht in der Lage, den Abstand zwischen ihnen wieder zu vergrößern, da die Leute hinter ihm zu sehr gegen ihn drückten. Er musste allerdings auch zugestehen, dass diese körperliche Nähe zu Shruti ihm alles andere als missfiel. Durch die Enge bemerkte er auch zum ersten Mal, welch schöne weibliche Rundungen Shruti hatte. Sie drückten fest gegen seinen Körper, schmiegten sich an ihn und er musste sich sehr konzentrieren, damit er nicht auf falsche Gedanken kam. Ihr süßlicher Duft und ihre geröteten Wangen, die sie vor ihm zu verstecken versuchte, machten dieses Unterfangen allerdings umso schwerer. (1) http://i45.tinypic.com/2a68aq8.jpg (2) http://i49.tinypic.com/25fom0p.jpg Kapitel 8: Die Enge des Zuges ----------------------------- Während der halbstündigen Fahrt fiel kein Wort mehr zwischen ihnen. Ihre Situation fühlte sich für beide zu merkwürdig an, als dass sie in der Lage gewesen wären, irgendetwas Sinnvolles zu sagen. Als sie schließlich in Bhopal angekommen waren und sich aus dem Zug gekämpft hatten, atmeten sie erst einmal tief durch und streckten sich, um die unangenehme Enge des Zuges abzuschütteln. „Und wo genau soll es jetzt hingehen?“, wollte Sudhir wissen, nachdem sie den Bahnhof verlassen und sich eine Rikscha genommen hatten. „Zur Bibliothek, zur Universität und zum Marktplatz.“, gab Shruti kurz angebunden zurück. In der Bibliothek gab Shruti einige Bücher zurück und nahm andere, die sie anscheinend vorbestellt hatte, wieder mit. Lange blieben sie dort nicht und machten sich anschließend auch sofort auf den Weg zur Universität. Unterwegs begann allerdings Sudhirs Magen unüberhörbar zu knurren. „Können wir irgendwo essen gehen? Ich hatte heute nur...“, begann er, doch Shruti unterbrach ihn. „Ich habe an der Uni einen Termin. Also gehst du jetzt entweder alleine oder du musst dich noch so lange gedulden bis ich alles erledigt habe.“, zeigte sie ihm teilnahmslos seine zwei Möglichkeiten auf. Obwohl Sudhirs Magen vor Hunger schon beinahe schmerzte, wollte er sich die Gelegenheit, allein mit Shruti essen zu gehen, nicht entgehen lassen und entschied sich dafür, noch zu warten. Während Shruti ihren Termin wahrnahm, wartete Sudhir draußen auf dem Unigelände. Er setzte sich auf eine Bank und beobachtete das rege Treiben auf dem Campus. Seine Gedanken schweiften aber bald ab – hin zu Shruti. Er konnte noch immer nicht fassen, wie hübsch sie war. Das hätte er niemals für möglich gehalten, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Ihr abweisendes Verhalten war allerdings das genaue Gegenteil davon. Er musste jedoch zugeben, dass sie das auch interessanter machte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass mehr dahinter steckte, doch ihm war bewusst, dass es einige Zeit dauern würde bis er herausfinden würde, was es war. Nach einer knappen Stunde verließ Shruti das Unigebäude schließlich wieder und lief an Sudhir vorbei. „Können wir jetzt endlich essen gehen?“, drängte er, nachdem er sie eingeholt hatte. „Ja, von mir aus...“, antwortete sie leicht gereizt. „Hier in der Nähe ist eine kleine Gaststätte, wo das Essen schmeckt und es nicht so teuer ist.“, schlug sie vor und er zeigte sich einverstanden. Eine Viertelstunde später hatten sie sich einen Platz gesucht und bereits ihre Bestellung aufgegeben. Sudhir wunderte sich, wieso Shruti sich hier so gut auskannte und fragte sie auch umgehend danach. Zu seiner Überraschung gab sie ihm sogar eine ernstgemeinte Antwort. „Ich habe hier studiert und kenne mich dementsprechend gut hier aus. In relativ unregelmäßigen Abständen komme ich her, um mich mit meinem ehemaligen Professor ein wenig auszutauschen und mir Tipps für den Unterricht und bei Problemen zu holen...“, meinte sie und wirkte dabei etwas geistesabwesend. Sudhir betrachtete sie stumm und war überrascht, wie verletzlich sie plötzlich wirkte. Er hatte das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen, doch das verkniff er sich. Stattdessen meinte er: „Ich finde gut, dass du dich so für deinen Beruf engagierst. Gerade wenn man mit Kindern arbeitet, sollte man immer aufpassen, was man tut und wie man es tut...“ Shruti schaute ihn verwundert an. „Ja... Ja, das denke ich auch. Ich...“, meinte sie, wurde aber vom Kellner, der ihnen ihr Essen brachte, unterbrochen. Nachdem er wieder gegangen war, herrschte eine seltsame Stimmung zwischen den beiden und ihr zuvor aufkeimendes Gespräch kam nicht wieder auf. Stattdessen saßen sie sich schweigend gegenüber und aßen ihre bestellten Gerichte. „Das kommt gar nicht in Frage. Ich übernehme die Rechnung!“, wandte Sudhir ein, als Shruti ihre Geldbörse herausholte, um ihr Essen zu bezahlen. Noch ehe sie protestieren konnte, hatte er dem Kellner das Geld und ein angemessenes Trinkgeld in die Hand gedrückt, so dass dieser auch gleich wieder verschwand. „Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“, meinte Shruti grimmig, als sie ihre Tasche nahm und aufstand. „Jeder anständige und ordentlich erzogene Mann hätte das getan, also gibt es hier jetzt nichts zu diskutieren.“, merkte Sudhir an und erhob sich ebenfalls. Shruti zog die Stirn daraufhin zweifelnd in Falten, sagte aber nichts weiter. Den Marktplatz hatten sie anschließend in wenigen Minuten erreicht. Überall waren kleine Stände, deren Besitzer lautstark ihre Waren anpriesen. Tausend verschiedene Gerüche schwängerten die Luft, die erfüllt war von den Stimmen der vielen Marktbesucher. Sudhir und Shruti schlenderten ein wenig umher, blieben an dem einen oder anderen Stand stehen, schauten sich die angebotene Ware an und gingen meistens weiter. Nach und nach arbeiteten sie so Shrutis Einkaufszettel, den sie von Kavita bekommen hatte, ab und konnten sich anschließend nach einer guten Stunde auf den Weg zurück zum Bahnhof machen. Der Zug war aufgrund des Feierabendverkehrs beinahe noch voller als auf der Hinfahrt, doch mit viel Glück erwischte Shruti noch einen Sitzplatz. Sie platzierte ihre Einkaufstüten zwischen ihre Beine, während Sudhir sich neben sie stellte. Um ihn herum drückten und drängelten wieder unzählige Menschen und er wurde immer wieder unangenehm angerempelt oder Leute lehnten sich von hinten gegen ihn. Shruti musste zugeben, dass sie schon beinahe Mitleid hatte, doch die einzige Lösung, die ihr dafür in den Sinn kam, wollte sie nicht aussprechen. „Shruti, ich weiß, dass du mit aller Wahrscheinlichkeit `nein´ sagen wirst, aber...“, meinte Sudhir plötzlich und beugte sich leicht zu Shruti hinunter. „... hättest du etwas dagegen, wenn ich mich hinsetzen und dich auf den Schoß nehmen würde...?“ Es war ihm sichtlich unangenehm, darum zu bitten, doch langsam begann sein Rücken zu schmerzen und er wusste nicht, ob er das die restliche Fahrt noch aushalten würde. Shruti wurde rot, wandte ihren Blick ab, zögerte. Schließlich allerdings meinte sie: „... Ja, es macht mir etwas aus, aber die drängelnden Horden hinter dir sind ja anscheinend kaum zu bändigen...“ Sudhir traute seinen Ohren kaum, doch als er sah, dass Shruti aufstand, um ihm Platz zu machen, wusste er, dass sie es ernst meinte. Zögerlich rutschte er hinter ihr in den Sitz und nahm die Tüten zwischen die Beine. Shruti stand erst noch unentschlossen da, setzte sich dann allerdings schüchtern und vorsichtig auf Sudhirs Schoß. Ihr Gesicht glühte und sie achtete darauf, so wenig Körperkontakt mit ihm zu haben wie möglich, doch die Tatsache, dass sie auf ihm saß, ließ ihr Herz wie verrückt gegen ihren Brustkorb hämmern. Sudhir bemerkte ihre Nervosität und beugte sich etwas zu ihr vor, um ihr beruhigende Worte zuzuflüstern. „Keine Sorge. Ich werde dir nichts tun. Nicht vor all diesen Menschen...“, meinte er und biss sich anschließend auf die Zunge, da ihm der letzte Satz aus Versehen herausgerutscht war. Shrutis Körper versteifte sich daraufhin noch mehr und sie rutschte auf seinen Knien so weit nach vorn wie es ging. Seufzend ließ Sudhir sich zurück in den Sitz fallen und ärgerte sich über sein loses Mundwerk. Wenn er so weiter machte, würde er Shrutis Abneigung gegen ihn nur noch mehr vertiefen und sie würde sich ihm nie öffnen oder anvertrauen. Am liebsten hätte er einfach seine Arme um sie gelegt und sie an sich gezogen, doch das wäre das Dümmste, was er hätte tun können in diesem Moment und so starrte er schließlich für den Rest der Fahrt gedankenverloren aus dem Fenster. Kapitel 9: Zweisamkeit ---------------------- Shruti und Sudhir waren beide gleichermaßen froh darüber, als sie endlich an ihrer Zielhaltestelle angekommen waren. Erleichtert stiegen sie aus und sogen ihre Lungen mit der klaren und frischen Landluft voll. Als Sudhirs Blick mehr oder weniger zufällig zu Shruti wanderte, bemerkte er, dass sie plötzlich ganz blass war. „Hey, alles in Ordnung? Du siehst gerade alles andere als gut aus...“, bemerkte er und legte ihr fürsorglich eine Hand auf den Rücken. „Vielen Dank...“, gab sie bissig und mit ironischem Tonfall zurück. „Aber mir geht’s gut. Mach dir meinetwegen bloß keine Sorgen.“ Mit diesen Worten setzte sie sich in Bewegung, um sich auf den Heimweg zu machen. Dabei fiel Sudhir auf, dass sie mit einem Mal humpelte. In diesem Moment erinnerte er sich an ihre Fußverletzung und ihm ging ein Licht auf. Da sie den ganzen Tag herum gelaufen waren, war die Wunde möglicherweise wieder aufgegangen und schmerzte nun. Entschlossen ging er Shruti nach und nahm sie kurzerhand Huckepack. „Arre! Hey, was soll denn das?!“, rief sie aus und versuchte, sich zu wehren. „Du musst nicht die große Heldin spielen. Wenn dein Fuß weh tut, sag es doch einfach...“, gab er unbeeindruckt zurück und festigte seinen Griff um ihre Oberschenkel noch, damit sie keine Chance hatte, sich von ihm loszumachen. Anstatt einer Antwort legte Shruti daraufhin nur ihre Hände auf seine Schultern und schwieg den restlichen Weg bis zum Gasthaus. Auch Sudhir sagte nichts mehr. Er war zu sehr abgelenkt von der Berührung ihrer zarten Hände und ihrer Nähe im Allgemeinen. Erneut schmiegten sich ihre Kurven an seinen Körper und in ihm kam der immer stärker werdende Wunsch auf, mehr davon zu spüren und Shruti richtig im Arm zu halten, ihre warmen Lippen auf seinen zu spüren... Er war froh, als sie schließlich am Gasthaus ankamen, denn es kostete ihn viel Überwindung seinem Verlangen nicht einfach nachzugeben. Er brachte sie in ihr Zimmer und setzte sie auf ihrem Bett ab. In diesem Moment stieß auch schon Kavita zu ihnen, die sich bereit erklärte, Shrutis Verletzung zu verarzten. Sudhir ging unterdessen in die Küche, um die Einkäufe abzustellen. Nachdem er alles ordentlich verstaut hatte, stützte er sich neben der Spüle ab und atmete tief durch. Woher kamen diese plötzlichen Gefühle für Shruti und das Verlangen nach ihr? Seine anfängliche Abneigung gegen sie verwandelte sich langsam aber sicher in das genaue Gegenteil und er konnte nicht einmal sagen, wieso. Sicher, sie war eine wirklich Schönheit, wenn sie sich nicht gerade hinter ihrer Brille versteckte, doch ansonsten verhielt sie sich wie eine Kratzbürste ihm gegenüber. Wieso also begann er, sie zu mögen? Es gab einfach keinen rationalen Grund dafür. Oder war es vielleicht die Verletzlichkeit, die sie in unachtsamen Momenten ausstrahlte? Er wollte den Grund dafür wissen. Er wollte herausfinden, was es war, das sie zu dem machte, was sie war... Grübelnd saß Sudhir auf einer Bank vor dem Gasthaus und starrte in den dunklen Sternenhimmel. Über drei Wochen war er nun schon hier und langsam wusste er nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Das Gasthaus fühlte sich mittlerweile wie ein neues Zuhause für ihn an und Kavita war beinahe wie eine Mutter für ihn. Da die Bauarbeiten am Bürogebäude aber nun recht zügig voran gingen, war sein Umzug schon absehbar und das bedauerte er sehr. Er fühlte sich hier wohl und würde es vermissen. Und vor allem würde es ihm fehlen, nicht mehr ständig in Shrutis Nähe sein zu können. Auch wenn sie ihm oft noch mit bissigen Kommentaren begegnete, war ihr Verhältnis schon um Einiges besser geworden. Manchmal konnten sie sogar schon beinahe ein Gespräch führen, ohne irgendwann in Streit zu verfallen. Ganz langsam öffnete sie sich ihm gegenüber und er hatte es nun sogar schon geschafft, dass sie ab und zu ihr Haar offen trug, wenn sie zu Hause war. Er unterließ es allerdings, sie darauf anzusprechen, da er nicht wollte, dass sie sich schämte und es dann nicht mehr machte. Sudhir schloss die Augen und atmete tief durch. Was machte er hier eigentlich? War er nicht hier, um die Leitung der Außenstelle zu übernehmen? Und nun war er nur damit beschäftigt, das Herz eines Mädchens zu erweichen, das er kaum kannte und von dem er beinahe nichts wusste. Sein altes Ich in Chicago hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, so etwas zu tun, doch hier war alles anders. Allein die Umgebung veränderte und hatte Einfluss auf ihn. Plötzlich hörte Sudhir Schritte auf der leeren Straße. Wenige Augenblicke erschien im Halbdunkel der schwachen Straßenlaternen Shruti. Sie hatte ihr Haar offen und trug ihren weißen Schlafsalwar. Sie schien genauso überrascht zu sein, ihn zu so später Stunde noch zu sehen, wie Sudhir selbst. „Hey, wo kommst du denn her?“, fragte er erstaunt, doch Shruti antwortete nur kurz angebunden mit „Das geht dich nichts an.“ und wollte ins Gasthaus gehen. Sudhir griff allerdings nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. „Bitte setz dich zu mir...“, bat er sie und schaute ihr fest in die Augen. Shruti atmete daraufhin genervt aus, tat ihm aber den Gefallen und nahm neben ihm auf der Bank Platz. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und blickten in den sternenklaren Himmel. Sudhir unterbrach schließlich die Stille. „Wie kommt es eigentlich, dass es außer mir keinen anderen Besucher bei euch gibt?“, fragte er, woraufhin Shruti ihn erstaunt anschaute. Sie hätte mit jeder Frage gerechnet, doch nicht mit so etwas Banalem. „Ah... Hier in der Nähe ist eine heilige Stätte und die Pilger, die dort hin wandern, übernachten normalerweise in unserem Gasthaus. Doch momentan ist nicht gerade Hochsaison, deswegen...“, erklärte sie ruhig und beobachtete eine kleine Kellerassel, die über den sandigen Boden vor ihren Füßen krabbelte. Sudhir gab daraufhin nur ein Geräusch von sich, das signalisierte, dass er verstanden hatte. Dann herrschte wieder Stille. Shruti fühlte sich mit jeder Minute unwohler und so stand sie bald auf, um zu gehen. „Es ist spät. Ich...“, meinte sie noch, doch Sudhir hielt sie erneut fest und zog sie zu sich. Eine Hand legte er um ihre Hüfte und die andere an ihre Wange. „Ich...“, flüsterte er und kam immer näher. Shrutis Herz schlug wie wild und sie wusste nicht, was er vorhatte. „Ich wünsche dir eine gute Nacht...“, vollendete er schließlich leise seinen Satz und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Für einen winzigen Moment fanden sich danach ihre Blicke, was Shruti allerdings die Röte ins Gesicht trieb. Eilig machte sie sich daraufhin von ihm los und verschwand ohne ein weiteres Wort ins Haus. Kapitel 10: Selbstzweifel ------------------------- Sudhir blieb noch eine Weile sitzen und genoss die frische, klare Nachtluft. Er spürte noch immer die Wärme von Shrutis Körper. Leise Schauer überkamen ihn, wenn er daran dachte, wie nah er ihr gerade gewesen war. Ihre Anwesenheit brachte ihn beinahe jedes Mal dazu, sie auf irgendeine Weise zu berühren. Der Drang danach wurde immer größer, doch da er nicht wusste, was Shruti denn nun letzten Endes wirklich von ihm hielt, musste er sich dazu zwingen, sich zurückzuhalten. Er wollte sie weder verschrecken noch bedrängen, also musste er sich in Geduld üben und sehen, was die Zukunft brachte. Nach einiger Zeit stand er schließlich auf und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Dabei kam er an Shrutis Zimmer vorbei und dachte für einen Moment, ein leises Schluchzen zu hören. Als er allerdings angestrengt lauschte und nichts weiter dergleichen wahrnahm, tat er es als Einbildung ab und ging schließlich schlafen. „Also wenn Sie mich fragen, wird es vielleicht noch zwei oder allerhöchstens drei Wochen dauern bis das gute Stück fertig gestellt ist...“, meinte Bauleiter Chopra am nächsten Tag zu Sudhir und betrachtete das halbfertige Gebäude, das demnächst Sudhirs Arbeitsplatz sein würde. „Nur noch die oberste Etage und das Dach und dann sind wir durch.“, fügte er hinzu und zündete sich eine Zigarette an. Sudhir nickte zustimmend, drehte dann noch mit Chopra zusammen eine Runde über das Gelände und machte sich anschließend auf den Weg, um Shruti von der Schule abzuholen. Zu seiner Überraschung stand sie allerdings nicht wie sonst auch draußen und wartete. Daraufhin schaute er sich ein bisschen um und fand sie schließlich in einem der Klassenzimmer. Dort saß sie mit einem kleinen Jungen, der offensichtlich einer ihrer Schüler war, und erklärte ihm mit sanfter Stimme und Engelsgeduld den Lösungsweg einer Rechenaufgabe. Sudhir lehnte sich in den Türrahmen und beobachtete die beiden. Er war vollkommen fasziniert davon, wie liebevoll sie auf den Jungen einging. So hatte er sie noch nie gesehen und er musste sagen, dass ihm diese unerwartet weiche Seite an ihr gefiel. Nach dem, was er bisher von ihr gesehen hatte, war er davon ausgegangen, dass sie eine eher strenge Lehrerin war, doch genau das Gegenteil schien der Fall zu sein. „Thik hai. Wenn du alles verstanden hast, kannst du jetzt gehen. Komm gut nach Hause. Wir sehen uns morgen, Raju!“, meinte Shruti plötzlich und Sudhir bemerkte, wie der kleine Junge an ihm vorbei nach draußen rannte. In diesem Moment fiel Shruti erst Sudhirs Anwesenheit auf. Mit einem Mal färbten sich ihre Wangen rosa und sie schien überrascht zu sein. „Was machst du denn hier?“, wollte sie irritiert wissen und ging zum Lehrertisch, um ihre Sachen zusammenzupacken. „Ich hole dich ab. Wie jeden Tag. Schon vergessen?“, gab er triezend zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie gab daraufhin nur ein kurzes „Hm...“ von sich und ging anschließend, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei. „Hey, was ist denn nun schon wieder los?“, wollte er wissen und ging ihr hinterher. „Kuch nahin... Was soll schon sein?“, erwiderte sie kurz und beschleunigte ihre Schritte, damit er nicht zu ihr aufschließen konnte. Sudhir verdrehte die Augen. „Natürlich. Wie immer...“, meinte er leicht genervt und trottete hinter ihr her. Er verstand sie nicht. Da hatte er gedacht, sie wäre ihm gegenüber mittlerweile wenigstens ein bisschen aufgetaut, doch anscheinend hatte er sich geirrt. Sie war bissig wie immer. Davon würde er sich allerdings nicht abschrecken lassen. Schließlich hatte er bis jetzt immer bekommen, was er wollte. Auch wenn es manchmal etwas länger gedauert hatte... „Ich verstehe einfach ihr Problem nicht...“, beschwerte sich Sudhir bei Kavita, als sie wieder einmal gemeinsam Gemüse klein schnitten. „Ich habe mich ihr gegenüber nie falsch verhalten. Also hat sie offensichtlich keinen Grund, so biestig zu mir zu sein...“ Kavita lachte bei seinen Worten. „Nimm es dir nicht so zu Herzen. Chhoti Shruti braucht immer sehr lange bis sie jemandem vertraut. Das hat nichts mit dir zu tun. Es liegt einfach in ihrer Natur. Ebenso wie ihre Biestigkeit, wie du es so schön nennst.“, erklärte sie und lächelte ihn aufmunternd an. „Ich habe wirklich noch nie einen so komplizierten Menschen wie deine Nichte getroffen, Aunty...“, stellte er fest und biss genervt ein Stück seiner gerade geschälten Karotte ab. Sudhir und Kavita verstanden sich so gut, dass sie mittlerweile ins `Du´ übergewechselt waren und er sie `Aunty´ nennen durfte. „Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal.“, lachte Kavita. „Das ist auch der Grund, warum sie nicht sehr viele Freunde hat. Die meisten geben es auf, sich mit ihr zu beschäftigen, bevor sie sie überhaupt richtig kennengelernt haben. Aber ich kann es ihnen nicht verdenken. Chhoti Shruti ist eben ein wirklich sturer Mensch.“, gestand sie ein. „... Nichtsdestotrotz liebe ich sie aber von ganzem Herzen. Eine bessere Nichte könnte ich mir nicht wünschen. Trotz ihrer Arbeit hilft sie mir, wo sie kann und unterstützt mich mit allem, was sie hat...“ Ihre Worte stimmten Sudhir nachdenklich. In der Tat schien Shruti eigentlich ein herzensguter Mensch zu sein. Allerdings nur zu Leuten, die sie auch mochte und wie er es einschätzte, gehörte er da nicht dazu. Noch nicht. Er war sich sicher, dass sich das bald ändern würde, denn er würde all seine Liebenswürdigkeit und seinen Charme heraus kehren, so dass sie gar keine andere Wahl hatte, als ihn zu mögen. „Wenn du deine Bemühungen nicht aufgibst, wirst du sicher Erfolg haben.“, meinte Kavita plötzlich, so als ob sie Sudhirs Gedanken hatte lesen können. „Du bist ein guter Mensch und das wird sie ganz sicher auch bald merken.“ Sudhir konnte seine Freude über ihre Worte nicht verstecken und berührte zum Dank Kavitas Füße, um sich ihren Segen zu holen. Kurz bevor die Sonne unterging, bat Kavita Sudhir, draußen an der Hauswand eine der Lampen zu reparieren, da diese vor Kurzem kaputt gegangen war. Es dauerte nicht lange bis er das Problem behoben hatte und die Glühbirne wieder brannte. Gerade als er wieder herein gehen wollte, bemerkte er, dass er direkt neben Shrutis Fenster stand. Daraufhin konnte er seiner Neugier nicht widerstehen und riskierte einen Blick in ihr Zimmer. Zuerst konnte er nicht viel erkennen, doch nachdem er sich auf die Zehenspitzen gestellt hatte, hatte er freie Sicht auf Shruti, die gerade vor ihrem Kleiderschrank stand und sich stumm in dem Spiegel betrachtete, der an einer der beiden schweren Schranktüren angebracht war. Gerade als Sudhir sich fragte, was sie dort eigentlich tat, zog sie sich plötzlich ihr Oberteil über den Kopf. So stand sie nun mit entblößtem Oberkörper da. Nur ihr langes Haar bedeckte noch ihre wohlgeformten Brüste. Sudhir schlug das Herz plötzlich bis zum Hals und seine Hände begannen zu schwitzen. Was machte Shruti da? Es sah jedenfalls nicht danach aus, als ob sie sich nur umziehen wollte. Nachdem er vor plötzlicher Verlegenheit seinen Blick kurz abgewandt hatte, schaute er wieder zu Shruti hin und bemerkte mit einem Mal die unendliche Traurigkeit in ihren Augen. Schweigend starrte sie ihr Spiegelbild an und schien auf eine Antwort zu warten, die sie aber offensichtlich nicht bekommen würde. Verwirrt und fasziniert zugleich konnte Sudhir seine Augen nicht von ihr abwenden. Erst als sie sich bückte, um sich auch noch ihrer Hose zu entledigen, drehte er sich weg und machte sich auf den Weg zurück ins Haus. Er hatte augenscheinlich sowieso schon zu viel gesehen, da wollte er sich wenigstens das letzte bisschen seines Anstandes noch bewahren. Kapitel 11: Sei still! Nur dieses eine Mal ------------------------------------------ Noch immer etwas benommen, von dem, was er gerade gesehen hatte, war Sudhir auf dem Weg in sein Zimmer. Gerade als er an Shrutis Zimmer vorbei ging, wurde die Tür geöffnet. Überrascht schaute er in Shrutis Gesicht und war unfähig, etwas zu sagen. Skeptisch musterte sie ihn. „Kya hua?“, fragte sie und legte den Kopf leicht schräg. Sie war kein Vergleich zu der Shruti, die er noch vor wenigen Minuten so todtraurig gesehen hatte. „... Kuch nahin...“, meinte er etwas geistesabwesend, woraufhin sie ihn noch skeptischer anschaute. Sudhir wollte gerade weitergehen, als er noch einmal innehielt. „Shruti, was hast...?“, begann er und wollte eigentlich fragen, wieso sie gerade so traurig ausgesehen hatte, doch er unterbrach sich, denn so hätte er zugeben müssen, dass er sie heimlich beobachtet hatte und er wollte unter keinen Umständen, dass sie das jemals herausfand. Er stand so oder so schon nicht sehr hoch in ihrer Gunst und das wollte er nun nicht auch noch verschlimmern. „Ah... Vergiss es...“, meinte er also stattdessen und setzte sich wieder in Bewegung. Dann allerdings spürte er, wie Shruti ihn im Arm festhielt. Langsam drehte er sich um und blickte sie fragend an. „Du bist sicher, dass alles in Ordnung ist...?“, wollte sie wissen und konnte dabei die leichte Besorgnis, die in ihrer Stimme mitschwang, nicht unterdrücken. Sudhir schloss daraufhin kurz die Augen. Sein Wunsch, Shruti in den Arm zu nehmen, wurde beinahe übermenschlich groß und er konnte einfach nicht anders, als ihm nachzugeben. Er griff nach ihrer Hand, zog sie zu sich heran und legte sanft seine Arme um ihren weichen Körper. Er drückte sie zärtlich an sich und schloss dabei die Augen. Er wusste, dass Shruti sich das nicht lange gefallen lassen würde und versuchte deswegen, jeden einzelnen Augenblick zu genießen und tief in sich aufzunehmen. Ihre Wärme, ihren Duft, die Weichheit ihres Körpers, das Gefühl, sie im Arm zu halten. Vorsichtig fuhr er mit der rechten Hand über ihren Rücken bis hinunter zu ihrer Hüfte, während seine linke Hand auf ihrer Schulter ruhte. Seine Wange streifte ihre, bevor er sein Gesicht in ihrem dicken Haar verbarg und dessen süßlichen Duft einsog. Das alles dauerte nur wenige Augenblicke. Augenblicke, in denen Shruti zu perplex war, um in irgendeiner Weise reagieren zu können. Doch als sie sich wieder gefangen hatte, stemmte sie ihre Hände gegen seine Schultern und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. „Sudhir, was soll das?! Hör auf! Ich...“, protestierte sie mit hochrotem Gesicht. „Bitte sei einfach nur einmal still... Nur dieses eine Mal...“, erwiderte er daraufhin leise. Er hauchte ihr seine Worte sanft ins Ohr und brachte sie somit auf der Stelle zum Schweigen. Wie versteinert stand sie da. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust und ihr Puls hätte kaum höher sein können. Ihre Hände ruhten auf seinen Schultern und sie wartete mit zusammengekniffenen Augen darauf, dass Sudhir sie wieder los ließ. Zärtlich streichelte er ihr über den Rücken, während er kaum merklich mit seinen Lippen über die empfindliche Haut ihres Halses wanderte. Shruti war wehrlos gegen die heißen Schauer und die Gänsehaut, die ihren Körper bedeckten. Nach einer Ewigkeit, so schien es ihr, ließ er schließlich endlich wieder von ihr ab. Sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen und so ging sie ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei und verschwand eilig im Badezimmer. Sudhir verharrte noch einige Zeit auf derselben Stelle – unfähig, sich zu bewegen. Hatte er das gerade tatsächlich getan? Er wusste nicht, ob er es als Erfolg ansehen konnte, dass Shruti seine Umarmung zugelassen hatte, denn im Endeffekt hatte er ihr schließlich keine andere Wahl gelassen. Vollkommen durcheinander und plötzlich unendlich müde wandte er sich schließlich um und ging in sein Zimmer, wo er sich auf sein Bett legte und beinahe augenblicklich einschlief. Kapitel 12: Regen ohne Unterbrechung ------------------------------------ Es war später Nachmittag und starker Regen trommelte gegen die Fensterscheiben. Sudhir nahm allerdings kaum etwas davon wahr, denn seine Gedanken drehten sich schon den ganzen Tag nur um Shruti. Ihre traurigen Augen, ihr halbnackter Körper und das Gefühl, das er hatte, als er sie ihm Arm gehalten hatte, spukten die ganze Zeit in seinen Kopf herum und jeglichen Versuche, sich abzulenken, waren kläglich fehlgeschlagen. Fahrig fuhr er sich durchs Haar, stand auf und ging zum Fenster. Diese Ungewissheit machte ihn beinahe wahnsinnig. Was hielt Shruti wirklich von ihm? Und was hielt sie von seiner Umarmung? Völlig abgeneigt schien sie nicht, denn dann wäre ihre Abwehr gegen ihn größer gewesen, aber ihr sonstiges Verhalten ließ auch nicht gerade darauf schließen, dass sie ihn mochte. Er hatte also keine Wahl und musste alles auf eine Karte setzen, wenn er wirklich wissen wollte, woran er war. Er durfte es allerdings auch nicht übertreiben, denn mit zu starker Offensive würde er sie nur verschrecken und das musste er auf alle Fälle vermeiden. Gedankenversunken verließ er nach einiger Zeit sein Zimmer, um in die Küche zu gehen und sich etwas zu trinken zu holen. Als er gerade wieder zurück gehen wollte, kam Shruti zur Eingangstür herein. Sie war vollkommen durchnässt und fluchte leise vor sich hin. „Schirm vergessen?!“, rief Sudhir grinsend und winkte ihr zu. Dafür erntete er allerdings nur einen vernichtenden Blick und böse Worte. Anschließend ignorierte sie ihn und widmete sich dem Auswringen ihres Dupattas und ihrer Haare – letzteres tat sie über Kopf. Um sich aufzurichten, schleuderte sie ihr Haar nach hinten und hörte dabei ein seltsames Klatschen. Daraufhin wollte sie sich umdrehen, spürte aber im selben Moment, wie ihr etwas Weiches um die Schultern gelegt wurde, das sie schnell als Handtuch identifizierte. Vollkommen umgewandt stand Sudhir plötzlich hinter ihr, der sich mit seinem Ärmel über sein feuchtes Gesicht wischte. Anscheinend hatte sie ihn voll mit ihrem nassen Haar erwischt. „Du hast einen ganz schönen Schwung drauf, meine Liebe...“, meinte er schelmisch und beugte sich zu ihr, um sein Gesicht an ihrem Handtuch abzutrocknen. Etwas erschrocken wich sie zurück und schaute ihn mit großen Augen an. Das irritierte Sudhir etwas, doch er ließ sich nichts anmerken. Er nahm sie bei den Schultern und schob sie vor sich her in ihr Zimmer. „Du solltest dich schnell umziehen, sonst erkältest du dich noch...“, meinte er mit einem warmen Lächeln, fügte dann aber grinsend hinzu: „... Ich kann dir auch gern beim Umziehen helfen...“ Um seine Worte zu unterstreichen, zupfte er spielerisch am Ausschnitt ihres Salwars herum. Shruti errötete und war gerade dabei, Sudhir von sich zu schieben, als sie auf dem nassgetropften Fußboden ausrutschte und nach hinten auf ihr Bett fiel. Aus Reflex griff sie dabei nach vorn und zog Sudhir mit sich. Die beiden brauchten einen Augenblick, um zu realisieren, was geschehen war. Shruti keuchte kurz leise auf ob Sudhirs plötzlichem Gewicht auf ihrem Körper. Reflexartig war er gerade dabei, wieder aufzustehen, als ihm plötzlich die Gunst der Lage bewusst wurde. Er blieb also auf Shruti liegen, stützte sich allerdings mit den Ellenbogen links und rechts neben ihr ab, um sie nicht zu sehr mit seinem Gewicht zu belasten. Ihre Blicke hafteten gespannt aneinander. Sudhir wartete auf Shrutis Gegenwehr, doch sie war viel zu erschrocken, um in irgendeiner Weise zu reagieren. Liebevoll musterte er ihr feines Gesicht und ihm fiel erneut auf, wie schön sie war. Mit seinen Fingern fuhr er sanft ihre Stirn entlang über die Schläfe und die Wange hinab. Shruti atmete schwer und schloss die Augen. Überrascht schaute Sudhir sie an. Was hatte das zu bedeuten? War das eine Erlaubnis dafür, dass er sie küssen durfte? Konnte sie ihre Meinung tatsächlich so schnell geändert haben? Während er sie musterte, fiel ihm allerdings auf, dass ihre Augenbrauen ängstlich zusammengezogen waren und ihre Lippen zitterten. Kaum hörbar seufzte er, schloss für einen kurzen Moment die Augen und stand anschließend auf. Als Shruti vor Überraschung die Augen wieder öffnete, hielt er ihr seine Hand hin, um ihr ebenfalls beim Aufstehen zu helfen. Zögerlich nahm sie seine Hilfe an. „... Wenn du dich jetzt erkältest, ist es nicht meine Schuld...“, meinte er mit einem schwachen Lächeln und verließ Shrutis Zimmer. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte er sich daran und atmete aus. Seine Gefühle übermannten ihn beinahe und er wünschte sich nichts sehnlicher, als Shruti fest in den Armen zu halten und leidenschaftlich zu küssen, doch wenn sie dabei Angst hatte, machte es keinen Sinn. Sie sollte es genauso wollen wie er, alles andere wäre reiner Selbstbetrug. „Seit drei Tagen regnet es jetzt schon ohne Unterbrechung...“, stellte Sudhir fest als er die Eingangstür des Gasthauses öffnete und seinen Schirm aufspannte. „Das ist während der Monsunzeit völlig normal. Daran wirst du dich gewöhnen müssen.“, meinte Kavita lächelnd und wackelte amüsiert mit dem Kopf. „Ja, leider...“, erwiderte Sudhir. „Also bis gleich. Durch den Regen wird es sicher etwas länger dauern, Shruti abzuholen, aber zum Abendessen sind wir ganz sicher pünktlich wieder da.“, fügte er hinzu und machte sich auf den Weg. Kavita sah ihm noch kurz nach, bevor sie die Tür schloss und langsam in die Küche ging, um das Abendessen vorzubereiten. Während sie Kartoffeln schälte, machten sich wieder die Zweifel in ihrem Kopf breit, die sie schon seit ein paar Wochen verfolgten. War es richtig, Sudhir in seinen Bemühungen, Shrutis Sympathie zu erlangen, zu unterstützen? War es richtig, ihm immer wieder Mut zu machen? Wäre es nicht besser gewesen, ihm endlich die Wahrheit zu sagen? Er konnte schließlich nicht ahnen, wie Shrutis Situation tatsächlich aussah. Kavita seufzte und legte das Messer zur Seite. Sie mochte Sudhir wirklich gern und sie hätte ihn zu gern an Shrutis Seite gesehen, aber gegen das Schicksal war im Endeffekt jeder machtlos... Auf dem Weg zur Schule frischte der Wind stark auf und entwickelte sich langsam aber sicher zu einem Sturm. Sudhir beeilte sich, doch trotz des Schirmes war er innerhalb kurzer Zeit beinahe bis auf die Knochen durchnässt. Gerade als er endlich am Schulgebäude angekommen war und den Schirm wieder zusammenfalten wollte, kam eine starke Windböe und riss ihn ihm aus den Händen, um ihn mit sich fortzutragen. Seufzend schaute Sudhir dem Schirm hinterher und ärgerte sich kurz über seine Unachtsamkeit. Kopfschüttelnd machte er sich anschließend auf die Suche nach Shruti. Er fand sie wie üblich in ihrem Klassenzimmer, wo sie gerade dabei war, die Tafel abzuwischen. Schweigend beobachtete er sie eine Weile, bevor er sich mit einem kurzen Räuspern bemerkbar machte. Sie warf nur einen kurzen Blick über die Schulter und widmete sich dann wieder der Tafel. „In den Regen gekommen?“, fragte sie mit einem amüsierten Lächeln, das Sudhir allerdings nicht sehen konnte, da sie mit dem Rücken zu ihm stand. „Wirklich witzig.“, erwiderte er. „Hast du ein Handtuch oder irgendetwas anderes, mit dem ich mich abtrocknen kann?“, fragte er und trat ein paar Schritte näher auf sie zu. „Hmm... Ja, warte. Ich hole...“, meinte sie, unterbrach sich allerdings, nachdem sie sich umgedreht hatte und sich plötzlich nur wenige Zentimeter von Sudhir entfernt sah. Sie hatte ihn nicht näher kommen hören und schaute ihm nun überrascht in die Augen. Er erwiderte amüsiert ihren Blick, sagte aber nichts. Eilig wandte Shruti sich von ihm ab und lief in die hintere Ecke des Klassenzimmers, um aus einem der Schränke, die an der Wand standen, ein Handtuch zu holen, was sie ihm anschließend reichte. Zu ihrer Überraschung machte Sudhir allerdings plötzlich Anstalten, sein Hemd auszuziehen. „Arre! Was machst du da?!“, rief sie empört und konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen erröteten. „Ich bin völlig durchnässt. Ich will nur mein Hemd auswringen. Kein Grund zur Sorge...“, erklärte er amüsiert und stellte zufrieden fest, wie sie vermeintlich heimlich seinen nackten Oberkörper musterte. „Gefällt dir, was du siehst? Du darfst auch gerne mal anfassen...“, meinte Sudhir grinsend, da er es sich einfach nicht verkneifen konnte, Shruti aufzuziehen. Sie erschrak bei seinen Worten und wendete sich eilig ihren Lehrbüchern zu, um sie in ihrer Tasche zu verstauen. „Mach dich nicht lächerlich.“, gab sie zurück, klang dabei aber wenig überzeugend. Sudhir lachte still in sich hinein, während er sein Hemd wieder anzog und das Handtuch auf dem Lehrertisch ablegte. Leise schlich er sich an Shruti, die krampfhaft versuchte, sich auf das Packen ihrer Tasche zu konzentrieren, heran und flüsterte in ihr Ohr: „Bist du sicher...?“ Erschrocken schaute sie auf und musste erneut feststellen, dass der Abstand zwischen ihren Gesichtern nur noch wenige Zentimeter betrug. Nervös schaute sie in Sudhirs erwartungsvolle Augen. Sie fühlte sich außer Stande, sich zu bewegen. Ihr Körper war vor Aufregung erstarrt und so wartete sie gespannt ab, was als nächstes geschehen würde. Als sie jedoch feststellte, dass Sudhir immer näher kam, hatte sie das Gefühl, ihr Herz würde aus ihrer Brust springen. Ängstlich kniff sie die Augen zusammen und wartete auf das vermeintlich Unvermeidliche. Als nach einigen Augenblicken jedoch noch immer nichts geschehen war, öffnete sie ihre Augen vorsichtig und langsam wieder und musste feststellen, dass Sudhir nicht mehr vor ihr stand. Verwirrt schaute sie sich um und sah ihn schließlich am Fenster stehen und hinausschauen. „Der Regen lässt langsam etwas nach. Am besten wir gehen sofort los, damit wir...“, meinte er und drehte sich zu Shruti um. Als er sie ansah, verstummte er allerdings. „Hey, was ist los? Du bist auf einmal so blass...“, stellte er fest und ging zu ihr. Sanft legte er seine Hände auf ihre Oberarme und musterte besorgt ihr Gesicht. Shruti zuckte unter seiner Berührung zusammen und wandte ihren Blick von ihm ab. Ihr war das alles gerade viel zu viel. Tausende Gedanken wirbelten wild durch ihren Kopf und auch ihre Gefühle spielten verrückt. Sie wollte weg, einfach nur weg. Kraftlos versuchte sie, sich aus Sudhirs Griff zu befreien, doch das ließ er nicht zu. „Was ist los, Shruti? Wieso läufst du jedes Mal weg? Findest du mich wirklich so furchtbar? Ist es so schlimm, wenn ich dich anfasse?“, fragte er und lockerte seinen Griff ein wenig, damit er ihr nicht weh tat. Shruti schüttelte vehement den Kopf, vermied es jedoch weiterhin, ihn anzusehen. „Das ist es nicht...“, meinte sie leise. „... im Gegenteil... Es gefällt mir eben zu gut...“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und so glaubte Sudhir zuerst, sich verhört zu haben. Völlig perplex schaute er sie an, fing sich aber schnell wieder. „... Das heißt, es stört dich nicht, wenn ich... das tue...?“, wollte er mit gedämpfter Stimme wissen und ließ eine Hand zu ihrer Hüfte hinunter wandern. Ihr Herz machte einen Hüpfer und sie kniff die Augen zusammen. „... oder das...?“, fragte er weiter und umfasste mit der anderen Hand ihren Nacken, schob dabei ihr Haar zur Seite und senkte seinen Kopf. „... oder das...“ Seine Stimme war kaum noch wahrzunehmen, doch sein heißer Atem streifte die nackte Haut ihres Halses und ihres Schlüsselbeins. Dann spürte sie auch schon, wie seine weichen Lippen sie mit zärtlichen Küssen bedeckten. Shruti keuchte leise auf und ihr Atem ging stoßweise. „Sudhir, bitte... Ich...“, begann sie und versuchte, ihn von sich wegzudrücken, doch ihr Unterfangen war zu halbherzig, als dass es Erfolg hätte haben können. Sudhir hob den Kopf und schaute ihr in die Augen. Dabei zog er ihren Körper näher an seinen heran und drückte sie mit dem Rücken an den Lehrertisch. Er wollte sie an sich spüren und vor allem wollte er endlich wissen, wie sich ihre Lippen anfühlten. Langsam beugte er sich zu ihr herunter, näherte sich ihr immer mehr und schloss die Augen. Shruti kniff daraufhin die Augen zusammen und mobilisierte alle Kraft, die sie im Moment aufbringen konnte. Mit einer schnellen Bewegung schob sie Sudhir von sich weg, schnappte sich ihre Tasche und rannte so schnell sie konnte aus dem Schulhaus hinaus in den Regen. Perplex schaute Sudhir ihr hinterher. „Shruti!“, rief er, doch er bekam außer dem lauten Plätschern des Regens keine Antwort. Kapitel 13: Bemühungen ---------------------- Dem Abendessen blieb Shruti fern, da sie Kavita erzählt hatte, dass es ihr nicht gut ging. Sudhir machte sich Gedanken und wollte aus diesem Grund noch einmal mit Shruti reden, bevor er ins Bett ging, doch wenn er an ihrer Tür klopfte, antwortete sie nicht. Er versuchte es mehrere Male, doch es war zwecklos. Resigniert ging er zurück in sein Zimmer und versuchte zu schlafen, doch sein Innerstes war zu aufgewühlt „... im Gegenteil... Es gefällt mir eben zu gut...“ Shrutis Worte hallten unaufhörlich durch seinen Kopf. Er verstand den Sinn dahinter nicht. Wenn sie ihn doch anscheinend auch mochte, wo lag dann das Problem? Was war es, das sie davon abhielt, sich ihre Gefühle einzugestehen? Sudhir würde nicht eher Ruhe geben bis er herausgefunden hatte, was es war. Nach dieser Entscheidung fiel er schließlich in einen unruhigen Schlaf. „Shruti kahan hai, Aunty?“, wollte Sudhir am nächsten Morgen wissen, nachdem er aus seinem Zimmer gekommen war und sich bereits nach Shruti umgeschaut hatte. Kavita saß in ihrem Büro und schaute von ihrem Schreibtisch auf. „Sie müsste im Garten sein, um die Wäsche aufzuhängen.“, meinte Kavita und warf einen Blick aus dem Fenster. Der Regen hatte in der Nacht aufgehört und nun schien die Sonne so hell, als ob es den gestrigen Sturm nie gegeben hätte. Sudhir bedankte sich für die Antwort und begab sich eilig in den großen Garten, der sich hinter dem Gasthaus befand. Drei lange Wäscheleinen waren hier aufgespannt. An diesen hing Shruti gerade mehrere große weiße Bettlaken auf. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und hatte ihn somit noch nicht bemerkt. Für eine Weile beobachtete er sie, wie sie mit geübten Gesten die Bettlaken ausbreitete und sie mit Klammern an der Leine befestigte. Eine leichte Brise kam auf und wehte sanft durch ihr langes lockiges Haar. Der pastellfarbene Salwar, den sie trug, umspielte ihren Körper und ließ erahnen, welch schöne Form er unter dem weiten Stoff hatte. Für einen Moment schloss Sudhir die Augen bevor er sich schließlich überwand, auf Shruti zuzugehen. Langsam trat er auf sie zu und blieb kurz hinter ihr stehen. Sie hatte sich gerade gebückt, um ein paar Klammern aus ihrem Korb zu nehmen und war dabei, sich wieder aufzurichten, als sie mit dem Rücken gegen Sudhirs Oberkörper stieß. Die Härte seine Brust erschreckte sie und ließ sie für einen Moment erstarren. Auch ohne sich umzudrehen, war ihr auf der Stelle klar, wer da gerade hinter ihr stand. Leise seufzend schloss sie die Augen und drehte sich dann langsam und zögerlich zu ihm um. Er suchte ihren Blick, bevor er begann zu sprechen. „... Lass uns über gestern reden...“, meinte er ruhig, woraufhin Shruti sich allerdings trotzig abwandte. „Sudhir, hör zu. Ich bitte dich, vergiss, was ich gestern gesagt habe...“, erwiderte sie und schob nervös die Klammern in ihrer Hand hin und her. „Oh nein, das werde ich nicht.“, gab er zurück und umfasste ihre Hand mit seiner. „Du hättest dir vorher überlegen sollen, was du sagst.“ Seine Gelassenheit ließ Shrutis Aufregung ansteigen. Was sollte sie ihm sagen? „Ja, ich weiß, das hätte ich, aber jetzt ist es zu spät und ich will nicht weiter darüber reden. Kannst du das denn nicht bitte akzeptieren und mich in Ruhe lassen?“, bat sie und in ihrer Stimme schwang Verzweiflung mit. Sudhir war klar, dass Shruti etwas vor ihm verbergen wollte und er konnte nicht abstreiten, dass er Mitleid hatte, wenn sie ihn so flehend ansah, doch sein Wunsch nach der Wahrheit war größer. Vorsichtig nahm er sie an den Schultern und brachte sie so dazu, ihn anzuschauen. „Nein, ich kann es nicht akzeptieren.“, meinte er mit ruhiger Stimme. „Ich will dich besser kennenlernen, mehr über dich erfahren und...“, fuhr er fort und bemerkte, dass er das letzte, was er zu sagen hatte, nicht aussprechen, sondern ihr zeigen wollte. Er senkte seinen Kopf, während er mit seiner Hand ihr Haar zur Seite schob, um ihren Hals zu entblößen. Als seine Lippen ihre Haut berührten, fuhr Shruti zusammen. Ihr Kopf sagte ihr, dass sie sich wehren sollte, doch ihr Körper gehorchte ihr einfach nicht. Zu unbekannt und gleichzeitig faszinierend waren die Gefühle, die Sudhirs Berührungen in ihr auslösten. Eigentlich abwehrend legte sie ihre Hände auf seine Schultern, doch anstatt ihn wegzudrücken, drückte sie ihre Finger in den Stoff seinen Hemdes und klammerte sich an ihm fest. Sudhir bemerkte, wie Shrutis Widerstand sich auflöste und wurde somit mutiger. Seine Küsse an ihrem Hals und ihrem Schlüsselbein wurden fordernder. Dann löste er sich allerdings von ihr, schaute ihr in die Augen und bemerkte dabei ihre stark geröteten Wangen. Flehend sah sie ihn an und es fiel ihm schwer, noch an sich zu halten. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle genommen und in sein Zimmer getragen, um mit ihr... Doch er riss sich zusammen. „Shruti...“, flüsterte er und legte zärtlich seine Hand an ihre Wange. Sein Blick glitt zu ihren leicht geöffneten Lippen und er wusste, gleich würde er endlich von ihnen kosten dürfen. Seine linke Hand lag auf ihrem Rücken und drückte ihren Körper sanft an seinen, während seine rechte Hand zärtlich über ihre Wange streichelte. Je näher er allerdings mit seinem Gesicht ihrem kam, desto mehr verkrampfte sie sich und drückte ihre Finger tiefer in seine Schultern. „Sudhir, bitte...“, bat sie ihn leise und schaute ihm scheu in die Augen. Doch dieser Blick weckte in Sudhir nur noch mehr Gefühle und bewirkte das genaue Gegenteil von dem, um das Shruti ihn eigentlich bat. Als kaum noch ein Atemzug zwischen ihren Mündern lag, drehte Shruti plötzlich ihren Kopf zur Seite. „Ich kann nicht...“, flüsterte sie leise und schloss die Augen. Sudhir stöhnte innerlich auf und ließ daraufhin von ihr ab. „Ich verstehe...“, gab er harscher zurück als er es eigentlich gewollt hatte. Dann wandte er sich ab, um sich in sein Zimmer zurückzuziehen. Shruti sah ihm hinterher und brach schluchzend zusammen, nachdem er im Haus verschwunden war. Auf dem Boden kauernd verbarg sie ihr Gesicht in ihren Händen und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Egal, wie sehr sie es wollte, es durfte einfach nicht sein. Sudhir ließ sich seufzend auf sein Bett fallen und blieb für eine Weile bewegungslos liegen. Er war beleidigt und das ärgerte ihn. Er hatte nun keinen Zweifel mehr daran, dass Shruti zumindest teilweise seine Gefühle erwiderte, doch warum sperrte sie sich dann so gegen ihn? Er verstand es einfach nicht und das machte ihn wütend, obwohl er es nicht sein wollte. Den Rest des Tages verbrachte Sudhir in seinem Zimmer und versuchte, sich mit Arbeit abzulenken. Besonders wirkungsvoll war das nicht, doch es kam ihm keine andere Möglichkeit in den Sinn. Als Kavita klopfte, um ihn zum Abendessen zu rufen, lehnte er ab und meinte, dass er keinen Hunger hatte – obwohl eigentlich das genaue Gegenteil der Fall war. Zwei Stunden später klopfte es erneut. Zögerlich wurde die Tür geöffnet und zu Sudhirs Überraschung trat Shruti ins Zimmer. „Aunty hat dir etwas vom Abendessen aufgehoben...“, meinte sie und stellte die kleine Schüssel, die sie dabei hatte auf der Kommode ab, die sich neben der Tür befand. Daraufhin wollte sie sein Zimmer auch schon wieder verlassen, doch Sudhir rief nach ihr und bat sie zu warten. Zögernd hielt sie inne und drehte sich zu ihm um. Er ging zur Tür, schloss sie und ließ Shruti auf seinem Bett Platz nehmen. Dann zog er sich seinen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. „Es tut mir leid...“, meinte er. „Wenn ich dich vorhin bedrängt haben sollte, dann tut es mir wirklich leid...“ Shruti wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte und nestelte nervös an ihrem Dupatta herum. „Das... das hast du nicht.“, antwortete sie, nachdem sie eine Weile nach den richtigen Worten gesucht zu haben schien. „Aber ich bitte dich, deine... Bemühungen mir gegenüber aufzugeben. Da du doch bald in dieses Bürogebäude umziehst und...“ „Das ist gerade einmal 20 Minuten von hier entfernt.“, warf Sudhir ein, bemerkte aber einen schmerzlichen Stich in seiner Brust, wenn er an seinen baldigen Auszug aus dem Gasthaus dachte. „... Ja, ich weiß, aber... dann werden wir uns wenigstens nicht mehr so oft sehen und...“ Sanft griff Sudhir nach Shrutis Händen, die in ihrem Schoß lagen und unterbrach sie somit mitten im Satz. „Genau das ist es, was mich daran am meisten stört. Denn dann habe ich noch weniger Möglichkeiten endlich herauszubekommen, was der Grund für deine ständige Zurückweisung ist... Und ich verspreche dir, dass ich nicht eher Ruhe geben werde, bevor ich ihn nicht herausgefunden habe...“, meinte er mit ruhiger aber fester Stimme. Shruti seufzte daraufhin. „Das habe ich schon befürchtet...“ Kaum hatte sie diese Worte allerdings ausgesprochen, spürte sie plötzlich Sudhirs Lippen auf ihren. Sie riss vor Überraschung die Augen auf, sah sich aber nicht in der Lage, sich zu wehren. Der Kuss war so sanft, dass sie das Gefühl hatte, innerlich zu verglühen. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie ihn wegstoßen sollte, doch stattdessen legte sie ihre Arme um seinen Hals und zog ihn damit näher an sich heran. Shrutis Reaktion motivierte Sudhir zu einem innigeren Kuss. Ohne sich auch nur einen Augenblick von ihr zu lösen, beugte er sich über sie und drückte sie somit aufs Bett. Dabei stützte er sich mit den Armen links und rechts neben ihr auf, um sie nicht mit seinem Gewicht zu belasten. Shruti seufzte als Sudhir ihren Hals mit Küssen bedeckte. Zuvor hatte er sie ihres Dupattas entledigt und somit ihr Dekolleté entblößt. Liebevoll musterte er ihr gerötetes Gesicht, bevor er mit seinen Lippen die sensible Haut knapp oberhalb ihres Ausschnittes liebkoste. Seine Hand wanderte dabei von ihrem Oberschenkel über ihre Hüfte hinauf zu ihrer Schulter. Dort schob er den Stoff ihres Salwars zur Seite und küsste jeden Zentimeter ihrer frisch entblößten Haut. Shrutis gesamter Körper kribbelte unter seinen Berührungen und sie fühlte sich, als ob ihr Herz jeden Moment aus ihrer Brust springen würde. Überrascht keuchte Shruti auf, als sie spürte, dass Sudhir ihre Brüste umfasste und sanft zusammendrückte. Doch noch ehe sie etwas hätte sagen können, verschloss er ihren Mund mit seinem und verwickelte sie in einen leidenschaftlichen Kuss. Ihr Körper pulsierte vor Aufregung, als ihr plötzlich bewusst wurde, worauf das hier mit aller Wahrscheinlichkeit hinauslaufen würde. Verzweifelt nahm sie das letzte bisschen Verstand und Widerstandkraft zusammen und stoppte Sudhir indem sie ihm ihre Hände auf die Brust legte. Verwirrt schaute er sie an, während sie sich ihm entzog und sich aufsetzte. Nachdem sie ihren Salwar und ihren Dupatta gerichtet hatte, stand sie auf. „Es geht nicht... Wir... ich kann das einfach nicht...“, meinte sie entschuldigend und verließ anschließend mit gesenktem und traurigen Blick das Zimmer. Kapitel 14: Des Rätsels Lösung ------------------------------ Als Sudhir am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich wie gerädert. Kaum hatte er die Augen geöffnet, kamen auch schon sämtliche Erinnerungen an den letzten Abend zurück. Er stöhnte leise auf und legte seine Hände aufs Gesicht. Ihm war diese ganze Angelegenheit eindeutig zu kompliziert. Wieso erzählte Shruti ihm nicht einfach, was los war? Diese Ungewissheit machte ihn noch wahnsinnig. Nachdem er sich schließlich aus dem Bett gequält und angezogen hatte, beschloss er, bei Kavita Rat zu suchen. Nach dem Frühstück half er ihr, das Unkraut im Innenhof zu jäten und er ergriff auch gleich die Chance, um ihr zu erzählen, was ihm auf der Seele brannte. „... Ich meine, sie hasst mich offensichtlich nicht, aber irgendetwas scheint sie davon abzuhalten, mir gegenüber offen zu sein. Du kennst sie besser als ich, Aunty, was kann es sein, das sie vor mir verheimlichen will?“, wollte Sudhir wissen, nachdem er Kavita die Lage – wohlweißlich das Ereignis des letzten Abends auslassend – geschildert hatte. Kavita schwieg eine Weile, bevor sie schließlich antwortete. „Chhoti Shruti ist... Sie ist verheiratet, Sudhir... Ich denke, dass es das ist, was sie dir bisher verschwiegen hat...“, meinte sie ruhig und musterte ihn aufmerksam. Ihre Worte waren für Sudhir allerdings wie ein harter Schlag in die Magengrube. Konnte das wahr sein? Wieso hatte er das nicht erahnen können? wenn er so darüber nachdachte, passte alles zusammen und erschien so offensichtlich. „... Aber wieso hat sie nichts gesagt...?! Hätte ich das gewusst... Ich hätte nie...“, brachte er hervor und war völlig durcheinander. Kavita hatte Mitleid mit ihm, spielte aber weiterhin unwissend. „Ich weiß es nicht... Aber hast du denn auch nie den Ring an ihrem Finger bemerkt?“ Sudhir schaute sie nachdenklich an. Natürlich war er ihm aufgefallen, doch er hatte ihn immer nur für ein bedeutungsarmes Schmuckstück gehalten. „... Ich verstehe das nicht. Sie hätte doch von Anfang an reinen Tisch machen können und es wäre nie soweit gekommen.“, meinte er – mehr zu sich selbst als zu Kavita. Diese seufzte daraufhin leise. „Am besten du redest so schnell wie möglich mit ihr, um Klarheit zu bekommen. Sie wird dir deine Fragen sicher auch besser beantworten können als ich.“, schlug sie vor. Sudhir nickte daraufhin stumm und widmete sich dann wieder dem Unkrautjäten. Seine Bewegungen waren dabei aber eher mechanisch, denn sein Kopf war im Moment voll von verworrenen Gedanken. Er musste mit Shruti reden – und zwar so schnell wie möglich. Bis Shruti nach Hause kam, fühlte Sudhir sich nervös und unruhig und versuchte sich abzulenken, indem er Kavita ein paar Arbeiten im Haus abnahm und erledigte. Als am späten Nachmittag allerdings die Eingangstür geöffnet wurde, ließ er sofort alles stehen und liegen und eilte hin. Erschrocken starrte Shruti ihn an. „Kya hua...?“, fragte sie und musterte aufmerksam sein Gesicht. Ohne ihr zu antworten, nahm er sie bei der Hand und zog sie hinter sich her zur Hintertür hinaus und in den hintersten Teil des großen Gartens. Dort angekommen stellte er sich vor sie und schaute ihr fest in die Augen. Er wollte sicher gehen, dass er ihre gesamte Aufmerksamkeit hatte, denn dieses Mal würde er sie nicht gehen lassen, bevor nicht alles zwischen ihnen geklärt war. „Wir sollten reden, meinst du nicht auch...?“, meinte er ruhig und Shrutis Augen weiteten sich. Er hatte es also herausbekommen! Sudhir musterte Shruti ganz genau und konnte dabei regelrecht sehen, wie es in ihr arbeitete. Als sie ihm jedoch nicht antwortete, hakte er noch einmal nach: „Du bist verheiratet, hai na?“ Shruti wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Natürlich hatte er Recht, aber wie hatte er es so plötzlich herausgefunden? Ihr Körper verspannte sich vor Aufregung immer mehr, doch ihr war klar, dass sie ihm nun eine Erklärung schuldig war. „Ich...“, begann sie, doch Sudhir fiel ihr ungeduldig ins Wort. „Wieso hast du nichts gesagt? Hätte ich gewusst, dass du verheiratet bist, wäre ich letzte Nacht nie so weit gegangen...“, meinte er und sah sie durchdringend an. Sie errötete bei seinen Worten, denn sie konnte sich nur allzu gut daran erinnern, wie sich seine Küsse und seine Berührungen auf ihrer Haut angefühlt hatten. „Es tut mir leid.“, meinte sie schließlich und verbeugte sich entschuldigend. „Ich weiß selbst nicht, warum ich es verschwiegen habe... Anfangs wollte ich einfach nichts mit dir zu tun haben und später ergab sich nie eine passende Gelegenheit...“ Sudhir schaute sie skeptisch an. „Schwache Ausrede.“, antwortete er kühl. „Jedes Mal wenn ich dir näher gekommen bin, hättest du die Chance dazu gehabt. Stattdessen hast du mich nur halbherzig weggestoßen und herum gestammelt. Wenn du von Anfang an alle Karten auf den Tisch gelegt hättest, hätte ich dich nie angefasst...“ Je länger er redete, desto wütender wurde er auf Shruti. Er hatte sie unwissend zu Dingen gedrängt, die man mit verheirateten Frauen einfach nicht tat und im Nachhinein fühlte er sich schlecht deswegen. Wenn sie doch von Anfang an ehrlich zu ihm gewesen wäre...! „Ich weiß, dass es allein meine Schuld ist. Ich würde dir nie irgendetwas vorwerfen...“, meinte Shruti ruhig. „Es war ein großer Fehler und es tut mir wirklich leid.“ Sudhir seufzte und setzte sich auf den Boden. Shruti beobachtete ihn schweigend dabei und setzte sich dann zu ihm. Ihr Verhalten war dumm gewesen. Das wusste sie und es tat ihr leid. Sie schien Sudhir damit sehr verletzt zu haben – und das war wirklich das allerletzte, was sie gewollt hatte. „Und wo ist dein Ehemann? Ich habe ihn in der ganzen Zeit noch kein einziges Mal gesehen...“, stellte Sudhir nach einer Weile fest. „Er ist in Delhi.“, gab Shruti zurück und spielte nervös am Saum ihres Dupattas herum. „Er ist nicht besonders oft zu Hause...“ Während sie sprach, hatte ihre Stimme einen merkwürdigen Unterton, den Sudhir nicht deuten konnte. Es war eine sehr eigenartige Mischung aus Traurigkeit, Freude, Angst, Verzweiflung und Sehnsucht. „Arbeitet er in Delhi?“, wollte Sudhir – den plötzlichen Wunsch, sie in die Arme zu schließen, unterdrückend – wissen. „Ja, er ist sehr beschäftigt, da die Geschäfte anscheinend gut gehen und er viele Überstunden machen muss.“, antwortete Shruti mit demselben merkwürdigen Tonfall. Stille legte sich über sie, wo beide vor sich her auf den Boden starrten und ihren Gedanken nachhingen. „... Dann ist es wohl doch gut, dass ich bald ausziehe.“, stellte Sudhir nach einer Weile fest und brach damit das Schweigen zwischen ihnen. Shruti fühlte sich miserabel, wenn sie daran dachte, dass er bald nicht mehr ständig da sein würde, doch sie wusste, dass er Recht hatte. Gerade als sie ansetzten wollte, um zu antworten, fing es plötzlich an, wie aus Eimern zu gießen. Durch die bereits hereingebrochene Dunkelheit hatte keiner der beiden die heranziehenden Wolken bemerkt. Eilig stand Sudhir auf, half dann Shruti ebenfalls auf die Beine und rannte mit ihr gemeinsam zurück ins Haus. Trotz des kurzen Weges waren beide bereits völlig durchnässt und eilten ins Badezimmer, um sich abzutrocknen. Sudhir entledigte sich seines Hemdes, um es auszuwringen und anschließend seine Haare mit einem Handtuch trockenzurubbeln. Dabei wanderte sein Blick zu Shruti, die gerade ebenfalls mit ihren Haaren beschäftigt war. Der nasse Stoff ihres Salwars klebte eng an ihrem Körper und ließ über die weibliche Form ihres Körpers keinerlei Fragen offen. Sudhirs Augen wanderten über jeden Zentimeter ihres Körpers und in ihm keimten wilde Fantasien auf. Wie gern hätte er Shruti jetzt an sich gezogen und geküsst, während er sie langsam Stück für Stück entblättert hätte. Doch er ermahnte sich und rief sich in Erinnerung, dass sie eine verheiratete Frau und somit tabu war. Von seinen eigenen Gedanken peinlich berührt, wandte er sich ab verließ ohne ein weiteres Wort das Badezimmer. Shruti schaute ihm hinterher. Ihr Gesicht glühte, denn sie hatte seinen verlangenden Blick bemerkt und musste sich eingestehen, dass auch sie das Bedürfnis hatte, mit ihren Fingern über seinen nackten Oberkörper zu streichen, um zu sehen, wie sich seine Haut anfühlte. Schnell schüttelte sie ihren Kopf, um diese Gedanken wieder zu vertreiben. Sie hatte nicht das Recht dazu, sich so etwas vorzustellen. Jedenfalls nicht, wenn es sich dabei um jemand anderen als ihren Ehemann handelte. Kapitel 15: Höflicher Abstand ----------------------------- Sudhir versuchte in den nächsten Tagen auf höflichen Abstand zu Shruti zu gehen. Das fiel ihm zwar alles andere als leicht, doch es war die einzige Lösung, die er sah, um nicht noch mehr Gefühle für sie zu entwickeln und dann womöglich wieder schwach zu werden. Kurz darauf teilte Bauleiter Chopra ihm mit, dass das Bürogebäude so gut wie fertig war und Sudhir in wenigen Tagen einziehen konnte. Daraufhin rief Sudhir George an, damit dieser seine restlichen Sachen aus Chicago losschickte. Als Sudhir Kavita und Shruti seinen Auszugstermin mitteilte, stand beiden tiefes Bedauern ins Gesicht geschrieben – auch wenn Shruti erfolglos versuchte, es zu verbergen. „Ich werde aber so oft vorbei kommen, wie ich kann.“, versicherte Sudhir schnell. „Allein schon wegen dem unvergleichbar guten Essen, das Aunty macht...“ Kavita lachte daraufhin und gab ihm ihren Segen als er ihre Füße berührte. Dann entschuldigte sie sich, stand auf und ging in ihr Büro. Shruti und Sudhir blieben schweigend nebeneinander sitzen. Es war das erste Mal seit Tagen, dass sie alleine miteinander waren und beide fühlten sich unwohl dabei. Es dauerte eine Weile bis Sudhir sich schließlich ein Herz fasste und die Stille zwischen ihnen brach. „... Ich hoffe, es ist in Ordnung für dich, wenn ich ab und zu vorbeikomme...“, meinte er und warf ihr einen verstohlenen Seitenblick zu. „... Natürlich ist es in Ordnung, wenn du weiterhin vorbeikommst!“, entgegnete Shruti schnell. „Wieso sollte ich denn etwas dagegen haben?!“ Sudhir schwieg für einen Moment. „Dann lass mich die Frage anders formulieren: Ist es für deinen Ehemann in Ordnung, wenn ich weiterhin vorbeikomme?“ Shruti verstummte und begann mit den Spitzen ihres langen Haares, das sie für Sudhir in letzter Zeit nur noch offen trug, zu spielen. Sie wusste nicht, was sie daraufhin hätte sagen sollen, denn es war wahr, dass ihr Mann sehr eifersüchtig war, doch so selten, wie er nach Hause kam, würde er Sudhir wahrscheinlich sowieso nie zu Gesicht bekommen. Sudhir wartete eine Weile, doch als keine Antwort kam, stand er etwas enttäuscht auf und machte sich nach einer flüchtigen Verabschiedung auf den Weg in sein Zimmer. Gerade als er die Türklinke herunterdrückte, spürte er, wie plötzlich zwei schlanke Arme um seine Mitte glitten und sich Shrutis Körper an seinen Rücken schmiegte. Überrascht hielt er mitten in der Bewegung inne und wartete gespannt darauf, was als nächstes geschah. Doch Shruti tat nichts, außer sich fest an Sudhir zu pressen. Je länger sie dort so standen, desto schwerer fiel es Sudhir, sich zusammenzureißen. Allein aus der Ferne war ihr Körper schon betörend genug, aber ihn so nah an sich zu spüren, machte ihm schwer zu schaffen. Wie sollte er sich denn zurückhalten, wenn Shruti sich so anregend an ihn schmiegte? Er nahm seine ganze Selbstbeherrschung zusammen, legte seine Hand auf ihre und schloss die Augen. „Du solltest mich besser loslassen, Shruti...“, meinte er ruhig, auch wenn sein Innerstes komplett aufgewühlt war. Als sie nicht reagierte, machte er sich vorsichtig von ihr los und legte seine Hände auf ihre Wangen. Er fixierte ihren Blick, während er sagte: „Ich kann sonst wirklich für nichts garantieren...“ Seine Stimme klang plötzlich heiser und verriet das gerade wiedererweckte Verlangen in ihm. Shrutis Herz schlug schneller und ihr Körper begann zu kribbeln. Sie senkte den Kopf und schaute zu Boden. „... Es tut mir leid...“, antwortete sie leise und hoffte dabei, dass er nicht bemerkte, dass sie log, denn es tat ihr nicht leid. Sie wollte, dass er seine Zurückhaltung vergaß – auch wenn es selbstsüchtig und falsch war. Shruti atmete tief durch und hob dann ihren Kopf, um Sudhir in die Augen zu schauen. „Gute Nacht...“, meinte sie und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Dann drehte sie sich um und lief in ihr Zimmer ohne sich noch einmal umzudrehen. Sudhir schaute ihr hinterher und atmete mehrere Male ein und wieder aus, nachdem Shruti ihre Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. Er brauchte eine kalte Dusche – und zwar auf der Stelle. Shruti lag in ihrem Bett und schaffte es einfach nicht einzuschlafen. In ihrem Kopf arbeitete es unaufhörlich. Wie sollte es jetzt weitergehen? Sudhir war ihr viel zu nahe gekommen und nun war sie unfähig, ihn wieder gehen zu lassen. Wenn sie daran dachte, dass er nur noch einen Tag bei ihnen im Gasthaus wohnen würde, hatte sie ein merkwürdiges Stechen in der Brust, von dem sie wusste, dass es alles andere als ein gutes Zeichen war. Wie hatte es soweit kommen können, dass sie plötzlich Gefühle für ihn hatte? Anfangs hatte sie ihn doch für unausstehlich und arrogant gehalten, doch je hartnäckiger er ihr gegenüber gewesen war desto mehr hatte sie erkannt, dass sie falsch gelegen hatte. In Wahrheit schien Sudhir ein aufmerksamer, fleißiger und offener Mensch zu sein. Ganz anders also, als sie vom ersten Eindruck her gedacht hatte. Allein schon wenn sie nur an ihn dachte, schlug ihr Herz schneller – und das durfte einfach nicht sein. Sie war verheiratet und wenn ihr Mann jemals herausfinden würde, wie sie fühlte, würde es ihr nicht gut ergehen. Doch trotzdessen ihr all das vollkommen bewusst war, konnte sie nicht umhin, sich in Sudhirs Arme zu wünschen und seine sanften Küsse erneut auf ihrer Haut spüren zu wollen. Es war falsch und selbstsüchtig, doch es wäre Selbstbetrug gewesen, wenn sie es sich nicht ehrlich eingestanden hätte. Unter diesen Gesichtspunkten schien es eigentlich die beste und vernünftigste – aber vor allem auch sicherste – Alternative zu sein, dass Sudhir auszog. So würde sie endlich ihren Kopf wieder frei bekommen und diese irritierenden Gefühle verdrängen können – das hoffte sie zumindest inständig. Unruhig wälzte sie sich lange Zeit in ihrem Bett hin und her und kam weder zu einem Ergebnis noch fand sie Schlaf. Irgendwann stand sie frustriert auf und ging in die Küche, um sich mit einem Glas Wasser abzukühlen. Das half jedoch wenig. Nach wie vor fühlte sie sich durcheinander und aufgewühlt. Als sie zurück zu ihrem Zimmer ging, fiel ihr Blick auf Sudhirs Tür. Beinahe automatisch lenkte sie ihre Schritte in deren Richtung und blieb schweigend davor stehen. Wie gern wäre sie einfach hineingegangen, um sich neben Sudhir zu legen und ihren Sehnsüchten und Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie spürte regelrecht, wie das Verlangen nach ihm mit jedem Augenblick größer und unbändiger wurde. Schweren Herzens wendete sie sich jedoch ab und ging zurück in ihr Zimmer. Sudhir, der ebenfalls seit Stunden schlaflos in seinem Bett lag, hörte, wie die Schritte, die vor wenigen Minuten vor seiner Tür Halt gemacht hatten, sich wieder von ihm entfernten. Er hatte keinen Zweifel daran, dass es Shruti gewesen war. Die Leichtigkeit ihrer Schritte hatte sie verraten. Jede Sekunde, die sie vor seiner Tür gestanden hatte, hatte er gehofft, dass sie hereinkommen würde – auch wenn ihm bewusst war, wie egoistisch und falsch das war. Er konnte einfach nicht aus seiner Haut. Er wünschte sich im Moment nichts mehr, als sie in seinen Armen halten, sie küssen und ihre weiche Haut spüren zu können. Dass dieser Wunsch aussichtslos und unerfüllbar war, verdrängte er dabei. Das Ziehen in seinen Lenden verriet ihm, dass seine Gedanken schon wieder zu weit gingen und so versuchte er schnell, sich irgendwie abzulenken, doch es war aussichtlos. So, wie die Sache lag, würde er diese Nacht wohl keinen Schlaf mehr finden. Kapitel 16: Staffelübergabe --------------------------- „Kya hua? Ihr beide seht ja furchtbar aus. Eure Augenringe hängen ja beinahe bis auf den Boden...“, stellte Kavita am nächsten Morgen beim Frühstück fest und schaute mit einer Mischung aus Besorgnis und Skepsis zwischen Shruti und Sudhir hin und her. Anstatt zu antworten starrten die beiden allerdings nur stur auf ihr Essen. Kavita hatte eine dunkle Ahnung davon, wo das Problem liegen konnte und ging deswegen nicht weiter auf die Sache ein. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren und die Küche aufgeräumt hatten, entschuldigte sich Sudhir in sein Zimmer, um seine Sachen zusammenzupacken. Vorher rief er allerdings noch George an, um ihm mitzuteilen, dass heute der Auszug anstand und ab morgen die Arbeit richtig begonnen werden konnte. Sudhir hatte gerade seinen ersten Koffer fertig gepackt, als es an seiner Tür klopfte. Kaum hatte er herein gebeten, trat auch schon Shruti ins Zimmer. „Ich wollte fragen, ob du vielleicht Hilfe brauchst...“, meinte sie und schaute ihn erwartungsvoll an. Sudhir stutzte kurz, antwortete dann jedoch: „Eigentlich nicht... Aber du kannst mir gerne Gesellschaft leisten, wenn du möchtest...“ Er schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln und widmete sich dann seinem zweiten Koffer. Shruti zeigte sich daraufhin nach kurzem Zögern einverstanden und ging hinüber zum Fenster, wo sie auf dem Fensterbrett Platz nahm. Eine Weile herrschte Stille zwischen ihnen, in der beide überlegten, wie sie ein möglichst unverfängliches Gespräch beginnen konnten. Shruti fiel schließlich als Erste etwas ein und so fragte sie nach, wann Sudhir mit seiner eigentlichen Arbeit beginnen würde. Erleichtert darüber, über ein neutrales Thema sprechen zu können, antwortete er ihr und ein ungezwungenes Gespräch entwickelte sich daraufhin zwischen ihnen. Um die Zweisamkeit möglichst lange hinauszuzögern, ließ er sich viel Zeit beim Zusammenpacken, doch irgendwann war er fertig und hatte all seine Sachen gründlich verstaut. So stand er also schweren Herzens auf und machte sich auf den Weg zur Zimmertür. Shruti folgte ihm daraufhin. Aus einem plötzlichen Impuls heraus drehte Sudhir sich allerdings unvermittelt um und zog Shruti zu sich heran. Er schloss sie in seine Arme und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, in den er all seine unterdrückten Gefühle legte. Von dieser plötzlichen Geste überrascht, wusste Shruti weder wie sie reagieren noch was sie sagen sollte. Sie schaute Sudhir nur erwartungsvoll an und spürte, wie ihre Wangen langsam heiß wurden. „... Auch wenn unser Start nicht gerade der beste war, bin ich froh, dich kennengelernt zu haben... Chhoti Shruti...“, meinte er leise und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. Diese unerwarteten Worte trieben Shruti plötzlich Tränen in die Augen. Sie versuchte, sie zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Erschrocken über diese Reaktion, schloss Sudhir Shruti fester in seine Arme und drückte sie sanft an sich. „Hey... Hör bitte auf zu weinen... Das war wirklich alles andere als böse gemeint...!“, meinte er und versuchte damit, sie wieder zu beruhigen. Doch damit machte er es beinahe noch schlimmer. Seine Nähe und seine Wärme machten es ihr unheimlich schwer, ihn gehen zu lassen. Sie wollte, dass er bei ihr blieb, doch das konnte sie ihm unmöglich sagen. Sie schaffte es schließlich, sich von ihm loszumachen und sich die Tränen wegzuwischen. Ohne ihn noch einmal anzusehen, ging sie an ihm vorbei und verließ das Zimmer. Draußen stieß sie allerdings auf Kavita, die Shrutis verweinte Augen wohlweißlich übersah. „Machst du dich jetzt auf den Weg?“, fragte sie an Sudhir gerichtet, der Shruti gerade aus seinem Zimmer hinaus gefolgt war. „Ji, Aunty...“, antwortete er und bückte sich, um Kavitas Füße zu berühren und sich ihren Segen zu holen, den sie ihm auch lächelnd gab. Sie wollte gerade noch etwas sagen, als plötzlich die Eingangstür des Gasthauses geöffnet wurde. Alle Blicke richteten sich auf den großgewachsenen und gutaussehenden jungen Mann, der eintrat. Kaum hatte er die Tür wieder hinter sich geschlossen, zündete er sich eine Zigarette an und richtete seinen Blick auf Shruti, Sudhir und Kavita (1). Shruti keuchte daraufhin leise auf. „... Atulji...?! Was...?“, brachte sie heraus und ging zögerlich auf ihn zu. Er lächelte daraufhin und meinte: „Ein kleiner Überraschungsbesuch, meri Jaan. Freust du dich etwa nicht? Ich hätte mit etwas mehr Begeisterung gerechnet – wo ich doch schon so selten da bin.“ Noch bevor Shruti antworten konnte, richtete Atul seinen Blick auf Sudhir. „... Und Sie sind...?“, fragte er, nachdem er ihn ausgiebig gemustert hatte. Sudhir gefiel sein Blick nicht, doch er ließ sich nichts anmerken und erwiderte freundlich: „Mein Name ist Sudhir Chaudhary. Und Sie müssen Shrutis Ehemann sein...“ Atul nickte daraufhin und die beiden Männer reichten sich zur Begrüßung die Hände. Zufällig fiel Sudhirs Blick dabei auf Shruti und er bemerkte, wie nervös sie auf einmal wirkte. Etwas eingeschüchtert stand sie ein Stück hinter Atul und schaute bedrückt zu Boden, während sie an ihrem Dupatta herum nestelte. Die Besorgnis, die bei ihrem Anblick in ihm aufstieg, schüttelte Sudhir allerdings schnell wieder ab und meinte: „Ich muss jetzt aber leider auch schon los. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.“ Mit einem kurzen, als Verabschiedung gemeinten Kopfnicken in Kavitas Richtung und einer gewollt zufälligen Berührung seiner Hand mit Shrutis als er an ihr vorbeiging, verließ er schließlich das Gasthaus. Als Sudhir am Bürogebäude ankam, traute er seinen Augen kaum. Ein moderner Fünfgeschosser war aus der ehemaligen Baustelle geworden und bot einen merkwürdigen Anblick in der dörflichen Umgebung. Auch die Innenausstattung war auf hohem Standard. Als er seine neue Wohnung betrat, war er für einen Moment sogar fast sprachlos. Sie war bereits komplett eingerichtet und das auch noch sehr geschmackvoll. Er ging auf eine kleine Erkundungstour und war völlig verblüfft. Es gab nichts, woran es ihm fehlte, vom Geschirr bis zu den Möbeln war alles vorhanden. Nachdem er sich alles genau angeschaut hatte, räumte er seine Koffer aus, packte seine Sachen in den Kleiderschrank und setzte sich anschließend auf die ausladende Couch im Wohnzimmer. Eine Weile saß er nur still da und ließ seine Gedanken schweifen. Mit seiner neuen Arbeit würde nun endgültig sein neues Leben beginnen. Shruti musste er vergessen und er hoffte, dass ihm das möglichst bald gelingen würde. Sie war tabu und jeglicher Gedanke an eine Beziehung mit ihr, die über Freundschaft hinausging, war vermessen. Die Arbeit, so hoffte er, würde ihn ausreichend ablenken und auf andere Gedanken bringen. Die Erinnerung an Shrutis eingeschüchterten Anblick als vorhin plötzlich ihr Ehemann aufgetaucht war, ging ihm allerdings nicht mehr aus dem Kopf und beschäftigte ihn mehr als er eigentlich wollte. Wie kam es, dass sie plötzlich so ängstlich aussah, wo sie doch glücklich hätte sein müssen, wenn ihr Ehemann – der sowieso zu selten da war – überraschend zu Besuch kam? Seufzend schloss Sudhir die Augen. Diese ganze Sache ging ihn nichts an und er musste lernen, sich nicht mehr mit diesen Dingen zu beschäftigen. Wenn es Probleme gab, bei denen Kavita und Shruti Hilfe brauchten, würden sie sich bei ihm melden. Alles andere war nicht seine Angelegenheit. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, beschloss Sudhir, eine Dusche zu nehmen und anschließend das Gebäude zu erkunden. So würde er am nächsten Tag – seinem ersten Arbeitstag – eine bessere Orientierung haben und seine neuen Mitarbeiter besser einweisen können und ihnen somit ihren Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern. (1) http://i47.tinypic.com/2ltncj5.jpg Kapitel 17: Das andere Zuhause ------------------------------ Die nächsten Tage verliefen für Sudhir sehr stressig. Er war die meiste Zeit damit beschäftigt, seine Mitarbeiter in ihre Aufgaben einzuweisen und ihnen bei Fragen und Problemen zur Seite zu stehen und Tipps zu geben. Seine eigene zu erledigende Arbeit kam dabei meist zu kurz und so musste er bereits vom ersten Tag an Überstunden machen. Abends fiel er daraufhin meistens erschöpft ins Bett und schlief beinahe auf der Stelle ein. Die viele Arbeit störte ihn dabei wenig, nur dass er unter diesen Umständen Kavita und Shruti nicht besuchen konnte, missfiel ihm. Er nahm sich dies allerdings fest für das Wochenende vor. Bei seiner Planung fragte er sich, ob denn Shrutis Ehemann noch da oder ob er bereits wieder abgereist war. Zweiteres wäre ihm lieber gewesen, denn vom ersten Eindruck her hatte Sudhir ein merkwürdiges Gefühl Atul gegenüber gehabt. Er war zwar höflich gewesen, doch ihm hatte der Blick, mit dem er Shruti angeschaut hatte, nicht gefallen. Es war nicht der eines liebenden Ehemannes gewesen, sondern der eines Mannes, der sich einen Spaß aus der Unsicherheit einer Frau gemacht hatte. Natürlich wusste Sudhir nicht, ob er sich das nicht nur eingebildet hatte, denn es war offensichtlich, dass er Atul gegenüber von vornherein etwas negativer eingestellt war. Er hatte schließlich das, was er momentan am meisten begehrte – nämlich Shruti. Ja, Sudhir war eifersüchtig und am liebsten hätte er die Tatsache, dass sie verheiratet war, ignoriert, doch das war unmöglich. Er musste sich damit abfinden und nach vorn schauen – in eine Zukunft ohne Shruti an seiner Seite. Diese Gedanken missfielen ihm zutiefst, doch er würde lernen müssen, sich daran zu gewöhnen und damit abzufinden. Eine andere Wahl hatte er schließlich nicht. Als das Wochenende letztlich herangerückt war, gönnte sich Sudhir zuerst einen faulen Vormittag mit langem Ausschlafen und ausgiebigen Frühstück. Anschließend duschte er, zog sich an (1) und machte sich auf den Weg zum Gasthaus, wo er hoffte, zum Mittag von Kavitas Kochkünsten profitieren zu können. Am Gasthaus angekommen, trat er nach kurzem Klopfen an der Eingangstür ein und wunderte sich, dass weder jemand zu sehen noch zu hören war. Suchend schaute er sich um, fand jedoch weder im Haus noch im Garten jemanden. Besorgt fragte er sich, wo alle abgeblieben waren, als plötzlich die Eingangstür geöffnet wurde und Kavita eintrat. Als sie Sudhir sah, zauberte sich ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht. „Sudhir, mein Junge!“, rief sie freudig aus und kam auf ihn zu. „Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst, wo du doch versprochen hast, uns besuchen zu kommen.“ „Ich wäre liebend gern schon früher gekommen, aber die ersten Arbeitstage waren ein reines Chaos...“, erwiderte Sudhir entschuldigend und bückte sich, um Kavitas Füße zu berühren. Kavita lächelte daraufhin warmherzig und meinte, während sie auf dem Weg zur Küche war: „Hauptsache ist doch, dass du jetzt da bist. Chalo! Ich mache uns beiden zur Stärkung etwas Ordentliches zum Mittag.“ Sudhir folgte ihr, stutzte jedoch etwas bei den Worten `uns beiden´. „Nur für uns zwei? Sind Shruti und ihr Mann nicht da?“, wollte er wissen und versuchte dabei, seine Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen. „Nein, sie essen bei sich zu Hause Mittag. Shruti ist selten hier, wenn Atul da ist...“, antwortete Kavita, während sie Wasser in einen Topf füllte und ihn anschließend auf den Herd stellte. Ihre Worte ließen Sudhir aufhorchen. „`Bei sich zu Hause´?“, wiederholte er ungläubig. „Du meinst, Shruti wohnt eigentlich gar nicht hier?!“ „Ji. Sie wohnt eigentlich eine Straße weiter in dem kleinen Haus, das ihre Eltern ihr vererbt haben. Wenn Atul in Delhi ist, zieht sie allerdings bei mir ein, damit sie nicht die ganze Zeit alleine sein muss.“, erklärte sie. „... Und wie oft kommt Atul nach Hause?“, wollte Sudhir wissen. „Für gewöhnlich vielleicht ein oder zwei Wochen im Vierteljahr. Sein Besuch im Moment ist eine wirklich große Überraschung gewesen...“ Sudhir gab daraufhin nur ein kurzes „Mhm...“ als Antwort und saß die restliche Zeit bis Kavita mit dem Kochen fertig war, schweigend da. Diese neuen Informationen, die er gerade bekommen hatte, musste er erst einmal einordnen und er war sich noch nicht sicher, wie. Sudhir verbrachte den gesamten Samstag bei Kavita, um ihr bei ein paar Arbeiten im Haus zu helfen und um sich mit ihr zu unterhalten. Sie war mittlerweile schon so etwas wie eine Art Mutterersatz für ihn geworden und er hatte sie unheimlich gern um sich. Er konnte mit ihr über Gott und die Welt reden und sie hatte immer einen guten Rat für ihn. Was Sudhir heute allerdings ablenkte, war die Tatsache, dass er wissen wollte, wie es Shruti ging. Natürlich hatte er sich vorgenommen, auf Abstand zu ihr zu gehen, damit seine Gefühle für sie nicht noch stärker wurden, doch ein rein freundschaftlich gemeinter Besuch konnte doch nicht schaden. Er wollte schließlich nur sehen, ob bei ihr alles in Ordnung war, wo er sie doch schon seit einigen Tagen nicht gesehen hatte. Wie er das allerdings anstellen sollte, wusste er nicht. Er konnte ja schließlich nicht einfach zu ihrem Haus gehen und klopfen. Das wäre unangebracht gewesen, das wusste er selbst. Ihr Ehemann war schließlich für einen seiner seltenen Besuche da und da konnte Sudhir nicht etwas von ihrer wertvollen Zeit zu zweit stehlen. Je länger er jedoch darüber nachdachte, desto mehr nagte der Gedanke an ihm, dass gerade im Moment ein anderer Mann allein mit Shruti war und höchstwahrscheinlich Dinge tat, die lieber er selbst mit ihr getan hätte. Es war geradezu niederschmetternd und er versuchte, sich abzulenken, doch im Endeffekt kamen alle seine Überlegungen immer wieder zu demselben Punkt. Nachdem er Kavita nach dem Abendessen beim Aufräumen der Küche geholfen hatte, beschloss er, sich langsam wieder auf den Weg in seine Wohnung zu machen. Er dankte Kavita für die nette Bewirtung und versprach, so bald wie möglich wieder zu Besuch zu kommen. Nachdem er die Eingangstür hinter sich geschlossen hatte, hätte er eigentlich nach links gehen müssen, doch seine Füße trugen ihn wie von selbst nach rechts – in die Richtung, in der sich Shrutis Haus befand. Da er nicht genau wusste, welches der Häuser es war, schaute er unauffällig in jedes hellerleuchtete Fenster, um nach Shruti oder Atul Ausschau zu halten. Nach etwa zehn Minuten hatte er schließlich Glück und er entdeckte Atul, der, wie es aussah, im Wohnzimmer saß und Zeitung las. Sudhir musterte kurz das kleine Haus und stellte fest, dass es sehr gemütlich aussah und gut zu Shruti passte. Atul hingegen wirkte wie ein Fremdkörper darin. Er schien zu modern für diese dörfliche, rustikale Umgebung. Sudhir fragte sich, wie die Ehe zwischen ihm und Shruti überhaupt zu Stande gekommen war. Liebten sich die beiden oder war ihre Hochzeit arrangiert gewesen? Ersteres fiel Sudhir schwer zu glauben, denn warum hätte Shruti sich sonst so weit auf ihn eingelassen? Doch der Gedanke daran, dass sie in einer aufgezwungenen Ehe leben musste, missfiel ihm ebenfalls. Ob er Shruti wohl danach fragen konnte, ohne dass sie es falsch auffassen oder sich peinlich berührt fühlen würde? Er beschloss, es zu wagen, wenn er das nächste Mal mit ihr alleine sein würde – wann immer das auch sein mochte. Als Sudhir seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen ließ, fiel ihm die halboffene Küche auf, in der er Shruti entdeckte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und schien gerade damit beschäftigt zu sein, das Abendessen vorzubereiten. Ihr Anblick ließ sein Herz etwas leichter werden, denn nun wusste er, dass es ihr gut ging. Nachdem er sie ein wenig in der Hoffnung, dass sie sich umdrehen würde, beobachtet hatte, beschloss er, sich auf den Heimweg zu machen. Es hatte im Endeffekt schließlich doch keinen Sinn, wie ein Stalker vor ihrem Haus herumzulungern und darauf zu warten, dass sie ihn zufällig entdeckte. Erleichtert und deprimiert zugleich trat er den Weg in seine Wohnung an und hoffte, dass Atul so schnell wie möglich wieder abreisen würde, damit er selbst die Gelegenheit hatte, wieder mit Shruti zu sprechen und mit ihr allein zu sein. Und dabei war es ihm egal, wie selbstsüchtig dieser Wunsch war. (1) http://i49.tinypic.com/153obxl.jpg Kapitel 18: Graue Maus mit blauen Flecken ----------------------------------------- Die folgende Woche war für Sudhir schon nicht mehr so stressig wie die erste, da nun alle Mitarbeiter eingearbeitet und mit ihren Aufgaben vertraut waren. Natürlich stand er als Leiter der Einrichtung immer noch jederzeit für Fragen bereit, doch die hielten sich nun in annehmbaren Grenzen. Mitte der Woche beschloss Sudhir, Kavita noch einmal einen kurzen Besuch abzustatten. Nach der Arbeit machte er sich sofort auf den Weg und stellte fest, dass es genau die Zeit war, wann auch Shruti Schulschluss hatte. Nach kurzem Zögern schlug er den Weg in Richtung Schule ein und erreichte sie gerade als es zum Unterrichtsschluss klingelte. Nach wenigen Augenblicken kamen bereits die Schüler aus den Klassenräumen geströmt und rannten Sudhir fast um, da er genau in der Mitte des Schultors stand. Nach ein paar Minuten und als die meisten Schüler verschwunden waren, kam auch Shruti (1) aus ihrem Klassenzimmer heraus. Zu Sudhirs Überraschung – und Enttäuschung – hatte sie zu ihrem `alten Ich´ zurückgefunden und sah wieder aus wie ein unscheinbares Mauerblümchen. „Chhoti Shruti!“, rief er und lief sicheren Schrittes auf sie zu, nachdem sie sich zum ihm umgedreht hatte. Erstaunt schaute sie ihn an. „Was machst du denn hier?!“, wollte sie wissen. „Musst du nicht arbeiten?“ Sudhir schüttelte den Kopf. „Ich hab heute ein bisschen eher Feierabend gemacht, damit ich Kavita besuchen kann. Und als ich zufällig hier vorbeikam, habe ich gesehen, dass du wohl auch gerade Schluss hast.“, erwiderte er und log bei seinem letzten Satz ein wenig. „Aber sag mal...“, fügte er hinzu. „... wieso hast du denn deine graue-Maus-Maskerade wieder ausgegraben?“ Shrutis Blick versteinerte einen Moment bei seinen letzten Worten. Sie fing sich allerdings schnell wieder und erwiderte: „Das ist einfach bequemer und geht morgens schneller...“ Diese Antwort stellte Sudhir alles andere als zufrieden, doch für den Moment wollte er es gut sein lassen und es lieber später noch einmal probieren, wenn sie mehr Zeit für ein Gespräch hatten. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gebracht, waren sie auch schon am Gasthaus angekommen. Sudhir hatte erwartet, dass Shruti weiter zu ihrem eigenen Haus gehen würde, doch sie ging mit ihm ins Gasthaus hinein. „Ist dein Mann nicht mehr da?“, rutschte es Sudhir heraus und sprach damit seinen Gedanken laut aus. Shruti schaute ihn daraufhin irritiert an. „Ähm... Ja. Atulji ist gestern wieder nach Delhi abgereist...“, antwortete sie und wandte sich dann sofort ab, um in ihr Zimmer zu verschwinden. Sudhir schaute ihr noch kurz nach und fragte sich, was mit ihr los war. Ihr Verhalten war äußerst seltsam und er konnte es sich nicht erklären. Lag es an ihm? Machte er sie mit seiner Anwesenheit nervös oder war es etwas anderes? Die Beziehung zu ihrem Mann schien auch nicht gerade die normalste zu sein. Also lag es vielleicht daran? Da er nicht das Gefühl hatte, Shruti darauf ansprechen zu können, beschloss er, Kavita danach zu fragen. Sie war schließlich die Person, die Shruti am nächsten stand. Kavita freute sich, als sie Sudhir erblickte. Sie bat ihn mit in die Küche und bot ihm auch sofort einen Tee an, den er dankend annahm. Anschließend bestand sie darauf, dass er bis zum Abendessen blieb. Sudhir nutzte diese Zeit, um die Fragen zu stellen, die ihn so brennend interessierten. Kavita zögerte erst, doch dann antwortete sie ihm und wählte dabei ihre Worte mit Bedacht: „Shrutis und Atuls Hochzeit war keine Liebeshochzeit, um ehrlich zu sein. Shrutis Eltern hatten sie arrangiert, um die Zukunft ihrer Tochter zu sichern, da Atul auf dem besten Wege war, der Beste seines Studienjahrganges zu werden und blendende Berufsaussichten hatte. Wenige Tage nach der Eheschließung verstarben meine Schwester und ihr Mann allerdings und niemand hatte mehr ein wachendes Auge auf diese noch so junge Ehe. Shruti und Atul hatten oft Meinungsverschiedenheiten wegen Shrutis Zukunft und ihrem Wunsch, Lehrerin zu werden. Außerdem wollte sie hier im Dorf bleiben, während Atul nach Delhi übersiedeln wollte. Shruti ist jedoch stur geblieben und so kam es zu dem Kompromiss, dass sie ihren Wunsch verwirklichen konnte, sie und Atul sich aber nur sehr selten sehen...“ Sudhir hörte sich alles aufmerksam an und begann langsam, alles zu verstehen. „Das heißt, die beiden sind schon seit fünf Jahren verheiratet?“, fragte er, woraufhin Kavita bestätigend nickte. „... und... ist Shruti glücklich...?“, wollte er vorsichtig wissen, doch noch bevor er eine Antwort bekam, betrat die Person, über die sie gerade so angeregt sprachen, den Raum und schaute die beiden mit einem seltsam durchdringenden Blick an. Gespannt warteten beide auf irgendeine Reaktion von Shruti, denn beide waren sich sicher, dass sie ihr Gespräch mit angehört haben musste. Anstatt etwas zu sagen, ging sie jedoch nur an ihnen vorbei und holte sich ein Glas Wasser. Anschließend verließ sie ohne auch nur ein einziges Wort gesagt zu haben die Küche wieder. Ratlos schauten sich Sudhir und Kavita an und wussten nicht, wie sie Shrutis Verhalten nun einordnen sollten. War sie sauer, weil sie hinter ihrem Rücken über sie gesprochen haben oder hatte sie tatsächlich nichts von ihrer Unterhaltung mitbekommen? Weder Sudhir noch Kavita konnte auf diese Frage eine definitive Antwort geben. Während des Abendessens herrschte denn auch eine gespannte Stimmung, auch wenn Kavita durch eine ungezwungene Unterhaltung erfolglos versuchte, die Situation ein wenig aufzulockern. Sudhir half nach dem Essen noch beim Abwasch, während Shruti sich in ihr Zimmer zurückzog. Anschließend verabschiedetet er sich auch schon und machte sich auf den Heimweg. Bevor er das Gasthaus verließ, warf er noch einmal einen kurzen Blick auf Shrutis Zimmertür und überlegte, ob er sich von ihr verabschieden sollte. Er entschied sich jedoch dagegen und ging. Kaum hatte er die Eingangstür hinter sich geschlossen und war ein paar Schritte gegangen, als er eine bekannte Stimme hinter sich sagen hörte: „Verabschiedest du dich nicht einmal mehr von mir...?“ Überrascht drehte er sich um und sah Shruti im Türrahmen stehen. Langsam kam sie auf ihn zu, nahm ihn an der Hand und setzte sich mit ihm zusammen auf die Bank, die vor dem Gasthaus stand. Erwartungsvoll beobachtete Sudhir Shruti und war gespannt darauf, was als nächstes kommen würde. „... Wenn du etwas über mich wissen willst, wieso fragst du mich dann nicht selbst?“, wollte sie wissen und schaute ihn fragend an. Sie hatte das Gespräch also doch gehört. „Würdest du mir denn ehrliche Antworten geben?“, antwortete er mit einer Gegenfrage. Shruti wandte ihren Blick ab. „... Das kommt auf deine Fragen an...“, gab sie zurück. „Das dachte ich mir...“, meinte er und konnte sich ein teils belustigtes teils enttäuschtes Lächeln nicht verkneifen. „Also gut. Dann sag mir... ob du glücklich bist...“, forderte er und sah sie dabei absichtlich nicht an, damit sie sich nicht unter Druck gesetzt fühlte. Es dauerte eine Weile bis sie antwortete. „Ich... bin zufrieden...“ Ihrer zögerlichen Stimme konnte Sudhir entnehmen, dass sie log. „Mein Leben sieht anders aus, als ich es mir als Kind erträumt habe, das gebe ich zu, aber sag mir bitte, wem es nicht so geht...“, meinte sie erklärend. „Ich habe mich damit arrangiert und mache das Beste daraus...“ Sie schaute auf und blickte ihm unverwandt in die Augen. „Reicht dir das als Antwort?“ Sudhir musterte forschend jeden Millimeter ihres Gesichtes. Er wollte ihr gerade antworten, als sein Blick jedoch zufällig auf ihren Hals fiel, wo er im schwachen Licht der Straßenlaterne und halb von ihrem Dupatta bedeckt einen blauen Fleck entdeckte. Shruti sah seinen Blick und schob erschrocken den Stoff etwas höher. „Yeh kya hai?“, wollte Sudhir wissen und rückte näher an Shruti heran. „Kuch... kuch nahin...“, stammelte sie und wurde sichtlich nervös. „Shruti, aus welchem Grund hast du blaue Flecken am Hals?!“, hakte er noch einmal mit Nachdruck nach. „Das ist wirklich nichts, worüber du dir Gedanken machen musst...“, entgegnete sie und wollte aufstehen, doch Sudhir griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. „Sag mir nicht, dass das Atul war...“, presste er hervor und er spürte, wie plötzliche Wut in ihm aufstieg. Shruti drehte daraufhin ihren Kopf weg und schwieg. Diese Reaktion reichte Sudhir als Antwort völlig. Entschlossen stand er auf und schloss Shruti in seine Arme. Seine plötzliche Nähe ließ etwas in ihr zerbrechen und sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie klammerte sich fest an ihn und schluchzte hemmungslos. Als ihre Beine drohten nachzugeben, setzte Sudhir sich wieder mit ihr auf die Bank. Er hielt sie fest im Arm und hoffte, ihr so etwas Trost und Geborgenheit zu geben. Er konnte einfach nicht glauben, wie jemand so grausam sein und einer so wunderbaren Person absichtlich Schaden zufügen konnte. (1) http://i47.tinypic.com/21115bs.jpg Kapitel 19: Ungewollter Besuch ------------------------------ Sudhir wusste nicht, wie lange sie dort so saßen, doch je länger er Shruti in den Armen hielt und sie leise schluchzen hörte desto größer wurde seine Wut auf Atul. Wie konnte er es wagen, seiner eigenen Frau Gewalt anzutun?! Was ging in ihm vor, dass er zu so etwas fähig war? Diese Fragen schwirrten die ganze Zeit in seinem Kopf herum, während er Shruti liebevoll umarmte. Nach einer Weile bemerkte er schließlich, wie sie sich langsam beruhigte und aufhörte zu zittern. Vorsichtig löste sie sich von ihm und schaute ihm schüchtern in die Augen. „... Es tut mir leid... Ich wollte nicht...“, begann sie, doch Sudhir unterbrach sie, indem er ihr Gesicht in seine Hände nahm. Sanft wischte er mit seinen Daumen ihre Tränen weg und meinte: „Ich denke, das war schon lange überfällig... Wieso hast du mir verschwiegen, dass Atul so ein...?“ „Sprich nicht weiter.“, fiel sie ihm ins Wort. „Das war das erste Mal, dass er so etwas getan hat... Er... Er war eifersüchtig, weil er dich gesehen hat, als du vor unserem Haus standest. Er glaubt, dass wir... dass...“ Sie unterbrach sich und wandte ihren Blick ab. Sudhir wusste natürlich ganz genau, worauf sie hinaus wollte. Das Schlimmste war jedoch, dass er derjenige war, der sie in diese Situation gebracht hatte. „Es tut mir leid. Es ist meine Schuld, dass er diesen falschen Eindruck hat... Das ist aber trotzdem noch lange kein Grund, einer Frau gegenüber handgreiflich zu werden.“, stellte er entschieden fest und beugte sich etwas nach vorn, um Shrutis Dupatta zur Seite zu schieben und sich das ganze Ausmaß der blauen Flecke anzuschauen. Sie waren offensichtlich schon ein paar Tage alt, denn das Blau wurde bereits grün-gelblich. Es schmerzte ihn, diese furchtbaren Abdrücke auf Shrutis Haut zu sehen und er konnte nicht anders, als sie mit seinen Lippen zu berühren, um den Schmerz zu lindern. Überrascht wich Shruti ein kleines Stück zurück als sie Sudhirs Lippen an ihrem Hals spürte. Als er ihr allerdings folgte, ließ sie es einfach geschehen. Das Gefühl, das er ihr gab, wollte sie nicht beiseiteschieben – auch wenn sie es eigentlich gemusst hätte. Sie schloss die Augen und legte ihre Hände auf seine Schultern, während sie sich immer mehr von der Sanftheit seiner Küsse benebeln ließ. Seine Arme schlangen sich um ihre Hüften und zogen ihren Körper näher an seinen. Jede Faser von ihm verlangte nach ihr, doch er wusste, dass er sich stoppen musste, bevor Atuls Unterstellung Wirklichkeit wurde. Auch wenn es ihm mehr als missfiel, so war Shruti Atuls Ehefrau und nicht seine. Widerwillig schob er Shruti von sich und seufzte leise. Sie schaute ihn daraufhin besorgt an, begriff dann aber sofort, was in ihm vorging. „Vielleicht... ist es besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen...“, schlug er vor und es brach ihm dabei fast das Herz. „Ich weiß nicht, was ich noch mit dir anstelle, wenn das so weitergeht... Irgendwann kann ich mich sicher nicht mehr zurückhalten...“ Seine Stimme war ein heiseres Flüstern während er sprach und er konnte selbst kaum glauben, dass diese Worte gerade tatsächlich aus seinem Mund kamen. Ein aufregendes Kribbeln durchfuhr Shrutis Körper als Sudhir sprach. Wie gern hätte sie herausgefunden, was er mit ihr getan hätte, doch allein diese Gedanken hätte sie sich schon nicht eingestehen dürfen. Eine leises „Es tut mir leid...“ entglitt ihren Lippen, bevor sie Sudhir noch einmal kurz umarmte und dann zurück ins Gasthaus ging. Sudhir saß noch eine Weile auf der Bank und starrte vor sich hin. Wieso hatte er sich ausgerechnet Shruti aussuchen müssen? Gab es nicht genug andere Frauen auf der Welt? Wieso musste gerade sie es sein – diejenige, in die er sich verliebt hatte? Auch wenn er es gewesen war, der gesagt hatte, dass sie sich eine Weile nicht sehen sollten, sehnte sich Sudhir jeden Moment, in dem er nicht bei Shruti war, mehr nach ihr. Natürlich war er schon früher einmal verliebt gewesen, doch seine Gefühle für Shruti stellten alles, was er jemals für eine andere Frau empfunden hatte, in den Schatten. Er wollte für sie da sein, sie beschützen und ihr Freude schenken. Doch wie kam er dazu? Höchstens als guter Freund durfte er ihr begegnen. Doch ihm war bewusst, dass er unter diesen Umständen eines Tages wahnsinnig geworden wäre. Er konnte einfach nicht in ihrer Nähe sein ohne das Bedürfnis danach zu verspüren, sie in den Arm zu nehmen oder noch ganz andere Sachen mit ihr anzustellen. Eineinhalb Wochen hielt Sudhir es schließlich aus, Shruti nicht zu sehen. Dann konnte er einfach nicht mehr und machte sich Freitagabend – trotz des vor einigen Tagen wieder eingesetzten Monsunregens – eilig auf den Weg zu Kavitas Gasthaus. Völlig durchnässt trat er ein und stellte zufrieden fest, dass Kavita und Shruti gemeinsam auf einer der Bänke unter dem Vordach der Küche saßen und Pistazien schälten. Überrascht schauten sie ihren unerwarteten Gast an, bevor Shruti aufstand, um ihm ein Handtuch zu holen und es ihm um die Schultern zu legen. „Kya hua? Ist etwas passiert?“, fragte sie, da Sudhirs durchnässter Anblick und die Tatsache, dass er völlig außer Atem war, ihr Sorgen bereiteten. „Keine Angst.“, gab er grinsend zurück und rubbelte sich mit dem Handtuch die Haare trocken. „Ich wollte euch nur besuchen. Da ich aber keinen Regenschirm hatte, musste ich...“ „Was musstest du?!“, fuhr Shruti ihm ins Wort. „Hätte dein Besuch nicht noch bis morgen Zeit gehabt?“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er sich leicht nach vorn beugte und ihr ins Ohr flüsterte: „... Nein... Ich musste dich einfach sehen...“ Ihm war klar, dass er das nicht hätte sagen sollen, aber wenn sie so nah bei ihm war, konnte er einfach nicht an sich halten. Ohne auf eine Reaktion zu warten, ging er an ihr vorbei und begrüßte Kavita. Er ließ sich nicht lange bitten, setzte sich neben sie und begann auf der Stelle, ihr beim Schälen der Pistazien behilflich zu sein. Shruti schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch, bevor sie sich wieder zu den beiden gesellte. Wieso musste Sudhir ihr das immer wieder antun? Es fiel ihr sowieso schon schwer genug, nicht jeden einzelnen Augenblick an ihn zu denken. Sie fand es einfach nicht fair von ihm, so mit ihr zu spielen, wenn es doch offensichtlich war, dass sie beide niemals miteinander... „Kannst du bitte die Schalen wegwerfen gehen, Shruti?!“, unterbrach Kavita abrupt Shrutis Gedanken. Diese nickte daraufhin nur schnell und verschwand in der Küche. Sudhir schaute ihr hinterher und fragte sich, woran sie wohl gerade gedacht hatte, denn ihr abwesender Gesichtsausdruck war ihm nicht entgangen. Kavita musterte Sudhir aufmerksam und sie fragte sich, wie lange all das noch gut gehen würde. Sie konnte sich denken, was zwischen ihm und ihrer Nichte vor sich ging, doch bisher hatte sie noch keinen der beiden darauf angesprochen. Sie setzte gerade an, um etwas zu sagen, als plötzlich die Eingangstür geöffnet wurde. Herein kam Atul, dessen Mine sich schlagartig verfinsterte als er Sudhir erblickte. Er fing sich allerdings schnell wieder und begrüßte Kavita und Sudhir mit aufgesetzter Freundlichkeit. In diesem Moment kam Shruti wieder aus der Küche. „Habe ich da gerade die Tür gehört oder war das...?“, begann sie, doch ihre Stimme erstarb als ihr Blick auf Atul fiel. „Du scheinst jedes Mal überraschter zu sein, wenn du mich siehst, Jaan...“, meinte er und ging zu ihr, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. Sudhir spürte, wie in ihm unbändige Wut hochkochte und er musste stark an sich halten, damit er nicht auf der Stelle platzte. Um eine direkte Konfrontation zu vermeiden, beschloss er, sich auf den Heimweg zu machen. Er konnte es einfach nicht ertragen, Atul und Shruti zusammen zu sehen. Schnell erfand er eine entschuldigende Ausrede und verließ umgehend das Haus. Der kalte Regen schlug ihm entgegen, doch sein erhitztes Gemüt vermochte er nicht abzukühlen. Kapitel 20: Zärtliche Hände --------------------------- Triefend nass und in völliger Dunkelheit saß Sudhir auf der Couch seines Büros und starrte stumm vor sich her. Nur das Geräusch des Regens, der gegen das große Fenster trommelte und das leise Ticken der Wanduhr waren zu hören. Die Machtlosigkeit, die er verspürte, machte ihn beinahe wahnsinnig. Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass er Shruti Atul überlassen musste. Er war sich sicher, dass er sie bei Weitem nicht so behandelte, wie sie es eigentlich verdient hatte. Fahrig stand Sudhir auf und fuhr sich genervt mit der Hand durch sein nasses Haar. Was sollte er jetzt tun? Anscheinend bestand nun die Gefahr, dass Atul jederzeit auftauchen und ihm dazwischen funken konnte. Und wenn es stimmte, was Shruti gesagt hatte – dass er äußerst eifersüchtig war – dann war es mehr als unvorteilhaft, wenn Sudhir zu oft bei Kavita zu Besuch war. Jederzeit war es möglich, dass Atul die Situation falsch deuten und Shruti dafür büßen lassen würde... Plötzlich kam ihm ein erschreckender Gedanke: Was war, wenn Atul auch dieses Mal Sudhirs Besuch falsch verstanden hatte? Was würde er Shruti antun? Zu was war er fähig? Nervös lief Sudhir im Zimmer auf und ab und fragte sich, ob er nicht lieber zurück zum Gasthaus gehen und nach dem Rechten sehen sollte. Aber hätte er dadurch nicht alles noch schlimmer gemacht? Er wusste einfach nicht, was im Moment die beste Entscheidung gewesen wäre. Voller Wut und um sich abzureagieren schlug er mit aller Kraft und der geballten Faust gegen die Wand. Sofort zog sich ein starker Schmerz durch seinen Arm, doch es war ihm egal. Ihm war momentan einfach alles egal – außer Shrutis Sicherheit. Fest entschlossen rannte er aus seinem Büro und machte sich auf den Weg zurück zum Gasthaus. Der Regen peitschte ihm entgegen, doch davon ließ er sich nicht beeindrucken. Festen Schrittes lief er die Straße entlang als ihm plötzlich jemand entgegenkam. Beim genaueren Hinschauen, stellte er fest, dass es um Shruti handelte. In Windeseile war er bei ihr und umfasste mit seinen Händen ihre Oberarme. „Shruti, was machst du hier?!“, wollte er wissen und musste seine Stimme anheben, da der Regen so laut war. Sie schien erst jetzt wahrzunehmen, dass er da war und schaute ihm mit etwas unstetigem Blick ins Gesicht. „Ich... Ich...“, stammelte sie und fing dann heftig an zu schluchzen. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, nahm er sie an der Hand und lief mit ihr zurück zum Bürogebäude. „... Was ist passiert?“, fragte Sudhir vorsichtig, nachdem Shruti auf der Couch in seinem Büro Platz genommen und er sie in eine Decke gewickelt hatte. Sie zog den Stoff fest um ihre Schultern und starrte auf den Boden. „Atulji ist... Er ist so wütend...“, begann sie leise. „Er will nicht, dass du in meine Nähe kommst. Er ist so eifersüchtig, dass er mir nicht vertraut.“ Sudhir hörte ihr gespannt zu, während er vor ihr auf dem Boden saß und ihre Hände in seinen hielt. „... deswegen kam er heute auch so unerwartet nach Hause... Er will kontrollieren, ob ich auch wirklich nichts anstelle...“ Ihre Stimme brach und Tränen liefen über ihre Wangen. Sofort setzte Sudhir sich neben sie auf die Couch und nahm sie tröstend in die Arme. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Zu groß war seine Wut auf Atul im Moment. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Sudhir... Ich will den Kontakt zu dir nicht abbrechen, aber... ich weiß nicht, wozu Atul noch fähig ist...“, brachte sie schluchzend hervor. „Was hat er dir angetan? Hat er dich wieder...?“, wollte Sudhir wissen und versuchte, die Wut in seiner Stimme zu unterdrücken. „Nein...“, antwortete sie schnell. „Er hat mich nicht geschlagen... Aber... er hat mich rausgeworfen...“ Sudhir traute seinen Ohren nicht. „Das ist nicht dein Ernst! Bei diesem Wetter hat er dich wegen so einer Lappalie vor die Tür gesetzt?!“, brauste er auf. „Aber wieso bist du nicht zu Kavita gegangen?!“ Shruti schüttelte den Kopf „Das geht nicht. Was soll ich ihr denn sagen? Ich will nicht, dass sie erfährt, welche Probleme ich mit Atulji habe... Sie würde sich zu viele Sorgen machen. Ich...“, erklärte sie, doch Sudhir ignorierte ihre Worte und stand auf. „Wo willst du hin?“, wollte Shruti besorgt wissen. „Ich werde Atul zur Rede stellen.“, gab er knapp zurück und ging zur Tür. Doch Shruti folgte ihm und stellte sich ihm in den Weg. Flehend schaute sie ihn an und bat: „... Bitte tu das nicht...“ Der verzweifelte Ausdruck in Shrutis Gesicht ließ Sudhir schließlich nachgeben. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen und meinte dann: „Wieso? Soll das jetzt etwa für immer so weitergehen?“ Shruti schüttelte leicht den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Aber wenn du jetzt zu ihm gehst, wirst du alles nur noch schlimmer machen, denn dann weiß er, dass ich bei dir war und...“, erklärte sie, doch er fiel ihr ins Wort: „War das eigentlich dein Ziel? Wolltest du vorhin wirklich zu mir?“ Sie druckste etwas herum, bevor sie antwortete. „Ich... Ich weiß es nicht... Ich bin einfach losgelaufen... Erst als du vor mir standest, ist mir bewusst geworden, in welche Richtung ich gegangen bin...“ Er hätte lieber eine eindeutigere Antwort gehabt, doch er ließ es dabei bewenden. Er ging zurück zur Couch und ließ sich seufzend in das weiche Leder fallen. „Und was hast du jetzt vor?“, wollte er wissen und richtete seinen Blick auf Shruti, die immer noch an der Tür stand. Langsam setzte sie sich in Bewegung und ging zu dem großen Schreibtisch, der vor dem Fenster und gegenüber der Couch platziert war. Sudhir beobachtete jeden ihrer Schritte und wartete geduldig auf eine Antwort. „Wenn Atulji sich wieder beruhigt hat, werde ich noch einmal versuchen, ihm in Ruhe alles zu erklären...“, meinte sie schließlich und stellte sich an den Schreibtisch, um den Regen zu beobachten, der in Strömen die Fensterscheibe hinunterlief. „Und du denkst im Ernst, dass das etwas bringen wird...?“, fragte Sudhir nach und seine Skepsis war nicht zu überhören. „Ich hoffe es...“, gab sie resigniert zurück. Eine Weile herrschte daraufhin Stille zwischen ihnen. Verfahrener und hoffnungsloser hätte ihre Situation nicht sein können. Ein Ausweg war für beide nicht ersichtlich. Im Gegensatz zu Sudhir wollte sich Shruti das allerdings nicht eingestehen. „Ist Atuls Eifersucht auch der Grund für deinen unscheinbaren Kleidungsstil?“, hörte Shruti plötzlich Sudhirs Stimme so nah an ihrem Ohr, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Ein Schauer überkam sie als er weitersprach. „Will er nicht, dass andere Männer sehen, wie schön du bist?“ Shruti schloss die Augen. Ihr Herz schlug unkontrolliert schnell und auch ihre Atmung hatte sie kaum unter Kontrolle. Sie spürte die Wärme, die von Sudhirs Körper ausging, an ihrem Rücken und zuckte etwas zusammen, als sie bemerkte, wie er vorsichtig ihr nasses Haar aus ihrem Nacken strich. Er beugte sich zu ihr und küsste sanft die empfindliche Haut ihres Halses. Unwillkürlich seufzte Shruti als er seine Arme um ihre Taille schob, um sie näher an sich heranzuziehen. Langsam drehte er sie zu sich herum und suchte ihren Blick. Das Verlangen, das deutlich in seinen Augen zu sehen war, ließ ihr Herz noch schneller schlagen. Dieses Mal würde sie ihn nicht abweisen. Dieses Mal nicht... Sie schloss die Augen als sie seine Lippen auf ihren spürte und schlang ihre Arme um seinen Hals. Sudhir beugte sich über sie und brachte sie so dazu, sich rücklings auf den Schreibtisch zu legen. Er drängte seinen linken Oberschenkel zwischen ihre Beine, während er mit seiner Hand unter das Oberteil ihres Salwar Kameez´ glitt. Schwer atmend unterbrachen sie ihren Kuss für einen Moment, um sich in die Augen zu schauen. „Sudhir...“, hauchte Shruti heiser und fuhr mit den Fingern durch sein feuchtes Haar. Die Art, wie sie seinen Namen sagte, wie sie ihn erwartungsvoll und ängstlich zugleich anschaute und wie sie ihn berührte, entzündeten ein loderndes Feuer in ihm. Begehrlich fing er ihren Mund mit seinen Lippen ein und küsste sie, als ob ihr beider Leben davon abhinge. Mit der Hand, die er unter ihr Oberteil geschoben hatte, strich er sanft über ihre nackte Haut und machte damit das Kribbeln in ihrem Körper beinahe unerträglich. Als er die Schalen ihres BHs nach oben schob und ihre Brust umfasste, keuchte Shruti überrascht auf. Er drückte ihren Busen zusammen und fuhr mit dem Daumen über ihre Brustwarze, die sich sogleich vor Erregung verhärtete. Für einen Moment ließ er von ihr ab, um sie aufzurichten und ihr das Oberteil und den BH auszuziehen. Ihre Wangen röteten sich leicht, als er fasziniert ihren Körper musterte und sich dann wieder über sie beugte, um sie erneut zu küssen. Dabei wanderte seine Hand langsam ihren Oberkörper hinab – von ihrem Hals zwischen ihren Brüsten hindurch über ihren Bauch. Am Bund ihrer Hose angekommen, hielt er für einen Moment inne, ließ seine Hand dann jedoch weiter wandern. Shruti entfuhr ein überraschtes „Ah...!“, als sie spürte, wie sich seine Finger in ihre Unterwäsche schoben. Hitze stieg in ihr auf und sie legte sich die Hand über den Mund, während er seine Hand weiter zwischen ihre Beine schob und begann, mit seinem Daumen sanft ihren empfindlichsten Punkt zu massieren. Unbewusst schob sie ihm ihr Becken entgegen, als sie spürte, wie er vorsichtig mit zwei Fingern in sie eindrang. Sie stöhnte leise auf und schloss die Augen, während er begann, seine Finger zu bewegen. Er weckte damit Gefühle in ihr, die sie vorher nicht gekannt hatte. Sie wollte mehr davon und sich vollkommen in seinen Armen fallen lassen. Als Shruti nach seinen Schultern griff, um sich an ihnen festzuklammern, bemerkte Sudhir, dass ihr offensichtlich gefiel, was er tat und so beugte er sich etwas tiefer und begann, ihre Brustwarzen zu liebkosen. Er umschloss sie mit seinen Lippen und umspielte sie mit seiner Zunge. Shruti konnte daraufhin nicht mehr an sich halten und stöhnte auf. Was tat er nur mit ihr? Sie wurde vor Verlangen beinahe wahnsinnig und er schien die Ruhe selbst zu sein. Dass es in Wahrheit ganz anders in ihm aussah, konnte sie nicht ahnen. Er hätte nichts lieber getan, als sie richtig zu nehmen, vor allem da ihr nackter Körper und ihr ekstatisch-heiseres Keuchen ihn so unerträglich erregten, dass die Beule in seiner Hose immer größer wurde. Im Moment verdrängte er sein Begehren allerdings, denn er wollte ihr nichts anderes als Freude schenken – und zwar ohne dabei an seine eigene Befriedigung zu denken. Er wollte sie glücklich machen und ihr das Gefühl geben, wirklich geliebt zu werden. Ein Gefühl, von dem er sich sicher war, dass Atul es ihr nicht gab. In wechselndem Tempo ließ er seine Finger in sie hinein und wieder aus ihr heraus gleiten, wurde allerdings schneller, als er feststellte, dass Shrutis Atem immer schwerer ging und sie sich immer stärker gegen ihn presste. Ihr Gesicht glühte und ihr Körper pulsierte. Nach wenigen Minuten drang er schließlich ein letztes Mal tief in sie ein und brachte sie damit zum Höhepunkt. Stöhnend bäumte sie ihren Oberkörper auf, während sie sich fest gegen ihn presste, um dieses unglaublich erfüllende Gefühl möglichst lange auszukosten. Nach wenigen Augenblicken sackte sie in sich zusammen und blieb mit geschlossenen Augen und schwer atmend liegen. Ein zufriedenes Lächeln umspielte Sudhirs Lippen bei ihrem Anblick. Er beugte sich über sie und gab ihr einen kurzen Kuss, woraufhin sie die Augen öffnete und ihm ein erschöpftes Lächeln schenkte. Sie legte ihre Arme um ihn und zog ihn wieder zu sich herunter, um ihn noch einmal zu küssen – leidenschaftlich und voller Liebe. Kapitel 21: Badewasser und Liebesnacht -------------------------------------- Shruti hatte sich gerade wieder angezogen als Sudhir vom Händewaschen aus dem kleinen Badezimmer, das sich neben seinem Büro befand, wiederkam. Als sich ihre Blicke trafen, schenkte er ihr ein liebevolles Lächeln. „Wenn du willst, können wir in meine Wohnung gehen und du kannst ein Bad nehmen. Es ist nicht gut, wenn du die ganze Zeit in diesen nassen Sachen herumläufst...“, stellte er fest und zupfte am Ärmel ihres feuchten Salwars. Als sie wenig später seine Wohnung betraten, staunte Shruti nicht schlecht. Noch nie hatte sie eine so moderne und elegante Einrichtung gesehen. Mit einem Mal kam sie sich in ihrem alten Salwar völlig fehl am Platze vor. Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen als Sudhir ihr ein Handtuch und Wechselkleidung in die Hand drückte und ihr dann den Weg zum Badezimmer zeigte. Kaum hatte er die Tür hinter ihr geschlossen, schaute sie sich in dem für ein einfaches Bad sehr großen Raum um und wurde noch ehrfürchtiger. Eine große Eckbadewanne stand in der linken Ecke und gleich daneben war das Waschbecken mitsamt einem riesigen Spiegel angebracht. Shruti musterte sich darin, nachdem sie den Wasserhahn angedreht und sich entkleidet hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie erfahren, wie schön es sein konnte, sich einem anderen Menschen hinzugeben. Atul hatte ihr nie dieses Gefühl vermittelt, wenn sie miteinander geschlafen hatten. Bei ihm hatte sie es nur als Pflicht angesehen, die sie hatte erfüllen müssen, doch mit Sudhir war das vollkommen anders. Praktisch gesehen hatten sie natürlich noch nicht miteinander geschlafen, doch nachdem, was er gerade mit ihr getan hatte, konnte sie es sich nur allzu gut vorstellen, wie es wohl sein würde – und wie wollte wissen, ob sie mit ihrer Vorstellung richtig lag. Ein aufregendes Kribbeln durchfuhr sie bei dem Gedanken daran und als sie sich in das heiße Badewasser sinken ließ. Sie schloss die Augen, lehnte sich zurück und genoss den angenehmen Duft des Badeöls und das Gefühl des Wassers, das ihren Körper umspielte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich jemals so entspannt wie in diesem Moment gefühlt hätte – auch wenn ihr völlig bewusst war, dass es eigentlich der denkbar ungünstigste Moment dafür war. Eigentlich hätte sie sich darum sorgen müssen, wie sie nun Atul gegenüber treten und wie ihre Ehe weitergehen sollte, doch das schien im Moment alles so weit entfernt, dass sie es nicht in ihr Bewusstsein vordringen ließ. Das warme Wasser tat ihr so gut, dass sie weggedämmert wäre, wenn nicht plötzlich die Tür geöffnet worden wäre. Etwas schwerfällig öffnete Shruti die Augen und erblickte Sudhir, der nichts anhatte außer einem kleinen Handtuch, dass er um seine Hüften geschlungen hatte. Augenblicklich war sie wieder hellwach und setzte sich vor Schreck so schnell auf, dass die Wanne überschwappte. „Was... Was machst du hier...?“, fragte sie unsicher und konnte nicht verhindern, dass sie errötete. Sudhirs Lippen verzogen sich zu einem schelmischen Grinsen. „Du bist nicht die Einzige, die in den Regen gekommen und völlig durchnässt ist...“, meinte er und kam auf sie zu. Shruti schluckte schwer, denn was er offensichtlich als nächstes vorhatte, war alles andere als schwer zu erraten. Ungeachtet der Tatsache, dass Sudhir sie bereits nackt gesehen hatte, genierte Shruti sich ein wenig vor ihm und versuchte, ihren Körper möglichst unauffällig unter dem Badeschaum zu verstecken. Ihr Unterfangen blieb von Sudhir jedoch nicht unbemerkt und er kam nicht umhin, darüber zu schmunzeln. Er kniete sich neben die Wanne, schob den Schaum beiseite und beugte sich zu ihr. „Versteck dich nicht... Du bist wunderschön...“, hauchte er ihr mit einem aufmunternden Lächeln zu und schenkte ihr einen liebevollen Kuss. Geschmeichelt erwiderte sie sein Lächeln. Noch nie hatte ihr ein Mann so etwas gesagt. Es fühlte sich gut an, auch wenn sie es nur schwer glauben konnte. Jahrelang hatte Atul ihr eingeredet, dass sie weder hübsch aussehen konnte noch durfte. Das war seine Bedingung dafür gewesen, dass er sie alleine im Dorf und als Lehrerin arbeiten ließ. Wohl damit er sich sicher sein konnte, dass kein anderer Mann sie ansah und sie ihm treu blieb. Doch Sudhir hatte ihre Fassade durchschaut... Shruti erschrak ein wenig als Sudhir unvermittelt aufstand. Noch mehr erschrak sie allerdings als er plötzlich sein Handtuch fallen ließ. Mit glühendem Gesicht wendete sie sich von ihm ab, während er zu ihr in die Wanne stieg. „Sudhir, ich...“, begann sie mit bebender Stimme, unterbrach sich allerdings als sie plötzlich spürte, wie mit einem weichen Schwamm über ihren Rücken gestrichen wurde. „Ich werde dir nur deinen Rücken waschen...“, meinte Sudhir beruhigend. „Also mach dir keine Sorgen...“ Dann umfasste er ihre Taille und zog sie etwas näher an sich heran – einen gewissen `Sicherheitsabstand´ zwischen ihnen jedoch frei lassend. Shruti schloss die Augen und beruhigte sich wieder etwas, als sie den weichen Schwamm auf ihrem Rücken spürte und das warme Wasser, das aus ihm herauslief, wenn Sudhir ihn zusammendrückte. Die gleichmäßige, ruhige Bewegung ließ sie wieder schläfrig werden und sie hatte Mühe, nicht auf der Stelle wegzunicken. Sudhir entging nicht, dass sie plötzlich ganz ruhig war, doch er deutete das als gutes Zeichen, denn sie schien nicht mehr aufgeregt zu sein. Sollte er es also wagen? Allein der Anblick ihres bloßen Rückens erregte ihn und wenn er daran dachte, dass er gerade splitterfasernackt mit ihr in einer Badewanne saß, gab es kaum noch ein Halten für ihn. Er hatte ihr zwar gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen musste, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass sie von dem, was er vorhatte, abgeneigt sein würde, wenn man bedachte, wie sie sich ihm vorhin bereits hingegeben hatte... Er fuhr also mit dem Schwamm ihren Rücken hinauf über den Nacken und ihren Arm wieder hinunter. Dann ließ er ihn im Wasser schwimmen, legte seine Arme um Shrutis Mitte und zog sie ganz an sich heran. Sie keuchte überrascht auf und war wieder hellwach, als sie so unerwartet seine bereits immense Erregung an ihren Steiß spürte. „Sudhir...?“, presste sie heraus, doch sie unterbrach sich, als sie spürte, wie er begann, ihren Nacken und ihre Schulter zu küssen. Seine Lippen waren weich und verschmolzen beinahe mit ihrer feuchten Haut. Wie ein Schleier legten sich seine Küsse auf sie und sie verlor sich beinahe in diesem wohltuenden Gefühl. Ein starkes Kribbeln durchfuhr ihren Körper, als Sudhir nach ihren Brüsten langte, sie umfasste und sanft zusammendrückte. Sie lagen perfekt in seiner Hand. Beinahe so, als ob sie nur für ihn gemacht worden wären, dachte er und konnte sich dabei ein Schmunzeln, das er gegen Shrutis Schulter drückte, nicht verkneifen. Sie seufzte leise auf, als er mit seinen Daumen über ihre Brustwarzen fuhr und sie dann leicht mit seinen Fingern zwirbelte. Shruti legte ihren Kopf nach hinten auf Sudhirs linke Schulter und schloss die Augen. Daraufhin machte er sich daran, ihr Ohrläppchen zu küssen und spielerisch daran zu knabbern. Gleichzeitig drückte er ihre Brüste noch etwas fester und brachte sie so dazu, sich an seinen angewinkelten Knien festzuhalten und erneut aufzuseufzen. Sudhir fiel es mit jedem Moment schwerer, an sich zu halten. Er wollte Shruti – und zwar auf der Stelle. Er zog sie noch einmal fester an sich, um ihr damit sein Vorhaben zu signalisieren. „Shruti...“, flüsterte er mit vor Erregung rauer Stimme und löste damit ein wahres Feuerwerk an Gefühlen in ihr aus. Schnell drehte sie sich um, schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn mit aller Leidenschaft, die sie aufbringen konnte, denn sie verzehrte sich mindestens genauso sehr nach ihm, wie er nach ihr. Sudhir ließ sich nicht lange bitten und stand mit Shruti im Arm und ohne ihren Kuss zu unterbrechen auf. Dass dabei einiges an Wasser über den Wannenrand schwappte, interessierte ihn dabei herzlich wenig. Ohne sich abzutrocknen oder auch nur für einen Moment voneinander zu lassen, verließen sie das Badezimmer und stolperten in Richtung des Schlafzimmers. Mit dem Fuß schubste Sudhir die Tür auf und steuerte zielsicher in Richtung des Bettes. Kaum hatte Shruti sich hingelegt, war er auch schon auf ihr und drängte sich zwischen ihre Beine, die er sich eilig um die Hüften schlang. Nach einem weiteren kurzen Kuss drang er schließlich mit einer flüssigen Bewegung in sie ein. Er stöhnte auf und schloss die Augen. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet? Und nun, da er da war, konnte er es kaum glauben. Shruti lag schwer atmend unter ihm und krallte ihre Fingernägel in seine Schulterblätter, als er begann, sich in ihr zu bewegen. Liebevoll küsste er ihren Hals und ihr Schlüsselbein, während er sich auf das wunderbare Gefühl konzentrierte, mit ihr vereint zu sein. Erst langsam und dann immer schneller werdend glitt er in sie hinein und wieder aus ihr heraus bis sie einen für beide angenehmen Rhythmus gefunden hatten. Ihre Münder fanden zueinander, während Sudhir nach Shrutis Handgelenken griff und sie aufs Bett drückte. Immer leidenschaftlicher und gieriger wurde ihr Kuss. Immer schneller und tiefer seine Stöße. Immer größer ihre Erregung. Um ihm mehr Platz zu bieten, winkelte Shruti die Beine noch etwas mehr an und verschränkte ihre Füße über seinem Po. Sofort zeigte ihr kleiner Positionswechsel Wirkung und er konnte noch tiefer in sie gleiten. Beiden entfuhr daraufhin ein erregtes Keuchen. Während Shruti ihre Hände über seinen Rücken und seine Oberarme wandern ließ, umfasste er ihre Brüste und drückte sie zusammen. Sie musste sich eingestehen, dass sie es liebte, wenn er das tat – auch wenn es sie vor Verlangen beinahe wahnsinnig machte. Behutsam und doch voller Begehren kratzte sie mit ihren Fingernägeln über seine Schulterblätter und ließ dann ihre Hände in seinem dicken Haar verschwinden. Der feine Schmerz, den sie ihm damit zufügte, spornte ihn allerdings nur noch mehr an und so ließ er von ihren Brüsten ab und stützte sich mit seinen Armen links und rechts von ihr auf. Er schaute ihr in die Augen, während er das Tempo seiner Stöße noch einmal erhöhte und damit sie und sich immer weiter dem Höhepunkt entgegentrieb. Sein Körper pulsierte und war beinahe bis zum Äußersten gereizt. Der Anblick Shrutis, die nach Badeöl duftend und mit noch vom Badewasser feuchter Haut unter ihm lag – mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund – tat sein Übriges, ihn beinahe um den Verstand zu bringen. Rau stöhnend richtete er sich auf und nahm sie fest an den Hüften. Immer wieder stieß er tief und hart in sie und entlockte ihr damit immer wieder unterdrückte Seufzer. Als er es schließlich nicht mehr aushielt, erhöhte er sein Tempo noch einmal und ergoss sich nach wenigen Augenblicken stöhnend in ihr. Auch Shruti bäumte sich unter ihm auf, streckte ihm ihren Oberkörper entgegen und seufzte voller lustvoller Befriedigung auf. Erschöpft und außer Atem sackte er über ihr zusammen und ließ sein Gesicht auf ihrer Schulter ruhen. Auch Shruti atmete schwer und hatte damit zu tun, dieses unglaubliche Gefühl, das noch immer ihren Körper durchströmte, zu verarbeiten. Sie fühlte sich vollkommen erfüllt und selig. Glücklich legte sie ihre Arme und Sudhirs Körper und küsste ihn auf die Stirn. Er rollte sich daraufhin von ihr herunter und zog sie lächelnd in seine Arme. Am liebsten hätte er ihr in diesem Moment gesagt, dass er sie liebte, doch er hielt es für besser, das erst einmal für sich zu behalten. Stattdessen gab er ihr auch einen zärtlichen Kuss auf die Stirn und bemerkte dabei, dass sie bereits eingeschlafen war. Ein Lächeln zierte daraufhin seine Lippen und kurz darauf schlief schließlich auch er ein. Kapitel 22: Der Morgen danach ----------------------------- Als Sudhir am nächsten Morgen aufwachte, überfluteten ihn als erstes die Erinnerungen an letzte Nacht. Im Schnelldurchlauf durchlebte er noch einmal alle Emotionen und ein Lächeln begann, sich auf seinen Lippen abzuzeichnen. Mit noch geschlossenen Augen fasste er neben sich, um Shruti zu umarmen, an sich heranzuziehen und erneut ihre Wärme zu spüren, doch die Seite des Bettes war leer. Erschrocken öffnete er daraufhin die Augen und sah sich suchend im Zimmer um, konnte allerdings keine Spur von ihr entdecken. Fahrig stand er auf, zog sich eilig etwas an und suchte die gesamte Wohnung nach ihr ab – ohne Erfolg. Resigniert ließ er sich in der Küche auf einen Stuhl fallen und atmete tief durch. Zum ersten Mal seit gestern Abend holte ihn die Realität wieder ein. Was hatte er erwartet? Dass Shruti nun bei ihm blieb? Es hatte sich nach wie vor nichts daran geändert, dass sie bereits mit einem anderen verheiratet war, zu dem sie natürlich zurückgehen musste. Auch wenn ihm das eigentlich die ganze Zeit klar war, versetzte der Gedanke daran ihm doch immer wieder einen schmerzhaften Stich. Um den Kopf klar zu bekommen, brühte er sich erst einmal einen starken Kaffee. Das Coffein tat ihm gut und belebte seinen Körper und seine Gehirnwindungen ein wenig. Fieberhaft überlegte er, wie es nun weitergehen sollte. War die letzte Nacht eine einmalige Sache gewesen, die Shruti nun schon bereute oder erwiderte sie seine Gefühle in dem Maße, wie er es sich erhoffte? Die zweite Variante empfand er natürlich als die deutlich bessere, doch wenn sie wirklich zutraf, dann mussten sie schleunigst mit Atul reden. Sudhir konnte sich nicht vorstellen, dass man diesem Mann lange etwas vormachen konnte – zumal er ja bereits von Anfang an geahnt hatte, dass sich zwischen Shruti und Sudhir etwas angebahnt hatte. Den ganzen Tag über dachte er nach, versuchte eine Lösung zu finden, doch ihm fiel einfach nichts Brauchbares ein. Wenn er wenigstens noch einmal mit Shruti hätte reden können, bevor sie wieder nach Hause gegangen war, dann hätten sie vielleicht noch das ein oder andere klären können, doch so stand er nun vollkommen ahnungslos da und wusste weder ein noch aus. Zu Shruti zu gehen, hielt er allerdings auch nicht gerade für eine gute Idee, denn wer wusste schon, ob und was sie Atul erzählt hatte. Er entschied sich schließlich schweren Herzens dafür geduldig zu warten bis Shruti sich bei ihm melden würde. ****************** Es war noch dunkel, als Shruti nach Hause kam. Tropfnass waren ihr Körper und ihre Kleidung, da der Sturm zwar etwas nachgelassen hatte, der Regen jedoch weiterhin vor sich hin plätscherte. Während sie ihre Schuhe auszog und anschließend leise und auf den Zehenspitzen in die Küche ging, stiegen Schuldgefühle in ihr auf. Als sie neben Sudhir aufgewacht war, hatte eine plötzliche Panik sie befallen. Ohne ihn zu wecken, war sie aufgestanden, hatte ihre Sachen zusammengesucht und beinahe fluchtartig die Wohnung verlassen. Im Nachhinein bereute sie, dass sie nicht wenigstens einen Zettel hinterlassen hatte, doch in jenem Moment wollte sie nur so schnell weg von dort wie möglich, da sie Angst hatte, dass Atul herausbekommen würde, dass sie dort gewesen war. Sie musste nach Hause, damit er nicht bemerkte, wo sie sich die halbe Nacht aufgehalten hatte. Während sie sich einen heißen Tee kochte, um sich aufzuwärmen, stieg erneut Angst in ihr auf. Seit Sudhir in ihr Leben getreten war, hatte Atul sich radikal verändert. Sicher war er noch nie die liebenswürdigste Person gewesen, doch bis auf ihre Diskussionen zu Anfang ihrer Ehe hatten sie sich die meiste Zeit recht gut verstanden. Sie hatte sich an seine unterkühlte Art gewöhnt und kam damit zurecht – auch wenn sie es natürlich lieber anders gehabt hätte. Sie seufzte kaum hörbar und schloss die Augen nachdem sie den ersten wohltuenden Schluck von ihrem Tee genommen hatte. So schnell wie möglich musste sie aus ihren nassen Sachen heraus, wenn sie sich keine Grippe holen wollte. Ihr war nur nicht klar, wie sie das anstellen sollte, denn ihr Kleiderschrank, in dem sich trockene Kleidung befand, stand im Schlafzimmer und sie traute sich im Moment nicht, dieses zu betreten, da sie nicht einschätzen konnte, wie wütend Atul noch auf sie war – vor allem, wenn sie ihn auch noch mitten in der Nacht wecken würde. Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen und wusste nicht, was sie tun sollte. Ihr Körper zitterte vor Kälte – und wie sie sich eingestehen musste, auch ein wenig vor Angst. Nachdem sie ihren Tee eilig ausgetrunken hatte, entschied sie sich, sich ihre Kleidung auszuziehen, sich in eine Decke zu wickeln und ihre Sachen zum Trocknen über die Heizung zu hängen, da sie es einfach nicht über sich brachte, ins Schlafzimmer zu gehen. Auch wenn sie hundemüde war, würde sie im Wohnzimmer auf der Couch warten, bis ihre Kleidung trocken war. Mit dieser Entscheidung drehte sie sich um und wollte aus der offenen Küche ins Wohnzimmer gehen, als sie plötzlich wie versteinert stehen blieb. Genau ihr gegenüber saß in der Dunkelheit Atul auf einem der Sessel, die um den Couchtisch platziert waren, und fixierte sie mit einem Blick, den sie selbst wenn es um ihr Leben gegangen wäre nicht hätte entschlüsseln können. Kapitel 23: Eifersucht und Vergebung ------------------------------------ Mit einer Mischung aus Angst und Überraschung starrte Shruti Atul an und fühlte sich außer Stande, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und vor Aufregung begannen kleine weiße Pünktchen vor ihren Augen herumzutanzen. Mit größter Anspannung beobachtete sie ihren Mann und fragte sich dabei unentwegt, wie lange er dort wohl schon saß. Sein ausdrucksloses Gesicht ließ jedenfalls nicht das Geringste erahnen. Das fahle Licht der Straßenlaterne, das durchs Fenster ins Wohnzimmer fiel, ließ ihn dabei noch unheimlicher erscheinen. Shruti erschrak, als Atul unerwartet aufstand und ihr etwas zuwarf, das sie erst als Handtuch identifizierte, als sie es aufgefangen hatte und in den Händen hielt. Fragend und weiterhin ängstlich schaute sie ihn an. Doch anstatt etwas zu sagen, kam er immer nur weiter auf sie zu. Dies veranlasste sie dazu zurückzuweichen. Erst als sie die Kante der Küchenspüle im Rücken spürte, sah sie sich gezwungen stehen zu bleiben. „... Wo bist du gewesen...?“, wollte Atul mit ruhiger Stimme wissen, doch Shruti sah sich nicht in der Lage, ihm zu antworten. Erstens versagte ihre Stimme und zweitens hätte sie nicht gewusst, ob sie ihm die Wahrheit sagen oder ihn anlügen sollte. Beides hätte schwerwiegende Folgen haben können. Als er immer näher kam und schließlich unmittelbar vor ihr stand, hatte sie einen dicken Kloß im Hals. Beinahe abwehrend hob sie die Hände – in denen sie immer noch das Handtuch hielt – vor die Brust und schaute ihm voller Furcht in die Augen. „Du hast Angst vor mir...?“ Seine Worte muteten wie eine Frage an, doch eigentlich waren sie eher eine Feststellung. Er fixierte sie, während er seine Arme links und rechts von ihr auf der Spüle abstützte und sich etwas zu ihr herunter beugte. Shrutis Atem ging immer schwerer und sie hatte das Gefühl, dass ihr Brustkorb gleich platzen würde, so sehr hämmerte ihr Herz dagegen. Da Atul anscheinend auf eine Antwort von ihr wartete, überwand sie sich schließlich, schloss die Augen und nickte so zaghaft, dass man es kaum bemerkte. Er stieß daraufhin einen leisen Seufzer aus und fragte: „Ist deine Angst dann nicht ein Schuldeingeständnis...?“ Seine Worte trafen Shruti hart, denn jetzt war sie das tatsächlich, doch sie wollte und durfte nicht klein bei geben. Deswegen nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und erwiderte: „Nein... Ich habe Angst vor dir, weil du zu einem so gewalttätigen und kalten Menschen geworden bist, wie ich es nie für möglich gehalten hätte...“ Ihre Stimme zitterte, doch sie wusste, dass, wenn sie es jetzt nicht ausgesprochen hatte, sie sich nie dazu überwunden hätte. „Wenn ich dir vertrauen könnte, wäre es nie soweit gekommen...“, meinte er und funkelte sie an, doch das wollte sie nicht gelten lassen. „Ich habe dir nie einen Grund dazu gegeben, mir nicht zu vertrauen. Ich war immer ehrlich zu dir und habe getan, was du von mir wolltest. Was hätte ich denn noch machen sollen?!“, wollte sie wissen. Sie spürte mit einem Mal, wie der lange unterdrückte Zorn auf ihn in ihr hochstieg und sie immer mutiger werden ließ. „Bis auf diesen einen Kompromiss, den ich dir am Anfang unserer Ehe abgerungen habe, bin ich dir immer eine gute Ehefrau gewesen und habe mich nie gegen dich erhoben oder bin dir in den Rücken gefallen. Woher also kommt diese Eifersucht und diese plötzliche... Gewalttätigkeit...?“ Sie war sich nicht sicher, ob sie sich nicht zu weit hervorgewagt hatte, doch nun war es zu spät und sie konnte es nicht mehr zurücknehmen. Atuls Gesicht verriet Überraschung. Er schien nicht mit solchen Worten gerechnet zu haben. Noch immer stand er unmittelbar vor ihr, konnte ihren schweren Atem an seinem Hals spüren und das plötzliche Funkeln in ihren Augen sehen. „Meinst du, ich habe nicht gesehen, wie dieser Kerl dich angesehen hat?“, bohrte er nach und achtete dabei ganz genau auf ihre Reaktion. Sie wusste, worauf er hinauswollte und passte daraufhin ganz genau auf, was sie als nächstes sagte. „Und was hat das mit mir zu tun? Was hat das damit zu tun, ob ich dir treu bin? Nur weil ein anderer Mann mich verliebt ansieht, heißt es doch noch lange nicht, dass ich ihn auf dieselbe Weise ansehe...“, gab sie zurück und fühlte sich elend dabei, da sie in diesem Falle log, doch die Wahrheit konnte sie ihm einfach nicht sagen. Atul dachte für einen Moment über ihre Worte nach, bevor er antwortete: „... Du hast möglicherweise Recht, aber du weißt ganz genau, wie sehr ich es hasse zu verlieren. Du bist meine Ehefrau und niemals werde ich es soweit kommen lassen, dass du mir gestohlen wirst...“ Er nahm an, seine Worte würden sie aufbauen, da er ihr auf seine Weise offenbarte, dass sie ihm wichtig war, doch sie legte ihm alles völlig anders aus. „Es hört sich an, als wäre ich nur irgendein Gegenstand, den du aus dem einfachen Grund, dass er dir gehört, nicht verlieren willst...“, meinte sie und wandte ihren Blick ab. Atul atmete tief durch und meinte dann harsch: „Nimm eine heiße Dusche und geh dann ins Bett. Du erkältest dich sonst.“ Damit entließ er sie und blieb allein in der Küche zurück. Frisch geduscht und aufgewärmt kam Shruti aus dem Bad ins Schlafzimmer. Sie fühlte sich etwas besser, doch die Sorgen und die Angst wegen Atul blieben. Wie sollte es jetzt weitergehen? Je länger sie darüber nachdachte, desto aussichts- und hoffnungsloser erschien ihr ihre Lage. Seufzend warf sie etwas achtlos ihr Handtuch, das sie sich um den Körper geschlungen hatte, aufs Bett und ging zum Kleiderschrank, um sich frische Sachen herauszunehmen. Sie streckte sich gerade zum obersten Fach, als sie plötzlich spürte, wie sich zwei Hände um ihre Hüften schoben. Erschrocken fuhr sie herum und fand sich in Atuls Armen wieder. Mit hämmerndem Herzen schaute sie ihn an. Sein Gesichtsausdruck ließ Angst in ihr aufsteigen. War es tatsächlich Verlangen, was sie in seinen Augen sah? Noch nie hatte er sie so angesehen – wieso also gerade jetzt?! Als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie vollkommen nackt war, versuchte sie, sich aus seiner Umarmung zu befreien, doch er hielt sie fest. Sein Blick wanderte langsam von ihren Brüsten über ihren Hals zu ihren Lippen und blieb schließlich an ihren Augen hängen. Er beugte sich zu ihr hinunter, schob ihr noch feuchtes Haar zu Seite und begann, ihren Hals zu küssen. Shrutis Körper verkrampfte sich immer mehr. „Was... Was machst du...?“, brachte sie mit zittriger Stimme hervor, während sie ihre Hände gegen seine Schultern stemmte. Er hob daraufhin seinen Kopf und schaute ihr erneut in die Augen. „Ich vergebe dir.“, antwortete er tonlos und strich währenddessen mit seiner Hand ihren Rücken hinunter. Gänsehaut machte sich dabei auf Shrutis Körper breit, doch diese war alles andere als angenehm. Shruti verstand nicht, was plötzlich in Atul gefahren war. Erst machte er ihr Vorwürfe, dass sie untreu sei, dann warf er sie bei Unwetter aus dem Haus und nun „vergab“ er ihr und schaute sie an, wie ein hungriger Löwe eine verletzte Antilope. Es arbeitete wie wild in ihrem Kopf, als sie erneut seine Lippen an ihrem Hals spürte und bemerkte, wie er sie langsam in Richtung des Bettes drängte. Während ihrer gesamten Ehe hatte sie sich ihm noch kein einziges Mal verweigert, doch im Moment konnte und wollte sie einfach nicht mit ihm schlafen. Ihr Körper begann beinahe vor Anspannung zu schmerzen und ihr Magen fühlte sich an, wie ein einziger Klumpen Blei. Starke Übelkeit stieg in ihr auf, als er sie fester an sich presste und sie dadurch deutlich spüren konnte, wie erregt er war. Beinahe schon panisch versuchte sie, sich von ihm loszumachen, doch je mehr sie es probierte, desto stärker hielt er sie fest. „Atulji... Bitte...!“, brachte sie hervor und schaffte es, sich in letzter Minute von ihm loszumachen, bevor sie zurück ins Badezimmer stürzte und sich übergab. Atul folgte ihr, blieb für einen Moment skeptisch im Türrahmen stehen, legte dann aber eine Decke um ihre Schultern. „... Geh ins Bett, wenn es dir besser geht...“, meinte er ruhig. „Wenn irgendetwas ist, ruf mich. Ich bin im Wohnzimmer.“ Mit diesen Worten ließ er sie allein und verließ das Badezimmer. Kaum war er gegangen, fiel die quälende Anspannung von Shruti ab. Nach ein paar Minuten rappelte sie sich auf, wusch sich ihr Gesicht, putzte sich ihre Zähne und ging zurück ins Schlafzimmer, wo sie sich anzog und sich umgehend ins Bett legte. Kaum hatte sie ihren Kopf auf das weiche Kissen gelegt, war sie auch schon vollkommen erschöpft eingeschlafen. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich wie erschlagen. Ihr Kopf pochte schmerzhaft, sobald sie die Augen öffnete, ihr war übel und als sie bemerkte, dass ihre Nase verstopft war, war ihr klar, dass sie sich eine ordentliche Erkältung geholt hatte. Eine Weile blieb sie einfach liegen, bis sie sich schließlich dazu entschloss, sich aufzusetzen. Kaum hatte sie dieses Unterfangen allerdings begonnen, hörte sie auch schon eine allzu bekannte Stimme rufen: „Chhoti Shruti, bleib liegen!“ Sie öffnete die Augen und sah Kavitas besorgtes Gesicht über sich. „Du hast dir eine schlimme Erkältung eingefangen... Was hast du denn bloß gemacht?“, wollte sie wissen und legte einen kalten Lappen auf Shrutis Stirn. Shruti ignorierte diese Frage und wollte stattdessen etwas anderes wissen: „Was machst du hier, Aunty? Wo ist Atulji?“ Ihre Stimme klang heiser und das Sprechen tat ihr weh, doch ihr stockte der Atem, als sie Kavitas Antwort hörte. „Er ist vorhin vorbeigekommen und hat gemeint, dass ich mich um dich kümmern soll, während er weg ist. Ich glaube, er wollte zu Sudhir...“ Kapitel 24: Atuls Entschluss ---------------------------- Shruti war fassungslos. „Und du hast ihn gehen gelassen?“, wollte sie aufgebracht wissen und bekam daraufhin einen starken Hustenanfall. „Beruhig dich...“, meinte Kavita und legte ihr eine Hand auf den Oberarm. „Meinst du nicht, dass es ganz gut ist, wenn die beiden einmal miteinander reden...?“ Shruti schaute ihre Tante fragend an. „Beti, ich bin vielleicht schon etwas älter, aber bestimmt nicht blind. Ich habe gesehen, wie Sudhir dich ansieht und auch, dass du seine Blicke erwiderst...“, meinte Kavita mit einem verständnisvollen Lächeln, während sie Shruti eine Tasse mit heißen Gewürztee reichte. „Und glaub mir, ich will und werde dir das ganz bestimmt nicht zum Vorwurf machen, denn Sudhir ist ein wirklich charmanter junger Mann und ich kann verstehen, wieso du dich in ihn verguckt hast... Das ändert allerdings nichts daran, dass du verheiratet bist. So leid es mir für Sudhir – und auch für dich – tut, er muss die Grenzen, die nun einmal klar und deutlich vorhanden sind, beachten und einhalten...“ Shruti wurde mit jedem von Kavitas Sätzen stiller. Es war nicht so, dass irgendetwas von dem, was sie sagte, neu war oder unerwartet kam, doch diese Worte von einer außenstehenden Person zu hören, war noch einmal etwas ganz anderes, als wenn sie es sich selbst ständig vor Augen hielt. Dass es jedoch schon zu spät war und sie bereits alle Grenzen überschritten hatten, konnte Kavita nicht ahnen und Shruti hatte auch nicht vor, ihrer Tante davon zu erzählen. Das hätte mit Sicherheit zu einer Diskussion geführt, die aussichtslos gewesen wäre. Außerdem waren das ihre Sorgen und die wollte sie Kavita nicht unnötigerweise auch noch aufbürden. Kavita musterte Shruti, die gedankenverloren vor sich her starrte und wunderte sich ob der Wirkung, die ihre Worte anscheinend auf sie hatten. „Was ist los, Beti? Gibt es etwas, dass du mir vielleicht sagen willst...?“, fragte sie vorsichtig nach und streichelte mit ihrer Hand über Shrutis Oberarm. Shruti blickte daraufhin auf und überlegte einen Moment, ob sie ihrer Tante von Atuls krankhafter Eifersucht und seiner plötzlichen Gewalttätigkeit erzählen sollte, doch sie entschied sich dagegen. Das war nichts, womit sie Kavita hätte belasten müssen. „Nein, Aunty, es gibt nichts...“, antwortete sie also leise und nahm einen großen Schluck von ihrem Tee. Kavita sah natürlich, dass sie log, doch sie wollte nicht weiter nachbohren, da sie sich vorstellen konnte, dass die Situation für sie sowieso schon schwierig genug war. Nachdem Shruti ihren Tee ausgetrunken hatte, legte sie sich noch einmal hin, da es ihr wirklich miserabel ging. Erholsamen Schlaf fand sie allerdings nicht, da sie ständig vor Nervosität aufschreckte. Atul war nun schon seit mehreren Stunden bei Sudhir und sie machte sich langsam ernsthafte Sorgen. Was, wenn er ihm etwas antat? Wenn die zwei sich prügelten? Wer würde wohl gewinnen? Überrascht über sich selbst, schollt sich Shruti für ihre Gedanken. Wieso sollte sich jemand gerade wegen ihr schlagen? Das war absurd. Dennoch konnte sie diese Überlegung nie ganz abschütteln. Am frühen Nachmittag wachte sie erneut aus ihrem unruhigen Schlaf auf, doch nicht wegen eines Albtraumes, sondern wegen dem köstlichen Geruch, den das Essen verströmte, das Kavita ihr gerade auf einem Tablett ins Zimmer brachte. Etwas mühsam setzte Shruti sich auf und wollte sich gerade über das Essen hermachen, als sie plötzlich hörten, wie die Haustür geöffnet wurde. Sie hielt die Luft an und lauschte mit rasendem Herzen Atuls Schritten. Er schien zuerst ins Badezimmer zu gehen, bevor er schließlich ins Schlafzimmer kam. Shrutis Herz blieb für einen Moment stehen, als die Tür aufging und Atul hereinkam. Ohne sie anzusehen, ging er zu Kavita und berührte ihre Füße. „Danke, dass du dich um Shruti gekümmert hast, während ich weg war, Aunty.“, meinte er. „Aber könntest du uns vielleicht für einen Moment alleine lassen? Ich würde gern etwas mit Shruti besprechen...“ Kavita nickte und lächelte kurz als Zeichen dafür, dass sie einverstanden war. Dann warf sie Shruti noch einen kurzen Blick zu und verließ anschließend das Zimmer. Mit jedem Moment fiel es Shruti schwerer, Luft zu bekommen. Ihr Puls raste und ihr Körper begann zu zittern, als Atul sich zu ihr aufs Bett setzte. Er schaute sie eine Weile stumm an – mit einer Miene, die nicht im Geringsten erahnen ließ, was er wohl gerade dachte. Shrutis Mund war plötzlich staubtrocken. Sie schluckte schwer und stellte das Tablett mit dem Essen, das Kavita für sie gemacht hatte, beiseite, da ihr gerade gehörig der Appetit vergangen war. Sie wollte mit jeder Faser ihres Körpers wissen, was Atul von Sudhir gewollt hatte, doch sie traute sich nicht danach zu fragen, da sie Angst vor der Antwort hatte. So blieb sie also stumm und wartete mit vor Aufregung beinahe berstendem Herzen darauf, dass Atul endlich etwas sagte. „Ich werde noch heute Nachmittag zurück nach Delhi fahren.“, meinte er schließlich und überraschte Shruti damit so sehr, dass sie aufkeuchte und einen Hustenanfall bekam. Als sie sich wieder beruhigt hatte, reichte Atul ihr wortlos ein Glas Wasser und fuhr dann fort: „Ich werde Ende der Woche wiederkommen. Bis dahin wirst du alle deine Sachen gepackt haben.“ Sie sah ihn fragend an, da sie nicht wusste, worauf er hinauswollte. „Du wirst mit mir nach Delhi kommen.“, meinte er kühl und mit einem Unterton, der keinen Widerspruch zuließ. Im ersten Moment dachte Shruti, sich verhört zu haben. Sie konnte nicht fassen, was ihr Ehemann da gerade gesagt hatte. „Was?!“, presste sie mit ihrer heiseren Stimme ungläubig hervor. „Was hat das zu bedeuten?! Wieso...?“ „Du denkst doch nicht im Ernst, dass ich dich hier alleine mit diesem Kerl lasse?“, fuhr er ihr ins Wort. „Was... Was hast du mit Sudhir gemacht?“, wollte Shruti wissen, während der Kloß in ihrem Hals immer größer wurde und sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Ungerührt hob Atul eine Augenbraue. „Ich habe mich nur ein bisschen mit ihm unterhalten, Jaan.“, meinte er kühl. „Und ich habe genug gehört. Du kommst mit nach Delhi. Bas.“ Damit stand er auf und wollte das Zimmer verlassen. Shruti rief ihm allerdings hinterher: „Das werde ich nicht! Ich kann meine Arbeit hier nicht einfach aufgeben und Aunty kann ich auch nicht einfach alleine lassen!“ Heiße Tränen rannen ihre Wangen hinunter, während sie vor Verzweiflung ihre Hände in die Bettdecke krallte. Atul ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken. Er öffnete die Tür und meinte – ohne sich umzudrehen: „Wenn es unbedingt sein muss, kannst du auch in Delhi als Lehrerin arbeiten. Und Kavita wird sicher Verständnis haben. Sie schafft das hier auch allein.“ Er wollte gerade gehen, als er noch einmal inne hielt. „Ich werde jetzt gehen. Und du hast besser alles gepackt, wenn ich wieder zurück bin...“ In seinen Worten lag eine eindeutige Drohung. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, schluchzte Shruti laut auf und begann fürchterlich zu weinen. War es das gewesen? Sollte es wirklich so enden? Sie konnte einfach nicht glauben, dass es so weit gekommen war. Sie wollte nicht nach Delhi. Sie wollte bei Kavita bleiben. Sie wollte weiterhin die Kinder im Dorf unterrichten. Und sie wollte nicht von Sudhir getrennt werden. Die Tränen quollen unaufhörlich aus ihren Augen und wenn sie an ihre Zukunft dachte, war sie sich sicher, dass sie niemals wieder versiegen würden. Kapitel 25: Nächtliche Begegnung am Fluss ----------------------------------------- In den nächsten Tagen erholte Shruti sich von ihrer Erkältung, doch seelisch ging es ihr weiterhin miserabel. Verzweifelt versuchte sie einen Ausweg aus ihrer Situation zu finden, doch es war hoffnungslos. Atul hatte seine Entscheidung getroffen und daran war nun nicht mehr zu rütteln. Sie kannte ihn nun lange und gut genug, um das ganz genau zu wissen. Abfinden konnte sie sich allerdings dennoch nicht damit. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, ohne Kavita, ohne ihren Beruf und ohne ihr Schüler zu leben – und vor allem nicht ohne Sudhir. Ohne dass sie es wollte, hatte er sich Stück für Stück in ihr Herz geschlichen und nun war sie nicht mehr fähig, sich eine Zukunft ohne ihn vorzustellen. Sie wollte bei ihm sein, in seinen Armen liegen und seine Wärme spüren. Die Geborgenheit, die er ihr gab, fand sie sonst nirgendwo – nicht einmal bei Kavita. Ganz langsam realisierte Shruti so, dass sie sich in Sudhir verliebt hatte. Nur machte diese Erkenntnis alles nur noch schlimmer. Wenn Atul jemals etwas von ihren Gefühlen oder gar von ihrer Nacht mit Sudhir erfahren würde, war sie verloren. Sie wusste ganz genau, dass er sich dann völlig vergessen würde. Sie hatte also keine andere Wahl, als mit ihm nach Delhi zu gehen, wenn sie Sudhir – und auch sich selbst – schützen wollte. Doch jedes Mal, wenn sie daran dachte, zerbrach ein kleines Stück in ihr und sie begann bitterlich zu weinen. Vor seiner Abreise hatte Atul Kavita noch von seinen Plänen erzählt und sie hatte in ihrer Gutmütigkeit Verständnis für seine Entscheidung gezeigt. Anschließend hatte sie Shruti nach ihrer Meinung dazu gefragt. Da sie ihrer Tante keine Sorgen bereiten wollte, hatte sie sie angelogen und gemeint, dass auch sie mit diesen Plänen einverstanden war. Es hatte sie alles an Selbstbeherrschung gekostet, was sie hatte aufbringen können, um nicht in Tränen auszubrechen und ihr die ganze Wahrheit zu erzählen und sie um Hilfe anzuflehen. Donnerstagabend hatte Shruti schließlich all die Sachen, die sie mit nach Delhi nehmen wollte, zusammengepackt. Geweint hatte sie dabei nicht, denn sie hatte das Gefühl, dass all ihre Tränen aufgebraucht waren. Sie spürte nur noch eine riesige Leere in sich, von der sie wusste, dass sie sie eines Tages auffressen würde, wenn sie tatsächlich für den Rest ihres Lebens in Delhi verbringen musste. Noch immer hoffte sie insgeheim auf ein Wunder – auch wenn sie wusste, dass es nicht stattfinden würde. Nachdem sie ihre Koffer in den Flur gestellt hatte, beschloss sie, noch ein letztes Mal zum Fluss zu gehen. Als kleines Mädchen war sie oft dorthin gegangen, wenn sie traurig gewesen war oder allein hatte sein wollen. Langsam ging sie durch das abendliche, durch Straßenlaternen beleuchtete Dorf und schaute sich noch einmal alle Häuser ganz genau an, um sie sich einzuprägen, damit sie sie niemals vergaß. Nach wenigen Minuten hörte sie bereits das leise Rauschen des Flusses, das immer lauter wurde, je mehr sie sich ihm näherte. Als sie ihn endlich erreicht hatte, schloss sie die Augen und sog die kühle klare Luft tief in ihre Lungen. Das beruhigte sie ein wenig, doch an dem dicken Kloß in ihrem Bauch änderte es nichts. Als sie ihre Augen langsam wieder öffnete und sich nach einem geeigneten Platz zum Hinsetzen umzusehen, bemerkte sie in der Dunkelheit, dass bereits jemand am Ufer saß und auf das rauschende Wasser starrte. Es brauchte nicht einmal eine Zehntelsekunde, damit sie erkannte, dass es sich um Sudhir handelte. „Sudhir...“ Sein Name ging Shruti beinahe wie von selbst von den Lippen. Doch kaum hatte sie ihn ausgesprochen, bereute sie es auch schon. Sie wollte alleine sein, nachdenken und versuchen, mit ihrer Zukunft ins Reine zu kommen, doch daran war nun nicht mehr zu denken. Als er seinen Namen hörte, drehte Sudhir sich überrascht um. Kaum hatte er Shruti erblickt, erhellte sich sein Gesicht mit einem erleichterten Lächeln. „Shruti...“, meinte er, stand auf und ging zu ihr. Er wollte sie in die Arme schließen, doch sie wich zurück. „Was... machst du hier...?“, wollte sie mit bebender Stimme wissen. Sudhir überraschte ihre Distanziertheit, doch er ließ sich davon nicht abschrecken. „Ich bin seit ein paar Tagen fast jeden Abend hier... Das Rauschen des Flusses ist beruhigend...“, antwortete er und nahm ihre Hand, um sie mit sich zu ziehen und sich mit ihr gemeinsam zurück ans Ufer zu setzen. „Und was machst du hier?“, fragte er schließlich und schaute sie erwartungsvoll an. Shruti vermied es jedoch, ihm in die Augen zu sehen. Sein Verhalten verwirrte sie. Wie konnte er so fröhlich sein und so tun, als ob nichts vorgefallen wäre? Sie hatten miteinander geschlafen, woraufhin sie ohne ein Wort zu sagen verschwunden war und die Unterhaltung mit Atul konnte doch auch nicht spurlos an ihm vorbei gegangen sein. Was also war los mit ihm? „Ich habe dich vermisst...“, meinte er leise, als sie ihm nicht antwortete. Ihr Herzschlag setzte bei seinen Worten einen Moment aus und sie musste die Augen schließen, um ihre plötzlich aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Wieso musste er ihr das ausgerechnet jetzt sagen? Was hatte es für einen Sinn? Sie beide wussten doch schließlich, dass das mit ihnen keine Zukunft hatte. Nachdem sie ihm daraufhin noch immer keine Antwort gab, lehnte Sudhir sich zu ihr herüber, gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange und fragte: „Kya hua, Chhoti Shruti?“ Sie drehte sich daraufhin zu ihm und schaute ihm in die Augen. Sein Blick fixierte sie und musterte aufmerksam jede auch noch so kleine Bewegung ihres Gesichtes. „Sudhir, ich liebe dich.“, meinte sie mit leiser, aber fester Stimme. Beide waren zu gleichermaßen über ihre Worte erschrocken, da er in keinster Weise damit gerechnet hatte und sie eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen. Nach anfänglicher Überraschung zeichnete sich jedoch langsam ein Lächeln auf Sudhirs Gesicht ab. Er lehnte sich noch weiter zu Shruti, legte eine Hand in ihren Nacken und küsste sie dann mit einer so sanften Intensität, dass sie das Gefühl hatte, innerlich zu verbrennen. Sie erwiderte seinen Kuss so innig sie nur konnte und war enttäuscht, als er sich von ihr zu lösen begann. „Ich liebe dich auch...“, flüsterte er und lehnte seine Stirn an ihre. Seine Worte waren wie Balsam für ihre Seele, doch auf der anderen Seite wünschte sie, er hätte sie nicht ausgesprochen, denn nun war es für sie noch schwerer, gehen zu müssen. Sie wollte bei ihm bleiben und mit ihm ihr Leben teilen, doch das war unmöglich. Erneut traten Tränen in ihre Augen, doch dieses Mal konnte sie sie nicht zurück halten. Sie schluchzte auf, als sie spürte, wie Sudhir mit seinen Lippen ihre Tränen wegküsste. Er war so liebevoll, dass sie es kaum aushielt. „Weine nicht. Wir schaffen das.“, meinte er sanft und nahm sie in den Arm, um sie zu beruhigen. „Sobald Atul wiederkommt, werde ich mit ihm reden. Ich habe keine Angst vor ihm. Er kann mir drohen so viel er will, ich werde dich ihm nicht überlassen...“ Seine Worte brachen Shruti das Herz. Sudhir wusste nicht, dass sie schon morgen nach Delhi ziehen würde und sie beschloss, es ihm auch nicht zu sagen. Sie wusste, dass er dann alles getan hätte, damit sie bei ihm blieb, doch das wollte sie ihm nicht zumuten. Er würde sich selbst nur in Gefahr bringen und das durfte nicht passieren. Sie atmete tief durch, schluckte ihre Tränen herunter und löste sich langsam aus seiner Umarmung. „Ich... Ich muss zurück. Aunty wartet auf mich...“, log sie und stand auf. Sudhir wollte gerade protestieren, als sie sich zu ihm herunter beugte und ihm einen letzten Kuss gab. „Es tut mir leid...“, fügte sie hinzu, drehte sich um und rannte davon. Sie rannte so schnell sie konnte, damit er sie im Fall eines Falles nicht mehr einholen konnte. Nach wenigen Minuten brannten ihre Lungen von der kühlen Nachtluft, doch sie rannte weiter – weg von ihrer Liebe und hin zu ihrem großen Unglück. Kapitel 26: Annäherung in Delhi ------------------------------- Mit leerem Blick starrte Shruti aus dem Fenster und beobachtete geistesabwesend das rege Treiben auf der Straße. Der Lärm, den die hupenden Autos und Rikschas machten, war deutlich zu hören, obwohl sie sich im elften Stock befand. Sie lehnte ihren Kopf an die Fensterscheibe und schloss die Augen. Noch nicht einmal zwei Wochen war sie nun in Delhi und doch fühlte es sich bereits an wie die Ewigkeit. Jeder Tag glich dem anderen und sie hatte es jetzt schon satt. Einzig die täglichen Telefonate mit Kavita halfen ihr beim Durchhalten. Leise seufzend erhob sie sich und ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen. Dabei drifteten ihre Gedanken wie so oft zu Sudhir ab. Sie fragte sich, ob er schon bemerkt hatte, dass sie fort war. Und wenn ja, warum er sie dann noch nicht suchen gekommen war. Sie wusste, dass es falsch und töricht war, doch sie hoffte jeden Tag, dass er sie holen kommen würde. Wenn er sie liebte, warum ließ er dann zu, dass Atul sie ihm wegnahm? Sie verstand es nicht und sie fühlte sich schrecklich wegen dieser Gedanken, denn war es so, wie es jetzt war, nicht am besten? Atul hatte keinen Grund mehr, eifersüchtig zu sein und somit war die Gefahr, dass er Sudhir etwas antat, gebannt. Und doch – jeder Logik zum Trotz – sehnte sie sich jeden Tag mehr nach Sudhir und dass er sie aus dieser Hölle rettete. Shruti war gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten, als Atul nach Hause kam. Sie lief in den Flur, um ihn zu begrüßen und ihm seinen Mantel abzunehmen. Er gab ihr daraufhin einen flüchtigen Begrüßungskuss und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Während Shruti zurück in die Küche ging, kämpfte sie gegen ihren Magen an, der sich jedes Mal krampfartig zusammenzog, wenn ihr Ehemann sie berührte. Seit sie mit ihm nach Delhi gekommen war, war er merkwürdig liebevoll zu ihr. Nichts war mehr da von seiner Eifersucht und seiner Aggressivität. Noch vor wenigen Monaten hätte sie sich darüber gefreut, doch nun verursachte es ihr furchtbare Bauchschmerzen. Egal, wie sehr er sich jetzt auch bemühte, sie konnte einfach nicht vergessen, wie er gewesen war und was er ihr angetan hatte. Das Einzige, was er von ihr erwarten konnte, war, dass sie ihm eine vorbildliche Ehefrau war – romantische Gefühle würde sie jedoch nicht mehr für ihn aufbringen können. Während des Abendessens erzählte Atul von seinem Arbeitstag, doch Shruti hörte nur mit halbem Ohr zu und stocherte währenddessen lustlos in ihrem Essen herum. Sie hatte seit einigen Tagen einfach keinen Appetit mehr. Ihre ganze Situation schlug ihr so sehr auf den Magen, dass sie das Gefühl bekam, sich übergeben zu müssen, sobald sie etwas aß. Atul war das sehr wohl aufgefallen und er konnte sich die Gründe für ihr Verhalten nur allzu gut denken, doch er wollte darüber nicht mehr diskutieren. Das Wichtigste im Moment für ihn war, dass sie an seiner Seite war und er sich keine Gedanken mehr wegen Sudhir machen musste. Dass Shruti unglücklich über seine Entscheidung war, war ihm von Vornherein klar gewesen, doch es war ihm egal. Sie würde sich mit der Zeit schon an ihr neues Leben gewöhnen, davon war er überzeugt. Als er so darüber nachdachte, fiel ihm allerdings auf, dass er ihr dabei vielleicht sogar ein wenig helfen konnte. „Ein Arbeitskollege von mir heiratet nächste Woche und ich möchte, dass du mich zur Hochzeit begleitest.“, meinte er unvermittelt, während Shruti dabei war, den Tisch abzuräumen. Erstaunt schaute sie ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Noch nie hatte Atul sie irgendwohin mitgenommen. „Bist du sicher...?“, fragte sie zweifelnd nach und musterte ihn etwas skeptisch. „Ja.“, erwiderte er schlicht und verließ daraufhin die Küche. Shruti schaute ihm nur wortlos nach. Ein paar Tage später hatte Shruti gerade ihr Telefongespräch mit Kavita beendet, als Atul von der Arbeit nach Hause kam. Doch noch bevor sie in den Flur gehen konnte, um ihn zu begrüßen, war er auch schon im Wohnzimmer und stand vor ihr. Wie immer war seine Miene undurchschaubar und so sah sie ihn einfach nur an und wartete darauf, was er als nächstes tun würde. Zu ihrer Überraschung holte er eine längliche Pappschachtel hinter seinem Rücken hervor und hielt sie ihr hin. „Mach sie auf.“, forderte er sie auf und ein kaum wahrnehmbares Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Verdutzt nahm Shruti ihr Geschenk entgegen und öffnete es. Als sie den Inhalt sah, stockte ihr für einen Moment der Atem – ein reich bestickter und verzierter Anarkali strahlte ihr entgegen. „Ist... Ist der für mich?“, brachte sie erstaunt hervor und schaute Atul ungläubig an. „Nein, für meine heimliche Geliebte.“, entgegnete er, woraufhin sie ihn noch ungläubiger ansah. „Unsinn! Natürlich ist der für dich. Ich möchte, dass du ihn morgen auf der Hochzeit trägst.“, erklärte er, da er sah, dass Shruti seinen Scherz nicht verstanden hatte. Sprachlos starrte Shruti den feinen Stoff an. „Ich nehme an, er gefällt dir...?“, fragte Atul nach. „Ji... Ji!“, meinte sie schnell. „Er ist... umwerfend...!“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „... Danke...“ Dann schloss sie sie Schachtel wieder und brachte sie ins Schlafzimmer, um sich anschließend daran zu machen, das Abendessen vorzubereiten. Nachdem Shruti am nächsten Morgen Atul verabschiedet hatte, räumte sie die Küche auf und ging anschließend ins Schlafzimmer, um Atuls Hemden zu bügeln. Dabei fiel ihr Blick auf die Pappschachtel, die auf der Kommode gegenüber dem Bett lag. Zögerlich ging sie hin, öffnete den Karton und betrachtete den funkelnden Anarkali. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Atul ihr ihn tatsächlich geschenkt hatte. Noch nie hatte sie ein so wunderschönes und wertvolles Kleidungsstück getragen geschweige denn besessen. Wie kam es, dass Atul ihr nun plötzlich so etwas kaufte, wo er doch bisher strikt dagegen gewesen war, dass Shruti sich hübsch machte? War es, weil er sich mit ihr auf der Hochzeit nicht blamieren wollte? Aber dann hätte er sie erst gar nicht fragen müssen, ob sie mitkommen wollte. Shruti schüttelte den Kopf, schloss die Augen und dachte an das, was Kavita ihr gestern bei ihrem Telefonat gesagt hatte, als Shruti ihr von der Hochzeit erzählt hatte. „Es ist doch ein wunderbares Zeichen, wenn er dir nun endlich Wertschätzung und Zuneigung entgegen bringt, Beti. Vielleicht ist das eine zweite Chance für eure Ehe und ihr beide werdet endlich glücklich...“ Konnte das wirklich wahr sein? Shruti glaubte nicht daran. Ihre Liebe gehörte nur einem Mann und das war Sudhir. Daran würde sich nie wieder etwas ändern lassen – egal, wie umsichtig und liebevoll Atul in Zukunft wohlmöglich werden würde. Seufzend strich sie mit den Fingern über den seidenen Stoff und schluckte die Tränen herunter, die gerade in ihre Augen gestiegen waren. Dann schloss sie die Schachtel wieder und machte sich daran, den restlichen Haushalt zu erledigen. „Wir müssen in zehn Minuten los, Jaan. Bist du bald fertig?!“, rief Atul in Richtung des Badezimmers, während er mit einem letzten Blick in den Schlafzimmerspiegel sein Äußeres (1) überprüfte. Kaum hatte er allerdings seinen Satz beendet, wurde auch schon die Tür geöffnet und Shruti (2) kam heraus. „Kann ich so gehen...?“, fragte sie unsicher und senkte ihren Blick. Atul musste sich bei ihrem Anblick kurz sammeln und einmal kräftig schlucken, bevor er antworten konnte. „Du siehst aus wie eine Göttin...“, meinte er leise, woraufhin Shruti erstaunt ihren Kopf hob. Doch kaum hatte er ausgesprochen, hatte er seine Lippen auch schon auf ihre gelegt. Aus einem plötzlichen Verlangen heraus nahm er sie an den Schultern, drückte sie gegen die Badezimmertür und küsste sie eindringlich. Erschrocken über diesen plötzlichen Überfall konnte Shruti im ersten Moment nicht reagieren, doch dann fasste sie sich schnell wieder und versuchte, Atul von sich zu schieben. „Atulji, wir... wir müssen los...“, meinte sie schwach und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. „... Du hast Recht...“, gestand er zu ihrer großen Überraschung nach nur wenigen Augenblicken ein. „Lass uns gehen.“ Unterstützend zu seiner Aufforderung hielt er ihr seinen Arm hin, damit sie sich bei ihm einhakte. Erleichtert nickte sie und machte sich mit ihm auf den Weg zur Hochzeit. (1) http://i46.tinypic.com/1zf6av4.jpg (2) http://i45.tinypic.com/nvr5md.jpg Kapitel 27: Ungebetener Gast ---------------------------- Shrutis Augen wurden immer größer je mehr sie sich den Räumlichkeiten, in denen die Hochzeit stattfand, näherten. Die riesige Villa strahlte schon von Weitem. Sie war über und über mit Lichterketten und Blumengirlanden geschmückt und laute Musik und Stimmengewirr war überall zu vernehmen. Nachdem Atul den Wagen auf dem großen Kiesplatz vor der Villa neben bereits unzähligen anderen Autos geparkt hatte, betraten sie das prunkvolle Gebäude und machen sich zwischen all den anderen hunderten von Gästen auf die Suche nach dem Brautpaar. Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde bis sie sie endlich entdeckt hatten. Atul gratulierte den frisch Vermählten und stellte ihnen Shruti als seine Ehefrau vor. Beide waren erfreut, sie endlich kennenzulernen, da sie Atul bereits seit dem College kannten, er ihnen Shruti jedoch nie vorgestellt hatte. Das erinnerte Shruti schmerzlich daran, dass Atul sie immer `versteckt´ gehalten hatte – so, als ob sie ihm peinlich gewesen wäre – doch nun hatte er beinahe eine 180°-Wende hingelegt. Wenn sie ihn so anschaute, wenn er sich mit den anderen Hochzeitsgästen unterhielt, schien er beinahe stolz darauf zu sein, dass er von anderen Männern anerkennende Blicke für sie erntete. Sie verstand ihn einfach nicht, nicht im Geringsten. Während sich Atul während der Feier offensichtlich sehr gut amüsierte, stand Shruti meist nur still neben ihm und hörte mit halbem Ohr den Gesprächen zu, die er mit verschiedenen Bekannten führte. Ihr Blick wanderte zwischen den vielen Gästen umher, obwohl sie ganz genau wusste, dass sie hier sowieso niemanden treffen würde, den sie kannte. Mit einem Mal blieben ihre Augen jedoch an dem Hinterkopf eines Mannes hängen. Er stand in der entgegengesetzten Ecke des Raumes und unterhielt sich gerade mit zwei anderen Männern. Sein volles schwarzes Haar war ordentlich zurecht gebürstet und in unregelmäßigen Abständen fuhr er mit seiner Hand hindurch. Shruti wurde das Gefühl nicht los, dass sie diesen Mann kannte. Auch wenn sie nur seine Rückansicht sehen konnte, so kam er ihr auf seltsame Weise vertraut vor. Etwas an seiner Haltung und seinen Gesten erinnerte sie sehr stark an... Sudhir! Diese Erkenntnis fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Doch halt, konnte das wirklich sein? Wieso sollte er diese Hochzeit besuchen? Das machte keinen Sinn... Oder doch? Hier waren schließlich Leute aus ganz Indien vertreten... Shruti schüttelte den Kopf und verwarf ihre Gedanken. Das war zu absurd. Sudhir stammte aus Amerika und war erst seit wenigen Wochen wieder in Indien. Er kannte hier niemanden, der ihn auf eine Hochzeit einladen würde. Sie schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Ihre Wahrnehmung spielte ihr nur einen Streich, da ihr Wunsch, Sudhir wiederzusehen und bei ihm zu sein so groß war und sie beinahe auffraß. Als sie die Augen wieder öffnete, war der Mann verschwunden. Ein leises Seufzen entrann ihrer Kehle und eine Welle der Enttäuschung kam über sie. Was hatte sie auch anderes erwartet? Natürlich konnte er es nicht gewesen sein. „Atulji?“, unterbrach sie Atuls Gespräch mit einem seiner Arbeitskollegen. „Ich gehe mich kurz frisch machen...“, meinte sie und machte sich auf die Suche nach dem Badezimmer, nachdem er als Zeichen seines Einverständnisses genickt hatte. Die Villa war wirklich riesengroß und so brauchte Shruti eine ganze Weile bis sie ihr Ziel endlich erreicht hatte. Zur ihrer Erleichterung war sie allein im Badezimmer und konnte sich daher ein wenig Zeit lassen. Sie brauchte ein paar Augenblicke für sich, um sich wieder zu beruhigen. Sie sehnte sich so sehr nach Sudhir, dass es schon beinahe körperlich schmerzte. Nachdem sie sich nach einigen Minuten wieder einigermaßen gesammelt hatte, verließ sie das Badezimmer wieder und wollte sich auf den Weg zurück zu Atul machen, doch nachdem sie um mehrere Ecken gebogen war, stellte sie fest, dass sie sich offensichtlich verlaufen hatte. Ohne zu wissen, wohin sie ging, landete sie schließlich in einer Sackgasse. Sie seufzte auf, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Wieso musste so etwas immer ihr passieren? Sie wollte sich gerade wieder umdrehen, um zurückzugehen, als sie plötzlich mit jemandem zusammenstieß. „... Verzeihung, ich...“, murmelte Shruti, doch als sie aufschaute, verschlug es ihr für einen Moment die Sprache. Sudhir. Und dieses Mal bestand nicht der geringste Zweifel. „Su...“, begann sie, doch er legte ihr eilig eine Hand über den Mund, während er mit der anderen nach ihrem Handgelenk griff und sie in das nächstgelegene Zimmer zog, das sich als kleiner Abstellraum entpuppte. Sudhir verschloss schnell die Tür hinter sich und lenkte dann seinen Blick zu Shruti. Seine Hand lag noch immer über ihrem Mund, als ihre Augen sich trafen. Für einige Augenblicke standen sie da – ohne sich zu bewegen oder auch nur einen Ton von sich zu geben. Shruti war schließlich diejenige, die zuerst von ihren Gefühlen übermannt wurde. Ohne weiteres Zögern schlang sie ihre Arme um Sudhirs Hals und zog ihn in eine feste Umarmung. Überrascht über ihren plötzlichen Gefühlsausbruch taumelte Sudhir nach hinten und prallte mit dem Rücken gegen eines der Regale, die an der Wand standen. Ein kurzer Schmerz zog sich durch seine Schulter, doch das ignorierte er. Stattdessen erwiderte er Shrutis Umarmung und zog ihren Körper fest an sich. Er vergrub sein Gesicht in ihre Schulter, schloss die Augen und sog ihren süßlichen Duft ein. Worte hätten nicht beschreiben können, wie sehr er sie vermisst hatte. Jede Faser seines Körpers lechzte nach ihr und drängte ihn dazu, sie noch fester an sich zu drücken. Es dauerte nicht lange, bis ihre Lippen sich fanden und sich in einem innigen Kuss vereinten. Sudhirs Hände wanderten Shrutis Rücken hinab, während sie mit ihren Fingern durch sein Haar strich. Ihre Knie drohten nachzugeben, als seine Lippen über ihre Wange hinab zu ihrem Hals und ihrem Nacken wanderten. Seine sanften Küsse und liebevollen Berührungen machten sie beinahe wahnsinnig. Ihr Verlangen nach ihm wurde mit jedem Augenblick größer und sie war der festen Annahme, dass es Sudhir nicht anders gehen konnte. Doch als sie begann, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, stoppte er sie. Verwirrt schaute sie ihn an und entdeckte dabei das heiße Begehren in seinen Augen. Er atmete schwer und es fiel ihm sichtlich nicht leicht, sie in ihrem Unterfangen zu unterbrechen, doch sein Verstand hatte sich wieder eingeschaltet und er wusste, dass jetzt weder die richtige Zeit noch der richtige Ort waren, um sich ihrer Liebe hinzugeben. Auch Shrutis begriff und ließ auf der Stell von ihm ab. Etwas beschämt über ihr plötzlich so zügelloses Verhalten trat sie einen Schritt zurück und richtete ihren Blick auf den Boden. „Es tut mir leid...“, murmelte sie. „Ich wollte nicht...“ „Schh...“, unterbrach Sudhir sie und kam auf sie zu, um ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen und einen zarten Kuss auf ihrer Stirn zu platzieren. „Ich will es mindestens doppelt so sehr wie du, doch im Moment gibt es leider wichtigere Dinge...“, erklärte er und zog sie zu sich heran, um sie in seine Arme zu schließen. „... Wie hast du mich gefunden? Ich meine, es ist doch sicher kein Zufall, dass du auch auf dieser Hochzeit bist...“, stellte Shruti nach einer Weile der Schweigens fest. „Aunty hat mir erzählt, dass du heute hier bist. Daraufhin hab ich mich sofort in den nächsten Zug nach Delhi gesetzt und darauf gehofft, dass hier so viele Gäste sind, dass niemand merkt, wenn ein `blinder Passagier´ dabei ist. Zu meinem Glück habe ich auch noch drei alte Freunde meines Vaters getroffen und somit war ich aus dem Schneider...“, erklärte er. „Jetzt haben wir nicht genug Zeit, um zu reden, deswegen würde ich vorschlagen, dass wir uns morgen Mittag irgendwo treffen... Ich werde Delhi nicht eher wieder verlassen, bevor du nicht mit mir kommst...“, fügte er hinzu und schaute Shruti fest in die Augen. Sein letzter Satz trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie nannte ihm ein Restaurant und eine Uhrzeit und verließ dann nach einer weiteren innigen Umarmung schweren Herzens die kleine Kammer und eilte zurück zu Atul. Kapitel 28: Das geheime Treffen ------------------------------- Kaum hatte Atul sich am nächsten Morgen auf den Weg zur Arbeit gemacht, sprang Shruti auch schon unter die Dusche und machte sich anschließend für ihr Treffen mit Sudhir fertig (1). Je näher es rückte, desto aufgeregter wurde sie. Sie hatte enorme Angst entdeckt zu werden, aber der Wunsch, Sudhir zu sehen, war größer. „Ich werde Delhi nicht eher wieder verlassen, bevor du nicht mit mir kommst...“ Seine Worte hallten immer wieder in ihrem Kopf wieder und erfüllten sie mit einem immensen Glücksgefühl. Er war wirklich gekommen, um sie zu holen. Sie konnte es noch immer nicht ganz glauben und musste sich immer wieder daran erinnern, dass ihre Begegnung auf der Hochzeit kein Traum gewesen war. Nachdem Shruti aus der Rikscha gestiegen war und den Fahrer bezahlt hatte, sah sie Sudhir (2) schon aus der Ferne vor dem Restaurant stehen. Sie ging auf ihn zu und war schon kurz davor, ihn zu umarmen, als sie sich eines Besseren besann und ihm stattdessen nur ein höflich-schüchternes Lächeln schenkte, das er mit einem vielsagenden Blick erwiderte. Im Restaurant schwiegen sie sich solange an, bis der Kellner ihre Bestellung aufgenommen und ihren Tisch wieder verlassen hatte. Shruti war anschließend die erste, die das Wort ergriff. „Sudhir, ich bitte dich, nimm mich wieder mit nach Hause...“, flehte sie und legte ihre Hand auf seine, um ihre Bitte zu unterstützen. „Keine Sorge, das werde ich...“, versprach er und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, während er ihre Hand in seine nahm. „Aber was ich mich die ganze Zeit frage, ist, warum du mir nicht gleich Bescheid gesagt hast, dass Atul dich mit nach Delhi nehmen wollte. Wir haben uns doch den Abend vor deiner Abreise noch einmal gesehen. Wieso also...?“ „... Weil ich dachte, dass es das Beste für alle Beteiligten wäre... und dass es so keine Probleme mehr geben würde...“, gestand sie mit schwacher Stimme ein. „Das hast du wirklich geglaubt?“, fragte er nach und konnte sich ein schwaches Lächeln nicht verkneifen. „Du hast wirklich geglaubt, dass ich dich so einfach gehen lassen und dich Atul überlassen würde, wenn ich weiß, dass meine Liebe zu dir auf Gegenseitigkeit beruht? Du müsstest doch wissen, dass ich nicht auf halber Strecke aufgebe...“ Seine Worte zauberten ein Lächeln auf ihr trauriges Gesicht, das jedoch so schnell wieder verschwand wie es gekommen war. „Aber was sollen wir jetzt tun? Atulji wird mich nie gehen lassen... Und wenn ich einfach verschwinde, wird er mich holen kommen...“, stellte sie fest und seufzte resigniert. Sudhir drückte daraufhin ihre Hand etwas fester. „... Vielleicht wäre es das Beste, ihm einfach die Wahrheit zu sagen...“, schlug er vor. „Ja, das wäre das Beste...“, gestand sie ein. „... aber ich habe Angst davor... Ich habe Angst vor seiner Reaktion...“ Sudhir bemerkte das leichte Zittern ihrer Hand, während sie sprach. „Du musst das nicht alleine machen. Ich werde dich begleiten und beschützen, falls es nötig ist.“, meinte er und lächelte sie unterstützend an. „Ich liebe dich so sehr...“, meinte Shruti leise. Während des Essens beschlossen sie, das Gespräch mit Atul am nächsten Tag zu suchen, um alles so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Shruti hatte riesige Angst davor, doch mit der Gewissheit, nicht allein zu sein, würde sie es durchstehen. Nachdem sie fertig waren und bezahlt hatten, stellten sie fest, dass sie beinahe drei Stunden im Restaurant verbracht hatten. Und obwohl sie bereits solange zusammen gewesen waren, wollten sie sich noch nicht voneinander verabschieden. Herumdrucksend standen sie vor dem Restaurant und keiner wollte den ersten Schritt machen. Sudhir hätte Shruti am liebsten genommen und wäre auf der Stelle mit ihr zurück nach Nagiranpur gefahren, doch das hätte nur noch mehr Probleme verursacht und so verdrängte er diesen Gedanken und meinte schließlich: „Du solltest langsam nach Hause gehen... Wir sehen uns dann morgen, also...“ In diesem Moment spürte Shruti allerdings eine Hand auf ihrer Schulter. Irritiert drehte sie sich um und schaute direkt in Atuls wutverzerrtes Gesicht. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde stehen bleiben, als er mit bebender Stimme meinte: „Ich wage doch stark zu bezweifeln, dass ihr euch morgen wiedersehen werdet...!“ Mit einem wütend-hämischen Lächeln schaute Atul in die verwirrten Gesichter von Shruti und Sudhir. „Wenn ihr euch schon heimlich trefft, dann solltet ihr das nicht gerade in dem Restaurant gegenüber von meinem Arbeitsplatz tun.“, stellte er fest und packte Shruti so fest am Oberarm, dass sie vor Schmerz aufkeuchte. „Habe ich dir nicht bei unserem kleinen Gespräch vor ein paar Wochen deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht will, dass ihr beide euch weiterhin trefft?“, presste er an Sudhir gerichtet hervor und zog Shruti mit einem heftigen Ruck zu sich heran. Ihr entfuhr daraufhin ein kurzer Schmerzensschrei, der Sudhir aus einem plötzlichen Impuls heraus dazu veranlasste, auf sie zuzugehen, um ihr zu helfen. Doch noch bevor er sie erreichte, hatte er schon Atuls Faust im Gesicht. Er traf ihn hart und knapp unterhalb des rechten Auges, so dass er zurück taumelte und einige Augenblicke brauchte, um zu realisieren, was gerade geschehen war. Shruti ging es nicht anders. Fassungslos starrte sie zuerst Atul und dann Sudhir an, der sich völlig perplex die getroffene Wange hielt. Als ihr klar wurde, was gerade passiert war, versuchte sie, sich von Atul loszumachen und Sudhir zu helfen, doch Atuls Griff war eisern und wurde nur umso fester, je mehr sie sich wehrte. „Ich habe euch beide oft genug gewarnt...“, stellte Atul fest und schaute verachtend auf Sudhir, der sich wieder aufgerappelt hatte und ihn entgeistert anstarrte. „Dass euer Handeln Konsequenzen haben wird, hätte euch beiden von Anfang an klar sein müssen... Vor allem dir, meine liebe Shruti...“, fügte er hinzu und sein letzter Satz war eine so eindeutige Drohung, dass er Shruti zusammenzucken ließ. „Wag es dir nicht, ihr auch nur ein Haar zu krümmen.“, mischte Sudhir sich ein, doch Atul schnitt ihm das Wort ab. „Es geht dich nicht im Geringsten an, was ich mit meiner Ehefrau mache und was nicht! Und wenn du dich noch weiter in unsere Angelegenheiten einmischst, trägt das nicht gerade zur Verbesserung ihrer Situation bei...“ Seine Aussage war deutlich und so zog Sudhir es vorerst vor, sich erst einmal zurückzuziehen, um Shruti nicht noch mehr Schwierigkeiten zu bereiten. Atul nahm zufrieden Sudhirs Gesinnungswandlung zur Kenntnis und bewegte Shruti durch einen weiteren Ruck an ihrem Arm zum Gehen. „Atulji, bitte...“, flehte sie und warf einen verzweifelten Blick zurück zu Sudhir, der bewegungsunfähig da stand und ihr hinterher schaute. „Noch ein weiteres Wort und ich vergesse mich...“, zischte Atul ihr zu und seine Hand schloss sich erbarmungslos und immer fester um ihren Oberarm. Angst überkam und lähmte sie, so dass sie sich in ihr Schicksal ergab und ohne sich weiter zu wehren mit Atul nach Hause ging. (1) http://i40.tinypic.com/1174952.jpg (2) http://i43.tinypic.com/359eir8.jpg Kapitel 29: Streit ------------------ Shruti hatte gerade die Wohnungstür hinter sich verschlossen und sich zu Atul umgedreht, als sie einen peitschenden Schmerz in der Wange spürte und daraufhin rücklings zu Boden taumelte. Entgeistert schaute sie auf und direkt in Atuls eiskalte Augen. „Hast du etwa geglaubt, dass ich dir das durchgehen lasse?!“, fragte er sie mit schneidender Stimme. Shruti stiegen daraufhin vor Angst und Schmerz Tränen in die Augen, doch sie schaffte es, sich wieder aufzurappeln – auch wenn ihre Beine so zittrig waren, dass sie das Gefühl hatte, dass sie jeden Moment nachgeben würden. „Ich habe dir alles gegeben! Was also willst du immer wieder von diesem Kerl?!“, hakte Atul wütend nach, als Shruti ihm nicht antwortete. Sein tiefer Zorn stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben, weshalb Shruti es kaum wagte, etwas zu sagen. Doch da sie wusste, dass dies womöglich ihre einzige Chance war, nahm sie all ihren Mut zusammen und überwand sich, endlich auszusprechen, was sie schon immer dachte. „... Ich weiß nicht, wovon du sprichst...“, meinte sie mit zittriger und leiser Stimme. „In all den Jahren hast du mir nichts gegeben – weder Zuneigung noch Aufmerksamkeit oder Interesse. Immer war deine Arbeit das Wichtigste. Und wenn du doch mal zu Hause warst, war unsere Ehe ein bloßes Nebeneinanderherleben...“ Während sie sprach, traute sie sich nicht, ihm in die Augen zu sehen. Ihre Angst war einfach zu groß. „Ach, tatsächlich?!“, entgegnete er schnippisch. „Und wessen Schuld ist das? Du warst es schließlich, die darauf bestanden hat, in Nagiranpur zu bleiben, obwohl du wusstest, dass das für mich nie in Frage kommen würde. Dass ich dieser Bitte nachgekommen bin, machst du mir jetzt zum Vorwurf? Das ist doch wohl ein Witz!“ Überrascht stellte Shruti fest, dass Atul relativ sachlich blieb. Und so brachten seine Worte sie auch zum Nachdenken. Hatte er wirklich Recht mit dem, was er sagte? War es ihr selbstsüchtiger Wunsch gewesen, der ihre Ehe von Anfang an sabotiert hatte? Sie konnte nicht leugnen, dass das wohl tatsächlich eine große Rolle gespielt haben musste, doch auf Atuls Verhalten ihr gegenüber konnte das keinen so großen Einfluss gehabt haben. „Vielleicht hast du Recht...“, gestand sie ein. „Die große Entfernung zwischen uns wird Gift für unsere Ehe gewesen sein, aber war es nicht deine eigene freie Entscheidung, wie du dich mir gegenüber verhältst? Ich habe nie nette Worte von dir gehört oder das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich dir wichtig wäre...“ Eine Träne bahnte sich ihren salzigen Weg über ihre Wange, während sie sprach. Sie hatte sich am Anfang ihrer Ehe wirklich viel Mühe gegeben und versucht, Atul näher zu kommen und ihn aufzutauen, doch sie war bei ihm immer wieder auf Granit gestoßen. Irgendwann hatte sie es aufgegeben und sich mit ihrem Schicksal abgefunden. „Und habe ich nicht versucht, dass in den letzten Wochen nachzuholen?!“, brauste Atul plötzlich auf und wandte sich unvermittelt um, um ins Wohnzimmer zu gehen. Irritiert schaute Shruti ihm hinterher, bevor sie sich dazu entschloss, ihm zu folgen. „Was willst du damit sagen?“, wollte sie wissen und stellte sich vor ihren Ehemann, der auf der Couch Platz genommen hatte. Er hob seinen Blick und schaute ihr direkt in die Augen. Sein Ausdruck hatte sich verändert – seine Wut schien sich mit Verzweiflung vermischt zu haben. „Denkst du, ich habe dich zum Spaß nach Delhi geholt?!“, entgegnete er. „Ich habe versucht, nachzuholen, was wir in den letzten Jahren versäumt haben. Wir sind immer weiter auseinander gedriftet, ohne uns jemals richtig angenähert zu haben. Dieses Loch habe ich versucht zu überwinden...“ Seine Worte überraschten Shruti. Hatte er tatsächlich auf seine eigene Art versucht, ihre Ehe noch zu retten? Bedeutete sie ihm nach alldem, was geschehen war, etwa doch etwas? Dieser Gedanke erschien ihr so absurd, dass sie es einfach nicht glauben konnte. „Doch anstatt mir entgegenzukommen, wirfst du dich in die Arme von diesem Basta...“, fuhr er fort, doch noch ehe er zu Ende sprechen konnte, unterbrach Shruti ihn. „Ich liebe ihn.“ Diese Worte entglitten ihrem Mund noch ehe sie darüber nachgedacht hatte. Seine Verblüffung stand Atul ins Gesicht geschrieben und Shruti rechnete jeden Moment damit, dass er wieder seine Beherrschung verlieren und sie schlagen würde, doch stattdessen stützte er seine Ellenbogen auf seine Knie und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Er verharrte einige Augenblicke in dieser Position, in denen Shruti vor Aufregung beinahe das Herz in der Brust explodierte. „Verschwinde.“, meinte er schließlich nach einer Weile. Seine Stimme war ruhig und er schaute nicht auf. Er saß einfach da und starrte zu Boden. Shruti fühlte sich plötzlich vollkommen taub. Sie wollte noch etwas erwidern, doch ihre Stimme versagte ihr. Wie in Trance lief sie ins Schlafzimmer, packte ihre wichtigsten Sachen in einen Koffer und verließ nach einem kurzen Blick zurück auf Atul, der noch immer regungslos auf der Couch saß, die Wohnung. Als Shruti mit ihrem gepackten Koffer das Haus verließ, stand plötzlich und unvermittelt Sudhir vor ihr. Er musterte sie besorgt, sagte aber nichts. Sie erwiderte seinen Blick und kam dadurch nach und nach langsam wieder zu Sinnen, sodass sie erst jetzt realisierte, was eigentlich vor wenigen Minuten geschehen war. „Es ist vorbei...“, entfuhr es ihr leise – mehr zu sich selbst als zu Sudhir. „Was ist passiert?“, erkundigte er sich verblüfft und trat einen Schritt auf sie zu. Dabei bemerkte er die rote Stelle auf ihrer Wange, die Atuls Ohrfeige hinterlassen hatte. „Hat er dich etwa schon wieder...?!“, brauste er auf, doch Shruti unterbrach ihn, indem sie noch einmal wiederholte: „Es ist vorbei.“ Sie schaute ihn an und spürte, wie sich die Starre, in der sich ihr Körper befunden hatte, langsam löste und ihre Knie begannen, weich zu werden. Sudhir konnte gerade noch rechtzeitig reagieren und sie auffangen, bevor sie in sich zusammensackte. Unschlüssig, ob er sie mit in sein Hotel nehmen oder besser in ein Krankenhaus bringen sollte, hielt er sie im Arm und entschloss sich schließlich für ersteres. Nach einer kurzen Taxifahrt im Hotelzimmer angekommen, legte er Shruti auf seinem Bett ab und platzierte ihren Koffer auf der Couch. Anschließend machte er einen Lappen nass und legte ihn Shruti auf die Stirn. Er wusste nicht, was passiert war und er machte sich Sorgen. Was hatte Atul mit ihr gemacht, dass sie plötzlich ohnmächtig geworden war? Außerdem hallten ihre Worte „Es ist vorbei.“ in seinem Kopf wieder und er fragte sich, was sie damit gemeint hatte. Die Tatsache, dass sie ihren gepackten Koffer bei sich hatte, ließ doch nur einen Schluss zu oder? Er hoffte inständig, dass sie möglichst bald wieder aufwachen würde, damit er sicher sein konnte, dass es ihr gut ging und damit er endlich Klarheit bekam. Als Shruti wieder zu sich kam, wusste sie nicht, wo sie war. Erschrocken setzte sie sich auf, musste sich aber sofort wieder hinlegen, da ihr von der schnellen Bewegung plötzlich schwindelig wurde. Als sie die Augen wieder öffnete, ließ sie es langsam angehen und schaute sich erst einmal im Zimmer um. Dabei bemerkte sie Sudhir, der neben ihr im Bett eingeschlafen war. Erleichtert schlussfolgerte sie, dass sie also in seinem Hotelzimmer sein musste. Vorsichtig, um Sudhir nicht zu wecken, stand sie auf und holte sich ein Glas Leitungswasser aus dem Badezimmer, da sich ihre Kehle staubtrocken anfühlte. Gerade als sie ausgetrunken hatte, spürte sie, wie sich zwei starke Arme um ihre Mitte schoben und wie sich ein warmer Oberkörper gegen ihren Rücken drückte. „Geht es dir besser?“, fragte Sudhir leise und drehte Shruti zu sich herum ohne seine Umarmung zu lösen. Sie lächelte schwach und nickte. „Ja...“ Nach einer kurzen Pause fragte er schließlich noch einmal: „Was ist vorhin passiert...?“ Shruti schloss die Augen und lehnte ihre Stirn gegen sein Schlüsselbein. „Ich habe Atulji meine Gefühle für dich gebeichtet...“, antwortete sie. „Dann hat er mich rausgeworfen...“ Sudhir traute seinen Ohren nicht. Er schob sie ein Stückchen von sich weg, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Er wollte etwas sagen, doch er fand nicht die richtigen Worte. Seine Freude darüber, dass nun anscheinend der Weg für ihre Liebe frei war und das Bedauern, dass er Shruti in die Situation gebracht hatte, dass sie von ihrem Ehemann verstoßen wurde, hielten sich die Waage und er wusste nicht, wie er seine Gefühle ausdrücken sollte. Shruti konnte in seinem Gesicht und in seinen Augen sehen, wie hin und her gerissen er war. Es fiel ihr schwer, seinen Blick auszuhalten und so zog sie ihn wieder fester in die Umarmung und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Sie schaffte es, die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, herunterzuschlucken und meinte dann mit erstickter Stimme: „Bring mich zurück nach Nagiranpur...“ Kapitel 30: Rückkehr -------------------- Als sie zurück in Nagiranpur waren, brachte Sudhir Shruti als erstes in ihr Zimmer in Kavitas Gasthaus, damit sie sich dort ausruhen konnte. Während sie schlief, klärte Sudhir die besorgte Kavita über alle Vorfälle der letzten Zeit auf, damit sie verstand, warum Shruti mit ihm zusammen wieder nach Hause gekommen war. „... Aber warum hat sie mir denn nie etwas von ihren Probleme erzählt...?“, meinte Kavita leise und mit Tränen in den Augen, nachdem Sudhir ihr alles erzählt hatte, was er für wichtig erachtet hatte. „Hätte ich gewusst, wie unglücklich sie ist, dann...“ „Dann hättest du auch nichts für sie tun können, Kavita Aunty. Und weil Shruti das wusste, hat sie dir ihren Kummer verschwiegen. Sie wollte dir nicht unnötige Sorgen bereiten und hat deswegen alles mit sich selbst ausgemacht... Mach dir bitte keine Vorwürfe deswegen...“, redete Sudhir auf sie ein und nahm ihre Hände in seine, während er sich vor sie kniete. „... Vielleicht hätte ich wirklich nichts tun können, doch die Gewissheit, dass Shruti vor meinen Augen jahrelang eine unglückliche Ehe geführt hat und ich davon nichts gemerkt habe, ist unverzeihlich...“, erwiderte Kavita schwach. „Ich meine, natürlich habe ich bemerkt, dass Shruti nicht mehr so lebensfroh war wie vor ihrer Hochzeit, doch ich dachte, das lag am Tod ihrer Eltern und dass Atul so selten hier war... Wie konnte ich nur so blind gewesen sein?!“ Nun konnte sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten und schluchzte auf. Sudhir setzte sich schnell neben sie und nahm sie in den Arm. Er konnte verstehen, wie Kavita sich fühlen musste und es tat ihm leid, denn sie war schließlich am wenigsten an allem schuld. „Bitte, Kavita Aunty, mach dir keine Vorwürfe. Das wird Shruti ganz sicher auch nicht wollen...“, meinte er ruhig. „Die Hauptsache ist, dass jetzt alles überstanden ist und ein neues Leben beginnen kann...“ Während er sprach, beruhigte sich Kavita langsam wieder und löste sich aus seiner Umarmung. „Du hast Recht... Ganz gleich, was kommt, wir müssen Shruti unterstützen und für sie da sein.“, meinte sie mehr zu sich selbst und wandte sich dann lächelnd an Sudhir. „Ich danke dir, Beta. Ich bin so froh, dass du in unser Leben getreten bist.“ Damit strich sie ihm über den Kopf und ging anschließend in die Küche, um für Shruti etwas zu essen zu kochen. Sudhir blieb noch eine Weile sitzen, bevor er sich dazu entschloss nach Shruti zu sehen. Sie hatte bereits die gesamte Zugfahrt über geschlafen, doch die Ereignisse der letzten Wochen hatten ihren Körper anscheinend so ausgelaugt, dass sie noch mehr Ruhe benötigte. Langsam öffnete Sudhir die Tür zu Shrutis Zimmer und schloss sie, nachdem er eingetreten war, geräuschlos wieder. Vorsichtig setzte er sich neben Shruti aufs Bett und betrachtete ihr schlafendes Gesicht. Liebevoll strich er ihr eine lose Haarsträhne aus der Stirn, bevor er sich dazu entschloss, sich ebenfalls noch ein wenig auszuruhen. Darauf bedacht, sie nicht zu wecken, legte er sich neben sie und nahm sie vorsichtig in den Arm. Ihre angenehme Wärme spürend und mit ihrem zarten Duft in der Nase dämmerte er schließlich weg und fiel bald in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als Sudhir wieder aufwachte, war die Sonne gerade dabei unterzugehen. Das Licht, das durch die halbgeschlossenen Vorhänge einfiel, tünchte das Zimmer in ein warmes Gold und zauberte eine wunderbar friedliche Atmosphäre. Sein Blick fiel als erstes auf die noch immer schlafende Shruti. Ihr lieblicher Anblick ließ ihm das Herz aufgehen. Er konnte noch immer nicht ganz glauben, dass diese wunderschöne und liebenswürdige Frau endlich ihm gehörte. Aus einem Impuls heraus zog er ihren Körper näher an seinen heran und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar. In diesem Moment wachte Shruti auf. Mit einem leichten Murren öffnete sie die Augen und realisierte sofort, in wessen Armen sie sich befand. Langsam drehte sie sich zu Sudhir um und schenkte ihm ein sanftes Lächeln, das er ohne Zögern erwiderte. „Wie geht es dir...?“, fragte er und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn. „... Es geht...“, antwortete sie und schmiegte sich fester an ihn. „Hast du mit Aunty gesprochen...?“, wollte sie nach einer kurzen Pause wissen. „Ja, ich habe ihr alles erklärt. Sie wollte sich Vorwürfe machen, aber ich habe ihr gesagt, dass jetzt alles in Ordnung ist und sie sich keine Gedanken mehr machen muss...“, antwortete er, woraufhin sie ihre Arme um ihn legte und sich leise bedankte. Je länger sie dort so lagen, desto größer wurde Sudhirs Verlangen nach Shruti. Die Art, wie sie sich so dicht an ihn schmiegte, machte ihn so unruhig, dass er bald nicht mehr an sich halten konnte. Vorsichtig drückte er Shruti ein kleines Stück von ihm weg, sodass sie ihn ansah und er seine Lippen mit ihren vereinen konnte. Zaghaft erwiderte sie seinen Kuss und ließ es zu, dass er sich auf sie legte und seine Hand unter ihr Oberteil schob. Wo seine Finger mit ihrer nackten Haut in Berührung kamen, prickelte es und sie seufzte kaum hörbar auf, als er begann, an ihrem Ohrläppchen zu knabbern. So sehr sie jedoch seine Berührungen auch liebte und genoss, so war sie im Moment einfach nicht in der Stimmung, um mit Sudhir zu schlafen. Zu viele ungeklärte Fragen schwirrten ihr noch im Kopf herum und so hätte sie ihm nicht die Hingabe bieten können, die er verdient hatte. Vorsichtig löste sie sich also von ihm und gab ihm durch einen Blick zu verstehen, was sie fühlte. Er verstand sofort und so rollte er sich mit einem etwas enttäuschten Lächeln wieder von ihr herunter. Nach einem letzten kurzen Kuss meinte er: „Kavita Aunty hat für uns gekocht. Hast du Hunger?“ Erst jetzt da er es ansprach, bemerkte Shruti, dass ihr Magen bereits schmerzte, so hungrig war sie. Eifrig nickend stand sie also auf, nahm Sudhir bei der Hand und zog ihn hinter sich her in Richtung Küche, aus der ein Geruch drang, der ihnen äußerst schmackhafte Speisen versprach. Kapitel 31: Verlorener Kontakt und ein Brief -------------------------------------------- In den nächsten Tagen und Wochen versuchte Shruti immer wieder, Atul zu erreichen, um ihm wenigstens noch einmal in Ruhe alles zu erklären, doch an sein Telefon ging er nicht und später änderte er sogar seine Nummer. Auch auf E-Mails reagierte er nicht. Obwohl sie wusste, dass sie sich eigentlich hätte glücklich fühlen müssen, da sie nun endlich offen zu Sudhir stehen konnte, fühlte sich Shruti wie eingeklemmt zwischen zwei Stühlen und schrecklich hilflos. Sie hatte nie gewollt, dass ihre Ehe auf diese Weise endete. Und nun wusste sie nicht, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Zu ihrem Glück war ihre Stelle in der Grundschule im Dorf noch nicht nachbesetzt wurden und so konnte sie dort wieder als Lehrerin arbeiten, doch was sollte nun aus der Beziehung mit Sudhir werden? Dass er der Mann war, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte, wusste sie ganz genau, doch wie sollte das funktionieren? Sie war schließlich noch immer verheiratet und so lange Atul sich weigerte mit ihr zu reden, würde sich das auch nicht ändern. Ihre größte Angst war es, dass Sudhir irgendwann die Nase voll von dem ganzen Hin und Her und den Problemen haben und sie verlassen würde. Um dem vorzubeugen brauchte sie dringend eine Lösung, doch ihr wollte einfach nichts Gescheites einfallen. Am Ende entschied sie sich dafür, Atul einen letzten Brief zu schreiben, in dem sie ihm noch einmal alles erzählte, was ihr auf dem Herzen lag und von dem sie glaubte, dass er es wissen sollte. Dadurch hoffte sie, dass er sich doch noch einmal erweichen lassen und mit ihr reden würde. Ihre Hoffnung wurde allerdings enttäuscht. Aus Tagen wurden Wochen und es kam keinerlei Reaktion. Shruti war beinahe am Verzweifeln. „Hey, du solltest endlich mit dem Grübeln aufhören.“, meinte Sudhir eines Abends, als er und Shruti nach dem Essen noch im Garten hinter dem Gasthaus saßen und den Sonnenuntergang beobachteten. „Das steht dir einfach nicht. Und wenn du weiter so machst, bekommts du irgendwann hässliche Falten auf der Stirn.“, fügte er hinzu und tippte ihr grinsend auf die Stirn. Shruti zwang sich zu einem kurzen Lächeln, doch eigentlich war ihr nicht zum Scherzen zumute. Wenn Atul sich weiterhin nicht meldete, blieb ihr keine andere Wahl, als noch einmal zu ihm nach Dehli zu fahren. Doch allein wenn sie nur daran dachte, krampfte sich ihr Körper vor Unbehagen zusammen. „Chhoti Shruti...?“, unterbrach Sudhir ihre Gedanken und legte einen Arm um ihre Schultern. „Was hälst du davon, wenn wir zusammen ziehen? In dein Haus.“ Er ließ es klingen, als ob das nur eine beiläufige Erwähnung war, doch sein beinahe schon bohrender Blick zeigte, wie ernst es ihm war. Perplex schaute Shruti ihn an. „Meinst... Meinst du das ernst?!“, fragte sie nach, da sie nicht ganz glauben konnte, dass er diese Frage wirklich gestellt hatte. „Aber natürlich. Ich komme doch sowieso jeden Tag hierher. Das wäre das sinnvollste.“, antwortete er sachlich. Seine Worte enttäuschten sie etwas, da er anscheinend nur an die praktische Seite eines Zusammenzugs dachte. Als er ihren betrübten Blick sah, konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen. Er beugte sich näher zu ihr und meinte: „... Außerdem will ich dich jeden Morgen aufwachen und jeden Abend einschlafen sehen. Mit dir Frühstücken, mit dir gemeinsam nach Hause gehen und mein gesamtes Leben mit dir teilen...“ Ihr Gesicht erhellte sich schlagartig und vor überbordender Freude fiel sie ihm um den Hals. „Ich würde wirklich nichts lieber tun!“, meinte sie lachend und küsste ihn voll inbrünstiger Liebe. Shrutis Freude hielt noch den gesamten nächsten Tag an. Sie und Sudhir hatten beschlossen, den Umzug am Wochenende zu machen und bis dahin waren es nur noch zwei Tage. Sie freute sich schon so sehr darauf, dass sie den ganzen Tag nichts anderes hatte machen können, als selig vor sich her zu grinsen. Als sie nach der Schule allerdings nach Hause kam und den Briefkasten leerte, verschwand ihre Freude auf der Stelle. Ein Brief von Atul. Kapitel 32: Bittersüßes Ende ---------------------------- Mit zittrigen Händen saß Shruti auf der Couch in ihrem Wohnzimmer und starrte auf den noch immer ungeöffneten DIN A4-großen Briefumschlag vor ihr auf dem Tisch. Sie hatte nun schon mehrere Anläufe unternommen, ihn zu öffnen, doch sie brachte es einfach nicht über sich. Die Angst vor dem Inhalt war einfach zu groß. Doch was machte sie sich vor? Früher oder später musste sie nachschauen, was darin war – je früher, desto besser. Eilig griff sie nach dem Umschlag, riss ihn auf und holte den Inhalt, der aus mehreren zusammen getackerten Blättern bestand, heraus. „Wo bleibt denn Shruti heute so lange?“, wollte Sudhir wissen, während er unruhig mit den Fingern auf den Küchentisch trommelte und Kavita beim Klopfen des Fleisches fürs Abendbrot zusah. „Du hast Recht. Sie ist heute wirklich spät dran...“, stellte Kavita nach einem kurzen Blick auf die Küchenuhr fest. „Wieso gehst du nicht rüber und schaust nach, ob alles in Ordnung ist?“, schlug sie vor, bevor sie sich dem Schälen der Kartoffeln widmete. „Gute Idee!“, platzte Sudhir heraus und machte sich eilig auf den Weg zu Shrutis Haus. Eigentlich wäre er schon viel eher nachsehen gegangen, da er, seit Shruti schon einmal einfach verschwunden war, ein wenig paranoid geworden war. Er hütete sich allerdings tunlichst davor, das zu zeigen. Anhängliche und überbesorgte Männer wollte schließlich niemand haben. Dass Kavita ihn jetzt allerdings losgeschickt hatte, war eine perfekte Ausrede für ihn. Bei Shrutis Haus angekommen, ließ er das Klingeln und Klopfen weg, da er sowieso in zwei Tagen dort einziehen und es sein neues Zuhause sein würde. Kaum hatte er allerdings die Haustür hinter sich geschlossen, hörte er ein leises Schluchzen, das offensichtlich aus dem Wohnzimmer kam. Besorgt ging er sofort nachschauen und fand Shruti mit ihrem Gesicht in ihren Händen verborgen auf der Couch sitzend vor. Sie bemerkte ihn, als er den Raum betrat und fing daraufhin noch heftiger an zu schluchzen. Eilig setzte Sudhir sich neben sie und nahm sie fürsorglich in den Arm „Ganz ruhig... Schhh... Kya hua?“, meinte er leise, während er sie fester an sich drückte und beruhigend mit der Hand über ihren Kopf streichelte. „... ein... ein Brief von Atulji...“, brachte sie heraus und schluchzte erneut auf. Erschrocken starrte er sie an und wandte dann seinen Kopf in Richtung des Tisches, wo der geöffnete Umschlag samt Inhalt lag. Mit klopfendem Herzen langte er nach den Blättern und wollte sie gerade durchsehen, als Shruti meinte: „Das sind Scheidungspapiere...“ Perplex wandte Sudhir sich zu ihr. „Ich bin frei, Sudhir.“, meinte sie mit einem breiten Lächeln und während ihr erneut Tränen (1) in die Augen stiegen. Überwältigt fielen sie sich in die Arme. Sudhir hätte seine Freude nicht in Worte fassen können und auch Shruti war überglücklich – auch wenn ihr Glück weiterhin eher bittersüß war. Es tat ihr weh, dass ihre Ehe so enden musste und dass Atul kein einziges Wort mehr an sie verloren hatte. Auch in dem Umschlag waren einzig die Scheidungsunterlagen gewesen – mehr nicht. Kein Brief, keine Nachricht, nichts. Ihr war bewusst, dass sie ihn und seinen Stolz verletzt hatte, doch das, was er ihr angetan hatte, war damit nicht aufzuwiegen. Zu groß war die Enttäuschung über seinen ungezügelten Zorn und seine Gewaltausbrüche. Doch das lag jetzt in der Vergangenheit. Nun konnte sie endlich nach vorne schauen – in eine Zukunft, die sie sich schöner nicht hätte vorstellen können. ˙·•● ENDE ●•·˙ (1) http://i39.tinypic.com/t881hi.jpg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)