Yeh Zindagi Hai. von elfogadunk (Neue Chance, neues Leben?) ================================================================================ Kapitel 26: Annäherung in Delhi ------------------------------- Mit leerem Blick starrte Shruti aus dem Fenster und beobachtete geistesabwesend das rege Treiben auf der Straße. Der Lärm, den die hupenden Autos und Rikschas machten, war deutlich zu hören, obwohl sie sich im elften Stock befand. Sie lehnte ihren Kopf an die Fensterscheibe und schloss die Augen. Noch nicht einmal zwei Wochen war sie nun in Delhi und doch fühlte es sich bereits an wie die Ewigkeit. Jeder Tag glich dem anderen und sie hatte es jetzt schon satt. Einzig die täglichen Telefonate mit Kavita halfen ihr beim Durchhalten. Leise seufzend erhob sie sich und ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen. Dabei drifteten ihre Gedanken wie so oft zu Sudhir ab. Sie fragte sich, ob er schon bemerkt hatte, dass sie fort war. Und wenn ja, warum er sie dann noch nicht suchen gekommen war. Sie wusste, dass es falsch und töricht war, doch sie hoffte jeden Tag, dass er sie holen kommen würde. Wenn er sie liebte, warum ließ er dann zu, dass Atul sie ihm wegnahm? Sie verstand es nicht und sie fühlte sich schrecklich wegen dieser Gedanken, denn war es so, wie es jetzt war, nicht am besten? Atul hatte keinen Grund mehr, eifersüchtig zu sein und somit war die Gefahr, dass er Sudhir etwas antat, gebannt. Und doch – jeder Logik zum Trotz – sehnte sie sich jeden Tag mehr nach Sudhir und dass er sie aus dieser Hölle rettete. Shruti war gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten, als Atul nach Hause kam. Sie lief in den Flur, um ihn zu begrüßen und ihm seinen Mantel abzunehmen. Er gab ihr daraufhin einen flüchtigen Begrüßungskuss und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Während Shruti zurück in die Küche ging, kämpfte sie gegen ihren Magen an, der sich jedes Mal krampfartig zusammenzog, wenn ihr Ehemann sie berührte. Seit sie mit ihm nach Delhi gekommen war, war er merkwürdig liebevoll zu ihr. Nichts war mehr da von seiner Eifersucht und seiner Aggressivität. Noch vor wenigen Monaten hätte sie sich darüber gefreut, doch nun verursachte es ihr furchtbare Bauchschmerzen. Egal, wie sehr er sich jetzt auch bemühte, sie konnte einfach nicht vergessen, wie er gewesen war und was er ihr angetan hatte. Das Einzige, was er von ihr erwarten konnte, war, dass sie ihm eine vorbildliche Ehefrau war – romantische Gefühle würde sie jedoch nicht mehr für ihn aufbringen können. Während des Abendessens erzählte Atul von seinem Arbeitstag, doch Shruti hörte nur mit halbem Ohr zu und stocherte währenddessen lustlos in ihrem Essen herum. Sie hatte seit einigen Tagen einfach keinen Appetit mehr. Ihre ganze Situation schlug ihr so sehr auf den Magen, dass sie das Gefühl bekam, sich übergeben zu müssen, sobald sie etwas aß. Atul war das sehr wohl aufgefallen und er konnte sich die Gründe für ihr Verhalten nur allzu gut denken, doch er wollte darüber nicht mehr diskutieren. Das Wichtigste im Moment für ihn war, dass sie an seiner Seite war und er sich keine Gedanken mehr wegen Sudhir machen musste. Dass Shruti unglücklich über seine Entscheidung war, war ihm von Vornherein klar gewesen, doch es war ihm egal. Sie würde sich mit der Zeit schon an ihr neues Leben gewöhnen, davon war er überzeugt. Als er so darüber nachdachte, fiel ihm allerdings auf, dass er ihr dabei vielleicht sogar ein wenig helfen konnte. „Ein Arbeitskollege von mir heiratet nächste Woche und ich möchte, dass du mich zur Hochzeit begleitest.“, meinte er unvermittelt, während Shruti dabei war, den Tisch abzuräumen. Erstaunt schaute sie ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Noch nie hatte Atul sie irgendwohin mitgenommen. „Bist du sicher...?“, fragte sie zweifelnd nach und musterte ihn etwas skeptisch. „Ja.“, erwiderte er schlicht und verließ daraufhin die Küche. Shruti schaute ihm nur wortlos nach. Ein paar Tage später hatte Shruti gerade ihr Telefongespräch mit Kavita beendet, als Atul von der Arbeit nach Hause kam. Doch noch bevor sie in den Flur gehen konnte, um ihn zu begrüßen, war er auch schon im Wohnzimmer und stand vor ihr. Wie immer war seine Miene undurchschaubar und so sah sie ihn einfach nur an und wartete darauf, was er als nächstes tun würde. Zu ihrer Überraschung holte er eine längliche Pappschachtel hinter seinem Rücken hervor und hielt sie ihr hin. „Mach sie auf.“, forderte er sie auf und ein kaum wahrnehmbares Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Verdutzt nahm Shruti ihr Geschenk entgegen und öffnete es. Als sie den Inhalt sah, stockte ihr für einen Moment der Atem – ein reich bestickter und verzierter Anarkali strahlte ihr entgegen. „Ist... Ist der für mich?“, brachte sie erstaunt hervor und schaute Atul ungläubig an. „Nein, für meine heimliche Geliebte.“, entgegnete er, woraufhin sie ihn noch ungläubiger ansah. „Unsinn! Natürlich ist der für dich. Ich möchte, dass du ihn morgen auf der Hochzeit trägst.“, erklärte er, da er sah, dass Shruti seinen Scherz nicht verstanden hatte. Sprachlos starrte Shruti den feinen Stoff an. „Ich nehme an, er gefällt dir...?“, fragte Atul nach. „Ji... Ji!“, meinte sie schnell. „Er ist... umwerfend...!“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „... Danke...“ Dann schloss sie sie Schachtel wieder und brachte sie ins Schlafzimmer, um sich anschließend daran zu machen, das Abendessen vorzubereiten. Nachdem Shruti am nächsten Morgen Atul verabschiedet hatte, räumte sie die Küche auf und ging anschließend ins Schlafzimmer, um Atuls Hemden zu bügeln. Dabei fiel ihr Blick auf die Pappschachtel, die auf der Kommode gegenüber dem Bett lag. Zögerlich ging sie hin, öffnete den Karton und betrachtete den funkelnden Anarkali. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Atul ihr ihn tatsächlich geschenkt hatte. Noch nie hatte sie ein so wunderschönes und wertvolles Kleidungsstück getragen geschweige denn besessen. Wie kam es, dass Atul ihr nun plötzlich so etwas kaufte, wo er doch bisher strikt dagegen gewesen war, dass Shruti sich hübsch machte? War es, weil er sich mit ihr auf der Hochzeit nicht blamieren wollte? Aber dann hätte er sie erst gar nicht fragen müssen, ob sie mitkommen wollte. Shruti schüttelte den Kopf, schloss die Augen und dachte an das, was Kavita ihr gestern bei ihrem Telefonat gesagt hatte, als Shruti ihr von der Hochzeit erzählt hatte. „Es ist doch ein wunderbares Zeichen, wenn er dir nun endlich Wertschätzung und Zuneigung entgegen bringt, Beti. Vielleicht ist das eine zweite Chance für eure Ehe und ihr beide werdet endlich glücklich...“ Konnte das wirklich wahr sein? Shruti glaubte nicht daran. Ihre Liebe gehörte nur einem Mann und das war Sudhir. Daran würde sich nie wieder etwas ändern lassen – egal, wie umsichtig und liebevoll Atul in Zukunft wohlmöglich werden würde. Seufzend strich sie mit den Fingern über den seidenen Stoff und schluckte die Tränen herunter, die gerade in ihre Augen gestiegen waren. Dann schloss sie die Schachtel wieder und machte sich daran, den restlichen Haushalt zu erledigen. „Wir müssen in zehn Minuten los, Jaan. Bist du bald fertig?!“, rief Atul in Richtung des Badezimmers, während er mit einem letzten Blick in den Schlafzimmerspiegel sein Äußeres (1) überprüfte. Kaum hatte er allerdings seinen Satz beendet, wurde auch schon die Tür geöffnet und Shruti (2) kam heraus. „Kann ich so gehen...?“, fragte sie unsicher und senkte ihren Blick. Atul musste sich bei ihrem Anblick kurz sammeln und einmal kräftig schlucken, bevor er antworten konnte. „Du siehst aus wie eine Göttin...“, meinte er leise, woraufhin Shruti erstaunt ihren Kopf hob. Doch kaum hatte er ausgesprochen, hatte er seine Lippen auch schon auf ihre gelegt. Aus einem plötzlichen Verlangen heraus nahm er sie an den Schultern, drückte sie gegen die Badezimmertür und küsste sie eindringlich. Erschrocken über diesen plötzlichen Überfall konnte Shruti im ersten Moment nicht reagieren, doch dann fasste sie sich schnell wieder und versuchte, Atul von sich zu schieben. „Atulji, wir... wir müssen los...“, meinte sie schwach und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. „... Du hast Recht...“, gestand er zu ihrer großen Überraschung nach nur wenigen Augenblicken ein. „Lass uns gehen.“ Unterstützend zu seiner Aufforderung hielt er ihr seinen Arm hin, damit sie sich bei ihm einhakte. Erleichtert nickte sie und machte sich mit ihm auf den Weg zur Hochzeit. 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