Yeh Zindagi Hai. von elfogadunk (Neue Chance, neues Leben?) ================================================================================ Kapitel 9: Zweisamkeit ---------------------- Shruti und Sudhir waren beide gleichermaßen froh darüber, als sie endlich an ihrer Zielhaltestelle angekommen waren. Erleichtert stiegen sie aus und sogen ihre Lungen mit der klaren und frischen Landluft voll. Als Sudhirs Blick mehr oder weniger zufällig zu Shruti wanderte, bemerkte er, dass sie plötzlich ganz blass war. „Hey, alles in Ordnung? Du siehst gerade alles andere als gut aus...“, bemerkte er und legte ihr fürsorglich eine Hand auf den Rücken. „Vielen Dank...“, gab sie bissig und mit ironischem Tonfall zurück. „Aber mir geht’s gut. Mach dir meinetwegen bloß keine Sorgen.“ Mit diesen Worten setzte sie sich in Bewegung, um sich auf den Heimweg zu machen. Dabei fiel Sudhir auf, dass sie mit einem Mal humpelte. In diesem Moment erinnerte er sich an ihre Fußverletzung und ihm ging ein Licht auf. Da sie den ganzen Tag herum gelaufen waren, war die Wunde möglicherweise wieder aufgegangen und schmerzte nun. Entschlossen ging er Shruti nach und nahm sie kurzerhand Huckepack. „Arre! Hey, was soll denn das?!“, rief sie aus und versuchte, sich zu wehren. „Du musst nicht die große Heldin spielen. Wenn dein Fuß weh tut, sag es doch einfach...“, gab er unbeeindruckt zurück und festigte seinen Griff um ihre Oberschenkel noch, damit sie keine Chance hatte, sich von ihm loszumachen. Anstatt einer Antwort legte Shruti daraufhin nur ihre Hände auf seine Schultern und schwieg den restlichen Weg bis zum Gasthaus. Auch Sudhir sagte nichts mehr. Er war zu sehr abgelenkt von der Berührung ihrer zarten Hände und ihrer Nähe im Allgemeinen. Erneut schmiegten sich ihre Kurven an seinen Körper und in ihm kam der immer stärker werdende Wunsch auf, mehr davon zu spüren und Shruti richtig im Arm zu halten, ihre warmen Lippen auf seinen zu spüren... Er war froh, als sie schließlich am Gasthaus ankamen, denn es kostete ihn viel Überwindung seinem Verlangen nicht einfach nachzugeben. Er brachte sie in ihr Zimmer und setzte sie auf ihrem Bett ab. In diesem Moment stieß auch schon Kavita zu ihnen, die sich bereit erklärte, Shrutis Verletzung zu verarzten. Sudhir ging unterdessen in die Küche, um die Einkäufe abzustellen. Nachdem er alles ordentlich verstaut hatte, stützte er sich neben der Spüle ab und atmete tief durch. Woher kamen diese plötzlichen Gefühle für Shruti und das Verlangen nach ihr? Seine anfängliche Abneigung gegen sie verwandelte sich langsam aber sicher in das genaue Gegenteil und er konnte nicht einmal sagen, wieso. Sicher, sie war eine wirklich Schönheit, wenn sie sich nicht gerade hinter ihrer Brille versteckte, doch ansonsten verhielt sie sich wie eine Kratzbürste ihm gegenüber. Wieso also begann er, sie zu mögen? Es gab einfach keinen rationalen Grund dafür. Oder war es vielleicht die Verletzlichkeit, die sie in unachtsamen Momenten ausstrahlte? Er wollte den Grund dafür wissen. Er wollte herausfinden, was es war, das sie zu dem machte, was sie war... Grübelnd saß Sudhir auf einer Bank vor dem Gasthaus und starrte in den dunklen Sternenhimmel. Über drei Wochen war er nun schon hier und langsam wusste er nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Das Gasthaus fühlte sich mittlerweile wie ein neues Zuhause für ihn an und Kavita war beinahe wie eine Mutter für ihn. Da die Bauarbeiten am Bürogebäude aber nun recht zügig voran gingen, war sein Umzug schon absehbar und das bedauerte er sehr. Er fühlte sich hier wohl und würde es vermissen. Und vor allem würde es ihm fehlen, nicht mehr ständig in Shrutis Nähe sein zu können. Auch wenn sie ihm oft noch mit bissigen Kommentaren begegnete, war ihr Verhältnis schon um Einiges besser geworden. Manchmal konnten sie sogar schon beinahe ein Gespräch führen, ohne irgendwann in Streit zu verfallen. Ganz langsam öffnete sie sich ihm gegenüber und er hatte es nun sogar schon geschafft, dass sie ab und zu ihr Haar offen trug, wenn sie zu Hause war. Er unterließ es allerdings, sie darauf anzusprechen, da er nicht wollte, dass sie sich schämte und es dann nicht mehr machte. Sudhir schloss die Augen und atmete tief durch. Was machte er hier eigentlich? War er nicht hier, um die Leitung der Außenstelle zu übernehmen? Und nun war er nur damit beschäftigt, das Herz eines Mädchens zu erweichen, das er kaum kannte und von dem er beinahe nichts wusste. Sein altes Ich in Chicago hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, so etwas zu tun, doch hier war alles anders. Allein die Umgebung veränderte und hatte Einfluss auf ihn. Plötzlich hörte Sudhir Schritte auf der leeren Straße. Wenige Augenblicke erschien im Halbdunkel der schwachen Straßenlaternen Shruti. Sie hatte ihr Haar offen und trug ihren weißen Schlafsalwar. Sie schien genauso überrascht zu sein, ihn zu so später Stunde noch zu sehen, wie Sudhir selbst. „Hey, wo kommst du denn her?“, fragte er erstaunt, doch Shruti antwortete nur kurz angebunden mit „Das geht dich nichts an.“ und wollte ins Gasthaus gehen. Sudhir griff allerdings nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. „Bitte setz dich zu mir...“, bat er sie und schaute ihr fest in die Augen. Shruti atmete daraufhin genervt aus, tat ihm aber den Gefallen und nahm neben ihm auf der Bank Platz. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und blickten in den sternenklaren Himmel. Sudhir unterbrach schließlich die Stille. „Wie kommt es eigentlich, dass es außer mir keinen anderen Besucher bei euch gibt?“, fragte er, woraufhin Shruti ihn erstaunt anschaute. Sie hätte mit jeder Frage gerechnet, doch nicht mit so etwas Banalem. „Ah... Hier in der Nähe ist eine heilige Stätte und die Pilger, die dort hin wandern, übernachten normalerweise in unserem Gasthaus. Doch momentan ist nicht gerade Hochsaison, deswegen...“, erklärte sie ruhig und beobachtete eine kleine Kellerassel, die über den sandigen Boden vor ihren Füßen krabbelte. Sudhir gab daraufhin nur ein Geräusch von sich, das signalisierte, dass er verstanden hatte. Dann herrschte wieder Stille. Shruti fühlte sich mit jeder Minute unwohler und so stand sie bald auf, um zu gehen. „Es ist spät. Ich...“, meinte sie noch, doch Sudhir hielt sie erneut fest und zog sie zu sich. Eine Hand legte er um ihre Hüfte und die andere an ihre Wange. „Ich...“, flüsterte er und kam immer näher. Shrutis Herz schlug wie wild und sie wusste nicht, was er vorhatte. „Ich wünsche dir eine gute Nacht...“, vollendete er schließlich leise seinen Satz und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Für einen winzigen Moment fanden sich danach ihre Blicke, was Shruti allerdings die Röte ins Gesicht trieb. Eilig machte sie sich daraufhin von ihm los und verschwand ohne ein weiteres Wort ins Haus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)