Yeh Zindagi Hai. von elfogadunk (Neue Chance, neues Leben?) ================================================================================ Kapitel 3: Jetlag ----------------- Eilig wischte die junge Frau die Pfütze mit einem großen Lappen auf. Als sie schließlich damit fertig war und aufsah, schaute sie Sudhir direkt in die Augen. Ohne ihren Blick von ihm abzuwenden, stand sie langsam auf. Auch Sudhir musterte sie aufmerksam. „Was machen Sie denn hier?!“, wollte er wissen und kam auf sie zu. In diesem Moment kam auch schon Kavita aus ihrem Büro und rief, als sie den feuchten Boden vor den Füßen der jungen Frau sah: „Chhoti Shruti! Was hast du denn schon wieder...?“ Doch noch bevor sie ausgesprochen hatte, fiel Sudhir ihr ins Wort. „... Chhoti Shruti?!“, fragte er ungläubig. „Sie sind Shruti?!“, wollte er wissen und wandte sich an die junge Frau. Diese verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn kampflustig an. „Ja, Shruti Bhatt. Sehr erfreut.“ „Aber wieso haben Sie das denn vorhin nicht gleich gesagt?! Das...“, wollte Sudhir wissen, doch Shruti unterbrach ihn. „Hätten Sie mal ein wenig nachgedacht, hätten Sie auch von allein drauf kommen können. Also wirklich!“ Sudhir wollte gerade etwas erwidern, als Kavita ihn am Arm nahm und an Shruti vorbei in die Küche zog. „Wollen Sie vielleicht etwas essen?“, fragte sie. „Ich kann Ihnen schnell etwas Dal machen...“ „Nein, nein. Machen Sie sich keine Umstände. Ich...“, wollte Sudhir abwehren, doch sie ließ nicht locker. „Das sind keine Umstände. Setzen Sie sich. Es dauert nicht lange.“ Mit diesen Worten bugsierte sie ihn auf einen der Stühle, die um den großen Küchentisch an der Wand gegenüber der Tür angeordnet waren. Sudhir gab sich geschlagen und beobachtete Kavita dabei, wie sie schnell und gekonnt die Zutaten fertig machte und in den großen Kochtopf warf. Nach nur zehn Minuten roch es bereits köstlich und erst jetzt bemerkte Sudhir, was für einen Hunger er eigentlich hatte. Seit dem Morgen hatte er nichts mehr gegessen und sein Magen quittierte ihm das mit einem lauten und grimmigen Knurren. Shruti, die noch den Boden trocken gewischt hatte, hörte das und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Chhoti Shruti, deckst du bitte den Tisch? Das Essen ist gleich fertig.“, meinte Kavita und rührte mit einer ausladenden Bewegung im Topf herum. Shruti warf daraufhin den nassen Lappen im Innenhof über eine Leine und holte, nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte, drei Teller und Besteck aus dem Schrank, um damit den Tisch zu decken. Sudhir fühlte sich etwas unwohl, mit diesen beiden fremden Frauen zu essen und sich von ihnen bedienen zu lassen, doch er hatte das Gefühl, dass es unhöflich gewesen wäre, ihre Hilfe abzulehnen. Also schob er das unangenehme Gefühl beiseite und langte ordentlich zu. „Sie sind ja vollkommen ausgehungert, junger Mann.“, stellte Kavita amüsiert fest. „Oh... Ja, es tut mir leid... Normalerweise habe ich bessere Tischmanieren.“, gestand Sudhir entschuldigend ein. „Was führt Sie denn überhaupt hierher? Sie sehen nicht aus, als ob Sie hier aus der Gegend wären...“, meinte Kavita und wechselte das Thema. Sudhir kaute seinen Bissen zu Ende und antwortete, nachdem er hinunter geschluckt hatte: „Ich komme eigentlich aus Chicago, aus den USA, wissen Sie. Ich komme von der Firma, die das Bürogebäude außerhalb des Dorfes bauen lässt. Ich werde dort die Leitung übernehmen...“ „Das habe ich mir schon beinahe gedacht.“, meinte Kavita schmunzelnd. „Und was genau werden Sie dort machen?“ „Unsere Firma stellt Energie aus Windkraft her. Es werden in nächster Zeit also auch ein paar Windkrafträder hier aufgestellt werden... Die werden aber niemanden behindern.“, meinte Sudhir und fügte den letzten Satz an, als er sah, dass Kavita und Shruti ihn misstrauisch musterten. Als das Essen beendet war, wollte Sudhir noch seine Hilfe beim Abwasch anbieten, doch Kavita winkte ab. „Sie sind hier Gast. Solche Arbeiten gehören nun wirklich nicht zu Ihren Aufgaben.“ Weitere Einwände ließ sie nicht zu und so verschwand Sudhir nach einer kurzen Verabschiedung in sein Zimmer. Shruti, die mit dem Abtrocknen beschäftigt war, schaute ihm noch kurz hinterher, strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und widmete sich dann dem Geschirr, um es in den Küchenschrank zurückzustellen. Nachdem Sudhir seine Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, zog er sein Hemd und seine Hose aus und ließ sich nur in Boxershorts und T-Shirt erschöpft aufs Bett fallen. Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Eigentlich war er hundemüde und wollte schlafen, doch die vielen verschiedenen Eindrücke des ganzen Tages hielten ihn wach. Er fragte sich, wie seine Zukunft hier wohl aussehen würde, wenn der erste Tag schon so voller Überraschungen, Probleme und Komplikationen gewesen war. Zudem schienen die hier im Dorf lebenden Menschen alle etwas merkwürdig zu sein. Die tuschelnden Passanten, der viel zu gelassene Bauleiter und diese beinahe unerträglich schnippische Lehrerin. Die einzig normale Person schien ihm Kavitaji zu sein. Sie war eine wirklich nette Dame, die ehrlich um ihre Gäste besorgt schien und sich gern um sie kümmerte. Plötzlich stellte sich ihm die Frage, wie Kavitaji zu dieser Shruti stand. War sie ihre Mutter? Tante? Großmutter? Es fiel ihm schwer zu glauben, dass die beiden verwandt sein konnten. Natürlich kannte er keine der beiden auch nur ansatzweise gut genug, um sie bereits ordentlich einschätzen zu können, doch sie schienen zumindest vom ersten Eindruck her grundverschieden zu sein. Zudem fand er Shruti nicht gerade atemberaubend hübsch. Sie schien nicht sehr auf ihr Äußeres zu achten. Zwar sah sie nicht direkt schludrig aus, doch Kleidung und Frisur schienen für sie nur einen praktischen und keinen ästhetischen Zweck zu erfüllen. Eigentlich mochte Sudhir natürliche Frauen sehr viel lieber als überstylte Modepüppchen, doch das war selbst für ihn etwas zu viel `Natürlichkeit´. Während er so über den vergangenen Tag und seine neuen Bekanntschaften nachdachte, dämmerte er langsam weg und fiel schließlich in einen tiefen Schlaf. Als er am nächsten Tag seine Augen aufschlug, wurde er als erstes vom hellen Sonnenlicht geblendet. Schnell kniff er die Augen wieder zu und drehte sich mit dem Rücken zum Fenster. Dann streckte er sich ausgiebig und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die er auf den kleinen Nachttisch gelegt hatte. Als er sah, dass es bereits zwei Uhr nachmittags war, schrak er auf. Eilig wollte er sich anziehen, doch da bemerkte er, wie er sich nach einer heißen Dusche sehnte. Er war sich jedoch sicher, dass die Erfüllung dieses Wunsches alles andere als leicht sein würde. Er zog sich also an und machte sich auf die Suche nach Kavita. Er fand sie in der Küche, wo sie gerade dabei war, Pistazien zu schälen. „Namaste, Sudhirji.“, begrüßte sie ihn und schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er auch ohne Zögern erwiderte. „Sie haben einen guten und tiefen Schlaf, mein Lieber. Ich habe heute Morgen schon dreimal versucht, Sie zu wecken, doch ein Stein ist nichts gegen Sie.“, stellte sie scherzend fest, woraufhin Sudhir einen entschuldigenden Blick zuwarf. „Es tut mir wirklich leid. Ich hatte anscheinend einen größeren Jetlag, als ich gedacht habe... Aber jetzt bin ich wieder vollkommen auf der Höhe. Das Einzige, was mir jetzt noch fehlen würde... wäre eine heiße Dusche... Ist das hier irgendwo möglich?“, fragte er vorsichtig. „Aber natürlich. Dort vorne ist das Badezimmer. Ich stelle nur schnell den Wasserboiler für Sie an und dann können Sie in einer Viertelstunde duschen gehen.“ Mit diesen Worten stand Kavita lächelnd auf und verschwand im Badezimmer. Sudhir war überrascht, dass er hier tatsächlich heiß duschen können würde und lief eilends in sein Zimmer, um frische Kleidung und ein Handtuch zu holen. Nach dem Duschen, das zu seinem Bedauern sparsam verlaufen musste, da das heiße Wasser begrenzt war, fühlte er sich beinahe wie neu geboren. Kavita ließ es sich danach erneut nicht nehmen, ihm etwas zu essen zu kochen und er stellte fest, dass sie eine wirklich hervorragende Köchin war. Ihm zuliebe ließ sie auch ein paar der scharfen Gewürze weg, da sein Magen an das indische Essen natürlich nicht gewöhnt war. Nach dem Essen verabschiedete er sich in sein Zimmer und setzte sich an den Papierkram, den er zu erledigen hatte. Dabei bemerkte er gar nicht, wie schnell die Zeit verging und es schon wieder Abend wurde. Als er feststellte, dass es bereits wieder dämmerte, beschloss er, am nächsten Tag unbedingt früher aufzustehen. Er wurde aus den Gedanken gerissen, als ihm leckerer Essensduft in die Nase stieg und ihm das Wasser im Munde zusammen laufen ließ. Den restlichen Papierkram verschob er auf den morgigen Tag und stand auf, um den Ursprung des köstlichen Duftes zu ergründen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)